Kant: Werke. Band 11 + Band 12. Schriften Zur Anthropologie Geschichtsphilosophie Politik Und Pädagogik (kantinomus)

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Immanuel Kant Werkausgabe XI Die Werke Immanuel Kants in der Ausgabe von Wilhelm Weischedel liegen in den suhrkamp tascenbüchern wissenschaft in zwölf Bänden sowie geschlossen als Werkausgabe in Kassette vor: Band I: Vorkritische Schriften bis 1768 1 (stw 186) Band II: Vorkritische Schriften bis 1768 2 (stw 187) Band III: Kritik der reinen Vernunft 1 (stw 55) Band IV: Kritik der reinen Vernunft 2 (stw 55) Band V: Schriften zur Metaphysik und Logik 1 (stw 188) Band VI: Schriften zur Metaphysik und Logik 2 (stw 189) Band VII: Kritik der praktischen Vernunft.Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (stw 56) Band VIII: Die Metaphysik der Sitten (stw 190) Band IX: Schriften zur Naturphilosophie (stw 191) Band X: Kritik der Urteilskraft (stw 57) Band XI: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1 (stw 192) Band XII: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 2 (stw 193)

http://www.pdfcoke.com/kantinomus At this address you can find 10 of the 12 volumes of the works of Kant (Weischedel edition), with page numbering, according to the German Academy, included in the text. Missing volumes 2 and 8, for lack of funds. I did everything on my own initiative and on my own expense, to facilitate my research on the philosophy of Kant. I wish you success in studying the philosophy of Kant! For those interested, I posted at the same address two excerpts from my book: Critical introduction. About the possibility of Metaphysics, as Science, in critical philosophy of Kant (2004). Please see http://www.pdfcoke.com/doc/17474184/Marcel-Chelba-Kantian-tetralogy-Vol-I-Critical-Introduction-Kantinomus I will feel honored to know your opinions. Marcel Chelba [email protected]

Immanuel Kant Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1 Herausgegeben von Wilhelm Weischedel Diese Ausgabe ist text- und seitengleich Mit Band XI der Theorie-Werkausgabe Immanuel Kant, Werke in zwölf Bänden, Frankfurt 1968. Herausgegeben von Wilhelm Weischedel

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Kant, Immanuel: Werkausgabe: in 12 Bänden/Immanuel Kant. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. – Frankfurt am Main : Suhrkamp. ISBN 3-518-09243-X NE: Weischedel, Wilhelm [Hrsg.]; Kant, Immanuel: [Sammlung] Bd. 11. Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1.-11.Aufl.-1996 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 192) ISBN 3-518-27792-8 NE: GT suhrkamp taschenbuch wissenschaft 192 Erste Auflage 1977  Insel Verlag Wiesbaden 1964 Alle Rechte an dieser Ausgabe beim Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main Suhrkamp Taschenbuch Verlag Druck: Nomos Verlegsgesellschaft, Baden-Baden Printed in Germany Umschlag nach Entwügfen von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt 11 12 13 14 15 16 – 01 00 99 98 97 96 INHALT Von den verschiedenen Rassen der Menschen

Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung ? Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse Mutmasslicher Anfang der Menschengeschichte Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis Das Ende aller Dinge Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf Aus Sömmering, über das Organ der Seele Der Streit der Fakultäten VON DEN VERSCHIEDENEN RASSEN DER MENSCHEN TITEL DER ERSTEN AUFLAGE (A)1 ____ Von den Verschiedenen Racen der Menschen zur Ankündigung der Vorlesungen der physischen Geographie im Sommerhalbenjahre 1775, von Immanuel Kant 1

In B findet sich kein gesondertes Titelblatt.

der Log. und Met. ordentl. Prof. Königsberg, gedruckt bey G. L. Hartung, Königl. Hof- und Academ. Buchdrucker. [[B 125>> VON DEN VERSCHIEDENEN RASSEN DER MENSCHEN [[A 2>> 1)VON DER VERSCHIEDENHEIT DER RASSEN ÜBERHAUPT1 Im Tierreiche gründet sich die Natureinteilung in Gattungen und Arten auf das gemeinschaftliche Gesetz der Fortpflanzung, und die Einheit der Gattungen2 ist nichts anders, als die Einheit der zeugenden Kraft, welche für eine gewisse Mannigfaltigkeit von Tieren durchgängig geltend ist. Daher muss die B u f f o n s c h e [[B 126>> Regel: dass Tiere, die mit einander fruchtbare Jungen3 erzeugen, (von welcher Verschiedenheit der Gestalt sie auch sein mögen) doch zu einer und derselben physischen 4 Gattung gehören, eigentlich nur als die Definition einer Naturgattung der Tiere überhaupt, zum Unterschiede von allen Schulgattungen derselben, angesehen werden.5 Die Schuleinteilung gehet auf K l a s s e n, welche naeh Ä h n l i c h k e i t e n, die Natureinteilung aber auf Stamme, welche die Tiere nach V e r w a n d t s c h a f t e n in Ansehung der Erzeugung einteilt. Jene verschaffen6 ein Schulsystem für das Gedächtnis; diese ein Natursystem für den Verstand: die erstere hat nur zur Absicht, die Geschöpfe unter Titel, die zweite, sie7 unter Gesetze zu bringen. [[A 3>> Nach diesem Begriffe gehören alle Menschen auf der wciten Erde zu einer und derselben Naturgattung, weil sie durchgängig mit einander fruchtbare Kinder zeugen8, so grosse [[A 127>> Verschiedenheiten auch sonst in ihrer Gestalt mögen angetroffen werden. Von dieser Einheit der Naturgattung, welche eben so viel ist, als die Einheit der für sie gemeinschaftlich gültigen Zeugungskraft, kann man nur eine einzige natürliche Ursache anführen: nämlich, dass sie alle zu einem einzigen Stamme gehören, woraus sie, unerachtet ihrer Verschiedenheiten, entsprungen sind, oder doch wenigstens haben entspringen können. Im erstern Falle gehören die Menschen nicht bloss zu einer und derselben G a t t u n g, sondern auch zu Einer F a m i l i e; im zweiten sind sie einander ähnlich, aber nicht verwandt, und es müss viel Lokalschöfungen angenommen werden; eine Meinung, welche die Zahl der Ursachen ohne Not vervielfaltigt. Eine Tiergattung, die zugleich einen gemeinschaftlichen Stamm1 hat, enthät unter sich nicht verschiedene A r t e n (denn diese bedeuten eben die Verschiedenheiten2 der Abstammung); sondern [[B 128>> ihre Abweichungen von einander heissen A b a r t u n g e n, wenn sie erblich sind. Die erblichen Merkmale der Abstammung, 1

Anschliessend folgt in A: „Die Vorlesung, welche ich ankündige, wird mehr eine nützliche Unterhaltung, als eine mühsame Beschäftigung sein; daher die Untersuchung, womit ich diese Ankündigung begleite, zwar etwas vor den Verstand, aber mehr wie ein Spiel desselben, als eine tiefe Nachforschung enthalten wird.“. 2 A: „Gattung”. 3 A: „Junge”. 4 A: „p h y s i s c h e n”. 5 A: „Daher die … angesehen werden muss”. 6 A: „verschafft”. 7 A: „zweite aber sie”. 8 A: „erzeugen”. 1 A: „S t a m m.” 2 A: „Verschiedenheit”.

wenn sie mit ihrer Abkunft einstimmig sind, heissen N a c h a r t u n g e n 3; könnte aber die Abartung nicht mehr die ursprüngliche Stammbildung herstellen, so würde sie A u s a r t u n g heissen. Unter den Abartungen, d. i. den erblichen Verschiedenheiten der Tiere, die zu einem einzigen Stamme gehören, heissen diejenigen, welche sich sowohl bei allen Verpflanzungen (Versetzungen in andre Landstriche) in langen Zeugungen unter sich beständig erhalten, als auch, in der Vermischung mit andern Abartungen desselbigen Stamms, jederzeit halbschlachtige Junge zeugen4, R a s s e n. Die, so bei allen Verpflanzungen das Unterscheidende ihrer Abartung zwar beständig erhalten und also nacharten5, aber in der Vermischung mit andern nicht notwendig halbschlachtig zeugen, heissen S p i e l a r t e n; die aber, so zwar [[B 129>> oft aber nicht beständig6 nacharten, V a r i e t ä t e n. Umgekehrt heisst die Abartung, welche mit andern zwar halbschlächtig erzeugt, aber durch die Verpflanzung nach und nach erlischt, ein besonderer S c h l a g. Auf diese Weise sind N e g e r und W e i s s e zwar nicht verschiedene A r t e n von Menschen (denn sie gehören vermutlich5 zu einem Stamme); aber doch zwei verschiedene R a s s e n; weil jede derselben sich in allen Landstrichen perpetuiert, und beide mit einander notwendig halbschlächtige Kinder, oder B l e n d l i n g e (Mulatten) erzeugen. Dagegen sind B l o n d e und B r u n e t t e nicht verschiedene R a s s e n der Weissen1; weil ein blonder Mann von einer brunetten Frau auch lauter blonde Kinder haben kann, obgleich jede dieser Abartungen sich bei allen [[A 4>> Verpflanzungen lange Zeugungen hindurch erhält. Daher sind sie S p i e l a r t e n 2 der Weissen. Endlich bringt die [[B 130>> Beschaffenheit des Bodens (Feuchtigkeit oder Trockenheit), imgleichen der Nahrung nach und nach einen erblichen Unterschied oder S c h l a g unter Tiere einerlei Stammes3 und Rasse, vornehmlich in Ansehung der Grösse, der Proportion der Gliedmassen (plump oder geschlank), ingleichen des Naturells, der zwar in der Vermischung mit fremden halbschlächtig anartet, aber auf einem andern Boden und bei anderer Nahrung (selbst ohne Veränderung des Klima) in wenig Zeugungen verschwindet. Es ist angenehm, den verschiedenen Schlag der Menschen nach Verschiedenheit dieser Ursachen zu bemerken, wo er in eben demselben Lande bloss nach den Provinzen kenntlich ist (wie sich die Böotier, die einen feuchten, von den Atheniensern unterschieden, die einen trocknen Boden bewohnten), welche Verschiedenheit oft freilich nur einem aufmerksamen Auge kenntlich ist, von andern aber belacht wird. Was bloss zu den V a [[B 131>> r i e t ä t e n gehört, und also an sich selbst (ob zwar eben nicht beständig) erblich ist, kann doch durch Ehen, die immer in denselben Familien verbleiben, dasjenige mit der Zeit hervorbringen, was ich den F a m i l i e n s c h l a g nenne, wo sich etwas Charakteristisches endlich so tief in die Zeugungskraft einwurzelt, dass es einer Spielart nahe kommt, und sich wie diese perpetuiert. Man will dieses an dem alten Adel von Venedig, vornehmlich den Damen desselben4, bemerkt haben. Zum wenigsten sind in der neu entdeckten Insel O t a h e i t e die adligen Frauen insgesamt grössern Wuchses als die gemeinen. – Auf der Möglichkeit, durch sorgfältige Aussonderung der ausartenden Geburten von den einschlagenden, endlich einen dauerhaften Familienschlag zu errichten, beruhte die Meinung des Herrn von M a u p e r t u i s: einen von Natur edlen Schlag Menschen in irgend einer Provinz zu ziehen, [[B 132>> worin Verstand, Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit erblich wären. Ein Anschlag, der meiner Meinnng nach an sich selbst zwar tunlich, aber durch die weisere Natur ganz wohl verhindert ist, weil eben in der Vermengung des Bösen mit dem Guten die grossen Triebfedern liegen, 3

A: „einstimmig sein, sind N a c h a r t u n g e n”. A: „erzeugen”. 5 Zusatz von B. 6 B: „aber und beständig”. 5 Zusatz von B. 1 Zusatz von B. 2 A: „sie bisweilen Spielarten”. 3 A: „Tiere eben desselben Stammes”. 4 A: „derselben”. 4

welche die schlafenden Kräfte der Menschheit in Spiel setzen, und sie nötigen, alle ihre Talente su entwickeln, und sich der Vollkommenheit ihrer Bestimmung zu nähern. Wenn die Natur ungestört (ohne Verpfanzung oder fremde Vermischung) viele Zeugungen hindurch wirken kann: so bringt sie jederzeit endlich einen dauerhaften Schlag hervor, der Völkerschaften auf immer kenntlich macht, und eine Rasse würde genannt werden, wenn das Charakteristische nicht zu unbedentend schiene, und zu schwer zu beschreiben wäre, um darauf eine besondere Abteilung zu gründen.1 [[B 133>> 2) EINTEILUNG DER MENSCHENGATTUNG IN IHRE VERSCHIEDENE RASSEN Ich glaube, man habe nur nötig, vier Rassen derselhcn anzunehmen, um alle dem ersten Blick kenntliche und sich perpetuierende Unterschiede davon2 ableiten zu können. Sie sind 1) die Rasse der W e i s s e n, 2) die N e g e r r a s s e, 3) die h u n n i s c h e (mungalische oder kalmuckische) Rasse, 4) die hinduische oder h i n d i s t a n i s c h e Rasse. Zu der erstern, die ihren vornehmsten Sitz in Europa hat, rechne ich noch die Mohren (Mauren von Afrika), die Araber (nach dem Niebuhr), den türkisch-tatarischen Völkerstamm, und die Perser, imgleichen [[A 5>> alle übrige Völker von Asien, die nicht durch die übrigen Abteilungen namentlich davon ausgenommen sind. Die N e g e r r a s s e der nördlichen 3 Halbkugel ist bloss in Afrika, die der südlichen4 (ausserhalb Afrika) vermutlich [[B 134>> nur in Neuguinea eingeboren (autochthones), in einigen benachbarten Inseln aber blosse Verpflanzungen. Die kalmuckische Rasse scheint unter den Choschotischen am reinsten, unter den Torgöts etwas1, unter den Dsingorischen mehr mit tatarischem Blute vermischt zu sein, und ist eben dieselbe, welche in den ältesten Zeiten den Namen der H u n n e n, später den Namen der M u n g a l e n (in weiter Bedeutung) und jetzt der Ö l ö t s führt. Die hindistanische Rasse ist in dem Lande dieses Namens sehr rein und uralt, aber von dem Volke auf der jenseitigen Halbinsel Indiens unterschieden. Von diesen vier Rassen glaube ich alle übrige erbliche Völkercharaktere ableiten zu können: entweder als v e r m i s c h t e oder a n g e h e n d e Rassen2; wovon die erste aus der Vermischung verschiedener entsprungen ist, die zweite in dem Klima noch nicht lange genug gewohnt hat, um den Charakter der Rasse desselben völlig anzunehmen3. So hat die Ver[[B 135>>mischung des tatarischen mit dem hunnischen Blute an den Karakalpaken, den Nagajen und andern, H a l b r a s s e n hervorgebracht. Das4 h i n d i s t a n i s c h e Blut, vermischt mit dem der alten Skythen (in und um Tibet) und mehr oder weniger von dem hunnischen, hat vielleicht die Bewohner der jenseitigen Halbinsel Indiens, die T o n g k i n e s e n und S c h i n e s e n, als eine5 vermischte Rasse erzeugt. Die Bewohner der nordlichen Eisküste Asiens sind ein Beispiel einer angehenden h u n n i s c h e n Rasse, wo sich schon das durchgängig schwarze Haar, das bartlose Kinn, das flache Gesicht und langgeschlitzte wenig geöffnete Auge6 zeigen: die Wirkung der Eiszone an einem Volke, welches in spätern Zeiten aus mildererm Himmelsstriche in diese Sitze getrieben worden, so wie die Seelappen, ein Abstamm des ungrischen Volks, in nicht gar viel Jahrhunderten, schon ziemlich in das Eigentüm[[B 1

Zusatz von B. A: „Ich glaube mit v i e r Rassen derselben auszulangen, um alle erbliche und…Unterschiede derselben davon”. 3 A: „n o r d l i c h e n”. 4 A: „s ü d l i c h e n”. 1 A: „Torgöts weniger”. 2 A: „a n g e h e n d e, oder a u s g e h e n d e Rassen“. 3 A: “anzunehmen, die letzte aber durch Verpflanzung in einen andern Landstrich von ihrer alten Rasse etwas verloren hat, obgleich noch nicht völlig ausgeartet ist“. 4 A: „hervorgebracht hat. Das”. 5 A: „aus eine”. 6 A: „Augen”. 2

136>>liche des kalten Himmelstrichs eingeartet sind, ob sie zwar von einem wohlgewachsenen Volke aus der temperierten Zone entsprossen waren. Endlich scheinen die A m e r i k a n e r eine noch nicht völlig eingeartete hunnische 1 Rasse zu sein. Denn im äussersten Nordwesten von Amerika (woselbst auch, aller Vermutung nach, die Bevölkerung dieses Weltteils aus dem Nordosten von Asien, wegen der übereinstimmenden Tierarten in beiden, geschehen sein muss), an den nordlichen2 Küsten von der H u d s o n s b a i sind die Bewohner den Kalmucken ganz ähnlich. Weiter hin in Süden wird das Gesicht zwar offener und erhobener, aber [[A 6>> das bartlose Kinn, das durchgängig schwarze Haar, die rotbraune Gesichtsfarbe, imgleichen die Kalte und Unempfindlichkeit des Naturells, lauter Überbleibsel von der Wirkung3 eines langen Aufenthalts in kalten Weltstrichen4, wie wir bald sehen werden, gehen von dem äussersten Norden dieses Welt[[B 137>>teils bis zum StaatenEilande fort. Der längere Aufenthalt der Stammväter der Amerikaner in N.O. von Asien und dem benachbarten N. W. von Amerika hat die kalmuckische Bildung zur Vollkommenheit gebracht; die geschwindere Ausbreitung ihrer Abkömmlinge aber nach dem Süden dieses Weltteils die amerikanische.5 Von Amerika aus ist gar nichts weiter bevölkert. Denn auf den Inseln des Stillen Meers sind alle Einwohner, einige Neger ausgenommen, bartig; vielmehr geben sie einige Zeichen der Abkunft von den Malaien 6, eben so, wie die auf den Sundaischen Inseln; und die Art von Lehnsregierung, welche man auf der lnsel O t a h e i t e antraf, und welche auch die gewöhnliche Staatsverfassung der Malaien ist, bestätiget diese Vermutung. Die Ursache, Neger und Weisse für Grundrassen anzunehmen, ist für sich selbst klar. Was die hindistanische und kalmuckische be[[B 138>>trifft, so ist das Olivengelb, welches dem mehr oder weniger Braunen der heissen Länder zum Grunde liegt, bei den erstern 7 eben so wenig, als das originale Gesicht der zweiten von irgend einem andern bekannten Nationscharakter abzuleiten, und beide drücken sich in vermischten Begattungen unausbleiblich ab. Eben dieses gilt von der in die kalmuckische Bildung einschlagenden und. damit durch einerlei Ursache verknüpften amerikanischen Rasse. Der Ostindianer gibt durch Vermischung mit dem Weissen den g e l b e n M e s t i z e n, wie der Amerikaner mit demselben den r o t e n, und der Weisse mit dem Neger den M u l a t t e n, der Amerikaner mit eben densselben den K a b u g l oder den schwarzen K a r a i b e n: welches jederzeit kenntlich bezeichnete Blendlinge sind; und ihre Abkunft von echten Rassen beweisen.1 [[B 139>> 3) VON DEN UNMITTELBAREN URSACHEN DES URSPRUNGS DIESER VERSCHIEDENEN RASSEN Die in der Natur eines organischen Körpers (Gewächses oder Tieres) liegenden Gründe einer bestimmten Auswickelung heissen 2, wenn diese Auswickelung besondere Teile betrifft, K e i m e; betrifft sie aber nur die Grösse oder das Verhältnis der Teile untereinander, so nenne ich sie n a t ü r l i c h e A n l a g e n. In den Vögeln von derselben Art, die doch in verschiedenen Klimaten leben sollen, liegen Keime zur Auswickelung einer neuen Schicht Federn, wenn sie im kalten Klima leben, die aber zurückgehalten werden, wenn sie sich im gemässigten aufhalten sollen. Weil in einem kalten Lande das Weizenkorn mehr gegen feuchte Kälte geschätzt werden muss, als in einem trocknen oder warmen, so liegt in ihm eine 1

A: „eingeartet, oder halb ausgeartet hunnische”. A: „nordlichsten”. 3 A: „von den Würkungen”. 4 A: „im kalten Weltstriche”. 5 Zusatz von B. 6 A: „M a l a i e n”. 7 Cassirer: „bei der erstern”. 1 A: „unausbleiblich ab. Auch trägt die Art, wie die übrige unvollkommene Rassen aus diesen abgeleitet werden können, dazu bei, die genannte als Grundrassen anzzusehen.“ Ein mit dem Text von B weitgehend übereinstimmender Satz findet sich A 11 (in der vorliegenden Ausgabe S. 25). 2 A: „Auswickelung desselben heissen”. 2

vorher bestimmte Fähigkeit oder natürliche Anlage, nach und nach eine dickere Haut hervorzubringen. Diese Fürsorge3 der Natur, ihr Geschöpf durch [[B 140>> versteckte innere Vorkehrungen auf allerlei künftige Umstände auszurüsten, damit es sich erhalte, und der Verschiedenheit des Klima oder des Bodens angemessen sei, ist bewundernswürdig, und bringt bei der Wanderung und Verpflanzung der [[A 7>> Tiere und Gewächse, dem Scheine nach, neue Arten hervor, welche nichts anders, als Abartungen und Rassen von derselben Gattung sind, deren Keime und natürliche Anlagen sich nur gelegentlich in langen Zeitläuften auf verschiedene Weise entwickelt haben.* [[B 141>> Der Zufall, oder allgemeine mechanische Gesetze, können solche Zusammenpassungen nicht hervorbringen. Daher müssen wir dergleichen gelegentliche Auswickelungen als v o r g e b i l d e t ansehn. Allein selbst da, wo sich nichts Zweckmässiges zeiget, ist das blosse Vermögen, seinen besondern angenommenen Charakter fortzupflanzen, schon Beweises genug: dass dazu ein besonderer Keim oder natürliche Anlage in dem organischen Geschöpf anzutreffen gewesen. Denn äussere Dinge können wohl Gelegenheits- aber nicht hervorbringende Ursachen von demjenigen sein, was notwendig anerbet und nachartet. So wenig, als der Zu[[B 142>>fall oder physisch-mechanische Ursachen einen organischen Körper hervorbringen können, so wenig werden sie zu seiner Zeugungskraft etwas hinzusetzen, d. i. etwas bewirken, was sich selbst fortpflanzt, wenn es eine besondere Gestalt oder Verhältnis der Teile ist. ** Luft, Sonne und Nahrung können einen tierischen Körper in seinem Wachstume modifizieren, aber diese Veränderung nicht zugleich mit einer zeugenden Kraft versehen, die vermögend wäre, sich selbst, auch ohne diese Ursache, wieder hervorzubringen; sondern, was sich fortpflanzen soll, muss in der Zeugungskraft schon vorher gelegen haben, als vorher bestimmt zu einer gelegentlichen Auswickelung, den Umständen gemäss, darein das Geschöpf geraten kann, und in welchen es sich bestän[[B 143>>dig erhalten soll. Denn in die Zeugungskraft muss nichts dem Tiere Fremdes1 hinein kommen können, was vermögend wäre, das Geschöpf nach und nach von seiner ursprünglichen und wesentlichen Bestimmung zu entfernen, und wahre Ausartungen hervorzubringen, die sich perpetuierten2. [[A 8>> Der Mensch war für alle Klimaten und für jede Beschaffenheit des Bodens bestimmt; folglich mussten in ihm mancherlei Keime und natürliche Anlagen bereit liegen, um gelegentlich entweder ausgewickelt oder zurückgehalten zu werden, damit er seinem Platze in der Welt angemessen würde, und in dem Fortgange der Zeugungen demselben gleichsam angeboren und dafür gemacht zu sein schiene3. Wir wollen, nach diesen Begriffen, die ganze Menschengattung auf der weiten Erde durchgehn, und daselbst zweckmässige Ursachen seiner Abartungen anführen, wo die natürlichen nicht wohl einzusehen sind, hingegen natürliche, [[B 144>> wo wir die Zwecke nicht gewahr werden. Hier merke ich nur 3

A: „Vorsorge”. Wir nehmen die Benennungen: N a t u r b e s c h r e i b u n g und N a t u r g e s c h i c h t e gemeiniglich in einerlei Sinne1. Allein es ist klar, dass die Kenntnis der Naturdinge, wie sie j e t z t s i n d, immer noch die Erkenntnis von demjenigen wünschen lasse, was sie ehedem g e w e s e n sind, und durch welche Reihe von Veränderungen sie durchgegangen, um an jedem Orte in ihren gegenwärtigen Zustand zu gelangen. Die N a t u r g e s c h i c h t e, woran es uns fast noch gänzlich fehlt, würde uns die Veränderung der Erdgestalt, ingleichen die der Erdgeschöpfe (Pflan[[Anm. B 141>>zen und Tiere), die sie durch natürliche Wandrungen erlitten haben, und ihre daraus entsprungene Abartungen von dem Urbilde der Stammgattung lehren, Sie würde vermutlich eine grosse Menge scheinbar verschiedene Arten zu Rassen eben derselben Gattung zurückführen, und das jetzt so weitläuftige Schulsystem der Naturbeschreibung in ein physisches System für den Verstand verwandeln. *

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Krankheiten sind bisweilen erblich. Aber diese bedürfen keiner Organisation, sondern nur eines Ferments schädlicher Säfte, die sich durch Ansteckung fortpflanzen. Sie arten auch nicht notwendig an. 1 Zusatz von B. 2 A: „perpetuieren”. 3 A: „scheine”.

an: dass L u f t und S o n n e diejenigen Ursachen zu sein scheinen, welche auf die Zeugungskraft innigst einfliessen, und eine dauerhafte Entwickelung der Keime und Anlagen hervorbringen, d. i. eine Rasse gründen können; da hingegen die besondere Nahrung zwar einen Schlag Menschen hervorbringen kann, dessen Unterscheidendes aber bei Verpflanzungen bald erlischt. Was auf die Zeugungskraft haften soll, muss nicht die E r h a l t u n g des Lebens, sondern die Q u e l l e desselben, d. i. die ersten Prinzipien seiner tierischen Einrichtung und Bewegung affizieren4. Der Mensch, in die Eiszone5 versetzt, musste nach und nach in eine kleinere Statur ausarten; weil bei dieser, wenn die Kraft des Herzens dieselbe bleibt, der Blutumlauf in kürzerer Zeit geschieht, der Pulsschlag also schneller und die Blutwärme grösser wird. In der Tat fand auch C r a n z die Grönlän[[B 145>>der nicht allein weit unter der Statur der Europäer, sondern auch von merklich grösserer natürlichen Hitze ihres Körpers. Selbst das Missverhältnis zwischen der ganzen Leibeshöhe und den kurzen Beinen an den nordlichsten Völkern ist ihrem Klima sehr angemessen, da diese Teile des Körpers wegen ihrer Entlegenheit vom Herzen in der Kälte mehr Gefahr leiden. Gleichwohl scheinen1 doch die meisten der jetzt bekannten Einwohner2 der Eiszone nur spätere Ankömmlinge daselbst zu sein; wie die Lappen, welche, mit den Finnen aus einerlei Stamme, nämlich dem ungrischen entsprungen, nur seit der Auswanderung der letztern (aus dem Osten von Asien) die jetzigen Sitze eingenommen haben, und doch schon3 in dieses Klima auf einen ziemlichen Grad eingeartet sind. Wenn aber ein nordliches Volk lange Zeitläufte hindurch genötiget ist, den Einfluss von [[B 146>> der Kälte der Eiszone auszustehen, so müssen sich mit ihm noch grössere Veränderungen zutragen. Alle Auswickelung, wodurch der Körper seine Säfte nur verschwendet, muss in diesem austrocknenden Himmelsstriche nach und nach gehemmt werden. Daher werden die Keime des Haarwuchses mit der Zeit unterdrückt, so, dass nur diejenigen übrig bleiben, welche zur notwendigen Bedeckung des Hauptes erforderlich sind. Vermöge [[A 9>> einer natürlichen Anlage werden auch die hervorragenden Teile des Gesichts, welches am wenigsten einer Bedeckung fähig ist, da sie durch die Kälte unaufhörlich leiden, vermittelst einer Fürsorge4 der Natur, allmählich flacher werden, um sich besser zu erhalten. Die wulstige Erhöhung unter den Augen, die halbgeschlossenen und blinzenden5 Augen scheinen zur Verwahrung derselben, teils gegen die austrocknende Kälte der Luft, teils gegen das Schneelicht (wogegen die Esquimaux 6 auch Schnee[[B 147>>brillen brauchen), wie veranstaltet zu sein, ob sie gleich auch als natürliche Wirkungen des Klima angesehen werden können, die selbst in mildern Himmelsstrichen1, nur in weit geringerm Masse, zu bemerken sind. So entspringt nach und nach das bartlose Kinn, die gepletschte Nase, dünne Lippen, blinzende2 Augen, das flache Gesicht, die rotlich braune Farbe mit dem schwarzen Haare, mit einem Worte, die k a l m u c k i s c h e G e s i c h t s b i l d u n g, welche, in einer langen Reihe von Zeugungen in demselben Klima, sich bis zu einer dauerhaften Rasse einwurzelt, die sich erhält, wenn ein solches Volk gleich nachher in mildern Himmelsstrichen neue Sitze gewinnt. Man wird ohne Zweifel fragen, mit welchem Rechte ich die kalmuckische Bildung, welche jetzt in einem mildern3 Himmelsstriche in ihrer grössten Vollständigkeit angetroffen 4

A: „desselben affizieren, d.i. die ersten Prinzipien…Bewegung”. A: „E i s z o n e”. 1 A: „Indessen scheinen”. 2 A: „Bewohner”. 3 Zusatz von B. 4 A: „Vorsorge”. 5 A: „blinzernde”. 6 A: „E s q u i m a u x”. 1 A: „im mildern Himmelsstriche”. 2 A: „blinzernde”. 3 A: „temperierten”. 5

wird, tief aus Norden oder Nordosten herleiten [[B 148>> könne? Meine Ursache ist diese. H e r o d o t berichtet schon aus seinen Zeiten: dass die A r g i p p ä e r, Bewohner eines Landes am Fusse hoher Gebirge, in einer Gegend, welche man für die des Uralgebirges halten kann, kahl und flachnasicht wären, und ihre Bäume mit weissen Decken (vermutlich versteht er Filzzelte) bedeckten. Diese Gestalt findet man jetzt, in grösserm oder kleinerm Masse, im Nordosten von Asien, vornehmlich aber in dem nordwestlichen Teil von Amerika, den man von der Hudsonsbai aus hat entdecken können, wo, nach einigen neuen Nachrichten, die Bewohner wie wahre Kalmucken aussehn. Bedenkt man nun, dass in der ältesten Zeit Tiere und Menschen in dieser Gegend zwischen Asien und Amerika müssen gewechselt haben, indem man einerlei Tiere in dem kalten Himmelsstriche beider Weltteile antrifft, dass diese menschliche Rasse sich allererst etwa 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung (nach dem [[B 149>> D e g u i g n e s) über den Amurstrom hinaus den Chinesen zeigte, und nach und nach andere Völker, von tatarischen, ungrischen und andern Stämmen, aus ihren Sitzen vertrieb, so wird diese Abstammung aus dem kalten Weltstriche nicht ganz erzwungen scheinen. Was aber das Vornehmste ist, nämlich die A b l e i t u n g der A m e r i k a n e r, als einer nicht völlig eingearteten Rasse1, eines Volks, das lange den nordlichsten Weltstrich bewohnt hat, wird gar sehr durch [[A 10>> den erstickten Haareswuchs an allen Teilen des Körpers, ausser dem Haupte, durch die rötliche Eisenrostfarbe der kälteren und die dunklere Kupferfarbe heisserer Landstriche dieses Weltteils bestätigt. Denn das Rotbraune scheint (als eine Wirkung der Luftsäure) eben so dem kalten Klima, wie das Olivenbraun (als eine Wirkung des Laugenhaft-Gallichten der Säfte) dem heissen Himmelsstriche angemessen zu sein, [[B 150>> ohne einmal das Naturell der Amerikaner in Anschlag zu bringen, welches eine halb erloschene Lebenskraft verrät, * die am natürlichsten für die Wirkung einer kalten Weltgegend angesehen werden kann. Die grösseste f e u c h t e H i t z e des warmen Klima muss hingegen an einem Volke, das darin alt genug geworden, um seinem Boden völlig anzuarten, Wirkungen zeigen, die den vorigen gar sehr entgegengesetzt sind. Es wird gerade das Widerspiel der kalmuckischen Bildung erzeugt werden. Der Wuchs der schwammichten Teile des Körpers musste in einem heissen und feuchten Klima zunehmen; daher eine dicke Stülpnase und Wurstlippen.[[B 151>> Die Haut musste geölt sein, nicht bloss um die zu starke Ausdünstung zu mässigen, sondern die schädliche Einsaugung der fäulichten Feuchtigkeiten der Luft zu verhüten. Der Überfluss der Eisenteilchen, die sonst in jedem Menschenblute angetroffen werden, und hier durch die Ausdünstung des phosphorischen Sauren (wornach alle Neger stinken) in der netzförmigen Substanz gefället worden, verursacht die durch das Oberhäutchen durchscheinende Schwärze, und der starke Eisengehalt im Blute scheint auch nötig zu sein, um der Erschlaffung aller Teile vorzubeugen. Das Öl der Haut, welches den zum Haareswuchs erforderlichen Nahrungsschleim schwächt, verstattete kaum die Erzeugung einer den Kopf bedeckenden Wolle. Übrigens ist feuchte Wärme dem starken Wuchs der Tiere überhaupt beförderlich, und kurz, es entspringt der Neger, der seinem Klima wohl angemes[[B 152>>sen, nämlich stark, fleischig, gelenk, aber unter der reichlichen Versorgung seines Mutterlandes faul, weichlich und tändelnd ist.1 1

A: „eingearteten, oder vielleicht halb ausgearteten Rasse”. Um nur ein Beispiel anzuführen, so bedient man sich in Surinam der roten Sklaven (Amerikaner) nur allein zu häuslichen Arbeiten, weil sie zur Feldarbeit zu schwach sind, als wozu man Neger brancht. G1eichwohl fehlt es hier nicht an Zwangsmitteln; aber es gebricht den Eingebornen dieses Weltteils überhaupt an Vermögen und Dauerhafligkeit.1 1 A: „Die grösseste feuchte Hitze des warmen Klima, muss hingegen an einem Volke, dessen fruchtbarste Landstriche gerade diejenige sein, worin der Einfluss von beiden am heftigsten ist, wenn es jetzt alt genug ist um seinem Boden völlig anzuarten, Wirkungen zeigen, die den vorichten gar sehr entgegen gesetzt sind. Der Verlust der Säfte durch Ausdünstung (wegen der Hitze der Weltgegend) erforderte und die Hitze bewirkte es: dass die Keime des Haareswuchses, als einer Verschwendung derselben, zurückgehalten würden, ausser auf dem Haupte. Die Haut musste geölt sein, damit diese Ausdünstung vermindert würde. (Die schwarze Farbe *

Der Eingeborne von Hindistan kann als aus einer der ältesten menschlichen Rassen entsprossen angesehen werden. Sein Land, welches nordwärts an ein hohes Gebürge gestützt und von Norden nach Süden, bis zur Spitze seiner Halbinsel, von einer langen Bergreihe durchzogen ist (wozu ich nordwärts noch Tibet, vielleicht den allgemeinen Zufluchtsort des menschlichen Geschlechts während, und dessen Pflanzschule nach der letzten grossen Revolution unsrer Erde, mitrechne), hat in einem glücklichen Himmelsstriche die vollkommenste Scheitelung der Wasser (Ablauf nach zween Meeren), die sonst kein im glücklichen Himmelsstriche liegender2 Teil des festen Landes von Asien hat. Es konnte also in den ältesten Zeiten trocken und bewohnbar sein, da, sowohl die östliche Halbinsel Indiens, als [[B 153>> China (weil in ihnen die Flüsse, an statt sich zu scheiteln, parallel laufen) in jenen Zeiten der Überschwemmungen noch unbewohnt sein mussten. Hier konnte sich also in langen Zeitläuften eine feste menschliche Rasse gründen. Das Olivengelb der Haut des Indianers, die wahre Zigeunerfarbe, welche dem mehr oder weniger dunkeln Braun anderer östlicheren Völker zum Grunde liegt, ist auch eben so charakteristisch und in der Nachartung beständig, als die schwarze Farbe der Neger, und scheint, zusamt der übrigen Bildung und dem verschiedenen Naturelle, eben so die Wirkung einer t r o c k e n e n, wie die letztere der feuchten Hitze zu sein. Nach Herrn Ives sind die gemeinen Krankheiten der Indianer verstopfte Gallen und geschwollene Lebern; ihre angeborne Farbe aber ist gleichsam gelbsüchtig und scheint eine kontinuierliche Absonderung der ins Blut getretenen Galle zu beweisen, [[B 154>> welche, als seifenartig, die verdickten Säfte vielleicht auflöset und verflüchtigt, und dadurch wenigstens in den äussern Teilen das Blut abkühlt. Eine hierauf oder auf etwas Ähnliches hinauslaufende Selbsthülfe der Natur, durch eine gewisse Organisation (deren Wirkung sich an der Haut zeigt) dasjenige kontinuierlich wegzuschagen, was den Blutumlauf reizt, mag wohl die Ursache der kalten Hände der Indianer sein, * und [[B 155>> vielleicht (wiewohl man dieses noch nicht beobachtet hat) einer überhaupt verringerten Blutwärme, die sie fähig macht, die Hitze des Klima ohne Nachteil zu ertragen.1 derselben kann als eine Nebenfolge, durch die Fällung der Eisenteile, welche in allem Tierblute enthalten sind, vennittelst der besondern Eigenschaft der ausdünstenden Säfte angesehen werden.) Der Wuchs der schwammichten Teile des Körpers musste in einem heissen und feuchten Klima zunehmen; daher die dicke Stülpnase und Wurstlippen. Kurz es entsprang der Neger, der seinem Klima wohl angemessen ist: stark, fleischig, gelenk von warmen Blut, aus Mischung, und von trägem, wegen Schlaffheit der Gefässe, ist.“ 2 Zusatz von B. * Ich hatte zwar sonst gelesen: dass diese Indianer die Besonderheit kalter Hände bei grosser Hitze haben, und dass dieses eine Frucht ihrer Nüchternheit und Mässigkeit sein solle. Allein als ich das Vergnügen hatte, den aufmerksamen und einsehenden Reisenden, Herrn E a t o n, der einige Jahre als holländischer Konsul und Chef ihrer Etablissements zu Bassora etc. gestanden, bei seiner Durchreise durch Königsberg zu sprechen, so benachrichtigte er mich: dass, als er in Surat mit der Gemahlin eines europäischen Konsuls getanzt habe, er verwundert gewesen wäre, schwitzige und kalte Hände an ihr zu fühlen (die Gewohnheit der Handschuhe ist dort noch nicht angenommen), und, [[Anm. B 155>> da er andern seine Befremdung geäussert, zur Antwort bekommen habe: sie habe eine Indianerin zur Mutter gehabt, und diese Eigenschaft sei an ihnen erblich. Ebenderselbe bezeugte auch, dass, wenn man die Kinder der P a r s i s mit denen der Indianer dort znsammensähe, die Verschiedenheit der Rassen in der weissen Farbe der ersten, und der gelbbraunen der zweiten sogleich in die Augen falle. Ingleichen, dass die Indianer in ihrem Baue noch das Unterscheidende an sich hätten, dass ihre Schenkel über das bei uns gewöhnliche Verhältnis länger wären. 1 A: „unbewohnt sein mussten. Damals scheint auch dieses Land von allen Ländern Asiens lange Zeit abgeschnitten gewesen zu sein. Denn der grosse Landstrich, der zwischen [[A 11>> dem M u s t a g h- und dem A l t a i s c h e n Gebirge, imgleichen zwischen der K l e i n e n B u c h a r e i und D a u r i e n inne liegt und Hindistan n o r d w ä r t s abschneidet, so wie andererseits Persien und Arabien welche es w e s t w ä r t s von der übrigen Welt absondern, sind Länder, die zu dem Meere hin entweder gar keinen, oder nur nahe an den Küsten einen kurzen Abhang haben, (B u a c h e nennt dergleichen hohe und waagrecht gestellte Länder Platteformen) und also gleichsam Bassins aller Meere, die nach und nach eingetrocknet sind, wie der Sand,* der die Fläche derselben fast allenthalben bedecket, und vermutlich ein Wiederschlag der allen ruhigen Wasser ist, es zu bestätigen scheint. // *Die P l a t t e f o r m e n heissen Ebenen; weil der Fuss, der in ihrem Innern befindlichen Gebirge mehrenteils mit horizontal liegenden Sande bedeckt ist, und sie also keinen weiterstreckten Abhang ihres Bodens haben. Weswegen sie auch viele Flüsse enthalten, die im Sande versiegen und das Meer nicht erreichen, ein Umstand, den man sonst nirgend in der Welt antrifft. Alle Sandwüsten sind hohe Ebenen

Da hat man nun Mutmassungen, die1 wenigstens Grund genug haben, um andern Mutmassungen die Waage zu halten, welche die Verschiedenheiten der Menschengattung so unvereinbar finden, dass sie deshalb lieber viele Lokalschöpfungen annehmen. Mit V o l t a i r e n sagen: Gott, der das Renntier in Lappland [[B 156>> schuf, um das Moos dieser kalten Gegenden zu verzehren, der schuf auch daselbst den Lappländer, um dieses Renntier zu essen, ist kein übler Einfall für einen Dichter, aber ein schlechter Behelf für den Philosophen, der die Kette der Naturursachen2 nicht verlassen darf, als da, wo er sie augenscheinlich an das unmittelbare Verhängnis geknüpft sieht.3 Man schreibt jetzt mit gutem Grunde die verschiedenen Farben der Gewächse dem durch unterschiedliche Säfte gefälleten Eisen zu. Da alles Tierblut Eisen enthält, so hindert uns nichts, die verschiedene Farbe dieser Menschenrassen eben derselbem Ursache beizumessen. Auf diese Art würde etwa das Salzsaure, oder das phosphorisch Saure, oder das flüchtig Laugenhafte der ausführenden Gefässe der Haut die Eisenteilchen im Reticulum rot, oder schwarz, oder gelb niederschlagen. In dem Geschlechte der Weissen wurde aber dieses in den Säften aufgelösete Eisen gar nicht [[B 157>> niedergeschlagen, und dadurch zugleich die vollkonnnene Mischung der Säfte und Stärke dieses Menschenschlags vor den übrigen bewiesen. Doch dieses ist nur eine flüchtige Anreizung zur Untersuchung in einem Felde, worin ich zu fremd bin, um mit einigem Zutraun auch nur Mutmassungen zu wagen. Wir haben vier menschliche Rassen gezählt, worunter alle Mannigfaltigkeiten dieser Gattung sollen begriffen sein. Alle Abartungen aber bedürfen doch einer S t a m m g a t t u n (Platteformen) und alle hohe Ebenen sind Sandwüsten: ein merkwürdiger Satz über das Bauwerk der Erde. Sie sind als trockene Bassins anzussehen, weil sie von Boden eingeschlossen sind, und da sie im g a n z e n Wasserpass halten, ihr Sand aber über den Fuss der nächsten oder inwendigen Gebirge erhöhet ist, so nehmen sie keinen Fluss ein und lassen keinen aus. Der Gürtel, von der Grenze Dauriens an über die Mungalei, Kleine Bucharei, Persien, Arabien, Nubien, die Sahara, bis zu Capo Blanco ist das einzige, was man von dieser Art auf der Erde antrifft und ziemlich zusammenhangend aussieht. // Hindistan also, in jener Zeit abgeschnitten von der übrigen Welt, (welches man auch von Afrika vermillelst der Wüste Sahara, dem sichtbaren Bassin eines alten Meeres sagen kann), konnte in langen Zeitläuften eine feste menschliche Rasse gründen. Das Olivengelb der Haut des Indianers, die wahre Zigeunerfarbe, welche dem mehr oder weniger dunkeln Braun anderer ostlichen Völker zum Grunde liegt, ist eben so charakteristisch und in der Nachartung beständig, als die schwarze Farbe der Neger, und scheint, zusamt der übrigen Bildung und dem verschiedenen Naturelle, eben so die Wirkung einer trockenen, wie die letztere der feuchten Hitze zu sein. Der Indianer gibt in der Vermischung mit dem Weissen, den gelben M e s t i z e n, wie der Amerikaner den r o t e n, oder der letztere mit dem Neger den K a b u g l, (den schwarzen K a r a i b e n) welche insgesasnt Blendlinge sind und ihre Abkunft von echten Rassen beweisen. // Frägt man: mit welcher der jetzigen Rassen der erste M e n s c h e n s t a m m wohl möge die meiste Ähnlichkeit gehabt haben, so wird man sich, wiewohl ohne jenes Vorurteil, wegen der anmasslich grösseren Vollkommenheit einer Farbe von der andern, vermutlich vor die der W e i s s e n erklären. Denn der Mensch, dessen Abkömmlinge in alle Himmelstriche einarten sollten, konnte hiezu am geschicktesten sein, wenn er uranfänglich dem temperierten Klima [[A 12>> angemessen war; weil solches zwischen den äussersten Grenzen der Zustände, darin er geraten sollte, mitten inne liegt. Und hieselbst finden wir auch von den ältesten Zeiten her die Rasse der Weissen.“ (Vgl. S. 17 Anm. 1 und S. 30 Anm. 1 der vorliegenden Ausgabe). 1 A: „welche”. 2 A: „Natursachen”. 3 Anschliessend folgt als neuer Abschnitt in A: „Die physische Geographie, die ich hiedurch ankündige, gehört zu einer Idee, welche ich mir von einem nützlichen akademischen Unterricht mache, den ich: die Vorübung ist der K e n n t n i s d e r W e l t nennen kann. Diese Weltkenntnis ist es, welche dazu dient, allen sonst erworbenen Wissenschaften und Geschicklichkeiten das P r a g m a t i s c h e zu verschaffen, dadurch sie nicht bloss vor die S c h u l e sondern vor das L e b e n brauchbar werden, und wodurch der fertig gewordene Lehrling auf den Schauplatz seiner Bestimmung nämlich in die Welt eingeführet wird. Hier liegt ein zwiefaches Feld vor ihm, wovon er einen vorläufigen Abriss nötig hat, um alle künftige Erfahrungen darin nach Regeln ordnen zu können: nämlich die N a t u r und der M e n s c h. Beide Stücke aber müssen darin k o s m o l o g i s c h erwogen werden, nämlich nicht nach demjenigen, was ihre Gegenstände im einzelnen Merkwürdiges enthalten, (Physik und empirische Seelenlehre), sondern was ihr Verhältnis im Ganzen, vorin sie stehen und darin ein jeder selbst seine Stelle einnimmt, uns anzumerken gibt. Die erstere Unterweisung nenne ich p h y s i s c h e G e o g r a p h i e und habe sie zur Sommervorlesung bestimmt, die zweite, A n t h r o p o l o g i e die ich vor den Winter aufbehalte. Die übrige Vorlesungen dieses halben Jahres sind schon gehöriges Orts öffentlich angezeigt worden.“

g, die wir entweder für schon erloschen ausgeben oder aus den vorhandenen diejenige aussuchen müssen, womit wir die Stammgattung aus meisten vergleichen können. Freilich kann man nicht hoffen, jetzt, irgendwo in der Welt, die ursprüngliche menschliche Gestalt unverändert anzutreffen. Eben aus diesem Hange der Natur, dem Boden allerwärts in langen Zeugungen anzuarten, muss jetzt die Menschengestalt allenthalben mit Lokal-Modifika[[B 158>>tion behaftet sein. Allein der Erdstrich vom 31sten bis zum 32sten Grade 1 der Breite in der Alten Welt (welche auch in Ansehung der Bevölkerung den Namen der Alten Welt zu verdienen scheint) wird mit Recht für denjenigen gehalten, in welchem die glücklichste Mischung der Einflüsse der kältern und heissern Gegenden, und auch der grösste Reichtum, an Erdgeschöpfen angetroffen wird; wo auch der Mensch, weil er von da aus zu allen Verpflanzungen gleich gut zubereitet ist, am wenigsten von seiner Urbildung abgewichen sein müsste. Hier finden wir aber zwar weisse, doch b r ü n e t t e Einwohner, welche Gestalt wir also für die der Stammgattung nächste annehmen wollen. Von dieser scheint die h o c h b l o n d e von zarter weisser Haut, rötlichem Haar, bleichblauen Augen die nächste nordliche Abartung zu sein, welche zur Zeit der Römer die nordlichen Gegenden von Deutschland und (andern Beweistümern [[B 159>> nach) weiter hin nach Osten bis zum Altaischen Gebürge, allerwärts aber unermessliche Wälder, in einem ziemlich kalten Erdstriche, bewohnte. Nun hat der Einfluss einer k a l t e n und f e u c h t e n Luft, welche den Säften einen Hang zum Skorbut zuzieht, endlich einen gewissen Schlag Menschen hervorgebracht, der bis zur Beständigkeit einer Rasse würde gediehen sein, wenn in diesem Erdstriche nicht so häufig fremde Vermischungen den Fortgang der Abartung unterbrochen hätten. Wir können diese also zum wenigsten als eine Annäherung den wirklichen Rassen beizählen, und alsdann werden diese, in Verbindung mit den Naturursachen ihrer Entstehung, sich unter folgenden Abriss bringen lassen. Stammgattung Weissee von brünetter Farbe Erste Rasse Hochblonde (Nordl. Eur.) von feuchter Kälte [[B 160>> Z w e i t e R a s s e Kupferrote (Amerik.) von trockner Kälte Dritte Rasse Schwarze (Senegambia) von feuchter Hitze Vierte Rasse Olivengelbe (Indianer) von trockner Hitze 4) VON DEN GELEGENHEITSURSACHEN DER GRÜNDUNG VERSCHIEDENER RASSEN

Was bei der Mannigfaltigkeit der Rassen auf der Erdfläche die grösste Schwierigkeit macht, welchen Erklärungsgrund man auch annehmen mag, ist: dass ähnliche Land- und Himmelsstriche doch nicht dieselbe Rasse enthalten, dass Amerika in seinem heissesten Klima keine ostindische, noch viel werniger eine dem Lande angeborne Negergestalt zeigt, dass es in Arabien oder Persien kein einheimisches indisches Olivengelb gibt, ungeachtet 1

Akad.-Ausg.: „52sten Grade”.

diese Länder in Klima und Luftbeschaffenheit mit jenem Lande sehr übereinkommen, u. s. [[B 161>>w. Was die erstere dieser Schwierigkeiten betrifft, so lässt sie sich aus der Art der Bevölkerung dieses Himmelsstrichs fasslich genug beantworten. Denn wenn einmal, durch den langen Aufenthalt seines Stammvolks im N.O. von Asien oder des benachbarten Amerika, sich eine Rasse, wie die jetzige, gegründet hatte, so konnte diese durch keme fernere Einflüsse des Klima in eine andere Rasse verwandelt werden. Denn nur die Stammbildung kann in eine Rasse ausarten; diese aber, wo sie einmal Wurzel gefasst, und die anden Keime erstickt hat, widerstehet aller Umformung eben darum, weil der Charakter der Rasse einmal in der Zeugungskraft überwiegend geworden. Was aber die Lokalität der Negerrasse betrifft, die nur Afrika * (in der grössten Voll[[B 162>>kommenheit Senegambia) eigen ist, ingleichen die der indischen, welche in dieses Land eingeschlossen ist (ausser wo sie ostwärts halbschlächtig angeartet zu sein scheint): so glaube ich, dass die Ursache davon in einem i n l ä n d i s c h e n M e e r e der alten Zeit gelegen habe, welches sowohl Hindistan, als Afrika, von andern sonst nahen Ländern abgesondert gehalten. Denn der Erdstrich, der von der Grenze Dauriens, über die Mungalei, Kleine Bucharei, Persien, Arabien, Nubien, die Sahara bis Capo Blanco in einem nur wenig unterbrochenen Zusammenhange fortgeht, sieht seinem grössten Teile nach dem Boden eines alters Meeres ähnlich. Die Länder in diesem Striche sind das, was B u a c h e Platteform nennt, näm[[B 163>>lich hohe und mehrenteils waagerecht gestellte Ebenen, in denen die daselbst befindlichen Gebürge nirgend einen weitgestreckten Abhang haben, indem ihr Fuss unter horizontalliegenden Sande vergraben ist: daher die Flüsse, deren es daselbst wenig gibt, nur einen kurzen Lauf haben, und im Sande versiegen. Sie sind den Bassins alter Meere ähnlich, weil sie mit Höhen umgeben sind, in ihrem Inwendigen, im ganzen betrachtet, Wasserpass halten, und daher einen Strom weder einnehmen, noch auslassen, überdem auch mit dem Sande, dem Niederschlag eines alten ruhigen Meers, grösstenteils bedeckt sind. Hieraus wird es nun begreiflich: wie der indische Charakter in Persien und Arabien nicht habe Wurzel fassen können, die damals noch zum Bassin eines Meeres dienten, als Hindistan vermutlich lange bevölkert war; ingleichen, wie sich die Negerrasse sowohl, als die indische, [[B 164>> unvermengt von nordischem Blute lange Zeit erhalten konnte, weil sie davon durch eben dieses Meer abgeschnitten war. Die Naturbeschreibung (Zustand der Natur in der jetzigen Zeit) ist lange nicht hinreichend, von der Mannigfaltigkeit der Abartungen Grund anzugeben. Man muss, so sehr man auch und zwar mit Recht der Frechheit der Meinungen feind ist, eine G e s c h i c h t e der Natur wagen, welche eine abgesonderte Wissenschaft ist, die wohl nach und nach von Meinnngen zu Einsichten fortrücken könnte.1 [[A 385>> IDEE ZU EINER ALLGEMEINEN GESCHICHTE IN WELTBÜRGERLICHER ABSICHT*1 *

In dem heissen südlichen Weltstriche gibt es auch einen kleinen Stamm von Negers, die [[Anm. B 162>> sich bis zu, den benachbarten Inseln ausgebreitet, von denen man, wegen der Vermengung mit Menschen von indischen Halbschlag, beinahe glauben sollte, dass sie nicht diesen Gegenden angeboren, sondern vor alters, bei einer Gemeinschaft, darin die Malaien mit Afrika gestanden, nach und nach herübergeführt worden. 1

Zusatz von B. Ein ähnlich lautender Text fndet sich A 10 f. (In der vorliegenden Ausgabe S. 25 Anm. 1.). Eine Stelle unter den kurzen Anzeigen des zwölften Stücks der G o t h a i s c h e n g e l. Z e i t. d. J., die ohne Zweifel aus meiner Unterredung mit einem durchreisenden Gelehrten genommen worden, nötigt mir diese Erläuterung ab, ohne die jene keinen begreiflichen Sinn haben würde.1 1 ’ Die „kurze Nachricht“ der Gothaischen gelehrten Zeitungen, auf die Kant sich bezieht, lautet: „Eine Lieblingsidee des Hrn. Prof. Kant ist, dass der Endzweck des Menschengeschlechts die Erreichung der vollkommensten Staatsverfassung sei, und er wünscht, dass ein philosophischer Geschichtschreiber es unternehmen möchte, uns in dieser Rücksicht eine Geschichte der Menschheit zu liefern, und zu zeigen, wie weit die Menschheit in den verschiedenen Zeiten diesem Endzwecke sich genähert, oder von demselben entfernt habe, und was zu Erreichung desselben noch zu tun sei.“ *

Was man sich auch in metaphysischer Absicht fur einen Begriff von der F r e i h e i t d e s W i l l e n s machen mag: so sind doch die E r s c h e i n u n g e n desselben, die menschlichen Handlungen, eben so wohl als jede andere Naturbegebenheit, nach allgemeinen Naturgesetzen bestimmt. Die Geschichte, welche sich mit der Erzählung dieser Erscheinungen beschäftigt, so tief auch deren Ursachen verborgen sein mö[[A 386>>gen, lässt dennoch von sich hoffen: dass, wenn sie das Spiel der Freiheit des menschlichen Willens im g r o s s e n betrachtet, sie einen regelmässigen Gang derselben entdecken könne; und dass auf die Art, was an einzelnen Subjekten verwickelt und regellos in die Augen fällt, an der ganzen Gattung doch als eine stetig fortgehende obgleich langsame Entwickelung der ursprünglichen Anlagen derselben werde erkannt werden können. So scheinen die Ehen, die daher kommenden Geburten, und das Sterben, da der freie Wille der Menschen auf sie so grossen Einfluss hat, keiner Regel unterworfen zu sein, nach welcher man die Zahl derselben zum voraus durch Rechnung bestimmen könne; und doch beweisen die jährlichen Tafeln derselben in grossen Ländern, dass sie eben so wohl nach beständigen Naturgesetzen geschehen, als die so unbeständigen Witterungen, deren Eräugnis man einzeln nicht vorher bestimmen kann, die aber im ganzen nicht ermangeln, den Wachstum der Pflanzen, den Lauf der Ströme, und andere Naturanstalten in einem gleichförmigen ununterbrochenen Gange zu erhalten. Einzelne Menschen und selbst ganze Völker denken wenig daran, dass, indem sie, ein jedes nach seinem Sinne und einer oft wider den andern, ihre eigene Absicht verfolgen, sie unbemerkt an der Naturabsicht, die ihnen selbst unbekannt ist, als an einem Leitfaden fortgehen, und an derselben Beförderung arbeiten, [[A 387>> an welcher, selbst wenn sie ihnen bekannt würde, ihnen doch wenig gelegen sein würde. Da die Menschen in ihren Bestrebungen nicht bloss instinktmässig, wie Tiere, und doch auch nicht, wie vernünftige Weltbürger, nach einem verabredeten Plane, im ganzen verfahren: so scheint auch keine planmässige Geschichte (wie etwa von den Bienen oder den Bibern) von ihnen möglich zu sein. Man kann sich eines gewissen Unwillens nicht erwehren, wenn man ihr Tun und Lassen auf der grossen Weltbühne aufgestellt sieht; und, bei hin und wieder anscheinender Weisheit im einzelnen, doch endlich alles im grossen aus Torheit, kindischer Eitelkeit, oft auch aus kindischer Bosheit und Zerstörungssucht zusammengewebt findet: wobei man am Ende nicht weiss, was man sich von unserer auf ihre Vorzüge so eingebildeten Gattung für einen Begriff machen soll. Es ist hier keine Auskunft für den Philosophen, als dass, da er bei Menschen und ihrem Spiele im grossen gar keine vernünftige e i g e n e A b s i c h t voraussetzen kann, er versuche, ob er nicht eine N a t u r a b s i c h t in diesem widersinnigen Gange menschlicher Dinge entdecken könne; aus welcher, von Geschöpfen, die ohne eigenen Plan verfahren, dennoch eine Geschichte nach einem bestimmten Plane der Natur möglich sei. – Wir wollen sehen, ob es uns gelingen werde, einen Leitfaden zu einer solchen Geschichte zu finden; und wollen es dann der Natur überlassen, den Mann [[A 388>> hervorzubringen, der im Stande ist, sie darnach abzufassen. So brachte sie einen Ke p l e r hervor, der die exzentrischen Bahnen der Planeten auf eine unerwartete Weise bestimmten Gesetzen unterwarf; und einen N e w t o n, der diese Gesetze aus einer allgemeinen Naturursache erklärte. ERSTER SATZ A l l e N a t u r a n l a g e n e i n e s G e s c h ö p f e s s i n d b e s t i m m t, s i c h e i n m a l v o l l s t ä n d i g u n d z w e c k m ä s s i g a u s z u w i c k e l n. Bei allen Tieren bestätigt dieses die äussere sowohl, als innere oder zergliedernde, Beobachtung. Ein Organ, das nicht gebraucht werden soll, eine Anordnung, die ihren Zweck nicht erreicht, ist ein Widerspruch in der teleologischen Naturlehre. Denn, wenn wir von jenem Grundsatze abgehen, so haben wir nicht mehr eine gesetzmässige, sondern eine zwecklos spielende Natur; und das trostlose Ungefähr tritt an die Stelle des Leitfadens der Vernunft.

ZWEITER SATZ Am M e n s c h e n (als dem einzigen vernünftigen Geschöpf auf Erden) s o l l t e n s i c h d i e j e n i g e n N a t u r a n l a g e n, d i e a u f d e n G e b r a u c h s e i n e r V e r n u n f t a b g e z i e l t s i n d, n u r i n d e r G a t t u n g, n i c h t a b e r i m I n d i v i d u u m v o l l s t ä n d i g e n t w i c k e l n. Die Vernunft in einem Geschöpfe ist ein Vermögen, die Regeln und Absichten des Ge[[A 389>>brauchs aller seiner Kräfte weit über den Naturinstinkt zu erweitern, und kennt keine Grenzen ihrer Entwürfe. Sie wirkt aber selbst nicht instinktmässig, sondern bedarf Versuche, Übung und Unterricht, um von einer Stufe der Einsicht zur andern allmählich fortzuschreiten. Daher würde ein jeder Mensch unmässig lange leben müssen, um zu lernen, wie er von allen seinen Naturanlagen einen vollständigen Gebrauch machen solle; oder, wenn die Natur seine Lebensfrist nur kurz angesetzt hat (wie es wirklich geschehen ist), so bedarf sie einer vielleicht unabsehlichen Reihe von Zeugungen, deren eine der andern ihre Aufklärung überliefert, um endlich ihre Keime in unserer Gattung zu derjenigen Stufe der Entwickelung zu treiben, welche ihrer Absicht vollständig angemessen ist. Und dieser Zeitpunkt muss wenigstens in der Idee des Menschen das Ziel seiner Bestrebungen sein, weil sonst die Naturanlagen grösstenteils als vergeblich und zwecklos angesehen werden müssten; welches alle praktische Prinzipien aufheben, und dadurch die Natur, deren Weisheit in Beurteilung aller übrigen Anstalten sonst zum Grundsatze dienen muss, am Menschen allein eines kindischen Spiels verdächtig machen würde. DRITTER SATZ D i e N a t u r h a t g e w o l l t: d a s s d e r M e n s c h a l l e s, w a s ü b e r d i e m e c h a n i s c h e A n o r d n u n g [[A 390>> s e i n e s t i e r i s c h e n D a s e i n s g e h t, g ä n z l i c h a u s s i c h s e l b s t h e r a u s b r i n g e, u n d k e i n e r a n d e r e n G l ü c k s e l i g k e i t, o d e r V o l l k o m m e n h e i t, t e i l h a f t i g w e r d e, a l s d i e e r s i c h s e l b s t, f r e i v o n I n s t i n k t, d u r c h e i g e n e V e r n u n f t, v e r s c h a f f t h a t. Die Natur tut nämlich nichts überflüssig, und ist im Gebrauche der Mittel zu ihren Zwecken nicht verschwenderisch. Da sie dem Menschen Vernunft und darauf sich gründende Freiheit des Willens gab: so war das schon eine klare Anzeige ihrer Absicht in Ansehung seiner Ausstattung. Er sollte nämlich nun nicht durch Instinkt geleitet, oder durch anerschaffene Kenntnis versorgt und unterrichtet sein; er sollte vielmehr alles aus sich selbst herausbringen. Die Erfindung seiner Nahrungsmittel, seiner Bedeckung, seiner äusseren Sicherheit und Verteidigung (wozu sie ihm weder die Hörner des Stiers, noch die Klauen des Löwen, noch das Gebiss des Hundes, sondern, bloss Hände gab), alle Ergötzlichkeit, die das Leben angenehm machen kann, selbst seine Einsicht und Klugheit, und so gar die Gutartigkeit seines Willens, sollten gänzlich sein eigen Werk sein. Sie scheint sich hier in ihrer grössten Sparsamkeit selbst gefallen zu haben, und ihre tierische Ausstattung so knapp, so genau auf das höchste Bedürfnis einer anfänglichen Existenz abgemessen zu haben, als wollte sie: der Mensch sollte, wenn er sich aus der grössten Rohigkeit dereinst zur grössten Geschicklichkeit, innerer Vollkommenheit der [[A 391>> Denkungsart, und (so viel es auf Erden möglich ist) dadurch zur Glückseligkeit empor gearbeitet haben würde, hievon das Verdienst ganz allein haben, und es sich selbst nur verdanken dürfen; gleich als habe sie es mehr auf seine vernünftige S e l b s t s c h ä t z u n g, als auf ein Wohlbefinden 1 angelegt. Denn in diesem Gange der menschlichen Angelegenheit ist ein ganzes Heer von Mühseligkeiten, die den Menschen erwarten. Es scheint aber der Natur darum gar nicht zu tun gewesen zu sein, dass er wohl lebe; sondern, dass er sich so weit hervorarbeite, um sich, durch sein Verhalten, des Lebens und des Wohlbefindens würdig zu machen. Befremdend bleibt es immer hiebei: dass 1

Cassirer: „sein Wohlbefinden”.

die ältern Generationen nur scheinen um der späteren willen ihr mühseliges Geschäft zu treihen, um nämlich diesen eine Stufe zu bereiten, von der diese das Bauwerk, welches die Natur zur Absicht hat, höher bringen könnten; und dass doch nur die spätesten das Glück haben sollen, in dem Gebäude zu wohnen, woran eine lange Reihe ihrer Vorfahren (zwar freilich ohne ihre Absicht) gearbeitet hatten, ohne doch selbst an dem Glück, das sie vorbereiteten, Anteil nehmen zu können. Allein so rätselhaft dieses auch ist, so notwendig ist es doch zugleich, wenn man einmal annimmt: eine Tiergattung soll Vernunft haben, und als Klasse vernünftiger Wesen, die insgesamt sterben, deren Gattung aber unsterblich ist, dennoch zu einer [[A 392>> Vollständigkeit der Entwickelung ihrer Anlagen gelangen. VIERTER SATZ D a s M i t t e l, d e s s e n s i c h d i e N a t u r b e d i e n t, d i e E n t w i c k e l u n g a l l e r i h r e r A n l a g e n z u S t a n d e z u b r i n g e n, i s t d e r A n t a g o n i s m d e r s e l b e n i n d e r G e s e l l s c h a f t, s o f e r n d i e s e r d o c h a m E n d e d i e U r s a c h e e i n e r g e s e t z m ä s s i g e n O r d n u n g d e r s e l b e n w i r d. Ich verstelie hier unter dem Antagonism die u n g e s e l l i g e G e s e l l i g k e i t der Menschen; d. i. den Hang derselben, in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem durchgängigen Widerstande, welcher diese Gesellschaft beständig zu trennen droht, verbunden ist. Hiezu liegt die Anlage offenbar in der menschlichen Natur. Der Mensch hat eine Neigung, sich zu v e r g e s e l l s c h a f t e n; weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, d. i. die Entwickelung seiner Naturanlagen, fühlt. Er hat aber auch einen grossen Hang, sich zu vereinzelnen (isolieren); weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloss nach seinem Sinne richten zu wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiss, dass er seiner Seits zum Widerstande gegen andere geneigt ist. Dieser Widerstand ist es nun, welcher alle Kräfte des Menschen erweckt, ihn dahin bringt, seinen Hang zur Faulheit zu überwinden, und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, [[A 393>> sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen, die er nicht wohl l e i d e n, von denen er aber auch nicht l a s s e n kann. Da geschehen nun die ersten wahren Schritte aus der Rohigkeit zur Kultur, die eigentlich in dem gesellschaftlichen Wert des Menschen besteht; da werden alle Talente nach und nach entwickelt, der Geschmack gebildet, und selbst durch fortgesetzte Aufklärung der Anfang zur Gründung einer Denkungsart gemacht, welche die grobe Naturanlage zur sittlichen Unterscheidung mit der Zeit in bestimmte praktische Prinzipien, und so eine p a t h o l o g i s c h – abgedrungene Zusammenstimmung zu einer Gescllschaft endlich in ein m o r a l i s c h e s Ganze verwandeln kann. Ohne jene, an sich zwar eben nicht liebenswürdige, Eigenschaften der Ungeselligkeit, woraus der Widerstand entspringt, den jeder bei seinen selbstsüchtigen Anmassungen notwendig antreffen muss, wurden in einem arkadischen Schäferleben, bei vollkommener Eintracht, Genügsamkeit und Wechselliebe, alle Talente auf ewig in ihren Keimen verborgen bleiben: die Menschen, gutartig wie die Schafe die sie weiden, würden ihrem Dasein kaum einen grösseren Wert verschaffen, als dieses ihr Hausvieh hat; sie würden das Leere der Schöpfung in Ansehung ihres Zwecks, als vernünftige Natur, nicht ausfüllen. Dank sei also der Natur für die Unvertragsamkeit, für die missgünstig wetteifernde Eitelkeit, für die nicht zu befriedigende Begierde zum Haben, oder auch zum [[A 394>> Herrschen! Ohne sie würden alle vortreffliche Naturanlagen in der Menschheit ewig unentwickelt schlummern. Der Mensch will Eintracht; aber die Natur weiss besser, was für seine Gattung gut ist: sie will Zwietracht. Er will gemachlich und vergnügt leben; die Natur will aber, er soll aus der Lässigkeit und untätigen Genügsamkeit hinaus, sich in Arbeit und Mühseligkeiten stürzen, um dagegen auch Mittel auszufinden, sich klüglich wiederum aus den letztern heraus zu ziehen. Die natürlichen Triebfedern dazu, die Quellen der Ungeselligkeit und des durchgängigen Widerstandes, woraus so viele Übel entspringen, die aber doch auch wieder zur neuen Anspannung der Kräfte, mithin zu mehrerer Entwickelung der Naturanlagen

antreiben, verraten also wohl die Anordnung eines weisen Schöpfers; und nicht etwa die Hand eines bösartigen Geistes, der in seine herrliche Anstalt gepfuscht oder sie neidischer Weise verderbt habe. FÜNFTER SATZ D a s g r ö s s t e P r o b l e m f ü r d i e M e n s c h e n g a t t u n g, z u d e s s e n A u f l ö s u n g d i e N a t u r i h n z w i n g t, i s t d i e E r r e i c h u n g e i n e r a l l g e m e i n d a s R e c h t v e r w a l t e n d e n b ü r g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t. Da nur in der Gesellschaft, und zwar derjenigen, die die grösste Freiheit, mithin einen durchgängigen Antagonism ihrer Glieder, und doch die genauste Bestimmung und Sicherung der [[A 395>> Grenzen dieser Freiheit hat, damit sie mit der Freiheit anderer bestehen könne, – da nur in ihr die höchste Absicht der Natur, nämlich die Entwickelung aller ihrer Anlagen, in der Menschheit erreicht werden kann, die Natur auch will, dass sie diesen, so wie alle Zwecke ihrer Bestimmung, sich selbst verschaffen solle: so muss eine Gesellschaft, in welcher F r e i h e i t u n t e r ä u s s e r e n G e s e t z e n im grösstmöglichen Grade mit unwiderstehlicher Gewalt verbunden angetroffen wird, d. i. eine vollkommen g e r e c h t e b ü r g e r l i c he V e r f a s s u n g, die höchste Aufgabe der Natur für die Menschengattung sein; weil die Natur, nur vermittelst der Auflösung und Vollziehung derselben, ihre übrigen Absichten mit unserer Gattung erreichen kann. In diesen Zustand des Zwanges zu treten, zwingt den sonst für ungebundene Freiheit so sehr eingenommenen Menschen die Not; und zwar die grösste unter allen, nämlich die, welche sich Menschen unter einander selbst zufügen, deren Neigungen es machen, dass sie in wilder Freiheit nicht lange neben einander bestehen können. Allein in einem solchen Gehege, als bürgerliche Vereinigung ist, tun eben dieselben Neigungen hernach die beste Würkung: so wie Bäume in einem Walde, eben dadurch dass ein jeder dem andern Luft und Sonne zu benehmen sucht, einander nötigen, beides über sich zu suchen, und dadurch einen schönen geraden Wuchs bekommen; statt dass die, welche in Freiheit und von einander abgeson[[A 396>>dert ihre Äste nach Wohlgefallen treiben, krüppelig, schief, und krumm wachsen. Alle Kultur und Kunst, welche die Menschheit zieret, die schönste gesellschaftliche Ordnung, sind Früchte der Ungeselligkeit, die durch sich selbst genötigt wird, sich zu disziplinieren, und so, durch abgedrungene Kunst, die Keime der Natur vollständig zu entwickeln. SECHSTER SATZ D i e s e s P r o b l e m i s t z u g l e i c h d a s s c h w e r s t e, u n d w a s, w e l c h e s v o n d e r M e n s c h e n g a t t u n g a m s p ä t e s t e n a u f g e l ö s e t w i r d. Die Schwierigkeit,welche auch die blosse Idee dieser Aufgabe schon vor Augen legt, ist diese: der Mensch ist ein Tier, das, wenn es unter andern seiner Gattung lebt, e i n e n H e r r n n ö t i g hat. Denn er missbraucht gewiss seine Freiheit in Ansehung anderer seinesgleichen; und, ob er leich, als vernünftiges Geschöpf, ein Gesetz wünscht, welches der Freiheit aller Schranken setze: so verleitet ihn doch seine selbstsüchtige tierische Neigung, wo er darf, sich selbst auszunehmen. Er bedarf also einen H e r r n, der ihm den eigenen Willen breche, und ihn nötige, einem allgemeingültigen Willen, dabei jeder frei sein kann, zu gehorchen. Wo nimmt er aber diesen Herrn her ? Nirgend anders als aus der Menschengattung. Aber dieser ist eben so wohl ein Tier, das einen Herrn nötig hat. Er mag es also anfangen, wie er will: so ist nicht ab[[A 397>>zusehen, wie er sich ein Oberhaupt der öffentlichen Gerechtigkeit verschaffen könne, das selbst gerecht sei; er mag dieses nun in einer einzelnen Person, oder in einer Gesellschaft vieler dazu auserlesenen Personen suchen. Denn jeder derselben wird immer seine Freiheit missbrauchen, wenn er keinen über sich hat, der nach den Gesetzen über ihn Gewalt ausübt. Das höchste Oberhaupt soll aber gerecht f ü r s i c h s e l b s t, und doch ein Mensch sein. Diese Aufgabe ist daher die schwerste unter allen; ja ihre vollkommene

Auflösung ist unmöglich: aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden. Nur die Annäherung zu dieser Idee ist uns von der Natur auferlegt.* Dass sie auch diejenige sei, welche am spätesten ins Werk gerichtet wird, folgt überdem auch daraus: dass hiezu richtige Begriffe von der Natur einer möglichen Verfassung, grosse durch viel Weltläufe geübte Erfahrenheit, und, über das alles, ein zur Annehmung derselben [[A398>> vorbereiteter guter Wille erfordert wird; drei solche Stücke aber sich sehr schwer, und, wenn es geschieht, nur sehr spät, nach viel vergeblichen Versuchen, einmal zusammen finden können. SIEBENTER SATZ Das Problem der Errichtung einer vollkommenen bürgerl ichen Verfassung ist von dem Problem eines gesetzmässigen ä u s s e r e n S t a a t e n v e r h ä l t n i s s e s a b h ä n g i g, u n d k a n n o h n e d a s l e t z t e r e n i c h t a u f g e l ö s e t w e r d e n. Was hilft’s, an einer gesetzmässigen bürgerlichen Verfassung unter einzelnen Menschen, d. i. an der Anordnung eines gemeinen Wesens, zu arbeiten ? Dieselbe Ungeselligkeit, welche die Menschen hiezu nötigte, ist wieder die Ursache, dass ein jedes Gemeinewesen in äusserem Verhältnisse, d. i. als ein Staat in Beziehung auf Staaten, in ungebundener Freiheit steht, und folglich einer von dem andern eben die Übel erwarten muss, die die einzelnen Menschen drückten und sie zwangen, in einen gesetzmässigen bürgerlichen Zustand zu treten. Die Natur hat also die Unvertragsamkeit der Menschen, selbst der grossen Gesellschaften und Staatskörper dieser Art Geschöpfe, wieder zu einem Mittel gebraucht, um in dem unvermeidlichen A n t a g o n i s m derselben einen Zustand der Ruhe und Sicherheit auszufinden; d. i. sie treibt, durch die Kriege, durch die überspannte und niemals nach[[A 399>>lassende Zurüstung zu denselben, durch die Not, die dadurch endlich ein jeder Staat, selbst mitten im Frieden, innerlich fühlen muss, zu anfänglich unvollkommenen Versuchen, endlich aber, nach vielen Verwüstungen, Umkippungen, und selbst durchgängiger innerer Erschöpfung ihrer Kräfte, zu dem, was ihnen die Vernunft auch ohne so viel traurige Erfahrung hätte sagen können, nämlich: aus dem gesetzlosen Zustande der Wilden hinaus zu gehen, und in einen Völkerbund zu treten; wo jeder, auch der kleinste, Staat seine Sicherheit und Rechte, nicht von eigener Macht, oder eigener rechtlichen Beurteilung, sondern allein von diesem grossen Völkerbunde (Foedus Amphictyonum), von einer vereinigten Macht, und von der Entscheidung nach Gesetzen des vereinigten Willens, erwarten könnte. So schwärmerisch diese Idee auch zu sein scheint, und als eine solche an einem Abbé v o n St. P i e r r e oder R o u s s e a u verlacht worden (vielleicht, weil sie solche in der Ausführung zu nahe glaubten): so ist es doch der unvermeidliche Ausgang der Not, worein sich Menschen einander versetzen, die die Staaten zu eben der Entschliessung (so schwer es ihnen auch eingeht) zwingen muss, wozu der wilde Mensch eben so ungern gezwungen ward, nämlich: seine brutale Freiheit aufzugeben, und in einer gesetzmässigen Verfassung Ruhe und Sicherheit zu suchen. – Alle Kriege sind demnach so viel Versuche (zwar nicht in der Absicht der Menschen, aber doch in der Ab[[A 400>>sicht der Natur), neue Verhältnisse der Staaten zu Stande zu bringen, und durch Zerstörung, wenigstens Zerstückelung aller1, neue Körper zu bilden, die sich aber wieder, entweder in sich selbst oder neben einander, nicht erhalten können, und daher neue ähnliche Revolutionen erleiden müssen; bis endlich einmal, teils durch die bestmögliche Anordnung der bürgerlichen *

Die Rolle des Menschen ist also sehr künstlich. Wie es mit den Einwohnern anderer Planeten und ihrer Natur beschaffen sei, wissen wir nicht; wenn wir aber diesen Auftrag der Natur gut ausrichten, so können wir uns wohl schmeicheln, dass wir unter unseren Nachbaren im Weltgebäude einen nicht geringen Rang behaupten dürften. Vielleicht mag bei diesen ein jedes Individuum seine Bestimmung in seinem Leben völlig erreichen. Bei uns ist es anders; nur die Gattung kann dieses hoffen. 1

Akad.-Ausg.: „alter”.

Verfassung innerlich, teils durch eine gemeinschaftliche Verabredung und Gesetzgebung äusserlich, ein Zustand errichtet wird, der, einem bürgerlichen gemeinen Wesen ähnlich, so wie ein A u t o m a t sich selbst erhalten kann. Ob man es nun von einem e p i k u r i s c h e n Zusammenlauf wirkender Ursachen erwarten solle, dass die Staaten, so wie die kleinen Staubchen der Materie, durch ihren ungefähren Zusammenstoss allerlei Bildungen versuchen, die durch neuen Anstoss wieder zerstört werden, bis endlich einmal v o n u n g e f ä h r eine solche Bildung gelingt, die sich in ihrer Form erhalten kann (ein Glückszufall, der sich wohl schwerlich jemals zutragen wird!); oder ob man vielmehr annehmen solle, die Natur verfolge hier einen regelmässigen Gang, unsere Gattung von der unteren Stufe der Tierheit an allmählich bis zur höchsten Stufe der Menschheit, und zwar durch eigene obzwar dem Menschen abgedrungene Kunst, zu führen, und entwickele in dieser scheinbarlich wilden Anordnung ganz regelmässig jene ursprünpliche Anlagen; oder ob man lieber will, dass aus allen [[A 401>> diesen Wirkungen und Gegenwirkungen der Menschen im grossen überall nichts, wenigstens nichts Kluges herauskomme, dass es bleiben werde, wie es von jeher gewesen ist, und man daher nicht voraus sagen könne, ob nicht die Zwietracht, die unserer Gattung so natürlich ist, am Ende für uns eine Hölle von Übeln, in einem noch so gesitteten Zustande vorbereite, indem sie vielleicht diesen Zustand selbst und alle bisherigen Fortschritte in der Kultur durch barbarische Verwüstung wieder vernichten werde (ein Schicksal, wofür man unter der Regierung des blinden Ungefährs nicht stehen kann, mit welcher gesetzlose Freiheit in der Tat einerlei ist, wenn man ihr nicht einen in geheim an Weisheit geknüpften Leitfaden der Natur unterlegt!)? das läuft ungefähr auf die Frage hinaus: ob es wohl vernünftig sei, Z w e c k m ä s s i g k e i t der Naturanstalt in Teilen und doch Z w e c k l o s i g k e i t im Ganzen anzunehmen ? Was also der zwecklose Zustand der Wilden tat, dass er nämlich alle Naturanlagen in unserer Gattung zurück hielt, aber endlich durch die Übel, worin er diese versetzte, sie nötigte, aus diesem Zustande hinaus und in eine bürgerliche Verfassung zu treten, in welcher alle jene Keime entwickelt werden können: das tut auch die barbarische Freiheit der schon gestifteten Staaten, nämlich: dass durch die Verwendung aller Kräfte der gemeinen Wesen auf Rüstungen gegen einander, durch die Verwüstungen die der Krieg anrichtet, noch [[A 402>> mehr aber durch die Notwendigkeit sich beständig in Bereitschaft dazu zu erhalten, zwar die völlige Entwickelung der Naturanlagen in ihrem Fortgange gehemmet wird, dagegen aber auch die Übel, die daraus entspringen, unsere Gattun nötigen, zu dem an sich heilsamen Widerstande vieler Staaten neben einander, der aus ihrer Freiheit entspringt, ein Gesetz des Gleichgewichts auszufinden, und eine vereinigte Gewalt, die demselben Nachdruck gibt, mithin einen weltbürgerlichen Zustand der öffentlichen Staatssicherheit einzuführen; der nicht obne alle Gefahr sei, damit die Kräfte der Menschheit nicht einschlafen, aber doch auch nicht ohne ein Prinzip der G l e i c h h e i t ihrer wechselseitigen W i r k u n g u n d G e g e n w i r k u n g, damit sie einander nicht zerstören. Ehe dieser letzte Schritt (nämlich die Staatenverbindung) geschehen, also fast nur auf der Hälfte ihrer Ausbildung, erduldet die menschliche Natur die härtesten Übel, unter dem betrüglichen Anschein äusserer Wohlfahrt; und R o u s s e a u hatte so Unrecht nicht, wenn er den Zustand der Wilden vorzog, so bald man nämlich diese letzte Stufe, die unsere Gattung noch zu ersteigen hat, weglässt. Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft k u l t i v i e r t. Wir sind z i v i l i s i e r t, bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber, uns für schon m o ra l i s i e r t zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch [[A 403>> zur Kultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche hinausläuft, macht bloss die Zivilisierung aus. So lange aber Staaten alle ihre Kräfte auf ihre eiteln und gewaltsamen Erweiterungsabsichten verwenden, und so die langsame Bemühung der inneren Bildung der Denkungsart ihrer Bürger unaufhörlich hemmen, ihnen selbst auch alle Unterstützung in dieser Absicht entziehen, ist nichts von dieser Art zu erwarten; weil dazu eine lange innere Bearbeitung jedes gemeinen Wesens zur Bildung seiner Bürger erfodert wird. Alles Gute

aber, das nicht auf moralisch-gute Gesinnung gepfropft ist, ist nichts als lauter Schein und schimmerndes Elend. In diesem Zustande wird wohl das menschliche Geschlecht verbleiben, bis es sich, auf die Art wie ich gesagt habe, aus dem chaotischen Zustande seiner Staatsverhältnisse herausgearbeitet haben wird. ACHTER SATZ Man kann die Geschichte der Menschengattung im grosse n als die Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur anse h e n, u m e i n e i n n e r l i c h- u n d, z u d i e s e m Z w e c k e, a u c h ä u s s e r l i c h – v o l l k o m m e n e S t a a t s v e r f a s s u n g z u S t a n d e z u b r i n g e n, a l s d e n e i n z i g e n Z u s t a n d, i n w e l c h e m si e a l l e i h r e A n l a g e n i n d e r M e n s c h h e i t v ö l l i g e n t w i c k e l n k a n n. [[A 404>> Der Satz ist eine Folgerung aus dem vorigen. Man sieht: die Philosophie könne auch ihren C h i l i a s m u s haben; aber einen solchen, zu dessen Herbeiführung ihre Idee, obgleich nur sehr von weitem, selbst beförderlich werden kann, der also nichts weniger als schwärmerisch ist. Es kommt nur darauf an, ob die Erfahrung etwas von einem solchen Gange der Naturabsicht entdecke. Ich sage: e t w a s w e n i g e s; denn dieser Kreislauf scheint so lange Zeit zu erfodern bis er sich schliesst, dass man aus dem kleinen Teil, den die Menschheit in dieser Ahsicht zurückgelegt hat, nur eben so unsicher die Gestalt ihrer Bahn und das Verhältnis der Teile zum Ganzen bestimmen kann, als aus allen bisherigen Himmelsbeobachtungen den Lauf, den unsere Sonne samt dem ganzen Heere ihrer Trabanten im grossen Fixsternensystem nimmt; obgleich doch, aus dem allgemeinen Grunde der systematischen Verfassung des Weltbaues, und aus dem wenigen was man beobachtet hat, zuverlässig genug, um auf die Wirklichkeit eines solchen Kreislaufes zu schliessen. Indessen bringt es die menschliche Natur so mit sich: selbst in Ansehung der allerentferntesten Epoche, die unsere Gattung treffen soll, nicht gleichgültig zu sein, wenn sie nur mit Sicherheit erwartet werden kann. Vornehmlich kann es in unserem Falle um desto weniger geschehen, da es scheint, wir könnten durch unsere eigene vernünftige Veranstaltung diesen für unsere Nachkommen so erfreulichen [[A 405>> Zeitpunkt schneller herbeiführen. Um deswillen werden uns selbst die schwachen Spuren der Annäherung desselben sehr wichtig. Jetzt sind die Staaten schon in einem so künstlichen Verhältnisse gegen einander, dass keiner in der inneren Kultur nachlassen kann, ohne gegen die andern an Macht und Einfluss zu verlieren; also ist, wo nicht der Fortschritt, dennoch die Erhaltung dieses Zwecks der Natur, selbst durch die ehrsüchtigen Absichten derselben ziemlich gesichert. Ferner: bürgerliche Freiheit kann jetzt auch nicht sehr wohl angetastet werden, ohne den Nachteil davon in allen Gewerben, vornehmlich dem Handel, dadurch aber auch die Abnahme der Kräfte des Staats im äusseren Verhältnisse, zu fühlen. Diese Freiheit geht aber allmählich weiter. Wenn man den Bürger hindert, seine Wohlfahrt auf alle ihm selbst beliebige Art, die nur mit der Freiheit anderer zusammen bestehen kann, zu suchen: so hemmet man die Lebhaftigkeit des durchgängigen Betriebes, und hiemit wiederum die Kräfte des Ganzen. Daher wird die persönliche Einschränkung in seinem Tun und Lassen immer mehr aufgehoben, die allgemeine Freiheit der Religion nachgegeben; und so entspringt allmählich, mit unterlaufendem Wahne und Grillen, A u f k l ä r u n g, als ein grosses Gut, welches das menschliche Geschlecht sogar von der selbstsüchtigen Vergrösserungsabsicht seiner Beherrscher ziehen muss, wenn sie nur ihzen eigenen Vorteil verstehen. Diese Aufklä[[A 406>>rung aber, und mit ihr auch ein gewisser Herzensanteil, den der aufgeklärte Mensch am Guten, das er vollkommen begreift, zu nehmen nicht vermeiden kann, muss nach und nach bis zu den Thronen hinauf gehen, und selbst auf ihre Regierungsgrundsätze Einfluss haben. Obgleich z. B. unsere Weltregierer zu öffentlichen Erziehungsanstalten, und überhaupt zu allem was das Weltbeste betrifft, vor jetzt kein Geld übrig haben, weil alles auf den künftigen Krieg schon zum voraus verrechnet ist: so werden sie doch ihren eigenen Vorteil darin finden, die obzwar schwachen und langsamen eigenen Bemühungen ihres Volks in diesem Stücke

wenigstens nicht zu hindern. Endlich: wird selbst der Krieg allmählich nicht allein ein so künstliches, im Ausgange von beiden Seiten so unsicheres, sondern auch durch die Nachwehen, die der Staat in einer immer anwachsenden Schuldenlast (einer neuen Erfindung) fühlt, deren Tilgung unabsehlich wird, ein so bedenkliches Unternehmen, dabei der Einfluss, den jede Staatserschütterung in unserem durch seine Gewerbe so sehr verketteten Weltteil auf alle andere Staaten tut, so merklich: dass sich diese durch ihre eigene Gefahr gedrungen, obgleich ohne gesetzliches Ansehen, zu Schiedsrichtern anbieten, und so alles von weitem zu einem künftigen grossen Staatskörper anschicken, wovon die Vorwelt kein Beispiel aufzuzeigen hat. Obgleich dieser Staatskörper für itzt nur noch sehr im rohen Entwürfe dasteht, so fängt [[A 407>> sich dennoch gleichsam schon ein Gefühl in allen Gliedern, deren jedem an der Erhaltung des Ganzen gelegen ist, an zu regen; und dieses gibt Hoffnung, dass, nach manchen Revolutionen der Umbildung, endlich das, was die Natur zur höchsten Absicht hat, ein allgemeiner w e l t b ü r g e r l i c h e r Z u s t a n d, als der Schoss, worin alle ursprüngliche Anlagen der Menschengattung entwickelt werden, dereinst einmal zu Stande kommen werde. NEUNTER SATZ E i n p h i l o s o p h i s c h e r V e r s u c h, d i e a l l g e m e i n e W e l t g e s c h i c h t e n a c h e i n e m P l a n e d e r N a t u r, d e r a u f d i e v o l l k o m m e n e b ü r g e r l i c h e V e r e i n i g u n g i n d e r M e n s c h e n g a t t u n g a b z i e l e, z u b e a r b e i t e n, m u s s a l s m ö g l i c h, u n d s e l b s t f ü r d i e s e N a t u r a b s i c h t b e f o r d e r l i c h a n g e s e h e n w e r d e n. Es ist zwar ein befremdlicher und, dem Anscheine nach, ungereimter Anschlag, nach einer Idee, wie der Weltlauf gehen müsste, wenn er gewissen vernünftigen Zwecken angemessen sein sollte, eine G e s c h i c h t e abfassen zu wollen; es scheint, in einer solchen Absicht könne nur ein R o m a n zu Stande kommen. Wenn man indessen annehmen darf: dass die Natur, selbst im Spiele der menschlichen Freiheit, nicht ohne Plan und Endabsicht verfahre, so könnte diese Idee doch wohl brauchbar werden; und, ob wie gleich zu kurzsichtig sind, den [[A 408>> geheimen Mechanism ihrer Veranstaltung durchzuschauen, so dürfte diese Idee uns doch zum Leitfaden dienen, ein sonst planloses A g g r e g a t menschlicher Handlungen, wenigstens im grossen, als ein System darzustellen. Denn, wenn man von der g r i e c h i s c h e n Geschichte – als derjenigen, wodurch uns jede andere ältere oder gleichzeitige aufbehalten worden, wenigstens beglaubigt werden muss* – anhebt; wenn man derselben Einfluss auf die Bildung und Missbildung des Staatskörpers des römischen Volks, das den griechischen Staat verschlang, und des letzteren Einfluss auf die B a r b a r e n, die jenen wiederum zerstörten, bis auf unsere Zeit verfolgt; dabei aber die Staatengeschichte anderer Völker, so wie deren Kenntnis durch eben diese aufgeklärten Nationen allmählich zu uns gelanget ist, e p i s o d i s c h [[A 409>> hinzutut: so wird man einen regelmässigen Gang der Verbesserung der Staatsverfassung in unserem Weltteile (der wahrscheinlicher Weise allen anderen dereinst Gesetze geben wird) entdecken. Indem man ferner allenthalben nur auf die bürgerliche Verfassung und deren Gesetze, und auf das Staatverhältnis Acht hat, in so fern beide durch das Gute, welches sie enthielten, eine Zeitlang dazu dienten, Völker (mit ihnen auch Künste und Wissenschaften) empor zu heben und zu verherrlichen, durch das Fehlerhafte aber, das ihnen anhing, sie wiederum zu stürzen, *

Nur ein g e l e h r t e s P u b l i k u m, das von seinern Anfange an bis zu uns ununterbrochen fortgedauert hat, kann die alte Geschichte beglaubigen. Über dasselbe hinaus ist alles terra incognita; und die Geschichte der Völker, die ausser demselben lebten, kann nur von der Zeit angefangen werden, da sie darin eintraten. Dies geschah mit dem j ü d i s c h e n Volk zur Zeit der Ptolemäer, durch die griechische Bibelübersetzung, ohne welche man ihren i s o l i e r t e n Nachrichten wenig Glauben beimessen würde. Von da (wenn dieser Anfang vorerst gehörig ausgemittelt worden) kann man aufwärts ihren Erzählungen nachgehen. Und so mit allen übrigen Völkern. Das erste Batt im T h u k y d i d e s (sagt H u m e) ist der einzige Anfang aller wahren Geschichte

so doch, dass immer ein Keim der Aufklärung übrig blieb, der, durch jede Revolution mehr entwickelt, eine folgende noch höhere Stufe der Verbesserung vorbereitete: so wird sich, wie ich glaube, ein Leitfaden entdecken, der nicht bloss zur Erklärung des so verworrenen Spiels menschlicher Dinge, oder zur politischen Wahrsagerkunst künftiger Staatsveränderungen dienen kann (ein Nutzen, den man schon sonst aus der Geschichte der Menschen, wenn man sie gleich als unzusammenhängende Wirkung einer regellosen Freiheit ansah, gezogen hat!); sondern es wird (was man, ohne einen Naturplan vorauszusetzen, nicht mit Grunde hoffen kann) eine tröstende Aussicht in die Zukunft eröffnet werden, in welcher die Menschengattung in weiter Ferne vorgestellt wird, wie sie sich endlich doch zu dem Zustande empor arbeitet, in welchem alle Keime, die [[A 410>> die Natur in sie legte, völlig können entwickelt und ihre Bestimmung hier auf Erden kann erfüllet werden. Eine solche R e c h t f e r t i g u n g der Natur – oder besser der V o r s e h u n g – ist kein umwichitiger Bewegungsgrund, einen besonderen Gesichtspunkt der Weltbetrachtung zu wählen. Denn was hilft’s, die Herrlichkeit und Weisheit der Schöpfung im vernunftlosen Naturreiche zu preisen und der Betrachtung zu empfehlen: wenn der Teil des grossen Schauplatzes der obersten Weisheit, der von allem diesen den Zweck enthält, – die Geschichte des menschlichen Geschlechts – ein unaufhörlicher Einwurf dagegen bleiben soll, dessen Anblick uns nötigt, unsere Augen von ihm mit Unwillen wegzuwenden, und, indem wir verzweifeln, jemals darin eine vollendete vernünftige Absicht anzutreffen, uns dahin bringt, sie nur in einer andern Welt zu hoffen? Dass ich mit dieser Idee einer Weltgeschichte, die gewissermassen einen Leitfaden a p r i o r i hat, die Bearbeitung der eigentlichen bloss e m p i r i s c h abgefassten Historie verdrängen wollte: wäre Missdeutung meiner Absicht; es ist nur ein Gedanke von dem, was ein philosophischer Kopf (der übrigens sehr geschichtskundig sein müsste) noch aus einem anderen Standpunkte versuchen könnte. Überdem muss die sonst rühmliche Umständlichkeit, mit der man jetzt die Geschichte seiner Zeit abfasst, doch einen jeden natürlicher Weise auf die Bedenklichkeit [[A 411>> bringen: wie es unsere späten Nachkommen anfangen werden, die Last von Geschichte, die wir ihnen nach einigen Jahrhunderten hinterlassen möchten, zu fassen. Ohne Zweifel werden sie die der ältesten Zeit, von der ihnen die Urkunden längst erlöschen sein dürften, nur aus dem Gesichtspunkte dessen, was sie interessiert, nämlich desjenigen, was Völker und Regierungen in weltbürgerlicher Absicht geleistet oder geschadet haben, schätzen. Hierauf aber Rücksicht zu nehmen, imgleichen auf die Ehrbegierde der Staatsoberhäupter so wohl, als ihrer Diener, um sie auf das einzige Mittel zu richten, das ihr rühmliches Andenken auf die späteste Zeit bringen kann: das kann noch überdem einen kleinen Bewegungsgrund zum Versuche einer solchen philosophischen Geschichte abgeben. I. K a n t. [[A 481>> BEANTWORTUNG DER FRAGE: WAS IST AUFKLÄRUNG? (5. Dezemb. 1783, S.516)1 A u f k l ä r u n g i s t d e r A u s g a n g d e s M e n s ch e n a u s s e i n e r s e l b s t v e r s c h u l d e t e n U n m ü n d i g k e i t. U n m ü n d i g k e i t ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. S e l b s t v e r s c h u l d e t ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, 1

Der Seitenverweis der „Berlinischen Monatsschrift“ bezieht sich anf die nachfolgende Anmerkung in dem Aufsatz „Ist es ratsam, das Ehebündnis ferner durch die Religion zu sanzieren?“ vom Hrn. Pred. Zöllner: „W a s i s t A u f k l ä r u n g ? Diese Frage, die beinahe so wichtig ist, als: w a s i s t W a h r h e i t, sollte doch wohl beantwortet werden, ehe man aufzuklären anfinge! Und doch habe ich sie nirgends beantwortet gefunden!“

sondern der Entschliessung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines e i g e n e n Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so grosser Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen [[A 481>> (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, u.s.w.: so brauche ich mich ja, nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdriessliche Geschäft schon für mich übernehmen. Dass der bei weitem grösste Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, ausser dem dass er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben, und sorgfältig verhüteten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt ausser dem Gängelwagen, darin sie sie einsperreten, wagen dürften: so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so gross nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern, und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab. Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Un[[A 483>>mündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen, und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen liess. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Missbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fussschellen einer immerwahrenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalesten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewohnt ist. Daher gibt es nur wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit heraus zu wickeln, und dennoch einen sicheren Gang zu tun. Dass aber ein Puhlikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit lässt, beinahe unausbleiblich. Denn da werden sich immer einige Selbstdenkende, sogar unter den eingesetzten Vormündern des grossen Haufens, finden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen, selbst zu denken, um sich verbreiten werden. Besonders ist hiebei: dass das Publikum, welches zuvor von ihnen unter dieses Joch gebracht worden, sie hernach selbst zwingt, darunter zu bleiben, wenn es von einigen seiner Vormünder, die selbst aller Aufklärung unfähig sind, dazu auf[[A 484>>gewiegelt worden; so schädlich ist es, Vorurteile zu pflanzen, weil sie sich zuletzt an denen selbst rächen, die, oder deren Vorgänger, ihre Urheber gewesen sind. Daher kann ein Publikum nur langsam zur Aufklärung gelangen. Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotism und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zu Stande kommen; sondern neue Vorurteile werden, eben sowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen grossen Haufens dienen. Zu dieser Aufklärung aber wini nichts erfordert als F r e i h e i t; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heissen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken ö f f e n t l i c h e n G e b r a u c h zu machen. Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: r ä s o n n i e r t n i c h t ! Der Offizier sagt: räsonniert nicht, sondern exerziert! Der Finanzrat: räsonniert nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: räsonniert nicht, sondern glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: r ä s o n n i e r t, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; a b e r g e h o r c h t !) Hier ist überall Einschränkung der Freiheit. Welche Einschränkung aber ist der Aufklärung hinderlich? welche nicht, sondern ihr wohl gar

beförderlich? – Ich antworte: der ö f f e n t l i c h e Gebrauch seiner Vernunft muss jederzeit frei sein, und der allein kann Aufklärung unter Menschen zu [[A 485>> Stande bringen; der P r i v a t g e b r a u c h derselben aber darf öfters sehr enge eingeschränkt sein, ohne doch darum den Fortschritt der Aufklärung sonderlich zu hindern. Ich verstehe aber unter dem öffentlichen Gebrauche seiner eigenenVernunft denjenigen, den jemand a l s G e l e h r t e r von ihr vor dem ganzen Publikum der L e s e r w e l t macht. Den Privatgebrauch nenne ich denjenigen, den er in einem gewissen ihm anvertrauten b ü r g e r l i c h e n P o s t e n, oder Amte, von seiner Vernunft machen darf. Nun ist zu manchen Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, ein gewisser Mechanism notwendig, vermittelst dessen einige Glieder des gemeinen Wesens sich bloss passiv verhalten müssen, um durch eine künstliche Einhelligkeit von der Regierung zu öffentlichen Zwecken erichtet, oder wenigstens von der Zerstörung dieser Zwecke abgehalten zu werden. Hier ist es nun freilich nicht erlaubt, zu räsonnieren; sondern man muss gehorchen. So fern sich aber dieser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht, mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum im eigentlichen Verstande durch Schriften wendet: kann er allerdings räsonnieren, ohne dass dadurch die Geschäfte leiden, zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist. So würde es sehr verderblich sein, wenn ein Offizier, dem von seinen Oberen etwas anbefohlen wird, im Dienste [[A 486>> über die Zweckmässigkeit oder Nützlichkeit dieses Befehls laut vernünfteln wollte; er muss gehorchen. Es kann ihm aber billigermassen nicht verwehrt werden, als Gelehrter, über die Fehler im Kriegesdienste Anmerkungen zu machen, und diese seinem Publikum zur Beurteilung vorzulegen. Der Bürger kann sich nicht weigern, die ihm auferlegten Abgaben zu leisten; sogar kann ein vorwitziger Tadel solcher Auflagen, wenn sie von ihm geleistet werden sollen, als ein Skandal (das allgemeine Widersetzlichkeiten veranlassen könnte) bestraft werden. Eben derselbe handelt demohngeachtet der Pflicht eines Bürgers nicht entgegen, wenn er, als Gelehrter, wider die Unschicklichkeit oder auch Ungerechtigkeit solcher Ausschreibungen öffentlich seine Gedanken äussert. Eben so ist ein Geistlicher verbunden, seinen Katechismusschülern und seiner Gemeine nach dem Symhol der Kirche, der er dient, seinen Vortrag zu tun; denn er ist auf diese Bedingung angenommen worden. Aber als Gelehrter hat er volle Freiheit, ja sogar den Beruf dazu, alle seine sorgfältig geprüften und wohlmeinenden Gedanken über das Fehlerhafte in jenem Symbol, und Vorschlage wegen besserer Einrichtung des Religions- und Kirchenwesens, dem Publikum mitzuteilen. Es ist hiebei auch nichts, was dem Gewissen zur Last gelegt werden könnte. Denn, was er zu Folge seines Amts, als Geschäftträger der Kirche, lehrt, das stellt er als etwas vor, in Anse[[A 487>>hung dessen er nicht freie Gewalt hat, nach eigenem Gutdünken zu lehren, sondern das er nach Vorschrift und im Namen eines andern vorzutragen angestellt ist. Er wird sagen: unsere Kirche lehrt dieses oder jenes; das sind die Beweisgründe, deren sie sich bedient. Er zieht alsdann allen praktischen Nutzen für seine Gemeinde aus Satzungen, die er selbst nicht mit voller Überzeugung unterschreiben würde, zu deren Vortrag er sich gleichwohl anheischig machen kann, weil es doch nicht ganz unmöglich ist, dass darin Wahrheit verborgen läge, auf alle Falle aber wenigstens doch nichts der innern Religion Widersprechendes darin angetroffen wird. Denn glaubte er das letztere darin zu finden, so würde er sein Amt mit Gewissen nicht verwalten können; er müsste es niederlegen. Der Gebrauch also, den ein angestellter Lehrer von seiner Vernunft vor seiner Gemeinde macht, ist bloss ein P r i v a t g e b r a u c h; weil diese immer nur eine häusliche, obzwar noch so grosse, Versammlung ist; und in Ansehung dessen ist er, als Priester, nicht frei, und darf es auch nicht sein, weil er einen fremden Auftrag ausrichtet. Dagegen als Gelehrter, der durch Schriften zum eigentlichen Publikum, nämlich der Welt, spricht, mithin der Geistliche im ö f f e n t l i c h e n G e b r a u c h e seiner Vernunft, geniesst einer uneingeschränkten Freiheit, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in sciner eigenen Person zu sprechen. Denn dass die Vormünder des Volks [[A 488>> (in geistlichen Dingen) selbst wieder unmündig sein sollen, ist eine Ungereimtheit, die auf Verewigung der Ungereimtheiten hinausläuft.

Aber sollte nicht einc Gesellschaft von Geistlichen, etwa eine Kirchenversammlung, oder eine ehrwürdige Classis (wie sie sich unter den Holländern selbst nennt) berechtigt sein, sich eidlich unter einander auf ein gewisses unveränderliches Symbol zu verpflichten, um so eine unaufhörliche Obervormundschaft über jedes ihrer Glieder und vermittelst ihrer über das Volk zu führen, und diese so gar zu verewigen? Ich sage: das ist ganz unmöglich. Ein solcher Kontrakt, der auf immer alle weitere Aufklärung vom Menschengeschlechte ahzuhalten geschlossen würde, ist schlechterdings null und nichtig; und sollte er auch durch die oberste Gewalt, durch Reichstäge und die feierlichsten Friedensschlüsse bestätigt sein. Ein Zeitalter kann sich nicht verbunden und darauf verschwören, das folgende in einen Zustand zu setzen, darin es ihm unmöglich werden muss, seine (vornehmlich so sehr angelegentliche) Erkenntnisse zu erweitern, von Irrtumern zu reinigen, und überhaupt in der Aufklärung weiter zu schreiten. Das wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, deren ursprüngliche Bestimmung gerade in diesem Fortschreiten besteht; und die Nachkommen sind also vollkommen dazu berechtigt, jene Beschlüsse, als unbefugter und frevelhafter Weise genommen, zu verwerfen. Der Probierstein [[A 489>> alles dessen, was uher ein Volk als Gesetz beschlossen werden kann, liegt in der Frage: ob ein Volk sich selbst wohl ein solches Gesetz auferlegen könnte? Nun wäre dieses wohl, gleichsam in der Erwartung eines bessern, auf eine bestimmte kurze Zeit möglich, um eine gewisse Ordnung einzuführen; indem man es zugleich jedem der Bürger, vornehmlich dem Geistlichen, frei liesse, in der Qualität eines Gelehrten öffentlich, d. i. durch Schriften, über das Fehlerhafte der dermaligen Einrichtung seine Anmerkungen zu machen, indessen die eingeführte Ordnung noch immer fortdauerte, bis die Einsicht in die Beschaffenheit dieser Sachen öffentlich so weit gekommen und bewahret worden, dass sie durch Vereinigung ihrer Stimmen (wenn gleich nicht aller) einen Vorschlag vor den Thron bringen könnte, um diejenigen Gemeinden in Schutz zu nehmen, die sich etwa nach ihren Begriffen der besseren Einsicht zu einer veränderten Religionseinrichtung geeinigt hatten, ohne doch diejenigen zu hindern, die es beim Alten wollten bewenden lassen. Aber auf eine beharrliche, von niemanden öffentlich zu bezweifelnde Religionsverfassung, auch nur binnen der Lebensdauer eines Menschen, sich zu einigen, und dadurch einen Zeitraum in dem Fortgange der Menschheit zur Verbesserung gleichsam zu vernichten, und fruchtlos, dadurch aber wohl gar der Nachkommenschaft nachteilig, zu machen, ist schlechterdings unerlaubt. Ein Mensch kann zwar für seine Person, [[A 490>> und auch alsdann nur auf einige Zeit, in dem, was ihm zu wissen obliegt, die Aufklärung aufschieben; aber auf sie Verzicht zu tun, es sei für seine Person, mehr aber noch für die Nachkommenschaft, heisst die heiligen Rechte der Menschheit verletzen und mit Füssen treten. Was aber nicht einmal ein Volk über sich selbst beschliessen darf, das darf noch weniger ein Monarch über das Volk beschliessen; denn sein gesetzgebendes Ansehen beruht eben darauf, dass er den gesamten Volkswillen in dem seinigen vereinigt. Wenn er nur darauf sieht, dass alle wahre oder vermeinte Verbesserung mit der bürgerlichen Ordnung zusammen bestehe: so kann er seine Untertanen übrigens nur selbst machen lassen, was sie um ihres Seelenheils willen zu tun nötig finden; das geht ihn nichts an, wohl aber zu verhüten, dass nicht einer den andern gewalttätig hindere, an der Bestimmung und Beförderung desselben nach allem seinen Vermögen zu arbeiten. Es tut selbst seiner Majestät Abbruch, wenn er sich hierin mischt, indem er die Schriften, wodurch seine Untertanen ihre Einsichten ins reine zu bringen suchen, seiner Regierungsaufsicht würdigt, sowohl wenn er dieses aus eigener höchsten Einsicht tut, wo er sich dem Vorwürfe aussetzt: Caesar non est supra grammaticos1, als auch und noch weit mehr, wenn er seine oberste Gewalt so weit erniedrigt, den geistlichen Despotism einiger Tyrannen [[A 491>> in seinem Staate gegen seine übrigen Untertanen zu unterstützen. Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem a u f g e k l ä r t e n Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der A u f k l ä r u n g. Dass die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, im ganzen genommen, schon im Stande wären, oder 1

Überstzung des Herausgebers: „der Kaiser steht nicht über den Grammatikern”.

darin auch nur gesetzt werden könnten, in Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines andern sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel. Allein, dass jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten, und die Hindernisse der allgemeinen Aufklärung, oder des Ausganges aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit, allmählich weniger werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen. In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung, oder das Jahrhundert F r i e d e r i c h s. Ein Fürst, der es seiner nicht unwürdig findet, zu sagen: dass er es für P f l i c h t halte, in Religionsdingen den Menschen nichts vorzuschreiben, sondern innen darin volle Freiheit zu lassen, der also selbst den hochmütigen Namen der T o l e r a n z von sich ablehnt: ist selbst aufgekärt, und verdient von der dankbaren Welt und Nachwelt als derjenige gepriesen zu werden, der zuerst das menschliche Geschlecht der Unmündigkeit, wenigstens von Seiten der Regierung, entschlug, und jedem frei liess, sich [[A 492>> in allem, was Gewissensangelegenheit ist, seiner eigenen Vernunft zu bedienen. Unter ihm dürfen verehrungswürdige Geistliche, unbeschadet ihrer Amtspflicht, ihre vom angenommenen Symbol hier oder da abweichenden Urteile und Einsichten, in der Qualität der Gelehrten, frei und öffentlich der Welt zur Prüfung darlegen; noch mehr aber jeder andere, der durch keine Amtspflicht eingeschränkt ist. Dieser Geist der Freiheit breitet sich auch ausserhalb aus, selbst da, wo er mit äusseren Hindernissen einer sich selbst missverstehenden Regierung zu ringen hat. Denn es leuchtet dieser doch ein Beispiel vor, dass bei Freiheit, für die öffentliche Ruhe und Einigkeit des gemeinen Wesens nicht das mindeste zu besorgen sei. Die Menschen arbeiten sich von selbst nach und nach aus der Rohigkeit heraus, wenn man nur nicht absichtlich künstelt, um sie darin zu erhalten. Ich habe den Hauptpunkt der Aufklärung, die des Ausganges der Menschen aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit, vorzüglich in R e l i g i o n s s a c h e n gesetzt: weil in Ansehung der Künste und Wissenschaften unsere Beherrscher kein Interesse haben, den Vormund über ihre Untertanen zu spielen; überdem auch jene Unmündigkeit, so wie die schädlichste, also auch die entehrendste unter allen ist. Aber die Denkungsart eines Staatsoberhaupts, der die erstere begünstigt, geht noch weiter, und sieht ein: dass selbst in Ansehung seiner G e[[A 493>>s e t z g e b u n g es ohne Gefahr sei, seinen Untertanen zu erlauben, von ihrer eigenen Vernunft ö f f e n t l i c h e n Gebrauch zu machen, und ihre Gedanken über eine bessere Abfassung derselben, sogar mit einer freimütigen Kritik der schon gegebenen, der Welt öffentlich vorzulegen; davon wir ein glänzendes Beispiel haben, wodurch noch kein Monarch demjenigen vorging, welchen wir verehren. Aber auch nur derjenige, der, selbst aufgeklärt, sich nicht vor Schatten fürchtet, zugleich aber ein wohldiszipliniertes zahlreiches Heer zum Bürgen der öffentlichen Ruhe zur Hand hat, – kann das sagen, was ein Freistaat nicht wagen darf: r ä s o n n i e r t, s o v i e l i h r w o l l t, u n d w o r ü b e r i h r w o l l t; n u r g e h o r c h t ! So zeigt sich hier ein befremdlicher nicht erwarteter Gang menschlicher Dinge; so wie auch sonst, wenn man ihn im grossen betrachtet, darin fast alles paradox ist. Ein grosserer Grad bürgerlicher Freiheit scheint der Freiheit des G e i s t e s des Volks vorteilhaft, und setzt ihr doch unübersteigliche Schranken; ein Grad weniger von jener verschafft hingegen diesem Raum, sich nach allem seinen Vermögen auszubreiten. Wenn denn die Natur unter dieser harten Hülle den Keim, für den sie am zärtlichsten sorgt, nämlich den Hang und Beruf zum f r e i e n D e n k e n, ausgewickelt hat: so wirkt dieser allmählich zurück auf die Sinnesart des Volks (wodurch dieses der F r e i h e i t z u h a n d e l n [[A 494>> nach und nach fähiger wird), und endlich auch sogar auf die Grundsätze der R e g i e r u n g, die es ihr selbst zuträglich findet, den Menschen, der nun mehr als M a s c h i n e ist, seiner Würde gemäss zu behandeln.* *

In den B ü s c h i n g s c h e n wöchentlichen Nachrichten vom 13. Sept. lese ich heute den 30sten eben dess. die Anzeige der Berlinischen Monatsschrift von diesem Monat, worin des Herrn M e n d e l s s o h n Beantwortung eben derselben Frage angeführt wird. Mir ist sie noch nicht zu Händen gekommen; sonst würde sie die gegenwärtige zurückgehalten haben, die jetzt nur zum Versuche da stehen mag, wiefern der Zufall Einstimmigkeit der Gedanken zuwege bringen könne.

Königsberg in Preussen, den 30. Septemb. 1784. I. K a n t.

[[A 390>> BESTIMMUNG DES BEGRIFFS EINER MENSCHENRASSE Die Kenntnisse, welche die neuen Reisen über die Mannigfaltigkeiten in der Menschengattung verbreiten, haben bisher mehr dazu beigetragen, den Verstand über diesen Punkt zur Nachforschung zu reizen, als ihn zu befriedigen. Es liegt gar viel daran, den Begriff, welchen man durch Beobachtung aufklären will, vorher selbst wohl bestimmt zu haben, ehe man seinetwegen die Erfahrung befragt; denn man findet in ihr, was man bedarf, nur alsdann, wenn man vorher weiss, wornach man suchen soll. Es wird viel von den verschiedenen M e n s c h e n r a s s e n gesprochen. Einige verstehen darunter wohl gar verschiedene A r t e n von Menschen; andere dagegen schränken sich zwar auf eine engere Bedeutung ein, scheinen aber diesen Unterschied nicht viel erheblicher zu finden, als den, welchen Menschen dadurch unter sich machen, dass sie sich bemalen oder bekleiden. Meine Absicht ist jetzt nur, diesen Begriff einer R a s s e, wenn es deren in der Menschengattung gibt, genau zu bestimmen; die Erklärung des Ursprungs der wirklich vorhandenen, die man dieser Benennung fähig hält, ist nur Nebenwerk, womit man es halten [[A 391>> kann, wie man will. Und doch sehe ich, dass übrigens scharfsinnige Männer in der Beurteilung dessen, was vor einigen Jahren lediglich in jener Absicht gesagt wurde, * auf diese Nebensache, nämlich die hypothetische Anwendung des Prinzips, ihr Augenmerk allein richteten, das Prinzip selbst aber, worauf doch alles ankommt, nur mit leichter Hand berühreten. Ein Schicksal, welches mehreren Nachforschungen, die auf Prinzipien zurückkehren, widerfährt; und welches daher alles Streiten und Rechtfertigen in spekulativen Dingen widerraten, dagegen aber das Näherbestimmen und Aufklären des Missverstandenen allein als ratsam anpreisen kann. 1. NUR DAS, WAS IN EINER TIERGATTUNG ANERBT, KANN ZU EINEM KLASSEN-UNTERSCHIEDE IN DERSELBEN BERECHTIGEN Der M o h r (Mauritanier), der, in seinem Vaterlande von Luft und Sonne braun gebrannt, sich von dem Deutschen oder Schweden durch die [[A 392>> Hautfarbe so sehr unterscheidet, und der französische oder englische Kreole in Westindien, welcher, wie von einer Krankheit kaum wieder genesen, bleich und erschöpft aussieht, können um deswillen eben so wenig zu verschiedenen Klassen der Menschengattung gezählt werden, als der spanische Bauer von l a M a n c h a, der schwarz, wie ein Schulmeister, gekleidet einher geht, weil die Schafe seiner Provinz durchgehends schwarze Wolle haben. Denn, wenn der Mohr in Zimmern, und der Kreole in Europa aufgewachsen ist, so sind beide von den Bewohnern unsers Weltteils nicht zu unterscheiden.

Der Missionar D e m a n e t gibt sich das Ansehen, als ob er, weil er sich in S e n e g a m b i a einige Zeit aufgehalten, von der Schwarze der Neger allein recht urteilen könne; und spricht seinen Landsleuten, den Franzosen, alles Urteil hierüber ab. Ich hingegen behaupte, dass man in Frankreich von der Farbe der Neger, die sich dort lange aufgehalten haben, noch besser aber derer, die da geboren sind, in so fern man darnach den Klassenunterschied derselben von andern Menschen bestimmen will, weit richtiger urteilen könne, als in dem Vaterlande der Schwarzen selbst. Denn das, was in Afrika der Haut des Negers die Sonne eindrückte, und also ihm nur zufällig ist, muss in Frankreich wegfallen; und allein die Schwarze übrig bleiben, die ihm durch seine Geburt zu Teil [[A 393>> ward, die er weiter *

Man sehe E n g e l s Philosophen für die Welt, T. II. S.125 f.

fortpflanzt, und die daher allein zu einem Klassenunterschiede gebraucht werden kann. Von der eigentlichen Farbe der Südseeinsulaner kann man sich, nach allen bisherigen Beschreibungen, noch keinen sicheren Begriff machen. Denn, ob einigen von ihnen gleich die Mahagoniholz-Farbe zugeschrieben wird, so weiss ich doch nicht, wie viel von diesem Braun einer blossen Färbung durch Sonne und Luft, und wieviel davon der Geburt zuzuschreiben sei. Ein Kind, von einem solchen Paare in Europa gezeugt, würde allein die ihnen v o n N a t u r eigene Hautfarbe ohne Zweideutigkeit entdecken. Aus einer Stelle in der Reise C a r t e r e t s (der freilich auf seinem Seezuge wenig Land betreten, dennoch aber verschiedene Insulaner auf ihren Kanos gesehen hatte) schliesse ich: dass die Bewohner der meisten Inseln Weisse sein müssen. Denn auf F r e v i l l – E i l a n d (in der Nähe der zu den indischen Gewässern gezählten Inseln) sah er, wie er sagt, zuerst das w a h r e G e l b der indischen Hautfarbe. Ob die Bildung der Köpfe auf Mallicolo der Natur oder der Künstelei zuzuschreiben sei, oder wie weit sich die n a t ü r l i c h e Hautfarbe der Kaffern von der der Negern unterscheide, und andere charakteristische Eigenschaften mehr, ob sie erblich und von der Natur selbst in der Geburt, oder nur zufällig eingedrückt sein, wird sich daher noch lange nicht auf entscheidende Art ausmachen lassen. [[A 394>> 2. MAN KANN IN ANSEHUNG DER HAUTFARBE VIER KLASSENUNTERSCHIEDE DER MENSCHEN ANNEHMEN Wir kennen mit Gewissheit nicht mehr erbliche Unterschiede der Hautfarbe, als die: der W e i s s e n, der g e l b e n Indianer, der N e g e r, und der k u p f e r f a r b i g – r o t e n Amerikaner. Merkwürdig ist: dass diese Charaktere sich erstlich darum zur Klasseneinteilung der Menschengattung vorzüglich zu schicken scheinen, weil jede dieser Klassen in Ansehung ihres Aufenthalts so ziemlich isoliert (d. i. von den übrigen abgesondert, an sich aber vereinigt) ist: die Klasse der W e i s s e n vom Kap Finisterrae, über Nordkap, den Obstrom, die Kleine Bucharei, Persien, das Glückliche Arabien, Abessinien, die nördliche Grenze der Wüste Sara, bis zum Weissen Vorgebirge in Afrika, oder der Mündung des Senegal; die der S c h w a r z e n von da bis Capo Negro, und, mit Ausschliessung der Kaffern, zurück nach Abessinien; die der G e l b e n im eigentlichen Hindostan bis Kap Comorin (ein Halbschlag von ihnen ist auf der andern Halbinsel Indiens und einigen nahe gelegenen Inseln); die der K u p f e r r o t e n in einem ganz abgesonderten Weltteile, nämlich Amerika. Der z w e i t e Grund, weswegen dieser Charakter sich vorzüglich zur Klasseneinteilung schicket, obgleich ein Farbenunterschied manchem sehr unbedeutend vorkommen [[A 395>> möchte, ist: dass die Absonderung durch Ausdünstung das wichtigste Stück der Vorsorge der Natur sein muss, so fern das Geschöpf – in allerlei Himmels- und Erdstrich, wo es durch Luft und Sonne sehr verschiedentlich affiziert wird, versetzt – auf eine am wenigsten der Kunst bedürftige Art ausdauren soll, und dass die Haut, als Organ jener Absonderung betrachtet, die Spur dieser Verschiedenheit des Naturcharakters an sich trägt, welche zur Einteilung der Menschengattung in sichtbarlich verschiedene Klassen berechtigt. – Übrigens bitte ich, den, bisweilen bestrittenen, e r b l i c h e n Unterschied der Hautfarbe so lange einzuräumen, bis sich zu dessen Bestätigung in der Folge Anlass finden wird; imgleichen zu erlauben, dass ich annehme: es gebe keine erbliche Volkscharaktere in Ansehung dieser Naturliverei mehr, als die genannten vier; lediglich aus dem Grunde, weil sich jene Zahl beweisen, ausser ihr aber keine andere mit Gewissheit dartun lässt. 3. IN DER KLASSE DER WEISSEN IST, AUSSER DEM, WAS ZUR MENSCHENGATTUNG ÜBERHAUPT GEHÖRT, KEINE ANDERE CHARAKTERISTISCHE EIGENSCHAFT NOTWENDIG ERBLICH; UND SO AUCH IN DEN ÜBRIGEN

Unter uns Weissen gibt es viele erbliche Beschaffenheiten, die nicht zum Charakter der Gat[[A 396>>tung gehören, worin sich Familien, ja gar Völker, von einander unterscheiden; aber auch keine einzige derselben artet u n a u s b l e i b l i c h an, sondern die, welche damit behaftet sind, zeugen mit andern von der Klasse der Weissen auch Kinder, denen diese unterscheidende Beschaffenheit mangelt. So ist der Unterschied der blonden Farbe in Dänemark, hingegen in Spanien (noch mehr aber in Asien, an den Völkern, die zu den Weissen gezählt werden) die brünette Hautfarbe (mit ihrer Folge, der Augen- und Haarfarbe) herrschend. Es kann sogar in einem abgesonderten Volk diese letzte Farbe ohne Ausnahme anerben (wie bei den Sinesern, denen blaue Augen lächerlich vorkommen): weil in denselben kein Blonder angetroffen wird, der seine Farbe in die Zeugung bringen könnte. Allein, wenn von diesen Brünetten einer eine blonde Frau hat, so zeugt er brünette oder auch blonde Kinder, nachdem sie auf die eine oder andere Seite ausschlagen; und so auch umgekehrt. In gewissen Familien liegt erbliche Schwindsucht, Schiefwerden, Wahnsinn, u.s.w.; aber keines von diesen unzahlbaren erblichen Übeln ist u n a u s b l e i b l i c h erblich. Denn, ob es gleich besser wäre, solche Verbindungen, durch einige auf den Familienschlag gerichtete Aufmerksamkeit, beim Heiraten sorgfältig zu vermeiden: so habe ich doch mehrmalen selbst wahrgenommen: dass ein gesunder Mann mit einer schwindsüchtigen Frau ein Kind [[A 397>> zeugte, das in allen Gesichtszügen ihm ähnelte, und dabei gesund, und ausserdem ein anderes, das der Mutter ähnlich sah, und, wie sie, schwindsüchtig war. Eben so finde ich in der Ehe eines Vernünftigen mit einer Frau, die nur aus einer Familie, worin Wahnsinn erblich, selbst aber vernünftig war, unter verschiedenen klugen, nur ein wahnsinniges Kind. Hier ist Nachartung; aber sie ist in dem, worin beide Eltern verschieden sind, nicht unausbleiblich. – Eben diese Regel kann man auch mit Zuversicht bei den übrigen Klassen zum Grunde legen. Neger, Indianer, oder Amerikaner hahen auch ihre persönliche, oder Familien- oder provinzielle Verschiedenheiten; aber keine derselben wird, in Vermischung mit denen, die v o n d e r s e l b e n K l a s s e sind, seine respektive Eigentümlichkeit u n a u s b l e i b l i c h in die Zeugung bringen und fortpflanzen. 4. IN DER VERMISCHUNG JENER GENANNTEN VIER KLASSEN MIT EINANDER ARTET DER CHARAKTER EINER JEDEN UNAUSBLEIBLICH AN Der Weisse mit der Negerin, und umgekehrt, geben den M u l a t t e n, mit der Indianerin den g e l b e n, und mit dem Amerikaner den r o t e n Mestizen; der Amerikaner mit dem Neger den [[A 398>> s c h w a r z e n K a r a i b e n, und umgekehrt. (Die Vermischung des Indiers mit dem Neger hat man noch nicht versucht.) Der Charakter der Klassen artet in ungleichartigen Vermischungen u n a u s b l e i b l i c h an, und es gibt hievon gar keine Ausnahme; wo man deren aber angeführt findet, da liegt ein Missverstand zum Grunde, in dem man einen A l b i n o oder K a k e r l a k (beides Missgeburten) für Weisse gehalten hat. Dieses Anarten ist nun jederzeit beiderseitig, niemals bloss einseitig, an einem und demselben Kinde. Der weisse Vater drückt ihm den Charakter seiner Klasse und die schwarze Mutter den ihrigen ein. Es muss also jederzeit ein Mittelschlag oder Bastard entspringen; welche Blendlingsart, in mehr oder weniger Gliedern der Zeugung mit einer und derselben Klasse, allmählich erloschen, wenn sie sich aber auf ihres gleichen einschränkt, sich ohne Ausnahme ferner fortpflanzen und verewigen wird. 5. BETRACHTUNG ÜBER DAS GESETZ DER NOTWENDIG HALBSCHLÄCHTIGEN ZEUGUNG Es ist immer ein sehr merkwürdiges Phänomen: dass, da es so manche, zum Teil wichtige und so gar familienweise erbliche, Charaktere in der Menschengattung gibt, sich doch kein einziger, innerhalb einer durch blosse Hautfarbe charakteri[[A 399>>sierten Menschenklasse, findet, der notwendig anerbt; dass dieser letztere

Charakter hingegen, so geringfügig er auch scheinen mag, doch sowohl innerhalb dieser Klasse, als auch in der Vermischung derselben mit einer der drei übrigen, allgemein und u n a u s b l e i b l i c h anartet. Vielleicht lässt sich aus diesem seltsamen Phänomen etwas über die Ursachen des Anartens solcher Eigenschaften, die nicht wesentlich zur Gattung gehören, bloss aus dem Umstande, dass sie unausbleiblich sind, mutmassen.

Zuerst: was dazu beitrage, dass überhaupt etwas, das nicht zum Wesen der Gattung gehort, a n e r b e n könne? a priori auszumachen, ist ein missliches Unternehmen; und in dieser Dunkelheit der Erkenntnisquellen ist die Freiheit der Hypothesen so uneingeschränkt, dass es nur schade um alle Mühe und Arbeit ist, sich desfalls mit Widerlegungen zu befassen, indem ein jeder in solchen Fällen seinem Kopfe folgt. Ich meines Teils sehe in solchen Fällen nur auf die besondere V e r n u n f t m a x i m e, wovon ein jeder ausgeht, und nach welcher er gemeiniglich auch Facta aufzutreiben weiss, die jene begünstigen; und suche nachher die meinige auf, die mich gegen alle jene Erklärungen unglaubig macht, ehe ich mir noch die Gegengründe deutlich zu machen weiss. Wenn ich nun meine Maxime bewahrt, dem Vernunftgebrauch in der Naturwissenschaft genau angemessen, und zur konsequenten Denkungsart allein tauglich befinde: so folge ich [[A 400>> ihr, ohne mich an jene vorgeblichen Facta zu kehren, die ihre Glaubhaftigkeit und Zulänglichkeit zur angenommenen Hypothese fast allein von jener einmal gewählten Maxime entlehnen, denen man überdem ohne Mühe hundert andere Facta entgegensetzen kann. Das Anerben durch die Wirkung der Einbildungskraft schwangerer Frauen, oder auch wohl der Stuten in Marstallen; das Ausrupfen des Barts ganzer Völkerschaften, so wie das Stutzen der Schwänze an englischen Pferden, wodurch die Natur genötigt werde, aus ihren Zeugungen ein Produkt, worauf sie uranfänglich organisiert war, nach gerade weg zu lassen; die geplatschten Nasen, welche, anfänglich von Eltern an neugebornen Kindern gekünstelt, in der Folge von der Natur in ihre zeugende Kraft aufgenommen waren: diese und andre Erklärungsgründe würden wohl schwerlich durch die zu ihrem Behuf angeführten Facta, denen man weit besser bewahrte entgegensetzen kann, in Kredit kommen, wenn sie nicht von der sonst ganz richtigen Maxime der Vernunft ihre Empfehlung bekamen, nämlich dieser: eher alles im Mutmassen aus gegebenen Erscheinungen zu wagen, als zu deren Behuf besondere erste Naturkräfte oder anerschaffene Anlagen anzunehmen (nach dem Grundsatze: principia praeter necessitatem non sunt multiplicanda). Allein mir steht eine andere Maxime entgegen, welche jene, von der Ersparung entbehrlicher Prinzipien, ein[[A 401>>schränkt, nämlich: dass in der ganzen organischen Natur bei allen Veränderungen einzelner Geschöpfe die Spezies derselben sich unverändert erhalten (nach der Formel der Schulen: quaelibet natura est conservatrix sui). Nun ist es klar: dass, wenn der Zauberkraft der Einbildung, oder der Künstelei der Menschen an tierischen Körpern ein Vermögen zugestanden würde, die Zeugungskraft selbst abzuändern, das uranfängliche Modell der Natur umzuformen, oder durch Zusätze zu verunstalten, die gleichwohl nachher beharrlich in den folgenden Zeugungen aufbehalten würden: man gar nicht mehr wissen würde, von welchem Originale die Natur ausgegangen sei, oder wie weit es mit der Abänderung desselben gehen könne, und, da der Menschen Einbildung keine Grenzen erkennt, in welche Fratzengestalt die Gattungen und Arten zuletzt noch verwildern dürften. Dieser Erwägung gemäss nehme ich es mir zum Grundsatze, gar keinen in das Zeugungsgeschäft der Natur pfuschenden Einfluss der Einbildungskraft gelten zu lassen, und kein Vermögen der Menschen, durch äussere Künstelei Abänderungen in dem alten Original der Gattungen oder Arten zu bewirken, solche in die Zeugungskraft zu bringen, und erhlich zu machen. Denn, lasse ich auch nur einen Fall dieser Art zu, so ist es, als ob ich auch nur eine einzige Gespenstergeschichte oder Zauberei einräumte. Die Schranken der Vernunft sind dann einmal durchbrochen, und der Wahn [[A 402>> drängt sich bei Tausenden durch dieselbe Lücke durch. Es ist auch keine Gefahr, dass ich bei diesem Entschlusse mich vorsetzlich gegen wirkliche Erfahrungen blind, oder, welches einerlei ist, verstockt ungläubig machen würde. Denn alle dergleichen abenteuerliche Eräugnisse tragen ohne Unterschied das Kennzeichen an sich, dass sie gar k e i n E x p e r i m e n t verstatten, sondern nur durch Aufhaschung zufälliger Wahrnehmungen bewiesen sein wollen. Was aber von der Art ist: dass es, ob es gleich des Experiments gar wohl fähig ist, dennoch kein

einziges aushält, oder ihm mit allerlei Vorwand beständig ausweicht: das ist nichts als Wahn und Erdichtung. Dies sind meine Gründe, warum ich einer Erklärungsart nicht beitreten kann, die dem schwärmerischen Hange zur magischen Kunst, welcher jede, auch die kleinste Bemäntelung erwünscht kommt, im Grunde Vorschub tut: dass nämlich das Anarten, selbst auch nur das zufällige, welches nicht immer gelingt, jemals die Wirkung einer anderen Ursache, als der in der Gattung selbst liegenden Keime und Anlagen sein könne. Wenn ich aber gleich aus zufälligen Eindrücken entspringende und dennoch erblich werdende Charaktere einräumen wollte: so würde es doch unmöglich sein, dadurch zu erklären, wie jene vier Farbenunterschiede unter allen anerbenden die e i n z i g e n sind, die u n a u s b l e i b l i c h anarten. Was kann anders die Ursache hievon sein, als dass sie in den [[A 403>> Keimen des uns unbekannten ursprünglichen Stammes der Menschengattung, und zwar als solche Naturanlagen, gelegen hahen müssen, die zur Erhaltung der Gattung, wenigstens in der ersten Epoche ihrer Fortpflanzung, notwendig gehörten, und daher in den folgenden Zeugungen unausbleiblich vorkommen mussten? Wir werden also gedrungen anzunehmen: dass es einmal v e r s c h i e d e n e S t ä m m e von Menschen gegeben habe, ohngefähr in den Wohnsitzen, worin wir sie jetzt antreffen, die, damit sich die Gattung erhielte, von der Natur ihren verschiedenen Weltstrichen genau angemessen, mithin auch verschiedentlich organisiert waren; wovon die viererlei Hautfarbe das äussere Kennzeichen ist. Diese wird nun einem jeden Stamme nicht allein in seinem Wohnsitze notwendig anerben, sondern, wenn sich die Menschengattung; schon genügsam gestärkt hat (es sei, dass nur nach und nach die völlige Entwickelung zu Stande gekommen, oder durch allmählichen Gebrauch der Vernunft die Kunst der Natur hat Beihülfe leisten können), sich auch in jedem anderen Erdstriche in allen Zeugungen eben derselben Klasse unvermindert erhalten. Denn dieser Charakter hängt der Zeuungskraft notwendig an, weil er zur Erhaltung der Art erforderlich war. – Wären diese Stämme aber u r s p r ü n g l i c h, so liesse es sich gar nicht erklären und begreifen, warum nun in der wechselseitigen Vermischung derselben [[A 404>> unter einander der Charakter ihrer Verschiedenheit gerade u n a u s b l e i b l i c h anarte, wie es doch wirklich geschieht. Denn die Natur hat einem jeden Stamm seinen Charakter ursprünglich in Beziehung auf sein Klima und zur Angemessenheit mit demselben, gegeben. Die Organisation des einen hat also einen ganz anderen Zweck, als die des anderen; und, dass dem ungeachtet die Zeugungskräfte beider, selbst in diesem Punkte ihrer charakteristischen Verschiedenheit, so zusammen passen sollten, dass daraus ein Mittelschlag nicht bloss entspringen k ö n n e, sondern sogar unausbleiblich erfolgen m ü s s e: das lässt sich bei der Verschiedenheit ursprünglicher Stämme gar nicht begreifen. Nur alsdann, wenn man annimmt, dass in den Keimen e i n e s e i n z i g e n e r s t e n S t a m m e s die Anlagen zu aller dieser klassischen Verschiedenheit notwendig haben liegen müssen, damit er zu allmählicher Bevölkerung der verschiedenen Weltstriche tauglich sei: lässt sich verstehen: warum, wenn diese Anlagen sich gelegentlich, und diesem gemäss auch verschiedentlich, auswickelten, verschiedene Klassen von Menschen entstehen, die auch ihren bestimmten Charakter in der Folge notwendig in die Zeugung mit jeder andern Klasse bringen mussten, weil er zur Möglichkeit ihrer eigenen Existenz, mithin auch der Möglichkeit der Fortpflanzung der Art gehörte, und von der notwendigen ersten Anlage in der Stammgattung abgeleitet war. Von solchen, unausbleiblich [[A 405>> und zwar selbst in der Vermischung mit anderen Klassen, dennoch halbschlächtig anerbenden Eigenschaften ist man also genötigt, auf diese ihre Ableitung von einem einigen Stamme zu schliessen, weil ohne diesen die N o t w e n d i g k e i t des Anartens nicht begreiflich wäre. 6. NUR DAS, WAS IN DEM KLASSENUNTERSCHIEDE DER MENSCHENGATTUNG UNAUSBLEIBLICH ANERBT, KANN ZU DER BENENNUNG EINER BESONDERN MENSCHENRASSE BERECHTIGEN

Eigenschaften, die der Gattung selbst wesentlich angehören, mithin allen Menschen als solchen gemein sind, sind zwar unausbleiblich erblich; aber, weil darin kein Unterschied der Menschen liegt, so wird auf sie in der Einteilung der R a s s e n nicht Rücksicht genommen. Physische Charaktere, wodurch sich Menschen (ohne Unterschied des Geschlechts) von einander unterscheiden, und zwar nur die, welche erblich sind, kommen in Betracht (s. § 3), um eine Einteilung der Gattung in Klassen darauf zu gründen. Diese Klassen sind aher nur alsdann R a s s e n zu nennen, wenn jene Charaktere u n a u s b l e i b l i c h (sowohl in ebenderselben Klasse, als in Vermischung mit jeder anderen) anarten. Der Begriff einer Rasse enthält also erst[[A 406>>lich den Begriff eines gemeinschaftlichen Stammes, zweitens n o t w e n d i g e r b l i c h e Charaktere des klassischen Unterschiedes der Abkömmlinge desselben von einander. Durch das letztere werden sichere Unterscheidungsgründe festgesetzt, wornach wir die Gattung in Klassen einteilen können, die dann, wegen des ersteren Punkts, nämlich der Einheit des Stammes, keinesweges A r t e n, sondern nur R a s s e n heissen müssen. Die Klasse der Weissen ist nicht als besondere Art in der Menschengattung von der der Schwarzen unterschieden; und es gibt gar keine v e r s c h i e d e n e A r t e n v o n M e n s c h e n. Dadurch würde die Einheit des Stammes, woraus sie hätten entspringen können, abgeleugnet; wozu man, wie aus der unausbleiblichen Anerbung ihrer klassischen Charaktere bewiesen worden, keinen Grund, vielmehr einen sehr wichtigen zum Gegenteil hat.* [[A 407>> Der Begriff einer Rasse ist also: d e r K l a s s e n u n t e r s c h i e d d e r T i e r e e i n e s u n d d e s s e l b e n S t a m m e s, s o f e r n e r u n a u s b l e i b l i c h e r b l i c h i s t. Das ist die Bestimmung, die ich in dieser Abhandlung zur eigentlichen Absicht habe; das übrige kann man als zur Nebenabsicht gehörig, oder blosse Zutat ansehen, und es annehmen oder verwerfen. Nur das erstere halte ich für bewiesen, und überdem zur Nachforschung in der Naturgeschichte als Prinzip brauchbar, weil es eines E x p e r i m e n t s fähig ist, welches die Anwendung jenes Begriffs sicher leiten kann, der ohne jenes schwankend und unsicher sein würde. – Wenn verschiedentlich gestaltete Menschen in die Umstände gesetzt werden, sich zu vermischen, so gibt es, wenn die Zeugung halbschlächtig ist, schon eine starke Vermutung, sie möchten wohl zu verschiedenen Rassen gehören; ist aber dieses Produkt ihrer Vermischung j e d e r z e i t halbschlächtig, so wird jene Vermutung zur Gewissheit. Dagegen, wenn auch nur eine einzige Zeugung keinen Mittelschlag darstellt, so kann man gewiss sein, dass beide Eltern von derselben Gat[[A 408>>tung, so verschieden sie auch aussehen mögen, dennoch zu einer und derselben Rasse gehören. Ich habe nur vier Rassen der Menschengattung angenommen: nicht als ob ich ganz gewiss wäre, es gebe nirgend eine Spur von noch mehreren; sondern weil bloss an diesen das, was ich zum Charakter einer Rasse fordere, nämlich die halbschlächtige Zeugung, a u s g e m a c h t, bei keiner anderen Menschenklasse aber genügsam bewiesen ist. So sagt Herr P a l l a s in seiner Beschreibung der mongolischen Völkerschaften: dass die erste Zeugung von einem Russen mit einer Frau der letzteren Völkerschaft (einer B u r ä t i n) schon so fort schöne Kinder gebe; er merkt aber nicht an, ob gar keine Spur des kalmückischen Ursprungs an denselben anzutreffen sei. Ein merkwürdiger Umstand, wenn die Vermengung eines Mongolen mit einem Europäer die charakteristischen Züge des erstern gänzlich auslöschen *

Anfänglich, wenn man bloss die Charaktere der Vergleichung (der Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit nach) vor Augen hat, erhält man K l a s s e n von Geschöpfen unter einer Gattung. Sieht man ferner auf ihre Abstammung, so muss sich zeigen, ob jene Klassen eben so viel verschiedene A r t e n, oder nur R a s s e n seien. Der Wolf, der Fuchs, der Jakal, die Hyäne, und der Haushund sind so viel Klassen vierfüssiger Tiere. Nimmt man an: dass jede derselben eine besondere Abstammung bedurft habe, so sind es so viel Arten; räumet man aber ein, dass sie auch von einem Stamme haben entspringen können, so sind sie nur Rassen desselben. [[Anm. A 407>> A r t und G a t t u n g sind in der N a t u r g e s c h i c h t e (in der es nur um die Erzeugung nnd den Abstamm zu tun ist) an sich nicht unterschieden. In der N a t u r b e s c h r e i b u n g, da es bloss auf Vergleichung der Merkmale ankommt, findet dieser Unterschied allein statt. Was hier A r t heisst, muss dort öfter nur Rasse genannt werden.

sollte, die doch in der Vermengung mit südlichern Völkerschaften (vermutlich mit Indianern) an den S i n e s e n, A v a n e r n, M a l a i e n, u.s.w. mehr oder weniger kenntlich noch immer anzutreffen sind. Allein die mongolische Eigentümlichkeit betrifft eigentlich die Gestalt, nicht die Farbe; von welcher allein die bisherige Erfahrung eine unausbleibliche Anartung, als den Charakter einer Rasse, gelehrt hat. Man kann auch nicht mit Gewissheit ausmachen, ob die Kafferngestalt der Papuas, und der ihnen ähnlichen verschiedenen Inselbewohner [[A 409>> des Stillen Meeres, eine besondere Rasse anzeige, weil man das Produkt aus ihrer Vermischung mit Weissen noch nicht kennet; denn von den Negern sind sie durch ihren buschichten ohzwar gekräuselten Bart hinreichend unterschieden. ANMERKUNG Gegenwärtige Theorie, welche gewisse ursprüngliche in dem ersten und gemeinschaftlichen Menschenstamm auf die jetzt vorhandenen Rassenunterschiede ganz eigentlich a n g e l e g t e Keime annimmt, beruht gänzlich auf der U n a u s b l e i b l i c h k e i t ihrer Anartung, die beiden viergenannten Rassen durch alle Erfahrung bestätigt wird. Wer diesen Erklärungsgrund für unnötige Vervielfältigung der Prinzipien in der Naturgeschichte hält, und glaubt, man könne dergleichen spezielle Naturanlagen gar wohl entbehren, und, indem man den ersten Elternstamm als weiss annimmt, die übrigen sogenannten Rassen aus den in der Folge durch Luft und Sonne auf die spätern Nachkömmlinge geschehenen Eindrücken erklären: der hat alsdenn noch nichts bewiesen, wenn er anführt: dass manche andere Eigentümlichkeit bloss aus dem langen Wohnsitze eines Volkes in eben demselben Landstriche auch wohl endlich erblich geworden sei, und einen physischen Volkscharakter ausmache. Er muss von der U n a u s b l e i b l i c h k e i t der Anartung solcher Eigentümlichkeiten und zwar nicht in dem[[A 410>>selben Volke, sondern in der Vermischung mit jedem andern (das darin von ihm abweicht), so dass die Zeugung ohne Ausnahme halbschlächtig ausfalle, ein Beispiel anführen. Dieses ist er aber nicht im Stande zu leisten. Denn es findet sich von keinem andern Charakter, als dem, dessen wir erwähnt haben, und wovon der Anfang über alle Geschichte hinausgeht, ein Beispiel zu diesem Behuf. Wollte er lieber verschiedene e r s t e M e n s c h e n s t ä m m e mit dergleichen erblichen Charakteren annehmen: so würde e r s t l i c h dadurch der Philosophie wenig geraten sein, die; allsdenn zu verschiedenen Geschöpfen ihre Zuflucht nehmen müsste, und selbst dabei doch immer die Einheit der Gattung einbüssete. Denn Tiere, deren Verschiedenheit so gross ist, dass zu deren Existenz eben so viel verschiedene Erschaffungen nötig wären, können wohl zu einer N o m i n a l g a t t u n g (um sie nach gewissen Ähnlichkeiten zu klassifizieren), aber niemals zu einer R e a l g a t t u n g, als zu welcher durchaus wenigstens die Möglichkeit der Abstammung von einem einzigen Paar erfordert wird, gehören. Die letztere aber zu finden, ist eigentlich ein Geschäft der Naturgeschichte; mit der ersteren kann sich der Naturbeschreiber begnügen. Aber auch alsdenn würde z w e i t e n s doch immer die sonderbare Übereinstimmung der Zeugungskräfte zweier verschiedenen Gattungen, die, da, sie in Ansehung ihres Ursprungs einander ganz fremd sind, dennoch mit [[A 411>> einander fruchtbar vermischt werden können, ganz umsonst, und ohne einen anderen Grund, als dass es der Natur so gefallen, angenommen werden. Will man, um dieses letztere zu beweisen, Tiere anführen, bei denen dieses, ungeachtet der Verschiedenheit ihres ersten Stammes, dennoch geschehe: so wird ein jeder in solchen Fällen die letztere Voraussetzung leugnen, und vielmehr eben daraus, dass eine solche fruchtbare Vermischung statt findet, auf die Einheit des Stammes schliessen, wie aus der Vermischung der Hunde und Fuchse u.s.w. Die u n a u s b l e i b l i c h e A n a r t u n g beiderseitiger Eigentümlichkeiten der Eltern ist also der einzig wahre und zugleich hinreichende Probierstein der Verschiedenheit der Rassen, wozu sie gehören, und ein Beweis der Einheit des Stammes, woraus sie entsprungen sind: nämlich der in diesem Stamm gelegten sich in der Folge der Zeugungen entwickelnden ursprünglichen

Keime, ohne welche jene erblichen Mannigfaltigkeiten nicht würden entstanden sein, und vornehmlich nicht hätten n o t w e n d i g e r b l i c h werden können. Das Z w e c k m ä s s i g e in einer Organisation ist doch der allgemeine Grund, woraus wir auf ursprünglich in die Natur eines Geschöpfs in dieser Absicht gelegte Zurüstung, und, wenn dieser Zweck nur später hin zu erreichen war, auf anerschaffene Keime schliessen. Nun ist dieses Zweckmässige zwar an der Eigentümlichkeit keiner Rasse so deutlich [[A 412>> zu beweisen möglich, als an der N e g e r r a s s e; allein das Beispiel, das von dieser allein hergenommen worden, berechtigt uns auch, nach der Analogie eben dergleichen von den übrigen wenigstens zu vermuten. Man weiss nämlich jetzt: dass das Menschenblut, bloss dadurch, dass es mit Phlogiston überladen wird, schwarz werde (wie an der unteren Seite eines Blutkuchens zu sehen ist). Nun gibt schon der starke und durch keine Reinlichkeit zu vermeidende Geruch der Neger Anlass zu vermuten, dass ihre Haut sehr viel P h l o g i s t o n aus dem Blute wegschaffe, und dass die Natur diese Haut so organisiert haben müsse, dass das Blut sich bei ihnen in weit grösserem Masse durch sie d e p h l o g i s t i s i e r e n könne, als es bei uns geschieht; wo das letztere am meisten ein Geschäft der Lunge ist. Allein die echten Neger wohnen auch in Landstrichen, worin die Luft durch dicke Wälder und sumpfichte bewachsene Gegenden so phlogistisiert wird, dass nach L i n d s Berichte Todesgefahr für die englischen Matrosen dabei ist, auch nur auf einen Tag den G a m b i a s t r o m hinauf zu fahren, um daselbst Fleisch einzukaufen. Also wär1 es eine von der Natur sehr weislich getroffene Anstalt, ihre Haut so zu organisieren, dass das Blut, da es durch die Lunge noch lange nicht Phlogiston genug wegschafft, sich durch jene bei weitem stärker, als bei uns, dephlogistisieren könne. Es müsste2 also in die Enden der Arterien sehr viel Phlogiston hin[[A 413>>schaffen, mithin an diesem Orte, das ist unter der Haut selbst, damit überladen sein, und also schwarz durchscheinen, wenn es gleich im Innern des Körpers rot genug ist. Überdem ist die Verschiedenheit der Organisation der Negerhaut von der unsrigen, selbst nach dem Gefühle, schon merklich. – Was aber die Zweckmässigkeit der Organisation der andern Rassen, so wie sie sich aus der Farbe schliessen lässt, betrifft: so kann man sie freilich wohl nicht mit gleicher Wahrscheinlichkeit dartun; aber es fehlt doch auch nicht ganz an Erklärungsgründen der Hautfarbe, welche jene Vermutung der Zweckmässigkeit unterstützen können. Wenn der Abt F o n t a n a in dem, was er gegen den Ritter L a n d r i a n i behauptet, nämlich: dass die fixe Luft, die bei jedem Ausatmen aus der Lunge gestossen wird, nicht aus der Atmosphäre niedergeschlagen, sondern aus dem Blute selbst gekommen sei, recht hat: so könnte wohl eine Menschenrasse ein mit dieser Luftsäure überladenes Blut haben, welche die Lungen allein nicht fortschaffen könnten, und wozu die Hautgefässe noch das ihrige beitragen müssten (freilich nicht in Luftgestalt, sondern mit anderem ausgedünstetem Stoffe verbunden). Auf diesem Fall würde gedachte L u f t s ä u r e den Eisenteilchen im Blute die rötliche Rostfarbe geben, welche die Haut der Amerikaner unterscheidet; und die Anartung dieser Hautbeschaffenheit kann ihre Notwendigkeit daher bekommen haben, dass die [[A 414>> jetzigen Bewohner dieses Weltteils aus dem Nordosten von Asien, mithin nur an den Küsten und vielleicht gar nur über das Eis des Eismeeres in ihre jetzigen Wohnsitze haben gelangen können. Das Wasser dieser Meere aber muss in seinem kontinuierlichen Gefrieren auch kontinuierlich eine ungeheure Menge fixer Luft fahren lassen, mit welcher also die Atmosphäre dort vermutlich mehr überladen sein wird, als irgend anderwärts; für deren Wegschaffung daher (da sie, eingeatmet, die fixe Luft aus den Lungen nicht hinreichend wegnimmt) die Natur zum voraus in der Organisation der Haut gesorgt haben mag. Man will in der Tat auch weit weniger Empfindlichkeit an der Haut der ursprünglichen Amerikaner wahrgenommen haben, welches eine Folge jener Organisation sein könnte, die sich nachher, wenn sie sich einmal zum Rassenunterschiede entwickelt hat, auch in wärmeren Klimaten erhält. Zur Ausübung ihres Geschäftes kann es aber auch in diesen an Stoffe nicht fehlen; 1 2

Akad.-Ausg.: „war”. Akad.-Ausg.: „musste”.

denn alle Nahrungsmittel enthalten eine Menge fixer Luft in sich, die durchs Blut eingenommen und durch den gedachten Weg fortgeschafft werden kann. – Das f l ü c h t i g e A l k a l i ist noch ein Stoff, den die Natur aus dem Blute wegschaffen muss; auf welche Absonderung sie gleichfalls gewisse Keime zur besonderen Organisation der Haut für diejenigen Abkömmlinge des ersten Stammes angelegt haben mag, die in der ersten [[A 415>> Zeit der Auswickelung der Menschheit ihren Aufenthalt in einem trockenen und heissen Landstriche, finden würden, der ihr Blut vorzüglich zu übermässiger Erzeugung jenes Stoffes fähig machte. Die kalten Hände der Indier, ob sie gleich mit Schweiss bedeckt sind, scheinen eine von der unsrigen verschiedene Organisation zu bestätigen. – – Doch es ist wenig Trost für die Philosophie in Erkünstelung von Hypothesen. Sie sind indessen dazu gut, um allenfalls einem Gegner, der, wenn er gegen den Hauptsatz nichts Tüchtiges einzuwenden weiss, darüber frohlockt, dass das angenommene Prinzip nicht einmal die Möglichkeit der Phänomene begreiflich machen könne, – sein Hypothesenspiel mit einem gleichen, wenigstens eben so scheinbaren, zu vergelten. Man mag aber ein System annehmen, welclies man wolle: so ist doch so viel gewiss, dass die jetzt vorhandenen Rassen, wenn alle Vermischung derselben unter einander verhütet würde, nicht mehr erlöschen können. Die unter uns befindlichen Z i g e u n e r, von denen erwiesen ist, dass sie ihrem Abstamme nach I n d i e r sind, geben davon den deutlichsten Beweis. Man kann ihrer Anwesenheit in Europa weit über dreihundert Jahre nachspüren; und noch sind sie nicht im mindesten von der Gestalt ihrer Vorfahren ausgeartet. Die am G a m b i a in Neger ausgeartet sein sollende P o r t u g i e s e n sind Abkömmlinge von Weissen, die sich [[A 416>> mit Schwarzen v e r b a s t e r t haben; denn wo steht es berichtet, und wie ist es auch nur wahrscheinlich, dass die ersten hieher gekommenen Portugiesen eben so viel weisse Weiber mitgebracht hätten, diese auch alle lange genug am Leben geblieben, oder durch andere Weisse ersetzt wären, um einen reinen Abstamm von Weissen in einem fremden Weltteile zu gründen ? Dagegen sind bessere Nachrichten davon: dass König J o h a n n II., der von 1481 bis 1495 regierte, da ihm alle nach St. T h o m a s abgeschickte Kolonisten ausstarben, diese Insel durch lauter getaufte Judenkinder (mit portugiesisch-christlichem Gewissen) bevölkerte, von welchen, so viel man weiss, die gegenwärtigen Weisse auf derselben abstammen. Die Negerkreolen in Nordamerika, die Holländer auf Java bleiben ihrer Rasse getreu. Die Schminke, die die Sonne auf ihrer Haut hinzutut, eine kühlere Luft aber wieder wegnimmt, muss man nur nicht mit der der Rasse eigenen Farbe verwechseln; denn jene erbt doch niemals an. Also müssen sich die Keime, die ursprünglich in den Stamm der Menschengattung zu Erzeugung der Rassen gelegt waren, schon in der ältesten Zeit nach dem Bedürfnis des Klima, wenn der Aufenthalt lange daurete, entwickelt haben; und, nachdem eine dieser Anlagen bei einem Volke entwickelt war, so löschte sie alle übrigen gänzlich aus. Daher kann man auch nicht annehmen, dass eine in gewisser Proportion vorgehende Mischung ver[[A 417>>schiedener Rassen auch noch jetzt die Gestalt des Menschenstammes aufs neue herstellen könne. Denn sonst würden die Blendlinge, die aus dieser ungleichartigen Begattung erzeugt werden, sich auch noch jetzt (wie ehemals der erste Stamm) von selbst in ihren Zeugungen bei ihrer Verpflanzung in verschiedenen Klimaten wiederum in ihre ursprüngliche Farben zersetzen, welches zu vermuten man durch keine bisherige Erfahrung berechtiget wird; weil alle diese Bastarderzeugungen in ihrer eigenen weiteren Fortpflanzung sich eben so b e h a r r l i c h erhalten, als die Rassen, aus deren Vermischung sie entsprungen sind. Wie also die Gestalt des ersten Menschenstammes (der Hautbeschaffenheit nach) beschaffen gewesen sein möge, ist daher jetzt unmöglich zu erraten; selbst der Charakter der Weissen ist nur die Entwickelung einer der ursprünglichen Anlagen, die, nebst den übrigen, in jenem anzutreffen waren. Königsberg. I. K a n t.

[[A 1>> MUTMASSLICHER ANFANG DER MENSCHENGESCHICHTE Im F o r t g a n g e einer Geschichte Mutmassungen e i n z u s t r e u e n, um Lücken in den Nachrichten auszufüllen, ist wohl erlaubt: weil das Vorhergehende, als entfernte Ursache, und das Nachfolgende, als Wirkung, eine ziemlich sichere Leitung zur Entdeckung der Mittelursachen abgeben kann, um den Übergang begreiflich zu machen. Allein, eine Geschichte ganz und gar aus Mutmassungen e n t s t e h e n zu lassen, scheint nicht viel besser, als den Entwurf zu einem Roman zu machen. Auch würde sie nicht den Namen einer m u t m a s s l i c h e n G e s c h i c h t e, sondern einer blossen E r d i c h t u n g führen können. – Gleichwohl kann das, was im Fortgange der Geschichte menschlicher Handlungen nicht gewagt werden darf, doch wohl uher den e r s t e n A n f a n g derselben, so fern ihn die N a t u r macht, durch Mutmassung versucht wer [[A 2>>den. Denn dieser darf nicht erdichtet, sondern kann von der Erfahrung hergenommen werden; wenn man voraussetzt, dass diese im ersten Anfange nicht besser oder schlechter gewesen, als wir sie jetzt antreffen: eine Voraussetzung, die der Analogie der Natur gemäss ist, und nichts Gewagtes bei sich führt. Eine Geschichte der ersten Entwickelung der Freiheit aus ihrer ursprünglichen Anlage in der Natur des Menschen ist daher ganz etwas anderes, als die Geschichte der Freiheit in ihrem Fortgange, die nur auf Nachrichten gegründet werden kann.

Gleichwohl, da Mutmassungen ihre Ansprüche auf Beistimmung nicht zu hoch treiben dürfen, sondern sich allenfalls nur als eine der Einbildungskraft in Begleitung der Vernunft, zur Erholung und Gesundheit des Gemüts, vergönnete Bewegung, nicht aber für ein ernsthaftes Geschäft ankündigen müssen: so können sie sich auch nicht mit derjenigen Geschichte messen, die über eben dieselbe Begebenheit als wirkliche Nachricht aufgestellt und geglaubt wird, deren Prüfung auf ganz andern Gründen, als blosser Naturphilosophie, beruht. Eben darum, und da ich hier eine blosse Lustreise wage, darf ich mir wohl die Gunst versprechen, dass es mir erlaubt sei, mich einer heiligen Urkunde dazu als Karte zu bedienen, und mir zugleich einzubilden, als ob mein Zug, den ich auf den Flügeln der Einbildungskraft, obgleich nicht ohne einen durch Vernunft an Erfahrung geknüpften Leit[[A 3>>faden, tue, gerade dieselbe Linie treffe, die jene historisch vorgezeichnet enthält. Der Leser wird die Blätter jener Urkunde (1. M o s e Kap. II bis VI) aufschlagen, und Schritt vor Schritt nachsehen, ob der Weg, den Philosophie nach Begriffen nimmt, mit dem, welchen die Geschichte angibt, zusammentreffe. Will man nicht in Mutmassungen schwärmen, so muss der Anfang von dem gemacht werden, was keiner Ableitung aus vorhergehenden Naturursachen durch menschliche Vernunft fähig ist, also: mit der E x i s t e n z d e s M e n s c h e n; und zwar in seiner a u s g e b i l d e t e n G r ö s s e, weil er der mütterlichen Beihülfe entbehren muss; in e i n e m P a a r e, damit er seine Art fortpflanze; und auch nur e i n e m e i n z i g e n P a a r e, damit nicht so fort der Krieg entspringe, wenn die Menschen einander nahe und doch einander fremd waren, oder auch damit die Natur nicht beschuldigt werde, sie habe durch die Verschiedenheit der Abstammung es an der schicklichsten Veranstaltung zur Geselligkeit, als dem grössten Zwecke der menschlichen Bestimmung, fehlen lassen; denn die Einheit der Familie, woraus alle Menschen abstammen sollten, war ohne Zweifel hiezu die beste Anordnung. Ich setze dieses Paar in einen wider den Anfall der Raubtiere gesicherten und mit allen Mitteln der Nahrung von der Natur reichlich versehenen Platz, also gleichsam in einen G a r t e n, unter einem jederzeit milden Him[[A 4>>melsstriche. Und, was noch mehr ist, ich betrachte es nur, nachdem es schon einen mächtigen Schritt in der Geschicklichkeit getan hat, sich seiner Kräfte zu bedienen, und fange also nicht von der gänzlichen Rohigkeit seiner Natur an; denn es könnten der Mutmassungen für den Leser leicht zu viel, der Wahrscheinlichkeiten aber zu wenig werden, wenn ich diese Lücke, die vermutlich einen grossen Zeitraum begreift, auszufüllen unternehmen wollte. Der erste Mensch konnte also s t e h e n und g e h e n; er konnte s p r e c h e n (1. B. M o s e Kap. II, V. 20)* ja reden, d. i. nach *

Der T r i e b, s i c h m i t z u t e i l e n, muss den Menschen, der noch allein ist, gegen lebende Wesen ausser ihm, vornehmlich diejenigen, die einen Laut geben, welchen er nachahmen und der nachher zum Namen dienen kann, zuerst zur Kundmachung seiner Existenz bewogen haben. Eine ähnliche Wirkung dieses Triebes sieht man auch noch an Kindern und an gedankenlosen Leuten, die durch Schnarren, Schreien, Pfeifen, Singen, und andere lärmende Unterhaltungen (oft auch dergleichen Andachten) den denkenden Teil des gemeinen Wesens stören.

zusammenhängenden Begriffen sprechen (V. 23), mithin d e n k e n. Lauter Geschicklichkeiten, die er alle selbst erwerben musste (denn waren sie anerschaffen, so würden sie auch anerben, welches aber der Erfahrung widerstreitet); mit denen ich ihn aber jetzt schon als versehen [[A 5>> annehme, um bloss die Entwickelung des Sittlichen in seinem Tun und Lassen, welches jene Geschicklichkeit notwendig voraussetzt, in Betrachtung zu ziehen. Der Instinkt, diese S t i m m e G o t t e s, der alle Tiere gehorchen, musste den Neuling anfänglich allein leiten. Dieser erlaubte ihm einige Dinge zur Nahrung, andere verbot er ihm (III, 2, 3). – Es ist aber nicht nötig, einen besondern jetzt verlorenen Instinkt zu diesem Behuf anzunehmen; es könnte bloss der Sinn des Geruchs, und dessen Verwandtschaft mit dem Organ des Geschmacks, dieses letzteren bekannte Sympathie aber mit den Werkzeugen der Verdauung, und also gleichsam das Vermögen der Vorempfindung der Tauglichkeit oder Untauglichkeit einer Speise zum Genüsse, dergleichen man auch noch jetzt wahrnimmt, gewesen sein. So gar darf man diesen Sinn im ersten Paare nicht scharfer, als er jetzt ist, annehmen; denn es ist bekannt genug, welcher Unterschied in der Wahrnehmungskraft zwischen den bloss mit ihren Sinnen, und den zugleich mit ihren Gedanken beschäftigten, dadurch aber von ihren Empfindungen abgewandten, Menschen angetroffen werde. So lange der unerfahrne Mensch diesem Rufe der Natur gehorchte, so befand er sich gut dabei. Allein die V e r n u n f t fing bald an sich zu regen, und suchte durch Vergleichung des Genossenen mit dem, was ihm ein anderer Sinn, als der, woran der [[A 6>> Instinkt gebunden war, etwa der Sinn des Gesichts, als dem sonst Genossenen ähnlich vorstellete, seine Kenntnis der Nahrungsmittel über die Schranken des Instinkts zu erweitern (III, 6). Dieser Versuch hatte zufälligerweise noch gut genug ausfallen können, obgleich der Instinkt nicht anriet, wenn er nur nicht widersprach. Allein, es ist eine Eigenschaft der Vernunft, dass sie Begierden mit Beihülfe der Einbildungskraft, nicht allein o h n e einen darauf gerichteten Naturtrieb, sondern sogar w i d e r denselben, erkünsteln kann, welche im Anfange den Namen der L ü s t e r n h e i t bekommen, wodurch aber nach und nach ein ganzer Schwarm entbehrlicher ja sogar naturwüdriger Neigungen, unter der Benennung der Ü p p i g k e i t, ausgeheckt wird. Die Veranlassung, von dem Naturtriebe abtrünnig zu werden, durfte nur eine Kleinigkeit sein; allein der Erfolg des ersten Versuchs, nämlich sich seiner Vernunft als eines Vermögens bewusst zu werden, das sich über die Schranken, worin alle Tiere gehalten werden, erweitern kann, war sehr wichtig und für die Lebensart entscheidend. Wenn es also auch nur eine Frucht gewesen wäre, deren Anblick, durch die Ähnlichkeit mit anderen annehmlichen, die man sonst gekostet hatte, zum Versuche einladete; wenn dazu noch etwa das Beispiel eines Tieres kam, dessen Natur ein solcher Genuss angemessen, so wie er im Gegenteil dem Menschen nachteilig war, dass [[A 7>> folglich in diesem ein sich dawider setzender natürlicher Instinkt war: so könnte dieses schon der Vernunft die erste Veranlassung gehen, mit der Stimme der Natur zu schikanieren (III, 1), und, trotz ihrem Widerspruch, den ersten Versuch von einer freien Wahl zu machen, der, als der erste, wahrscheinlicherweise nicht der Erwartung gemäss ausfiel. Der Schade mochte nun gleich so unbedeutend gewesen sein, als man will, so gingen dem Menschen hierüber doch die Augen auf (V. 7). Er entdeckte in sich ein Vermögen, sich selbst eine Lebensreise1 auszuwählen, und nicht gleich anderen Tieren an eine einzige gebunden zu sein. Auf das augenblickliche Wohlgefallen, das ihm dieser bemerkte Vorzug erwecken mochte, musste doch so fort Angst und Hängigkeit folgen: wie er, der noch kein Ding nach seinen verborgenen Eigenschaften und entfernten Wirkungen kannte, mit seinem neu entdeckten Vermögen zu Werke gehen sollte. Er stand gleichsam am Rande eines Abgrundes; denn aus einzelnen Gegenständen seiner Begierde, die ihm bisher der Instinkt angewiesen hatte, war ihm eine Unendlichkeit derselben eröffnet, in deren Wahl er sich noch Denn ich sehe keinen andern Bewegungsgrund hiezu, als dass sie ihre Existenz weit und breit um sich kund machen wollen. 1

Akad.-Ausg.: „Lebensweise”.

gar nicht zu finden wusste; und aus diesem einmal gekosteten Stande der Freiheit war es ihm gleichwohl jetzt unmöglich in den der Dienstbarkeit (unter der Herrschaft des Instinkts) wieder zurück zu kehren. Nächst dem Instinkt zur Nahrung, durch welchen die Natur jedes Individuum erhalt, ist der [[A 8>> I n s t i n k t z u m G e s c h l e c h t, wodurch sie für die Erhaltung jeder Art sorgt, der vorzüglichste. Die einmal rege gewordene Vernunft säumete nun nicht, ihren Einfluss auch an diesem zu beweisen. Der Mensch fand bald: dass der Reiz des Geschlechts, der bei den Tieren bloss auf einem vorübergehenden, grösstenteils periodischen, Antriebe beruht, für ihn der Verlängerung und so gar Vermehrung durch die Einbildungskraft fähig sei, welche ihr Geschäft zwar mit mehr Mässigung, aber zugleich dauerhafter und gleichförmiger treibt, je mehr der Gegenstand den S i n n e n e n t z o g e n wird, und dass dadurch der Überdruss verhütet werde, den die Sättigung einer bloss tierischen Begierde bei sich führt. Das Feigenblatt (V. 7) war also das Produkt einer weit grösseren Äusserung der Vernunft, als sie in der ersteren Stufe ihrer Entwickelung hewiesen hatte. Denn eine Neigung dadurch inniglicher und dauerhafter zu machen, dass man ihren Gegenstand den Sinnen entzieht, zeigt schon das Bewusstsein einiger Herrschaft der Vernunft über Antriebe; und nicht bloss, wie der erstere Schritt, ein Vermögen, ihnen im kleineren oder grösseren Umfange Dienste zu leisten. W e i g e r u n g war das Kunststück, um von bloss empfundenen zu idealischen Reizen, von der bloss tierischen Begierde allmählich zur Liebe, und mit dieser vom Gefühl des bloss Angenehmen zum Geschmack für Schönheit, anfänglich nur an Menschen, dann [[A 9>> aber auch an der Natur, überzuführen. Die S i t t s a m k e i t, eine Neigung, durch guten Anstand (Verhehlung dessen, was Geringschätzung erregen könnte) andern Achtung gegen uns einzuflössen, als die eigentliche Grundlage aller wahren Geselligkeit, gab überdem den ersten Wink zur Ausbildung des Menschen, als eines sittlichen Geschöpfs. – Ein kleiner Anfang, der aber Epoche macht, indem er der Denkungsart eine ganz neue Richtung gibt, ist wichtiger, als die ganze unabsehliche Reihe von darauf folgenden Erweiterungen der Kultur. Der dritte Schritt der Vernunft, nachdem sie sich in die ersten unmittelbar empfundenen Bedürfnisse gemischt hatte, war die überlegte E r w a r t u n g d e s K ü n f t i g e n. Dieses Vermögen, nicht bloss den gegenwärtigen Lebensaugenblick zu geniessen, sondern die kommende, oft sehr entfernte, Zeit sich gegenwärtig zu machen, ist das entscheidendste Kennzeichen des menschlichen Vorzuges, um seiner Bestimmung gemäss sich zu entferneten Zwecken vorzubereiten, – aber auch zugleich der unversiegendste Quell von Sorgen und Bekümmernissen, die die ungewisse Zukunft erregt, und welcher alle Tiere überhoben sind (V. 13 – 19). Der Mann, der sich und eine Gattin, samt künftigen Kindern, zu ernähren hatte, sah die immer wachsende Mühseligkeit seiner Arbeit; das Weib sah die Beschwerlichkeiten, denen die Natur ihr Geschlecht unterworfen hatte, und noch obenein diejenigen, welche der mächtigere [[A 10>> Mann ihr auferlegen würde, voraus. Beide sahen nach einem mühseligen Leben noch im Hintergrunde des Gemäldes das, was zwar alle Tiere unvermeidlich trifft, ohne sie doch zu bekümmern, nämlich den Tod, mit Furcht voraus; und schienen sich den Gebrauch der Vernunft, die ihnen alle diese Übel verursacht, zu verweisen und zum Verbrechen zu machen. In ihrer Nachkommenschaft zu leben, die es vielleicht besser haben, oder auch wohl, als Glieder einer Familie, ihre Beschwerden erleichtern könnten, war vielleicht die einzige trostende Aussicht, die sie aufrichtete (V. 16 – 20). Der vierte und letzte Schritt, den die, den Menschen über die Gesellschaft mit Tieren gänzlich erhebende, Vernunft tat, war: dass er (wiewohl nur dunkel) begriff, er sei eigentlich der Z w e c k d e r N a t u r, und nichts, was auf Erden lebt, könne hierin einen Mitwerber gegen ihn abgeben. Das erstemal, dass er zum Schafe sagte: d e r P e l z1, d e n d u t r ä g s t, h a t d i r d i e N a t u r n i c h t f ü r d i c h, s o n d e r n f ü r m i c h g e g e b e n, ihm ihn abzog, und sich selbst anlegte (V. 21): ward er eines Vorrechtes inne, welches er, vermöge seiner Natur, über alle Tiere hatte, die er nun nicht mehr als seine Mitgenossen an der 1

Akad.-Ausg.: „d e n P e l z”.

Schöpfung, sondern als seinem Willen überlassene Mittel und Werkzeuge zu Erreichung seiner beliebigen Absichten ansah. Diese Vorstellung schliesst (wiewohl dunkel) den Gedanken des Gegensatzes ein: dass [[A 11>> er so etwas zu keinem M e n s c h e n sagen dürfe, sondern diesen als gleichen Teilnehmer an den Geschenken der Natur anzusehen habe: eine Vorbereitung von weitem zu den Einschränkungen, die die Vernunft künftig dem Willen in Ansehung seines Mitmenschen auferlegen sollte, und welche, weit mehr als Zuneigung und Liebe, zu Errichtung der Gesellschaft notwendig ist. Und so war der Mensch in eine G l e i c h h e i t m i t a l l e n v e r n ü n f t i g e n W e s e n, von welchem Range sie auch sein mögen, getreten (III, 22): nämlich, in Ansehung des Anspruchs, s e l b s t Z w e c k z u s e i n, von jedem anderen auch als ein solcher geschätzt, und von keinem bloss als Mittel zu anderen Zwecken gebraucht zu werden. Hierin, und nicht in der Vernunft, wie sie bloss als ein Werkzeug zu Befriedigung der mancherlei Neigungen betrachtet wird, steckt der Grund der so unbeschränkten Gleichheit des Menschen, selbst mit höheren Wesen, die ihm an Naturgaben sonst über alle Vergleichung vorgehen möchten, deren keines aber darum ein Recht hat, über ihn nach blossem Belieben zu schalten und zu walten. Dieser Schritt ist daher zugleich mit E n t l a s s u n g desselben aus dem Mutterschosse der Natur verbunden: eine Veränderung, die zwar ehrend, aber zugleich sehr gefahrvoll ist, indem sie ihn aus dem harmlosen und sicheren Zustande der Kindespflege, gleichsam aus einem Garten, der ihn ohne seine Mühe ver[[A 12>>sorgte, heraustrieb (V. 23), und ihn in die weite Welt stiess, wo so viel Sorgen, Mühe und unbekannte Übel auf ihn warten. Künftig wird ihm die Mühseligkeit des Lebens öfter den Wunsch nach einem Paradiese, dem Geschöpfe seiner Einbildungskraft, wo er in ruhiger Untätigkeit und beständigem Frieden sein Dasein verträumen oder vertandeln könne, ablocken. Aber es lagert sich zwischen ihm und jenem eingebildeten Sitz der Wonne die rastlose und zur Entwickelung der in ihn gelegten Fähigkeiten unwiderstehlich treibende Vernunft, und erlaubt es nicht, in den Stand der Rohigkeit und Einfalt zurück zu kehren, aus dem sie ihn gezogen hatte (V. 24). Sie treibt ihn an, die Mühe, die er hasst, dennoch geduldig über sich zu nehmen, dem Flitterwerk, das er verachtet, nachzulaufen, und den Tod selbst, vor dem ihn grauet, über alle jene Kleinigkeiten, deren Verlust er noch mehr scheuet, zu vergessen. Anmerkung Aus dieser Darstellung der ersten Menschengeschichte ergibt sich: dass der Ausgang des Menschen aus dem, ihm durch die Vernunft, als erster Aufenthalt seiner Gattung vorgestellten, Paradiese nicht anders, als der Übergang aus der Rohigkeit eines bloss tierischen Geschöpfes in die Menschheit, aus dem Gangelwagen des Instinkts zur Leitung der Vernunft, mit einem Worte: aus der Vormund[[A 13>>schaft der Natur in den Stand der Freiheit gewesen sei. Ob der Mensch durch diese Veränderung gewonnen, oder verloren habe, kann nun nicht mehr die Frage sein, wenn man auf die Bestimmung seiner Gattung sieht, die in nichts als im F o r t s c h r e i t e n zur Vollkommenheit besteht, so fehlerhaft auch die ersten, selbst in einer langen Reihe ihrer Glieder nach einander folgenden Versuche, zu diesem Ziele durchzudringen, ausfallen mögen. – Indessen ist dieser Gang, der für die Gattung ein F o r t s c h r i t t vom Schlechteren zum Besseren ist, nicht eben das nämliche für das Individuum. Ehe die Vernunft erwachte, war noch kein Gebot oder Verbot, und also noch keine Übertretung; als sie aber ihr Geschäft anfing, und, schwach wie sie ist, mit der Tierheit und deren ganzen Stärke ins Gemenge kam, so mussten Übel, und, was ärger ist, bei kultivierterer Vernunft Laster entspringen, die dem Stande der Unwissenheit, mithin der Unschuld, ganz fremd waren. Der erste Schritt also aus diesem Stande war auf der sittlichen Seite ein F a l l; auf der physischen waren eine Menge nie gekannter Übel des Lebens die Folge dieses Falls, mithin Strafe1. Die Geschichte der N a t u r fängt also vom Guten an, denn sie ist das W e r k G o t t e s; die Geschichte der F r e i h e i t vom Bösen, denn sie ist M e n s 1

Cassirer: „S t r a f e”.

c h e n w e r k. Für das Individuum, welches im Gebrauche seiner Freiheit bloss auf sich selbst sieht, war, bei einer [[A 14>> solchen Veränderung, Verlust; für die Natur, die ihren Zweck mit dem Menschen auf die Gattung richtet, war sie Gewinn. Jenes hat daher Ursache, alle Übel die es erduldet, und alles Böse das es verübt, seiner eigenen Schuld zuzuschreiben, zugleich aber auch als ein Glied des Ganzen (einer Gattung) die Weisheit und Zweckmässigkeit der Anordnung zu bewundern und zu preisen. – Auf diese Weise kann man auch die so oft gemissdeuteten, dem Scheine nach einander widerstreitenden Behauptungen des berühmten J. J. R o u s s e a u unter sich und mit der Vernunft in Einstimmung bringen. In seiner Schrift ü b e r d e n E i n f l u s s d e r W i s s e n s c h a f t e n und der ü b e r d i e U n g l e i c h h e i t d e r M e n s c h e n zeigt er ganz richtig den unvermeidlichen Widerstreit der Kultur mit der Natur des menschlichen Geschlechts, als einer p h y s i s c h e n Gattung, in welches2 jedes Individuum seine Bestimmung ganz erreichen sollte; in seinem Emil aber, seinem g e s e l l s c h a f t l i c h e n K o n t r a k t e, und anderen Schriften sucht er wieder das schwerere Problem aufzulösen: wie die Kultur fortgehen müsse, um die Anfagen der Menschheit, als einer s i t t l i c h e n Gattung, zu ihrer Bestimmung gehörig zu entwickeln, so dass diese jener als Naturgattung nicht mehr widerstreite. Aus welchem Widerstreit (da die Kultur, nach wahren Prinzipien der E r z i e h u n g zum Menschen und Bürger zugleich, vielleicht noch nicht recht angefangen, vielweniger voll[[A 15>>endet ist) alle wahre Übel entspringen, die das menschliche Leben drücken, und alle Laster, die es verunehren;* indessen dass die Anreize zu den [[A 16>> letzteren, denen man desfalls schuld 2

Akad.-Ausg.: „in welcher”. Um nur einige Beispiele dieses Widerstreits zwischen der Bestrebung der Menschheit zu ihrer sittlichen Bestimmung einerseits und der imveränderlichen Befolgung der für den rohen und tierischen Zustand in ihrer Natur gelegten Gesetze andererseits beizubringen, führe ich folgendes an. Die Epoche der Mümdigkeit, d. i. des Triebes sowohl, als Vermögens, seine Art zu erzeugen, hat die Natur auf das Alter von etwa 16 bis 17 Jahren festgesetzt: ein Alter, in welchem der Jüngling im rohen Naturstande buchstäblich ein Mann wird; denn er hat alsdann das Vermögen, sich selbst zu erhalten, seine Azt zu erzeugen, und auch diese, samt seinem Weibe, zu erhalten. Die Einfalt der Bedürfnisse macht ihm dieses leicht. Im Kultivierten Zustande hingegen gehören zum letzteren viele Erwerbmittel, so wohl an Geschicklichkeit, als auch an günstigen äussern Umständen, so dass diese Epoche, bürgerlich, wenigstens im Durchschnitte um 10 Jahre weiter hinausgerückt wird. Die Natur hat indessen ihren Zeitpunkt der Reife nicht zugleich mit dem Fortschritte der gesellschaftlichen Verfeinerung verändert, sondern befolgt hartnäckig ihr Gesetz, welches sie auf die Erhaltung der Menschengattung als Tiergattung gestellet hat. Hieraus entspringt nun dem Naturzwecke durch die Sitten, und diesen durch jenen, ein unvermeidlicher Abbruch. Denn der Naturmensch ist in einem gewissen Alter schon Mann, wenn der bürgerliche Mensch (der doch nicht aufhört Naturmensch zu sein) nur Jüngling, ja wohl gar nur Kind ist; denn so kann man denjnigen wohl nennen, der seiner Jahre wegen (im bürgerlichen Zustande) sich, nicht einmal selbst, vielweni[[Anm. A 16>>ger seine Art erhalten kann, ob er gleich den Trieb und das Vermögen, mithin den Ruf der Natur für sich hat, sie zu erzeugen. Denn die Natur hat gewiss nicht Instinkte und Vermögen in lebende Geschöpfe gelegt, damit sie solche bekämpfen und unterdrücken sollten. Also war die Anlage derselben auf den gesitteten Zustand gar nicht gestellt, sondern bloss auf die Erhaltung der Menschengattung als Tiergattung; und der zivilisierte Zustand kommt also mit dem letztern in unvermeidlichen Widerstreit, den nur eine vollkommene bürgerliche Verfassung (das äusserste Ziel der Kultur) heben könnte, da jetzt jener Zwischenraum gewöhnlicherweise mit Lastern, und ihrer Folge, dem mannigfaltigen menschlichen Elende, besetzt wird. Ein anderes Beispiel zum Beweise der Wahrheit des Satzes: dass die Natur in uns zwei Anlagen zu zwei verschiedenen Zwecken, nämlich der Menschheit als Tiergattung, und eben derselben als sittlicher Gattung, gegründet habe, ist das: Ars longa, vita brevis (Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben)des Hippokrates. Wissenschaften und Kunste könnten durch einen Kopf, der für sie gemacht ist, wenn er einmal zur rechten Reife des Urteils durch lange Übung und erworbene Erkenntnis gelanget ist, viel weiter gebracht werden, als ganze Generationen von Gelehrten nach einander es leisten mögen, wenn jener nur mit der nämlichen jugendlichen Kraft des Geistes die Zeit, die diesen Generationen zusammen verliehen ist, durchlebte. Nun hat die Natur ihre Entschliessung wegen der Lebensdauer des Menschen offenbar aus einem anderen Gesichtspunkte, als dem der Beförderung der Wissenschaften, genommen. Denn wenn der glücklichste Kopf am Rande der grössten Entdeckungen steht, die er von seiner Geschicklichkeit und Erfahrenheit hoffen darf, [[Anm. A 17>> so tritt das Alter ein; er wird stumpf, und muss es einer zweiten Generation (die wieder vom ABC anfängt, und die ganze Strecke, die schon zurückgelegt war, nochmals durchwandern muss) überlassen, noch eine Spanne irn Fortschritte der Kultur hinzuzutun. Der Gang der Menschengattung zur Erreichung ihrer ganzen Bestimmung *

gibt, an sich gut und als Naturanlagen zweckmässig sind, diese [[A 17>> Anlagen aber, da sie auf den blossen Naturzustand gestellet waren, durch die fortgehende Kultur Ab[[A 18>>bruch leiden, und dieser dagegen Abbruch tun, his vollkommene Kunst wieder Natur wird: als welches das letzte Ziel der sittlichen Bestimmung der Menschengattung ist. BESCHLUSS DER GESCHICHTE Der Anfang der folgenden Periode war: dass der Mensch aus dem Zeitabschnitte der Gemächlichkeit und des Friedens in den der A r b e i t u n d d e r Z w i e t r a c h t, als das Vorspiel der Vereinigung in Gesellschaft, überging. Hier müssen wir wiederum einen grossen Sprung tun, und ihn auf einmal in den Besitz gezähmter Tiere, und der Gewächse, die er selbst durch Säen oder Pflanzen zu seiner Nahrung vervielfältigen konnte, versetzen (IV, 2); obwohl es mit dem Übergange aus dem wilden Jägerleben in den ersten, und aus dem unsteten Wurzelgraben oder Fruchtsammlen in den zweiten Zustand langsam genug zugegangen sein mag. Hier musste nun der Zwist zwischen bis dahin friedlich neben einander lebenden Menschen schon anfangen, dessen Folge die Trennung derer von verschiedener Lebensart und ihre Zerstreuung auf der Erde war. Das H i r t e n l e b e n ist nicht allein gemächlich, sondern gibt auch, weil es in einem weit und breit unbewohnten Boden an Futter nicht mangeln kann, den sichersten Unterhalt. Dagegen ist der A c k e r b a u, oder die Pflanzung, sehr mühsam, vom Unbestande der Witterung ab[[A 19>>hängend, mithin unsicher, erfordert auch bleibende Behausung, Eigentum des Bodens, und hinreichende Gewalt, ihn zu verteidigen; der Hirte aber hasst dieses Eigentum, welches seine Freiheit der Weiden einschränkt. Was das erste betrifft, so konnte der Ackersmann den Hirten als vom Himmel mehr begünstigt zu beneiden scheinen (V. 4); in der Tat aber wurde ihm der letztere, so lange er in seiner Nachbarschaft blieb, sehr lästig; denn das weidende Vieh schont seine Pflanzungen nicht. Da es nun jenem, nach dem Schaden, den er angerichtet hat, ein Leichtes ist, sich mit seiner Herde weit weg zu machen und sich aller Schadloshaltung zu entziehen, weil er nichts hinterlässt, was er nicht eben so gut allenthalben wieder fände: so war es wohl der Ackersmann, der gegen solche Beeinträchtigungen, die der andere nicht für unerlaubt hielt, Gewalt brauchen, und (da die Veranlassung dazu niemals ganz aufhören konnte), wenn er nicht der Früchte seines langen Fleisses verlustig gehen wollte, sich endlich so weit, als es ihm möglich war, von denen die das Hirtenleben trieben, e n t f e r n e n musste (V. 16). Diese Scheidung macht die dritte Epoche. Ein Boden, von dessen Bearbeitung und Bepflanzung (vornehmlich mit Baumen) der Unterhalt abhängt, erfordert bleibende Behausungen; und die Verteidigung desselben gegen alle Verletzungen bedarf einer Menge einander Beistand [[A 20>> leistender Menschen. Mithin konnten die Menschen bei dieser Lebensart sich nicht mehr familienweise zerstreuen, sondern mussten zusammen halten, und Dorfschaften (uneigentlich S t ä d t e genannt) scheint daher unaufhörlich unterbrochen, und in kontinuierlicher Gefahr zu sein, in die alte Rohigkeit zurückzufallen; und der griechische Philosoph klagte nicht ganz ohne Grund: e s i s t s c h a d e, d a s s m a n a l s d a n n s t e r b e n m u s s, w e n n m a n e b e n a n g e f a n g e n h a t e i n z u s e h e n, w i e m a n e i g e n t l i c h h a t t e l e b e n s o l l e n. Ein drittes Beispiel mag die U n g l e i c h h e i t unter den Menschen, und zwar nicht die der Naturgaben oder Glücksgüter, sondern des allgemeinen M e n s c h e n r e c h t s derselben, sein: eine Ungleichheit, über die R o u s s e a u mit vieler Wahrheit klagt, die aber von der Kultur nicht abzusondern ist, so lange sie gleichsam planlos fortgeht (welches eine lange Zeit hindurch gleichfalls unvermeidlich ist), und zu welcher die Natur den Menschen gewiss nicht bestimmt hatte; da sie ihm Freiheit gab, und Vernunft, diese Freiheit durch nichts als ihre eigene allgemeine und zwar äussere Gesetzmässigkeit, welche das b ü r g e r l i c h e R e c h t heisst, einzuschränken. Der Mensch sollte sich aus der Rohigkeit seiner Naturanlagen selbst herausarbeiten, und, indem er sich über sie erhebt, dennoch Acht haben, dass er nicht wider sie verstosse: eine Geschicklichkeit, die er nur spät und nach vielen misslingenden Versuchen erwarten kann, binnen welcher Zwischenzeit die Menschheit unter den Übeln seufzt, die sie sich aus Unerfahrenheit selbst antut.

errichten, um ihr Eigentum gegen wilde Jäger, oder Horden herumschweifender Hirten, zu schützen. Die ersten Bedürfnisse des Lebens, deren Anschaffung eine v e r s c h i e d e n e L e b e n s a r t erfordert (V. 20), konnten nun gegen einander v e r t a u s c h t werden. Daraus musste K u l t u r entspringen, und der Anfang der K u n s t, des Zeitvertreibes so wohl als des Fleisses (V. 21, 22); was aber das Vornehmste ist, auch einige Anstalt zur bürgerlichen Verfassung und öffentlicher Gerechtigkeit, zuerst freilich nur in Ansehung der grössten Gewalttätigkeiten, deren Rächung nun nicht mehr, wie im wilden Zustande, einzelnen, sondern einer gesetzmässigen Macht, die das Ganze zusammenhielt, d. i. einer Art von Regierung überlassen war, über welche selbst keine Ausübung der Gewalt statt fand (V. 23, 24). – Von dieser ersten und rohen Anlage konnte sich nun nach und nach alle menschliche Kunst, unter welcher die der G e s e l l i g k e i t und b ü r g e r l i c h e n S i c h e r h e i t die erspriesslichste ist, allmählich entwickeln, das menschliche Geschlecht sich vermehren, und aus einem Mittelpunkte, wie Bienenstocke, durch Aussendung schon gebildeter Kolonisten überall verbreiten. Mit dieser Epoche fing auch die Ungleichheit unter Menschen, diese [[A 21>> reiche Quelle so vieles Bösen, aber auch alles Guten, an, und nahm fernerhin zu. So lange nun noch die nomadischen Hirtenvölker, welche allein Gott für ihren Herrn erkennen, die Städtebewohner und Ackerleute, welche einen Menschen (Obrigkeit) zum Herrn haben (VI, 4),* umschwärmten, und als abgesagte Feinde alles Landeigentums diese anfeindeten und von diesen wieder gehasset wurden, war zwar kontinuierlicher Krieg zwischen beiden, wenigstens unaufhörliche Kriegsgefahr, und beiderseitige Völker konnten daher im Inneren wenigstens des unschätzbaren Guts der Freiheit froh werden – (denn Kriegsgefahr ist auch noch jetzt das einzige, was den Despotismus mässigt; weil Reichtum dazu erfordert wird, dass ein Staat jetzt eine Macht sei, ohne F r e i h e i t aber keine Betriebsamkeit, die Reichtum hervorbringen könnte, statt findet. In einem armen Volke muss an dessen Stelle grosse Teilnehmung an der Erhaltung des gemeinen Wesens angetroffen werden; welche wiederum nicht anders, als wenn es sich darin f r e i fühlt, [[A 22>> möglich ist). – Mit der Zeit aber musste denn doch der anhebende Luxus der Stadtebewohner, vornehmlich aber die Kunst zu gefallen, wodurch die städtischen Weiber die schmutzigen Dirnen der Wüsten verdunkelten, eine mächtige Lockspeise für jene Hirten sein (V. 2), in Verbindung mit diesen zu treten, und sich in das glänzende Elend der Städte ziehen zu lassen. Da denn, durch Zusammenschmelzung zweier sonst einander feindseligen Völkerschaften, mit dem Ende aller Kriegsgefahr, zugleich das Ende aller Freiheit, also der Despotismus mächtiger Tyrannen einerseits, bei kaum noch angefangener Kultur aber seelenlose Üppigkeit in verworfenster Sklaverei, mit allen Lastern des rohen Zustandes vermischt, andrerseits, das menschliche Geschlecht von dem ihm durch die Natur vorgezeichneten Fortgange der Ausbildung seiner Anlagen zum Guten unwiderstehlich abbrachte; und es dadurch selbst seiner Existenz, als einer über die Erde zu herrschen, nicht viehisch zu geniessen und sklavisch zu dienen, bestimmten Gattung, unwürdig machte (V. 17). SCHLUSS-ANMERKUNG Der denkende Mensch fühlt einen Kummer, der wohl gar Sittenverderbnis werden kann, von welchem der Gedankenlose nichts weiss: nämlich Unzufriedenheit mit der Vorsehung, die den Weltlauf im ganzen regiert; wenn er die Übel überschlägt, die das menschliche Geschlecht so sehr, und (wie [[A 23>> es scheint) ohne Hoffnung eines Bessern, drücken. Es ist aber von der grössten Wichtigkeit: m i t d e r V o r s e h u n g z u f r i e d e n *

Die arabischen B e d u i n e n nennen sich noch Kinder eines ehemaligen S c h e c h s, des Stifters ihres Stammes (als B e n i H a l e d u. d. gl). Dieser ist keinesweges H e r r über sie, und kann nach seinem Kopfe keine Gewalt an ihnen ausüben. Denn in einem Hirtenvolke, da niemand liegendes Eigentum hat, welches er zurücklassen müsste, kann jede Familie, der es da missfällt, sich sehr leicht vom Stamme absondern, um einen andern zu verstärken.

z u s e i n (ob sie uns gleich auf unserer Erdenwelt eine so mühsame Bahn vorgezeichnet hat): teils, um unter den Mühseligkeiten immer noch Mut zu fassen, teils, um, indem wir die Schuld davon aufs Schicksal schieben, nicht unsere eigene, die vielleicht die einzige Ursache aller dieser Übel sein mag, darüber aus dem Auge zu setzen, und in der Selbstbesserung die Hülfe dagegen zu versäumen. Man muss gestehen: dass die grössten Übel, welche gesittete Völker drücken, uns vom K r i e g e, und zwar nicht so sehr von dem, der wirklich oder gewesen ist, als von der nie nachlassenden und so gar unaufhörlich vermehrten Z u r ü s t u n g zum künftigen, zugezogen werden. Hiezu werden alle Kräfte des Staats, alle Früchte seiner Kultur, die zu einer noch grösseren Kultur gebraucht werden könnten, verwandt; der Freiheit wird an so viel Orten mächtiger Abbruch getan, und die mütterliche Vorsorge des Staats für einzelne Glieder in eine unerbittliche Härte der Foderungen verwandelt, indes diese doch auch durch die Besorgnis äusserer Gefahr gerechtfertigt wird. Allein, würde wohl diese Kultur, würde die enge Verbindung der Stände des gemeinen Wesens zur wechselseitigen Beförderung ihres Wohlstandes, würde die Bevölkerung, ja so gar der Grad der Freiheit, der, [[A 24>> obgleich unter sehr einschränkenden Gesetzen, noch übrig ist, wohl angetroffen werden, wenn jener immer gefürchtete Krieg selbst den Oherhäuptern der Staaten diese A c h t u n g f ü r d i e M e n s c h h e i t nicht abnötigte ? Nan sehe nur S i n a an, welches seiner Lage nach wohl etwa einmal einen unvorhergesehenen Überfall, aber keinen machtigen Feind zu fürchten hat, und in welchem daher alle Spur von Freiheit vertilgt ist. – Auf der Stufe der Kultur also, worauf das menschliche Geschlecht noch steht, ist der Krieg ein unentbehrliches Mittel, diese noch weiter zu bringen; und nur nach einer (Gott weiss wann) vollendeten Kultur würde ein immerwährender Friede für uns heilsam und auch durch jene allein möglich sein. Also sind wir, was diesen Punkt betrifft, an den Übeln doch wohl selbst schuld, über die wir so bittere Klagen erheben; und die heilige Urkunde hat ganz recht, die Zusammenschmelzung der Völker in eine Gesellschaft, und ihre völlige Befreiung von äusserer Gefahr, da ihre Kultur kaum angefangen hatte, als eine Hemmung aller ferneren Kultur und eine Versenkung in unheilbares Verderbnis vorzustellen. Die z w e i t e U n z u f r i e d e n h e i t der Menschen trifft die Ordnung der Natur in Ansehung der K ü r z e d e s L e b e n s. Man muss sich zwar nur schlecht auf die Schätzung des Werts desselben verstehen, wenn man noch wünschen kann, dass es länger währen solle, als es wirklich dauret; denn das ware doch [[A 25>> nur eine Verlängerung eines mit lauter Mühseligkeiten beständig ringenden Spiels. Aber man mag es einer kindischen Urteilskraft allenfalls nicht verdenken, dass sie den Tod fürchtet, ohne das Leben zu lieben, und, indem es ihr schwer wird, ihr Dasein jeden einzelnen Tag mit leidlicher Zufriedenheit durchzubringen, dennoch der Tage niemals genug hat, diese Plage zu wiederholen. Wenn man aber nur bedenkt, wie viel Sorge um die Mittel zur Hinbringung eines so kurzen Lebens uns quälet, wie viel Ungerechtigkeit auf Hoffnung eines künftigen obzwar so wenig daurenden Genusses ausgeübt wird: so muss man vernünftiger Weise glauben: dass, wenn die Menschen in eine Lebensdauer von 800 und mehr Jahren hinaussehen könnten, der Vater vor seinem Sohne, ein Bruder vor dem anderen, oder ein Freund neben dem anderen kaum seines Lebens mehr sicher sein würde, und dass die Laster eines so lange lebenden Menschengeschlechts zu einer Höhe steigen müssten, wodurch sie keines bessern Schicksals würdig sein würden, als in einer allgemeinen Überschwemmung von der Erde vertilgt zu werden (V. 12 13). Der d r i t t e Wunsch, oder vielmehr die leere Sehnsucht (denn man ist sich bewusst, dass das Gewünschte uns niemals zu Teil werden kann) ist das Schattenbild des von Dichtern so gepriesenen g o l d e n e n Z e i t a l t e r s: wo eine Entledigung von allem eingebildeten Bedürfnisse, das uns die Üp[[A 26>>pigkeit aufladet, sein soll, eine Genügsamkeit mit dem blossen Bedarf der Natur, eine durchgängige Gleichheit der Menschen, ein immerwährender Friede unter ihnen, mit einem Worte der reine Genuss eines sorgenfreien in Faulheit verträumten oder mit kindischem Spiel vertandelten Lebens; – eine Sehnsucht, die die Robinsone und die Reisen nach den Südseeinseln so reizend macht, überhaupt aber den

Überdruss beweiset, den der denkende Mensch am zivilisierten Leben fühlt, wenn er dessen Wert lediglich im G e n u s s e sucht, und das Gegengewicht der Faulheit dabei in Anschlag bringt, wenn etwa die Vernunft ihn erinnert, dem Leben durch H a n d l u n g e n einen Wert zu geben. Die Nichtigkeit dieses Wunsches zur Rückkehr in jene Zeit der Einfalt und Unschuld wird hinreichend gezeigt, wenn man durch die obige Vorstellung des ursprünglichen Zustandes belehrt wird: der Mensch könne sich darin nicht erhalten, darum weil er ihm nicht genugt; noch weniger sei er geneigt, jemals wieder in denselben zurückzukehren; so dass er also den gegenwärtigen Zustand der Mühseligkeiten doch immer sich selbst und seiner eigenen Wahl beizumessen habe. Es ist also dem Menschen eine solche Darstellung seiner Geschichte erspriesslich und dienlich zur Lehre und zur Besserung, die ihm zeigt: dass er der Vorsehung, wegen der Übel, die ihn drücken, keine Schuld geben müsse; dass er seine eigene Ver[[A 27>>gehung auch nicht einem ursprünglichen Verbrechen seiner Stammeltern zuzuschreiben berechtigt sei, wodurch etwa ein Hang zu ähnlichen Übertretungen in der Nachkommenschaft erblich geworden wäre (denn willkürliche Handlungen können nichts Anerbendes bei sich führen); sondern dass er das von jenen Geschehene mit vollem Rechte als von ihm selbst getan anerkennen, und sich also von allen Übeln, die aus dem Missbrauche seiner Vernunft entspringen, die Schuld gänzlich selbst beizumessen habe, indem er sich sehr wohl bewusst werden kann, er würde sich in denselben Umständen gerade eben so verhalten, und den ersten Gebrauch der Vernunft damit gemacht haben, sie (selbst wider den Wink der Natur) zu missbrauchen. Die eigentlichen physischen Übel, wenn jener Punkt wegen der moralischen berichtigt ist, können alsdann, in der Gegenrechnung von Verdienst und Schuld, schwerlich einen Überschuss zu unserem Vorteil austragen.

Und so ist der Ausschlag einer durch Philosophie versuchten ältesten Menschengeschichte: Zufriedenheit mit der Vorsehung und dem Gange menschlicher Dinge im ganzen, der nicht vom Guten anhebend zum Bösen fortgeht, sondern sich vom Schlechtern zum Besseren allmählich entwickelt; zu welchem Fortschritte denn ein jeder an seinem Teile, so viel in seinen Kraften steht, beizutragen durch die Natur selbst berufen ist. I. K a n t. [[A 194>> ÜBER DAS MISSLINGEN ALLER PHILOSOPHISCHEN VERSUCHE IN DER THEODIZEE Unter einer Theodizee versteht man die Verteidigung der höchsten Weisheit des Welturhebers geben die Anklage, welche die Vernunft aus dem [[A 195>> Zweckwidrigen in der Welt gegen jene erhebt. – Man nennt dieses, die Sache Gottes verfechten; ob es gleich im Grunde nichts mehr als die Sache unserer anmassenden, hiebei aher ihre Schranken verkennenden, Vernunft sein möchte, welche zwar nicht eben die beste Sache ist, insofern aber doch gebilligt werden kann, als (jenen Eigendunkel bei Seite gesetzt) der Mensch als ein vernünftiges Wesen berechtigt ist, alle Behauptungen, alle Lehre welche ihm Achtung auferlegt, zu prüfen, ehe er sich ihr unterwirft, damit diese Achtung aufrichtig und nicht erheuchelt sei.

Zu dieser Rechtfertigung wird nun erfordert, dass der vermeintliche Sachwalter Gottes e n t w e d e r beweise: dass das, was wir in der Welt als zweckwidrig beurteilen, es nicht sei; o d e r: dass, wenn es auch dergleichen wäre, es doch gar nicht als Faktum, sondern als unvermeidliche Folge aus der Natur der Dinge beurteilt werden müsse; oder endlich: dass es wenigstens nicht als Faktum des höchsten Urhebers aller Dinge, sondern bloss der Weltwesen, denen etwas zugerechnet werden kann, d. i. der Menschen (allenfalls auch höherer, guter oder böser, geistiger Wesen) angesehen werden müsse. Der Verfasser einer Theodizee willigt also ein: dass dieser Rechtshandel vor dem Gerichtshofe der Vernunft anhängig gemacht werde; und macht sich anheischig, den angeklagten Teil, als Sach[[A 196>>walter, durch förmliche Widerlegung aller Beschwerden des Gegners zu vertreten: darf letztern also während des Rechtsganges nicht durch einen Machtspruch der Unstatthaftigkeit des Gerichtshofes der menschlichen Vernunft (exceptionem fori) abweisen, d. i. die Beschwerden nicht durch ein dem Gegner auferlegtes Zugeständnis der höchsten Weisheit des Welturhebers, welches sofort alle Zweifel, die sich dagegen regen möchten, auch ohne Untesuchung für grundlos erklärt, abfertigen; sondern

muss sich auf die Einwürfe einlassen, und, wie sie dem Begriff der höchsten Weisheit * keinesweges Abbruch tun, durch Beleuchtung und Til[[A 197>>gung derselben begreiflich machen. – Doch auf Eines hat er nicht nötig sich einzulassen: nämlich, dass er die höchste Weisheit Gottes aus dem, was die Erfahrung an dieser Welt lehrt, auch sogar beweise; denn hiermit würde es ihm auch schlechterdings nicht gelingen, weil Allwissenheit dazu erforderlich ist, um an einer gegebnen Welt (wie sie sich in der Erfahrung zu erkennen gibt) diejenige Vollkommenheit zu erkennen, von der man mit Gewissheit sagen könne, es sei überall keine grössere in der Schöpfung und Regierung derselben möglich. Das Zweckwidrige in der Welt aber, was der Weisheit ihres Urhebers entgegengesetzt werden könnte, ist nun dreifacher Art: [[A 198>> I. Das schlechthin Zweckwidrige, was weder als Zweck, noch als Mittel, von einer Weisheit gebilligt und begehrt werden kann; II. Das bedingt Zweckwidrige, welches zwar nie als Zweck, aber doch als Mittel, mit der Weisheit eines Willens zusammen besteht. Das e r s t e ist das moralische Zweckwidrige, als das eigentliche Böse (die Sünde); das z w e i t e das physische Zweckwidrige, das Übel (der Schmerz). – Nun gibt es aber noch eine Zweckmässigkeit in dem Verhältnis der Übel zu dem moralischen Bösen, wenn das letztere einmal da ist und nicht verhindert werden konnte oder sollte: nämlich in der Verbindung der Übel und Schmerzen, als Strafen, mit dem Bösen, als Verbrechen; und von dieser Zweckmässigkeit in der Welt fragt es sich, ob jedem in der Welt hierin sein Recht widerfahrt. Folglich muss auch noch eine IIIte Art des Zweckwidrigen in der Welt gedacht werden können, nämlich das Missverhältnis der Verbrechen und Strafen in der Welt. Die Eigenschaften der höchsten Weisheit des Welturhebers, wogegen jene Zweckwidrigkeiten als Einwürfe auftreten, sind also auch drei: Erstlich die H e i l i g k e i t desselben, als G e s e t z g e b e r s (Schöpfers), im Gegensatze mit dem moralisch Bösen in der Welt. Zweitens die G ü t i g k e i t desselben, als R e g i e r e r s (Erhalters), im Kontraste mit den zahl[[A 199>>losen Übeln und Schmerzen der vernünftigen Weltwesen. Drittens die G e r e c h t i g k e i t desselben, als R i c h t e r s, in Vergleichung mit dem Übelstande, den das Missverhältnis zwischen der Straflosigkeit der Lasterhaften und ihren Verbrechen in der Welt sich zu1 zeigen scheint.* *

Obgleich der eigentümliche Begriff einer W e i s h e i t nur die Eigenschaft eines Willens vorstellt, zum höchsten Gut, als dem E n d z w e c k aller Dinge, zusammen zu stimmen; hingegen K u n s t nur das Vermögen im Gebrauch der tauglichsten Mittel zu b e l i e b i g e n Z w e c k e n: so wird doch Kunst, wenn sie sich als eine solche beweiset, welche Ideen adäquat ist, deren Möglichkeit alle Einsicht der menschlichen Vernunft übersteigt (z. B. wenn Mittel und Zwecke, wie in organischen Körpern, einander wechselseitig hervorbringen), als eine g ö t t l i c h e K u n s t, nicht unrecht auch mit dem Namen der Weisheit belegt werden können; doch, um die Begriffe nicht zu verwechseln, mit dem Namen einer K u n s t w e i s h e i t des Welturhebers, zum Unterschiede von der m o r a l i s c h e n W e i s h e i t desselben. Die Teleologie (auch durch sie die Physikotheologie) gibt reichliche Beweise der erstern in der Erfahrung. Aber von ihr gilt kein [[Anm. A 197>> Schluss auf die moralische Weisheit des Welturhebers, weil Naturgesetz und Sittengesetz ganz ungleichartige Prinzipien erfordern, und der Beweis der letztern Weisheit gänzlich a priori geführt, also schlechterdings nicht auf Erfahrung von dem, was in der Welt vorgeht, gegründet werden muss. Da nun der Begriff von Gott, der fur die Religion tauglich sein soll (denn zum Behuf der Naturerklärung, mithin in spekulativer Absicht, brauchen wir ihn nicht) ein Begriff von ihm als einem moralischen Wesen sein muss; da dieser Begriff; so wenig als er auf Erfahrung gegründet, eben so wenig aus bloss transzendentalen Begriffen eines schlechthin notwendigen Wesens, der gar für uns überschwenglich ist, herausgebracht werden kann: so leuchtet genugsam ein, dass der Beweis des Daseins eines solchen Wesens kein andrer als ein moralischer sein könne. 1

Akad.-Ausg.: „Welt zu”. Diese drei Eigenschaften zusammen, deren eine sich keineswegs auf die andre, wie etwa die Gerechtigkeit auf Güte, und so das Ganze auf eine kleinere Zahl, zurückführen lässt, machen den moralischen Begriff von Gott aus. Es lässt sich auch die Ordnung derselben nicht verändern (wie etwa die Gütigkeit zur obersten Bedingung der Weltschöpfung rnachen, der die Heiligkeit der Gesetzgebung untergeordnet sei), ohne der Religion Abbruch *

[[A 200>> Es wird also gegen jene drei Klagen die Verantwortung auf die oben erwähnte dreifach verschiedene Art vorgestellt, und ihrer Gültigkeit nach geprüft, werden müssen. I. Wider die Beschwerde gegen die Heiligkeit des göttlichen Willens aus dem Moralischbösen, [[A 201>> welches die Welt, sein Werk, verunstaltet, besteht die erste Rechtfertigung darin: a) Dass es ein solches schlechterdings Zweckwidrige, als wofür wir die Übertretung der reinen Gesetze unserer Vernunft nehmen, gar nicht gebe, sondern dass es nur Verstosse wider die menschliche Weisheit seien; dass die göttliche sie nach ganz andern uns unbegreiflichen Regeln beurteile, wo, was wir zwar beziehungsweise auf unsre praktische Vernunft und deren Bestimmung mit Recht verwerflich finden, doch in Verhältnis auf göttliche Zwecke und die höchste Weisheit vielleicht gerade das schicklichste Mittel, sowohl für unser besonderes Wohl, als das Weltbeste überhaupt sein mag; dass die Wege des Höchsten nicht unsre Wege sein (sunt Superis sua iura), und wir darin irren, wenn, was nur relativ für Menschen in diesem Leben Gesetz ist, wir fur schlechthin als ein solches beurteilen, und so das, was unsrer Betrachtung der Dinge aus so niedrigem Standpunkte als zweckwidrig erscheint, dafür auch, aus dem höchsten Standpunkte betrachtet, halten. – Diese Apologie, in welcher die Verantwortung ärger ist als die Beschwerde, bedarf keiner Widerlegung; und kann sicher der Verabscheuung jedes Menschen, der das mindeste Gefühl für Sittlichkeit hat, frei überlassen werden. b) Die zweite vorgebliche Rechtfertgung würde zwar die Wirklichkeit des Moralischbösen in der [[A 202>> Welt einräumen, den Welturheber aber damit entschuldigen, dass es nicht zu verhindern möglich gewesen; weil es sich auf den Schranken der Natur der Menschen, als endlicher Wesen, gründe. – Aber dadurch würde jenes Böse selbst gerechtfertigt werden; und man müsste, da es nicht als die Schuld der Menschen ihnen zugerechnet werden kann, aufhören, es ein moralisches Böse zu nennen. c) Die dritte Beantwortung: dass, gesetzt auch, es ruhe wirklich mit dem, was wir moralisch böse nennen, eine Schuld auf dem Menschen, doch Gott keine beigemessen werden müsse, weil er jenes als Tat der Menschen aus weisen Ursachen bloss zugelassen, keineswegs aber für sich gebilligt und gewollt oder veranstaltet hat; – läuft (wenn man auch an dem Begriffe des blossen Z u l a s s e n s eines Wesens, welches ganz und alleiniger Urheber der Welt ist, keinen Anstoss nehmen will) doch mit der vorigen Apologie (b) auf einerlei Folge hinaus: nämlich dass, da es selbst Gott unmöglich war, dieses Böse zu verhindern, ohne zu tun, welcher eben dieser moralische Begriff zum Grunde liegt. Unsre eigene reine (und zwar praktische) Vernunft bestimmt diese Rangordnung, indem, wenn sogar die Gesetzgebung sich nach der Güte bequemt, es keine Würde derselben und keinen festen Begriff von Pflichten mehr gibt. Der Mensch wünscht zwar zuerst glücklich zu sein; sieht aber doch ein, und bescheidet sich (obzwar ungern), dass die Würdigkeit glücklich zu sein, d. i. die Übereinstimmung des Gebrauchs seiner Freiheit mit dern heiligen Gesetze, in dem Ratschluss des Urhebers die Bedingung seiner Gütigkeit sein und also notwendig vorhergehen müsse. Denn der Wunsch, welcher den subjektiven Zweck (der Selbstliebe) znm Grunde hat, kann nicht den objektiven Zweck (der Weisheit), den das Gesetz vorschreibt, bestimmen, welches dem Willen unbedingt die Regel gibt. – Auch ist die Strafe [[Anm. A 200>> in der Ausübung der Gerechtigkeit keineswegs als blosses Mittel, sondern als Zweck in der gesetzgebenden Weisheit gegründet: die Übertretung wird mit Übeln verbunden, nicht damit ein anderes Gute herauskomme, sondern weil diese Verbindung an sich selbst, d. i. rnoralisch und notwendig gut ist. Die Gerechtigkeit setzt zwar Güte des Gesetzgebers voraus (denn wenn sein Willen nicht auf das Wohl seiner Untertanen ginge, so würde dieser sie auch nicht verpflichten können, ihm zu gehorchen); aber sie ist nicht Güte, sondern als Gerechtigkeit von dieser wesentlich unterschieden, obgleich im allgemeinen Begriffe der Weisheit enthalten. Daher geht auch die Klage über den Mangel einer Gerechtigkeit, die sich im Lose, welches den Menschen hier in der Welt zu Teil wird, zeige, nicht darauf, dass es den Guten hier nicht wohl, sondern dass es den Bösen nicht übel geht (ob zwar, wenn das erstere zu dem letztern hinzu kommt, der Kontrast diesen Anstoss noch vergrössert). Denn in einer göttlichen Regierung kann auch der beste Mensch seinen Wunsch zum Wohlergehen nicht auf die göttliche Gerechtigkeit, sondern muss ihn jederzeit auf seine Güte gründen: weil der, welcher bloss seine Schuldigkeit tut, keinen Rechtsanspruch auf das Wohltun Gottes haben kann.

anderweitigen höhern und selbst moralischen Zwecken Abbruch zu tun, der Grund dieses Übels (denn so müsste man es eigentlich nun nennen) unvermeidlich in dem Wesen der Dinge, nämlich den notwendigen Schranken der Menschheit als endlicher Natur, zu suchen sein müsse, mithin ihr auch nicht zugerechnet werden könne. [[A 203>> II. Auf die Beschwerde, die wider die göttliche Gütigkeit aus den Übeln, nämlich Schmerzen, in dieser Welt erhoben wird, besteht nun die Rechtfertigung derselben gleichfalls a) darin: Dass in den Schicksalen der Menschen ein Übergewicht des Übels über den angenehmen Genuss des Lebens fälschlich angenommen werde, weil doch ein jeder, so schlimm es ihm auch ergeht, lieber leben als tot sein will, und diejenigen wenigen, die das letztere beschliessen, so lange sie es selbst aufschoben, selbst dadurch noch immer jenes Übergewicht eingestehen, und wenn sie zum letztern töricht genug sind, auch alsdann bloss in den Zustand der Nichtempfindung übergehen, in welchem ebenfalls kein Schmerz gefühlt werden könne. – Allein, man kann die Beantwortung dieser Sophisterei sicher dem Ausspruche eines jeden Menschen von gesundem Verstande, der lange genug gelebt und über den Wert des Lebens nachgedacht hat, um hierüber ein Urteil fallen zu können, überlassen, wenn man ihn fragt: ob er wohl, ich will nicht sagen auf dieselbe, sondern auf jede andre ihm beliebige Bedingungen (nur nicht etwa einer Feen- sondern dieser unserer Erdenwelt), das Spiel des Lebens noch einmal durchzuspielen Lust hatte. b) Auf die zweite Rechtfertigung: dass nämlich das Übergewicht der schmerzhaften Gefühle über die angenehmen von der Natur eines tierischen [[A 204>> Geschöpfes, wie der Mensch ist, nicht könne getrennt werden (wie etwa G r a f V e r i, in dem Buche über die Natur des Vergnügens, behauptet) – würde man erwidern: dass, wenn dem also ist, sich eine andre Frage einfinde, woher nämlich der Urheber unsers Daseins uns überhaupt ins Leben gerufen, wenn es nach unserm richtigen Überschlage für uns nicht wünschenswert ist. Der Unmut würde hier, wie jene indianische Frau dem Dschingiskhan, der ihr wegen erlittener Gewalttätigkeit keine Genugtuung, noch wegen der künftigen Sicherheit verschaffen konnte, antworten: „Wenn du uns nicht schützen willst, warum eroberst du uns denn?“ c) Die dritte Auflösung des Knotens soll diese sein: dass uns Gott um einer künftigen Glückseligkeit willen, also doch aus Güte, in die Welt gesetzet habe, dass aber vor jener zu hoffenden überschwenglich grossen Seligkeit durchaus ein mühe- und trübsalvoller Zustand des gegenwärtigen Lebens vorhergehen müsse, wo wir eben durch den Kampf mit Widerwärtigkeiten jener künftigen Herrlichkeit würdig werden sollten. – Allein, dass diese Prüfungszeit (der die meisten unterliegen, und in welcher auch der Beste seines Lebens nicht froh wird) vor der höchsten Weisheit durchaus die Bedingung der dereinst von uns zu geniessenden Freuden sein müsse, und dass es nicht tunlich gewesen, das Geschöpf mit jeder Epoche [[A 205>> seines Lebens zufrieden werden zu lassen: kann zwar vorgegeben, aber schlechterdings nicht eingesehen werden, und man kann also freilich diesen Knoten durch Berufung auf die höchste Weisheit, die es so gewollt hat, abhauen, aber nicht auflösen: welches doch die Theodizee verrichten zu können sich anheischig macht. III. Auf die letzte Anklage, nämlich wider die Gerechtigkeit des Weltrichters * wird geantwortet: a) Dass das Vorgeben von der Straflosigkeit der Lasterhaften in der Welt keinen Grund habe; weil jedes Verbrechen, seiner Natur gemäss, schon hier die ihm angemessene Strafe bei sich führe, indem die innern Vorwürfe des Gewissens den Lasterhaften ärger noch *

Es ist merkwürdig, dass unter allen Schwierigkeiten, den Lauf der Weltbegebenheiten mit der Göttlichkeit ihres Urhebers zu vereinigen, keine sich dem Gemüt so heftig aufdringt, als die von dem Anschein einer darin mangelnden G e r e c h t i g k e i t. Trägt es sich zu (ob es zwar selten geschieht), dass ein ungerechter, vornehmlich Gewalt habender, Bösewicht nicht ungestraft aus der Welt entwischt: so frohlockt der mit dem Himmel gleichsam versöhnte, sonst parteilose Zuschauer. Keine Zweckmässigkeit der Natur wird ihn durch Bewunderung derselben so in Affekt setzen, und die Hand Gottes gleichsam daran vernehmen lassen. Warum? Sie ist hier moralisch, und einzig von der Art, die man in der Welt einigermassen wahrzunehmen hoffen kann.

als Furien plagen. – [[A 206>>Allein in diesem Urteile liegt offenbar ein Missverstand. Denn der tugendhafte Mann leihet hierbei dem Lasterhaften seinen Gemütscharakter, nämlich die Gewissenhaftigkeit in ihrer ganzen Strenge, welche, je tugendhafter der Mensch ist, ihn desto harter wegen der geringsten Übereilung, welche das sittliche Gesetz in ihm missbilligt, bestraft. Allein, wo diese Denkungsart und mit ihr die Gewissenhaftigkeit gar fehlt, da fehlt auch der Peiniger für begangene Verbrechen; und der Lasterhafte, wenn er nur der äussern 1 Züchtigungen wegen seiner Freveltaten entschlüpfen kann, lacht über die Ängstlichkeit der Redlichen, sich mit selbsteigenen Verweisen innerlich zu plagen; die kleinen Vorwürfe aber, die er sich bisweilen machen mag, macht er sich entweder gar nicht durchs Gewissen, oder, hat er davon noch etwas in sich, so werden sie durch das Sinnenvergnügen, als woran er allein Geschmack findet, reichlich aufgewogen und vergütet. – – Wenn jene Anklage ferner b) dadurch widerlegt werden soll: Dass zwar nicht zu leugnen sei, es finde sich schlechterdings kein der Gerechtigkeit gemässes Verhältnis zwischen Schuld und Strafen in der Welt, und man müsse im Laufe derselben oft ein mit schreiender Ungerechtigkeit geführtes und gleichwohl bis ans Ende glückliches Leben mit Unwillen wahrnehmen; dass dieses aber in der Natur liegende und nicht absichtlich veranstaltete, mithin nicht [[A 207>> moralische Misshelligkeit sei, weil es eine Eigenschaft der Tugend sei, mit Widerwärtigkeit zu ringen (wozu der Schmerz, den der Tugendhafte durch die Vergleichung seines eigenen Unglücks mit dem Glück des Lasterhaften leiden muss, mitgehört), und die Leiden den Wert der Tugend nur zu erheben dienen, mithin vor der Vernunft diese Dissonanz der unverschuldeten Übel des Lebens doch in den herrlichsten sittlichen Wohllaut aufgelöset werde: – so steht dieser Auflösung entgegen: dass, obgleich diese Übel, wenn sie als Wetzstein der Tugend vor ihr v o r h e r g e h e n oder sie begleiten, zwar mit ihr als in moralischer Übereinstimmung stehend vorgestellt werden können, wenn wenigstens das Ende des Lebens noch die letztere krönt und das Laster bestraft; dass aber, wenn selbst dieses Ende, wie doch die Erfahrung davon viele Beispiele gibt, widersinnig ausfällt, dann das Leiden dem Tugendhaften, nicht damit seine Tugend rein sei, sondern weil sie es gewesen ist (dagegen aber den Regeln der klugen Selbstliebe zuwider war), zugefallen zu sein scheine: welches gerade das Gegenteil der Gerechtigkeit ist, wie sich der Mensch einen Begriff von ihr machen kann. Denn was die Möglichkeit betrifft: dass das Ende dieses Erdenlebens doch vielleicht nicht das Ende alles Lebens sein möge: so kann diese Möglichkeit nicht für R e c h t f e r t i g u n g der Vorsehung gelten, sondern ist bloss [[A 208>> ein Machtspruch der moralisch-gläubigen Vernunft, wodurch der Zweifelnde zur Geduld verwiesen, aber nicht befriedigt wird. c) Wenn endlich die dritte Auflösung dieses unharmonischen Verhältnisses zwischen dem moralischen Wert der Menschen und dem Lose, das ihnen zu Teil wird, dadurch versucht werden will, dass man sagt: In dieser Welt müsse alles Wohl oder Übel bloss als Erfolg aus dem Gebrauche der Vermögen der Menschen nach Gesetzen der Natur, proportioniert ihrer angewandten Geschicklichkeit und Klugheit, zugleich auch den Umständen, darein sie zufälliger Weise geraten, nicht aber nach ihrer Zusammenstimmung zu übersinnlichen Zwecken, beurteilt werden; in einer künftigen Welt dagegen werde sich eine andere Ordnung der Dinge hervortun, und jedem zu Teil werden, wessen seine Taten hienieden nach moralischer Beurteilung wert sind: – so ist diese Voraussetzung auch willkürlich. Vielmehr muss die Vernunft, wenn sie nicht als moralisch gesetzgebendes Vermögen diesem ihren Interesse gemäss einen Machtspruch tut, nach blossen Regeln des theoretischen Erkenntnisses es wahrscheinlich finden: dass der Lauf der Welt nach der Ordnung der Natur, so wie hier, also auch fernerhin, unsre Schicksale bestimmen werde. Denn was hat die Vernunft für ihre theoretische Vermutung anders zum Leitfaden, als das Naturgesetz ? und, ob sie sich gleich, wie ihr vorher [[A 209>> (Nr. b) zugemutet worden, zur Geduld und Hoffnung eines künftig bessern verweisen liesse: wie kann sie erwarten, dass, da der Lauf der Dinge nach der 1

Akad.-Ausg.: „den äussern”.

Ordnung der Natur hier auch für sich selbst weise ist, er nach eben demselben Gesetze in einer künftigen Welt unweise sein würde ? Da also, nach derselben, zwischen den innern Bestimmungsgründen des Willens (nämlich der moralischen Denkungsart) nach Gesetzen der Freiheit, und zwischen den (grösstenteils äussern) von unserm Willen unabhängigen Ursachen unsers Wohlergehens nach Naturgesetzen, gar kein begreifliches Verhältnis ist: so bleibt die Vermutung, dass die Übereinstimmung des Schicksals der Menschen mit einer göttlichen Gerechtigkeit, nach den Begriffen, die wir uns von ihr machen, so wenig dort wie hier zu erwarten sei. *** Der Ausgang dieses Rechtshandels vor dem Gerichtshofe der Philosophie ist nun: dass alle bisherige Theodizee das nicht leiste was sie verspricht, nämlich die moralische Weisheit in der Weltregierung gegen die Zweifel, die dagegen aus dem, was die Erfahrung an dieser Welt zu erkennen gibt, gemacht werden, zu rechtfertigen; obgleich freilich diese Zweifel als Einwürfe, so weit unsre Einsicht in die Beschaffenheit unsrer Vernunft in Ansehung der letztern reicht, auch das Gegenteil nicht beweisen können. Ob aber nicht noch etwa mit der [[A 210>> Zeit tüchtigere Gründe der Rechtfertigung derselben erfunden werden könnten, die angeklagte Weisheit nicht (wie bisher) bloss ab instantia zu absolvieren: das bleibt dabei doch noch immer unentschieden; wenn wir es nicht dahin bringen, mit Gewissheit darzutun: dass unsre Vernunft zur Einsicht d e s V e r h ä l t n i s s e s, i n w e l c h e m e i n e W e l t, s o w i e w i r s i e d u r c h E r f a h r u n g i m m e r k e n n e n m ö g e n, z u d e r h ö c h s t e n W e i s h e i t s t e h e, schlechterdings unvermögend sei; denn alsdann sind alle fernere Versuche vermeintlicher menschlicher Weisheit, die Wege der göttlichen einzusehen, völlig abgewiesen. Dass also wenigstens eine negative Weisheit, nämlich die Einsicht der notwendigen Beschränkung unsrer Anmassungen in Ansehung dessen, was uns zu hoch ist, für uns erreichbar sei: das muss noch bewiesen werden, um diesen Prozess f ü r i m m e r zu endigen; und dieses lässt sich gar wohl tun. Wir haben nämlich von einer K u n s t w e i s h e i t in der Einrichtung dieser Welt einen Begriff, dem es für unser spekulatives Vernunftvermögen nicht an objektiver Realität mangelt, um zu einer Physikotheologie zu gelangen. Eben so haben wir auch einen Begriff von einer m o r a l i s c h e n W e i s h e i t, die in eine Welt überhaupt durch einen vollkommensten Urheber gelegt werden könnte, an der sittlichen Idee unserer eigenen praktischen Vernunft. – Aber von der E i n h e i t i n d e r Z u[[A 211>> s a m m e n s t i m m u n g jener Kunstweisheit mit der moralischen Weisheit in einer Sinnenwelt haben wir keinen Begriff; und können auch zu demselben nie zu gelangen hoffen. Denn, ein Geschöpf zu sein, und, als Naturwesen, bloss dem Willen seines Urhebers zu folgen; dennoch aber, als freihandelndes Wesen (welches seinen vom äussern Einfluss unabhängigen Willen hat, der dem erstern vielfältig zuwider sein kann), der Zurechnun fähig zu sein; und seine eigne Tat doch auch zugleich als die Wirkung eines höhern Wesens anzusehen: ist eine Vereinbarung von Begriffen, die wir zwar in der Idee einer Welt, als des höchsten Guts, zusammen denken müssen; die aber nur der einsehen kann, welcher bis zur Kenntnis der übersinnlichen (intelligiblen) Welt durchdringt, und die Art einsieht, wie sie der Sinnenwelt zum Grunde liegt: auf welche Einsicht allein der Beweis der moralischen Weisheit des Welturhebers in der letztern gegründet werden kann, da diese doch nur die Erscheinung jener erstern Welt darbietet, – eine Einsicht, zu der kein Sterblicher gelangen kann. *** Alle Theodizee soll eigentlich A u s l e g u n g der Natur sein, sofern Gott durch dieselbe die Absicht seines Willens kund macht. Nun ist jede Auslegung des deklarierten Willens eines Gesetz[[A 212>>gebers entweder d o k t r i n a l oder a u t h e n t i s c h. Die erste ist diejenige, welche jenen Willen aus den Ausdrücken, deren sich dieser bedient hat, in Verbindung mit den sonst bekannten Absichten des Gesetzgebers, herausvernünftelt; die zweite macht der Gesetzgeber selbst.

Die Welt, als ein Werk Gottes, kann von uns auch als eine göttliche Bekanntmachung der A b s i c h t e n seines Willens betrachtet werden. Allein hierin ist sie fur uns o f t ein verschlossenes Buch; jederzeit aber ist sie dies, wenn es darauf angesehen ist, sogar die E n d a b s i c h t Gottes (welche jederzeit moralisch ist) aus ihr, obgleich einem Gegenstande der Erfahrung, abzunehmen. Die philosophischen Versuche dieser Art Auslegung sind doktrinal, und machen die eigentliche Theodizee aus, die man daher die doktrinale nennen kann. – Doch kann man auch der blossen Abfertigung aller Einwürfe wider die göttliche Weisheit den Namen einer Theodizee nicht versagen, wenn sie ein g ö t t l i c h e r M a c h t s p r u c h, oder (welches in diesem Falle auf eins hinausläuft) wenn sie ein Ausspruch der selben Vernunft ist, wodurch wir uns den Begriff von Gott als einem moralischen und weisen Wesen notwendig und vor aller Erfahrung machen. Denn da wird Gott durch unsre Vernunft selbst der Ausleger seines durch die Schöpfung verkündigten Willens; und diese Auslegung [[A 213>> können wir eine a u t h e n t i s c h e Theodizee nennen. Das ist aber alsdann nicht Auslegung einer ve r n ü n f t e l n d e n (spekulativen), sondern einer m a c h t h a b e n d e n praktischen Vernunft, die, so wie sie ohne weitere Gründe im Gesetzgeben schlechthin gebietend ist, als die unmittelbare Erklärung und Stimme Gottes angesehen werden kann, durch die er dem Buchstaben seiner Schöpfung einen Sinn gibt. Eine solche authentische Interpretation finde ich nun in einem alten heiligen Buche allegorisch ausgedrückt. H i o b wird als ein Mann vorgestellt, zu dessen Lebensgenuss sich alles vereinigt hatte, was man, um ihn vollkommen zu machen, nur immer ausdenken mag. Gesund, wohlhabend, frei, ein Gebieter über andre, die er glücklich machen kann, im Schosse einer glücklichen Familie, unter geliebten Freunden; und über das alles (was das Vornehmste ist) mit sich selbst zufrieden in einem guten Gewissen. Alle diese Güter, das letzte ausgenommen, entriss ihm plötzlich ein schweres über ihn zur Prüfung verhängtes Schicksal. Von der Betäubung über diesen unerwarteten Umsturz allmählich zum Besinnen gelangt, bricht er nun in Klagen über seinen Unstern aus; worüber zwischen ihm und seinen vorgeblich sich zum Trösten einfindenden Freunden es bald zu einer Disputation kommt, worin beide Teile, ieder nach seiner Denkungs[[A 214>>art (vornehmlich aber nach seiner Lage), seine besondere Theodizee, zur moralischen Erklärung jenes schlimmen Schicksals, aufstellt. Die Freunde Hiobs bekennen sich zu dem System der Erklärung aller Übel in der Welt aus der göttlichen G e r e ch t i g k e i t, als so vieler Strafen für begangene Verbrechen; und, ob sie zwar keine zu nennen wussten, die dem unglücklichen Mann zu Schulden kommen sollten, so glaubten sie doch a priori urteilen zu können, er müsste deren auf sich ruhen haben, weil es sonst nach der göttlichen Gerechtigkeit nicht möglich wäre, dass er unglücklich sei. Hiob dagegen – der mit Entrüstung beteuert, dass ihm sein Gewissen seines ganzen Lebens halber keinen Vorwurf mache; was aber menschliche unvermeidliche Fehler betrifft, Gott selbst wissen werde, dass er ihn als ein gebrechliches Geschöpf gemacht habe, – erklärt sich für das System des u n b e d i n g t e n g ö t t l i c h e n R a t s c h l u s s e s. „Er ist einig“, sagt er, „Er macht’s wie er will“.* In dem, was beide Teile vernünfteln oder übervernünfteln, ist wenig Merkwürdiges; aber der Charakter, in welchem sie es tun, verdient desto mehr Aufmerksamkeit. Hiob spricht, wie er denkt, und wie ihm zu Mute ist, auch wohl jedem Menschen in seiner Lage [[A 215>> zu Mute sein würde; sein Freunde sprechen dagegen, wie wenn sie in Geheim von dem Mächtigern, über dessen Sache sie Recht sprechen, und bei dem sich durch ihr Urteil in Gunst zu setzen ihnen mehr am Herzen liegt als an der Wahrheit, behorcht würden. Diese ihre Tücke, Dinge zum Schein zu behaupten, von denen sie doch gestehen mussten, dass sie sie nicht einsahen, und eine Überzeugung zu heucheln, die sie in der Tat nicht hatten: sticht gegen Hiobs gerade Freimütigkeit, die sich so weit von falscher Schmeichelei entfernt, dass sie fast an Vermessenheit grenzt, sehr zum Vorteil des letztern ab. „Wollt ihr“, sagt er*, „Gott * *

Hiob XXIII, 13. Hiob XIII, 7 bis 11,16.

verteidigen mit Unrecht ? Wollt ihr seine Person ansehen ? Wollt ihr Gott vertreten ? Er wird euch strafen, wenn ihr Person1 anseht heimlich! – Es kommt kein Heuchler vor Ihm2.“ Das letztere bestätigt der Ausgang der Geschichte wirklich. Denn Gott würdigt Hiob, ihm die Weisheit seiner Schöpfung, vornehmlich von Seiten ihrer Unerforschlichkeit, vor Augen zu stellen. Er lässt ihn Blicke auf die schone Seite der Schöpfung tun, wo dem Menschen begreifliche Zwecke die Weisheit und gütige Vorsorge des Welturhebers in ein unzweideutiges [[A 216>> Licht stellen; dagegen aber auch auf die abschreckende, indem er ihm Produkte seiner Macht und darunter auch schädliche furchtbare Dinge hernennt, deren jedes für sich und seine Spezies zwar zweckmässig eingerichtet, in Ansehung anderer aber und selbst der Menschen zerstörend, zweckwidrig, und mit einem allgemeinen durch Güte und Weisheit angeordneten Plane nicht zusammenstimmend zu sein scheint; wobei er aber doch die den weisen Welturheber verkündigende Anordnung und Erhaltung des Ganzen beweiset, obzwar zugleich seine für uns unerforschliche Wege, selbst schon in der physischen Ordnung der Dinge, wie vielmehr denn in der Verknüpfung derselben mit der moralischen (die unsrer Vernunft noch undurchdringlicher ist ?) verborgen sein müssen. – Der Schluss ist dieser: dass, indem Hiob gesteht, nicht etwa f r e v e l h a f t, denn er ist sich seiner Redlichkeit bewusst, sondern nur unweislich über Dinge abgesprochen zu haben, die ihm zu hoch sind, und die er nicht versteht: Gott das Verdammungsurteil wider seine Freunde fället, weil sie nicht so gut (der Gewissenhaftigkeit nach) von Gott geredet hatten als sein Knecht Hiob. Betrachtet man nun die Theorie, die jeder3 von beiden Seiten behauptete: so möchte die seiner Freunde eher den Anschein mehrerer spekulativen Vernunft und frommer Demut bei sich führen; und Hiob würde wahrscheinlicher Weise vor einem [[A 217>> jeden Gerichte dogmatischer Theologen, vor einer Synode, einer Inquisition, einer ehrwürdigen Classis, oder einem jeden Oberkonsistorium unserer Zeit (ein einziges ausgenommen), ein schlimmes Schicksal erfahren haben. Also nur die Aufrichtigkeit des Herzens, nicht der Vorzug der Einsicht, die Redlichkeit, seine Zweifel unverhohlen zu gestehen, und der Abscheu, Überzeugung zu heucheln, wo man sie doch nicht fühlt, vornehmlich nicht vor Gott (wo diese List ohnedas ungereimt ist): diese Eigenschaften sind es, welche den Vorzug des redlichen Mannes, in der Person Hiobs, vor dem religiösen Schmeichler im göttlichen Richterausspruch entschieden haben. Der Glauben aber, der ihm durch eine so befremdliche Auflösung seiner Zweifel, nämlich bloss die Überführung von seiner Unwissenheit, entsprang, konnte auch nur in die Seele eines Mannes kommen, der mitten unter seinen lebhaftesten Zweifeln sagen konnte (XXVII, 5, 6): „Bis dass mein Ende kommt, will ich nicht weichen von meiner Frommigkeit, u.s.w.“ Denn mit dieser Gesinnung bewies er, dass er nicht seine Moralität auf den Glauben, sondern den Glauben auf die Moralität gründete: in welchem Falle dieser, so schwach er auch sein mag, doch allein lauter und echter Art, d. i. von derjenigen Art ist, welche eine Religion, nicht der Gunstbewerbung, sondern des guten Lebenswandels, gründet. [[A 218>> SCHLUSSANMERKUNG Die Theodizee hat es, wie hier gezeigt worden, nicht sowohl mit einer Aufgabe zum Vorteil der Wissenschaft, als vielmehr mit einer Glaubenssache zu tun. Aus der authentischen sahen wir: dass es in solchen Dingen nicht so viel aufs Vernünfteln ankomme, als auf Aufrichtigkeit in Bemerkung des Unvermögens unserer Vernunft, und auf die Redlichkeit, seine Gedanken nicht in der Aussage zu verfälschen, geschehe dies auch in noch so frommer Absicht als es immer wolle. – Dieses veranlasst noch folgende kurze Betrachtung über einen reichhaltigen Stoff, nämlich über die Aufrichtigkeit als das Haupterfordernis in Glaubenssachen, im Widerstreite mit dem Hange zur Falschheit und Unlauterkeit, als dem Hauptgebrechen in der menschlichen Natur. 1

Akad.-Ausg.: „Personen”. Akad.-Ausg.: „vor Ihn”. 3 Akad.-Ausg.: „die jede”. 2

Dass das, was jemand sich selbst oder einem andern sagt, w a h r sei: dafür kann er nicht jederzeit stehen (denn er kann irren); dafür aber kann und muss er stehen, dass sein Bekenntnis oder Geständnis w a h r h a f t sei: denn dessen ist er sich unmittelbar bewusst. Er vergleicht nämlich im erstern Falle seine Aussage mit dem Objekt im logischen Urteile (durch den Verstand); im zweiten Fall aber, da er sein Fürwahrhalten bekennt, mit dem Subjekt (vor dem Gewissen). Tut er das Bekenntnis in Ansehung des erstern, ohne sich des letztern bewusst zu sein: so lügt er, weil er etwas [[A 219>> anders vorgibt, als wessen er sich bewusst ist. – Die Bemerkung, dass es solche Unlauterkeit im menschlichen Herzen gebe, ist nicht neu (denn Hiob hat sie schon gemacht); aber fast sollte man glauben, dass die Aufmerksamkeit auf dieselbe fur Sitten- und Religionslehrer neu sei: so wenig findet man, dass sie, ungeachtet der Schwierigkeit, welche eine Läuterung der Gesinnungen der Menschen, selbst wenn sie pflichtmässig handeln w o l l e n, bei sich führt, von jener Bemerkung genügsamen Gebrauch gemacht hätten. – Man kann diese Wahrhaftigkeit die f o r m a l e G e w i s s e n h a f t i g k e i t nennen; die m a t e r i a l e besteht in der Behutsamkeit, nichts auf die Gefahr, dass es unrecht sei, zu wagen: da hingegen jene in dem Bewusstsein besteht, diese Behutsamkeit im gegebnen Falle angewandt zu haben. – Moralisten reden von einem irrenden Gewissen. Aber ein irrendes Gewissen ist ein Unding; und, gäbe es ein solches, so könnte man niemals sicher sein, recht gehandelt zu haben, weil selbst der Richter in der letzten Instanz noch irren könnte. Ich kann zwar in dem Urteile irren, in w e l c h e m i c h g l a u b e Recht zu haben: denn das gehört dem Verstande zu, der allein (wahr oder falsch) objektiv urteilt; aber in dem Bewusstsein: ob ich in der Tat glaube Recht zu haben (oder es bloss vorgebe), kann ich schlechterdings nicht irren, weil dieses Urteil oder vielmehr dieser Satz bloss sagt: dass ich den Gegenstand so beurteile. [[A 220>> In der Sorgfalt, sich dieses Glaubens (oder Nichtglaubens) bewusst zu werden, und kein Fürwahrhalten vorzugeben, dessen man sich nicht bewusst ist: besteht nun eben die formale Gewissenhaftigkeit, welche der Grund der Wahrhaftigkeit ist. Derjenige also, welcher sich selbst (und, welches in den Religionsbekenntnissen einerlei ist, vor Gott) sagt: e r g l a u b e, ohne vielleicht auch nur einen Blick in sich selbst getan zu haben, ob er sich in der Tat dieses Fürwahrhaltens oder auch eines solchen Grades desselben bewusst sei: * *

Das Erpressungsmittel der Wahrhaftigkeit in äussern Aussagen, d e r E i d (tortura spiritualis) wird vor einem menschlichen Gerichtshofe nicht bloss für erlaubt, sondern auch für unentbehrlich gehalten: ein trauriger Beweis von der geringen Achtung der Menschen für die Wahrheit, selbst im Tempel der öffentlichen Gerechtigkeit, wo die blosse Idee von ihr schon für sich die grösste Achtung einflössen sollte! Aber die Menschen lügen auch Überzeugung, die sie wenigstens nicht von der Art, oder in dem Grade haben, als sie vorgeben, selbst in ihrem innern Bekenntnisse; und, da diese Unredlichkeit (weil sie nach und nach in wirkliche Überredung ausschlägt) auch äussere schädliche Folgen haben kann, so kann jenes Erpressungsmittel der Wahrhaftigkeit, der Eid (aber freilich nur ein innerer, d. i. der Versuch, ob das Fürwahrhalten auch die Probe einer innern e i d l i c h e n Abhörung des Bekenntnisses aushalte), dazu gleichfalls sehr wohl gebraucht werden, die Vermessenheit dreister, zuletzt auch wohl äusserlich gewaltsamer Behauptungen, wo nicht abzuhalten, doch [[Anm. A 221>> wenigstens stutzig zu machen. – Von einem menschlichen Gerichtshofe wird dem Gewissen des Schwörenden nichts weiter zugemutet, als die Anheischigmachung: dass, wenn es einen künftigen Weltrichter (mithin Gott und ein künftiges Leben) gibt, er ihm für die Wahrheit seines äussern Bekenntnisses verantwortlich sein wolle; d a s s e s e i n e n s o l c h e n W e l t r i c h t e r g e b e, davon hat er nicht nötig ihm ein Bekenntnis abzufordern, weil, wenn die erstere Beteurung die Lüge nicht abhalten kann, das zweite falsche Bekenntnis eben so wenig Bedenken erregen würde. Nach dieser innern Eidesdelation würde man sich also selbst fragen: Getrauest du dir wohl, bei allem was dir teuer und heilig ist, dich fiir die Wahrheit jenes wichtigen oder eines andern dafür gehaltenen Glaubenssatzes zu verbürgen? Bei einer solchen Zumutung wird das Gewissen aufgeschreckt, durch die Gefahr, der man sich aussetzt, mehr vorzugeben, als man mit Gewissheit behaupten kann, wo das Dafürhalten einen Gegenstand betrifft, der auf dem Wege des Wissens (theoretischer Einsicht) gar nicht erreichbar ist, dessen Annehmung aber dadurch, dass sie allein den Zusammenhang der höchsten praktischen Vernunftprinzipien mit denen der theoretischen Naturerkenntnis in einem System möglich (und also die Vernunft mit sich [[Anm. A 222>> selbst zusammenstimmend) macht, über alles empfehlbar, aber immer doch frei ist. – Noch mehr aber müssen Glaubensbekenntnisse, deren Quelle historisch ist, dieser Feuerprobe der Wahrhaftigkeit unterworfen werden, wenn sie andern gar als Vorschriften auferlegt werden: weil hier die Unlauterkeit und geheuchelte Überzeugung auf mehrere verbreitet wird, und die Schuld davon dem, der sich für anderer Gewissen gleichsam verbürgt (denn die Menschen sind mit ihrem Gewissen gerne passiv), zur Last fällt.

der lügt [[A 221>> nicht bloss die ungereimteste Lüge (vor einem Herzenskündiger), sondern auch die frevelhafteste, weil sie den Grund jedes tugendhaften Vorsatzes, die Aufrichtigkeit, untergrabt. Wie bald solche blinde und äussere B e k e n n t n i s s e (welche sehr leicht mit einem eben so unwahren innern vereinbart werden), wenn sie E r w e r b m i t t e l abgeben, allmählich eine gewisse Falschheit in die Denkungsart selbst des ge[[A 222>>meinen Wesens bringen können, ist leicht abzusehen. – Während indes diese öffentliche Läuterung der Denkungsart wahrscheinlicher Weise auf entfernte Zeiten ausgesetzt bleibt, bis sie vielleicht einmal unter dem Schutze der Denkfreiheit ein allgemeines Erziehungs- und Lehrprinzip werden wird: mögen hier noch einige Zeilen auf die Betrachtung jener Unart, welche in der menschlichen Natur tief gewurzelt zu sein scheint, verwandt werden. Es liegt etwas Rührendes und Seelenerhebendes in der Aufstellung eines aufrichtigen, von aller Falschheit und positiven Verstellung entfernten, Charakters; da doch die Ehrlichkeit, eine blosse Einfalt und Geradheit der Denkungsart (vornehmlich wenn man ihr die Offenherzigkeit erlässt) das kleinste ist, was man zu einem guten Charakter nur immer fordern kann, und daher nicht abzusehen ist, worauf sich denn jene Bewunderung [[A 223>> gründe, die wir einem solchen Gegenstande widmen: es müsste denn sein, dass die Aufrichtigkeit die Eigenschaft wäre, von der die menschliche Natur gerade am weitesten entfernt ist. Eine traurige Bemerkung! Indem eben durch jene alle übrige Eigenschaften, sofern sie auf Grundsätzen beruhen, allein einen innern wahren Wert haben können. Ein kontemplativer Misanthrop (der keinem Menschen Böses wünscht, wohl aber geneigt ist, von ihnen alles Böse zu glauben) kann nur zweifelhaft sein, ob er die Menschen h a s s e n s- oder ob er sie eher v e r a c h t u n g s w ü r d i g finden solle. Die Eigenschaften, um derentwillen er sie für die erste Begegnung qualifiziert zu sein urteilen würde, sind die, durch welche sie vorsätzlich schaden. Diejenige Eigenschaft aber, welche sie ihm eher der letztern Abwürdigung auszusetzen scheint, könnte keine andere sein, als ein Hang, der a n s i c h b ö s e ist, ob er gleich niemanden schadet: ein Hang zu demjenigen, was zu keiner Absicht als Mittel gebraucht werden soll; was also objektiv zu nichts gut ist. Das erstere Böse wäre wohl kein anderes, als das der F e i n d s e l i g k e i t (gelinder gesagt, Lieblosigkeit); das zweite kann kein anderes sein als L ü g e n h a f t i g k e i t (Falschheit, selbst ohne alle Absicht zu schaden). Die e r s t e Neigung hat eine Absicht, deren Gebrauch doch in gewissen andern Beziehungen erlaubt und gut sein kann, z. B. die Feindseligkeit gegen unbesserliche Friedensstörer. Der z w e i t e [[A 224>> Hang aber ist der zum Gebrauch eines Mittels (der Lüge), das zu nichts gut ist, zu welcher Absicht es auch sei, weil es an sich selbst böse und verwerflich ist. In der Beschaffenheit des Menschen von der ersten Art ist B o s h e i t, womit sich doch noch Tüchtigkeit zu guten Zwecken in gewissen äussern Verhältnissen verbinden lässt, und sie sündigt nur in den Mitteln, die doch auch nicht in aller Absicht verwerflich sind. Das Böse von der letztern Art ist N i c h t s w ü r d i g k e i t, wodurch dem Menschen aller Charakter abgesprochen wird. – Ich halte mich hier hauptsächlich an der tief im Verborgnen liegenden Unlauterkeit, da der Mensch sogar die innern Aussagen vor seinem eignen Gewissen zu verfälschen weiss. Um destoweniger darf die äussere Betrugsneigung befremden; es müsste denn dieses sein, dass, obzwar ein jeder von der Falschheit der Münze belehrt ist, mit der er Verkehr treibt, sie sich dennoch immer so gut im Umlaufe erhalten kann. In Herrn d e L u c Briefen über die Gebirge, die Geschichte der Erde und Menschen, erinnere ich mich folgendes Resultat seiner zum Teil anthropologischen Reise gelesen zu haben. Der menschenfreundliche Verfasser war mit der Voraussetzung der ursprünglichen Gutartigkeit unserer Gattung ausgegangen, und suchte die Bestätigung derselben da, wo städtische Üppigkeit nicht solchen Einfluss haben kann, Gemüter zu verderben: in [[A 225>> Gebirgen, von den s c h w e i z e r i s c h e n an bis zum H a r z e; und, nachdem sein Glauben

an uneigennützig hülfleistende Neigung durch eine Erfahrung in den erstern etwas wankend geworden, so bringt er doch am Ende diese Schlussfolge heraus: D a s s d e r M e n s c h, w a s d a s W o h l w o l l e n b e t r i f f t, g u t g e n u g s e i (kein Wunder! denn dieses beruht auf eingepflanzter Neigung, wovon Gott der Urheber ist); wenn ihm n u r n i c h t e i n s c h l i m m e r H a n g z u r f e i n e n B e t r ü g e r e i b e i w o h n t e (welches auch nicht zu verwundern ist; denn diese abzuhalten beruht auf dem Charakter, welchen der Mensch selber in sich bilden muss)! – Ein Resultat der Untersuchung, welches ein jeder, auch ohne in Gebirge gereiset zu sein, unter seinen Mitbürgern, ja noch näher, in seinem eignen Busen, hätte antreffen können. Königsberg.

I. K a n t. [[A 201>> ÜBER DEN GEMEINSPRUCH: DAS MAG IN DER THEORIE RICHTIG SEIN, TAUGT ABER NICHT FÜR DIE PRAXIS

Man nennt einen Inbegriff selbst von praktischen Regeln alsdann T h e o r i e, wenn diese Regeln, als Prinzipien, in einer gewissen Allgemeinheit gedacht werden, und dabei von einer Menge Bedingungen abstrahiert wird, die doch auf ihre Ausübung notwendig Einfluss haben. Umgekehrt, heisst nicht jede Hantierung, sondern nur diejenige Bewirkung eines Zwecks P r a x i s, welche als Befolgung gewisser im allgemeinen vorgestellten Prinzipien des Verfahrens gedacht wird.

Dass zwischen der Theorie und Praxis noch ein Mittelglied der Verknüpfung und des Überganges von der einen zur anderen erfordert werde, die Theorie mag auch so vollständig sein wie sie wolle, fällt in die Augen; denn, zu dem Verstan[[A 202>>desbegriffe, welcher die Regel enthält, muss ein Actus der Urteilskraft hinzukommen, wodurch der Praktiker unterscheidet, ob etwas der Fall der Regel sei oder nicht; und, da für die Urteilskraft nicht immer wiederum Regeln gegeben werden können, wornach sie sich in der Subsumtion zu richten habe (weil das ins Unendliche gehen würde), so kann es Theoretiker geben, die in ihrem Leben nie praktisch werden können, weil es ihnen an Urteilskraft fehlt: z. B. Ärzte, oder Rechtsgelehrte, die ihre Schule gut gemacht haben, die aber, wenn sie ein Consilium zu geben haben, nicht wissen, wie sie sich benehmen sollen. – Wo aber diese Naturgabe auch angetroffen wird, da kann es doch noch einen Mangel an Prämissen geben; d. i. die Theorie kann unvollständig und die Ergänzung derselben vielleicht nur durch noch anzustellende Versuche und Erfahrungen geschehen, von denen der aus seiner Schule kommende Arzt, Landwirt, oder Kameralist sich neue Regeln abstrahieren, und seine Theorie vollständig machen kann und soll. Da lag es dann nicht an der Theorie, wenn sie zur Praxis noch wenig taugte, sondern daran, dass n i c h t g e n u g Theorie da war, welche der Mann von der Erfahrung hätte lernen sollen; und welche wahre [[A 203>> Theorie ist, wenn er sie gleich nicht von sich zu geben, und, als Lehrer, in allgemeinen Sätzen systematisch vorzutragen im Stande ist, folglich auf den Namen eines theoretischen Arztes, Landwirts und dergl. keinen Anspruch machen kann. – Es kann also niemand sich für praktisch bewandert in einer Wissenschaft ausgeben und doch die Theorie verachten, ohne sich bloss zu gehen, dass er in seinem Fache ein Ignorant sei: indem er glaubt, durch Herumtappen in Versuchen und Erfahrungen, ohne sich gewisse Prinzipien (die eigentlich das ausmachen, was man Theorie nennt) zu sammeln, und ohne sich ein Ganzes (welches, wenn dabei methodisch verfahren wird, System heisst) über sein Geschäft gedacht zu haben, weiter kommen zu können, als ihn die Theorie zu bringen vermag. Indes ist doch noch eher zu dulden, dass ein Unwissender die Theorie bei seiner vermeintlichen Praxis für unnötig und entbehrlich ausgebe, als dass ein Klügling sie und ihren Wert für die Schule (um etwa nur den Kopf zu üben) einräumt, dabei aber zugleich behauptet: dass es in der Praxis ganz anders laute; dass, wenn man aus der Schule sich in die Welt begibt, man inne werde, leeren Idealen und philosophischen Träu[[A 204>>men nach gegangen zu sein; mit Einem Wort, dass, was in der Theorie sich gut hören lässt, für die

Praxis von keiner Gültigkeit sei. (Man drückt dieses oft auch so aus: dieser oder jener Satz gilt zwar in thesi, aber nicht in hypothesi.) Nun würde man den empirischen Maschinisten, welcher über die allgemeine Mechanik, oder den Artilleristen, welcher über die mathematische Lehre vom Bombenwurf so absprechen wollte, dass die Theorie davon zwar fein ausgedacht, in der Praxis aber gar nicht gültig sei, weil bei der Ausübung die Erfahrung ganz andere Resultate gebe als die Theorie, nur belachen (denn, wenn zu der ersten noch die Theorie der Reibung, zur zweiten die des Widerstandes der Luft, mithin überhaupt nur noch mehr Theorie hinzu käme, so würden sie mit der Erfahrung gar wohl zusammen stimmen). Allein es hat doch eine ganz andere Bewandtnis mit einer Theorie, welche Gegenstände der Anschauung betrifft, als mit derjenigen, in welcher diese nur durch Begriffe vorgestellt werden (mit Objekten der Mathematik, und Objekten der Philosophie): welche letzteren vielleicht ganz wohl und ohne Tadel (von Seiten der Vernunft) gedacht, aber vielleicht gar nicht gegeben werden können, sondern wohl bloss leere Ideen sein [[A 205>> mögen, von denen in der Praxis entweder gar kein, oder sogar ein ihr nachteiliger Gebrauch gemacht werden würde. Mithin könnte jener Gemeinspruch doch wohl in solchen Fällen seine gute Richtigkeit haben. Allein in einer Theorie, welche auf dem P f l i c h t s b e g r i f f gegründet ist, fällt die Besorgnis wegen der leeren Idealität dieses Begriffs ganz weg. Denn es würde nicht Pflicht sein, auf eine gewisse Wirkung unsers Willens auszugehen, wenn diese nicht auch in der Erfahrung (sie mag nun als vollendet, oder der Vollendung sich immer annäherend gedacht werden) möglich wäre; und von dieser Art der Theorie ist in gegenwärtiger Abhandlung nur die Rede. Denn, von ihr wird, zum Skandal der Philosophie, nicht selten vorgeschützt, dass, was in ihr richtig sein mag, doch für die Praxis ungültig sei: und zwar in einem vornehmen wegwerfenden Ton, voll Anmassung, die Vernunft selbst in dem, worin sie ihre höchste Ehre setzt, durch Erfahrung reformieren zu wollen; und in einem Weisheitsdünkel, mit Maulwurfsaugen, die auf die letztere geheftet sind, weiter und sicherer sehen zu können, als mit Augen, welche einem Wesen zu Teil geworden, das [[A 206>> aufrecht zu stehen und den Himmel anzuschauen gemacht war. Diese, in unsern spruchreichen und tatleeren Zeiten, sehr gemein gewordene Maxime richtet nun, wenn sie etwas Moralisches (Tugend- oder Rechtspflicht) betrifft, den grössten Schaden an. Denn hier ist es um den Kanon der Vernunft (im Praktischen) zu tun, wo der Wert der Praxis gänzlich auf ihrer Angemessenheit zu der ihr untergelegten Theorie beruht, und alles verloren ist, wenn die empirischen und daher zufälligen Bedingungen der Ausführung des Gesetzes zu Bedingungen des Gesetzes selbst gemacht, und so eine Praxis, welche auf einen nach bisheriger Erfahrung wahrscheinlichen Ausgang berechnet ist, die für sich selbst bestehende Theorie zu meistern berechtigt wird. Die Einteilung dieser Abhandlung mache ich nach den drei verschiedenen Standpunkten, aus welchen der über Theorien und Systeme so keck absprechende Ehrenmann seinen Gegenstand zu beurteilen pflegt; mithin in dreifacher Qualität: 1) als Privat- aber doch G e s c h ä f t s m a n n, 2) als S t a a t s m a n n, 3) als W e l t m a n n (oder Weltbürger überhaupt). Diese drei Personen sind nun darin einig, dem S c h u l m a n n zu Leibe [[A 207>> zu gehen, der für sie alle und zu ihrem Besten Theorie bearbeitet: um, da sie es besser zu verstehen wähnen, ihn in seine Schule zu weisen (illa sc iactet in aula! 1), als einen Pedanten, der, für die Praxis verdorben, ihrer erfahrenen Weisheit nur im Wege steht. Wir werden also das Verhältnis der Theorie zur Praxis in drei Nummern: e r s t l i c h in der M o r a l überhaupt (in Absicht auf das Wohl jedes M e n s c h e n), z w e i t e n s in der P o l i t i k (in Beziehung auf das Wohl der S t a a t e n), d r i t t e n s in k o s m o p o l i t i s c h e r Betrachtung (in Absicht auf das Wohl der M e n s c h e n g a t t u n g im ganzen, und zwar so fern sie im Fortschreiten zu demselben in der Reihe der Zeugungen aller künftigen Zeiten begriffen ist) vorstellig machen. – Die Betitelung der Nummeren aber wird, aus 1

Übersetzung des Herausgebers: „in jenem Bereich mag er grosstun!“

Gründen, die sich aus der Abhandlung selbst ergeben, durch das Verhältnis der Theorie zur Praxis in der M o r a l, dem S t a a t s r e c h t, und dem V ö l k e r r e c h t ausgedrückt werden. [[A 208>> I. VON DEM VERHÄLTNIS DER THEORIE ZUR PRAXIS IN DER MORAL ÜBERHAUPT (Zur Beantwortung einiger Einwürfe des Hrn. Prof. G a r v e*) Ehe ich zu dem eigentlichen Streitpunkte über das, was im Gebrauche eines und desselben Begriffs bloss für die Theorie, oder für die Praxis gültig sein mag, komme: muss ich meine Theorie, so wie ich sie anderwärts vorgestellt habe mit der Vorstellung zusammen halten, welche Herr Garve davon gibt, um vorher zu sehen, ob wir uns einander auch verstehen. A. Ich hatte die Moral, vorläufig, als zur Einleitung, für eine Wissenschaft erklärt, die da [[A 209>> lehrt, nicht wie wir glücklich, sondern der Glückseligkeit würdig werden sollen.* Hiebei hatte ich nicht verabsäumt anzumerken, dass dadurch dem Menschen nicht angesonnen werde, er solle, wenn es auf Pflichtbefolgung ankommt, seinem natürlichen Zwecke, der Glückseligkeit, e n t s a g e n; denn das kann er nicht, so wie kein endliches vernünftiges Wesen überhaupt; sondern er müsse, wenn das Gebot der Pflicht eintritt, gänzlich von dieser Rücksicht a b s t r a h i e r e n; er müsse sie durchaus nicht zur B e d i n g u n g der Befolgung des ihm durch die Vernunft vorgeschriebenen Ge[[A 210>>setzes machen; ja sogar, so viel ihm möglich ist, sich bewusst zu werden suchen, dass sich keine von jener hergeleitete T r i e b f e d e r in die Pflichtbestimmung unbemerkt mit einmische: welches dadurch bewirkt wird, dass man die Pflicht lieber mit Aufopferungen verbunden vorstellt, welche ihre Beobachtung (die Tugend) kostet, als mit den Vorteilen, die sie uns einbringt: um das Pflichtgebot in seinem ganzen, unbedingten Gehorsam fordernden, sich selbst genügsamen und keines andern Einflusses bedürftigen, Ansehen sich vorstellig zu machen. a. Diesen meinen Satz drückt Hr. Garve nun so aus: „ich hätte behauptet, dass die Beobachtung des moralischen Gesetzes, ganz ohne Rücksicht auf Glückseligkeit, d e r e i n z i g e Endzweck für den Menschen sei, dass sie als der einzige Zweck des Schöpfers angesehen werden müsse“. (Nach meiner Theorie ist weder die Moralität des Menschen für sich, noch die Glückseligkeit für sich allein, sondern das höchste in der Welt mögliche Gut, welches in der Vereinigung und Zusammenstimmung beider besteht, der einzige Zweck des Schöpfers.) B. Ich hatte ferner bemerkt, dass dieser Begriff von Pflicht keinen besondern Zweck zum [[A 211>> Grunde zu legen nötig habe, vielmehr einen andern Zweck für den Willen des Menschen h e r b e i f ü h r e, nämlich: auf das h ö c h s t e in der Welt mögliche G u t (die im Weltganzen mit der reinesten Sittlichkeit auch verbundene, allgemeine, jener gemässe, *

V e r s u c h e ü b e r v e r s c h i e d n e G e g e n s t ä n d e a u s d e r M o r a l u n d L i t e r a t u r, v o n Ch. G a r v e. Erster Teil, S. 111 bis 116. Ich nenne die Bestreitung meiner Sätze E i n w ü r f e dieses würdigen Mannes gegen das, worüber er sich mit mir (wie ich hoffe) einzuverstehen wünscht; nicht Angriffe, die als absprechende Behauptungen zur Verteidigung reizen sollten: wozu weder hier der Ort, noch bei mir die Neigung ist. * Die Würdigkeit glücklich zu sein ist diejenige, auf dem selbst eigenen Willen des Sübjekts beruhende Qualität einer Person, in Gemässheit mit welcher eine allgemeine (der Natur sowohl als dem freien Willen) gesetzgebende Vernunft zu allen Zwecken dieser Person zusammenstimmen würde. Sie ist also von der Geschicklichkeit, sich ein Glück zu erwerben, gänzlich unterschieden. Denn selbst dieser, und des Talents, welches ihm die Natur dazu verliehen hat, ist er nicht wert, wenn er einen Willen hat, der mit dem, welcher allein sich zu einer allgemeinen Gesetzgebung der Vernunft schickt nicht zusammen stimmt, und darin nicht mit enthalten sein kann (d. i. welcher der Moralität widerstreitet).

Glückseligkeit) nach allem Vermögen hinzuwirken: welches, da es zwar von einer, aber nicht von beiden Seiten zusammengenommen in unserer Gewalt ist, der Vernunft den Glauben an einen moralischen Weltherrscher und an ein künftiges Leben in p r a k t i s c h e r A b s i c h t abnötigt. Nicht, als ob nur unter der Voraussetzung beider der allgemeine Pflichtbegriff allererst „Halt und Festigkeit“, d. i. einen sicheren Grund und die erforderliche Stärke einer T r i e b f e d e r, sondern damit er nur an jenem Ideal der reinen Vernunft auch ein Objekt bekomme.* [[A 212>> Denn an sich ist Pflicht nichts anders, als E i n s c h r ä n k u n g des Willens auf die Bedingung einer [[A 213>> allgemeinen, durch eine angenommene Maxime möglichen Gesetzgebung, der Gegenstand desselben, oder der Zweck, mag sein welcher er wolle (mithin auch die Glückseligkeit); von welchem aber, und auch von jedem Zweck, den man haben mag, hiebei ganz abstrahiert wird. Bei der Frage vom P r i n z i p der Moral kann also die Lehre vom h ö c h s t e n G u t, als letzten Zweck eines durch sie bestimmten und ihren Gesetzen angemessenen Wil[[A 214>>lens, (als episodisch) ganz übergangen und beiseite gesetzt werden; wie sich auch in der Folge zeigt, dass, wo es auf den eigentlichen Streitpunkt ankommt, darauf gar nicht, sondern bloss auf die allgemeine Moral Rücksicht genommen wird. b. Hr. Garve bringt diese Sätze unter folgende Ausdrüke: „dass der Tugendhafte jenen Gesichtspunkt (der eigenen Glückseligkeit) nie aus den Augen verlieren könne, noch dürfe, – weil er sonst den Übergang in die unsichtbare Welt, den zur Überzeugung vom Dasein Gottes und von der Unsterblichkeit, gänzlich verlöre; die doch, nach dieser Theorie, durchaus notwendig ist, dem S y s t e m1 H a l t und F e s t i g k e i t z u g e b e n“; und beschliesst damit, die Summe der mir zugeschriebenen Behauptung kurz und gut so zusammen zu fassen: „Der Tugendhafte strebt jenen Prinzipien zu Folge unaufhörlich darnach, der Glückseligkeit würdig, aber, i n s o f e r n er wahrhaftig tugendhaft ist, n i e darnach, glücklich zu sein“. (Das Wort i n s o f e r n macht hier eine Zweideutigkeit, die vorher ausgeglichen werden muss. Es kann so viel bedeuten, als: i n d e m A c t u s, da er sich als Tugendhafter seiner *

Das Bedürfnis, ein h ö c h s t e s auch durch unsere Mitwirkung mögliches G u t in der Welt, als den Endzweck aller Dinge, anzunehmen, ist nicht ein Bedürfnis aus Mangel an moralischen Triebfedern, sondern an äusseren Verhältnissen, in denen allein, diesen Triebfedern gemäss, ein Objekt, als Zweck an sich selbst (als moralischer E n d z w e c k) hervorgebracht werden kann. Denn ohne allen Zweck kann kein Wille sein; obgleich man, wenn es [[Anm. A 212>> bloss auf gesetzliche Nötigung der Handlungen ankornmt, von ihm abstrahieren muss und das Gesetz allein den Bestimmungsgrund desselben ausmacht. Aber nicht jeder Zweck ist moralisch (z. B. nicht der der eigenen Glückseligkeit), sondern dieser muss uneigennützig sein; und das Bedürfnis eines durch reine Vernunft aufgegebenen, das Ganze aller Zwecke unter einein Prinzip befassenden Endzwecks (eine Welt als das höchste auch durch unsere Mitwirkung mögliche Gut) ist ein Bedürfnis des sich noch über die Beobachtung der formalen Gesetze zu Hervorbringung eines Objekts (das höchste Gut) e r w e i t e r n d e n uneigennützigen Willens. – Dieses ist eine Willensbestimmung von besonderer Art, nämlich durch die Idee des Ganzen aller Zwecke, wo zum Grunde gelegt wird: dass, w e n n wir zu Dingen in der Welt in gewissen moralischen Verhältnissen stehen, wir allerwärts dem moralischen Gesetz gehorchen müssen; und über das noch die Pflicht hinzukommt, nach allem Vermögen es zu bewirken, d a s s ein solches Verhältnis (eine Welt, den sittlichen höchsten Zwecken angemessen) existiere. Hiebei denkt sich der Mensch nach der Analpgie mit der Gottheit, welche, ob zwar subjektiv keines äusseren Dinges bedürftig, gleichwohl nicht gedacht werden kann, dass sie sich in sich [[Anm. A 213>> selbst verschlosse, sondern das höchste Gut ausser sich hervorzubringen, selbst durch das Bewusstsein ihrer Allgenugsamkeit, bestimmt sei: welche Notwendigkeit (die beim Menschen Pflicht ist) am höchsten Wesen v o n u n s nicht anders als moralisches Bedürfnis vorgestellt werden kann. Beim Menschen ist daher die Triebfeder, welche in der Idee des höchsten durch seine Mitwirkung in der Welt möglichen Guts liegt, auch nicht die eigene dabei beabsichtigte Glückseligkeit, sondern nur diese Idee als Zweck an sich selbst, mithin ihre Verfolgung als Pflicht. Denn sie enthält nicht Aussicht in Glückseligkeit schlechthin, sondern nur einer Proportion zwischen ihr und der Würdigkeit des Subjekts, welches es auch sei. Eine Willensbestimmung aber, die sich selbst und ihre Absicht, zu einem solchen Ganzen zu gehören, auf diese Bedingung einschränkt, ist n i c h t e i g e n n ü t z i g. 1

Akad.-Ausg. (nach dem Wortlaut der Schrift Garves: Versuche über verschiedene Gegenstände aus der Moral, der Litteratur und dem gesellschaftlichen Leben, 1. Theil Breslau 1792): „d e m m o r a l i s c h e n S y s t e m”.

Pflicht unterwirft; und da stimmt dieser Satz [[A 215>> mit meiner Theorie vollkommen zusammen. Oder: wenn er überhaupt nur tugendhaft ist, und also selbst da, wo es nicht auf Pflicht ankommt und ihr nicht widerstritten wird, solle der Tugendhafte auf Glückseligkeit doch gar keine Rücksicht nehmen; und da widerspricht das meinen Behauptungen gänzlich.) Diese Einwürfe sind also nichts als Missverständnisse (denn für Missdeutungen mag ich sie nicht halten); deren Möglichkeit befremden müsste, wenn nicht der menschliche Hang, seinem einmal gewohnten Gedankengange auch in der Beurteilung fremder Gefanken zu folgen, und so jenen in diese hinein zu tragen, ein solches Phänomen hinreichend erklärte. Auf diese polemische Behandlung des obigen moralischen Prinzips folgt nun eine dogmatische Behauptung des Gegenteils. Hr. G. schliesst nämlich analytisch so: „In der Ordnung der B e g r i f f e muss das Wahrnehmen und Unterscheiden der Zustände, wodurch einem vor dem andern der Vorzug gegeben wird, vor der Wahl eines unter denselben, und also vor der Vorausbestimmung eines gewissen Zwecks, vorher gehen. Ein Zustand aber, den ein mit dem Bewusstsein seiner selbst und seines Zustandes [[A 216>> begabtes Wesen dann, wenn dieser Zustand gegenwärtig ist, und von ihm wahrgenommen wird, anderen Arten zu sein v o r z i e h t, ist ein g u t e r Zustand; und eine Reihe solcher guten Zustände ist der allgemeinste Begriff, den das Wort Glückseligkeit ausdrückt.“ – Ferner: „Ein Gesetz setzet Motive, Motive aber setzen einen vorher wahrgenommenen Unterschied eines schlechteren Zustandes von einem besseren voraus. Dieser wahrgenommene Unterschied ist das Element des Begriffs der Glückseligkeit, u.s.w.“ Ferner: „A u s d e r G l ü c k s e l i g k e i t, im allgemeinsten Sinne des Worts, e n t s p r i n g e n d i e M o t i v e z u j e d e m B e s t r e b e n; also auch zur Befolgung des moralischen Gesetzes. Ich muss erst überhaupt wissen, dass etwas gut ist, ehe ich fragen kann, ob die Erfüllung der moralischen Pflichten unter die Rubrik des Gutengehöre; der Mensch muss eine T r i e b f e d e r haben, die ihn in Bewegung setzt, ehe man ihm ein Ziel vorstecken kann,* wohin diese Bewegung gerichtet werden soll.“ [[A 217>> Dieses Argument ist nichts weiter als ein Spiel mit der Zweideutigkeit des Worts d a s G u t e: da dieses entweder, als an sich und unbedingt gut, im Gegensatz mit dem an sich Bösen, oder, als immer nur bedingterweise gut, mit dem schlechteren oder besseren Guten verglichen wird, da der Zustand der Wahl des letzteren nur ein komparativ-besserer Zustand, an sich selbst aber doch böse sein kann. – Die Maxime einer unbedingten, auf gar keine zum Grunde gelegte Zwecke Rücksicht nehmenden Beobachtung eines kategorisch gebietenden Gesetzes der freien Willkür (d. i. der Pflicht) ist von der Maxime: dem, als Motiv zu einer gewissen Handlungsweise, uns von der Natur selbst untergelegten Zweck (der im allgemeinen Glückseligkeit heisst) nachzugehen, wesentlich, d. i. d e r A r t n a c h, unterschieden. Denn die erste ist an sich selbst [[A 218>> gut, die zweite keineswegs; sie kann, im Fall der Kollision mit der Pflicht, sehr böse sein. Hingegen, wenn ein gewisser Zweck zum Grunde gelegt wird, mithin kein Gesetz unbedingt (sondern nur unter der Bedingung dieses Zwecks) gebietet, so konnen zwei entgegengesetzte Handlungen beide bedingterweise gut sein, nur eine besser als die andere (welche letztere daher komparativ-böse heissen würde); denn sie sind nicht der A r t, sondern b l o s s d e m G r a d e n a c h von einander unterschieden. Und so ist es mit allen Handlungen beschaffen, deren Motiv nicht das unbedingte Vernunftgesetz (Pflicht), sondern ein von uns willkürlich zum Grunde gelegter Zweck ist: denn dieser gehört zur Summe aller Zwecke, deren Erreichung Glückseligkeit genannt wird; und eine Handlung kann mehr, die andere weniger, zu meiner Glückseligkeit beitragen, mithin besser oder schlechter sein als die andere. – Das V o r z i e h e n aber eines *

Das ist ja gerade dasjenige, worauf ich dringe. Die Triebfeder, welche der Mensch vorher haben kann, ehe ihm ein Ziel (Zweck) vorgesteckt wird, [[Anm. A 217>> kann doch offenbar nichts andres sein, als das Gesetz selbst, durch die Achtung, die es (unbestimmt, welche Zwecke man haben und durch dessen Befolgung erreichen mag) einflösst. Denn das Gesetz in Ansehung des Formalen der Willkür ist ja das einzige, was übrig bleibt, wann ich die Materie der Willkür (das Ziel, wie sie Hr. G. nennt) aus dem Spiel gelassen habe.

Zustandes der Willensbestimmung vor dem andern ist bloss ein Actus der Freiheit (res merae facultatis, wie die Juristen sagen); bei welchem, ob diese (Willensbestimmung) an sich gut oder böse ist, gar nicht in Betrachtung gezogen wird, mithin in Ansehung beider gleichgeltend. [[A 219>> Ein Zustand, in Verknüpfung mit einem gewissen g e g e b e n e n Z w e c k e zu sein, den ich jedem anderen v o n d e r s e l b e n A r t vorziehe, ist ein komparativ besserer Zustand, nämlich im Felde der Glückseligkeit (die nie anders als bloss bedingter Weise, sofern man ihrer würdig ist, v o n d e r V e r n u n f t als Gut anerkannt wird). Derjenige Zustand aber, da ich, im Falle der Kollision gewisser meiner Zwecke mit dem moralischen Gesetze der Pflicht, diese vorzuziehen mir bewusst bin, ist nicht bloss ein besserer, sondern der allein an sich gute Zustand: ein Gutes aus einem ganz andern Felde, wo auf Zwecke, die sich mir anbieten mögen (mithin auf ihre Summe, die Glückseligkeit) gar nicht Rücksicht genommen wird, und wo nicht die Materie der Willkür (ein ihr zum Grunde gelegtes Objekt), sondern die blosse Form der allgemeinen Gesetzmässigkeit ihrer Maxime, den Bestimmungsgrund derselben ausmacht. – Also kann keineswegs gesagt werden, dass jeder Zustand, den ich jeder andern Art zu sein vorziehe, von mir zur Glückseligkeit gerechnet werde. Denn zuerst muss ich sicher sein, dass ich meiner Pflicht nicht zuwider handle; nachher allererst ist es mir erlaubt, mich nach Glückseligkeit umzusehen, wie viel ich deren mit [[A 220>> jenem meinen moralisch- (nicht physisch-) guten Zustande vereinigen kann.* Allerdings muss der Wille M o t i v e haben; aber diese sind nicht gewisse vorgesetzte, aufs p h y s i s c h e G e f ü h l bezogene Objekte, als Zwecke, sondern nichts als das unbedingte G e s e t z selbst: für welches die Empfänglichkeit des Willens, sich unter ihm, als unbedingter Nötigung, zu be[[A 221>>finden, das m o r a l i s c h e G e f ü h l heisst; welches also nicht Ursache, sondern Wirkung der Willensbestimmung ist, von welchem wir nicht die mindeste Wahrnehmung in uns haben würden, wenn jene Nötigung in uns nicht vorherginge. Daher das alte Lied: dass dieses Gefühl, mithin eine Lust, die wir uns zum Zweck machen, die erste Ursache der Willensbestimmung, folglich die Glückseligkeit (wozu jene als Element gehöre) doch den Grund aller objektiven Notwendigkeit zu handeln, folglich aller Verpflichtung ausmache, unter die vernünftelnden T ä n d e l e i e n gehört. Kann man nämlich bei Anführung einer Ursache zu einer gewissen Wirkung nicht aufhören zu fragen, so macht man endlich die Wirkung zur Ursache von sich selbst. Jetzt komme ich auf den Punkt, der uns hier eigentlich beschäftigt: nämlich das vermeintlich in der Philosophie sich widerstreitende Interesse der Theorie und der Praxis durch Beispiele zu belegen und zu prüfen. Den besten Belag hiezu gibt Hr. G. in seiner genannten Abhandlung. Zuerst sagt er (indem er von dem Unterschiede, den ich zwischen einer Lehre finde, wie wir g l ü c k l i c h und derjenigen, wie wir der Glückseligkeit w ü r d i g werden sollen, spricht): [[A 222>> „Ich für mein Teil gestehe, dass ich diese Teilung der Ideen in meinem K o p f e sehr wohl begreife, dass ich aber diese Teilung der Wünsche und Bestrebungen in meinem H e r z e n nicht finde; dass es mir sogar unbegreiflich ist, wie irgend ein Mensch sich bewusst werden kann, sein Verlangen nach Glückseligkeit selbst rein abgesondert, und also die Pflicht ganz uneigennützig ausgeübt zu haben“. *

Glückseligkeit enthält alles (und auch nichts mehr, als) was uns die Natur verschaffen, Tugend aber das, was niemand als der Mensch selbst sich geben oder nehmen kann. Wollte man dagegen sagen: dass durch die Abweichung von der letzteren der Mensch sich doch wenigstens Vorwürfe und reinen moralischen Selbsttadel, mithin Unzufriedenheit zuziehen, folglich sich unglücklich machen könne: so mag das allenfalls eingeräumt werden. Aber dieser reinen moralischen Unzufriedenheit (nicht aus den für ihn nachteiligen Folgen der Handlung, sondern aus ihrer Gesetzwidrigkeit selbst) ist nur der Tugendhafte, oder der auf dem Wege ist, es zu werden, fähig. Folglich ist sie nicht die Ursache, sondern nur die Wirkung davon, dass er tugendhaft ist; und der Rewegungsgrund tugendhaft zu sein konnte nicht von diesem Unglück (wenn man den Schmerz aus einer Untat so nennen will) hergenommen sein.

Ich antworte zuvorderst auf das letztere. Nämlich ich raume gern ein, dass kein Mensch sich mit Gewissheit bewusst werden könne, seine Pflicht ganz uneigennützig a u s g e ü b t z u h a b e n: denn das gehört zur inneren Erfahrung, und es würde zu diesem Bewusstsein seines Seelenzustandes eine durchgängig klare Vorstellung aller sich dem Pflichtbegriffe, durch Einbildungskraft, Gewohnheit und Neigung, beigesellenden Nebenvorstellungen und Rücksichten gehören, die in keinem Falle gefordert werden kann; auch überhaupt kann das Nichtsein von etwas (mithin auch nicht von einem in Geheim gedachten Vorteil) kein Gegenstand der Erfahrung sein. Dass aber der Mensch seine Pflicht ganz uneigennützig a u s ü b e n s o l l e, und sein Verlangen nach Glückseligkeit völlig vom Pflichtbegriffe absondern m ü s s e, um [[A 223>> ihn ganz rein zu haben: dessen ist er sich mit der grössten Klarheit bewusst; oder, glaubte er nicht es zu sein, so kann von ihm gefordert werden, dass er es sei, so weit es in seinem Vermögen ist; weil eben in dieser Reinigkeit der wahre Wert der Moralität anzutreffen ist, und er muss es also auch können. Vielleicht mag nie ein Mensch seine erkannte und von ihm auch verehrte Pflicht ganz uneigennützig (ohne Beimischung anderer Triebfedern) ausgeübt haben; vielleicht wird auch nie einer bei der grössten Bestrebung so weit gelangen. Aber, so viel er bei der sorgfältigsten Selbstprüfung in sich wahrnehmen kann, nicht allein keiner solchen mitwirkenden Motive, sondern vielmehr der Selbstverleugnung in Ansehung vieler der Idee der Pflicht entgegenstehenden, mithin der Maxime, zu jener Reinigkeit hinzustreben, sich bewusst zu werden: das vermag er; und das ist auch für seine Pflichtbeobachtung genug. Hingegen die Begünstigung des Einflusses solcher Motive sich zur Maxime zu machen, unter dem Vorwande, dass die menschliche Natur eine solche Reinigkeit nicht verstatte (welches er doch auch nicht mit Gewissheit behaupten kann): ist der Tod aller Moralität. [[A 224>> Was nun das kurz vorhergehende Bekenntnis des Hrn. G. betrifft, jene Teilung (eigentlich Sonderung) nicht in seinem H e r z e n zu finden: so trage ich kein Bedenken, ihm in seiner Selbstbeschuldigung geradezu zu widersprechen, und sein Herz wider seinen Kopf in Schutz zu nehmen. Er, der rechtschaffene Mann, fand sie wirklich jederzeit in seinem Herzen (in seinen Willensbestimmungen); aber sie wollte sich nur nicht zum Behuf der Spekulation und zur Begreifung dessen, was unbegreiflich (unerklärlich) ist, nämlich der Möglichkeit kategorischer Imperative (dergleichen die der Pflicht sind), in seinem Kopf mit den gewohnten Prinzipien psychologischer Erklärungen (die insgesamt den Mechanism der Naturnotwendigkeit zum Grunde legen) zusammen reimen.* [[A 225>> Wenn aber Hr. G. zuletzt sagt: „Solche feine Unterschiede der Ideen v e r d u n k e l n sich schon im N a c h d e n k e n über partikuläre Gegenstände; aber sie v e r l i e r e n s i c h g ä n z l i c h, wenn es aufs Handeln ankömmt, wenn sie auf Begierden und Absichten angewandt werden sollen. Je einfacher, schneller und von k l a r e n V o r s t e l l u n g e n e n b l ö s s t e r der Schritt ist, durch den wir von der Betrachtung der Motive zum wirklichen Handeln übergehen: desto weniger ist es möglich, das bestimmte Gewicht, welches jedes Motiv hinzu getan hat, den Schritt so und nicht anders zu leiten, genau und sicher zu erkennen“ – so muss ich ihm laut und eifrig widersprechen. [[A 226>> Der Begriff der Pflicht in seiner ganzen Reinigkeit ist nicht allein ohne allen Vergleich einfacher, klärer, für jedermann zum praktischen Gebrauch fasslicher und natürlicher, als jedes von der Glükseligkeit hergenommene, oder damit und mit der Rücksicht *

Hr. P. Garve tut (in seinen Anmerkungen zu C i c e r o s Buch von d en Pflichten S. 69, Ausg. von 1783) das merkwürdige und seines Scharfsinns werte Bekenntnis: „Die Freiheit werde, nach seiner innigsten Überzeugung, immer unauflöslich bleiben und nie erklärt werdene. Ein Geweis von ihrer Wirklichkeit kann schlechterdings nicht, weder in einer unmittelbaren noch mittelbaren Erfahrung, angetroffen werden; und ohne [[Anm. A 225>> allen Beweis kann man sie doch auch nicht annehmen. Da nun ein Beweis derselben nicht aus bloss theoretischen Gründen (denn diese würden in der Erfahrung gesucht werden müssen), mithin aus bloss praktischen Vernunftsätzen, aber auch nicht aus technisch-praktischen (denn die würden wieder Erfahrungsgründe erfordern), folglich nur aus rnoralisch-praktischen geführt werden kann: so muss man sich wundern, warum Hr. G. nicht zum Begriffe der Freiheit seine Zuflucht nahm, um wenigstens die Möglichkeit solcher Imperativen zu retten.

auf sie vermengte Motiv (welches jederzeit viel Kunst und Überlegung erfordert); sondern auch in dem Urteile selbst der gemeinsten Menschenvernunft, wenn er nur an dieselbe, und zwar mit Absonderung, ja so gar in Entgegensetzung mit diesen an den Willen der Menschen gebracht wird, bei weitem k r ä f t i g e r, eindringender und Erfolg versprechender, als alle von dem letzteren eigennützigen Prinzip entlehnte Bewegungsgründe. – Es sei z. B. der Fall: dass jemand ein anvertrautes fremdes Gut (depositum) in Händen habe, dessen Eigentümer tot ist, und dass die Erben desselben davon nichts wissen, noch je etwas erfahren können. Man trage diesen Fall selbst einem Kinde, von etwa acht oder neun Jahren, vor; und zugleich, dass der Inhaber dieses Depositums (ohne sein Verschulden) gerade um diese Zeit in gänzlichen Verfall seiner Glücksumstande geraten, eine traurige, durch Mangel niedergedrückte Familie von Frau und Kindern um sich sehe, aus welcher Not [[A 227>> er sich augenblicklich ziehen würde, wenn er jenes Pfand sich zueignete; zugleich sei er Menschenfreund und wohltätig, jene Erben aber reich, lieblos, und dabei im höchsten Grad üppig und verschwenderisch, so dass es eben so gut wäre, als ob dieser Zusatz zu ihrem Vermögen ins Meer geworfen würde. Und nun frage man, ob es unter diesen Umständen für erlaubt gehalten werden könne, dieses Depositum in eigenen Nutzen zu verwenden? Ohne Zweifel wird der Befragte antworten: Nein! und statt aller Gründe nur bloss sagen können: e s i s t u n r e c h t, d. i. es widerstreitet der Pflicht. Nichts ist klärer als dieses; aber wahrlich nicht so: dass er seine eigene G l ü c k s e l i g k e i t durch die Herausgabe befördere. Denn, wenn er, von der Absicht auf die letztere, die Bestimmung seiner Entschliessung erwartete, so könnte er z. B. so denken: „Gibst du das bei dir befindliche fremde Gut unaufgefordert den wahren Eigentümern hin, so werden sie dich vermutlich für deine Ehrlichkeit belohnen; oder, geschieht das nicht, so wirst du dir einen ausgebreiteten guten Ruf, der dir sehr eintraglich werden kann, erwerben. Aber alles dieses ist sehr ungewiss. Hingegen treten freilich auch manche Bedenklichkeiten ein: Wenn du das Anvertraute [[A 228>> unterschlagen wolltest, um dich auf einmal aus deinen bedrängten Umständen zu ziehen, so würdest du, wenn du geschwinden Gebrauch davon machtest, Verdacht auf dich ziehen, wie und durch welche Wege du so bald zu einer Verbesserung deiner Umstände gekommen wärest; wolltest du aber damit langsam zu Werke gehen, so würde die Not mittlerweile so hoch steigen, dass ihr gar nicht mehr abzuhelfen wäre.“ – Der Wille also nach der Maxime der Glückseligkeit schwankt zwischen seinen Triebfedern, was er beschliessen solle; denn er sieht auf den Erfolg und der ist sehr ungewiss; es erfordert einen guten Kopf, um sich aus dem Gedränge von Gründen und Gegengründen herauszuwickeln und sich in der Zusammenrechnung nicht zu betriegen. Dagegen wenn er sich fragt, was hier Pflicht sei: so ist er über die sich selbst zu gebende Antwort gar nicht verlegen, sondern auf der Stelle gewiss, was er zu tun habe. Ja, er fühlt sogar, wenn der Begriff von Pflicht bei ihm etwas gilt, einen Abscheu, sich auch nur auf den Überschlag von Vorteilen, die ihm aus ihrer Übertretung erwachsen könnten, einzulassen, gleich als ob er hier noch die Wahl habe. [[A 229>> Dass also diese Unterschiede (die, wie eben gezeigt worden, nicht so fein sind, als Hr. G. meint, sondern mit der grobsten und leserlichsten Schrift in der Seele des Menschen geschrieben sind) s i c h, wie er sagt, g ä n z l i c h v e r l i e r e n, w e n n e s a u f s H a n d e l n a n k ö m m t: widerspricht selbst der eigenen Erfahrung. Zwar nicht derjenigen, welche die G e s c h i c h t e der aus dem eincn oder dem anderen Prinzip geschöpften Maximen darlegt: denn da beweiset sie leider, dass sie grösstenteils aus dem letzteren (des Eigennutzes) fliessen; sondern der Erfahrung, die nur innerlich sein kann, dass keine Idee das menschliche Gemüt mehr erhebt und bis zur Begeisterung belebt, als eben die von einer die Pflicht über alles verehrenden, mit zahllosen Übeln des Lebens und selbst den verführerischsten Anlockungen desselber, ringenden, und dennoch (wie man mit Recht annimmt, dass der Mensch es vermöge) sie besiegenden, reinen moralischen Gesinnung. Dass der Mensch sich bewusst ist, er könne dieses, weil er es soll: das eröffnet in ihm eine Tiefe göttlicher Anlagen, die ihm gleichsam einen heiligen Schauer über die Grösse und Erhabenheit seiner wahren Bestimmung fühlen lässt. Und wenn der Mensch öfters darauf

aufmerksam gemacht und gewöhnt [[A 230>> würde, die Tugend von allem Reichtum ihrer aus der Beobachtung der Pflicht zu machenden Beute von Vorteilen gänzlich zu entladen, und sie in ihrer ganzen Reinigkeit sich vorzustellen; wenn es im Privat- und öffentlichen Unterricht Grundsatz würde, davon beständig Gebrauch zu machen (eine Methode, Pflichten einzuschärfen, die fast jederzeit versäumt worden ist): so müsste es mit der Sittlichkeit der Menschen bald besser stehen. Dass die Geschichtserfahrung bisher noch nicht den guten Erfolg der Tugendlehren hat beweisen wollen, daran ist wohl eben die falsche Voraussetzung schuld: dass die von der Idee der Pflicht an sich selbst abgeleitete Triebfeder für den gemeinen Begriff viel zu fein sei, wogegen die gröbern 1, von gewissen in dieser, ja wohl auch in einer künftigen Welt aus der Befolgung des Gesetzes (ohne auf dasselbe als Triebfeder Acht zu haben) zu erwartenden Vorteilen hergenommene, kräftiger auf das Gemüt wirken würde; und dass man dem Trachten nach Glückseligkeit vor dem, was die Vernunft zur obersten Bedingung macht, nämlich der Würdigkeit glücklich zu sein, den Vorzug zu geben bisher zum Grundsatz der Erziehung und des Kanzelvortrages gemacht hat. Denn V o r s c h r i f t e n, wie man sich [[A 231>> glücklich machen, wenigstens seinen Nachteil verhüten könne, sind keine G e b o t e; sie binden niemanden schlechterdings; und ermag, nachdem er gewarnet worden, wählen, was ihm gut dünkt, wenn er sich gefallen lässt zu leiden, was ihn trifft. Die Übel, die ihm alsdann aus der Verabsäumung des ihm gegebenen Rats entspringen dürften, hat er nicht Ursache für Strafen anzusehen: denn diese treffen nur den freien aber gesetzwidrigen Willen; Natur aber und Neigung können der Freiheit nicht Gesetze geben. Ganz anders ist es mit der Idee der Pflicht bewandt, deren Übertretung, auch ohne auf die ihm daraus erwachsenden Nachteile Rücksicht zu nehmen, unmittelbar auf das Gemüt wirkt, und den Mensehen in seinen eigenen Augen verwerflich und strafbar macht. Hier ist nun ein klarer Beweis, dass alles, was in der Moral für die Theorie richtig ist, auch für die Praxis gelten müsse. – In der Qualität eines Menschen, als eines durch seine eigene Vernunft gewissen Pflichten unterworfenen Wesens, ist also jedermann ein G e s c h ä f t s m a n n; und, da er doch, als Mensch, der Schule der Weisheit nie entwächst, so kann er nicht etwa, als ein vermeintlich durch Erfahrung über das, was ein [[A 232>> Mensch ist und was man von ihm fordern kann, besser Belehrter, den Anhänger der Theorie mit stolzer Verachtung zur Schule zurückweisen. Denn alle diese Erfahrung hilft ihm nichts, um sich der Vorschrift der Theorie zu entziehen, sondein allenfalls nur zu lernen, wie sie besser und allgemeiner ins Werk gerichtet werden könne, wenn man sie in seine Grundsätze aufgenommen hat; von welcher pragmatischen Geschicklichkeit aber hier nicht, sondern nur von letzteren, die Rede ist. II. VOM VERHÄLTNIS DER THEORIE ZUR PRAXIS IM STAATSRECHT (Gegen H o b b e s) Unter allen Verträgen, wodurch eine Menge von Menschen sich zu einer Gesellschaft verbindet (pactum sociale), ist der Vertrag der Errichtung einer b ü r g e r l i c h e n V e r f a s s u n g unter ihnen (pactum unionis civilis) von so eigentümlicher Art, dass, ob er zwar in Ansehung der Ausführung vieles mit jedem anderen (der eben sowohl auf irgend einen beliebigen gemeinschaftlich zu befördernden Zweck gerichtet ist) gemein hat, er [[A 233>> sich doch im Prinzip seiner Stiftung (constitutionis civilis) von allen anderen wesentlich unterscheidet. Verbindung vieler zu irgend einem (gemeinsamen) Zwecke (den alle h a b e n) ist in allen Gesellschaftsverträgen anzutreffen; aber Verbindung derselben, die an sich selbst Zweck ist (den ein jeder h a b e n s o l l), mithin die in einem jeden äusseren Verhältnisse der 1

Akad.-Ausg.: „gröbere”.

Menschen überhaupt, welche nicht umhin können, in wechselseitigen Einfluss auf einander zu geraten, unbedingte und erste Pflicht ist: eine solche ist nur in einer Gesellschaft, so fern sie sich im bürgerlichen Zustande befindet, d. i. ein gemeines Wesen ausmacht, anzutreffen. Der Zweck nun, der in solchem äussern Verhältnis an sich selbst Pflicht und selbst die oberste formale Bedingung (conditio sine qua non) aller übrigen äusseren Pflicht ist, ist das R e c h t der Menschen u n t e r ö f f e n t l i c h e n Z w a n g s g e s e t z e n, durch welche jedem das Seine bestimmt und gegen jedes anderen Eingriff gesichert werden kann. Der Begriff aber eines äusseren Rechts überhaupt geht gänzlich aus dem Begriffe der F r e i h e i t im äusseren Verhältnisse der Menschen zu einander hervor; und hat gar nichts mit dem Zwecke, den [[A 234>> alle Menschen natürlicher Weise haben (der Absicht auf Glückseligkeit), und der Vorschrift der Mittel, dazu zu gelangen, zu tun: so dass auch daher dieser letztere sich in jenes Gesetze schlechterdings nicht, als Bestimmungsgrund derselben, mischen muss. R e c h t ist die Einschränkung der Freiheit eines jeden auf die Bedingung ihrer Zusammenstimmung mit der Freiheit von jedermann, in so fern diese nach einem allgemeinen Gesetze möglich ist; und das ö f f e n t l i c h e R e c h t ist der Inbegriff der ä u s s e r e n G e s e t z e, welche eine solche durchgängige Zusammenstimmung möglich machen. Da nun jede Einschränkung der Freiheit durch die Willkür eines anderen Zwang heisst: so folgt, dass die bürgerliche Verfassung ein Verhältnis f r e i e r Menschen ist, die (unbeschadet ihrer Freiheit im Ganzen ihrer Verbindung mit anderen) doch unter Zwangsgesetzen stehen: weil die Vernunft selbst es so will, und zwar die reine a priori gesetzgebende Vernunft, die auf keinen empirischen Zweck (dergleichen alle unter dem allgemeinen Namen Glückseligkeit begriffen worden1) Rücksicht nimmt; als in Ansehung dessen, und worin ihn ein jeder setzen will, die Menschen gar verschieden denken, so dass ihr Wille unter kein gemeinschaftliches Prinzip, folglich auch unter kein [[A 235>> äusseres, mit jedermanns Freiheit zusammenstimmendes, Gesetz gebracht werden kann. Der bürgerliche Zustand also, bloss als rechtlicher Zustand betrachtet, ist auf folgende Prinzipien a priori gegründet: 1. Die F r e i h e i t jedes Gliedes der Sozietät, als M e n s c h e n. 2. Die G l e i c h h e i t desselben mit jedem anderen, als U n t e r t a n. 3. Die S e l b s t ä n d i g k e i t jedes Gliedes eines gemeinen Wesens, als B ü r g e r s. Diese Prinzipien sind nicht sowohl Gesetze, die der schon errichtete Staat gibt, sondern nach denen allein eine Staatserrichtung, reinen Vernunftprinzipien des äusseren Menschenrechts überhaupt gemäss, möglich ist. Also: 1. Die F r e i h e i t als Mensch, deren Prinzip für die Konstitution eines gemeinen Wesens ich in der Formel ausdrücke: Niemand kann mich zwingen, auf seine Art (wie er sich das Wohlsein anderer Menschen denkt) glücklich zu sein, sondern ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Wege suchen, welcher ihm selbst gut dünkt, wenn er nur der Freiheit anderer, einem ähnlichen Zwecke nachzustreben, die init der Freiheit von jedermann nach einem möglichen allgemeinen Gesetze zusammen [[A 236>> bestehen kann, (d. i. diesem Rechte des andern) nicht Abbruch tut. – Eine Regierung, die auf dem Prinzip des Wohlwollens gegen das Volk als eines V a t e r s gegen seine Kinder errichtet wäre, d. i. eine v ä t e r l i c h e R e g i e r u n g (imperium paternale), wo also die Untertanen als unmündige Kinder, die nicht unterscheiden können, was ihnen wahrhaftig nützlich oder schädlich ist, sich bloss passiv zu verhalten genötigt sind, um, wie sie glücklich sein s o l l e n, bloss von dem Urteile des Staatsoberhaupts, und, dass dieser es auch wolle, bloss von seiner Gütigkeit zu erwarten: ist der grösste denkbare D e s p o t i s m u s (Verfassung, die alle Freiheit der Untertanen, die alsdann gar keine Rechte haben, aufhebt). Nicht eine v ä t e r l i c h e, sondern eine v a t e r l ä n d i s c h e Regierung (imperium, non paternale, sed patrioticum) ist diejenige, welche allein für Menschen, die der Rechte fähig sind, zugleich in Beziehung auf das Wohlwollen des Beherrschers, gedacht werden kann. P a t r i o t i s c h ist nämlich die Denkungsart, da ein jeder im Staat (das Oberhaupt desselben nicht ausgenommen) das 1

Akad.-Ausg.: „begriffen werden”.

gemeine Wesen als den mütterlichen Schoss, oder das Land als den väterlichen Boden, aus und auf dem er selbst entsprungen, und welchen [[A 237>> er auch so als ein teures Unterpfand hinterlassen muss, betrachtet, nur um die Rechte desselben durch Gesetze des gemeinsamen Willens zu schützen, nicht aber es seinem unbedingten Belieben zum Gebrauch zu unterwerfen sich für befugt hält. – Dieses Recht der Freiheit kommt ihm, dem Gliede des gemeinen Wesens, als Mensch zu, so fern dieser nämlich ein Wesen ist, das überhaupt der Rechte fähig ist. 2. Die G l e i c h h e i t als Untertan, deren Formel so lauten kann: Ein jedes Glied des gemeinen Wesens hat gegen jedes andere Zwangsrechte, wovon nur das Oberhaupt desselben ausgenommen ist (darum weil er von jenem kein Glied, sondern der Schöpfer oder Erhalter desselben ist); welcher allein die Befugnis hat zu zwingen, ohne selbst einem Zwangsgesetze unterworfen zu sein. Es ist aber alles, was u n t e r Gesetzen steht, in einem Staate Untertan, mithin dem Zwangsrechte, gleich allen andern Mitgliedern des gemeinen Wesens, unterworfen; einen einzigen (physische oder moralische Person), das Staatsoberhaupt, durch das aller rechtliche Zwang allein ausgeübt werden kann, ausgenommen. Denn, könnte dieser auch gezwungen werden, so wäre er nicht das Staatsoberhaupt, und die Reihe [[A 238>> der Unterordnung ginge aufwärts ins Unendliche. Wären aber ihrer zwei (zwangsfreie Personen): so würde keiner derselben unter Zwangsgesetzen stehen, und einer dem andern kein Unrecht tun können: welches unmöglich ist. Diese durchgängige Gleichheit der Menschen in einem Staat, als Untertanen desselben, besteht aber ganz wohl mit der grössten Ungleichheit, der Menge, und den Graden ihres Besitztums1, es sei an körperlicher oder Geistesüberlegenheit über andere, oder an Glücksgütern ausser ihnen und an Rechten überhaupt (deren es viele geben kann) respektiv auf andere; so dass des einen Wohlfahrt sehr vom Willen des anderen abhängt (des Armen vom Reichen), dass der eine gehorsamen muss (wie das Kind den Eltern, oder das Weib dem Mann) und der andere ihm befiehlt, dass der eine dient (als Taglöhner) der andere lohnt, u.s.w. Aber dem Rechte nach (welches als der Ausspruch des allgemeinen Willens nur ein einziges sein kann, und welches die Form Rechtens, nicht die Materie oder das Objekt, worin ich ein Recht habe, betrifft) sind sie dennoch, als Untertanen, alle einander gleich; weil keiner irgend jemanden anders zwingen kann, als durch das öffentliche Gesetz (und den Vollzieher [[A 239>> desselben, das Staatsoberhaupt), durch dieses aber auch jeder andere ihm in gleicher Masse widersteht, niemand aber diese Befugnis zu zwingen (mithin ein Recht gegen andere zu haben) anders als durch sein eigenes Verbrechen verlieren, und es auch von selbst nicht aufgeben, d. i. durch einen Vertrag, mithin durch eine rechtliche Handlung, machen kann, dass er keine Rechte, sondern bloss Pflichten habe: weil er dadurch sich selbst des Rechts, einen Kontrakt zu machen, berauben, mithin dieser sich selbst aufheben würde. Aus dieser Idee der Gleichheit der Menschen im gemeinen Wesen als Untertanen geht nun auch die Formel hervor: Jedes Glied desselben muss zu jeder Stufe eines Standes in demselben (die einem Untertan zukommen kann) gelangen dürfen, wozu ihn sein Talent, sein Fleiss und sein Glück hinbringen können; und es dürfen ihm seine Mituntertanen durch ein e r b l i c h e s Prärogativ (als Privilegiaten für einen gewissen Stand) nicht im Wege stehen, um ihn und seine Nachkommen unter demselhen ewig niederzuhalten. Denn, da alles Recht bloss in der Einschränkung der Freiheit jedes anderen auf die Bedingung besteht, dass sie mit der meinigen nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen könne, und [[A 240>> das öffentliche Recht (in einem gemeinen Wesen) bloss der Zustand einer wirklichen, diesem Prinzip gemässen und mit Macht verbundenen Gesetzgebung ist, vermöge welcher sich alle zu einem Volk Gehörige, als Untertanen, in einem rechtlichen Zustand (status iuridicus) überhaupt, nämlich der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung einer dem allgemeinen Freiheitsgesetze gemäss einander einschränkenden Willkür (welcher der bürgerliche Zustand heisst) befinden: so ist das a n g e b o r n e R e c h t 1

Akad.-Ausg.: „Besitzthums nach”.

eines jeden in diesem Zustande (d. i. vor aller rechtlichen Tat desselben) in Ansehung der Befugnis, jeden andern zu zwingen, damit er immer innerhalb den Grenzen der Einstimmung des Gebrauchs seiner Freiheit mit der meininigen bleibe, durchgängig g l e i c h. Da nun Geburt keine T a t desjenigen ist, der geboren wird, mithin diesem dadurch keine Ungleichheit des rechtlichen Zustandes und keine Unterwerfung unter Zwangsgesetze, als bloss diejenige, die ihm als Untertan der alleinigen obersten gesetzgebenden Macht mit allen anderen gemein ist, zugezogen wird: so kann es kein angebornes Vorrecht eines Gliedes des gemeinen Wesens, als Mituntertans, vor dem anderen geben; und niemand kann das Vorrecht des S t a n d e s, den er [[A 241>> im gemeinen Wesen inne hat, an seine Nachkommen vererben, mithin, gleichsam als zum Herrenstande durch Geburt qualifiziert, diese auch nicht zwangsmässig abhalten, zu den höheren Stufen der Unterordnung (des Superior und Inferior, von denen aber keiner Imperans, der andere Subiectus ist) durch eigenes Verdienst zu gelangen. Alles andere mag er vererben, was Sache ist (nicht Persönlichkeit betrifft) und als Eigentum erworben und auch von ihm veräussert werden kann, und so in einer Reihe von Nachkommen eine betrachtliche Ungleichheit in Vermögensumständen unter den Gliedern eines gemeinen Wesens (des Söldners und Mieters, des Gutseigentümers und der ackerbauenden Knechte u.s.w.) hervorbringen; nur nicht verhindern, dass diese, wenn ihr Talent, ihr Fleiss und ihr Glück es ihnen möglich macht, sich nicht zu gleichen Umständen zu erheben befugt wären. Denn sonst würde er zwingen dürfen, ohne durch anderer Gegenwirkung wiederum gezwungen werden zu können, und über die Stufe eines Mituntertans hinausgehen. – Aus dieser Gleichheit kann auch kein Mensch, der in einem rechtlichen Zustande eines gemeinen Wesens lebt, anders als durch sein eigenes Verbrechen, niemals aber weder durch [[A 242>> Vertrag oder durch Kriegsgewalt (occupatio bellica) fallen; denn er kann durch keine rechtliche Tat (weder seine eigene, noch die eines anderen) aufhören, Eigner seiner selbst zu sein, und in die Klasse des Hausviehes eintreten, das man zu allen Diensten braucht, wie man will, und es auch darin ohne seine Einwilligung erhält, so lange man will, wenn gleich mit der Einschränkung (welche auch wohl, wie bei den Indiern, bisweilen durch die Religion sanktioniert wird), es nicht zu verkrüppeln oder zu töten. Man kann ihn in jedem Zustande für glücklich annehmen, wenn er sich nur bewusst ist, dass es nur an ihm selbst (seinem Vermögen, oder ernstlichen Willen) oder an Umständen, die er keinem anderen Schuld geben kann, aber nicht an dem unwiderstehlichen Willen anderer liege, dass er nicht zu gleicher Stufe mit anderen hinaufsteigt, die, als seine Mituntertanen, hierin, was das Recht betrifft, vor ihm nichts voraus haben.* [[A 244>> 3. Die S e l b s t ä n d i g k e i t (sibisufficientia) eines Gliedes des gemeinen Wesens als B ü r g e r s, d. i. als Mitgesetzgebers. In dem Punkte der Gesetzgebung selbst sind alle, die u n t e r schon vorhandenen öffentlichen Gesetzen frei und gleich sind, *

Wenn man mit dem Wort g n ä d i g einen bestimmten (von gütig, wohltätig, schützend u. dergl. noch unterschiedenen) Begiriff verbinden will, so kann es nur demjenigen beigelegt werden, gegen welchen k e i n Z w a n g s r e c h t Statt hat. Also nur das Oberhaupt der S t a a t s v e r w a l t u n g, [[Anm. A 243>> der alles Gute, was nach öffentlichen Gesetzen möglich ist, bewirkt und erteilt, (denn der S o u v e r ä n, der sie gibt, ist gleichsam unsichtbar; er ist das personifizierte Gesetz selbst, nicht Agent) kann g n ä d i g e r H e r r betitelt werden, als der einzige, wider den kein Zwangsrecht Statt hat. So ist selbst in einer Aristokratie, wie z. B. in Venedig, der S e n a t der einzige gnädige Herr; die Nobili, welche ihn ausmachen, sind insgesamt, selbst den D o g e nicht ausgenommen (denn nur der g r o s s e Rat ist der Souverän) Untertanen, und, was die Rechtsausübung betrifft, allen anderen gleich, nämlich dass gegen jeden derselben ein Zwangsrecht dem Untertan zukommt. Prinzen (d. i. Personen, denen ein Erbrecht auf Regierungen zukommt) werden aber nun zwar auch in dieser Aussicht und wegen jener Anspruche (hofmässig, par courtoisie) gnädige Herren genannt; ihrem Besitzstande nach aber sind sie doch Mituntertanen, gegen die auch dem geringsten ihrer Diener vermittelst des Staatsoberhaupts ein Zwangsrecht zukommen muss. Es kann also im Staate nicht mehr als einen einzigen gnädigen Herrn geben. Was aber die gnädige (eigentlich vornehme) Frauen betrifft, so können sie so angesehen werden, dass ihr S t a n d zusamt ihrem G e s c h l e c h t (folglich nur gegen das m ä n n l i c h e) sie zu dieser Betitelung berechtige, und das vermöge der Verfeinerung der Sitten (Galanterie genannt), nach welcher das männliche sich desto mehr selbst zu ehren glaubt, als es dem schonen Geschlecht über sich Vorzüge einräumt.

doch nicht, was das Recht betrifft, diese Gesetze zu g e b e n, alle für gleich zu achten. Diejenigen, welche dieses Rechts nicht fähig sind, sind gleichwohl, als Glieder des gemeinen Wesens, der Befolgung dieser Gesetze unterworfen, und dadurch des Schutzes nach denselben teilhaftig; nur nicht als B ü r g e r, sondern als S c h u t z g e n o s s e n. – Alles Recht hängt nämlich von Gesetzen ab. Ein öffentliches Gesetz aber, welches für alle das, was ihnen rechtlich erlaubt oder unerlaubt sein soll, bestimmt, ist der Actus eines öffentlichen Willens, von dem alles Recht ausgeht, und der also selbst niemand muss Unrecht tun können. Hiezu aber ist kein anderer Wille, als der des gesamten Volks (da alle über alle, mithin ein jeder über sich selbst beschliesst), möglich: denn nur sich selbst kann niemand unrecht tun. Ist es aber ein anderer, so kann der blosse Wille eines von ihm Verschiedenen über ihn nichts beschliessen, was nicht unrecht sein könnte; folglich würde sein Gesetz [[A 245>> noch ein anderes Gesetz erfordern, welches seine Gesetzgebung einschränkte, mithin kann kein besonderer Wille für ein gemeines Wesen gesetzgebend sein. (Eigentlich kommen, um diesen Begriff auszumachen, die Begriffe der äusseren Freiheit, Gleichheit, und E i n h e i t des Willens aller zusammen, zu welcher letzteren, da Stimmgebung erfordert wird, wenn beide erstere zusammen genommen werden, Selbständigkeit die Bedingung ist.) Man nennt dieses Grundgesetz, das nur aus dem allgemeinen (vereinigten) Volkswillen entspringen kann, den u r s p r ü n g l i c h e n V e r t r a g. Derjenige nun, welcher das Stimmrecht in dieser Gesetzgebung hat, heisst ein B ü r g e r (citoyen, d. i. S t a a t s b ü r g e r, nicht Stadtbürger, bourgeois). Die dazu erforderliche Qualität ist, ausser der n a t ü r l i c h e n (dass es kein Kind, kein Weib sei), die einzige: dass er s e i n e i g e n e r H e r r (sui iuris) sei, mithin irgend ein Eigentum habe (wozu auch jede Kunst, Handwerk, oder schone Kunst, oder Wissenschaft gezählt werden kann), welches ihn ernährt; d. i. dass er, in denen Fällen, wo er von andern erwerben muss, um zu leben, nur durch V e r ä u s s e r u n g dessen was [[A 246>> sein* ist erwerbe, nicht durch Bewilligung, die er anderen gibt, von seinen Kräften Gebrauch zu machen, folglich dass er niemanden als dem [[A 247>> gemeinen Wesen im eigentlichen Sinne des Worts diene. Hier sind nun Kunstverwandte und grosse (oder kleine) Gutseigentümer alle einander gleich, nämlich jeder nur zu einer Stimme berechtigt. Denn, was die letztern betrifft, ohne einmal die Frage in Anschlag zu bringen: wie es doch mit Recht zugegangen sein mag, dass jemand mehr Land zu eigen bekommen hat, als er mit seinen Händen selbst benutzen könnte (denn die Erwerbung durch Kriegsbemächtigung ist keine erste Erwerbung); und wie es zuging, dass viele Mensehen, die sonst insgesamt einen beständigen Besitzstand hatten erwerben können, dadurch dahin gebracht sind, jenem bloss zu dienen, um leben zu können? so würde es schon wider den vorigen Grundsatz der Gleichheit streiten, wenn ein Gesetz sie mit dem Vorrecht des Standes privilegierte, dass ihre Nachkommen entweder immer grosse Gutseigentümer (der Lehne) bleiben sollten, ohne dass sie verkauft oder durch Vererbung geteilt und also mehreren im Volk zu Nutze kommen dürften, oder, auch selbst bei diesen Teilungen, niemand als der zu einer gewissen willkürlich dazu angeordneten Menschenklasse Gehörige davon etwas erwerben könnte. Der grosse Gutsbesitzer vernichtigt nämlich so viel kleinere [[A 248>> Eigentümer mit ihren Stimmen, als seinen Platz einnehmen könnten; stimmt also nicht in ihrem Namen, und hat mithin nur Eine Stimme. – Da es also bloss von dem Vermögen, dem *

Derjenige, welcher ein Opus verfertigt, kann es durch V e r ä u s s e r u n g an einen anderen bringen, gleich als ob es sein Eigentum wäre. Die praestatio operae aber ist keine Veräusserung. Der Hausbediente, der Ladendiener, der Taglöhner, selbst der Friseur sind bloss Operarii, nicht Artifices (in weiterer Bedeutung des Worts), und nicht Staatsglieder, mithin auch nicht Bürger zu sein qualifiziert. Obgleich der, welchem ich mein Brennholz aufzuarbeiten, und der Schneider, dem ich mein Tuch gebe, um daraus ein Kleid zu machen, sich in ganz ähnlichen Verhältnissen gegen mich zu befinden scheinen, so ist doch jener von diesem, wie Friseur vom Perückenmacher (dem ich auch das Haar dazu gegeben haben mag), also wie Taglöhner vom Künstler oder Handwerker, der ein Werk macht, das ihm gehört, so lange er nicht bezahlt ist, unterschieden. Der letztere, als Gewerbtreibende, verkehrt also sein Eigentum mit dem anderen (opus), der erstere den Gebrauch seiner Kräfte, den er einem anderen bewilligt (operam). – Es ist, ich gestehe es, etivas schwer, die Erfordernis zu bestimmen, um auf den Stand eines Menschen, der sein eigener Herr ist, Anspruch machen zu können.

Fleiss und dem Glück jedes Gliedes des gemeinen Wesens abhängend gelassen werden muss, dass jeder einmal einen Teil davon und alle das Ganze erwerben, dieser Unterschied aber bei der allgemeinen Gesetzgebung nicht in Anschlag gebracht werden kann: so muss nach den Köpfen derer, die im Besitzstand sind, nicht nach der Grösse der Besitzungen, die Zahl der Stimmfähigen zur Gesetzgebung beurteilt werden. Es müssen aber auch a l l e, die dieses Stimmrecht haben, zu diesem Gesetz der öffentlichen Gerechtigkeit zusammenstimmen; denn sonst würde zwischen denen, die dazu nicht übereinstimmen, und den ersteren ein Rechtstreit sein, der selbst noch eines höheren Rechtsprinzips bedürfte, um entschieden zu werden. Wenn also das erstere von einem ganzen Volk nicht erwartet werden darf, mithin nur eine Mehrheit der Stimmen und zwar nicht der Stimmenden unmittelbar (in einem grossen Volke), sondern nur der dazu Delegierten, als Repräsentanten des Volks, dasjenige ist, was allein man als erreichbar voraussehen kann: so [[A 249>> wird doch selbst der Grundsatz, sich diese Mehrheit genügen zu lassen, als mit allgemeiner Zusammenstimmung, also durch einen Kontrakt, angenommen, der oberste Grund der Errichtun, einer bürgerlichen Verfassung sein müssen. Folgerung Hier ist nun ein u r s p r ü n g l i c h e r K o n t r a k t, auf den allein eine bürgerliche, mithin durchgängig rechtliche Verfassung unter Menschen gegründet und ein gemeines Wesen errichtet werden kann. – Allein dieser Vertrag (contractus originarius oder pactum sociale genannt), als Koalition jedes besondern und Privatwillens in einem Volk zu einem gemeinschaftlichen und öffentlichen Willen (zum Behuf einer bloss rechtlichen Gesetzgebung), ist keinesweges als ein F a k t u m vorauszusetzen nötig (ja als ein solches gar nicht möglich); gleichsam als ob allererst aus der Geschichte vorher bewiesen werden müsste, dass ein Volk, in dessen Rechte und Verbindlichkeiten wir als Nachkommen getreten sind, e i n m a l wirklich einen solchen Actus verrichtet, und eine sichere Nachricht oder ein Instrument davon uns, mündlich oder schriftlich, hinterlassen haben müsse, um sich an eine schon bestehende bürgerliche Verfassung [[A 250>> für gebunden zu achten. Sondern es ist eine b l o s s e I d e e der Vernunft, die aber ihre unbezweifelte (praktische) Realität hat: nämlich jeden Gesetzgeber zu verbinden, dass er seine Gesetze so gebe, als sie aus dem vereinigten Willen eines ganzen Volks haben entspringen k ö n n e n, und jeden Untertan, so fern er Bürger sein will, so anzusehen, als ob er zu einem solchen Willen mit zusammen gestimmet habe. Denn das ist der Probierstein der Rechtmässigkeit eines jeden öffentlichen Gesetzes. Ist nämlich dieses so beschaffen, dass ein ganzes Volk u n m ö g l i c h dazu seine Einstimmung geben k ö n n t e (wie z. B. dass eine gewisse Klasse von U n t e r t a n e n erblich den Vorzug des H e r r e n s t a n d e s haben sollten), so ist es nicht gerecht; ist es aber n u r m ö g l i c h, dass ein Volk dazu zusammen stimme, so ist es Pflicht, das Gesetz für gerecht zu halten: gesetzt auch, dass das Volk itzt in einer solchen Lage, oder Stimmung seiner Denkungsart wäre, dass es, wenn es darum befragt würde, wahrscheinlicherweise seine Beistimmung verweigern würde.* [[A 251>> Aber diese Einschränkung gilt offenbar nur für das Urteil des Gesetzgebers, nicht des Untertans. Wenn also ein Volk unter einer gewissen itzt wirklichen Gesetzgegung seine Glückseligkeit einzubüssen mit grösster Wahrscheinlichkeit urteilen *

Wehn z. B. eine für alle Untertanen proportionierte Kriegssteuer ausgeschrieben würde, so können diese darum, weil sie drückend ist, nicht sagen, [[Anm. A 251>> dass sie ungerecht sei, weil etwa der Krieg, ihrer Meinung nach, unnötig wäre: denn das sind sie nicht berechtigt zu beurteilen; sondern, weil es doch immer m ö g l i c h bleibt, dass er unvermeidlich und die Steuer unentbehrlich sei, so muss sie in dem Urteile des Untertans für rechtmässig gelten. Wenn aber gewisse Gutseigentümer in einem solchen Kriege mit Lieferungen belästigt, andere aber desselben Standes damit verschont würden: so sieht man leicht, ein ganzes Volk könne zu einem solchen Gesetz nicht zusammen stimmen, und es ist befugt, wider dasselbe wenigstens Vorstellungen zu tun, weil es diese ungleiche Austeilung der Lasten nicht für gerecht halten kann.

sollte: was ist für dasselbe zu tun ? soll es sich nicht widersetzen ? Die Antwort kann nur sein: es ist für dasselbe nichts zu tun, als zu gehorchen. Denn die Rede ist hier nicht von Glückseligkeit, die aus einer Stiftung oder Verwaltung des gemeinen Wesens für den Untertan zu erwarten steht; sondern allererst bloss vom Rechte, das [[A 252>> dadurch einem jeden gesichert werden soll: welches das oberste Prinzip ist, von welchem alle Maximen, die ein gemeines Wesen betreffen, ausgehen müssen, und das durch kein anderes eingeschränkt wird. In Ansehung der ersteren (der Glückseligkeit) kann gar kein allgemein gültiger Grundsatz für Gesetze gegeben werden. Denn, so wohl die Zeitumstände, als auch der sehr einander widerstreitende und dabei immer veränderliche Wahn, worin jemand seine Glückseligkeit setzt (worin er sie aber setzen soll, kann ihm niemand vorschreiben), macht alle feste Grundsätze unmöglich, und zum Prinzip der Gesetzgebung für sich allein untauglich. Der Satz: Salus publica suprema civitatis lex est 1, bleibt in seinem unverminderten Wert und Ansehen; aber das öffentliche Heil, welches zuerst in Betrachtung zu ziehen steht, ist gerade diejenige gesetzliche Verfassung, die jedem seine Freiheit durch Gesetze sichert: wobei es ihm unbenommen bleibt, seine Glückseligkeit auf jedem Wege, welcher ihm der beste dünkt, zu suchen, wenn er nur nicht jener allgemeinen gesetzmässigen Freiheit, mithin dem Rechte anderer Mituntertanen, Abbruch tut. Wenn die oberste Macht Gesetze gibt, die zunächst auf die Glückseligkeit (die Wohlhabenheit [[A 253>> der Bürger, die Bevölkerung u. dergl.) gerichtet sind: so geschieht dieses nicht als Zweck der Errichtung einer bürgerlichen Verfassung, sondern bloss als Mittel, den r e c h t l i c h e n Z u s t a n d vornehmlich gegen äussere Feinde des Volks zu s i c h e r n. Hierüber muss das Staatsoberhaupt befugt sein, selbst und allein zu urteilen, ob dergleichen zum Flor des gemeinen Wesens gehöre, welcher erforderlich ist, um seine Stärke und Festigkeit so wohl innerlich, als wider äussere Feinde, zu sichern; so aber das Volk nicht gleichsam wider seinen Willen glücklich zu machen, sondern nur zu machen, dass es als gemeines Wesen existiere.* In dieser Beurteilung, ob jene Massregel k l ü g l i c h genommen sei oder nicht, kann nun zwar der Gesetzgeber irren, aber nicht in der, da er sich selbst fragt, ob das Gesetz auch mit dem Rechtsprinzip zusammen stimme oder nicht; denn da hat er jene [[A 254>> Idee des ursprünglichen Vertrags zum unfehlbaren Richtmasse, und zwar a priori, bei der Hand (und darf nicht, wie beim Glückseligkeitsprinzip, auf Erfahrungen harren, die ihm1 von der Tauglichkeit seiner Mittel allererst belehren müssen). Denn wenn es sich nur nicht widerspricht, dass ein ganzes Volk zu einem solchen Gesetze zusammen stimme, es mag ihm auch so sauer ankommen wie es wolle: so ist es dem Rechte gemäss. Ist aber ein öffentliches Gesetz diesem gemäss, folglich in Rücksicht auf das Recht untadelig (i r r e p r e h e n s i b e l): so ist damit auch die Befugnis zu zwingen, und auf der anderen Seite das Verbot, sich dem Willen des Gesetzgebers ja nicht tätlich zu widersetzen, verbunden: d. i. die Macht im Staate, die dem Gesetze Effekt gibt, ist auch unwiderstehlich (i r r e s i s t i b e l), und es existiert kein rechtlich bestehendes gemeines Wesen ohne eine solche Gewalt, die allen innern Widerstand niederschlägt, weil dieser einer Maxime gemäss geschehen würde, die, allgemein gemacht, alle bürgerliche Verfassung zernichten und den Zustand, worin allein Menschen im Besitz der Rechte überhaupt sein können, vertilgen würde. Hieraus folgt: dass alle Widersetzlichkeit gegen die oberste gesetzgebende Macht, alle Aufwie[[A 255>>gelung, um Unzufriedenheit der Untertanen tätlich werden zu lassen, aller Aufstand, der in Rebellion ausbricht, das höchste und strafbarste Verbrechen im gemeinen Wesen ist; weil es dessen Grundfeste zerstört. Und dieses Verbot ist u n b e d i n g t, so dass, es mag auch jene Macht oder ihr Agent, das Staatsoherhaupt, so gar den ursprünglichen 1

Übersetzung des Herausgebers: „Das öffentliche Wohl ist das oberste Gesetz des Staates“. Dahin gehören gewisse Verbote der Einfuhr, damit die Erwerbmittel dem Untertanen zum Besten und nicht zum Vorteil der Auswärtigen und Aufmunterung des Fleisses anderer befördert werden, weil der Staat, ohne Wohlhabenheit des Volks, nicht Kräfte genug besitzen würde, auswärtigen Feinden zu widerstehen, oder sich selbst als gemeines Wesen zu erhalten. 1 Akad.-Ausg.: „die ihn”. *

Vertrag verletzt und sich dadurch des Rechts, Gesetzgeber zu sein, nach dem Begriff des Untertans, verlustig gemacht haben, indem sie dic Regierung bevollmächtigt, durchaus gewalttätig (tyrannisch) zu verfahren, dennoch dem Untertan kein Widerstand, als Gegengewalt, erlaubt bleibt. Der Grund davon ist: weil bei einer schon subsistierenden bürgerlichen Verfassung das Volk kein zu Recht beständiges Urteil mehr hat, zu bestimmen: wie jene solle verwaltet werden. Denn man setze: es habe ein solches, und zwar dem Urteile des wirklichen Staatsoberhaupts zuwider: wer soll entscheiden, auf wessen Seite das Recht sei? Keiner von beiden kann es, als Richter in seiner eigenen Sache, tun. Also müsste es noch ein Oberhaupt über dem Oberhaupte geben, welches zwischen diesem und dem Volk entschiede; welches sich widerspricht. – Auch kann nicht etwa [[A 256>> ein Notrecht (ius in casu necessitatis), welches ohnehin, als ein vermeintes R e c h t, in der höchsten (physischen) Not U n r e c h t zu tun, ein Unding ist, * hier eintreten, und zur Hebung des die Eigenmacht des Volks einschränkenden Schlagbaums den Schlüssel hergeben. Denn das Oberhaupt des Staats kann eben so wohl sein hartes Verfahren gegen die Untertanen durch ihre Widerspenstigkeit, als diese ihren Aufruhr durch Klage über ihr ungebührliches Leiden gegen ihn zu rechtfertigen meinen; und wer soll hier nun entscheiden ? Wer sich im Besitz der obersten [[A 257>> öffentlichen Rechtspflege befindet, und das ist gerade das Staatsoberhaupt, dieses kann es allein tun; und niemand im gemeinen Wesen kann also ein Recht haben, ihm diesen Besitz streitig zu machen. Gleichwohl finde ich achtungswürdige Männer, welche diese Befugnis des Untertans zur Gegengewalt gegen seinen Obern unter gewissen [[A 258>> Umständen behaupten, unter denen ich hier nur den in seinen Lehren des Naturrechts sehr behutsamen, bestimmten und bescheidenen A c h e n w a l l anführen will. * Er sagt: „Wenn die Gefahr, die dem gemeinen Wesen aus längerer Duldung der Ungerechtigkeit des Oberhaupts droht, grösser ist, als von Ergreifung der Waffen gegen ihn besorgt werden kann: alsdann könne das Volk jenem widerstehen, zum Behuf dieses Rechts von seinem Unterwerfungsvertrag abgehen, und ihn als Tyrannen entthronen«. Und er schliesst darauf: „Es kehre das Volk auf solche Art (beziehungsweise auf seinen vorigen Oberherrn) in den Naturzustand zurück“. Ich glaube gern, dass weder A c h e n w a l l, noch irgend einer der wackeren Männer, die hierüber mit ihm einstimmig vernünftelt haben, je in irgend einem vorkommenden Fall zu so gefährlichen Unternehmungen ihren Rat oder Beistimmung würden gegeben haben; auch ist kaum zu bezweifeln, dass, wenn jene Empörungen, wodurch die Schweiz, die Vereinigten Niederlande, oder auch Grossbritannien ihre itzige für so glück[[A 259>>lich gepriesene Verfassung errungen haben, misslungen wären, die Leser der Geschichte derselben in der Einrichtung ihrer itzt so erhobenen Urheher nichts als verdiente Strafe grosser *

Es gibt keinen casus necessitatis, als in dem Fall, wo Pflichten: n ä m l i c h u n b e d i n g t e und (zwar vielleicht grosse, aber doch) b e d i n g t e P f l i c h t, gegen einander streiten; z. B. wenn es auf Abwendung eines Unglücks vom Staat durch den Verrat eines Menschen ankommt, der gegen einen andern in einem Verhältnis, etwa wie Vater und Sohn, stände. Diese Abwendung des Übels des ersteren ist unbedingte, die des Unglücks des letzteren aber nur bedingte Pflicht (nämlich so fern er sich nicht eines Verbrechens wider den Staat schuldig gemacht hat). Die Anzeige, die der letztere von der Unternehmung des ersteren der Obrigkeit machen würde, tut er vielleicht mit dem grössten Widerwillen, aber durch Not (nämlich [[Anm. A 257>> die moralische) gedrungen. – Wenn aber von einem, welcher einen andern Schiffbrüchigen von seinem Brett stösst, um sein eignes Leben zu erhalten, gesagt wird: er habe durch seine Not (die physische) ein Recht dazu bekommen: so ist das ganz falsch. Denn, mein Leben zu erhalten, ist nur bedingte Pflicht (wenn es ohne Verbrechen geschehen kann); einem andern aber, der mich nicht beleidigt, ja gar nicht einmal in Gefahr, das meinige zu verlieren, b r i n g t, es nicht zu nehmen, ist unbedingte Pflicht. Die Lehrer des allgemeinen bürgerlichen Rechts verfahren gleichwohl mit der rechtlichen Befugnis, die sie dieser Nothülfe zugestehen, ganz konsequent. Denn die Obrigkeit kann keine S t r a f e mit dem Verbot verbinden, weil diese Strafe der Tod sein müsste. Es wäre aber ein ungereimtes Gesetz, jemanden den Tod androhen, wenn er sich in gefährlichen Umständen dem Tode nicht frei willig überlieferte. *

Ius Naturae. Editio 5ta. Pars posterior, §§ 203-206.

Staatsverbrecher sehen würden. Denn der Ausgang mischt sich gewöhnlich in unsere Beurteilung der Rechtsgründe, ob zwar jener ungewiss war, diese aber gewiss sind. Es ist aber klar, dass, was die letzteren betrifft, – wenn man auch einräumt, dass durch eine solche Empörung dem Landesherrn (der etwa eine joyeuse entrée, als einen wirklichen zum Grunde liegenden Vertrag mit dem Volk, verletzt hätte) kein Unrecht geschähe, – das Volk doch durch diese Art, ihr Recht zu suchen, im höchsten Grade Unrecht getan habe; weil dieselbe (zur Maxime angenommen) alle rechtliche Verfassung unsicher macht, und den Zustand einer völligen Gesetzlosigkeit (status naturalis), wo alles Recht aufhört, wenigstens Effekt zu haben, einführt. – Nur will ich, bei diesem Hange so vieler wohldenkenden Verfasser, dem Volk (zu seinem eigenen Verderben) das Wort zu reden, bemerken: dass dazu teils die gewöhnliche Täuschung, wenn vom Prinzip des Rechts die Rede ist, das Prinzip der Glückseligkeit ihren Urteilen unterzuschieben, die Ursache sei; teils auch, wo [[A 260>> kein Instrument eines wirklich dem gemeinen Wesen vorgelegten, vom 0berhaupt desselben akzeptierten und von beiden sanktionierten, Vertrags anzutreffen ist, sie die Idee von einem ursprünglichen Vertrag, die immer in der Vernunft zum Grunde liegt, als etwas, welches wirklich geschehen sein müsse, annahmen, und so dem Volke immer die Befugnis zu erhalten meinten, davon bei einer groben, aber von ihm selbst dafür beurteilten Verletzung nach seinem Gutdünken abzugehen.* [[A 261>> Man sieht hier offenbar, was das Prinzip der Glückseligkeit (welche eigentlich gar keines bestimmten Prinzips fähig ist) auch im Staatsrecht für Böses anrichtet, so wie es solches in der Moral tut, auch selbst bei der besten Meinung, die der Lehrer desselben beabsichtigt. Der Souverän will das Volk nach seinen Begriffen glücklich machen, und wird Despot; das Volk will sich den allgemeinen menschlichen Anspruch auf eigene Glückseligkeit nicht nehmen lassen, und wird Rebell. Wenn man zu allererst gefragt hätte, was Rechtens ist (wo die Prinzipien a priori feststehen, und kein Empiriker darin pfuschen kann): so würde die Idee des Sozialkontrakts in ihrem unbestreitbaren Ansehen bleiben: aber nicht als Faktum (wie D a n t o n will, ohne welches er alle in der wirklich existierenden bürgerlichen Verfassung befindlichen Rechte und alles Eigentum für null und nichtig erklärt), sondern nur als Vernunftprinzip der Beurteilung aller öffentlichen rechtlichen Verfas[[A 262>>sung überhaupt. Und man wurde einsehen: dass, ehe der allgemeine Wille da ist, das Volk gar kein Zwangsrecht gegen seinen Gebieter besitze, weil es nur durch diesen rechtlich zwingen kann; ist jener aber da, eben sowohl kein von ihm gegen diesen auszuübender Zwang Statt finde, weil es alsdann selbst der oberste Gebieter wäre; mithin dem Volk gegen das Staatsoberhaupt nie ein Zwangsrecht (Widersetzlichkeit in Worten oder Werken) zukomme. Wir sehen auch diese Theorie in der Praxis hinreichend bestätigt. In der Verfassung von Grossbritannien, wo das Volk mit seiner Konstitution so gross tut, als ob sie das Muster für alle Welt wäre, finden wir doch, dass sie von der Befugnis, die dem Volk, im Fall der Monarch den Kontrakt von 1688 übertreten sollte, zusteht, ganz still schweigt; mithin sich gegen ihn, wenn er sie verletzen wollte, weil kein Gesetz hierüber da ist, in Geheim Rebellion vorbehalt. Denn dass die Konstitution auf diesen Fall ein Gesetz enthalte, welches die subsistierende Verfassung, von der alle besondern Gesetze ausgehen, (gesetzt auch der Kontrakt sei verletzt) umzustürzen berechtigte: ist ein klarer Widerspruch; weil sie alsdann *

Es mag auch immer der wirkliche Vertrag des Volks mit dem Oberherren verletzt sein: so kann dieses doch alsdann nicht sofort a l s g e m e i n e s W e s e n, sondern nur durch Rottierung, entgegenwirken. Denn die bisher bestandene Verfassung war vom Volk zerrissen; die Organisation aber zu einem neuen gemeinen Wesen sollte allererst noch geschehen. Hier tritt nun der Zustand der Anarchie mit allen ihren Greueln ein, die wenigstens dadurch möglich sind; und das Unrecht, welches hier geschieht, ist alsdann das, was eine jede Partei der andern im Volke zufügt: wie auch aus dem angeführten Beispiel erhellet, wo die aufrührerischen Untertanen jenes Staats zuletzt einander mit Gewalt eine Verfassung aufdringen wollten, die weit drückender geworden wäre, als die, welche [[Anm. A 261>> sie verliessen; nämlich von Geistlichen und Aristokraten verzehrt zu werden, statt dass sie unter einem alle beherrschenden Oberhaupt mehr Gleichheit in Verteilung der Staatsbürden erwarten könnten.

auch eine [[A 263>> ö f f e n t l i c h k o n s t i t u i e r t e * Gegenmacht enthalten müsste, mithin noch ein zweites Staatsoberhaupt, welches die Volksrechte gegen das erstere beschützte, sein musste, dann aber auch ein drittes, welches zwischen beiden, auf wessen Seite das Recht sei, entschiede. – Auch haben jene Volksleiter (oder, wenn man will, Vormünder), besorgt wegen einer solchen Anklage, wenn ihr Unternehmen etwa fehl schlüge, dem von ihnen weggeschreckten Monarchen lieber eine freiwillige Verlassung der Regierung a n g e d i c h t e t, als sich das Recht der Absetzung desselben angemasst, wodurch sie die Verfassung in offenbaren Widerspruch mit sich selbst würden versetzt haben. Wenn man mir nun bei diesen meinen Behauptungen den Vorwurf gewiss nicht machen wird, dass ich durch diese Unverletzbarkeit den Monarchen [[A 264>> zu viel schmeichele: so wird man mir hoffentlich auch denjenigen ersparen, dass ich dem Volk zu Gunsten zu viel behaupte, wenn ich sage, dass dieses gleichfalls seine unverlierbaren Rechte gegen das Staatsoberhaupt habe, obgleich diese keine Zwangsrechte sein können. H o b b e s ist der entgegengesetzten Meinung. Nach ihm (de Cive, cap. 7, § 14) ist das Staatsoberhaupt durch Vertrag dem Volk zu nichts verbunden, und kann dem Bürger nicht Unrecht tun (er mag über ihn verfügen was er wolle). – Dieser Satz würde ganz richtig sein, wenn man unter Unrecht diejenige Läsion versteht, welche dem Beleidigten ein Z w a n g s r e c h t gegen denjenigen einräumt, der ihm Unrecht tut; aber, so im allgemeinen, ist der Satz erschrecklich. Der nicht-widerspenstige Untertan muss annehmen können, sein Oberherr w o l l e ihm nicht Unrecht tun. Mithin, da jeder Mensch doch seine unverlierbaren Rechte hat, die er nicht einmal aufgeben kann, wenn er auch wollte, und über die er selbst zu urteilen befugt ist; das Unrecht aber, welches ihm seiner Meinung nach widerfährt, nach jener Voraussetzung nur aus Irrtum oder Unkunde gewisser Folgen aus Gesetzen der obersten Macht geschieht: so muss dem Staats[[A 265>>bürger, und zwar mit Vergünstigung des Oberherrn selbst, die Befugnis zustehen, seine Meinung über das, was von den Verfügungen desselben ihm ein Unrecht gegen das gemeine Wesen zu sein scheint, öffentlich bekannt zu machen. Denn, dass das Oberhaupt auch nicht einmal irren, oder einer Sache unkundig sein könne, anzunehmen, würde ihn als mit himmlischen Eingebungen begnadigt und über die Menschheit erhaben vorstellen. Also ist d i e F r e i h e i t d e r F e d e r – in den Schranken der Hochachtung und Liebe für die Verfassung worin man lebt, durch die liberale Denkungsart der Untertanen, die jene noch dazu selbst einflösst, gehalten (und dahin beschränken sich auch die Federn einander von selbst, damit sie nicht ihre Freiheit verlieren) – das einzige Palladium der Volksrechte. Denn diese Freiheit ihm auch absprechen zu wollen, ist nicht allein so viel, als ihm allen Anspruch auf Recht in Ansehung des obersten Befehlshabers (nach Hobbes) nehmen, sondern auch dem letzteren, dessen Wille bloss dadurch, dass er den allgemeinen Volkswillen repräsentiert, Untertanen als Bürgern Befehle gibt, alle Kenntnis von dem entziehen, was, wenn er es wüsste, er selbst abändern würde, und ihn mit sich selbst in Widerspruch setzen. Dem Ober[[A 266>>haupte aber Besorgnis einzuflössen: dass durch Selbst- und Lautdenken Unruhen im Staate erregt werden dürften, heisst so viel, als ihm Misstrauen gegen seine eigene Macht, oder auch Hass gegen sein Volk erwecken. Das allgemeine Prinzip aber, wornach ein Volk seine Rechte n e g a t i v, d. i. bloss zu beurteilen hat, was von der höchsten Gesetzgebung als mit ihrem besten Willen n i c h t v e r o r d n e t anzusehen sein möchte, ist in dem Satz enthalten: W a s e i n V o l k ü b e r s i c h s e l b s t n i c h t b e s c h l i e s s e n k a n n, d a s k a n n d e r G e s e t z g e b e r a u c h n i c h t ü b e r d a s V o l k b e s c h l i e s s e n. *

Kein Recht im Staate kann durch einen geheimen Vorbehalt, gleichsam heimtückisch, verschwiegen werden; am wenigsten das Recht, welches sich das Volk, als ein zur Konstitution gehöriges, anmasst; weil alle Gesetze derselben als aus einem öffentlichen Willen entsprungen gedacht werden müssen. Es müsste also, wenn die Konstitution Aufstand erlaubte, diese das Recht dazu, und auf welche Art davon Gebrauch zu machen sei, öffentlich erklären.

Wenn also z. B. die Frage ist: Ob ein Gesetz, das eine gewisse einmal angeordnete kirchliche Verfassung für beständig fortdaurend anbefohle, als von dem eigentlichen Willen des Gesetzgebers (seiner Absicht) ausgehend angesehen werden könne ? so frage man sich zu erst: Ob ein Volk es sich selbst zum Gesetz machen d ü r f e, dass gewisse einmal angenommene Glaubenssätze und Formen der äussern Religion für immer bleiben sollen; also ob es sich selbst in seiner Nachkommenschaft hindern dürfe, in Religionseinsichten weiter fortzuschreiten, oder etwanige alte Irrtümer abzuändern ? Da wird nun klar, dass ein ursprünglicher Kon[[A 267>>trakt des Volks, welcher dieses zum Gesetz machte, an sich selbst null und nichtig sein würde: weil er wider die Bestimmung und Zwecke der Menschheit streitet; mithin ein darnach gegebenes Gesetz nicht als der eigentliche Wille des Monarchen, dem also Gegenvorstellungen gemacht werden können, anzusehen ist. – In allen Fällen aber, wenn etwas gleichwohl doch von der obersten Gesetzgebung so verfügt wäre, können zwar allgemeine und öffentliche Urteile darüber gefällt, nie aber wörtlicher oder tätlicher Widerstand dagegen aufgeboten werden. Es muss in jedem gemeinen Wesen ein Gehorsam, unter dem Mechanismus der Staatsverfassung nach Zwangsgesetzen (die aufs Ganze gehen), aber zugleich ein G e i s t d e r F r e i h e i t sein, da jeder, in dem was allgemeine Menschenpflicht betrifft, durch Vernunft überzeugt zu sein verlangt, dass dieser Zwang rechtmässig sei, damit er nicht mit sich selbst in Widerspruch gerate. Der erstere, ohne den letzteren, ist die veranlassende Ursache aller g e h e i m e n G e s e l l s c h a f t e n. Denn es ist ein Naturberuf der Menschheit, sich, vornehmlich in dem, was den Menschen überhaupt angeht, einander mitzuteilen; jene Gesellschaften also würden wegfallen, wenn diese Freiheit begünstigt [[A 268>> wird. – Und wodurch anders können auch der Regierung die Kenntnisse, kommen, die ihre eigene wesentliche Absicht befördern, als dass sie den in seinem Ursprung und in seinen Wirkungen so achtungswürdigen Geist der Freiheit sich äussern lässt? *** Nirgend spricht eine alle reine Vernunftprinzipien vorheigehende Praxis mit mehr Anmassung über Theorie ab, als in der Frage über die Erfordernisse zu einer guten Staatsverfassung. Die Ursache ist, weil eine lange bestandene gesetzliche Verfassung das Volk nach und nach an eine Regel gewöhnt, ihre Glückseligkeit so wohl als ihre Rechte nach dem Zustande zu beurteilen, in welchem alles bisher in seinem ruhigen Gange gewesen ist; nicht aber umgekehrt diesen letzteren nach Begriffen, die ihnen von beiden durch die Vernunft an die Hand gegeben werden, zu schätzen: vielmehr jenen passiven Zustand immer doch der gefahrvollen Lage noch vorzuziehen, einen bessern zu suchen (wo dasjenige gilt, was Hippokrates den Ärzten zu beherzigen gibt: iudicium anceps, experimentum periculosum1). Da nun alle lange genug bestandenen Verfassungen, sie mögen Mängel haben welche sie wollen, hierin bei aller ihrer Ver[[A 269>>schiedenheit einerlei Resultat geben, nämlich mit der, in welcher man ist, zufrieden zu sein: so gilt, wenn auf das V o l k s w o h l e r g e h e n gesehen wird, eigentlich gar keine Theorie, sondern alles beruht auf einer der Erfahrung folgsamen Praxis. Gibt es aber in der Vernunft so etwas, als sich durch das Wort S t a a t s r e c h t ausdrücken lässt; und hat dieser Begriff für Menschen, die im Antagonism ihrer Freiheit gegen einander stehen, verbindende Kraft, mithin objektive (praktische) Realität, ohne dass auf das Wohl- oder Übelbefinden, das ihnen daraus entspringen mag, noch hingesehen werden darf (wovon die Kenntnis bloss auf Erfahrung beruht): so gründet es sich auf Prinzipien a priori (denn, was Recht sei, kann nicht Erfahrung lehren); und es gibt eine T h e o r i e des Staatsrechts, ohne Einstimmung mit welcher keine Praxis gültig ist. Hiewider kann nun nichts aufgebracht werden, als: dass, ob zwar die Menschen die Idee von ihnen zustehenden Rechten im Kopf haben, sie doch, ihrer Herzenshärtigkeit halber, unfähig und unwürdig wären, darnach behandelt zu werden, und daher eine oberste bloss nach Klugheitsregeln verfahrende Gewalt sie in Ordnung halten dürfe und müsse. Dieser 1

Übersetzung des Herausgebers: „die Beurteilung ist schwankend, der Versuch gefahrvoll“.

Verzweifelungssprung [[A 270>> (salto mortale) ist aber von der Art, dass, wenn einmal nicht vom Recht, sondern nur von der Gewalt die Rede ist, das Volk auch die seinige versuchen, und so alle gesetzliche Verfassung unsicher machen dürfe. Wenn nicht etwas ist, was durch Vernunft unmittelbar Achtung abnötigt (wie das Menschenrecht), so sind alle Einflüsse auf die Willkür der Menschen unvermögend, die Freiheit derselben zu bändigen. Aber wenn, neben dem Wohlwollen, das Recht laut spricht, dann zeigt sich die menschliche Natur nicht so verunartet, dass seine Stimme von derselben nicht mit Ehrerbietung angehört werde. (Tum pietate gravem meritisque si forte virum quem Conspexere, silent arrectisque auribus adstant. * Virgil.) III. VOM VERHÄLTNIS DER THEORIE ZUR PRAXIS IM VÖLKERRECHT IN ALLGEMEIN-PHILANTHROPISCHER, D. I. KOSMOPOLITISCHER ABSICHT BETRACHTET* (Gegen M o s e s M e n d e l s s o h n ) Ist das menschliche Geschlecht im ganzen zu lieben; oder ist es ein Gegenstand, den man mit [[A 271>> Unwillen betrachten muss, dem man zwar (um nicht Misanthrop zu werden) alles Gute wünscht, es doch aber nie an ihm erwarten, mithin seine Augen lieber von ihm abwenden muss ? – Die Beantwortung dieser Frage beruht auf der Antwort, die man auf eine andere geben wird: Sind in der menschlichen Natur Anlagen, aus welchen man abnehmen kann, die Gattung werde immer zum Bessern fortschreiten; und das Böse itziger und vergangener Zeiten sich in dem Guten der künftigen verlieren ? Denn so können wir die Gattung doch wenigstens in ihrer beständigen Annäherung zum Guten lieben, sonst müssten wir sie hassen oder verachten; die Ziererei mit der allgemeinen Menschenliebe (die alsdann höchstens nur eine Liebe des Wohlwollens, nicht des Wohlgefallens, sein würde) mag dagegen sagen was sie wolle. Denn was böse ist und bleibt, vornehmlich das in vorsetzlicher wechselseitiger Verletzung der hei[[A 272>>ligsten Menschenrechte, das kann man – auch bei der grössten Bemühung, Liebe in sich zu erzwingen – doch nicht vermeiden zu hassen: nicht gerade um Menschen Übels zuzufügen, aber doch so wenig wie möglich mit ihnen zu tun zu haben. M o s e s M e n d e l s s o h n war der letzteren Meinung (J e r u s a l e m, zweiter Abschnitt, S. 44 bis 47) die er seines Freundes L e s s i n g s Hypothese von einer göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts entgegensetzt. Es ist ihm Hirngespinst: “dass das Ganze, die Menschheit hienieden, in der Folge der Zeiten immer vorwärts rücken und sich vervollkommnen solle. – Wir sehen, sagt er, das Menschengeschlecht im ganzen kleine Schwingungen machen; und es tat nie einige Schritte vorwärts, ohne bald nachher mit gedoppelter Geschwindigkeit in seinen vorigen Zustand zurück zu gleiten.” (Das ist so recht der Stein des Sisyphus; und man nimmt, auf diese Art, gleich dem Indier, die Erde als den Büssungsort für alte, itzt nicht mehr erinnerliche, Sünden an.) – “Der Mensch geht weiter; aber die Menschheit schwankt beständig zwischen festgesetzten Schranken auf und nieder; behält aber, im ganzen betrachtet, in allen Perioden der Zeit ungefähr dieselbe Stufe der Sittlichkeit, das[[A 273>>selbe Mass von Religion und Irreligion, von Tugend und Laster, *

Übersetzung des Herausgebers: „Wenn sie dann etwa einen aufgrund von Rechtlichkeit und Verdiensten angesehenen Mann erblicken, so schweigen sie und bleiben mit gespitzten Ohren stehen.“ * Es fällt nicht so fort in die Augen, wie eine allgemein-p h i l a n t h r o p i s c h e Voraussetzung auf eine [[Anm. A 271>> w e l t b ü r g e r l i c h e Verfassung, diese aber auf die Gründung eines V ö l k e r r e c h t s hinweise, als einen Zustand, in welchem allein die Anlagen der Menschheit gehörig entwickelt werden können, die unsere Gattung liebenswürdig machen. – Der Beschluss dieser Nummer wird diesen Zusammenhang vor Augen stellen.

von Glückseligkeit (?) und Elend.” – Diese Behauptungen leitet er (S. 46) dadurch ein, dass er sagt: “Ihr wollt erraten, was für Absichten die Vorsehung mit der Menschheit habe ? Schmiedet keine Hypothesen” (Theorie hatte er diese vorher genannt); “schauet nur umher auf das, was wirklich geschieht, und, wenn ihr einen Überblick auf die Geschichte aller Zeiten werfen könnt, auf das, was von jeher geschehen ist. Dieses ist Tatsache; dieses muss zur Absicht gehört haben, muss in dem Plane der Weisheit genehmigt, oder wenigstens mit aufgenommen worden sein.” Ich bin anderer Meinung. – Wenn es ein einer Gottheit würdiger Anblick ist, einen tugendhaften Mann mit Widerwärtigkeiten und Versuchungen zum Bösen ringen, und ihn dennoch dagegen Stand halten zu sehen: so ist es ein, ich will nicht sagen einer Gottheit, sondern selbst des gemeinsten aber wohldenkenden Menschen höchst unwürdiger Anblick, das menschliche Geschlecht von Periode zu Periode zur Tugend hinauf Sehritte tun, und bald darauf eben so tief wieder in Laster und Elend zurückfallen zu sehen. Eine Weile diesem Trauerspiel zuzuschauen, kann [[A 274>> vielleicht ruhrend und belehrend sein; aber endlich muss doch der Vorhang fallen. Denn auf die Länge wird es zum Possenspiel; und, wenn die Akteure es gleich nicht müde werden, weil sie Narren sind, so wird es doch der Zuschauer, der an einem oder dem andern Akt genug hat, wenn er daraus mit Grunde abnehmen kann, dass das nie zu Ende kommende Stück ein ewiges Einerlei sei. Die am Ende folgende Strafe kann zwar, wenn es ein blosses Schauspiel ist, die unangenehmen Empfindungen durch den Ausgang wiederum gut machen. Aber Laster ohne Zahl (wenn gleich mit dazwischen eintretenden Tugenden) in der Wirklichkeit sich über einander türmen zu lassen, damit dereinst recht viel gestraft werden könne: ist, wenigstens nach unseren Begriffen, sogar der Moralität eines weisen Welturhebers und Regierers zuwider.

Ich werde also annehmen dürfen: dass, da das menschliche Geschlecht beständig im Fortrücken in Ansehung der Kultur, als dem Naturzwecke desselben, ist, es auch im Fortschreiten zum Besseren in Ansehung des moralischen Zwecks seines Daseins begriffen sei, und dass dieses zwar bisweilen u n t e r b r o c h e n, aber nie a b g e b r o c h e n [[A 275>> sein werde. Diese Voraussetzung zu beweisen, habe ich nicht nötig; der Gegner derselben muss beweisen. Denn ich stütze mich auf meine angeborne Pflicht, in jedem Gliede der Reihe der Zeugungen – worin ich (als Mensch überhaupt) bin, und doch nicht mit der an mir erforderlichen moralischen Beschaffenheit so gut, als ich sein sollte, mithin auch könnte – so auf die Nachkommenschaft zu wirken, dass sie immer besser werde (wovon also auch die Möglichkeit angenommen werden muss), und dass so diese Pflicht von einem Gliede der Zeugungen zum andern sich rechtmässig vererben könne. Es mögen nun auch noch so viel Zweifel gegen meine Hoffnungen aus der Geschichte gemacht werden, die, wenn sie beweisend wären, mich bewegen könnten, von einer dem Anschein nach vergeblichen Arbeit abzulassen: so kann ich doch, so lange dieses nur nicht ganz gewiss gemacht werden kann, die Pflicht (als das Liquidum) gegen die Klugheitsregel, aufs Untunliche nicht hinzuarbeiten, (als das Illiquidum, weil es blosse Hypothese ist) nicht vertauschen; und, so ungewiss ich immer sein und bleiben mag, ob für das menschliche Geschlecht das Bessere zu hoffen sei, so kann dieses doch nicht der Maxime, mithin auch nicht der not[[A 276>>wendigen Voraussetzung derselben in praktischer Absicht, dass es tunlich sei, Abbruch tun. Diese Hoffnung besserer Zeiten, ohne welche eine ernstliche Begierde, etwas dem allgemeinen Wohl Erspriessliches zu tun, nie das menschliche Herz erwärmt hätte, hat auch jederzeit auf die Bearbeitung der Wohldenkenden Einfluss gehabt; und der gute Mendelssohn musste doch auch darauf gerechnet haben, wenn er für Aufklärung und Wohlfahrt der Nation, zu welcher er gehörte, so eifrig bemühet war. Denn selbst und für sich allein sie zu bewirken, wenn nicht andere nach ihm auf derselben Bahn weiter fort gingen, konnte er vernünftiger Weise nicht hoffen. Bei dem traurigen Anblick, nicht so wohl der Übel, die das menschliche Geschlecht aus Naturursachen drücken, als vielmehr derjenigen, welche die Menschen sich unter einander selbst antun, erheitert sich doch das Gemüt durch die Aussicht, es könne künftig besser werden: und zwar mit uneigennützigem Wohlwollen, wenn wir längst im Grabe sein, und die Früchte, die wir zum Teil selbst gesäet haben, nicht einernten werden. Empirische Beweisgründe wider das Gelingen dieser auf Hoffnung genommenen Entschliessungen richten hier nichts aus. Denn: dass dasjenige, was [[A 277>> bisher noch nicht gelungen ist, darum auch nie gelingen werde, berechtigt nicht einmal, eine praginatische oder technische Absicht (wie z. B. die der Luftfahrten mit aerostatischen Bällen) aufzugeben;

noch weniger aber eine moralische, welche, wenn ihre Bewirkung nur nicht demonstrativunmöglich ist, Pflicht wird. Überdem lassen sich manche Beweise geben, dass das menschliche Geschlecht, im ganzen, wirklich in unserm Zeitalter, in Vergleichung mit allen vorigen, ansehnlich Moralisch- zum1 selbst Besseren fortgerückt sei (kurzdaurende Hemmungen können nichts dagegen beweisen); und dass das Geschrei von der unaufhaltsam zunehmenden Verunartung desselben gerade daher kommt, dass, wenn es auf einer höheren Stufe der Moralität steht, es noch weiter vor sich sieht, und sein Urteil über das, was man ist, in Vergleichung mit dem, was man sein sollte, mithin unser Selbsttadel immer desto strenger wird, je mehr Stufen der Sittlichkeit wir im Ganzen des uns bekannt gewordenen Weltlaufs schon erstiegen haben. Fragen wir nun: durch welche Mittel dieser immerwährende Fortschritt zum Besseren dürfte erhalten, und auch wohl beschleunigt werden? so sieht man bald, dass dieser ins unermesslich [[A 278>> Weite gehende Erfolg nicht sowohl davon abhängen werde, was wir tun (z. B. von der Erziehung, die wir der jüngeren Welt geben), und nach welcher Methode wir verfahren sollen, um es zu bewirken; sondern von dem, was die menschliche N a t u r in und mit uns tun wird, um uns in ein Gleis zu n ö t i g e n, in welches wir uns von selbst nicht leicht fügen würden. Denn von ihr, oder vielmehr (weil höchste Weisheit zu Vollendung dieses Zwecks erfordert wird) von der V o r s e h u n g allein, können wir einen Erfolg erwarten, der aufs Ganze und von da auf die Teile geht, da im Gegenteil die Menschen mit ihren E n t w ü r f e n nur von den Teilen ausgehen, wohl gar nur bei ihnen stehen bleiben, und aufs Ganze, als ein solches, welches für sie zu gross ist, zwar ihre Ideen, aber nicht ihren Einfluss erstrecken können: vornehmlich da sie, in ihren Entwürfen einander widerwärtig, sich aus eigenem freien Vorsatz schwerlich dazu vereinigen würden. So wie allseitige Gewalttätigkeit und daraus entspringende Not endlich ein Volk zur Entschliessung bringen musste, sich dem Zwange, den ihm die Vernunft selbst als Mittel vorschreibt, nämlich dem öffentlicher Gesetze zu unterwerfen, und in eine s t a a t s b ü r g e r l i c h e Verfassung zu tre[[A 279>>ten: so muss auch die Not aus den beständigen Kriegen, in welchen wiederum Staaten einander zu schmälern oder zu unterjochen suchen, sie zuletzt dahin bringen, selbst wider Willen, entweder in eine w e l t b ü r g e r l i c h e Verfassung zu treten; oder, ist ein solcher Zustand eines allgemeinen Friedens (wie es mit übergrossen Staaten wohl auch mehrmalen gegangen ist) auf einer andern Seite der Freiheit noch gefährlicher, indem er den schrecklichsten Despotismus herbei führt, so muss sie diese Not doch zu einem Zustande zwingen, der zwar kein weltbürgerliches gemeines Wesen unter einem Oberhaupt, aber doch ein rechtlicher Zustand der F ö d e r a t i o n nach einem gemeinschaftlich verabredeten V ö l k e r r e c h t ist. Denn da die fortrückende Kultur der Staaten mit dem zugleich wachsendem Hange, sich auf Kosten der andern durch List oder Gewalt zu vergrössern, die Kriege vervielfältigen, und durch immer (bei bleibender Löhnung) vermehrte, auf stehendem Fuss und in Disziplin erhaltene, mit stets zahlreicheren Kriegsinstrumenten versehene Heere immer höhere Kosten verursachen muss; indes die Preise aller Bedürfnisse fortdaurend wachsen, ohne dass ein ihnen proportionierter fortschreitender Zuwachs der sie vorstellenden Metalle ge[[A 280>>hofft werden kann; kein Frieden auch so lange dauert, dass das Ersparnis während demselben dem Kostenaufwand für den nächsten Krieg gleich käme, wowider die Erfindung der Staatsschulden zwar ein sinnreiches, aber sich selbst zuletzt vernichtendes Hülfsmittel ist: so muss, was guter Wille hätte tun sollen, aber nicht tat, endlich die Ohnmacht bewirken: Dass ein jeder Staat in seinem Inneren so organisiert werde, dass nicht das Staatsoberhaupt, dem der Krieg (weil er ihn auf eines andern, nämlich des Volks, Kosten führt) eigentlich nichts kostet, sondern das Volk, dem er selbst kostet, die entscheidende Stimme habe, ob Krieg sein solle oder nicht (wozu freilich die Realisierung jener Idee des ursprünglichen Vertrags notwendig vorausgesetzt werden muss). Denn dieses wird es wohl bleiben lassen, aus blosser Vergrösserungsbegierde, oder um vermeinter, bloss wörtlicher Beleidigungen 1

Akad.-Ausg.: “moralisch zum”.

willen sich in Gefahr persönlicher Dürftigkeit, die das Oberhaupt nicht trifft, zu versetzen. Und so wird auch die Nachkommenschaft (auf die keine von ihr unverschuldete Lasten gewälzt werden), ohne dass eben Liebe zu derselben, sondern nur Selbstliebe jedes Zeitalters die Ursache davon sein darf, immer zum Besseren, [[A 281>> selbst im moralischen Sinn, fortschreiten können: indem jedes gemeine Wesen, unvermögend, einem anderen gewalttätig zu schaden, sich allein am Recht halten muss, und, dass andere eben so geformte ihm darin zu Hülfe kommen werden, mit Grunde hoffen kann. Dieses ist indes nur Meinung und bloss Hypothese: ungewiss, wie alle Urteile, welche zu einer beabsichtigten Wirkung, die nicht gänzlich in unsrer Gewalt steht, die ihr einzig angemessene Naturursache angeben wollen; und, selbst als eine solche, enthält sie, in einem schon bestehenden Staat, nicht ein Prinzip für den Untertan, sie zu erzwingen (wie vorher gezeigt worden), sondern nur für zwangsfreie Oberhäupter. Ob es zwar in der Natur des Menschen, nach der gewöhnlichen Ordnung, eben nicht liegt, von seiner Gewalt willkürlich nachzulassen, gleichwohl es aber in dringenden Umständen doch nicht unmöglich ist: so kann man es für einen den moralischen Wünschen und Hoffnungen der Menschen (beim Bewusstsein ihres Unvermögens) nicht unangemessenen Ausdruck halten, die dazu erforderlichen Umstände von der V o r s e h u n g zu erwarten: welche dem Zwecke der M e n s c h h e i t im Ganzen ihrer Gattung zu Erreichung ihrer endlichen Bestimmung durch [[A 282>> freien Gebrauch ihrer Kräfte, so weit sie reichen, einen Ausgang verschaffen werde, welchem die Zwecke der Menschen, abgesondert betrachtet, gerade entgegen wirken. Denn eben die Entgegenwirkung der Neigungen, aus welchen das Böse entspringt, unter einander, verschafft der Vernunft ein freies Spiel, sie insgesamt zu unterjochen; und, statt des Bösen, was sich selbst zerstört, das Gute, welches, wenn es einmal da ist, sieh ferner hin von selbst erhält, herrschend zu machen. *** Die menschliche Natur erscheint nirgend weniger liebenswürdig, als im Verhältnisse ganzer Völker gegen einander. Kein Staat ist gegen den andern wegen seiner Selbständigkeit, oder seines Eigentums, einen Augenblick gesichert. Der Wille, einander zu unterjochen, oder an dem Seinen zu schmälern, ist jederzeit da; und die Rüstung zur Verteidigung, die den Frieden oft noch drückender und für die innere Wohlfahrt zerstörender macht, als selbst den Krieg, darf nie nachlassen. Nun ist hierwider kein anderes Mittel, als ein auf öffentliche mit Macht begleitete Gesetze, denen sich jeder Staat unterwerfen müsste, gegründetes Völkerrecht (nach der Analogie eines [[A 283>> bürgerlichen oder Staatsrechts einzelner Menschen) möglich; – denn ein daurender allgemeiner Friede, durch die so genannte B a l a n c e d e r M ä c h t e i n E u r o p a ist, wie S w i f t s Haus, welches von einem Baumeister so vollkommen nach allen Gesetzen des Gleichgewichts erbauet war, dass, als sich ein Sperling drauf setzte, es so fort einfiel, ein blosses Hirngespinst. – “Aber solchen Zwangsgesetzen, wird man sagen, werden sich Staaten doch nie unterwerfen; und der Vorschlag zu einem allgemeinen Völkerstaat, unter dessen Gewalt sich alle einzelne Staaten freiwillig bequemen sollen, um seinen Gesetzen zu gehorchen, mag in der Theorie eines Abt1 von S t. P i e r r e, oder eines R o u s s e a u, noch so artig klingen, so gilt er doch nicht für die Praxis: wie er denn auch von grossen Staatsmännern, mehr aber noch von Staatsoberhäuptern, als eine pedantisch-kindische aus der Schule hervorgetretene Idee, jederzeit ist verlacht worden.” Ich meinerseits vertraue dagegen doch auf die Theorie, die von dem Rechtsprinzip ausgeht, wie das Verhältnis unter Menschen und Staaten s e i n s o l l, und die den Erdengöttern die Maxime anpreiset, in ihren Streitigkeiten jederzeit so zu verfahren, dass ein solcher allgemeiner Völkerstaat [[A 284>> dadurch eingeleitet werde, und ihn also als möglich (in praxi), und dass er s e i n k a n n, anzunehmen; – zugleich aber auch (in subsidium) auf die Natur der Dinge, welche dahin zwingt, wohin man nicht gerne will (fata 1

Akad.-Ausg.: “Abbé”.

volentem ducunt, nolentem trahunt2). Bei dieser letzteren wird dann auch die menschliche Natur mit in Anschlag gebracht: welche, da in ihr immer noch Achtung für Recht und Pflicht lebendig ist, ich nicht für so versunken im Bösen halten kann, oder will, dass nicht die moralisch-praktische Vernunft nach vielen misslungenen Versuchen endlich über dasselbe siegen, und sie auch als liebenswürdig darstellen sollte. So bleibt es also auch in kosmopolitischer Rücksicht bei der Behauptung: Was aus Vernunftgründen für die Theorie gilt, das gilt auch für die Praxis. Königsberg.

I. K a n t. [[A 495>> DAS ENDE ALLER DINGE

Es ist ein, vornehmlich in der frommen Sprache, üblicher Ausdruck, einen sterbenden Menschen sprechen zu lassen: er gehe a u s d e r Z e i t i n d i e E w i g k e i t. Dieser Ausdruck würde in der Tat nichts sagen, wenn hier unter der E w i g k e i t eine ins Unendlich fortgehende Zeit verstanden werden sollte; denn da kame ja der Mensch nie aus der Zeit heraus, sondern ginge nur immer aus einer in die andre fort. Also muss damit ein E n d e a l l e r Z e i t, hei ununterbrochener Fortdauer des Menschen, diese Dauer aber (sein Dasein als Grösse betrachtet) doch auch als eine mit der Zeit ganz unvergleichbare Grösse (duratio noumenon) [[A 496>> gemeint sein, von der wir uns freilich keinen (als bloss negativen) Begriff machen können. – Dieser Gedanke hat etwas Grausendes in sich: weil er gleichsam an den Rand eines Abgrunds führt, aus welchem für den, der darin versinkt, keine Wiederkehr möglich ist (“Ihn aber hält am ernsten Orte, Der nichts zurücke lässt, Die Ewigkeit mit starken Armen fest.” H a l l e r); und doch auch etwas Anziehendes: denn man kann nicht aufhören, sein zurückgeschrecktes Auge immer wiederum darauf zu wenden (nequeunt expleri corda tuendo.1 V i r g i l). Er ist furchtbar-e r h a b e n: zum Teil wegen seiner Dunkelheit, in der die Einbildungskraft mächtiger als beim hellen Licht zu wirken pflegt. Endlich muss er doch auch mit der allgemeinen Menschenvernunft auf wundersame Weise verwebt sein: weil er unter allen vernünftelnden Völkern, zu allen Zeiten, auf eine oder andre Art eingekleidet, angetroffer wird. – Indem wir nun den Übergang aus der Zeit in die Ewigkeit (diese Idee mag, theoretisch, als Erkenntnis-Erweiterung, betrachtet, objektive Realität haben oder nicht), so wie ihn sich die Vernunft in moralischer Rücksicht selbst macht, verfolgen: stossen wir auf das Ende a l l e r D i n g e, als Zeitwesen und als Gegenstände möglicher Er[[A 497>>fahrung: welches Ende aber in der moralischen Ordnung der Zwecke zugleich der Anfang einer Fortdauer eben dieser als ü b e r s i n n l i c h e r, folglich nicht unter Zeitbedingungen stehender, Wesen ist, die also und deren Zustand keiner andern als moralischer Bestimmung ihrer Beschaffenheit fähig sein wird. T a g e sind gleichsam Kinder der Zeit, weil der folgende Tag, mit dem was er enthält, das Erzeugnis des vorigen ist. Wie nun das letzte Kind seiner Eltern jüngstes Kind genannt wird: so hat unsre Sprache beliebt, den letzten Tag (den Zeitpunkt, der alle Zeit beschliesst) den j ü n g s t e n Tag zu nennen. Der jüngste Tag gehört also annoch zur Zeit; denn es g e s c h i e h t an ihm noch irgend etwas (nicht zur Ewigkeit, wo nichts mehr geschieht, weil das Zeitfortsetzung sein würde, Gehöriges): nämlich Ablegung der Rechnung der Menschen von ihrem Verhalten in ihrer ganzen Lebenszeit. Er ist ein G e r i c h t s t a g; das Begnadigungsoder Verdammungs-Urteil des Weltrichters ist also das eigentliche Ende aller Dinge in der Zeit, und zugleich der Anfang der (seligen oder unseligen) Ewigkeit, in welcher das jedem zugefallne Los so bleibt, wie es in dem Augenblick des Ausspruchs (der Sentenz) ihm zu Teil [[A 498>> ward. Also enthält der jüngste Tag auch das j ü n g s t e G e r i c h t zugleich in sich. – Wenn nun zu den l e t z t e n D i n g e n noch das Ende der Welt, so wie sie in ihrer 2 1

Übersetzung des Herausgebers: “den Willigen führt das Schicksal, den Widerstrebenden schleift es mit”. Übersetzung des Herausgebers: “sie können des Anschauens nicht satt werden.”

itzigen Gestalt erscheint, nämlich das Abfallen der Sterne vom Himmel als einem Gewölbe, der Einsturz dieses Himmels selbst (oder das Entweichen desselben als eines eingewickelten Buchs), das Verbrennen beider, die Schöpfung eines neuen Himmels und einer neuen Erde zum Sitz der Seligen, und der Hölle zu dem der Verdammten, gezählt werden sollten: so würde jener Gerichtstag freilich nicht der jüngste Tag sein; sondern es würden noch verschiedne andre auf ihn folgen. Allein, da die Idee eines Endes aller Dinge ihren Ursprung nicht von dem Vernünfteln über den p h y s i s c h e n, sondern über den moralischen, Lauf der Dinge in der Welt hernimmt, und dadurch allein veranlasst wird; der letztere auch allein auf das Übersinnliche (welches nur am Moralischen verständlich ist), dergleichen die Idee der Ewigkeit ist, bezogen werden kann: so muss die Vorstellung jener letzten Dinge, die nach dem jüngsten Tage kommen sollen, nur als eine Versinnlichung des letztern samt seinen moralischen, uns übrigens nicht theoretisch begreiflichen, Folgen angesehen werden. [[A 499>> Es ist aber anzumerken, dass es von den ältesten Zeiten her zwei, die künftige Ewigkeit betreffende, Systeme gegeben hat: eines das der U n i t a r i e r derselben, welche allen Menschen (durch mehr oder weniger lange Büssungen gereinigt) die ewige Seligkeit, das andre das der D u a l i s t e n *, welche e i n i g e n Auserwählten die Selig[[A 500>>keit, allen ü b r i g e n aber die ewige Verdammnis zusprechen. Denn ein System, wornach alle v e r d a m m t zu sein bestimmt wären, konnte wohl nicht Platz finden, weil sonst kein rechtfertigender Grund da wäre, warum sie überhaupt wären erschaffen worden; die V e r n i c h t u n g aller aber eine verfehlte Weisheit anzeigen würde, die, mit ihrem eignem Werk unzufrieden, kein ander Mittel weiss, den Mangeln desselben abzuhelfen, als es zu zerstören. – Den Dualisten steht indes immer eben dieselbe Schwierigkeit, welche hinderte, sich eine ewige Verdammung aller zu denken, im Wege: denn wozu, könnte man fragen, waren auch die wenigen, warum auch nur ein einziger geschaffen, wenn er nur dasein sollte, um ewig verworfen zu werden ? welches doch ärger ist als gar nicht sein. Zwar, soweit wir es einsehn, soweit wir uns selbst erforschen können, hat das dualistische System (aber nur unter einem höchstguten Urwesen), in p r a k t i s c h e r Absicht, für jeden Menschen wie er sich selbst zu richten hat (obgleich nicht wie er andre zu richten befugt ist), einen überwiegenden Grund in sich: denn, so viel er sich kennt, lässt ihm die Vernunft keine andre Aussicht in die Ewigkeit übrig, als die ihm aus seinem bisher [[A 501>> geführten Lebenswandel sein eignes Gewissen am Ende des Lebens eröffnet. Aber zum D o g m a, mithin um einen an sich selbst (objektiv) gültigen theoretischen Satz daraus zu machen, dazu ist es, als blosses Vernunfturteil, bei weitem nicht hinreichend. Denn welcher Mensch kennt sich selbst, wer kennt andre so durch und durch, um zu entscheiden: ob, wenn er von den Ursachen seines vermeintlich wohlgeführten Lebenswandels alles, was man Verdienst des Glücks nennt, als sein angebornes gutartiges Temperament, die natürliche grössere Stärke seiner obern Kräfte (des Verstandes und der Vernunft, um seine Triebe zu zähmen), überdem auch noch die Gelegenheit, wo ihm der Zufall glücklicher weise viele Versuchungen ersparte, die einen andern trafen; wenn er dies alles von seinem wirklichen Charakter absonderte (wie er das denn, um diesen gehörig zu würdigen, notwendig abrechnen muss, weil er es, als Glücksgeschenk, seinem eignen Verdienst nicht zuschreiben kann): wer will dann entscheiden, sage ich, ob vor dem allsehenden Auge eines Weltrichters ein Mensch, seinem innern moralischen Werte nach, überall noch irgend einen Vorzug vor dem andern *

Ein solches System war in der altpersischen-Religion (des Zoroaster) auf der Voraussetzung zweier im ewigen Kampf mit einander begriffenen Urwesen, dem Guten Prinzip, O r m u z d, und dem Bösen, A h r i m a n, gegründet. – Sonderbar ist es: dass die Sprache zweier weit von einander, noch weiter aber von dem itzigen Sitz der deutschen Sprache, entfernten Länder, in der Benennung dieser beiden Urwesen, deutsch ist. Ich erinnere mich bei S o n n e r a t gelesen zu haben, dass in A v a (dem Lande der Burachmanen) das gute Prinzip G o d e m a n (welches Wort in dem Namen Darius Codomannus auch zu liegen scheint) genannt werde; und, da das Wort Ahriman mit dem a r g e M a n n sehr gleich lautet, das itzige Persische auch eine Menge ursprünglich deutscher Wörter enthält: so mag es eine Aufgabe für den Altertumsforscher sein, auch an dem Leitfaden der S p r a c h verwandtschaft dem Ursprunge der itzigen R e l I g I o n s begriffe rnancher Völker nachzugehn. [Man s. Sonnerats Reise, Buch 2, Kap. 2. B.]

habe, und es so vielleicht nicht ein ungereimter Eigendünkel sein dürfte, bei dieser ober[[A 502>>flächlichen Selbsterkenntnis, zu seinem Vorteil über den moralischen Wert (und das verdiente Schicksal) seiner selbst so wohl als anderer irgend ein Urteil zu sprechen. – Mithin scheint das System des Unitariers sowohl als des Dualisten, beides als Dogma betrachtet, das spekulative Vermögen der menschlichen Vernunft gänzlich zu übersteigen, und alles uns dahin zurückzuführen, jene Vernunftideen schlechterdings nur auf die Bedingungen des praktischen Gebrauchs einzuschränken. Denn wir sehen doch nichts vor uns, das uns von unserm Schicksal in einer künftigen Welt itzt schon belehren könnte, als das Urteil unsers eignen Gewissens, d. i. was unser gegenwärtiger moralischer Zustand, soweit wir ihn kennen, uns darüber vernünftiger weise urteilen lässt: dass nämlich, welche Prinzipien unsers Lebenswandels wir bis zu dessen Ende in uns herrschend gefunden hahen (sie seien die des Guten oder des Bösen), auch nach dem Tode fortfahren werden, es zu sein; ohne dass wir eine Abänderung derselben in jener Zukunft anzunehmen den mindesten Grund haben. Mithin müssten wir uns auch der jenem Verdienst oder dieser Schuld angemessenen Folgen, unter der Herrschaft des guten oder des bösen Prinzips, für die Ewigkeit gewär[[A 503>>tigen; in welcher Rücksicht es folglich weise ist, so zu handeln, a l s o b ein andres Leben, und der moralische Zustand, mit dem wir das gegenwärtige endigen, samt seinen Folgen, beim Eintritt in dasselbe unabänderlich sei. In praktischer Absicht wird also das anzunehmende System das dualistische sein müssen; ohne doch ausmachen zu wollen, welches von beiden, in theoretischer und bloss spekulativer, den Vorzug verdiene: zumal da das unitarische zu sehr in gleichgültige Sicherheit einzuwiegen scheint. Warum erwarten aber die Menschen ü b e r h a u p t e i n E n d e d e r W e l t ? und, wenn dieses ihnen auch eingeräumt wird, warum eben ein Ende mit Schrecken (für den grössten Teil des menschlichen Geschlechts) ? ... Der Grund des e r s t e r n scheint darin zu liegen, weil die Vernunft ihnen sagt, dass die Dauer der Welt nur sofern einen Wert hat, als die vernünftigen Wesen in ihr dem Endzweck ihres Daseins gemäss sind, wenn dieser aber nicht erreicht werden sollte, die Schöpfung selbst ihnen zwecklos zu sein scheint: wie ein Schauspiel, das gar keinen Ausgang hat, und keine vernünftige Absicht zu erkennen gibt. Das l e t z t e r e gründet sich auf der Meinung von der verderbten Beschaffenheit des menschlichen Ge[[A 504>>schlechts,* die bis zur Hoffnungslosigkeit gross sei; welchem ein Ende und zwar ein schreckliches [[A 505>> Ende zu machen die einzige der höchsten Weisheit und Gerechtigkeit (dem grössten Teil der Menschen nach) anständige Massregel sei. – Daher sind auch die V o r z e i c h e n d e s j ü n g s t e n T a g e s (denn wo lässt es eine durch grosse Erwartungen erregte Einbildungskraft wohl an Zeichen und Wundern fehlen ?) alle von der schrecklichen Art. Einige sehen sie in der überhandnehmenden Ungerechtigkeit, *

Zu allen Zeiten haben sich dunkende Weise (oder Philosophen), ohne die Anlage zum Guten in der menschlichen Natur einiger Aufmerksamkeit zu würdigen, sich in widrigen, zum Teil ekelhaften, Gleichnissen erschöpft, um unsre Erdenwelt, den Aufenthalt für Menschen, recht verachtlich vorzustellen. 1) Als ein W i r t s h a u s (Karavanserai), wie jener Derwisch sie ansieht: wo jeder auf seiner Lebensreise Einkehrende gefasst sein muss, von einem folgenden bald verdrängt zu werden. 2) Als ein Z u c h t h a u s; welcher Meinung die brahmanischen, tibetanischen und andre Weisen des Orients (auch sogar Plato) zugetan sind: ein Ort der Züchtigung und Reinigung gefallner, aus dem Himrnel verstossner, Geister, itzt menschlicher oder Tier-Seelen. 3) Als ein T o l l h a u s: wo nicht allein jeder für sich seine eignen Absichten vernichtet, sondern einer dem andern alles erdenkliche Herzeleid zufügt, und obenein die Geschicklichkeit und Macht, das tun zu können, für die grösste Ehre hält. Endlich 4) Als ein K l o a k, wo aller Unrat aus andern Welten hingebannt worden. Der letztere Einfall ist auf gewisse Art originell, und einem persischen Witzling zu verdanken, der das Paradies, den Aufenthalt des ersten Menschenpaars, in den Himmel versetzte, [[Anm. A 505>> in welchem Garten Bäume genug, mit herrlichen Früchten reichlich versehen, anzutreffen waren, deren Überschuss, nach ihrem Genuss, sich durch unmerkliche Ausdünstung verlor; einen einzigen Baum mitten im Garten ausgenommen, der zwar eine reizende aber solche Frucht trug, die sich nicht ausschwitzen liess. Da unsre ersten Eltern sich nun gelüsten liessen, ungeachtet des Verbots, dennoch davon zu kosten: so war, damit sie den Himmel nicht beschmutzten, kein andrer Rat, als dass einer der Engel ihnen die Erde in weiter Ferne zeigte, mit den Worten: “Das ist der Abtritt für das ganze Universum”, sie sodann dahinführte, um das Benötigte zu verrichten, und darauf mit Hinterlassung derselben zum Himmel zurückflog. Davon sei nun das menschliche Geschlecht auf Erden entsprungen.

Unterdrückung der Armen durch übermütige Schwelgerei der Reichen, und dem allge[[A 506>>meinen Verlust von Treu und Glauben; oder in den an allen Erdenden sich entzündenden blutigen Kriegen, u.s.w.: mit einem Worte, an dem moralischen Verfall und der schnellen Zunahme aller Laster, samt den sie begleitenden Übeln, dergleichen, wie sie wähnen, die vorige Zeit nie sah. Andre dagegen in ungewöhnlichen Naturveränderungen, an den Erdbeben, Stürmen und Überschwemmungen, oder Kometen und Luftzeichen. In der Tat fühlen, nicht ohne Ursache, die Menschen die Last ihrer Existenz, ob sie gleich selbst die Ursache derselben sind. Der Grund davon scheint mir hierin zu liegen. – Natiirlicherweise eilt, in den Fortschritten des menschlichen Geschlechts, die Kultur der Talente, der Geschicklichkeit und des Geschmacks (mit ihrer Folge, der Üppigkeit) der Entwicklung der Moralität vor; und dieser Zustand ist gerade der lästigste und gefährlichste für Sittlichkeit so wohl als physisches Wohl: weil die Bedürfnisse viel stärker anwachsen, als die Mittel, sie zu befriedigen. Aber die sittliche Anlage der Menschheit, die (wie Horazens poena, pede claudo1) ihr immer nachhinkt, wird sie, die in ihrem eilfertigen Lauf sich selbst verfängt und oft stolpert, (wie man unter einem weisen Weltregierer wohl hoffen darf) [[A 507>> dereinst überholen; und so sollte man, selbst nach den Erfahrungsbeweisen des Vorzugs der Sittlichkeit in unserm Zeitalter, in Vergleichung mit allen vorigen, wohl die Hoffnung nähren können, dass der jüngste Tag eher mit einer Eliasfahrt, als mit einer der Rotte Korah ähnlichen Höllenfahrt eintreten, und das Ende aller Dinge auf Erden herbeiführen dürfte. Allein dieser heroische Glauben an die Tugend scheint doch, subjektiv, keinen so allgemeinkräftigen Einfluss auf die Gemüter zur Bekehrung zu haben, als der an einen mit Schrecken begleiteten Auftritt, der vor den letzten Dingen als vorhergehend gedacht wird. *** A n m e r k u n g. Da wir es hier bloss mit Ideen zu tun haben (oder damit spielen), die die Vernunft sich selbst schafft, wovon die Gegenstände (wenn sie deren haben) ganz über unsern Gesichtskreis hinausliegen, die indes, obzwar für das spekulative Erkenntnis überschwenglich, darum doch nicht in aller Beziehung für leer zu halten sind, sondern in praktischer Absicht uns von der gesetzgebenden Vernunft selbst an die Hand gegeben werden, nicht etwa um über ihre Gegenstände, was sie an sich und ihrer Natur nach sind, [[A 508>> nachzugrübeln, sondern wie wir sie zum Behuf der moralischen, auf den Endzweck aller Dinge gerichteten, Grundsätze zu denken haben (wodurch sie, die sonst gänzlich leer wären, objektive praktische Realität bekommen): – so haben wir ein f r e i e s Feld vor uns, dieses Produkt unsrer eignen Vernunft: den allgemeinen Begriff von einem Ende aller Dinge, nach dem Verhältnis, das er zu unserm Erkenntnisvermögen hat, einzuteilen, und die unter ihm stehenden zu klassifizieren. Diesem nach wird das Ganze 1) in das n a t ü r l i c h e * En- de aller Dinge, nach der Ordnung moralischer Zwecke göttlicher Weisheit, welches wir also (in praktischer Absicht) w o h l v e r s t e h e n können, 2) in das m y s t i s c h e (übernatürliche) Ende derselben, in der Ordnung der wirkenden Ursachen, von welchen wir n i c h t s v e r[[A 509>>s t e h e n, 3) in das w i d e r n a t ü r l i c h e (verkehrte) Ende aller Dinge, welches von uns selbst, dadurch dass wir den Endzweck m i s s v e r s t e h e n, herbeigeführt wird, eingeteilt, und in drei Abteilungen vorgestellt werden: wovon die erste so eben abgehandelt worden, und nun die zwei noch übrigen folgen. *** In der A p o k a l y p s e (X, 5, 6) “hebt ein Engel seine Hand auf gen Himmel, und schwört bei dem Lebendigen von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel erschaffen hat u.s.w.: d a s s h i n f o r t k e i n e Z e i t m e h r s e i n s o l l”. 1

Übersetzung des Herausgebers: “die Strafe mit hinkendem Fuss”. N a t ü r l i c h (formaliter) heisst, was nach Gesetzen einer gewissen Ordnung, welche es auch sei, mithin auch der moralischen (also nicht immer bloss der physischen), notwendig folgt. Ihm ist das N i c h t n a t ü r l i c h e, welches entweder das Übernatürliche, oder das Widernatürliche sein kann, entgegengesetzt. Das Notwendige aus N a t u r u r s a c h e n würde auch als materialiter-natürlich (physisch-notwendig) vorgestellt werden. *

Wenn man nicht annimmt, dass dieser Engel “mit seiner Stimme von sieben Donnern” (V. 3) habe Unsinn schreien wollen, so muss er damit gemeint haben, dass hinfort keine Veränderung sein soll; denn wäre in der Welt noch Veränderung, so wäre auch die Zeit da, weil jene nur in dieser Statt finden kann, und, ohne ihre Voraussetzung, gar nicht denkbar ist. Hier wird nun ein Ende aller Dinge, als Gegenstände der Sinne, vorgestellt, wovon wir uns gar keinen Begriff machen können: weil wir uns selbst unvermeidlich in Widersprüche verfangen, wenn wir einen einzigen Schritt aus der [[A 510>> Sinnenwelt in die intelligible tun wollen; welches hier dadurch geschieht, dass der Augenblick, der das Ende der erstern ausmacht, auch der Anfang der andern sein soll, mithin diese mit jener in eine und dieselbe Zeitreihe gebracht wird, welches sich widerspricht. Aber wir sagen auch, dass wir uns eine Dauer als u n e n d l i c h (als Ewigkeit) denken: nicht darum weil wir etwa von ihrer Grösse irgend einen bestimmbaren Begriff haben – denn das ist unmöglich, da ihr die Zeit, als Mass derselben, gänzlich fehlt –; sondern jener Begriff ist, weil, wo es keine Zeit gibt, auch k e i n E n d e Statt hat, bloss ein negativer von der ewigen Dauer, wodurch wir in unserm Erkenntnis nicht um einen Fussbreit weiter kommen, sondern nur gesagt werden will, dass der Vernunft, in (praktischer) Absicht auf den Endzweck, auf dem Wege beständiger Verändrungen nie Genüge getan werden kann: ob zwar auch, wenn sie es mit dem Prinzip des Stillstandes und der Unveränderlichkeit des Zustands der Weltwesen versucht, sie sich eben so wenig in Ansehung ihres t h e o r e t i s c h e n Gebrauchs genug tun, sondern vielmehr in gänzliche Gedankenlosigkeit geraten würde; da ihr dann nichts übrig bleibt, als sich eine ins Unend[[A 511>>liche (in der Zeit) fortgehende Verändrung, im beständigen Fortschreiten zum Endzweck, zu denken, bei welchem die G e s i n n u n g (welche nicht, wie jenes, ein Phänomen, sondern etwas Übersinnliches, mithin nicht in der Zeit veränderlich ist) bleibt und beharrlich dieselbe ist. Die Regel des praktischen Gebrauchs der Vernunft dieser Idee gemäss will also nichts weiter sagen, als: wir müssen unsre Maxime so nehmen, als ob, bei allen ins Unendliche gehenden Verändrungen vom Guten zum Bessern, unser moralische Zustand, der Gesinnung nach, (der homo noumenon, “dessen Wandel im Himmel ist”) gar keinem Zeitwechsel unterworfen wäre. Dass aber einmal ein Zeitpunkt eintreten wird, da alle Verändrung (und mit ihr die Zeit selbst) aufhört, ist eine die Einbildungskraft empörende Vorstellung. Alsdann wird nämlich die ganze Natur starr und gleichsam versteinert: der letzte Gedanken, das letzte Gefühl bleiben alsdann in dem denkenden Subjekt stehend und ohne Wechsel immer dieselben. Für ein Wesen, welches sich seines Daseins und der Grösse desselben (als Dauer) nur in der Zeit bewusst werden kann, muss ein solches Leben, wenn es anders Leben heissen mag, der Vernichtung gleich scheinen: weil es, um [[A 512>> sich in einen solchen Zustand hineinzudenken, doch überhaupt etwas denken muss; D e n k e n aber ein Reflektieren enthält, welches selbst nur in der Zeit geschehen kann. – Die Bewohner der andern Welt werden daher so vorgestellt, wie sie, nach Verschiedenheit ihres Wohnorts (dem Himmel oder der Hölle), entweder immer dasselbe Lied, ihr Halleluja, oder ewig eben dieselben Jammertöne anstimmen (XIX, 1 – 6; XX, 15): wodurch der gänzliche Mangel alles Wechsels in ihrem Zustande angezeigt werden soll. Gleichwohl ist diese Idee, so sehr sie auch unsre Fassungskraft übersteigt, doch mit der Vernunft in praktischer Beziehung nahe verwandt. Wenn wir den moralisch-physischen Zustand des Menschen hier im Leben auch auf dem besten Fuss annehmen, nämlich eines beständigen Fortschreitens und Annäherns zum höchsten (ihm zum Ziel ausgesteckten) Gut: so kann er doch (selbst im Bewusstsein der Unveränderlichkeit seiner Gesinnung) mit der Aussicht in eine ewig dauernde Veränderung seines Zustandes (des sittlichen sowohl als physischen) die Z u f r i e d e n h e i t nicht verbinden. Denn der Zustand, in welchem er itzt ist, bleibt immer doch ein Übel, vergleichungsweise gegen den bessern, in den zu treten er in [[A 513>> Bereitschaft steht; und die Vorstellung eines unendlichen Fortschreitens zum Endzweck ist doch zugleich ein Prospekt in eine unendliche Reihe von Übeln, die, ob sie zwar

von dem grössern Guten überwogen werden, doch die Zufriedenheit nicht Statt finden lassen, die er sich nur dadurch, dass der E n d z w e c k endlich einmal e r r e i c h t wird, denken kann. Darüber gerät nun der nachgrübelnde Mensch in die M y s t i k (denn die Vernunft, weil sie sich nicht leicht mit ihrem immanenten, d. i. praktischen Gebrauch begnügt, sondern gern im Transzendenten etwas wagt, hat auch ihre Geheimnisse), wo seine Vernunft sich selbst, und was sie will, nicht versteht, sondern lieber schwärmt, als sich, wie es einem intellektuellen Bewohner einer Sinnenwelt geziemt, innerhalb den Grenzen dieser eingeschränkt zu halten. Daher kommt das Ungeheuer von System des L a o k i u n von dem h ö c h s t e n G u t, das im N i c h t s bestehen soll: d. i. im Bewusstsein, sich in den Abgrund der Gottheit, durch das Zusammenfliessen mit derselben und also durch Vernichtung seiner Personlichkeit, verschlungen zu f ü h l e n; von welchem Zustande die Vorempfindung zu haben, sinesische Philosophen sich in dunkeln Zimmern, mit geschlossenen Augen, an[[A 514>>strengen, dieses ihr N i c h t s zu denken und zu empfinden. Daher der P a n t h e i s m (der Tibetaner und andrer östlichen Völker); und der aus der metaphysischen Sublimierung desselben in der Folge erzeugte S p i n o z i s m: welche beide mit dem uralten E m a n a t i o n s s y s t e m aller Menschenseelen aus der Gottheit (und ihrer endlichen Resorption in eben dieselbe) nahe verschwistert sind. Alles lediglich darum, damit die Menschen sich endlich doch einer e w i g e n R u h e zu erfreuen haben möchten, welche denn ihr vermeintes seliges Ende aller Dinge ausmacht; eigentlich ein Begriff, mit dem ihnen zugleich der Verstand ausgeht und alles Denken selbst ein Ende hat. *** Das Ende aller Dinge, die durch der Menschen Hände gehen, ist, selbst bei ihren guten Zwecken, T o r h e i t: das ist, Gebrauch solcher Mittel zu ihren Zwecken, die diesen gerade zuwider sind. W e i s h e i t, d. i. praktische Vernunft in der Angemessenheit ihrer dem Endzweck aller Dinge, dem höchsten Gut, völlig entsprechenden Massregeln, wohnt allein bei Gott; und ihrer Idee nur nicht sichtbarlich entgegen zu handeln, ist das, was man etwa menschliche Weisheit [[A 515>> nennen könnte. Diese Sicherung aber wider Torheit, die der Mensch nur durch Versuche und öftre Veränderung seiner Pläne zu erlangen hoffen darf, ist mehr „ein Kleinod, welchem auch der beste Mensch nur nachjagen kann, ob er es etwa e r g r e i f e n m ö c h t e“; wovon er aber niemal sich die eigenliebige Überredung darf anwandeln lassen, vielweniger darnach verfahren, als ob er es e r g r i f f e n habe. – Daher auch die von Zeit zu Zeit veranderten, oft widersinnigen, Entwürfe zu schicklichen Mitteln, um R e l i g i o n i n e i n e m g a n z e n V o l k l a u t e r u n d z u g l e i c h k r a f t v o l l zu machen; so, dass man wohl ausrufen kann: Arme Sterbliche, bei euch ist nichts beständig, als die Unbeständigkeit ! Wenn es indes mit diesen Versuchen doch endlich einmal soweit gediehen ist, dass das Gemeinwesen fähig und geneigt ist, nicht bloss den hergebrachten frommen Lehren, sondern auch der durch sie erleuchteten praktischen Vernunft (wie es zu einer Religion auch schlechterdings notwendig ist) Gehör zu geben; wenn die (auf menschliche Art) Weisen unter dem Volk nicht durch unter sich genommene Abreden (als ein Klerus), sondern als Mitbürger, Entwürfe machen und darin grösstenteils übereinkommen, welche auf [[A 516>> unverdächtige Art beweisen, dass ihnen um Wahrheit zu tun sei; und das Volk wohl auch im ganzen (wenn gleich noch nicht im kleinsten Detail), durch das allgemein gefühlte nicht auf Auktorität gegründete Bedürfnis der notwendigen Anbauung seiner moralischen Anlage, daran Interesse nimmt: so scheint nichts ratsamer zu sein, als jene nur machen und ihren Gang fortsetzen zu lassen, da sie einmal, was die I d e e betrifft der sie nachgehn, auf gutem Wege sind: was aber den Erfolg aus den zum besten Endzweck gewählten Mitteln betrifft, da dieser, wie er nach dem Laufe der Natur ausfallen dürfte, immer ungewiss bleibt, ihn der V o r s e h u n g zu überlassen. Denn, man mag so s c h w e r g l ä u b i g sein wie man will, so muss man dech, wo es schlechterdings unmöglich ist, den Erfolg aus gewissen nach aller menschlichen Weisheit (die, wenn sie ihren Namen verdienen soll, lediglich auf das Moralische gehen

muss) genommenen Mitteln mit Gewissheit voraus zu sehn, eine Konkurrenz göttlicher Weisheit zum Laufe der Natur auf praktische Art glauben, wenn man seinen Endzweck nicht lieber gar aufgeben will. – Zwar wird man einwenden: Schon oft ist gesagt worden, der gegenwärtige Plan ist der beste; bei ihm muss es von nun an auf immer [[A 517>> bleiben; das ist itzt ein Zustand für die Ewigkeit. „Wer (nach diesem Begriffe) gut ist, der ist immerhin gut, ond wer (ihm zuwider) böse ist, ist immerhin böse“ (Apokal. XXII, 11): gleich als ob die Ewigkeit, und mit ihr das Ende aller Dinge, schon itzt eingetreten sein könne; – und gleichwohl sind seitdem immer neue Pläne, unter welchen der neueste oft nur die Wiederherstellung eines alten war, auf die Bahn gebracht worden, und es wird auch an m e h r l e t z t e n Entwürfen fernerhin nicht fehlen. Ich bin mir so sehr meines Unvermögens, hierin einen neuen und glücklichen Versuch zu machen, bewusst, dass ich, wozu freilich keine grosse Erfindungskraft gehört, lieber raten möchte: die Sachen so zu lassen, wie sie zuletzt standen, und beinahe ein Menschenalter hindurch sich als erträglich gut in ihren Folgen bewiesen hatten. Da das aher wohl nicht die Meinung der Männer von entweder grossem oder doch unternehmendem Geiste sein möchte: so sei es mir erlaubt, nicht sowohl, was sie zu tun, sondern wogegen zu verstossen sie sich ja in Acht zu nehmen hätten, weil sie sonst ihrer eignen Absicht (wenn sie auch die beste wäre) zuwider handeln würden, bescheidentlich anzumerken. [[A 518>> Das Christentum hat, ausser der grössten Achtung, welche die Heiligkeit seiner Gesetze unwiderstehlich einflösst, noch etwas L i e b e n s w ü r d i g e s in sich. (Ich meine hier nicht die Liebenswürdigkeit der Person, die es uns mit grossen Aufopferungen erworben hat, sondern der Sache selhst: nämlich der sittlichen Verfassung, die Er stiftete; denn jene lässt sich nur aus dieser folgern.) Die Achtung ist ohne Zweifel das Erste, weil ohne sie auch keine wahre Liebe Statt findet; ob man gleich ohne Liebe doch grosse Achtung gegen jemand hegen kann. Aber wenn es nicht bloss auf Pflichtvorstellung sondern auch auf Pflichtbefolgung ankommt, wenn man nach dem s u b j e k t i v e n Grunde der Handlungen fragt, aus welchem, wenn man ihn voraussetzen darf, am ersten zu erwarten ist, was der Mensch t u n w e r d e, nicht bloss nach dem objektiven, was e r t u n s o l l: so ist doch die Liebe, als freie Aufnahme des Willens eines andern unter seine Maximen, ein unentbehrliches Ergänzungsstück der Unvollkommenheit der menschlichen Natur (zu dem, was die Vernunft durchs Gesetz vorschreibt, genötigt werden zu müssen): denn was einer nicht gern tut, das tut er so kärglich, auch wohl mit sophistischen Ausflüchten vom Ge[[A 519>>bot der Pflicht, dass auf diese, als Triebfeder, ohne den Beitritt jener, nicht sehr viel zu rechnen sein möchte. Wenn man nun, um es recht gut zu machen, zum Christentum noch irgend eine Auktorität (ware es auch die göttliche) hinzutut, die Absicht derselben mag auch noch so wohlmeinend und der Zweck auch wirklich noch so gut sein: so ist doch die Liebenswürdigkeit desselben verschwunden: denn es ist ein Widerspruch, jemanden zu g e b i e t e n, dass er etwas nicht allein tue, sondern es auch g e r n tun solle. Das Christentum hat zur Absicht: Liebe, zu dem Geschäft der Beobachtung seiner Pflicht überhaupt, zu befördern, und bringt sie auch hervor; weil der Stifter desselben nicht in der Qualität eines Befehlshabers, der s e i n e n Gehorsam-fordernden W i l l e n, sondern in der eines Menschenfreundes redet, der seinen Mitmenschen ihren eignen wohlverstandnen Willen, d. i. wornach sie von selbst freiwillig handeln würden, wenn sie sich selbst gehörig prüften, ans Herz legt. Es ist also die l i b e r a l e Denkungsart – gleichweit entfernt vom Sklavensinn, und von Bandenlosigkeit – wovon das Christentum für seine Lehre Effekt erwartet, durch die es die Her[[A 520>>zen der Menschen für sich zu gewinnen vermag, deren Verstand schon durch die Vorstellung des Gesetzes ihrer Pflicht erleuchtet ist. Das Gefühl der Freiheit in der Wahl des Endzwecks ist das, was ihnen die Gesetzgebung liebenswürdig macht. – Obgleich also der Lehrer desselben auch S t r a f e n ankündigt, so ist das doch nicht so zu verstehen, wenigstens ist es der eigentümlichen Beschaffenheit des Christentums nicht angemessen, es so zu erklären, als sollten diese die Triebfedern werden, seinen Geboten Folge zu leisten:

denn sofern würde es aufhören liebenswürdig zu sein. Sondern, man darf dies nur als liebreiche, aus dem Wohlwollen des Gesetzgebers entspringende, Warnung, sich vor dem Schaden zu hüten, welcher unvermeidlich aus der Übertretung des Gesetzes entspringen müsste (denn: lex est res surda et inexorabilis.1 L i v i u s), auslegen; weil nicht das Christentum, als freiwillig angenommene Lebensmaxime, sondern das Gesetz hier droht: welches, als unwandelbar in der Natur der Dinge liegende Ordnung, selbst nicht der Willkür des Schöpfers, die Folge derselben so oder anders zu entscheiden, überlassen ist. Wenn das Christentum B e l o h n u n g e n verheisst (z. B. „Seid fröhlich und getrost, es wird [[A 521>> euch im Himmel alles wohl vergolten werden“): so muss das nach der liberalen Denkungsart nicht so ausgelegt werden, als wäre es ein Angebot, um dadurch den Menschen zum guten Lebenswandel gleichsam zu d i n g e n: denn da würde das Christentum wiederum für sich selbst nicht liebenswürdig sein. Nur ein Ansinnen solcher Handlungen, die aus uneigennützigen Beweggründen entspringen, kann gegen den, welcher das Ansinnen tut, dem Menschen Achtung einflössen; ohne Achtung aber gibt es keine wahre Liebe. Also muss man jener Verheissung nicht den Sinn beilegen, als sollten die Belohnungen für die Triebfedern der Handlungen genommen werden. Die Liebe, wodurch eine liberale Denkart an einen Wohltäter gefesselt wird, richtet sich nicht nach dem Guten, was der Bedürftige empfängt, sondern bloss nach der Gütigkeit des W i l l e n s dessen, der geneigt ist, es zu erteilen: sollte er auch etwa nicht dazu vermögend sein, oder durch andre Beweggründe, welche die Rücksicht auf das allgemeine Weltbeste mit sich bringt, an der Ausführung gehindert werden. Das ist die moralische Liebenswürdigkeit, welche das Christentum bei sich führt, die durch manchen äusserlich ihm beigefügten Zwang, bei [[A 522>> dem öftern Wechsel der Meinungen, immer noch durchgeschimmert, und es gegen die Abneigung erhalten hat, die es sonst hätte treffen müssen; und welche (was merkwürdig ist) zur Zeit der grössten Aufklärung, die je unter Menschen war, sich immer in einem nur desto hellern Lichte zeigt. Sollte es mit dem Christentum einmal dahin kommen, dass es aufhörte liebenswürdig zu sein (welches sich wohl zutragen könnte, wenn es, statt seines sanften Geistes, mit gebieterischer Auktorität bewaffnet würde): so müsste, weil in moralischen Dingen keine Neutralität (noch weniger Koalition entgegengesetzter Prinzipien) Statt findet, eine Abneigung und Widersetzlichkeit gegen dasselbe die herrschende Denkart der Menschen werden; und der A n t i c h r i s t, der ohnehin für den Vorläufer des jüngsten Tages gehalten wird, würde sein (vermutlich auf Furcht und Eigennutz gegründetes) obzwar kurzes Regiment anfangen: alsdann aber, weil das Christentum allgemeine Weltreligion zu sein zwar b e s t i m m t, aber es zu werden von dem Schicksal nicht b e g ü n s t i g t sein würde, d a s (verkehrte) E n d e a l l e r Dinge in moralischer Rücksicht eintreten. Königsberg.

I. K a n t.

ZUM EWIGEN FRIEDEN EIN PHILOSOPHISCHER ENTWURF TITEL DER

E R S T E N A U F L A G E (A) _____ Zum

1

Übersetzung des Herausgebers: „das Gesetz ist eine taube und unerbittliche Sache.“

ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius. 1795.

TITEL DER

Z W E I T E N A U F L A G E (B) _____ Zum ewigen Frieden.

Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant. Neue vermehrte Auflage. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius. 1796. [[BA 3>> ZUM EWIGEN FRIEDEN Ob diese satirische Überschrift auf dem Schilde jenes holländischen Gastwirts, worauf ein Kirchhof gemalt war, die M e n s c h e n überhaupt, oder besonders die Staatsoberhäupter, die des Krieges nie satt werden können, oder wohl gar nur die Philosophen gelte, die jenen süssen Traum träumen, mag dahin gestellt sein. Das bedingt sich aber der Verfasser des Gegenwärtigen aus, dass, da der praktische Politiker mit dem theoretischen auf dem Fuss steht, mit grosser Selbstgefälligkeit auf ihn als einen Schulweisen herabzusehen, der dem

Staat, welcher von Erfahrungsgrundsätzen ausgehen müsse, mit seinen sachleeren Ideen keine Gefahr bringe, und den man immer seine eilf Kegel auf einmal werfen lassen kann, ohne, dass sich der [[BA 4>> w e l t k u n d i g e Staatsmann ’daran kehren darf, dieser auch, im Fall eines Streits mit jenem sofern konsequent verfahren müsse, hinter seinen auf gut Glück gewagten, und öffentlich geäusserten Meinungen nicht Gefahr für den Staat zu wittern; – durch welche c l a u s u l a s a l v a t o r i a der Verfasser dieses sich dann hiemit in der besten Form wider alle bösliche Auslegung ausdrücklich verwahrt wissen will. [[BA 5>> ERSTER ABSCHNITT, WELCHER DIE PRÄLIMINARARTIKEL ZUM EWIGEN FRIEDEN UNTER STAATEN ENTHÄLT 1. “Es soll kein Friedenssehluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.” Denn alsdenn wäre er ja ein blosser Waffenstillstand, Aufschub der Feindseligkeiten, nicht F r i e d e, der das Ende aller Hostilitäten bedeutet, und dem das Beiwort e w i g anzuhängen ein schon verdächtiger Pleonasm ist. Die vorhandene, obgleich jetzt vielleicht den Paziszierenden selbst noch nicht bekannte, Ursachen zum künftigen Kriege sind durch den Friedensschluss insgesamt vernichtet, sie mögen auch aus archivarischen Dokumenten mit noch so scharfsichtiger Ausspähungsgeschicklichkeit1 ausgeklaubt [[BA 6>> sein. – Der Vorbehalt (reservatio mentalis) alter allererst künftig auszudenkender Prätensionen, deren kein Teil für jetzt Erwähnung tun mag, weil beide zu sehr erschöpft sind, den Krieg fortzusetzen, bei dem bösen Willen, die erste günstige Gelegenheit zu diesem Zweck zu benutzen, gehört zur Jesuitenkasuistik, und ist unter der Würde der Regenten, so wie die Willfährigkeit zu dergleichen Deduktionen unter der Würde eines Ministers desselben, wenn man die Sache, wie sie an sich selbst ist, beurteilt. – Wenn aber, nach aufgeklärten Begriffen der Staatsklugheit, in beständiger Vergrösserung der Macht, durch welche Mittel es auch sei, die wahre Ehre des Staats gesetzt wird, so fällt freilich jenes Urteil als schulmässig und pedantisch in die Augen. 2. “Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder gross, das gilt hier gleichviel) von einem andern Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.” [[BA 7>> Ein Staat ist nämlich nicht (wie etwa der Boden, auf dem er seinen Sitz hat) eine Habe (patrimonium). Er ist eine Gesellschaft von Menschen, über die niemand anders, als er selbst, zu gebieten und zu disponieren hat. Ihn aber, der selbst als Stamm seine eigene Wurzel hatte, als Pfropfreis einem andern Staate einzuverleiben, heisst seine Existenz, als einer moralischen Person, aufheben, und aus der letzteren eine Sache machen, und widerspricht also der Idee des ursprünglichen Vertrags, ohne die sich kein Recht über ein Volk denken lässt.* In welche Gefahr das Vorurteil dieser Erwerbungsart Europa, denn die andern Weltteile haben nie davon gewusst, in unsern bis auf die neuesten Zeiten gebracht habe, dass sich nämlich auch Staaten einander heuraten könnten, ist jedermann bekannt, teils als eine neue Art von Industrie, sich auch ohne Aufwand von Kräf[[BA 8>>ften durch Familienbündnisse übermächtig zu machen, teils auch auf solche Art den Länderbesitz zu erweitern. – Auch die Verdingung der Truppen eines Staats an einen andern, gegen einen 1

H2: “Aufspähungsgeschicklichkeit”. Ein Erbreich ist nicht ein Staat, der von einem andern Staate, sondern dessen Recht zu regieren an eine andere physische Person vererbt werden kann. Der Staat erwirbt alsdann einen Regenten, nicht dieser als ein solcher (d. i. der schon ein anderes Reich besitzt) den Staat. *

nicht gemeinschaftlichen Feind, ist dahin zu zählen; denn die Untertanen werden dabei als nach Belieben zu handhabende Sachen gebraucht und verbraucht. 3. “Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.” Denn sie bedrohen andere Staaten unaufhörlich mit Krieg, durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu erscheinen; reizen diese an, sich einander in Menge der Gerüsteten, die keine Grenzen kennt, zu übertreffen, und, indem durch die darauf verwandten Kosten der Friede endlich noch drückender wird als ein kurzer Krieg, so sind sie selbst Ursache von Angriffskriegen, um diese Last loszuwerden; wozu kommt, dass zum Töten, oder getötet zu werden in Sold genommen zu sein einen Gebrauch von Menschen als blossen Maschinen und Werkzeugen in der Hand eines andern (des Staats) zu enthalten scheint, der sich nicht wohl mit dem Rechte der [[BA 9>> Menschheit in unserer eigenen Person vereinigen lässt. 1 Ganz anders ist es mit der freiwilligen periodisch vorgenommenen Übung der Staatsbürger in Waffen bewandt, sich und ihr Vaterland dadurch gegen Angriffe von aussen zu sichern. – Mit der Anhäufung eines Schatzes würde es eben so gehen, dass er, von andern Staaten als Bedrohung mit Krieg angesehen, zu zuvorkommenden Angriffen nötigte (weil unter den drei Machten, der H e e r e s m a c h t, der B u n d e s m a c h t und der G e l d m a c h t, die letztere wohl das zuverlässigste Kriegswerkzeug sein dürfte; wenn nicht die Schwierigkeit, die Grösse desselben zu erforschen, dem entgegenstände).2

4. “Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äussere Staatshandel gemacht werden.” [[A 10>> Zum Behuf der Landesökonomie (der Wegebesserung, neuer Ansiedelungen, Anschaffung der Magazine für besorgliche Misswachsjahre u.s.w.) ausserhalb oder innerhalb dem Staate Hülfe zu suchen, ist diese Hülfsquelle unverdächtig. Aber, als entgegenwirkende Maschine [[B 10>> der Mächte gegen einander, ist ein Kreditsystem ins Unabsehliche anwachsender und doch immer für die gegenwärtige Forderung (weil sie doch nicht von allen Gläubigern auf einmal geschehen wird) gesicherter Schulden – die sinnreiche Erfindung eines handeltreibenden Volks in diesem Jahrhundert – eine gefährliche Geldmacht, nämlich ein Schatz zum Kriegführen, der die Schätze aller andern Staaten zusammengenommen übertrifft, und nur durch den einmal bevorstehenden Ausfall der Taxen (der doch auch durch die Belebung des Verkehrs, vermittelst der Rückwirkung auf Industrie und Erwerb, noch lange hingehalten wird) erschöpft werden kann. Diese Leichtigkeit Krieg zu führen, mit der Neigung der Machthabenden dazu, welche der menschlichen Natur eingeartet zu sein scheint, verbunden, ist also ein grosses Hindernis des ewigen Friedens, welches zu verbieten um desto [[A 11>> mehr ein Präliminarartikel desselben sein müsste, weil der endlich doch unvermeidliche Staatsbankerott manche andere Staaten unverschuldet in den Schaden mit verwickeln muss, welches eine öffentliche Läsion der letzteren sein würde. Mithin sind wenigstens andere Staaten berechtigt, [[B 11>> sich gegen einen solchen und dessen Anmassungen zu verbünden.

5. “Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen.” Denn was kann ihn dazu berechtigen ? Etwa das Skandal, was er den Untertanen eines andern Staats gibt ? Es kann dieser vielmehr, durch das Beispiel der grossen Übel, die sich ein Volk durch seine Gesetzlosigkeit zugezogen hat, zur Warnung dienen; und überhaupt ist das böse Beispiel, was eine freie Person der andern gibt, (als scandalum acceptum) keine Läsion derselben. – Dahin würde zwar nicht zu ziehen sein, wenn ein Staat sich durch innere Veruneinigung in zwei Teile spaltete, deren jeder für sich einen besondern Staat vorstellt, der auf das Ganze Anspruch macht; wo einem [[A 12>> derselben Beistand zu leisten einem äussern Staat nicht für Einmischung in die Verfassung des andern (denn es ist alsdann Anarchie) angerechnet werden könnte. So lange aber dieser innere Streit noch nicht entschieden ist, würde diese Einmischung äusserer Mächte Verletzung der [[B 12>> Rechte 1

An dieser Stelle steht in A die BA 32 mit kleinen Änderungen wiederkehrende Anmerkung: “So antwortete ein bulgarischer Fürst dem griechischen Kaiser, der den Zwist mit ihm, nicht durch Vergiessung des Bluts seiner Untertanen, sondern gutmütigerweise durch einen Zweikampf abmachen wollte: ‘ein Schmied, der Zangen hat, wird das glühende Eisen aus den Kohlen nicht mit den Händen herausnehmen’.” Diese Anmerkung ist bereits aufgrund der A2 beigefügten “Verbesserungen zum ewigen Frieden” zu tilgen. 2 Akad.-Ausg.: “dürfte), wenn nicht … entgegenstände.”.

eines nur mit seiner innern Krankheit ringenden, von keinem andern abhängigen Volks, selbst also ein gegebenes Skandal sein, und die Autonomie aller Staaten unsicher machen. 6. “Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der M e u c h e l m ö r d e r (percussores), G i f t m i s c h e r (venefici), B r e c h u n g d e r K a p i t u l a t i o n, A n s t i f t u n g d e s V e r r a t s (perduellio) in dem bekriegten Staat etc.” Das sind ehrlose Stratagemen. Denn irgend ein Vertrauen auf die Denkungsart des Feindes muss mitten im Kriege noch übrig bleiben, weil sonst auch kein Friede abgeschlossen werden könnte, und die Feindseligkeit in einen [[A 13>> Ausrottungskrieg (bellum internecinum) ausschlagen würde; da der Krieg doch nur das traurige Notmittel im Naturzustande ist (wo kein Gerichtshof vorhanden ist, der rechtskräftig urteilen könnte), durch Gewalt sein Recht zu behaupten; wo keiner von beiden Teilen für [[B 13>> einen ungerechten Feind erklärt werden kann (weil das schon einen Richterausspruch voraussetzt), sondern der A u s s c h l a g desselben (gleich als vor einem so genannten Gottesgerichte) entscheidet, auf wessen Seite das Recht ist; zwischen Staaten aber sich kein Bestrafungskrieg (bellum punitivum) denken lässt (weil zwischen ihnen kein Verhältnis eines Obern zu einem Untergebenen statt findet). – Woraus denn folgt: dass ein Ausrottungskrieg, wo die Vertilgung beide Teile zugleich, und mit dieser auch alles Rechts treffen kann, den ewigen Frieden nur auf dem grossen Kirchhofe der Menschengattung statt finden lassen würde. Ein solcher Krieg also, mithin auch der Gebrauch der Mittel, die dahin führen, muss schlechterdings unerlaubt sein. – Dass aber die genannte Mittel unvermeidlich dahin führen, erhellt daraus: dass jene höllische Künste, da sie an sich selbst nie [[A 14>>derträchtig sind, wenn sie in Gebrauch gekommen, sich nicht lange innerhalb der Grenze des Krieges halten, wie etwa der Gebrauch der Spione (uti exploratoribus), wo nur die Ehrlosigkeit a n d e r e r (die nun einmal nicht ausgerottet werden kann) benutzt wird, sondern [[B 14>> auch in den Friedenszustand übergehen, und so die Absicht desselben gänzlich vernichten würden. Obgleich die angeführte Gesetze objektiv, d. i. in der Intention der Machthabenden, lauter V e r b o t g e s e t z e (leges prohibitivae) sind, so sind doch einige derselben von der s t r e n g e n, ohne Unterschied der Umstände geltenden Art (leges strictae), die so fort auf Abschaffung dringen (wie Nr. 1, 5, 6), andere aber (wie Nr. 2, 3, 4), die zwar nicht als Ausnahmen von der Rechtsregel, aber doch in Rücksicht auf die A u s ü b u n g derselben, durch die Umstande, s u b j e k t i v für die Befugnis erweiternd (leges latae), und Erlaubnisse enthalten1, die Vollführung a u f z u s c h i e b e n, ohne doch den Zweck aus den Augen zu verlieren, der diesen Aufschub, z. B. der W i e d e r[[A 15>>e r s t a t t u n g der gewissen Staaten, nach Nr. 2, entzogenen Freiheit, nicht auf dem2 Nimmertag (wie August zu versprechen pflegte, ad calendas graecas) auszusetzen, mithin die3 Nichterstattung, sondern nur, damit sie nicht übereilt und so der Absicht selbst zuwider geschehe, die Verzögerung erlaubt. Denn das Verbot be[[B 15>>trifft hier nur die E r w e r b u n g s a r t, die fernerhin nicht gelten soll, aber nicht den B e s i t z s t a n d, der, ob er zwar nicht den erforderlichen Rechtstitel hat, doch zu seiner Zeit (der putativen Erwerbung), nach der damaligen öffentlichen Meinung, von allen Staaten für rechtmässig gehalten wurde.* 1

H2: “und [diese] Erlaubnisse [sind] enthalten”; Cassirer: “latae), Erlaubnisse enthalten”. A: “auf den”. 3 Akad.-Ausg. erwägt: “mithin nicht die”. * Ob es ausser dem Gebot (leges praeceptivae), und Verbot (leges prohibitivae) noch E r l a u b n i s g e s e t z e (leges permissivae) der reinen Vernunft geben könne, ist bisher nicht ohne Grund bezweifelt worden. Denn Gesetze überhaupt enthalten einen Grund objektiver praktischer Notwendigkeit, Erlaubnis aber einen der praktischen Zufälligkeit gewisser Handlungen; mithin würde ein E r l a u b n i s g e s e t z Nötigung zu einer Handlung, zu dem, wozu jemand nicht genötiget werden kann, enthalten, welches, wenn das Objekt des Gesetzes in beiderlei Beziehung einerlei Bedeutung hatte, ein Widerspruch sein würde. – Nun geht aber hier im 2

[[BA 18>> ZWEITBR ABSCHNITT, WELCHER DIE DEFINITIVARTIKEL ZUM EWIGEN FRIEDEN UNTER STAATEN ENTHÄLT Der Friedenszustand unter Menschen, die neben einander leben, ist kein Naturstand (status naturalis), der vielmehr ein Zustand des Krieges ist, d. i. wenn gleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch immerwährende Bedrohung mit denselben. Er muss also g e s t i f t e t werden; denn die Unterlassung der letzteren ist noch nicht Sicherheit dafür, und, ohne dass sie einem Nachbar von dem andern geleistet wird (welches aber nur in einem gesetzlichen Zustande geschehen kann), kann jener diesen, welchen er dazu aufgefordert hat, als einen Feind behandeln.*

[[BA 20>> ERSTER DEFINITIVARTIKEL ZUM EWIGEN FRIEDEN Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein. Erlaubnisgesetze [[Anm. A 16>> das vorausgesetzte Verbot nur auf die künftige Erwerbungsart eines Rechts (z. B. durch Erbschaft), die Befreiung aber von diesem Verbot, d. i. die Erlaubnis, auf den gegenwärtigen Besitzstand, welcher letztere, im Überschritt aus dem Naturzustande in den bürgerlichen, als ein, obwohl unrechtmässiger, dennoch e h r l i c h e r, B e s i t z (possessio putativa) [[Anm. B 16>> nach einem Erlaubnisgesetz des Naturrechts noch fernerhin fortdauern kann, obgleich ein putativer Besitz, so bald er als ein solcher erkannt worden, im Naturzustande, imgleichen eine ähnliche Erwerbungsart im nachmaligen bürgerlichen (nach geschehenem Uberschritt) verboten ist, welche Befugnis des fortdaurenden Besitzes nicht statt finden würde, wenn eine solche vermeintliche Erwerbung im bürgerlichen Zustande geschehen wäre; denn da würde er, als Läsion, sofort nach Entdeckung seiner Unrechtmässigkeit aufhören müssen. Ich habe hiemit nur beiläufig die Lehrer des Naturrechts auf den Begriff einer lex permissiva, welcher sich einer systematisch-einteilenden Vernunft von selbst darbietet, aufmerksam machen wollen; vornehmlich, da im Zivilgesetze (statuarischen) öfters davon Gebrauch gemacht wird, nur mit dem Unterschiede, dass das Verbotgesetz für sich allein dasteht, die Erlaubnis aber nicht als einschränkende Bedingung (wie es sollte) in jenes Gesetz mit hinein gebracht, sondern unter die Ausnahmen geworfen wird. – Da heisst es dann: dies oder jenes wird verboten: e s s e i d e n n Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, und so weiter ins Unabsehliche, die Erlaubnisse nur [[Anm. A 17>> zufälliger Weise, nicht nach einem Prinzip, sondern durch Herumtappen unter vorkommenden Fällen, zum Gesetz hinzukommen; denn sonst hätten die Bedingungen in die F o r m e l d e s V e r b o t s g e s e t z e s [[Anm. B 17>> mit hineingebracht werden müssen, wodurch es dann zugleich ein Erlaubnisgesetz geworden wäre. – Es ist daher zu bedauern, dass die sinnreiche, aber unaufgelöst gebliebene, Preisaufgabe des eben so weisen als scharfsinnigen Herrn G r a f e n v o n W i n d i s c h g r ä t z, welche gerade auf das letztere drang, sobald verlassen worden. Denn die Möglichkeit einer solchen (der mathematischen ähnlichen) Formel ist der einzige echte Probierstein einer konsequent bleibenden Gesetzgebung, ohne welche das so genannte ius certum immer ein frommer Wunsch bleiben wird. – Sonst wird man bloss g e n e r a l e Gesetze (die im a l l g e m e i n e n gelten), aber keine universale (die a l l g e m e i n gelten) haben, wie es doch der Begriff eines Gesetzes zu erfordern scheint. * Gemeiniglich nimmt man an, dass man gegen niemand feindlich verfahren dürfe, als nur, wenn er mich schon tätig l ä d i e r t hat, und das ist auch ganz richtig, wenn beide im b ü r g e r l i c h-g e s e t z l i c h e n Zustande sind. Denn dadurch, dass dieser in denselben getreten ist, leistet er jenem (vermittelst der Obrigkeit, welche über beide Gewalt hat) die er[[Anm. A 19>>forderliche Sicherheit. – Der Mensch aber (oder [[Anm. B 19>> das Volk) im blossen Naturstande benimmt mir diese Sicherheit, und lädiert mich schon durch eben diesen Zustand, indem er neben mir ist, obgleich nicht tätig (facto), doch durch die Gesetzlosigkeit seines Zustandes (statu iniusto), wodurch ich beständig von ihm bedroht werde, und ich kann ihn nötigen, entweder mit mir in einen gemeinschaftlich-gesetzlichen Zustand zu treten, oder aus meiner Nachbarschaft zu weichen. – Das Postulat also, was allen folgenden Artikeln zum Grunde liegt, ist: Alle Menschen, die auf einander wechselseitig einfliessen können, müssen zu irgend einer bürgerlichen Verfassung gehören. Alle rechtliche Verfassung aber ist, was die Personen betrifft, die darin stehen, 1 1) die nach dem S t a a t s b ü r g e r r e c h t der Menschen, in einem Volke (ius civitatis), 2) nach dem V ö l k e r r e c h t der Staaten in Verhältnis gegen einander (ius gentium), 3) die nach dem W e l t b ü r g e r r e c h t, so fern Menschen und Staaten, in äusserem auf einander einfliessendem Verhältnis stehend, als Bürger eines allgemeinen Menschenstaats anzusehen sind (ius cosmopoliticum). Diese Einteilung ist nicht willkürlich, sondern notwendig in Beziehung auf die Idee vom ewigen Frieden. Denn wenn nur einer von diesen im Verhältnisse des physischen Einflusses auf den andern, und doch im Naturstande wäre, so würde damit der Zustand des Krieges verbunden sein, von dem befreit zu werden hier eben die Absicht ist.

Die erstlich nach Prinzipien der F r e i h e i t der Glieder einer Gesellschaft (als Menschen); zweitens nach Grundsätzen der A b h ä n g i g k e i t aller von einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung (als Untertanen); und drittens, die nach dem Gesetz der G l e i c h h e i t derselben (als S t a a t s b ü r g e r) gestiftete Verfassung – die einzige, welche aus der Idee des ursprünglichen Vertrags hervorgeht, auf der alle rechtliche Gesetzgebung eines Volks gegründet sein muss – ist die r e p u b l i k a n i s c h e. * Diese[[BA 21>> ist also, was das Recht betrifft, an sich selbst diejenige, welche allen Arten der bürgerlichen [[BA 22>> Konstitution ursprünglich zum Grunde liegt; und nun ist nur die Frage: ob sie auch die einzige ist, die zum ewigen Frieden hinführen kann ? [[BA 23>> Nun hat aber die republikanische Verfassung, ausser der Lauterkeit ihres Ursprungs, aus dem reinen Quell des Rechtsbegriffs entsprungen zu sein, noch die Aussicht in die gewünschte Folge, nämlich den ewigen Frieden; wovon der Grund dieser ist. – Wenn (wie es in dieser Verfassung nicht anders sein kann) die Beistimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschliessen, “ob Krieg sein solle, oder nicht”, so ist nichts natürlicher, als dass, da sie alle Drangsale des Krieges über sich selbst beschliessen müssten (als da sind: selbst zu fechten; die Kosten des Krieges [[BA 24>> aus ihrer eigenen Habe herzugeben; die Verwüstung, die er hinter sich lässt, kümmerlich zu verbessern; zum Übermasse des Übels endlich noch eine, den Frieden selbst verbitternde, nie (wegen naher immer neuer Kriege) zu tilgende Schuldenlast selbst zu übernehmen), sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen: Da hingegen in einer Verfassung, wo der Untertan nicht *

R e c h t l i c h e (mithin äussere) F r e i h e i t kann nicht, wie man wohl zu tun pflegt, durch die Befugnis definiezt werden: “alles zu tun, was man will, wenn man nur keinem Unrecht tut”. Denn was heisst B e f u g n i s ? Die Möglichkeit einer Handlung, so fern man dadurch keinem Unrecht tut. Also würde die Erklärung so [[Anm. A 21>> lauten: »Frei[[Anm. B 21>>heit ist die Möglichkeit der Handlungen, dadurch man keinem Unrecht tut. Man tut keinem Unrecht (man mag auch tun was man will), wenn man nur keinem Unrecht tut”: folglich ist es leere Tautologie. – Vielmehr ist meine äussere (rechtliche) F r e i h e i t so zu erklären: sie ist die Befugnis, keinen äusseren Gesetzen zu gehorchen, als zu denen ich meine Beistimmung habe geben können. – Eben so ist äussere (rechtliche) G l e i c h h e i t in einem Staate dasjenige Verhältnis der Staatsbürger, nach welchem keiner den andern wozu rechtlich verbinden kann, ohne dass er sich zugleich dem Gesetz unterwirft, von diesem wechselseitig auf dieselbe Art auch verbunden werden zu k ö n n e n. (Vom Prinzip der r e c h t l i c h e n Abhängigkeit, da dieses schon in dem Begriffe einer Staatsverfassung überhaupt liegt, bedarf es keiner Erklärung.) – Die Gültigkeit dieser angebornen, zur Menschheit notwendig gehörenden und unveräusserlichen Rechte wird durch das Prinzip der rechtlichen Verhältnisse des Menschen selbst zu höheren Wesen (wenn er sich solche denkt) bestätigt und erhoben, indem er sich nach eben denselben Grundsätzen auch als Staatsbürger einer übersinnlichen Welt vorstellt. – Denn, was meine Freiheit betrifft, so habe ich, selbst in Ansehung der göttlichen, von mir durch blosse Vernunft erkennbaren Gesetze, keine Verbind[[Anm. B 22>> lichkeit, als nur so fern ich dazu selber habe meine Beistimmung geben können (denn durchs Freiheits[[Anm. A 22>>gesetz meiner eigenen Vernunft mache ich mir allererst einen Begriff vom göttlichen Willen). Was in Ansehung des erhabensten Weltwesens ausser Gott, welches ich mir etwa denken möchte (einen grossen Ä o n), das Prinzip der Gleichheit betrifft, so ist kein Grund da, warum ich, wenn ich in meinem Posten meine Pflicht tue, wie jener Äon es in dem seinigen, mir bloss die Pflicht zu gehorchen, jenem aber das Recht zu befehlen zukommen solle. – Dass dieses Prinzip der G l e i c h h e i t nicht (so wie das der Freiheit) auch auf das Verhältnis zu Gott passt, davon ist der Grund dieser, weil dieses Wesen das einzige ist, bei dem der Pflichtbegriff aufhört. Was aber das Recht der Gleichheit aller Staatsbürger, als Untertanen, betrifft, so kommt es in Beantwortung der Frage von der Zulässigkeit des E r b a d e l s allein darauf an: “ob der vom Staat zugestandene Rang (eines Untertans vor dem andern) vor dem V e r d i e n s t, oder dieses vor jenem vorhergehen müsse”. – Nun ist offenbar: dass, wenn der Rang mit der Geburt verbunden wird, es ganz ungewiss ist, ob das Verdienst (Amtsgeschicklichkeit und Amtstreue) auch folgen werde; mithin ist-es [[Anm. BA 23>> eben so viel, als ob er ohne alles Verdienst dem Begünstigten zugestanden würde (Befehlshaber zu sein); welches der allgemeine Volkswille in einem ursprünglichen Vertrage (der doch das Prinzip aller Rechte ist) nie beschliessen wird. Denn ein Edelmann ist darum nicht so fort ein e d l e r Mann. – Was den A m t s a d e l (wie man den Rang einer höheren Magistratur nennen könnte, und den man sich durch Verdienste erwerben muss) betrifft, so klebt der Rang da nicht, als Eigentum, an der Person, sondern am Posten, und die Gleichheit wird dadurch nicht verletzt; weil, wenn jene ihr Amt niederlegt, sie zugleich den Rang ablegt, und unter das Volk zurücktritt. –

Staatsbürger, die also nicht republikanisch ist, es die unbedenklichste Sache von der Welt ist, weil das Oberhaupt nicht Staatsgenosse, sondern Staatseigentümer ist, an seinen Tafeln, Jagden, Lustschlössern, Hoffesten u.d. gl. durch den Krieg nicht das mindeste einbüsst, diesen also wie eine Art von Lustpartie aus unbedeutenden Ursachen beschliessen, und der Anständigkeit wegen dem dazu allezeit fertigen diplomatischen Korps die Rechtfertigung desselben gleichgültig überlassen kann. *** Damit man die republikanische Verfassung nicht (wie gemeiniglich geschieht) mit der demokratischen verwechsele, muss folgendes bemerkt [[BA 25>> werden. Die Formen eines Staats (civitas) können entweder nach dem Unterschiede der Personen, welche die oberste Staatsgewalt inne haben, oder nach der R e g i e r u n g s a r t des Volks durch sein Oberhaupt, er mag sein welcher er wolle, eingeteilt werden; die erste heisst eigentlich die Form der B e h e r r s c h u n g (forma imperii), und es sind nur drei derselben möglich, wo nämlich entweder nur e i n e r, oder e i n i g e unter sich verbunden, oder a l l e zusammen, welche die bürgerliche Gesellschaft ausmachen, die Herrschergewalt besitzen (A u t o k r a t i e, A r i s t o k r a t i e und D e m o k r a t i e, Fürstengewalt, Adelsgewalt und Volksgewalt). Die zweite ist die Form der Regierung (forma regimihis), und betrifft die auf die Konstitution (den Akt des allgemeinen Willens, wodurch die Menge ein Volk wird) gegründete Art, wie der Staat von seiner Machtvollkommenheit Gebrauch macht: und ist in dieser Beziehung entweder r e p u b l i k a n i s c h oder d e s p o t i s c h. Der R e p u b l i k a n i s m ist das Staatsprinzip der Absonderung der ausführenden Gewalt (der Regierung) von der gesetzgebenden; der Despotism ist das der eigen[[BA 26>>mächtigen Vollziehung des Staats von Gesetzen, die er selbst gegeben hat, mithin der öffentliche Wille, sofern er von dem Regenten als sein Privatwille gehandhabt wird. – Unter den drei Staatsformen ist die der D e m o k r a t i e, im eigentlichen Verstande des Worts, notwendig ein D e s p o t i s m, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), mithin alle, die doch nicht alle sind, beschliessen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist. Alle Regierungsform nämlich, die nicht r e p r ä s e n t a t i v ist, ist eigentlich eine U n f o r m, weil der Gesetzgeber in einer und derselben Person zugleich Vollstrecker seines Willens (so wenig, wie das Allgemeine des Obersatzes in einem Vernunftschlusse zugleich die Subsumtion des Besondern unter jenem im Untersatze) sein kann, und, wenn gleich die zwei andern Staatsverfassungen so fern immer fehlerhaft sind, dass sie einer solcher Regierungsart Raum geben, so ist es bei ihnen doch wenigstens möglich, dass sie eine dem G e i s t e [[BA 27>> eines repräsentativen Systems gemässe Regierungsart annahmen, wie etwa Friedrich II. wenigstens s a g t e: er sei bloss der oberste Diener des Staats, * da hingegen die demokratische es unmöglich macht, weil alles da Herr sein will. – Man kann daher sagen: je kleiner das Personale der Staatsgewalt (die Zahl der Herrscher), je grösser dagegen die Repräsentation derselben, desto mehr stimmt die Staatsverfassung zur Möglichkeit des Republikanism, und sie kann hoffen, durch allmähliche Reformen sich dazu endlich zu erheben. Aus diesem [[BA 28>> Grunde ist es in der Aristokratie schon schwerer, als in der Monarchie, in der Demokratie aber unmöglich, anders, als durch gewaltsame Revolution zu dieser einzigen vollkommen rechtlichen Verfassung zu gelangen. Es ist aber an der Regierungsart* dem Volk ohne alle Vergleichung mehr gelegen, als an der Staatsform [[BA *

Man hat die hohe Benennungen, die einem Beherrscher oft beigelegt werden (die eines göttlichen Gesalbten, eines Verwesers des göttlichen Willens auf Erden und Stellvertreters desselben), als grobe, schwindlig machende Schmeicheleien oft getadelt; aber mich dünkt, ohne Grund. – Weit gefehlt, dass sie den Landesherrn sollten hochmütig machen, so müssen sie ihn vielmehr in seiner Seele demütigen, wenn er Verstand hat (welches man doch voraussetzen muss), und es bedenkt, dass er ein Amt übernommen habe, was für einen Menschen zu gross ist, nämlich das Heiligste, was Gott auf Erden hat, das R e c h t d e r M e n s c h e n zu verwalten, und diesem Augapfel Gottes irgend worin zu nahe getreten zu sein jederzeit in Besorgnis stehen muss. * Mallet du Pan rühmt in seiner genietonenden, aber hohlen und sachleeren Sprache: nach vieljahriger Erfahrung endlich zur Überzeugung von der Wahrheit des bekannten Spruchs des P o p e gelangt zu sein: “lass über die

29>> (wiewohl auch auf dieser ihre mehrere oder mindere Angemessenheit zu jenem Zwecke sehr viel ankommt). Zu jener aber, wenn sie dem Rechtsbegriffe gemäss sein soll, gehört das repräsentative System, in welchem allein eine republikanische Regierungsart möglich, ohne welches sie (die Verfassung mag sein welche sie wolle) despotisch und gewalttätig ist. – Keine der alten sogenannten Republiken hat dieses gekannt, und sie mussten sich darüber auch schlechterdings in dem1 Despotism auflösen, der unter der Obergewalt eines Einzigen noch der erträglichste unter allen ist. [[BA 30>> ZWEITER DEFINITIVARTIKEL ZUM EWIGEN FRIEDEN Das Völkerrecht soll auf einen F ö d e r a l i s m freier Staaten gegründet sein. Völker, als Staaten, können wie einzelne Menschen beurteilt werden, die sich in ihrem Naturzustande (d. i. in der Unabhängigkeit von äussern Gesetzen) schon durch ihr Nebeneinandersein lädieren, und deren jeder, um seiner Sicherheit willen, von dem andern fördern kann und soll, mit ihm in eine, der bürgerlichen ähnliche, Verfassung zu treten, wo jedem sein Recht gesichert werden kann. Dies wäre ein V ö l k e r b u n d, der aber gleichwohl kein Völkerstaat sein müsste. Darin aber wäre ein Widerspruch; weil ein jeder Staat das Verhältnis eines O b e r e n (Gesetzgebenden) zu einem U n t e r e n (Gehorchenden, nämlich dem Volk) enthält, viele Völker aber in einem Staate nur ein Volk ausmachen würden, welches (da wir hier das Recht der Völker gegen einander zu [[B 31>> erwägen haben, so fern sie so viel verschiedene [[A 31>> Staaten ausmachen, und nicht in einem Staat zusammenschmelzen sollen) der Voraussetzung widerspricht. Gleichwie wir nun die Anhänglichkeit der Wilden an ihre gesetzlose Freiheit, sich lieber unaufhörlich zu balgen, als sich einem gesetzlichen, von ihnen selbst zu konstituierenden, Zwange zu unterwerfen, mithin die tolle Freiheit der vernünftigen vorzuziehen, mit tiefer Verachtung ansehen, und als Rohigkeit, Ungeschliffenheit und viehische Abwürdigung der Menschheit betrachten, so, sollte man denken, müssten gesittete Völker (jedes für sich zu einem Staat vereinigt) eilen, aus einem so verworfenen Zustande je eher desto lieber herauszukommen: Statt dessen aber setzt vielmehr jeder S t a a t seine Majestät (denn Volksmajestät ist ein ungereimter Ausdruck) gerade darin, gar keinem äusseren gesetzlichen Zwange unterworfen zu sein, und der Glanz seines Oberhaupts besteht darin, dass ihm, ohne dass er sich eben selbst in Gefahr setzen darf, viele Tausende zu Gebot stehen, sich für eine Sache, die sie nichts angeht, [[BA 32>> aufopfern zu lassen, * und der Unterschied der europäischen Wilden von den amerikanischen besteht hauptsächlich darin, dass, da manche Stämme der letzteren von ihren Feinden gänzlich sind gegessen worden, die ersteren ihre Überwundene besser zu benutzen wissen, als sie zu verspeisen, und lieber die Zahl ihrer Untertanen, mithin auch die Menge der Werkzeuge zu noch ausgebreitetern Kriegen durch sie zu vermehren wissen. Bei der Bösartigkeit der menschlichen Natur, die sich im freien Verhältnis der Völker unverhohlen blicken lässt (indessen dass sie im bürgerlich-gesetzlichen Zustande durch den Zwang der Regierung sich sehr verschleiert), ist es doch1 zu verwundern, dass das Wort R e c h t aus der Kriegspolitik noch nicht als pedantisch ganz hat verwiesen werden können, und beste Regierung Narren streiten; die bestgeführte ist die beste”. Wenn das soviel sagen soll: die am besten geführte Regierung ist am besten geführt, so hat er, nach Swifts Ausdruck, eine Nuss aufgebissen, die ihn mit einer Made belohnte; soll es aber bedeuten, sie sei auch die beste Regierungsart, d. i. Staatsverfassung, so ist es grundfalsch; denn Exempel von guten Regierungen beweisen nichts für die Regierungsart. – Wer hat wohl besser regiert als ein T i t u s und M a r c u s A u r e l i u s, und doch hinterliess der eine einen D o m i t i a n, der andere einen C o m m o d u s zu Nachfolgern; welches bei einer guten staatsverfassung nicht hatte geschehen können, da ihre Untauglichkeit zu diesem Posten früh genug bekannt war, und die Macht des Beherrschers auch hinreichend war, um sie auszuschliessen. 1 A: “in den”. * So gab ein bulgarischer Fürst dem griechischen Kaiser, der gutmütigerweise seinen Streit mit ihm durch einen Zweikampf ausmachen wollte, zur Antwort: “Ein Schmied, der Zangen hat, wird das glühende Eisen aus den Kohlen nicht mit seinen Hünden herauslangen”.

sich noch kein Staat erkühnet hat, sich für die letz[[BA 33>>tere Meinung öffentlich zu erklären; denn noch werden H u g o G r o t i u s, P u f e n d o r f, V a t t e l u. a. m. (lauter leidige Tröster), obgleich ihr Kodex, philosophisch oder diplomatisch abgefasst, nicht die mindeste g e s e t z l i c h e Kraft hat, oder auch nur haben kann (weil Staaten als solche nicht unter einem gemeinschaftlichen äusseren Zwange stehen), immer treuherzig zur R e c h t f e r t i g u n g eines Kriegsangriffs angeführt, ohne dass es ein Beispiel gibt, dass jemals ein Staat durch mit Zeugnissen so wichtiger Männer bewaffnete Argumente wäre bewogen worden, von seinem Vorhaben abzustehen. – Diese Huldigung, die jeder Staat dem Rechtsbegriffe (wenigstens den Worten nach) leistet, beweist doch, dass eine noch grössere, ob zwar zur Zeit schlummernde, moralische Anlage im Menschen anzutreffen sei, über das böse Prinzip in ihm (was er nicht ableugnen kann) doch einmal Meister zu werden, und dies auch von andern zu hoffen; denn sonst würde das Wort R e c h t den Staaten, die sich einander befehden wollen, nie in den Mund kommen, es sei denn, bloss um seinen Spott damit zu treiben, wie jener gallische Fürst es er[[BA 34>>klärte: “Es ist der Vorzug, den die Natur dem Stärkern2 über den Schwächern gegeben hat, dass dieser ihm gehorchen solle. Da die Art, wie Staaten ihr Recht verfolgen, nie, wie bei einem äussern Gerichtshofe, der Prozess, sondern nur der Krieg sein kann, durch diesen aber und seinen günstigen Ausschlag, den S i e g, das Recht nicht entschieden1 wird, und durch den F r i e d e n s v e r t r a g zwar wohl dem diesmaligen Kriege, aber nicht dem Kriegszustande (immer zu einem neuen Vorwand zu finden) ein Ende gemacht wird (den man aueh nicht geradezu für ungerecht erklären kann, weil in diesem Zustande jeder in seinei eigenen Sache Richter ist), gleichwohl aber von Staaten, nach dem Völkerrecht, nicht eben das gelten kann, was von Menschen im gesetzlosen Zustande nach dem Naturrecht gilt, “aus diesem Zustande herausgehen zu sollen” (weil sie, als Staaten, innerlich schon eine rechtliche Verfassung haben, und also dem Zwange anderer, sie nach ihren Rechtsbegriffen unter eine erweiterte gesetzliche Verfassung zu bringen, entwachsen sind), indessen dass doch die Vernunft, vom Throne der höchsten moralisch gesetzgebenden [[BA 35>> Gewalt herab, den Krieg als Rechtsgang schlechterdings verdammt, den Friedenszustand dagegen zur unmittelbaren Pflicht macht, welcher doch, ohne einen Vertrag der Völker unter sich, nicht gestiftet oder gesichert werden kann: – so muss es einen Bund 2 von besonderer Art geben, den man den F r i e d e n s b u n d (foedus pacificum) nennen kann, der vom F r i e d e n s v e r t r a g (pactum pacis) darin unterschieden sein würde, dass dieser bloss einen Krieg, jener aber alle Kriege auf immer zu endigen suchte. Dieser Bund geht auf keinen Erwerb irgend einer Macht des Staats, sondern lediglich auf Erhaltung und Sicherung der F r e i h e i t eines Staats, für sich selbst und zugleich anderer verbündeten Staaten, ohne dass diese doch sich deshalb (wie Menschen im Naturzustande) öffentlichen Gesetzen, und einem Zwange unter denselben, unterwerfen dürfen. – Die Ausführbarkeit (objektive Realität) dieser I d e e d e r F ö d e r a l i t ä t, die sich allmählich über alle Staaten erstrecken soll, und so zum ewigen Frieden hinführt, lässt sich darstellen. Denn wenn das Glück es so fügt: dass ein mächtiges und aufgeklärtes Volk sich zu [[BA 36>> einer Republik (die ihrer Natur nach zum ewigen Frieden geneigt sein muss) bilden kann, so gibt diese einen Mittelpunkt der föderativen Vereinigung für andere Staaten ab, um sich an sie anzuschliessen, und so den Freiheitszustand der Staaten, gemäss der Idee des Volkerrechts, zu sichern, und sich durch mehrere Verbindungen dieser Art nach und nach immer weiter auszubreiten. Dass ein Volk sagt: “es soll unter uns kein Krieg sein; denn wir wollen uns in einen Staat formieren, d. i. uns selbst eine oberste gesetzgebende, regierende und richtende Gewalt setzen, die unsere Streitigkeiten friedlich ausgleicht” – das lässt sich verstehen. – – Wenn aber dieser Staat sagt: “es soll kein Krieg zwischen mir und andern Staaten sein, obgleich ich keine oberste gesetzgebende Gewalt erkenne, die mir mein, und der ich ihr Recht sichere”, so ist es 1

A: “doch sehr”; in den A2 beigefügten “Verbesserungen zum ewigen Frieden” ist der Text von A bereits geändert. 2 A1: “den Stärkern”. 1 H2: “entscheiden:. 2 A: ”B u n d”.

gar nicht zu verstehen, worauf ich dann das Vertrauen zu meinem Rechte gründen wolle, wenn es nicht das Surrogat des bürgerlichen Gesellschaftbundes, nämlich der freie Föderalism ist, den die Vernunft mit dem Begriffe [[BA 37>> des Volkerrechts notwendig verbinden muss, wenn überall etwas dabei zu denken übrig bleiben soll. Bei dem Begriffe des Völkerrechts, als eines Rechts zum Kriege, lässt sich eigentlich gar nichts denken (weil es ein Recht sein soll, nicht nach allgemein gültigen äussern, die Freiheit jedes einzelnen einschränkenden Gesetzen, sondern nach einseitigen Maximen durch Gewalt, was Recht sei, zu bestimmen), es müsste denn darunter verstanden werden: dass Menschen, die so gesinnet sind, ganz recht geschieht, wenn sie sich unter einander aufreiben, und also den ewigen Frieden in dem weiten Grabe finden, das alle Greuel der Gewalttätigkeit samt ihren Urhebern bedeckt. – Für Staaten, im Verhältnisse unter einander, kann es nach der Vernunft keine andere Art geben, aus dem gesetzlosen Zustande, der lauter Krieg enthält, herauszukommen, als dass sie, eben so wie einzelne Menschen, ihre wilde (gesetzlose) Freiheit aufgeben, sich zu öffentlichen Zwangsgesetzen bequemen, und so einen (freilich immer wachsenden) V ö l k e r s t a a t (civitas gentium), der [[BA 38>> zuletzt alle Völker der Erde befassen würde, bilden. Da sie dieses aber nach ihrer Idee vom Völkerrecht durchaus nicht wollen, mithin, was in thesi richtig ist, in hypothesi verwerfen, so kann an die Stelle der positiven Idee e i n e r W e l t r e p u b l i k (wenn nicht alles verloren werden soll) nur das n e g a t i v e Surrogat eines den Krieg abwehrenden, bestehenden, und sich immer ausbreitenden B u n d e s den Strom der rechtscheuenden, feindseligen Neigung aufhalten, doch mit beständiger Gefahr ihres Ausbruchs (Furor impius intus – fremit horridus ore cruento.1 V i r g i l).* [[BA 40>> DRITTER DEFINITIVARTIKEL ZUM EWIGEN FRIEDEN “Das Weltbürgerrecht eingeschränkt sein.”

soll

auf

Bedingungen

der

allgemeinen

Hospitalität

Es ist hier, wie in den vorigen Artikeln, nicht von Philanthropie, sondern vom Recht die Rede, und da bedeutet H o s p i t a l i t ä t (Wirtbarkeit) das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen, von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann; so lange er aber auf seinem Platz sich friedlich verhält, ihm nicht feindlich begegnen. Es ist kein G a s t r e c h t, worauf dieser Anspruch machen kann (wozu ein besonderer wohltätiger Vertrag erfordert werden würde, ihn auf eine gewisse Zeit zum Hausgenossen zu machen), sondern ein B e s u c h s r e c h t, welches allen Menschen zusteht, sich zur Gesellschaft anzubieten, vermoge des Rechts des gemeinschaftlichen Besitzes der Oberfläche der [[BA 41>> Erde, auf der, als Kugelfläche, sie sieh nicht ins Unendliche zerstreuen können, sondern endlich sich doch neben einander dulden zu müssen 1, ursprünglich aber niemand an einem Orte der Erde zu sein mehr Recht hat, als der andere. – Unbewohnbare Teile dieser Oberfläche, das Meer und die Sandwüsten, trennen diese Gemeinschaft, doch so, dass das S c h i f f, oder das K a m 1

Übersetzung des Herausgebers: “Die gottlose Kriegswut . . . schnaubt drinnen schrecklich mit blutgierigem Maul.” * Nach einem beendigten Kriege, beim Friedensschlusse, möchte es wohl für ein Volk nicht unschicklich sein, dass nach dem Dankfeste ein Busstag ausgeschrieben würde, den Himmel, im Namen des Staats, um Gnade für die grosse Versündigung anzurufen, die das menschliche Geschlecht sich noch immer zu Schulden kommen lässt, sich keiner gesetzlichen Verfassung, im Verhältnis auf andere Völker, fügen zu wollen, sondern stolz auf seine Unabhängigkeit lieber das barbarische Mittel des Krieges (wodurch doch das, was gesucht wird, nämlich das Recht eines jeden Staats nicht ausgemacht wird) zu gebrauchen. – Die Dankfeste während dem Kriege über einen erfochtenen Sieg, die Hymnen, die [[Anm. BA 39>> (auf gut israelitisch) dem H e r r n d e r H e e r s c h a r e n gesungen werden, stehen mit der moralischen Idee des Vaters der Menschen in nicht minder starkem Kontrast; weil sie ausser der Gleichgültigkeit wegen der Art, wie Völker ihr gegenseitiges Recht suchen (die traurig genug ist), noch eine Freude hineinbringen, recht viel Menschen, oder ihr Glück zernichtet zu haben. 1 Akad.-Ausg.: “dulden müssen”.

e l (das S c h i f f der Wüste) es möglich machen, über diese herrenlose Gegenden sich einander zu nähern, und das Recht der O b e r f l ä c h e, welches der Menschengattung gemeinschaftlich zukommt, zu einem möglichen Verkehr zu benutzen. Die Unwirtbarkeit der Seeküsten (z. B. der Barbaresken), Schiffe in nahen Meeren zu rauben, oder gestrandete Schiffsleute zu Sklaven zu machen, oder die der Sandwüsten (der arabischen Beduinen), die Annäherung zu den nomadischen Stammen als ein Recht anzusehen, sie zu plündern, ist also dem Naturrecht zuwider, welches Hospitalitätsrecht aber, d. i. die Befugnis der fremden Ankömmlinge, sich nicht weiter erstreckt, als auf die Bedingungen der Möglichkeit, einen Verkehr mit den alten Einwohnern zu v e r s u c h e n. – Auf diese [[BA 42>> Art können entfernte Weltteile mit einander friedlich in Verhältnisse kommen, die zuletzt öffentlich gesetzlich werden, und so das menschliche Geschlecht endlich einer weltbürgerlichen Verfassung immer näher bringen können. Vergleicht man hiemit das i n h o s p i t a l e Betragen der gesitteten, vornehmlich handeltreibenden Staaten unseres Weltteils, so geht die Ungerechtigkeit, die sie in dem B e s u c h e fremder Länder und Völker (welches ihnen mit dem E r o b e r n derselben für einerlei gilt) beweisen, bis zum Erschrecken weit. Amerika, die Negerländer, die Gewürzinseln, das Kap etc. waren, bei ihrer Entdeckung, für sie Länder, die keinem angehörten; denn die Einwohner rechneten sie für nichts. In Ostindien (Hindustan) brachten sie, unter dem Vorwande bloss beabsichtigter Handelsniederlagen, fremde Kriegesvölker hinein, mit ihnen aber Unterdrückung der Eingebornen, Aufwiegelung der verschiedenen Staaten desselben zu weit ausgebreiteten Kriegen, Hungersnot, Aufruhr, Treulosigkeit, und wie die Litanei aller Übel, die das menschliche Geschlecht drücken, weiter lauten mag. [[BA 43>> China* und Japan (N i p p o n), die den Versuch mit solchen Gästen gemacht hatten, ha[[BA 44>>ben daher weislich, jenes zwar den Zugang, aber nicht den Eingang, dieses auch den ersteren [[BA 45>> nur einem einzigen europäischen Volk, den *

Um dieses grosse Reich mit dem Namen, womit es sich selbst benennt, zu schreiben (nämlich C h i n a, nicht Sina, oder einen diesem ähnlichen Laut), darf man nur Georgii Alphab. Tibet. pag. 651 – 654, vornehmlich Nota b unten, nachsehen. – Eigentlich führt es, nach des Petersb. Prof. F i s c h e r Bemerkung, keinen bestimmten Namen, womit es sich selbst benennt; der gewöhnlichste ist noch der des Worts Kin, nämlich Gold (welches die Tibetaner mit Ser ausdrücken), daher der Kaiser König des G o l d e s (des herrlichsten Landes von der Welt) genannt wird, welches Wort wohl im Reiche selbst wie Chin lauten, aber von den italienischen Missionarien (des Gutturalbuchstabens wegen) wie Kin ausgesprochen sein mag. – Hieraus ersieht man dann, dass das von den Römern sogenannte Land der S e r e r China war, die Seide aber über G r o s s-T i b e t (vermutlich durch K l e i n-T i b e t und die Bucharei über Persien, so weiter) nach Europa gefordert worden, welches zu manchen Betrachtungen über das Altertum dieses erstaunlichen Staats, in Vergleichung mit dem von Hindustan, bei der Verknüpfung mit T i b e t, und, durch dieses, mit Japan, hinleitet; indessen dass der Name Sina, oder Tschina, den die Nachbarn diesem Lande geben sollen, zu nichts hinführt. – – Vielleicht lässt sich auch die uralte, [[Anm. B44>> ob zwar nie recht bekannt gewordene Gemeinschaft [[Anm. A 44>> Europens mit Tibet aus dem, was uns H e s y c h i u s hievon aufbehalten hat, nämlich dem Zuruf Kονξ 'Οµπαξ (Konx Ompax) des Hierophanten in den Eleusinischen Geheimnissen erklären. (S. Reise des jüngern Anacharsis, 5ter Teil, S. 447 u.f.) – Denn nach Georgii Alph. Tibet. bedeutet das Wort Concioa G o t t, welches eine auffallende Ähnlichkeit mit Konx hat. Pah-cio (ib. p. 520), welches von den Griechen leicht wie pax ausgesprochen werden konnte, promulgator legis, die durch die ganze Natur verteilte Gottheit (auch Cenresi genannt, p. 177). – Om aber, welches La Croze durch benedictus, g e s e g n e t, übersetzt, kann, auf die Gottheit angewandt, wohl nichts anders als den S e l i g g e p r i e s e n e n bedeuten, p. 507. Da nun P. F r a n z. H o r a t i u s von den Tibetanischen L a m a s, die er oft befrug, was sie unter Gott (Concioa) verständen, jederzeit die Antwort bekam: “e s i s t d i e V e r s a m m l u n g a l l e r H e i l i g e n” (d. i. der seligen durch die Lamaische Wiedergeburt, nach vielen Wanderungen durch allerlei Körper, endlich in die Gottheit zurückgekehrten, in B u r c h a n e, d. i. anbetungswürdige Wesen, verwandelten Seelen (p. 223), so wird jenes geheimnisvolle Wort, Konx Ompax, wohl das h e i l i g e (Konx), s e l i g e (Om) [[Anm. B 45>> und w e i s e (Pax), durch die Welt überall verbreitete höchste Wesen (die personifizierte Natur) bedeuten [[Anm. A 45>> sollen, und, in den griechischen M y s t e r i e n gebraucht, wohl den M o n o t h e i s m für die Epopten, im Gegensatz mit dem P o l y t h e i s m des Volks angedeutet haben; obwohl P. H o r a t i u s (a. a. O.) hierunter einen Atheism witterte. – Wie aber jenes geheimnisvolle Wort über Tibet zu den Griechen gekommen, lässt sich auf obige Art erklären und umgekehrt dadurch auch das frühe Verkehr Europens mit China über Tibet (vielleicht eher noch als mit Hindustan) wahrscheinlich machen.

Holländern, erlaubt, die sie aber doch dabei, wie Gefangene, von der Gemeinschaft mit den Eingebornen ausschliessen. Das Ärgste hiebei (oder, aus dem Standpunkte eines moralischen Richters betrachtet, das Beste) ist, dass sie dieser Gewalttätigkeit nicht einmal froh werden, dass alle diese Handlungsgesellschaften auf dem Punkte des nahen Umsturzes stehen, dass die Zuckerinseln, dieser Sitz der allergrausamsten und ausgedachtesten Sklaverei, keinen wahren Ertrag abwerfen, sondern nur mittelbar, und zwar zu einer nicht sehr loblichen Absicht, nämlich zu Bildung der Matrosen für Kriegsflotten, [[B 46>> und also wieder zu Führung der Kriege in Europa dienen, und dieses möchten, die1 von der [[A 46>> Frömmigkeit viel Werks machen, und, indem sie Unrecht wie Wasser trinken, sjch in der Rechtgläubigkeit für Auserwählte gehalten wissen wollen. Da es nun mit der unter den Völkern der Erde einmal durchgängig überhand genommenen (engeren oder weiteren) Gemeinsehaft so weit gekommen ist, dass die Rechtsverletzung an e i n e m Platz der Erde an a l l e n gefühlt wird: so ist die Idee eines Weltbürgerrechts keine phantastische und überspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine notwendige Ergänzung des ungeschriebenen Kodex, sowohl des Staats- als Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte überhaupt, und so zum ewigen Frieden, zu dem man sich in der kontinuierlichen Annäherung zu befinden nur unter dieser Bedingung schmeicheln darf. [[BA 47>> ERSTER1 ZUSATZ VON DER GARANTIE DES EWIGEN FRIEDENS Das, was diese G e w ä h r (Garantie) leistet, ist nichts Geringeres, als die grosse Künstlerin N a t u r (natura daedala rerum2), aus deren mechanischem Laufe sichtbarlich Zweckmässigkeit hervorleuchtet, durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider ihren Willen emporkommen zu lassen, und darum, gleich als Nötigung einer ihren Wirkungsgesetzen nach uns unbekannten Ursache, S c h i c k s a l, bei Erwägung aber ihrer Zweckmässigkeit im Laufe der Welt, als tiefliegende Weisheit einer höheren, auf den objektiven Endzweck des menschlichen Geschlechts gerichteten, und diesen Weltlauf prädeterminierenden Ursache V o r s e h u n g * [[BA 48>> genannt wird, die wir zwar 1

A1: “dieses Mächten, die”. Zusatz von B. 2 Übersetzung des Herausgebers: “die kunstfertige Natur”. * Im Mechanism der Natur, wozu der Meusch (als Sinnenwesen) mit gehört, zeigt sich eine ihrer Existenz schon zum Grunde liegende Form, die wir uns nicht anders begreiflich machen können, als indem wir ihr den Zweck eines sie vorher bestimrnenden Welturhebers unterlegen, dessen Vorherbestimmung [[Anm. BA 48>> ( wir die (göttliche) Vo r s e h u n g überhaupt, und, sofern sie in den A n f a n g der Welt gelegt wird, die g r ü n d e n d e (providentia conditrix; semel iussit, semper parent, A u g u s t i n.), im L a u f e der Natur aber, diesen nach allgemeinen Gesetzen der Zweckmässigkeit zu erhalten, die w a l t e n d e V o r s e h u n g (providentia gubernatrix), ferner zu besonderen, aber von dem Menschen nicht vorherzusehenden, sondern nur aus dem Erfolg vermuteten Zwecken die l e i t e n d e (providentia directrix), endlich sogar in Ansehung einzelner Begebenheiten, als göttlicher Zwecke, nicht mehr Vorsehung, sondern F ü g u n g (directio extraordinaria) nennen, welche aber (da sie in der Tat auf Wunder hinweiset, obgleich die Begebenheiten nicht so genannt werden) als solche erkennen zu wollen törichte Vermessenheit des Menschen ist; weil aus einer einzelnen Begebenheit auf ein besonderes Prinzip der wirkenden Ursache (dass diese Begebenheit Zweck, und nicht bloss naturmechanische Nebenfolge aus einem anderen uns ganz unbekannten Zwecke sei) zu schliessen ungereimt und voll Eigendünkel ist, so fromm und demütig auch die Sprache hierüber lauten mag. – Eben so ist auch die Einteilung der Vorsehung (m a t e r i a l i t e r betrachtet), wie sie auf G e g e n s t ä n d e in der Welt [[Anm. B 49>> geht, in die a l l g e m e i n e und b e s o n d e r e, falsch und sich selbst widersprechend (dass sie z. B. zwar eine [[Anm. A 49>> Vorsorge zur Erhaltung der Gattungen der Geschöpfe sei, die Individuen aber dem Zufall überlasse); denn sie wird eben in der Absicht allgemein genannt, damit kein einziges Ding als davon ausgenommen gedacht werde. – Vermutlich hat man hier die Einteilung der Vorsehung (f o r m a l i t e r betrachtet) nach der Art der Ausführung ihrer Absicht gemeint: nämlich in o r d e n t l i c h e (z. B. das jährliche Sterben und Wiederaufleben der Natur nach dem Wechsel der Jahreszeiten) und a u s s e r o r d e n t l i c h e (z. B. die Zuführung des Holzes an die Eisküsten, das da nicht wachsen kann, durch die Meerströme, für die dortigen Einwohner, die ohne das nicht leben konnten), wo, ob wir gleich die physisch-mechanische Ursache 1

eigentlich nicht an diesen Kunstanstalten der Natur e r k e n n e n, [[BA 49>> oder auch nur daraus auf sie s c h l i e s s e n, sondern (wie in aller Beziehung der Form der Din[[BA 50>>ge auf Zwecke überhaupt) nur h i n z u d e n k e n können und müssen, um uns von ihrer Mög[[BA 51>>lichkeit, nach der Analogie menschlicher Kunsthandlungen, einen Begriff zu machen, deren Verhältnis und Zusammenstimmung aber zu dem Zwecke, den uns die Vernunft unmittelbar vorschreibt (dem moralischen), sich vorzustellen eine Idee ist, die zwar in t h e o r e t i s c h e r Absicht überschwenglich, in praktischer aber (z. B. in Ansehung des Pflichtbegriffs v o m e w i g e n F r i e d e n, um jenen Mechanism der Natur dazu zu benutzen) dogmatisch und ihrer Realität nach wohl gegründet ist. – Der Gebrauch des Worts N a t u r ist auch, wenn es, wie hier, bloss um Theorie (nicht um Religion) zu tun ist, schicklicher für die Schranken der menschlichen Vernunft (als die sich in Ansehung des Ver[[B 52>>hältnisses der Wirkungen zu ihren Ursachen, innerhalb den Grenzen möglicher Erfahrung halten muss), und b e s c h e i d e n e r, als der Ausdruck einer für uns erkennbare V o r s e h u n g, mit dem man sich vermessenerweise ikarische Flügel ansetzt, um dem Geheimnis ihrer unergründlichen Absicht näher zu kommen. [[A 52>> Ehe1 wir nun diese Gewährleistung näher bestimmen, wird es nötig sein, vorher den Zustand nachzusuchen, den die Natur für die auf ihrem grossen Schauplatz handelnde Personen veranstaltet hat, der ihre Friedenssicherung zuletzt notwendig macht; – alsdann aber allererst die Art, wie sie diese leiste. Ihre provisorische Veranstaltung besteht darin: dass sie 1) für die Menschen in allen Erdgegenden gesorgt hat, daselbst leben zu können; – 2) sie durch Krieg allerwärts hin, selbst in die unwirtbarste Gegenden, getrieben hat, um sie zu bevölkern; 3) – durch eben denselben sie in mehr oder weniger gesetzliche Verhältnisse zu treten genötigt hat 1. – Dass in den kalten Wüsten am Eismeer noch das [[B 53>> Moos wächst, welches das R e n n t i e r unter dem Schnee hervorscharrt, um selbst die Nahrung, oder auch das Angespann des Ostjaken oder Samojeden zu sein; oder dass die salzichten Sandwüsten doch noch dem K a m e l, welches zu Bereisung derselben gleichsam geschaffen zu sein scheint, um sie nicht unbenutzt zu lassen, enthalten, ist2 schon bewundernswürdig. Noch deutlicher aber leuchtet der Zweck hervor 3, wenn [[A 53>> man gewahr wird, wie, ausser den bepelzten Tieren am Ufer des Eismeeres, dieser Erscheinungen uns gut erklären können (z. B. durch die mit Holz bewachsene Ufer der Flüsse der temperierten Länder, in welche jene Bäume hineinfallen, und etwa durch den Gulfstrom weiter verschleppt werden), wir dennoch auch die teleologische nicht übersehen müssen, die auf die Vorsorge einer über die Natur gebietenden Weisheit hinweiset. – Nur was den in den Schulen gebräuchlichen,[[Anm. B 50>> Begriff eines göttlichen B e i t r i t t s, oder Mitwirkung (concursus) zu einer Wirkung in der Sinnenwelt betrifft, so muss dieser wegfallen. Denn das Ungleichartige paaren wollen (gryphes iungere equis) und den, der selbst die vollständige Ursache der Welt[[Anm. A 50>>veränderungen ist, seine eigene prädeterminierende Vorsehung während dem Weltlaufe e r g ä n z e n zu lassen (die also mangelhaft gewesen sein müsste), z. B. zu sagen, z u n ä c h s t G o t t der Arzt den Kranken zurecht gebracht habe, also als Beistand dabei gewesen sei, ist e r s t l i c h an sich widersprechend. Denn causa solitaria non iuvat. Gott ist der Urheber des Arztes samt allen seinen Heilmitteln, und so muss ihm, wenn man ja bis zum höchsten, uns theoretisch unbegreiflichen Urgrunde hinaufsteigen will, die Wirkung ganz zugeschrieben werden. Oder man kann sie auch g a n z dem Arzt zuschreiben, so fern wir diese Begebenheit als nach der Ordnung der Natur erklärbar in der Kette der Weltursachen verfolgen. Z w e i t e n s bringt eine solche Denkungsart auch um alle bestimmte Prinzipien der Beurteilung eines Effekts. Aber in m o r a l i s c h-p r a k t i s c h e r Absicht (die also ganz aufs Übersinnliche gerichtet ist), z. B. in dem Glauben, dass Gott den [[Anm. B 51>> Mangel unserer eigenen Gerechtigkeit, wenn nur unsere Gesinnung echt war, auch durch uns unbegreifliche Mittel ergänzen werde, wir also in der Bestrebung zum Guten nichts nachlassen sollen, ist der Begriff des göttlichen Concursus ganz schicklich und sogar notwendig; wobei es sich aber von selbst versteht, dass niemand eine gute Handlung (als Begebenheit in der Welt) hieraus zu e r k l ä r e n ver[[Anm. A 51>>suchen muss, welches ein vorgebliches theoretisches Erkenntnis des Übersinnlichen, mithin ungereimt ist. 1 H1: “[Wir wollen jetzt die Natur vorstellig machen wie man sie auf der Tat betrifft d. i . wie die Dinge, die wir vernünftigerweise wohl hätten tun sollen aber doch unterlassen sich endlich selbst machen.] Ehe”. 1 H1: “sie [genötigt hat in mehr oder weniger gesetzliche Verbindungen zu treten um unter sich und mit ihren Nachbaren im Friedenszustande zu sein] in mehr oder weniger gesetzliche Verhältnisse gebracht hat”. 2 H1: “lassen ist”; Akad.-Ausg. erwägt: “lassen, F u t t e r geben, ist”. 3 H1: ”leuchtet Zweck hervor”.

noch Robben, Walrosse und Walfische an ihrem Fleische Nahrung, und mit ihrem Tran Feurung für die dortigen Anwohner darreichen. Am meisten aber erregt die Vorsorge der Natur durch das Treibholz Bewunderung, was sie (ohne dass man recht weiss, wo es herkommt) diesen gewächslosen Gegenden zubringt, ohne welches Material sie weder ihre Fahrzeuge und Waffen, noch ihre Hütten zum Aufenthalt zurichten könnten; wo sie dann mit dem Kriege gegen die Tiere gnug zu tun haben, um unter sich friedlich zu leben. – – Was sie aber d a h i n g e t r i e b e n hat, ist vermutlich nichts anders als der [[B 54>> Krieg gewesen. Das erste K r i e g s w e r k z e u g aber unter allen Tieren, die der Mensch, binnen der Zeit der Erdbevölkerung, zu zähmen und häuslich zu machen gelernt hatte, ist das P f e r d (denn der Elefant gehört in die spätere Zeit, nämlich des Luxus schon errichteter Staaten), so wie die Kunst, gewisse, für uns jetzt, ihrer ursprünglichen Beschaffenheit nach, nicht mehr erkennbare Grasarten, G e t r e i d e genannt, anzubauen, ingleichen die Verviel[[A 54>>fältigung und Verfeinerung der O b s t a r t e n durch Verpflanzung und Einpfropfung (vielleicht in Europa bloss zweier Gattungen, der Holzäpfel und Holzbirnen), nur im Zustande schon errichteter Staaten, wo gesichertes Grundeigentum statt fand, entstehen konnte, – nachdem die Menschen vorher in gesetzloser Freiheit von dem J a g d- *, Fischer- und Hirtenleben bis [[B 55>> zum A c k e r l e b e n durchgedrungen waren, und nun S a l z und E i s e n erfunden ward, vielleicht [[A 55>> die ersteren weit und breit gesuchten Artikel eines Handelsverkehrs verschiedener Völker wurden, wodurch1 sie zuerst in ein f r i e d l i c h e s V e r h ä l t n i s gegen einander, und so, selbst mit Entfernteren, in Einverständnis, Gemeinschaft und friedliches Verhältnis unter einander gebracht wurden. Indem die Natur nun dafür gesorgt hat, dass Menschen allerwärts auf Erden leben k ö n n t e n, so hat sie zugleich auch despotisch gewollt, [[B 56>> dass sie allerwärts leben s o l l t e n, wenn gleich wider ihre Neigung, und selbst ohne dass dieses Sollen zugleich einen Pflichtbegriff voraussetzte, der sie hiezu, vermittelst eines moralischen Gesetzes, verbände, – sondern sie hat, zu diesem ihrem Zweck zu gelangen, den Krieg gewählt. – Wir sehen nämlich Völker, die an der Einheit ihrer Sprache die Einheit ihrer Abstammung kennbar machen, wie die S a m o j e d e n am Eismeer einerseits, und ein Volk von ähnlicher Sprache, zweihundert Meilen davon entfernt, im A l t a i s c h e n Gebirge andererseits, wozwischen sich ein anderes, nämlich mongalisches, berittenes und hiemit kriegerisches Volk gedrängt, und so jenen Teil ihres Stammes, [[A 56>> weit von diesem, in die unwirtbarsten Eisgegenden, versprengt hat, wo sie gewiss nicht aus eigener Neigung sich hin verbreitet hätten;* – [[B 57>> eben so die F i n n e n in der nordlichsten Gegend von Europa, L a p p e n genannt, von den jetzt eben so weit entferneten, aber der Sprache nach mit ihnen verwandten U n g e r n, durch dazwischen eingedrungne gotische und sarmatische Völker getrennt; und was kann wohl anders die E s k i m o s (vielleicht uralte europäische Abenteurer, ein von allen Amerikanern [[A 57>> ganz unterschiedenes Geschlecht) in Norden, und die P e s c h e r ä s *

Unter allen Lebensweisen ist das J a g d l e b e n ohne Zweifel der gesitteten Verfassung am meisten zuwider; weil die Familien, die sich da vereinzelnen müssen, einander bald f r e m d und sonach, in weitläuftigen Wäldern zerstreut, auch bald feindselig [[Anm. B 55>> werden, da eine jede zu Erwerbung ihrer Nahrung und Kleidung viel Raum bedarf. – Das N o a c h i s c h e B l u t v e r b o t, 1. M. IX, 4 – 6 (welches, öfters wiederholt, nachher gar den neuangenommenen Christen aus dem Heidentum, ob zwar in anderer Rücksicht, von den Judenchristen zur Bedingung gemacht wurde, Apost. Gesch. XV, 20. XXI, 25 – ) scheint uranfänglich nichts anders, als das Verbot des Jagerlebens gewesen zu sein; weil in diesem der Fall, das Fleisch roh zu essen, oft eintreten muss, mit dem letzteren also das erstere zugleich verboten wird. 1 H1 (Akad.-Ausg., Cassirer): “die ersten … Völker, wodurch”. * Man könnte fragen: Wenn die Natur gewollt hat, diese Eisküsten sollten nicht unbewohnt bleiben, was wird aus ihren Bewohnern, wenn sie ihnen dereinst (wie zu erwarten ist) kein Treibholz mehr zuführete ? Denn es ist zu glauben, dass, bei fortrückender Kul[[Anm. B 57>>tur, die Einsassen der temperierten Erdstriche das Holz, was an den Ufern ihrer Strome wächst, besser benutzen, es nicht in die Ströme fallen, und so in die See wegschwemmen lassen werden. Ich antworte: Die Anwohner des O b s t r o m s, des Jenissei, des Lena u.s.w. werden es ihnen durch Handel zuführen, und dafür die Produkte aus dem Tierreich, woran das Meer an den Eisküsten so reich ist, einhandeln; wenn sie (die Natur) nur allererst den Frieden unter ihnen erzwungen haben wird.

im Süden von Amerika, bis zum Feuerlande hingetrieben haben, als der Krieg, dessen sich die Natur als Mittels bedient, die Erde allerwärts zu bevölkern ? Der Krieg aber selbst bedarf keines besondern Bewegungs[[B 58>>grundes, sondern scheint auf die menschliche Natur gepfropft zu sein, und sogar als etwas Edles, wozu der Mensch durch den Ehrtrieb, ohne eigennützige Triebfedern, beseelt wird, zu gelten: so, dass1 K r i e g e s m u t (von amerikanischen Wilden sowohl, als den europäischen, in den Ritterzeiten) nicht bloss, w e n n Krieg ist (wie billig), sondern auch, d a s s Krieg sei, von unmittelbarem grossem Wert zu sein geurteilt wird, und er oft, bloss 2 um jenen zu zeigen, angefangen, mithin in dem Kriege an sich selbst3 eine innere W ü r d e gesetzt wird, sogar dass ihm auch wohl Philosophen, als einer gewissen Veredelung der Menschheit, eine Lobrede halten, uneingedenk des Ausspruchs jenes Griechen: “Der Krieg ist darin schlimm, dass er mehr böse Leute macht, als er deren wegnimmt”. – So viel von dem, was die Natur f ü r i h r e n e i g e n e n Z w e c k, in Anse[[A 58>>hung der Menschengattung als einer Tierklasse, tut. Jetzt ist die Frage, die das Wesentliche der Absicht auf den ewigen Frieden betrifft: “Was [[B 59>> die Natur in dieser Absicht, beziehungsweise auf den Zweck, den dem Menschen seine eigene Vernunft zur Pflicht macht, mithin zu Begünstigung seiner m o r a l i s c h e n A b s i c h t tue, und wie sie die Gewähr leiste, dass dasjenige, was der Mensch nach Freiheitsgesetzen tun s o l l t e, aber nicht tut, dieser Freiheit 1 unbeschadet auch durch einen Zwang der Natur, dass er es tun w e r d e, gesichert sei 2, und zwar nach allen drei Verhältnissen des öffentlichen Rechts, des S t a a t s-, V ö l k e r- und w e l t b ü r g e r l i c h e n R e c h t s “. – Wenn ich von der Natur sage: sie will, dass dieses oder jenes geschehe, so heisst das nicht soviel, als: sie legt uns eine Pflicht 3 auf, es zu tun (denn das kann nur die zwangsfreie praktische Vernunft), sondern sie tut es selbst, wir mögen wollen oder nicht (fata volentem ducunt, nolentem trahunt4). 1. Wenn ein Volk auch nicht durch innere Misshelligkeit genötigt würde, sich unter den [[A 59>> Zwang öffentlicher Gesetze zu begeben,. so würde es doch der Krieg von aussen tun, indem, [[B 60>> nach der vorher erwähnten Naturanstalt, ein jedes Volk ein anderes es drängende Volk zum Nachbar vor sich findet, gegen das es sich innerlich zu eine S t a a t bilden muss, um, als M a c h t, gegen diesen gerüstet zu sein. Nun ist die r e p u b l i k a n i s c h e Verfassung die einzige, welche dem Recht der Menschen vollkommen angemessen, aber auch die schwerste zu stiften, vielmehr noch 5 zu erhalten ist, dermassen, dass viele behaupten, es müsse ein Staat von E n g e l n sein, weil Menschen mit ihren selbstsüchtigen Neigungen einer Verfassung von so sublimer Form nicht fähig wären. Aber nun kommt die Natur dem verehrten, aber zur Praxis ohnmächtigen allgemeinen, in der Vernunft gegründeten Willen, und zwar gerade durch jene selbstsüchtige Neigungen, zu Hülfe, so, dass es 6 nur auf eine gute Organisation des Staats ankommt (die allerdings im Vermögen der Menschen ist), jener ihre Kräfte so gegen einander zu richten, dass eine die anderen in ihrer zerstörenden Wirkung aufhält, oder diese aufhebt: so dass der Erfolg für die Vernunft so [[A 60>> ausfällt, als wenn beide gar nicht da wären, [[B 61>> und so der1 Mensch, wenn gleich nicht ein moralisch-guter Mensch, dennoch ein guter Bürger zu sein gezwungen wird. Das Problem der Staatserrichtung ist, so hart wie es auch klingt, selbst für ein Volk von Teufeln (wenn sie nur

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H1: “wird so dass”. H1: “er bloss”. 3 H1: “an sich selber”. 1 H1: “dieser moralischen Freiheit”. 2 H1: “befestigt sei”. 3 H1 (Cassirer): “P f l i c h t”. 4 Übersetzung des Herausgebers: “den Willigen führt das Schicksal, den Widerstrebenden schleiftes mit”. 5 A: “vielmehr aber noch”; in den A2 beigefügten “Verbesserung zum ewigen Frieden” ist der Text von A bereits geändert. 6 H1: “Hülfe weil es”. 1 H1: „und der”. 2

Verstand haben), auflösbar und lautet so:2 „Eine Menge von vernünftigen Wesen, die insgesamt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber in Geheim sich davon auszunehmen geneigt ist3, so zu ordnen und ihre Verfassung einzurichten, dass, obgleich sie in ihren Privatgesinnungen einander entgegen streben, diese einander doch so aufhalten, dass in ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg eben derselbe ist, als ob sie keine solche böse Gesinnungen hätten4“. Ein solches Problem muss a u f l ö s l i c h sein. Denn es ist nicht die moralische Besserung der Menschen, sondern nur der Mechanism der Natur, von dem die Aufgabe zu wissen verlangt, wie man ihn an Menschen benutzen könne 5, um den Widerstreit ihrer unfriedlichen Gesinnungen in einem Volk so zu richten, dass sie sich unter Zwangsgesetze zu begeben einander selbst nötigen, und so den Frie[[B 62, A 61>>denszustand, in welchem Gesetze Kraft haben, herbeiführen müssen. Man kann dieses auch an den wirklich vorhandenen, noch sehr6 unvollkommen organisierten Staaten sehen, dass sie sich doch im äusseren Verhalten dem, was die Rechtsidee vorschreibt, schon sehr nähern, ob gleich das Innere der Moralität davon sicherlich nicht 7 die Ursache ist (wie denn auch nicht von dieser die8 gute Staatsverfassung, sondern vielmehr, umgekehrt, von der letzteren allererst die gute moralische Bildung eines Volks zu erwarten ist), mithin der Mechanism der Natur durch selbstsüchtige Neigungen, die natürlicherweise einander auch äusserlich entgegen wirken, von der Vernunft zu einem Mittel gebraucht werden kann, dieser ihrem eigenen Zweck, der rechtlichen Vorschrift, Raum zu machen, und hiemit auch, soviel an dem Staat selbst liegt, den inneren sowohl als äusseren Frieden zu befordern und zu sichern. – Hier heisst es also:1 Die Natur will unwiderstehlich, dass das Recht zuletzt die 2 Obergewalt erhalte. Was man nun hier verabsäumt zu tun, das macht sich zuletzt selbst, obzwar mit viel Ungemächlichkeit. ! [[B 63>>– „Biegt man das Rohr zu stark, so bricht’s; [[A 62>> und wer zu viel will, der will nichts.“ B o u t e r w e k. 2. Die Idee des Völkerrechts setzt die A b s o n d e r u n g vieler von einander unabhängiger benachbarter Staaten voraus, und, obgleich ein solcher Zustand an sich schon ein Zustand des Krieges ist (wenn nicht eine föderative Vereinigung derselben dem Ausbruch der Feindseligkeiten vorbeugt): so ist doch selbst dieser, nach der Vernunftidee, besser als die Zusammenschmelzung derselben, durch eine die andere überwachsende, und in eine Universalmonarchie übergehende Macht; weil die Gesetze mit dem vergrössten 3 Umfange der Regierung immer mehr an ihrem Nachdruck einbüssen, und ein seelenloser Despotism, nachdem er die Keime des Guten ausgerottet hat, zuletzt doch in Anarchie verfällt. Indessen ist dieses das4 Verlangen jedes5 Staats (oder seines Oberhaupts), auf diese Art sich in den dauernden Friedenszustand zu versetzen, dass er, wo möglich, die ganze Welt beherrscht. Aber die N a t u r w i l l es [[B 64>> anders. – Sie bedient sich zweier Mittel, um Völker von der Vermischung abzuhalten und sie abzusondern, der Verschiedenheit der [[A 63>> S p r a c

2

H1: „Staatserrichtung (selbst, so hart wie es auch klingt, für ein Volk von Teufeln, wenn sie nur Verstand haben) ist:”. 3 H1: „ausnehmen will”. 4 H1: „keine solche hätten”. 5 H1: „benutzen [solle] könne”. 6 H1: „vorhansenen sehr”. 7 H1: „davon nicht”. 8 H1: „(weil nicht von ihr die”. 1 H1: „Denn was den ersteren betrifft so heisst es hier auch:“. 2 H1: „Rechte die“. 3 Akad.-Ausg.: „vergrösserten”. 4 A: „dieses doch das“; in den A, beigefügten „Verbesserungen zum ewigen Frieden“ ist der Text von A bereits geändert. 5 H1: „der Wille jenes”.

h e n und der R e l i g i o n e n *, die zwar den Hang zum wechselseitigen Hasse, und Vorwand1 zum Kriege bei sich führt, aber doch, bei anwachsender Kultur und der allmählichen Annäherung der Menschen zu grösserer Einstimmung in Prinzipien, zum Einverständnisse in einem Frieden leitet, der nicht, wie jener Despotism (auf dem Kirchhofe der Frei[[B 65>>heit), durch Schwächung aller Kräfte, sondern durch ihr Gleichgewicht, im lebhaftesten Wetteifer derselben, hervorgebracht2 und gesichert wird. [[A 64>> 3. So wie die Natur weislich die Völker trennt, welche der Wille jedes Staats, und zwar selbst nach Gründen des Völkerrechts, gern unter sich3 durch List oder Gewalt vereinigen möchte: so vereinigt sie auch andererseits Völker, die der Begriff des Weltbürgerrechts gegen Gewalttätigkeit und Krieg nicht würde gesichert haben, durch den wechselseitigen Eigennutz. Es ist der H a n d e l s g e i s t, der mit dem Kriege nicht zusammen bestehen kann, und der früher oder später sich jedes Volks bemächtigt. Weil nämlich unter allen, der Staatsmacht untergeordneten, Mächten (Mitteln) die Geldmacht wohl die zuverlässigste sein möchte, so sehen sich Staaten (freilich wohl nicht eben durch Triebfedern der Moralität) gedrungen, den edlen Frieden zu befördern, und, wo auch immer in der Welt Krieg auszubrechen droht, ihn durch Vermittelungen abzuwehren, gleich als ob sie deshalb im beständigen Bünd[[B 66>>nisse ständen; denn grosse Vereinigungen zum Kriege können, der Natur der Sache nach, sich nur höchst selten zutragen, und noch seltener glücken. – – Auf die Art garantiert die Natur, durch den Mechanism in den menschlichen 4 [[A 65>> Neigungen selbst, den ewigen Frieden; freilich mit einer Sicherheit, die nicht hinreichend ist, die Zukunft desselben (theoretisch) zu w e i s s a g e n, aber doch in praktischer Absicht zulangt, und es zur Pflicht macht, zu diesem (nicht bloss schimärischen) Zwecke hinzuarbeiten1. [[B 67>> ZWEITER ZUSATZ GEHEIMER ARTIKEL ZUM EWIGEN FRIEDEN Ein geheimer Artikel in Verhandlungen des öffentlichen Rechts ist objektiv, d. i. seinem Inhalte nach betrachtet, ein Widerspruch; subjektiv aber, nach der Qualität der Person beurteilt, die ihn diktiert, kann gar wohl darin ein Geheimnis statt haben, dass sie es nämlich für ihre Würde bedenklich findet, sich öffentlich als Urheberin desselben anzukündigen.

Der einzige Artikel dieser Art ist in dem Satze enthalten: D i e M a x i m e n d e r P hilosophen über die Bedingungen der Möglichkeit des öffentl ichen Friedens sollen von den zum Kriege gerüsteten Staaten z u R a t e g e z o g e n w e r d e n. Es scheint aber für die gesetzgebende Autorität eines Staats, dem man natürlicherweise die grösste Weisheit beilegen muss, verkleinerlich [[B 68>> zu sein, über die Grundsätse seines Verhaltens gegen andere Staaten bei U n t e r t a n e n (den Philosophen) Belehrung zu suchen; gleichwohl aber sehr ratsam, es su tun. Also wird der Staat die letztere s t i l l s c h w e i g e n d (also, indem er ein Geheimnis daraus macht) d a z u a u f f o r d e r *

V e r s c h i e d e n h e i t d e r R e l i g i o n e n: ein wunderlicher Ausdruck! gerade, als ob man auch von verschiedenen M o r a l e n spräche. Es kann wohl verschiedene G l a u b e n s a r t e n historischer, nicht in die Religion, sondern in die Gesehichte der zu ihrer Beförderung gebrauchten, ins Feld der Gelehrsamkeit einschlagender Mittel und eben so verschiedene R e l i g i o n s b ü c h e r (Zendavesta, Vedam, Koram u.s.w.) geben, aber nur eine einzige, für alle Menschen und in allen Zeiten gültige R e l i g i o n. Jene also können wohl nichts anders als nur das Vehikel der Religion, was zufällig ist, und nach Verschiedenheit der Zeiten und Örter verschieden sein kann, enthalten. 1 H1: „Vorschub”. 2 H1: „durch den lebhaftesten Wetteifer hervorgebracht”. 3 H1: „gern mit sich”. 4 H1(Akad.-Ausg.,Cassirer): „Mechanism der menschlichen”. 1 H1: „h i n z u a r b e i t e n”.

n, welches soviel heisst, als: er wird sie frei und öffentlich über die allgemeine Maximen der Kriegsführung und Friedensstiftung r e d e n l a s s e n (denn das werden sie schon von selbst tun, wenn man es ihnen nur nicht verbietet) und die Übereinkunft der Staaten unter einander über diesen Punkt bedarf auch keiner besonderen Verabredung der Staaten unter sich in dieser Absicht, sondern liegt schon in der Verpflichtung durch allgemeine (moralische gesetzgebende2) Menschenvernunft. – Es ist aber hiemit nicht gemeint: dass der Staat den Grundsätsen des Philosophen vor den Aussprüchen des Juristen (des Stellvertreters der Staatsmacht) den Vorzug einräumen müsse, sondern nur, dass man ihn h ö r e. Der letztere, der die W a a g e des Rechts und, neben bei auch das S c h w e r t der Gerechtigkeit sich zum Symbol gemacht hat, bedient sich gemeiniglich des letzteren, nicht um [[B 69>> etwa bloss alle fremde Einflüsse von dem ersteren abzu alten, sondern, wenn die eine Schale nicht sinken will, das Schwert mit hinein zu legen (vae victis), wozu der Jurist, der nicht zugleich (auch der Moralität nach) Philosoph ist, die grösste Versuchung hat, weil es seines Amts nur ist, vorhandene Gesetze anzuwenden, nicht aber, ob diese selbst nicht einer Verbesserung bedürfen, zu untersuchen, und rechnet diesen in der Tat niedrigeren Rang seiner Fakultät, darum weil er mit Macht begleitet ist (wie es auch mit den beiden anderen der Fall ist), zu den höheren. – Die philosophische steht unter dieser verbundeten Gewalt auf einer sehr niedrigen Stufe. So heisst es s. B. von der Philosophie, sie sei die M a g d der Theologie (und eben so lautet es von den zwei anderen). – Man sieht aber nicht recht, „ob sie ihrer gnädigen Frauen die Fackel vorträgt oder die Schleppe nachträgt“. Dass Könige philosophieren, oder Philosophen Könige würden, ist nicht zu erwarten, aber auch nicht zu wünschen; weil der Besitz der Gewalt das freie Urteil der Vernunft [[B 70>> unvermeidlich verdirbt. Dass aber Könige oder königliche (sich selbst nach Gleichheitsgesetzen beherrschende) Völker die Klasse der Philosophen nicht schwinden oder verstummen, sondern öffentlich sprechen lassen, ist beiden zu Beleuchtung ihres Geschäfts unentbehrlich und, weil diese Klasse ihrer Natur nach der Rottierung und Klubbenverbündung unfähig ist, wegen der Nachrede einer P r o p a g a n d e verdachtlos.1 [[B 71, A 66>> ANHANG I. ÜBER DIE MISSHELLIGKEIT ZWISCHEN DER MORAL UND DER POLITIK, IN ABSICHT AUF DEN EWIGEN FRIEDEN Die Moral ist schon an sich selbst eine Praxis in objektiver Bedeutung, als Inbegriff von unbedingt2 gebietenden Gesetzen, nach denen wir handeln s o l l e n, und es ist offenbare Ungereimtheit, nachdem man diesem Pflichtbegriff seine Autorität zugestanden hat, noch sagen zu wollen, dass man es doch nicht könne. Denn alsdann fällt dieser Begriff aus der Moral von selbst weg (ultra posse nemo obligatur); mithin kann es keinen Streit der Politik, als ausübender Rechtslehre, mit der Moral1, als einer [[B 72, A 67>> solchen, aber theoretischen (mithin keinen Streit der Praxis mit der Theorie) geben: man müsste denn unter der letzteren eine allgemeine K l u g h e i t s l e h r e, d. i. eine Theorie der Maximen verstehen, zu seinen auf Vorteil2 berechneten Absichten die tauglichsten Mittel zu wählen3, d. i. leugnen, dass es überhaupt eine Moral gebe. Die Politik sagt: „S e i d k l u g w i e d i e S c h l a n g e n“; die Moral setzt (als einschränkende Bedingung) hinzu: „u n d o h n e F a l s c h w i e d i e T a u b e n“. Wenn beides nicht in einem Gebote zusammen bestehen kann, so ist wirklich ein Streit der Politik 2

Akad.-Ausg.: „moralisch-gesetzgebende”. Zusatz von B. 2 H1: „[schlechthin] unbedingt”. 1 H1: „Politik mit der [eigentlichen] wahren Moral“. 2 H1: „auf [eigenen] Vorteil“. 3 H1: „wählen, [welche subjektive Grundsätze aber jederzeit bedingt mithin nicht moralisch sind]“. 1

mit der Moral; soll aber doch durchaus beides vereinigt sein, so ist der Begriff vom Gegenteil 4 absurd, und die Frage, wie jener Streit auszugleichen sei, lässt sich gar nicht einmal als Aufgabe hinstellen. Obgleich der Satz: E h r l i c h k e i t i s t d i e b e s t e P o l i t i k, eine Theorie enthält, der die Praxis, leider! sehr häufig widerspricht: so ist doch der gleichfalls theoretische: E h r l i c h k e i t i s t b e s s e r d e n n a l l e P o l i t i k, über allen Einwurf unendlich erhaben, ja die [[B 73>> unumgängliche Bedingung der letzteren. Der [[A 68>> Grenzgott der Moral weicht nicht dem Jupiter (dem Grenzgott der Gewalt); denn dieser steht noch unter dem Schicksal, d. i. die Vernunft ist nicht erleuchtet genug, die Reihe der vorherbestimmenden Ursachen zu übersehen, die den glücklichen oder schlimmen Erfolg 5 aus dem Tun und Lassen der Menschen, nach dem Mechanism der Natur, mit Sicherheit vorher verkündigen (obgleich ihn dem Wunsche gemäss hoffen) lassen.6 Was man aber zu tun habe, um im Gleise der Pflicht (nach Regeln der Weisheit) zu bleiben, dazu und hiemit zum Endzweck leuchtet sie uns überall hell genug vor. Nun gründet aber der Praktiker (dem die Moral blosse Theorie ist) seine trostlose Absprechung unserer gutmütigen1 Hoffnung (selbst bei eingeräumtem S o l l e n und K ö n n e n) eigentlich darauf: dass er aus der Natur des Menschen vorher zu sehen vorgibt, er w e r d e dasjenige nie w o l l e n, was erfordert wird, um jenen zum ewigen Frieden hinführenden Zweck zu Stande zu bringen. – Freilich ist das Wollen a l l e r e i n z e l n e n Menschen, in einer [[B 74>> gesetzlichen Verfassung nach Freiheitsprinzipien zu leben (die d i s t r i b u t i v e Einheit des Wil[[A 69>>lens a l l e r), zu diesem Zweck nicht hinreichend, sondern dass a l l e z u s a m m e n diesen Zustand wollen (die k o l l e k t i v e Einheit des vereinigten Willens), diese Auflösung einer schweren Aufgabe, wird noch dazu erfordert, damit ein Ganzes der bürgerlichen Gesellschaft werde, und, da also, über diese Verschiedenheit des partikulären Wollens aller, noch eine vereinigende Ursache desselben hinzukommen muss, um einen gemeinschaftlichen Willen herauszubringen, welches keiner von allen vermag: so ist in der A u s f ü h r u n g jener Idee (in der Praxis) auf keinen andern Anfang des rechtlichen Zustandes zu rechnen, als den durch G e w a l t, auf deren Zwang 1 nachher das öffentliche Recht gegründet2 wird; welches dann freilich (da man ohnedem des Gesetzgebers 3 4

H1: „[die Idee davon ] der Begriff vom Gegenteil“. H1: „die den Erfolg”. 6 Anschliessend folgt als neuer Absatz in H1: „[Was den Anschein eines Streits zwischen beiden Prinzipien gibt ist vornehmlich dass man die Pflicht jene moralische Idee unverrückt als sein Ziel vor Augen zu haben um sie in der Praxis zur Wirklichkeit zu bringen mit einer vermeinten Verpflichtung dieses so fort (mit Ungestüm) zu tun verwechselt z. B. einen fehlerhaft und rechtswidrig eingerichteten Staat durch Revolution umformen zu wollen bei welcher gewaltsamen Operation derselbe gänzlich in Anarchie aufgelöset zu werden Gefahr läuft wogegen weil doch irgend ein obgleich durch viel willkürliche Gewalt verkümmertes Recht besser ist als gar keines es für den Untertan Pflicht ist sie so lange beharren zu lassen bis die Herrschergewalt sich selbst allmählich zu Reformen durch die Natur der Sachen und die Vorstellungen der Untertanen bewegen wird, oder auch für den Souverän Pflicht gegen den [Untertan] Staat die grössere Vereinigung der Kräfte desselben wenn es auch durch gesetzwidrigen Despotism wäre bis zur Verringerung der Gefahr von aussen noch fortdauren zu lassen. – Sagt jemand aber dagegen um die Praxis mit der Theorie in Zwiespalt zu versetzen der Machthabende so wohl als Gehorchende würde bei allem von ihm zugestandenen Sollen und Können doch nicht w o l l e n seine selbstsüchtige Neigung dem Rechtsbegriffe aufopfern d. i. wenn man Menschen nimmt wie er ist (cereus in vitium flecti monitoribus asper) lasse er sich als selbst ungerecht nicht durch Rechtsgesetze bändigen und selbst das Unrecht in der Regierungsart werde verhältnisweise gegen solche verderbte Wesen zur Gerechtigkeit: so sagt er mehr als er beweisen kann z. B. in dem Satze [die] mächtige Fürsten werden nie anders als durch Krieg ihre Rechte ausmachen wollen. Denn dass dieser provisorisch in die menschliche Natur in ihrer Rohigkeit (zur Kultur) gelegt ist beweist nicht dass er auch peremtorisch als von dem Endzweck unabtrennliches Mittel für den Menschen beschlossen sei und es nur ein Vorwand der Praktiker ihre auf bloss mechanische Staats- u. Rechtskenntnis zu bedecken und zu verschönern. – So sehr aber auch der Verstoss der Praxis gegen die Theorie wohl gar zur Maxime allgemein angenommen werden mag so darf doch wenigstens diese selbst als die Idee welche dem Menschen seine Pflicht vorhält nicht verfälscht oder gar als leer verlassen werden.]“ 1 H1: „[guten] gutmütigen“. 1 H1: „[Willkür] Zwang“. 2 H1: „[konstituiert] gegründet“. 3 H1: „[Menschen] Gesetzgebers“. 5

moralische Gesinnung hiebei wenig in Anschlag bringen kann, er werde, nach geschehener Vereinigung der wüsten Menge in ein Volk, diesem es nur überlassen4, eine rechtliche5 Verfassung durch ihren gemeinsamen Willen zu Stande zu bringen) grosse Abweichungen von jener Idee (der Theorie) in der wirk[[B 75>>lichen Erfahrung schon zum voraus erwarten lässt. [[A 70>> Da heisst es dann: wer einmal die Gewalt in Händen hat, wird sich vom Volk nicht Gesetze vorschreiben lassen. Ein Staat, der einmal im Besitz ist, unter keinen äusseren Gesetzen zu stehen, wird sich in Ansehung der Art, wie er gegen andere Staaten sein Recht suchen soll, nicht von ihrem Richterstuhl abhängig machen, und selbst ein Weltteil, wenn er sich einem andern, der ihm übrigens nicht im Wege ist, überlegen fühlt, wird das Mittel der Verstärkung seiner Macht, durch Beraubung oder gar Beherrschung desselben, nicht unbenutzt lassen; und so zerrinnen nun alle Pläne der Theorie, für das Staats-, Völkerund Weltbürgerrecht, in sachleere unausführbare Ideale, dagegen eine Praxis, die auf empirische Prinzipien der menschlichen Natur gegründet ist, welche es nicht für zu niedrig hält, aus der Art, wie es in der Welt zugeht, Belehrung für ihre Maximen zu ziehen, einen 1 sicheren Grund für ihr Gebäude der Staatsklugheit zu finden allein hoffen könne.2 [[B 76>> Freilich, wenn es keine Freiheit und darauf gegründetes moralisches Gesetz gibt, sondern alles, was geschieht oder geschehen kann, [[A 71>> blosser Mechanism der Natur ist, so ist Politik (als Kunst, diesen zur Regierung der Menschen zu benutzen) die ganze praktische Weisheit, und der Rechtsbegriff ein sachleerer Gedanke. Findet man diesen aber doch unumgänglich nötig mit der Politik zu verbinden, ja ihn gar zur einschränkenden Bedingung der letztern zu erheben, so muss die Vereinbarkeit beider eingeräumt werden. Ich kann mir nun zwar einen m o r a l i s c h e n P o l i t i k e r, d. i. einen, der die Prinzipien der Staatsklugheit so nimmt, dass sie mit der Moral zusammen bestehen können, aber nicht eine p o l i t i s c h e n M o r a l i s t e n denken, der sich eine Moral so schmiedet, wie es der Vorteil des Staatsmanns sich zuträglich findet. Der moralische Politiker wird es sich zum Grundsatz machen: wenn einmal Gebrechen1 in der Staatsverfassung oder im Staatenverhältnis angetroffen werden, die man nicht hat verhüten können, so sei es Pflicht, vornehmlich für [[B 77>> Staatsoberhäupter, dahin bedacht zu sein, wie sie, sobald wie möglich, gebessert, und dem Naturrecht, so wie es in der Idee der Vernunft uns zum Muster vor Augen steht, angemessen [[A 72>> gemacht 4

H (Akad.-Ausg., Cassirer): „es nun überlassen“. H1: „r e c h t l i c h e”. 1 H1: „ziehen [in der Geschichte des Menschen wie es nämlich bisher mit ihm gegangen ist einen sicheren Grund findet zu schliessen wie es auch fernerhin gehen werde und was also in seiner Natur liege] einen“. 2 Anschliessend folgt als neuer Absatz in H1: „[Aber empirische [Prinzipien] Sätze weil sie zwar lehren wie es in der Welt zugeht und auch wohl immer zugegangen sein mag [sind] aber nicht dass es n o t w e n d i g so habe [geschehen] gehen müssen können keine moralische Prinzipien welche Notwendigkeit bei sich führen begründen und es kann also keine Naturnotwendigkeit des wirklichen Verhaltens des Menschen welches den moralischen Gesetzen widersprechen möchte die Maxime begründen rechtswidrig zu handeln unter dem Vorwande man müsse die Menschen so behandeln wie sie einmal sind (auch immer gewesen sind) erstlich nicht [als] um den theoretischen Satz daraus zu folgeren dass ob sie zwar das Bessere s o l l e n und auch w o l l e n sie dennoch um der mächtigern Natur in ihnen es nicht können mithin z w e i t e n s Maximen der vermeinten Staatsklugheit die aus gewalttätiger Politik und nachgiebiger Moral auf die einer Missgeburt ähnliche Art (daraus man machen kann was man will) zusammen [geflickt] zu flicken um ein öffentliches Recht heraus zu bringen, sondern die erstere welche nach Umständen veränderlich ist dem letzteren was selbständig und heilig ist ohne alle Nachsicht unterzuordnen. – Ich kann mir zwar einen moralischen Politiker (der die Politik nach der Moral) aber auf keine Weise einen politischen Moralisten (der die Moral nach der Politik vorschreibt) denken und obgleich den Übertretungen welche bei [innerer Verehr der] im Allgemeinen auf das was Recht ist gegründeter Maxime doch der Neigung dann und wann obgleich ungern Ausnahmen erlauben allenfalls zur Gnade der Verzeihung vor dem höchsten Gericht Hoffnung gegeben werden könnte so ist doch diejenige welche die Idee der Pflicht selbst vorsetzlich verfälscht oder als Pedanterei verachtlich macht eine so ungeheure Verletzung (iniuria atrox) der obersten in uns Gesetz gebenden Gewalt dass sie für die einzige gehalten werden muss die soweit wir urteilen können weder in dieser noch in einer künftigen Welt vergeben werden kann.]“ 1 H1: „[Verderben] Gebrechen“ 5

werden könne2: sollte es auch ihrer Selbstsucht Aufopferungen kosten. Da nun die Zerreissung eines Bandes der staats- oder weltbürgerlichen Vereinigung 3, ehe noch eine bessere Verfassung an die Stelle derselben zu treten in Bereitschaft ist, aller, hierin mit der Moral einhelligen, Staatsklugheit zuwider ist, so wäre es zwar ungereimt, zu fordern, jenes Gebrechen müsse sofort und mit Ungestüm abgeändert werden; aber dass wenigstens die 4 Maxime der Notwendigkeit einer solchen Abänderung dem Machthabenden innigst beiwohne, um in beständiger Annäherung zu dem Zwecke (der nach Rechtsgesetzen besten Verfassung) zu bleiben, das kann doch von ihm gefordert werden. Ein Staat kann sich auch schon republikanisch r e g i e r e n5, wenn er gleich noch, der vorliegenden Konstitution nach, despotische H e r r s c h e r m a c h t 6 besitzt: bis allmählich das Volk des Einflusses der blossen Idee der Autorität des Gesetzes (gleich als ob es physische Gewalt be[[B 78>>sässe) fähig wird, und sonach zur7 eigenen Gesetzgebung (welche ursprünglich 8 auf Recht gegründet ist) tüchtig befunden wird. Wenn auch9 durch den Ungestüm einer von der schlechten [[A 73>> Verfassung erzeugten R e v o l u t i o n unrechtmässigerweise eine gesetzmässigere errungen wäre, so würde es doch auch alsdann nicht 1 mehr für erlaubt gehalten werden müssen, das Volk wieder auf die alte zurück zu führen, obgleich während derselben jeder, der sich damit gewalttätig oder arglistig bemengt, mit Recht den Strafen des Aufrührers unterworfen sein würde. Was aber das äussere Staatenverhältnis betrifft, so kann von einem Staat nicht verlangt werden, dass er seine, obgleich despotische, Verfassung (die aber doch die starkere in Beziehung auf äussere Feinde ist) ablegen solle, so lange er Gefahr läuft, von andern Staaten so fort verschlungen zu werden; mithin muss bei jenem Vorsatz doch auch die Verzögerung der Ausführung bis zu besserer Zeitgelegenheit erlaubt sein.* [[B 79, A 74>> Es mag also immer sein: dass die despotisierende (in der Ausübung fehlende) Moralisten2 wider die Staatsklugheit (durch übereilt genommene oder angepriesene Massregeln)3 mannigfaltig verstossen, so muss sie doch die Erfahrung, bei diesem ihrem Verstoss wider die Natur, nach und nach in ein besseres Gleis bringen; statt dessen die moralisierende Politiker4, durch Beschönigung rechtswidriger Staatsprinzipien, unter dem Vorwande einer des Guten, [[B 80>> nach der Idee, wie sie die Vernunft vorschreibt, nicht f ä h i g e n menschlichen Natur, so viel an ihnen ist, das Besserwerden 1 unmöglich machen, und die Rechtsverletzung verewigen. [[A 75>> Statt der Praxis, deren sich diese staatskluge Manner rühmen, gehen sie mi P r a k t i k e n um, indem sie bloss darauf bedacht sind, dadurch, dass sie der jetzt 2

H1: „können”. H1: „der [bürgerlichen Gesell] Staats- oder Weltbürgerlichen Vereinigung“. 4 H1: „dass die”. 5 H1: „r e p u b l i k a n i s c h regieren”. 6 H1: „Herrschermacht”. 7 H1: „so nach und nach zur”. 8 H1: „welche allein ursprünglich”. 9 H1: „Wenn [aber] auch“. 1 H1: „doch nun nicht”. * Dies sind Erlaubnisgesetze der Vernunft, den Stand eines mit Ungerechtigkeit behafteten öffentlichen [[Anm. B 79>> Rechts noch so lange beharren zu lassen, bis zur völligen Umwälzung alles entweder von selbst gereift, oder durch friedliche Mittel der Reife nahe gebracht worden; weil doch irgend eine r e c h t l i c h e, obzwar nur in geringem Grade rechtmässige, Verfassung [[Anm. A 74>> besser ist als gar keine, welches letztere Schicksal (der Anarchie) eine ü b e r e i l t e Reform treffen würde. – Die Staatsweisheit wird sich also in dem Zustande, worin die Dinge jetzt sind, Reformen, dem Ideal des öffentlichen Rechts angemessen, zur Pflicht machen: Revolutionen aber, wo sie die Natur von selbst herbei führt, nicht zur Beschönigung einer noch grösseren Unterdrückung, sondern als Ruf der Natur benutzen, eine auf Freiheitsprinzipien gegründete gesetzliche Verfassung, als die einzige dauerhafte, durch gründliche Reform zu Stande zu bringen. 2 H1: „die p o l i t i s i e r e n d e M o r a l i s t e n“. 3 H1: „Massregeln der Ausführung des Rechtsbegriffs)“. 4 H1: „m o r a l i s i e r e n d e P o l i t i k e r“. 1 H1: „[Bessermachen] Besserwerden“. 3

herrschenden Gewalt zum Munde reden (um ihren Privatvorteil nicht zu verfehlen), das Volk, und, wo möglich, die ganze Welt Preis zu geben; nach der Art echter Juristen (vom Handwerke, nicht von der G e s e t z g e b u n g), wenn sie sich bis zur Politik versteigen. Denn da dieser ihr Geschäfte nicht ist, über Gesetzgebung selbst zu vernünfteln, sondern die gegenwärtige Gebote des Landrechts zu vollziehen, so muss ihnen jede, jetzt vorhandene, gesetzliche Verfassung, und, wenn diese höhern Orts abgeändert wird, die nun folgende, immer die beste sein; wo dann alles so in seiner gehörigen mechanischen Ordnung ist. Wenn aber diese Geschicklichkeit, für alle Sättel gerecht zu sein, ihnen den Wahn einflösst, auch über Prinzipien2einer S t a a t s v e r f a s s u n g [[B 81>> überhaupt nach Rechtsbegriffen (mithin a priori, nicht empirisch) urteilen zu können; wenn sie darauf gross tun, M e n s c h e n zu kennen (welches freilich zu erwarten ist, weil sie mit vielen zu tun haben), ohne doch d e n M e n s c h e n, [[A 75>> und was aus ihm gemacht werden kann, zu kennen (wozu ein höherer Standpunkt der anthropologischen Beobachtung erfordert wird), mit diesen Begriffen aber versehen3 ans Staats- und Völkerrecht, wie es die Vernunft vorschreibt, gehen: so können sie diesen Überschritt nicht anders, als mit dem Geist der Schikane tun, indem sie ihr gewohntes Verfahren (eines Mechanisms nach despotisch gegebenen Zwangsgesetzen) auch da befolgen, wo die Begriffe der Vernunft einen nur nach Freiheitsprinzipien gesetzmässigen Zwang begründet wissen wollen, durch welchen allererst eine zu Recht beständige Staatsverfassung möglich ist; welche Aufgabe der vorgebliche Praktiker, mit Vorbeigehung jener Idee, empirisch, aus Erfahrung, wie die bisher noch am besten bestandene, mehrenteils aber rechtswidrige, Staatsverfassungen eingerichtet waren, lösen zu können glaubt. – Die Maximen, deren er sich hiezu bedient (ob er sie [[B 82>> zwar nicht laut werden lässt), laufen ohngefähr auf folgende sophistische Maximen hinaus. 1. Fac et excusa. Ergreife die günstige Gelegenheit zur eigenmächtigen Besitznehmung [[A 77>> (entweder eines Rechts des Staats über sein Volk, oder über ein anderes benachbarte); die Rechtfertigung wird sich weit leichter und zierlicher n a c h d e r T a t vortragen, und die Gewalt beschönigen lassen (vornehmlich im ersten Fall, wo die obere Gewalt im Innern so fort auch die gesetzgebende Obrigkeit 1 ist, der man gehorchen muss, ohne darüber zu vernünfteln); als wenn man zuvor auf überzeugende Gründe sinnen, und die Gegengründe darüber noch erst abwarten wollte. Diese Dreustigkeit selbst gibt einen gewissen Anschein von innerer Überzeugung der Rechtmässigkeit der Tat, und der Gott bonus eventus ist nachher der beste Rechtsvertreter. 2. Si fecisti nega. Was du selbst verbrochen hast, z. B. um dein Volk zur Verzweiflung, und so zum Aufruhr zu bringen, das leugne ab, dass es d e i n e Schuld sei; sondern [[B 83>> behaupte, dass es die der Widerspenstigkeit der Untertanen, oder auch, bei deiner Bemächtigung eines benachbarten Volks, die Schuld der Natur des Menschen sei, der, wenn er dem andern nicht mit Gewalt zuvorkommt, sicher [[A 78>> darauf rechnen kann, dass dieser ihm zuvorkommen und sich seiner bemächtigen werde2. 3. Divide et impera. Das ist: sind gewisse privilegierte Häupter in deinem Volk, welche dich bloss zu ihrem Oberhaupt (primus inter pares) gewählt haben, so veruneinige jene unter einander, und entzweie sie mit dem Volk: stehe nun dem letztern, unter Vorspiegelung grösserer Freiheit, bei, so wird alles von deinem unbedingten Willen abhängen. Oder sind es äussere Staaten, so ist Erregung der Misshelligkeit unter ihnen ein ziemlich sicheres Mittel, unter dem Schein des Beistandes des Schwächeren, einen nach dem andern dir zu unterwerfen. 2

H1: „über die Prinzipien“. H1: „und mit diesen Begriffen versehen“. 1 H1: „die Obrigkeit“. 2 H1: „Schuld der Natur des Menschen sei die einem Gesetze wenn es nicht mit Despotism bewaffnet ist allen Gehorsam weigert“. 3

Durch diese politische Maximen wird nun zwar niemand hintergangen; denn sie sind insgesamt schon allgemein bekannt; auch ist es [[B 84>> mit ihnen nicht der Fall sich zu schämen, als ob die Ungerechtigkeit gar zu offenbar in die Augen leuchtete. Denn, weil sich grosse Mächte nie vor dem Urteil des gemeinen Haufens, sondern nur eine vor der andern schämen, was aber jene Grundsätze betrifft, nicht das Offenbarwerden, [[A 79>> sondern nur das M i s s l i n g e n derselben sie beschämt machen kann (denn in Ansehung der Moralität der Maximen kommen sie alle unter einander überein), so 1 bleibt ihnen immer die politische Ehre übrig, auf die sie sicher rechnen können, nämlich die der Vergrösserung ihrer Macht, auf welchem Wege sie auch erworben sein mag.*2 *** [[B 85, A 80>> Aus allen diesen Schlangenwendungen einer unmoralischen Klugheitslehre, den Friedenszu[[B 86>>stand unter Menschen aus dem kriegerischen des Naturzustandes herauszubringen, erhellet [[A 81>> wenigstens so viel: dass die Menschen, eben so wenig in ihren Privatverhältnissen, als in ihren öffentlichen, dem Rechtsbegriff entgehen können, und sich nicht getrauen, die Politik öffentlich bloss auf Handgriffe der Klugheit zu gründen, mithin dem Begriffe eines öffentlichen Rechts allen Gehorsam aufzukündigen (welches vornehmlich in dem des Völkerrechts auffallend ist), sondern ihm an sich alle gebührende Ehre widerfahren lassen, wenn sie auch hundert Ausflüchte und Bemäntelungen aussinnen sollten, um ihm in der Praxis auszuweichen, und der verschmitzten Gewalt die Autorität anzudichten, der Ursprung und der Verband alles Rechts zu sein. – Um dieser Sophisterei (wenn gleich nicht der durch sie beschönigten Ungerechtigkeit) [[B 87>> ein Ende zu machen, und die falsche V e r t r e t e r der Mächtigen der Erde zum Geständnisse zu bringen, dass es nicht das Recht, sondern die Gewalt sei, der sie zum Vorteil sprechen, von welcher sie, gleich als ob sie selbst hiebei was zu befehlen hätten, den Ton annehmen, wird es 1

H1: „überein) [so ist es doch wenigstens der Methode wegen nötig und um die politische Moral allenfalls in eine Wissenschaft zu bringen nötig gefunden worden die Aufgabe getan werde wie die Moral mit der Politik zu vereinigen sei] so“. * Wenn gleich eine gewisse in der menschlichen Natur gewurzelte Bösartigkeit von M e n s c h e n, die in einem Staat zusammen leben, noch bezweifelt, und, statt ihrer, der Mangel einer noch nicht weit genug fortgeschrittenen Kultur (die Rohigkeit) zur Ursache der gesetzwidrigen Erscheinungen ihrer Denkungsart mit einigem Scheine angeführet werden möchte, so fällt sie doch, im äusseren Verähltnis der S t a a t e n gegen einander, ganz unverdeckt und unwidersprechlich in die Augen. Im Innern jedes Staats ist sie durch den Zwang der bürgerlichen Gesetze verschleiert, [[Anm. B 85>> weil der Neigung zur wechselseitigen Gewalttätigkeit der Bürger eine grössere Gewalt, nämlich die der Regierung, mächtig entgegenwirkt, und so nicht allein dem Ganzen einen moralischen Anstrich (causae non causae) gibt, sondern auch dadurch, dass dem Ausbruch gesetzwidriger Neigungen ein Riegel vorgeschoben wird, die Entwickelung der moralischen Anlage, zur unmittelbaren Achtung fürs Recht, [[A 80>> wirklich viel Erleichterung bekommt. – Denn ein jeder glaubt nun von sich, dass er wohl den Rechtsbegriff heilig halten und treu befolgen würde, wenn er sich nur von jedem andern eines Gleichen gewärtigen könnte; welches letztere ihm die Regierung zum Teil sichert; wodurch dann ein grosser Schritt zur Moralität (obgleich noch nicht moralischer Schritt) getan wird, diesem Pflichtbegriff auch um sein selbst wissen, ohne Rücksicht auf Erwiderung, anhänglich zu sein. – Da ein jeder aber, bei seiner guten Meinung von sich selber, doch die böse Gesinnung bei allen anderen voraussetzt, so sprechen sie einander wechselseitig ihr Urteil: dass sie alle, was das F a k t u m betrifft, wenig taugen (woher es komme, da es doch der N a t u r des Menschen, als eines [[Anm. B 86>> freien Wesens, nicht Schuld gegeben werden kann, mag unerörtert bleiben). Da aber doch auch die Achtung für den Rechtsbegriff, deren der Mensch sich schlechterdings nicht entschlagen kann, die Theorie des Vermögens, ihm angemessen zu werden, auf das feierlichste sanktioniert, so sieht ein jeder, dass er seinerseits jenem gemäss handeln müsse, andere mögen es halten, wie sie wollen. 2 Am Rand von H1: „[Man tut am besten anzunehmen dass die Natur im Menschen nach demselben Ziel hinwirkt wohin die Moralitst treibt, besser als wenn man um Menschen die mit Macht bekleidet sind zu schmeichlen die Menschheit verleumdet selbst in ihren wesentlichen Anlagen und um das Unrecht der Oberen zu entschuldigen das menschliche Geschlecht an der Stufe seiner fortschreitenden Besserung durch die Neinung heftet sie sei die höchste die unserer Gattung beschieden ist] // Wenn sich die Triebfedern der Naturpolitik gegen einander aufheben und vernichten so wird die der moralischen anfangen ihre Wirkung zu äussern und die [Hoffnung] Idee des ewigen Friedens realisieren.“

gut sein, das Blendwerk aufzudecken, womit man sich und andere hintergeht, das oberste Prinzip, von dem die Absicht auf [[A 82>> den ewigen Frieden ausgeht, ausfindig zu machen und zu zeigen: dass alles das Böse, was ihm im Wege ist, davon herrühre: dass der politische Moralist da anfängt, wo der moralische Politiker billigerweise endigt, und, indem er so die Grundsätze dem Zweck unterordnet (d. i. die Pferde hinter den Wagen spannt), seine eigene Absicht vereitelt, die Politik mit der Moral in Einverständnis zu bringen. Um die praktische Philosophie mit sich selbst einig zu machen, ist nötig, zuvorderst die Frage zu entscheiden: ob in Aufgaben der praktischen Vernunft vom m a t e r i a l e n P r i n z i p derselben, dem Zweck (als Gegenstand der Willkür) der Anfang gemacht werden müsse, [[B 88>> oder vom f o r m a l e n, d. i. demjenigen (bloss auf Freiheit im äussern Verhältnis gestellten), darnach es heisst: handle so, dass du wollen kannst, deine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden (der Zweck mag sein welcher er wolle). Ohne alle Zweifel muss das letztere Prinzip vorangehen: denn es hat, als Rechtsprinzip, unbedingte Notwendigkeit, statt dessen das erstere, nur unter Voraussetzung empirischer Be[[A 83>>dingungen des vorgesetzten Zwecks, nämlich der Ausführung desselben, nötigend ist, und, wenn dieser Zweck (z. B. der ewige Friede) auch Pflicht wäre, so müsste doch diese selbst aus dem formalen Prinzip der Maximen, äusserlich zu handeln, abgeleitet worden sein. – Nun ist das erstere Prinzip, das des p o l i t i s c h e n M o r a l i s t e n (das Problem des Staats-, Völker- und Weltbürgerrechts), eine blosse K u n s t a u f g a b e (problema technicum), das zweite dagegen, als Prinzip des m o r a l i s c h e n P o l i t i k e r s, welchem es eine s i t t l i c h e A u f g a b e (problema morale) ist, im Verfahren von dem anderen himmelweit unterschieden, um den ewigen Frieden, den man nun nicht bloss als [[B 89>> physisches Gut, sondern auch als einen aus Pflichtanerkennung hervorgehenden Zustand wünscht, herbeizuführen. Zur Auflösung des ersten, nämlich des Staats-Klugheitsproblems, wird viel Kenntnis der Natur erfordert, um ihren Mechanism zu dem gedachten Zweck zu benutzen, und doch ist alle diese ungewiss in Ansehung ihres Resultats, den ewigen Frieden betreffend; man mag nun die eine oder die andere der drei Abteilun[[A 84>>gen des öffentlichen Rechts nehmen. Ob das Volk im Gehorsam und zugleich im Flor besser durch Strenge, oder Lockspeise der Eitelkeit, ob durch Obergewalt eines einzigen, oder durch Vereinigung mehrerer Häupter, vielleicht auch bloss durch einen Dienstadel, oder durch Volksgewalt, im Innern, und zwar auf lange Zeit, gehalten werden könne, ist ungewiss. Man hat von allen Regierungsarten (die einzige echtrepublikanische, die aber nur einem moralischen Politiker in den Sinn kommen kann, ausgenommen) Beispiele des Gegenteils in der Geschichte. – Noch ungewisser ist ein auf Statute nach Ministerialplanen vorgeblich errichtetes [[B 90>> V ö l k e r r e c h t, welches in der Tat nur ein Wort ohne Sache ist, und auf Vertragen beruht, die in demselben Akt ihrer Beschliessung zugleich den geheimen Vorbehalt ihrer Übertretung enthalten. – Dagegen dringt sich die Auflösung des zweiten, nämlich des S t a a t s w e i s h e i t s p r o b l e m s, so zu sagen, von selbst auf, ist jedermann einleuchtend, und macht alle Künstelei zu Schanden, führt dabei gerade zum Zweck; doch mit der Erinnerung der Klugheit, ihn nicht übereilterweise mit Ge[[A 85>>walt herbei zu ziehen, sondern sieh ihm, nach Beschaffenheit der günstigen Umstände, unablässig zu nähern.

Da heisst es denn: „trachtet allererst nach dem Reiche der reinen praktischen Vernunft und nach seiner G e r e c h t i g k e i t, so wird euch euer Zweck (die Wohltat des ewigen Friedens) von selbst zufallen“. Denn das hat die Moral Eigentümliches an sich, und zwar in Ansehung ihrer Grundsätze des öffentlichen Rechts (mithin in Beziehung auf eine a priori erkennbare Politik), dass, je weniger sie das Verhalten von dem vorgesetzten Zweck, dem beabsichtigten, es [[B 91>> sei physischem oder sittlichem Vorteil, abhängig macht, desto mehr sie dennoch zu diesem im allgemeinen zusammenstimmt; welches daher kommt, weil es gerade der a priori gegebene allgemeine Wille (in einem Volk, oder im Verhältnis verschiedener Völker unter einander) ist, der allein, was unter Menschen Rechtens ist, bestimmt; diese Vereinigung des Willens aller aber, wenn nur in der Ausübung konsequent verfahren wird, auch nach dem Mechanism der Natur, zugleich die Ursache sein kann, die abgezweckte Wirkung hervorzubringen, und dem [[A 86>> Rechtsbegriffe Effekt zu verschaffen. – So ist es z. B. ein Grundsatz der moralischen Politik: dass sich ein Volk zu einem Staat nach den alleinigen Rechtsbegriffen der Freiheit und Gleichheit vereinigen solle, und dieses Prinzip ist nicht auf Klugheit, sondern auf Pflicht gegründet. Nun mögen dagegen

politische Moralisten noch so viel über den Naturmechanism einer in Gesellschaft tretenden Menschenmenge, welcher jene Grundsätze entkräftete, und ihre Absicht vereiteln werde, vernünfteln, oder auch durch Beispiele schlecht organisierter Verfassungen alter und neuer Zeiten (z. B. von Demokratien ohne [[B 92>> Repräsentationssystem) ihre Behauptung dagegen zu beweisen suchen, so verdienen sie kein Gehör; vornehmlich, da eine solche verderbliche Theorie das Übel wohl gar selbst bewirkt, was sie vorhersagt, nach welcher der Mensch mit den übrigen lebenden Maschinen in eine Klasse geworfen wird, denen nur noch das Bewusstsein, dass sie nicht freie Wesen sind, beiwohnen dürfte, um sie in ihrem eigenen Urteil zu den elendesten unter allen Weltwesen zu machen. [[A 87>> Der zwar etwas renommistisch klingende, sprüchwörtlich in Umlauf gekommene, aber wahre Satz: fiat iustitia, pereat mundus, das heisst zu deutsch: „es herrsche Gerechtigkeit, die Schelme in der Welt mögen auch insgesamt darüber zu Grunde gehen“, ist ein wackerer, alle durch Arglist oder Gewalt vorgezeichnete krumme Wege abschneidender Rechtsgrundsatz; nur dass er nicht missverstanden, und etwa als Erlaubnis, sein eigenes Recht mit der grössten Strenge zu benutzen (welches der ethischen Pflicht widerstreiten würde), sondern als Verbindlichkeit der Machthabenden, niemanden sein Recht [[B 93>> aus Ungunst oder Mitleiden gegen andere zu weigern oder zu schmälern, verstanden wird; wozu vorzüglich eine nach reinen Rechtsprinzipien eingerichtete innere Verfassung des Staats, dann aber auch die der Vereinigung desselben mit andern benachbarten oder auch entfernten Staaten zu einer (einem allgemeinen Staat analogischen) gesetzlichen Ausgleichung ihrer Streitigkeiten erfordert wird. – Dieser Satz will nichts anders sagen, als: die politische Maximen müssen nicht von der, aus ihrer Befolgung zu erwartenden, Wohlfahrt und Glückseligkeit [[A 88>> eines jeden Staats, also nicht vom Zweck, den sich ein jeder derselben zum Gegenstande macht (vom Wollen), als dem obersten (aber empirischen) Prinzip der Staatsweisheit, sondern von dem reinen Begriff der Rechtspflicht (vom Sollen, dessen Prinzip a priori durch reine Vernunft gegeben ist) ausgehen, die physische Folgen daraus mögen auch sein, welche sie wollen. Die Welt wird keinesweges dadurch untergehen, dass der bösen Menschen weniger wird. Das moralisch Böse hat die von seiner Natur unabtrennliche Eigenschaft, dass es in seinen Absichten (vornehmlich in Verhältnis gegen andere [[B 94>> Gleichgesinnete) sich selbst zuwider und zerstörend ist, und so dem (moralischen) Prinzip des Guten, wenn gleich durch langsame Fortschritte, Platz macht. *** Es gibt also o b j e k t i v (in der Theorie) gar keinen Streit zwischen der Moral und der Politik. Dagegen s u b j e k t i v (in dem selbstsüchtigen Hange der Menschen, der aber, weil er nicht auf Vernunftmaximen gegründet ist, noch nicht Praxis genannt werden muss) wird [[A 89>> und mag er immer bleiben, weil er zum Wetzstein der Tugend dient, deren wahrer Mut (nach dem Grundsatze: tu ne cede malis, sed contra audentior ito 1) in gegenwärtigem Falle nicht sowohl darin besteht, den Übeln und Aufopferungen mit festem Vorsatz sich entgegenzusetzen, welche hiebei übernommen werden müssen, sondern dem weit gefährlichern lügenhaften und verräterischen, aber doch vernünftelnden, die Schwäche der menschlichen Natur zur Rechtfertigung aller Übertretung vorspiegelnden bösen Prinzip in uns selbst, in die Augen zu sehen und seine Arglist zu besiegen. [[B 95>> In der Tat kann der politische Moralist sagen: Regent und Volk, oder Volk und Volk tun e i n a n d e r nicht Unrecht, wenn sie einander gewalttätig oder hinterlistig befehden, ob sie zwar überhaupt darin Unrecht tun, dass sie dem Rechtsbegriffe, der allein den Frieden auf ewig begründen könnte, alle Achtung versagen. Denn weil der eine seine Pflicht gegen den andern übertritt, der gerade eben so rechtswidrig gegen jenen gesinnt ist, so g e s c h i e h t ihnen beiderseits ganz recht, wenn sie sich [[A 90>> unter einander aufreiben, doch so, dass von dieser Rasse immer noch genug übrig bleibt, um dieses Spiel bis zu den 1

Übersetzung des Herausgebers: „weiche den Übeln nicht, sondern tritt ihnen beherzter entgegen“.

entferntesten Zeiten nicht aufhören zu lassen, damit eine späte Nachkommenschaft an ihnen dereinst ein warnendes Beispiel nehme. Die Vorsehung im Laufe der Welt ist hiebei gerechtfertigt; denn das moralische Prinzip im Menschen erlöscht nie, die, pragmatisch, zur Ausführung der rechtlichen Ideen nach jenem Prinzip tüchtige Vernunft wächst noch dazu beständig durch immer fortschreitende Kultur, mit ihr aber auch die Schuld jener Übertretungen. Die Schöpfung allein: dass nämlich ein solcher Schlag von verderbten We[[B 96>>sen überhaupt hat auf Erden sein sollen, scheint durch keine Theodizee gerechtfertigt werden zu können (wenn wir annehmen, dass es mit dem Menschengeschlechte nie besser bestellt sein werde noch könne); aber dieser Standpunkt der Beurteilung ist für uns viel zu hoch, als dass wir unsere Begriffe (von Weisheit) der obersten uns unerforschlichen Macht in theoretischer Absicht unterlegen könnten. – Zu solchen verzweifelten Folgerungen werden wir unvermeidlich hingetrieben, wenn wir nicht annehmen, die reine [[A 91>> Rechtsprinzipien haben objektive Realität, d. i. sie lassen sich ausführen; und darnach müsse auch von Seiten des Volks im Staate, und weiterhin von Seiten der Staaten gegen einander, gehandelt werden; die empirische Politik mag auch dagegen einwenden, was sie wolle. Die wahre Politik kann also keinen Schritt tun, ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben, und ob zwar Politik für sich selbst eine schwere Kunst ist, so ist doch Vereinigung derselben mit der Moral gar keine Kunst; denn diese haut den Knoten entzwei, den jene nicht aufzulösen vermag, sobald beide einander widerstreiten. – Das Recht dem [[B 97>> Menschen1 muss heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so grosse Aufopferung kosten. Man kann hier nicht halbieren, und das Mittelding eines pragmatisch-bedingten Rechts (zwischen Recht und Nutzen) aussinnen, sondern alle Politik muss ihre Knie vor dem erstern beugen, kann aber dafür hoffen, ob zwar langsam, zu der Stufe zu gelangen, wo sie beharrlich glänzen wird. [[B 98, A92>> II. VON DER EINHELLIGKEIT DER POLITIK MIT DER MORAL NACH DEM TRANSZENDENTALEN BEGRIFFE DES ÖFFENTLICHEN RECHTS Wenn ich von aller M a t e r i e des öffentlichen Rechts (nach den verschiedenen empirisch-gegebenen Verhältnissen der Menschen im Staat oder auch der Staaten unter einander), so wie es sich die Rechtslehrer gewöhnlich denken, abstrahiere, so bleibt mir noch die F o r m d e r P u b l i z i t ä t übrig, deren Möglichkeit ein jeder Rechtsanspruch in sich enthält, weil ohne jene es keine Gerechtigkeit (die nur als ö f f e n t l i c h k u n d b a r gedacht werden kann), mit hin auch kein Recht, das nur von ihr erteilt wird, geben würde.

Diese Fähigkeit der Publizität muss jeder Rechtsanspruch haben, und sie kann also, da es sich ganz leicht beurteilen lässt, ob sie in einem vorkommenden Falle statt finde, d. i. ob sie sich mit den Grundsätzen des Handelnden vereinigen lasse oder nicht, ein leicht zu brau[[B 99, A 93>>chendes, a priori in der Vernunft anzutreffendes Kriterium abgeben, im letzteren Fall die Falschheit (Rechtswidrigkeit) des gedachten Anspruchs (praetensio iuris), gleichsam durch ein Experiment der reinen Vernunft, so fort zu erkennen. Nach einer solchen Abstraktion von allem Empirischen, was der Begriff des Staats- und Volkerrechts enthält (dergleichen das Bösartige der menschlichen Natur ist, welches den Zwang notwendig macht), kann man folgenden Satz die t r a n s z e n d e n t a l e F o r m e l des öffentlichen Rechts nennen:

„Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht“. Dieses Prinzip ist nicht bloss als e t h i s c h (zur Tugendlehre gehörig), sondern auch als j u r i d i s c h (das Recht der Menschen angehend) zu betrachten. Denn eine Maxime, die ich nicht darf l a u t w e r d e n lassen, ohne dadurch meine eigene Absicht zugleich zu vereiteln, [[B 100>> die durchaus v e r h e i m l i c h t werden muss, wenn sie gelingen soll, und zu der ich mich nicht [[A 94>> ö f f e n t l i c h b e k e n n e n kann, ohne dass dadurch unausbleiblich der Widerstand aller gegen meinen Vorsatz gereizt werde, kann diese 1

Akad.-Ausg.: „Recht der Menschen“.

notwendige und allgemeine, mithin a priori einzusehende, Gegenbearbeitung aller gegen mich nirgend wovon anders, als von der Ungerechtigkeit her haben, womit sie jedermann bedroht. – Es ist ferner bloss n e g a t i v, d. i. es dient nur, um, vermittelst desselben, was gegen andere n i c h t r e c h t ist, zu erkennen. – Es ist gleich einem Axiom unerweislich-gewiss und überdem leicht anzuwenden, wie aus folgenden Beispielen des öffentlichen Rechts zu ersehen ist. 1. Was d a s S t a a t s r e c h t (ius civitatis), nämlich das innere b e t r i f f t: so kommt in ihm die Frage vor, welche viele für schwer zu beantworten halten, und die das transzendentale Prinzip der Publizität ganz leicht auflöset: „ist Aufruhr ein rechtmässiges Mittel für ein Volk, die drückende Gewalt eines so genannten Tyrannen (non titulo sed exercitio talis) abzu[[B 101>>werfen?“ Die Rechte des Volks sind gekränkt, und ihm (dem Tyrannen) geschieht kein Unrecht durch die Entthronung; daran ist kein Zweifel. [[A 95>> Nichts desto weniger ist es doch von den Untertanen im höchsten Grade unrecht, auf diese Art ihr Recht zu suchen, und sie können eben so wenig über Ungerechtigkeit klagen, wenn sie in diesem Streit unterlagen und nachher deshalb die härteste Strafe ausstehen müssten. Hier kann nun vieles für und dawider vernünftelt werden, wenn man es durch eine dogmatische Deduktion der Rechtsgründe ausmachen will; allein das transzendentale Prinzip der Publizität des öffentlichen Rechts kann sich diese Weitläuftigkeit ersparen. Nach demselben frägt sich vor Errichtung des bürgerlichen Vertrags das Volk selbst, ob es sich wohl getraue, die Maxime des Vorsatzes einer gelegentlichen Empörung öffentlich bekannt zu machen. Man sieht leicht ein, dass, wenn man es bei der Stiftung einer Staatsverfassung zur Bedingung machen wollte, in gewissen vorkommenden Fällen gegen das Oberhaupt Gewalt auszuüben, so müsste das Volk sich einer rechtmässigen Macht [[B 102>> über jenes anmassen. Alsdann wäre jenes aber nicht das Oberhaupt, oder, wenn beides zur Bedingung der Staatserrichtung gemacht würde, so würde gar keine möglich sein, welches [[A 96>> doch die Absicht des Volks war. Das Unrecht des Aufruhrs leuchtet also dadurch ein, dass die Maxime desselben dadurch, dass man sich ö f f e n t l i c h d a z u b e k e n n t e, seine eigene Absicht unmöglich machen würde. Man müsste sie also notwendig verheimlichen. – Das letztere wäre aber von Seiten des Staatsoberhaupts eben nicht notwendig. Er kann frei heraus sagen, dass er jeden Aufruhr mit dem Tode der Rädelsführer bestrafen werde, diese mögen auch immer glauben, er habe seinerseits das Fundamentalgesetz zuerst übertreten; denn wenn er sich bewusst ist, die u n w i d e r s t e h l i c h e Obergewalt zu besitzen (welches auch in jeder bürgerlichen Verfassung so angenommen werden muss, weil der, welcher nicht Macht genug hat, einen jeden im Volk gegen den andern zu schützen, auch nicht das Recht hat, ihm zu befehlen), so darf er nicht sorgen, durch die Bekanntwerdung seiner Maxime seine eigene Absicht zu vereiteln, womit auch ganz wohl zusammenhängt, dass, [[B 103>> wenn der Aufruhr dem Volk gelange, jenes Oberhaupt in die Stelle des Untertans zurücktreten, eben sowohl keinen Wiedererlangungsaufruhr beginnen, aber auch nicht zu befürch[[A 97>>ten haben müsste, wegen seiner vormaligen Staatsführung zur Rechenschaft gezogen zu werden. 2. W a s d a s V ö l k e r r e c h t b e t r i f f t. – Nur unter Voraussetzung irgend eines rechtlichen Zustandes (d. i. derjenigen äusseren Bedingung, unter der dem Menschen ein Recht wirklich zu Teil werden kann) kann von einem Völkerrecht die Rede sein; weil es, als ein öffentliches Recht, die Publikation eines, jedem das Seine bestimmenden, allgemeinen Willens schon in seinem Begriffe enthält, und dieser status iuridicus muss aus irgend einem Vertrage hervorgehen, der nicht eben (gleich dem, woraus ein Staat entspringt) auf Zwangsgesetze gegründet sein darf, sondern allenfalls auch der einer f o r t w ä h r e n d-f r e i e n Assoziation sein kann, wie der oben erwähnte der Föderalität verschiedener Staaten. Denn ohne irgend einen r e c h t l i c h e n Z u s t a n d, der die verschiedene (physische oder moralische) Personen tätig verknüpft, [[B 104>> mithin im Naturstande, kann es kein anderes als bloss ein Privatrecht geben. – Hier tritt nun auch ein Streit der Politik mit der Moral (diese als Rechtslehre betrachtet) ein, wo dann jenes Kriterium der Publizität der Maximen gleich[[A

98>>falls seine leichte Anwendung findet, doch nur so: dass der Vertrag die Staaten nur in der Absicht verbindet, unter einander und zusammen gegen andere Staaten sich im Frieden zu erhalten, keinesweges aber um Erwerbungen zu machen. – Da treten nun folgende Fälle der Antinomie zwischen Politik und Moral ein, womit zugleich die Lösung derselben verbunden wird. a) „Wenn einer dieser Staaten dem andern etwas versprochen hat: es sei Hülfleistung, oder Abtretung gewisser Länder, oder Subsidien u. d. gl., fragt sich, ob er sich in einem Fall, an dem des Staats Heil hängt, vom Worthalten dadurch los machen kann, dass er sich in einer doppelten Person betrachtet wissen will, erstlich als S o u v e r ä n, da er niemanden in seinem Staat verantwortlich ist; dann aber wiederum bloss als oberster S t a a t s b e a m t e, der dem Staat Rechenschaft geben müsse: da denn der [[B 105>> Schluss dahin ausfällt, dass, wozu er sich in der ersteren Qualität verbindlich gemacht hat, davon werde er in der zweiten losgesprochen.“ – Wenn nun aber ein Staat (oder dessen Oberhaupt) diese seine Maxime laut werden liesse, so würde natürlicherweise entweder ein jeder ande[[A 99>>re ihn fliehen, oder sich mit anderen vereinigen, um seinen Anmassungen zu widerstehen, welches beweiset, dass Politik mit aller ihrer Schlauigkeit auf diesen Fuss (der Offenheit) ihren Zweck selber vereiteln, mithin jene Maxime unrecht sein müsse. b) „Wenn eine bis zur furchtbaren Grösse (potentia tremenda) angewachsene benachbarte Macht Besorgnis erregt: kann man annehmen, sie werde, weil sie k a n n, auch unterdrücken w o l l e n, und gibt das der Mindermächtigen 1 ein Recht zum (vereinigten) Angriffe derselben, auch ohne vorhergegangene Beleidigung ?“ – Ein Staat, der seine Maxime hier bejahend v e r l a u t b a r e n wollte, würde das Übel nur noch gewisser und schneller herbeiführen. Denn die grässere Macht würde der kleineren2 zuvorkommen, und, was die Vereinigung der letzteren betrifft, [[B 106>> so ist das nur ein schwacher Rohrstab gegen den, der das divide et impera zu benutzen weiss. – Diese Maxime der Staatsklugheit, öffentlich erklärt, vereitelt also notwendig ihre eigene Absicht, und ist folglich ungerecht. c) „Wenn ein kleinerer Staat durch seine Lage den Zusammenhang eines grösseren trennt, [[A 100>> der diesem doch zu seiner Erhaltung nötig ist, ist dieser nicht berechtigt, jenen sich zu unterwerfen und mit dem seinigen zu vereinigen ?“ – Man sieht leicht, dass der grössere eine solche Maxime ja nicht vorher müsse laut werden lassen; denn, entweder die kleinern Staaten würden sich frühzeitig vereinigen, oder andere Mächtige würden um diese Beute streiten, mithin macht sie sich durch ihre Offenheit selbst untunlich; ein Zeichen, dass sie ungerecht ist und es auch in sehr hohem Grade sein kann; denn ein klein Objekt der Ungerechtigkeit hindert nicht, dass die daran bewiesene Ungerechtigkeit sehr gross sei. 3. W a s d a s W e l t b ü r g e r r e c h t b e t r i f f t, so übergehe ich es hier mit Stillschweigen; weil, wegen der Analogie desselben mit [[B 107>> dem Völkerrecht, die Maximen desselben leicht anzugeben und zu würdigen sind. *** Man hat hier nun zwar, an dem Prinzip der Unverträglichkeit der Maximen des Völkerrechts mit der Publizität, ein gutes Kennzeichen der Nichtübereinstimmung der Politik mit der Moral (als Rechtslehre). Nun bedarf man [[A 101>> aber auch belehrt zu werden, welches denn die Bedingung ist, unter der ihre Maximen mit dem Recht der Völker übereinstimmen ? Denn es lässt sich nicht umgekehrt schliessen: dass, welche Maximen die Publizität vertragen, dieselbe darum auch gerecht sind; weil, wer die entschiedene Obermacht hat, seiner Maximen nicht Hehl haben darf. – Die Bedingung der Möglichkeit eines Völkerrechts überhaupt ist: dass zuvorderst ein r e c h t l i c h e r Z u s t a n d existiere. Denn ohne diesen gibt’s kein öffentliches Recht, sondern alles Recht, was man sich ausser demselben denken mag (im Naturzustande), ist bloss Privatrecht. Nun haben wir oben gesehen: dass ein föderativer Zustand der Staaten, welcher bloss die Entfernung des Krieges 1 2

H2 (Cassirer): „den Mindermächtigen“. A1: „den kleineren“; H2: „den Kleineren“.

zur Absicht hat, [[B 108>> der einzige, mit der F r e i h e i t derselben vereinbare, r e c h t l i c h e Zustand sei. Also ist die Zusammenstimmung der Politik mit der Moral nur in einem föderativen Verein (der also nach Rechtsprinzipien a priori gegeben und notwendig ist) möglich, und alle Staatsklugheit hat zur rechtlichen Basis die Stiftung des ersteren, in ihrem grösst-möglichen Umfange, ohne welchen Zweck alle ihre Klügelei Unweisheit und verschleierte Ungerechtigkeit ist. – Diese Afterpolitik hat nun ihre K a s u i s t i k, trotz der besten Jesuiterschule – die reservatio mentalis: in Abfassung öffentlicher Vertrage, mit solchen Ausdrücken, die man gelegentlich zu sei[[A 102>>nem Vorteil auslegen kann, wie man will (z. B. den Unterschied des status quo de fait und de droit); – den Probabilismus: böse Absichten an anderen zu erklügeln, oder auch Wahrscheinlichkeiten ihres möglichen Übergewichts zum Rechtsgrunde der Untergrabung anderer friedlicher Staaten zu machen; – endlich das peccatum philosophicum (peccatillum,bagatelle): Das Verschlingen eines k l e i n e n Staats, wenn dadurch ein viel g r ö s s e r e r, zum vermeintlich grössern Weltbesten, gewinnt, [[B 109>> für eine leicht-verzeihliche Kleinigkeit zu halten.* Den Vorschub hiezu gibt die Zweizüngigkeit der Politik in Ansehung der Moral, einen oder den andern Zweig derselben zu ihrer Absicht zu benutzen. – Beides, die Menschenliebe und die Achtung fürs R e c h t der Menschen, ist Pflicht; jene aber nur b e d i n g t e, diese dagegen u n b e d i n g t e, schlechthin gebietende Pflicht, welche nicht übertreten zu haben derje[[A 103>>nige zuerst völlig versichert sein muss, der sich dem süssen Gefühl des Wohltuns überlassen will. Mit der Moral im ersteren Sinne (als [[B 110>> Ethik) ist die Politik leicht einverstanden, um das Recht der Menschen ihren Oberen Preis zu geben: Aber mit der in der zweiten Bedeutung (als Rechtslehre), vor der sie ihre Knie beugen müsste, findet sie es ratsam sich gar nicht auf Vertrag einzulassen, ihr lieber alle Realität abzustreiten, und alle Pflichten auf lauter Wohlwollen auszudeuten; welche Hinterlist einer lichtscheuen Politik doch von der Philosophie durch die Publizität jener ihrer Maximen leicht vereitelt werden würde, wenn jene es nur wagen wollte, dem Philosophen die Publizität der seinigen angedeihen zu lassen. In dieser Absicht schlage ich ein anderes transzendentales und bejahendes Prinzip des öffentlichen Rechts vor, dessen Formel diese sein würde: „Alle Maximen, die der Publizität bedürfen (um ihren Zweck nicht zu verfehlen), stimmen mit Recht und Politik vereinigt zusammen“. Denn, wenn sie nur durch die Publizität ihren Zweck erreichen können, so müssen sie dem [[B 111>> allgemeinen Zweck des Publikums (der Glückseligkeit) gemäss sein, womit zusammen zu stimmen (es mit seinem Zustande zufrieden zu machen) die eigentliche Aufgabe der Politik ist. Wenn aber dieser Zweck nur durch die Publi[[A 104>>zität, d. i. durch die Entfernung alles Misstrauens gegen die Maximen derselben, erreichbar sein soll, so müssen diese auch mit dem Recht des Publikums in Eintracht stehen; denn in diesem allein ist die Vereinigung der Zwecke aller möglich. – Die weitere Ausführung und Erörterung dieses Prinzips muss ich für eine andere Gelegenheit aussetzen; nur dass es eine transzendentale Formel sei, ist aus der Entfernung aller empirischen Bedingungen (der Glückseligkeitslehre), als der Materie des Gesetzes und der blossen Rücksicht auf die Form der allgemeinen Gesetzmässigkeit zu ersehen. *** Wenn es Pflicht, wenn zugleich gegründete Hoffnung da ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung *

Die Belege zu solchen Maximen kann man in des Herrn Hofr. Garve Abhandlung: „über die Verbindung der Moral mit der Politik, 1788“, antreffen. Dieser würdige Gelehrte gesteht gleich zu Anfange, eine genugtuende Antwort auf diese Frage nicht geben zu können. Aber sie dennoch gut zu heissen, ob zwar mit dem Geständnis, die dagegen sich regende Einwürfe nicht völlig heben zu können, scheint doch eine grössere Nachgiebigkeit gegen die zu sein, die sehr geneigt sind, sie zu missbrauchen, als wohl ratsam sein möchte, einzuräumen.

wirklich zu machen, [[B 112>> so ist d e r e w i g e F r i e d e, der auf die bisher fälschlich so genannte Friedensschlüsse (eigentlich Waffenstillstände) folgt, keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die, nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele (weil die Zeiten, in denen gleiche Fortschritte geschehen, hoffentlich immer kürzer werden) beständig näher kommt. AUS ÜBER

SÖMMERING

DAS ORGAN

DER

SEELE

[[A 81>> Sie legen mir, Würdiger Mann! Ihr vollendetes Werk über ein gewisses Prinzip der Lebenskraft in tierischen Körpern, welches, von Seiten des blossen Wahrnehmungsvermögens, das u n m i t t e 1 b a r e Sinnenwerkzeug ( πρϖτον αιϑητηριον), von Seiten der Vereinigung aller Wahrnehmungen aber in einem gewissen Teile des Gehirns, der g e m e i n s a m e Empfindungsplatz (sensorium commune) genannt wird, zur Beurteilung vor: welche Ehre, sofern sie mir, als einem in der N a t u r k u n d e nicht ganz Unbewanderten, zugedacht wird, ich mit allem Dank erkenne. – Es ist aber damit noch eine Anfrage an die M e t a p h y s i k verbunden (deren Orakel, wie man sagt, längst verstummt ist); und das setzt mich in Verlegenheit, ob ich diese Ehre annehmen soll oder nicht: denn es ist darin auch die Frage vom S i t z d e r S e e l e (sedes animae) enthalten, so wohl in Ansehung ihrer S i n n e n e m p f ä n g l i c h k e i t (facultas sensitive percipiendi), als auch ihres Bewegungsvermögens (facultas locomotiva). Mithin wird ein R e s p o n s u m gesucht, über das zwei Fakultäten wegen ihrer Gerichtsbarkeit (das forum competens) in Streit geraten können, die m e d i z i n i s c h e, in ihrem anatomisch-physiologischen, mit der p h i l o s o p h i s c h e n, in ihrem [[A 82>> psychologisch-metaphysischen Fache, wo, wie bei allen K o a l i t i o n s v e r s u c h e n, zwischen denen, die auf e m p i r i s c h e Prinzipien alles gründen wollen, und denen, welche zu oberst Gründe a priori verlangen (ein Fall, der sich in den Versuchen der Vereinigung der r e i n e n Rechtslehre mit der Politik, als e m p i r i s c h - b e d i n g t e r, imgleichen der r e i n e n Religionslehre mit der geoffenbarten, gleichfalls als e m p i r i s c h – b e d i n g t e r, noch immer zuträgt), Unannehmlichkeiten entspringen, die lediglich auf den Streit der Fakultäten beruhen, für welche die Frage gehöre, wenn bei einer Universität (als alle Weisheit befassender Anstalt) um ein Responsum angesucht wird. – Wer es in dem gegenwärtigen Falle dem M e d i z i n e r als Physiologen zu Dank macht, der verdirbt es mit dem P h i l o s o p h e n als Metaphysiker; und umgekehrt, wer es diesem recht macht, verstösst wider den Physiologen. Eigentlich ist es aber der Begriff von einem S i t z d e r S e e l e, welcher die Uneinigkeit der Fakultäten über das gemeinsame Sinnenwerkzeug veranlasst, und den man daher besser tut ganz aus dem Spiel zu lassen; welches um desto mehr mit Recht geschehen kann, da er eine l o k a l e G e g e n w a r t, die dem Dinge, was bloss Objekt des inneren Sinnes und so fern nur nach Zeitbedingungen bestimmbar ist, ein Raumesverhältnis beilege, verlanget, aber eben damit sich selbst widerspricht, anstatt dass eine v i r t u e l l e G e g e n w a r t, welche bloss für den Verstand gehört, eben darum aber auch nicht örtlich ist, einen Begriff abgibt, der es möglich macht, die vorgelegte Frage (vom sensorium commune) bloss als physiologische Aufgabe zu behandeln. – Denn wenn gleich die meisten Menschen das Denken im Kopfe zu fühlen glauben, so ist das doch bloss ein Fehler der Subreption, nämlich das Urteil über die Ursache der Empfindung an einem gewissen Orte (des Gehirns) für die Empfindung der Ursache an diesem Orte zu nehmen, und die Gehirnspu[[A 83>>ren von den auf dasselbe geschehenen Eindrücken nachher, unter dem Namen der m a t e r i e l l e n I d e e n (des Cartes), die Gedanken nach A s s o z i a t i o n s g e s e t z e n begleiten zu lassen: die, ob sie gleich sehr willkürliche Hypothesen sind, doch wenigstens keinen Seelensitz notwendig machen und die physiologische Aufgabe nicht mit der Metaphysik bemengen. –

Wir haben es also nur mit der Materie zu tun, welche die Vereinigung aller SinnenVorstellungen im G e m ü t*1 möglich macht. – Die einzige aber, die sich dazu (als sensorium commune) qualifiziert, ist, nach der durch Ihre tiefe Zergliederungskunde gemachten Entdeckung, in der Gehirnhöhle enthalten, und bloss Wasser: als das unmittelbare Seelenorgan, welches die daselbst sich endigenden Nervenbündel einerseits von einander s o n d e r t, damit sich die Empfindungen durch dieselben nicht vermischen, anderseits eine durchgängige G e m e i n s c h a f t unter einander bewirkt, damit nicht einige, ob zwar von demselben Gemüt empfangen, doch ausser dem Gemüt wären (welches ein Widerspruch ist). Nun tritt aber die grosse Bedenklichkeit ein: dass, da das W a s s e r, als Flüssigkeit, nicht füglich als organisiert gedacht werden kann, gleichwohl aber ohne Organisation, d.i. ohne zweckmässige und in ihrer Form [[A 84>> beharrliche Anordnung der Teile, keine Materie sich zum unmittelbaren Seelenorgan schickt, jene schone Entdeckung ihr Ziel noch nicht erreiche. F l ü s s i g ist eine stetige Materie, deren jeder Teil innerhalb dem Raum, den diese einnimmt, durch die kleinste Kraft aus ihrer Stelle bewegt werden kann. Diese Eigenschaft scheint aber dem Begriff einer organisierten Materie zu widersprechen, welche man sich als Maschine, mithin als s t ä r r e *, dem Verrücken ihrer Teile (mithin auch der Änderung ihrer inneren Konfiguration) mit einer gewissen Kraft widerstehende Materie denkt; sich aber jenes Wasser zum Teil flüssig, zum Teil starr, denken (wie etwa die Kristallfeuchtigkeit im Auge): würde die Absicht, warum man jene Beschaffenheit des unmittelbaren Sinnorgans annimmt, um die Funktion desselben zu erklären, auch zum Teil zernichten. Wie wäre es, wenn ich statt der m e c h a n i s c h e n, auf Nebeneinanderstellung der Teile zu Bildung einer gewissen Gestalt beruhenden, eine d y n a m i s c h e Organisation vorschläge, welche auf chemischen (so wie jene auf mathematischen) Prinzipien beruhet, und so mit der Flüssigkeit jenes Stoffs zusammen bestehen kann ? – So wie die m a t h e m a t i s c h e Teilung eines Raumes und der ihn einnehmenden Materie (z. B. der Gehirnhöhle und des sie erfüllenden Wassers) ins Unendliche geht, so mag es auch mit der c h e m i s c h e n als dynamischen Teilung (Scheidung verschiedener in einer Materie wechselseitig von einander aufgelöseter Arten) beschaffen sein, dass sie, so viel wir wissen, gleichfalls ins Unendliche (in indefinitum) geht. – Das reine, bis vor kurzem noch für chemisches Element gehaltene, gemeine Wasser wird jetzt durch [[A 85>> pneumatische Versuche in zwei verschiedene Luftarten geschieden. Jede dieser Luftarten hat, ausser ihrer Basis, noch den Wärmestoff in sich, der sich vielleicht wiederum von der Natur in Lichtstoff und andere Materie zersetzen lässt, so wie ferner das Licht in verschiedene Farben, u.s.w. Nimmt man noch dazu, was das Gewächsreich aus jenem gemeinen Wasser für eine unermessliche Mannigfaltigkeit von zum Teil flüchtigen Stoffen, vermutlich durch Zersetzung und andere Art der Verbindung, hervorzubringen weiss: so kann man sich vorstellen, welche Mannigfaltigkeit von Werkzeugen die Nerven an ihren Enden in dem Gehirnwasser (das vielleicht nichts mehr als gemeines Wasser sein mag) vor sich finden, um dadurch für die Sinnenwelt empfänglich und wechselseitig wiederum auch auf sie wirksam zu sein. *

Unter G e m ü t versteht man nur das die gegebenen Vorstellungen zusammensetzende und die Einheit der empirischen Apperzeption bewirkende V e r m ö g e n (animus), noch nicht die Substanz (anima), nach ihrer von der Materie ganz unterschiedenen Natur, von der man alsdann abstrahiert; wodurch das gewonnen wird, dass wir in Ansehung des denkenden Subjekts nicht in die Metaphysik überschreiten dürfen, als die es mit dem reinen Bewusstsein und der Einheit desselben a priori in der Zusammensetzung gegebener Vorstellungen (mit dem Verstande) zu tun hat, sondern mit der Einbildungskraft, deren Anschauungen (auch ohne Gegenwart ihres Gegenstandes), als empirischer Vorstellungen, Eindrücke im Gehirn (eigentlich habitus der Reproduktion) korrespondierend und zu einem Ganzen der inneren Selbstanschauung gehörend angenommen werden können. 1 Tieftrunk: „sondern, indem wir in der Physiolopie bleiben, es nur mit der Einbildungskraft zu tun haben, deren“. * Dem F l ü s s i g e n (fluidum) muss eigentlich das S t a r r e (rigidum), wie es auch E u l e r im Gegensatz mit dem ersteren braucht, entgegengesetzt werden. Dem S o l i d e n ist das H o h l e entgegenzusetzen.

Wenn man nun als Hypothese annimmt: dass dem Gemüt im empirischen Denken, d. i. im Auflösen und Zusammensetzen gegebener Sinnenvorstellungen, ein Vermögen der Nerven untergelegt sei, nach ihrer Verschiedenheit das Wasser der Gehirnhöhle in jene Urstoffe zu zersetzen, und so, durch Entbindung des einen oder des andern derselben, verschiedene Empfindungen spielen zu lassen (z. B. die des Lichts, vermittelst des gereizten Sehenervens, oder des Schalls, durch den Hornerven, u.s.w.), so doch, dass diese Stoffe, nach aufhörendem Reiz, so fort wiederum zusammenflossen: so könnte man sagen, dieses Wasser werde kontinuierlich organisiert, ohne doch jemals organisiert zu sein: wodurch dann doch eben dasselbe erreicht wird, was man mit der beharrlichen Organisation beabsichtigte, namlich die kollektive Einheit aller Sinnenvorstellungen in einem gemeinsamen Organ (sensorium commune), aber nur nach seiner chemischen Zergliederung begreiflich zu machen. Aber die eigentliche Aufgabe, wie sie nach H a l l e r n vorgestellt wird, ist hiemit doch nicht aufgelöst; sie ist nicht bloss physiologisch, [[A 86>> sondern sie soll auch zum Mittel dienen, die Einheit des Bewusstseins seiner selbst (welche dem Verstande angehört) im Raumesverhältnisse der S e e l e zu den Organen des Gehirns (welches zum äusseren Sinne gehört), mithin den S i t z der Seele, als ihre l o k a l e Gegenwart, vorstellig zu machen, welches eine Aufgabe für die Metaphysik, für diese aber nicht allein unauflöslich, sondern auch an sich widersprechend ist. – Denn wenn ich den Ort meiner Seele, d. i. meines absoluten Selbsts, irgendwo im Raume anschaulich machen soll, so muss ich mich selbst durch eben denselben Sinn wahrnehmen, wodurch ich auch die mich zunächst umgebende Materie wahrnehme; so wie dieses geschieht, wenn ich meinen Ort in der Welt a l s M e n s c h bestimmen will, nämlich dass ich meinen Körper in Verhältnis auf andere Körper ausser mir betrachten muss. – Kun kann die Seele sich nur durch den inneren Sinn, den Körper aber (es sei inwendig oder äusserlich) nur durch äussere Sinne wahrnehmen, mithin sich selbst schlechterdings keinen Ort bestimmen, weil sie sich zu diesem Behuf zum Gegenstand ihrer eigenen äusseren Anschauung machen und sich ausser sich selbst versetzen müsste; welches sich widerspricht. – Die verlangte Auflösung also der Aufgabe vom Sitz der Seele, die der Metaphysik zugemutet wird, führt auf eine unmögliche Grösse (√-2); und man kann dem, der sie unternimmt, mit dem T e r e n z zurufen: nihilo plus agas, quam si des operam, ut cum ratione insanias*; indes es dem Physiologen, dem die blosse dynamische Gegenwart, wo möglich, bis zur unmittelbaren verfolgt zu haben genügt, auch nicht verargt werden kann, den Metaphysiker zum Ersatz des noch Mangelnden aufgefordert zu haben. D E R S T R E I K D E R F A K U L T Ä T EN T I T E L D E R O R I G I N A L A U S G A B E (A) _____ Der Streit der Fakultäten in drey Abschnitten von Immanuel Kant. *

Übersetzung des Herausgebers: „du dürftest nicht mehr ausrichten, als wenn du dir Mühe gibst, mit Vernunft unvernünftig zu sein“.

Königsberg, bey Friedrich Nicolovius. 1798. [[A III>> DEM HERRN CARL FRIEDRICH STÄUDLIN DOKTOR UND PROFESSOR IN GÖTTINGEN ZUGEEIGNET VON DEM VERFASSER [[A V>> VORREDE Gegenwärtige Blätter, denen eine aufgeklärte, den menschlichen Geist seiner Fesseln entschlagende, und, eben durch diese Freiheit im Denken, desto bereitwilligern Gehorsam zu bewirken geeignete Regierung jetzt den Ausflug verstattet, – mögen auch zugleich die Freiheit verantworten, die der Verfasser sich nimmt, von dem, was bei [[A VI>> diesem Wechsel der Dinge ihn selbst angeht, eine kurze Geschichtserzählung voran zu schicken. K ö n i g F r i e d r i c h W i l h e l m II., ein tapferer, redlicher, menschenliebender, und – von gewissen Temperamentseigenschaften abgesehen – durchaus vortrefflicher Herr, der auch mich persönlich kannte, und von Zeit zu Zeit Äusserungen seiner Gnade an mich gelangen liess, hatte auf Anregung eines Geistlichen, nachmals zum Minister im geistlichen Departement erhobenen Mannes, dem man billigerweise auch keine andere, als auf seine innere Überzeugung sich gründende gut gemeinte Absichten unterzulegen Ursache hat, – im Jahr 1788 ein R e l i g i o n s e d i k t, bald nachher ein die Schriftstellerei überhaupt sehr einschränkendes, mithin auch jenes [[A VII>> mit schärfendes Zensuredikt ergehen lassen. Man kann nicht in Abrede ziehen: dass gewisse Vorzeichen, die der Explosion, welche nachher erfolgte, vorhergingen, der Regierung die Notwendigkeit einer Reform in jenem Fache anrätig machen mussten; welches auf dem stillen Wege des akademischen Unterrichts künftiger öffentlicher Volkslehrer zu erreichen war: denn diese hatten, als junge Geistliche, ihren Kanzelvortrag auf solchen Ton gestimmt, dass, wer Scherz versteht, sich durch s o l c h e Lehrer eben nicht wird bekehren lassen. Indessen dass nun das Religionsedikt auf einheimische sowohl als auswärtige Schriftsteller lebhaften Einfluss hatte, kam auch meine Abhandlung, unter dem Titel: „Religion innerhalb [[A VIII>> den Grenzen der blossen Vernunft“ heraus,* und, da ich, um keiner Schleichwege beschuldigt zu werden, allen meinen Schriften meinen Namen vorsetze, so erging an mich im Jahr 1794 folgendes Königl. Reskript; von welchem es merkwürdig ist, *

Diese Betitelung war absichtlich so gestellt; damit man jene Abhandlung nicht dahin deutete: als sollte sie die Religion aus blosser Vernunft (ohne Offenbarung) bedeuten. Denn das ware zu viel Anmassung gewesen; weil es doch sein könnte, dass die Lehren derselben von übernaturlich inspirierten Männern herrührten: sondern dass ich nur dasjenige, was im Text der für geoffenbart geglaubten Religion, der Bibel, a u c h d u r c h b l o s s e V e r n u n f t erkannt werden kann, hier in einem Zusammenhange vorstellig machen wollte.

dass es, da ich nur meinem vertrautesten Freunde die Existenz desselben be[[A IX>>kannt machte, es auch nicht eher als jetzt öffentlich bekannt wurde. V o n G o t t e s G n a d e n F r i e d r i c h W i l h e l m, K ö n i g v o n P r e u s s e n etc. etc. Unsern gnädigen Gruss zuvor. Würdiger und Hochgelahrter, lieber Getreuer ! Unsere höchste Person hat schon seit geräumer Zeit mit grossem Missfallen ersehen: wie Ihr Eure Philosophie zu Entstellung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heiligen Schrift und des Christentums missbraucht; wie Ihr dieses namentlich in Eurem Buch: „Religion innerhalb der Grenzen der blossen Ver[[A X>>nunft“, desgleichen in anderen kleineren Abhandlungen getan habt. Wir haben Uns zu Euch eines Besseren versehen; da Ihr selbst einsehen müsset, wie unverantwortlich Ihr dadurch gegen Eure Pflicht, als Lehrer der Jugend, und gegen Unsere, Euch sehr wohl bekannte, landesväterliche Absichten handelt. Wir verlangen des ehsten Eure gewissenhafteste Verantwortung, und gewärtigen Uns von Euch, bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade, dass Ihr Euch künftighin nichts dergleichen werdet zu Schulden kommen lassen, sondern vielmehr, Eurer Pflicht gemäss, Euer Ansehen und Eure Talente dazu anwenden, dass Unsere landesväterliche Intention je mehr und mehr erreicht werde; widrigenfalls Ihr Euch, bei fortgesetzter Renitenz, unfehl[[A XI>>bar unangenehmer Verfügungen zu gewärtigen habt. Sind Euch mit Gnade gewogen. Berlin, den 1. Oktober 1794. Auf Seiner Königl. Majestät allergnädigsten Spezialbefehl. W ö l l n e r. ab extra – Dem würdigen und hochgelahrten Unserem Professor auch lieben getreuen Kant Zu Königsberg in Preussen. praesentat. d. 12. Okt. 1794. [[A XII>> Worauf meiner Seits folgende alleruntertänigste Antwort abgestattet wurde.

Allergnädigster etc. etc. Ew. Königl. Maj. allerhöchster, den 1sten Oktober c. an mich ergangener und den 12ten eiusd. mir gewordener Befehl legt es mir zur devotesten Pflicht auf: E r s t l i c h „wegen des Missbrauchs meiner Philosophie, in Entstellung und Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heil. Schrift und des Christentums, namentlich in meinem Buch: „Religion innerhalb den Grenzen der blossen Vernunft“, desgleichen in anderen kleineren Abhandlungen und der hiedurch auf mich fallenden Schuld der Übertretung meiner Pflicht, als Lehrer der Ju[[A XIII>>gend, und gegen die höchste, mir sehr wohl bekannte landesväterliche Absichten, eine gewissenhafte Verantwortung beizubringen“. Z w e i t e n s auch, „nichts dergleichen künftighin mir zu Schulden kommen zu lassen“. – In Ansehung beider Stücke ermangle nicht den Beweis meines alleruntertänigsten Gehorsams Ew. Königl. Maj. in folgender Erklärung zu Füssen zu legen:

Was das e r s t e, nämlich die gegen mich erhobene Anklage betrifft, so ist meine gewissenhafte Verantwortung folgende: Dass ich a l s L e h r e r d e r J u g e n d, d. i., wie ich es verstehe, in akademischen Vorlesungen, niemals Beurteilung der heil. Schrift und des Christentums eingemischt habe, noch habe ein[[A XIV>>mischen können, würden schon die von mir zum Grunde gelegte Handbücher B a u m g a r t e n s, als welche allein einige Beziehung auf einen solchen Vortrag haben dürften, beweisen; weil in diesen nicht einmal ein Titel von Bibel und Christentum enthalten ist, und als blosser Philosophie auch nicht enthalten sein kann; der

Fehler aber, über die Grenzen einer vorhabenden Wissenschaft auszuschweifen, oder sie in einander laufen zu lassen, mir, der ich ihn jederzeit gerügt und dawider gewarnt habe, am wenigsten wird vorgeworfen werden können. Dass ich auch nicht etwa a l s V o l k s l e h r e r, in Schriften, namentlich nicht im Buche: „Religion innerhalb den Grenzen, u.s.w.“, mich gegen die allerhöchste, mir bekannte l a n[[A XV>>d e s v ä t e r l i c h e Absichten vergangen, d. i., der öffentlichen L a n d e s r e l i g i o n Abbruch getan habe; welches schon daraus erhellet, dass jenes Buch dazu gar nicht geeignet, vielmehr für das Publikum ein unverständliches, verschlossenes Buch, und nur eine Verhandlung zwischen Fakultätsgelehrten vorstellt, wovon das Volk keine Notiz nimmt; in Ansehung deren aber die Fakultäten selbst frei bleiben, nach ihrem besten Wissen und Gewissen öffentlich zu urteilen, und nur die eingesetzte Volkslehrer (in Schulen und auf Kanzeln) an dasjenige Resultat jener Verhandlungen, was die Landesherrschaft zum öffentlichen Vortrage für diese sanktioniert, gebunden werden, und zwar darum, weil die letztere sich ihren eigenen Religionsglauben auch nicht s e l b s t [[A XVI>> ausgedacht, sondern ihn nur auf demselben Wege, nämlich der Prüfung und Berichtigung durch dazu sich qualifizierende Fakultäten (die theologische und philosophische), hat überkommen können, mithin die Landesherrschaft diese nicht allein zuzulassen, sondern auch von ihnen zu fordern berechtigt ist, alles, was sie einer öffentlichen Landesreligion zuträglich finden, durch ihre Schriften zur Kenntnis der Regierung gelangen zu lassen. Dass ich in dem genannten Buche, weil es gar keine W ü r d i g u n g des Christentums enthält, mir auch keine A b w ü r d i g u n g desselben habe zu Schulden kommen lassen: Denn eigentlich enthält es nur die Würdigung der natürlichen Religion. Die Anführung einiger biblischer [[A XVII>> Schriftstellen, zur Bestätigung gewisser reiner Vernunftlehren der Religion, kann allein zu diesem Missverstande Veranlassung gegeben haben. Aber der sel. M i c h a e l i s, der in seiner philosophischen Moral eben so verfuhr, erklärte sich schon hierüber dahin, dass er dadurch weder etwas Biblisches in die Philosophie hinein, noch etwas Philosophisches aus der Bibel heraus zu bringen gemeint sei, sondern nur seinen Vernunftsätzen, durch wahre oder vermeinte Einstimmung mit anderer (vielleicht Dichter und Redner) Urteile, Licht und Bestätigung gäbe. – Wenn aber die Vernunft hiebei so spricht, als ob sie für sich selbst hinlänglich, die Offenbarungslehre also überflüssig wäre (welches, wenn es objektiv so verstanden werden sollte, wirklich für Abwür[[A XVIII>>digung des Christentums gehalten werden müsste), so ist dieses wohl nichts, als der Ausdruck der Würdigung ihrer selbst; nicht nach ihrem Vermögen, nach dem1, was sie als zu tun vorschreibt, sofern aus ihr allein A l l g e m e i n h e i t, E i n h e i t und N o t w e n d i g k e i t der Glaubenslehren hervorgeht, die das Wesentliche einer Religion überhaupt ausmachen, welches im Moralisch-Praktischen (dem, was wir tun s o l l e n) besteht, wogegen das, was wir auf historische Beweisgründe zu glauben Ursache haben (denn hiebei gilt kein S o l l e n), d. i., die Offenbarung, als an sich zufällige Glaubenslehre, für ausserwesentlich, darum aber doch nicht fur unnötig und überflüssig angesehen wird; weil sie den t h e o r e t i s c h e n Mangel des reinen Vernunft[[A XIX>>glaubens, den dieser nicht ableugnet, z. B. in den Fragen über den Ursprung des Bösen, den Übergang von diesem zum Guten, die Gewissheit des Menschen, im letzteren Zustande zu sein, u. dgl., zu ergänzen dienlich, und als Befriedigung eines Vernunftbedürfnisses dazu nach Verschiedenheit der Zeitumstande und der Personen mehr oder weniger beizutragen behülflich ist. Dass ich ferner meine grosse Hochachtung für die biblische Glaubenslehre im Christentum unter anderen auch durch die Erklärung, in demselben obbenannten Buche, bewiesen habe, dass die Bibel, als das beste vorhandene, zur Gründung und Erhaltung einer wahrhaftig seelenbessernden Landesreligion auf unabsehliche Zeiten taugliche, Leitmittel der öffentlichen Religionsun[[A XX>>terweisung darin von mir angepriesen, und daher auch die 1

Akad.-Ausg. erwägt: „nicht nach ihrem theoretischen Vermögen, sondern nach dem“.

Unbescheidenheit gegen die theoretische, Geheimnis enthaltende, Lehren derselben, in Schulen oder auf Kanzeln, oder in Volksschriften (denn in Fakultäten muss es erlaubt sein), Einwürfe und Zweifel dagegen zu erregen, von mir getadelt und für Unfug erklärt worden; welches aber noch nicht die grösste Achtungsbezeigung für das Christentum ist. Denn die hier aufgeführte Zusammenstimmung desselben mit dem reinsten moralischen Vernunftglauben ist die beste und dauerhafteste Lobrede desselben; weil eben dadurch, nicht durch historische Gelehrsamkeit, das so oft entartete Christentum immer wieder hergestellt worden ist, und ferner bei ähnlichen Schicksalen, die auch künftig nicht ausbleiben [[A XXI>> werden, allein wiederum hergestellt werden kann. Dass ich endlich, so wie ich anderen Glaubensbekennern jederzeit und vorzüglich gewissenhafte Aufrichtigkeit, nicht mehr davon vorzugeben und anderen als Glaubensartikel aufzudringen, als sie selbst davon gewiss sind, empfohlen, ich auch diesen Richter in mir selbst bei Abfassung meiner Schriften jederzeit als mir zur Seite stehend vorgestellt habe, um mich von jedem, nicht allein seelenverderblichen Irrtum, sondern selbst jeder Anstoss erregenden Unbehutsamkeit im Ausdruck entfernt zu halten; weshalb ich auch jetzt in meinem 71sten Lebensjahre, wo der Gedanke leicht aufsteigt, es konne wohl sein, dass ich für alles dieses in kurzem einem Weltrichter [[A XXII>> als Herzenskündiger Rechenschaft geben müsse, die gegenwärtige, mir wegen meiner Lehre abgeforderte, Verantwortung, als mit völliger G e w i s s e n h a f t i g k e i t abgefasst freimütig einreichen kann. W a s d e n z w e i t e n P u n k t b e t r i f f t: mir keine dergleichen (angeschuldigte) Entstellung und Herabwürdigung des Christentums künftighin zu Schulden kommen zu lassen: so halte ich, um auch dem mindesten Verdachte daruber vorzubeugen, für das Sicherste, hiemit, als E w. K ö n i g l. M a j. g e t r e u e s t e r U n t e r t a n *, [[A XXIII>> feierlichst zu erklären: dass ich mich fernerhin aller öffentlichen Vorträge, die Religion betreffend, es sei die natürliche oder geoffenbarte, sowohl in Vorlesungen als in Schriften, gänzlich enthalten werde. In tiefster Devotion ersterbe ich u.s.w. Die weitere Geschichte des fortwährenden Treibens zu einem sich immer mehr von der Vernunft entfernenden Glauben ist bekannt. Die Prüfung der Kandidaten zu geistlichen Ämtern ward nun einer G l a u b e n s k o m m i s s i o n anvertraut, der ein schema examinationis, nach pietistischem Zuschnitte, zum Grunde lag, welche gewissenhafte Kandidaten der Theologie zu Scharen von geistlichen Ämtern verscheuchte, [[A XXIV>> und die Juristenfakultät übervölkerte; eine Art von Auswanderung, die zufälligerweise nebenbei auch ihren Nutzen gehabt haben mag. – Um einen kleinen Begriff vom Geiste dieser Kommission zu geben: so ward, nach der Forderung einer vor der Begnadigung notwendig vorhergehenden Zerknirschung, noch ein tiefer reuiger G r a m (maeror animi) erfordert, und von diesem nun gefragt: ob ihn der Mensch sich auch selbst geben könne ? Quod negandum ac pernegandum, war die Antwort; der reuvolle Sünder muss sich diese Reue besonders vom Himmel erbitten. – Nun fällt ja in die Augen: dass den, welcher um R e u e (über seine Übertretung) noch bitten muss, seine Tat wirklich nicht reuet; welches eben so widersprechend aussieht, als, wenn [[A XXV>> es vom G e b e t heisst: es müsse, wenn es erhörlich sein soll, im Glauben geschehen. Denn, wenn der Beter den Glauben hat, so braucht er nicht darum zu bitten: hat er ihn aber nicht, so kann er nicht erhörlich bitten. __________ Diesem Unwesen ist nunmehro gesteuret. Denn nicht allein zum bürgerlichen Wohl des gemeinen Wesens überhaupt, dem Religion ein höchstwichtiges Staatsbedürfnis ist, *

Auch diesen Ausdruck wählte ich vorsichtig, damit ich nicht der Freiheit meines Urteils in diesem Religionsprozess auf immer, sondern nur, solange Sr. Maj. am Leben wäre, entsagte.

sondern besonders zum Vorteil der Wissenschaften, vermittelst eines diesen zu befördern eingesetzten Oberschulkollegiums, – hat sich neuerdings das glückliche Eräugnis zugetragen, dass die Wahl einer weisen Landesregierung einen erleuchteten Staats[[A XXVI>>mann getroffen hat, welcher, nicht durch einseitige Vorliebe für ein besonderes Fach derselben (die Theologie), sondern in Hinsicht auf das ausgebreitete Interesse des ganzen Lehrstandes, zur Beförderung desselben Beruf, Talent und Willen hat, und so das Fortschreiten der Kultur im Felde der Wissenschaften wider alle neue Eingriffe der Obskuranten sichern wird. *** Unter dem allgemeinen Titel: „der Streit der Fakultäten“ erscheinen hier drei, in verschiedener Absicht, auch zu verschiedenen Zeiten, von mir abgefasste, gleichwohl aber doch zur systematischen Einheit ihrer Verbindung in einem [[A XXVII>> Werk geeignete Abhandlungen; von denen ich nur späterhin inne ward, dass sie, als der Streit der u n t e r e n mit den drei o b e r e n, (um der Zerstreuung vorzubeugen) schicklich in Einem Bande sieh zusammen finden können. [[A XXVIII>> INHALT Erster Abschnitt Der Streit der philosophischen Fakultät mit der theologischen Einleitung .............................................................................................................. 3 Einteilung der Fakultäten überhaupt ......................................................... 6 I. Vom Verhältnisse der Fakultäten Erster Abschnitt. Begriff und Einteilung der oberen Fakultäten ........................... 11 Eigentümlichkeit der theologischen Fakultät ..................................................... 16 Eigentümlichkeit der Juristenfakultät ................................................................. 18 Eigentümlichkeit der medizinischen Fakultät ..................................................... 21 Zweiter Abschnitt. Begriff und Einteilung der unteren Fakultät............................ 24 [[A XXIX>> Dritter Abschnitt. Vom gesetzwidrigen Streit der oberen Fakultäten mit der unteren................................................................................ S. 29 Vierter Abschnitt. Vom gesetzmässigen Streit der oberen Fakultäten mit der unteren.................................................................................... 35 Resultat ................................................................................................................... 43 II. Anhang einer Erläuterung des Streits der Fakultäten durch das Beispiel desjenigen zwischen der theologischen und philosophischen I. Materie des Streits.............................................................................................. 44 II. Philosophische Grundsätze der Schriftauslegung zur Beilegung des Streits ..... 49 III. Einwürfe und Beantwortung derselben, die Grundsätze der Schriftauslegung betreffend............................................................................................................ 63 Allgemeine Anmerkung. Von Religionssekten........................................................ 70 Friedens-Abschluss und Beilegung des Streits der Fakultäten ................................ 97 Anhang biblisch-historischer Fragen, über die praktische Benutzung und mutmassliche Zeit der Fortdauer dieses heiligen Buchs....................................... 112 Anhang von einer reinen Mystik in der Religion .................................................... 115 [[A XXX>> Z w e i t e r A b s c h n i t t Der Streit der philosophischen Fakultät mit der juristischen

Erneuerte Frage: Ob das menschliche Geschlecht im bestöndigen Fortschreiten zum Besseren sei.............................................................................................. S. 131 Beschluss ................................................................................................................ 161 Dritter Abschnitt Der Streit der philosophischen Fakultät mit der medizinischen Von der Macht des Gemüts, durch den blossen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein. – Ein Antwortschreiben an Hrn. Hofr. und Prof. Hufeland .............................................................................................................. 165 Grundsätze der Diätetik .......................................................................................... 172 Beschluss ................................................................................................................ 197 Nachschrift .............................................................................................................. 202 [[A 1>> E R S T E R A B S C H N I T T DER STREIT DER PHILO SOPHISC HEN FAKULTÄT MIT DER THEO LOGISCH EN [[A 3>> EINLEITUNG Es war kein übeler Einfall desjenigen, der zuerst den Gedanken fasste, und ihn zur öffentlichen Ausführung vorschlug, den ganzen Inbegriff der Gelehrsamkeit (eigentlich die derselben gewidmeten Köpfe) gleichsam f a b r i k e n m ä s s i g, durch Verteilung der Arbeiten, zu behandeln, wo, so viel es Fächer der Wissenschaften gibt, so viel öffentliche Lehrer, P r o f e s s o r e n, als Depositöre derselben, angestellt würden, die zusammen eine Art von gelehrtem gemeinen Wesen, U n i v e r s i t ä t (auch hohe Schule) genannt, ausmachten, die ihre Autonomie hatte (denn über Gelehrte, als solche, können nur Gelehrte urteilen); die daher vermittelst ihrer F a k u l t ä t e n * (kleiner, nach Ver[[A 4>>schiedenheit der Hauptfächer der Gelehrsamkeit, in welche sich die Universitätsgelehrte teilen, verschiedener Gesellschaften) teils die aus niedern Schulen zu ihr aufstrebende Lehrlinge aufzunehmen, teils auch freie (keine Glieder derselben ausmachende) Lehrer, D o k t o r e n genannt, nach vorhergehender Prüfung, aus eigner Macht, mit einem von jedermann anerkannten Rang zu versehen (ihnen einen Grad zu erteilen), d. i. sie zu k r e i e r e n berechtigt wäre. Ausser diesen z ü n f t i g e n kann es noch z u n f t f r e i e Gelehrte geben, die nicht zur U n i v e r s i t ä t gehören, sondern, indem sie bloss einen Teil des grossen Inbegriffs der Gelehrsamkeit bearbeiten, ent[[A 5>>weder gewisse freie Korporationen (A k a d e m i e n, auch S o z i e t ä t e n d e r W i s s e n s c h a f t e n genannt) als so viel Werkstätten ausmachen, oder gleichsam im Naturzustande der Gelehrsamkeit leben und jeder für sich, ohne öffentliche Vorschrift und Regel, sich mit Erweiterung oder Verbreitrung derselben als L i e b h a b e r beschäftigen. *

Deren jede ihren D e k a n als Regenten der Fakultät hat. Dieser aus der Astrologie eutlehnte Titel, der [[Anm. A 4>> ursprünglich einen der 3 Astralgeister bedeutete, welche einem Zeichen des Tierkreises (von 30º) vorstehen, deren jeder 10 Grade anführt, ist von den Gestirnen zuerst auf die Feldläger (ab astris ad castra. vid. Salmasius de annis climacteriis pag. 561) und zuletzt gar auf die Universitäten gezogen worden; ohne doch hiebei eben auf die Zahl 10 (der Professoren) zu sehen. Man wird es den Gelehrten nicht verdenken, dass sie, von denen fast alle Ehrentitel, mit denen sich jetzt Staatsleute ausschmücken, zuerst ausgedacht sind, sich selbst nicht vergessen haben.

Von den eigentlichen Gelehrten sind noch die L i t e r a t e n (Studierte) zu unterscheiden, die, als Instrumente der Regierung, von dieser zu ihrem eigenen Zweck (nicht eben zum Besten der Wissenschaften) mit einem Amte bekleidet, zwar auf der Universität ihre Schule gemacht haben müssen, allenfalls aber vieles davon (was die Theorie betrifft) auch können vergessen haben, wenn ihnen nur1 so viel, als zu Führung eines bürgerlichen Amts, das, seinen Grundlehren nach, nur von Gelehrten ausgehen kann, erforderlich ist, nämlich empirische Kenntnis der Statuten ihres Amts (was also die Praxis angeht) übrig behalten haben; die man also G e s c h ä f t s l e u t e oder Werkkundige der Gelehrsamkeit nennen kann. Diese, weil sie als Werkzeuge der Regierung (Geistliche, Justizbeamte und Ärzte) aufs Publikum gesetzlichen [[A 6>> Einfluss haben, und eine besondere Klasse von Literaten ausmachen, die nicht frei sind, aus eigener Weisheit, sondern nur unter der Zensur der Fakultäten, von der Gelehrsamkeit öffentlichen Gebrauch zu machen, müssen, weil sie sich unmittelbar ans Volk wenden, welches aus Idioten besteht (wie etwa der Klerus an die Laiker), in ihrem Fache aber zwar nicht die gesetzgebende doch zum Teil die ausübende Gewalt haben, von der Regierung sehr in Ordnung gehalten werden, damit sie sich nicht über die richtende, welche den Fakultäten zukommt, wegsetzen. EINTEILUNG DER FAKULTÄTEN ÜBERHAUPT Nach dem eingeführten Gebrauch werden sie in zwei Klassen, die der d r e i o b e r n F a k u l t ä t e n und die Einer u n t e r n eingeteilt. Man sieht wohl, dass bei dieser Einteilung und Benennung nicht der Gelehrtenstand, sondern die Regierung befragt worden ist. Denn zu den obern werden nur diejenigen gezählt, deren Lehren, ob sie so oder anders beschaffen sein, oder öffentlich vorgetragen werden sollen, es die Regierung selbst interessiert; da hingegen diejenige, [[A 7>> welche nur das Interesse der Wissenschaft zu besorgen hat, die untere genannt wird, weil diese es mit ihren Sätzen halten mag, wie sie es gut findet. Die Regierung aber interessiert das am allermeisten, wodurch sie sich den stärksten und daurendsten Einfluss aufs Volk verschafft, und dergleichen sind die Gegenstände der oberen Fakultäten. Daher behält sie sich das Recht vor, die Lehren der oberen selbst zu s a n k t i o n i e r e n; die der untern überlässt sie der eigenen Vernunft des gelehrten Volks. – Wenn sie aber gleich Lehren sanktioniert, so lehrt sie (die Regierung) doch nicht selbst; sondern will nur, dass gewisse Lehren von den respektiven Fakultäten in ihren ö f f e n t l i c h e n V o r t r a g aufgenommen und die ihnen entgegengesetzte davon ausgeschlossen werden sollen. Denn sie lehrt nicht, sondern befehligt nur die, welche lehren (mit der Wahrheit mag es bewandt sein wie es wolle), weil sie sich bei Antretung ihres Amts * durch einen Vertrag mit [[A 8>> der Regierung dazu verstanden haben. – Eine Regierung, die sich mit den Lehren, also auch mit der Erweiterung oder Verbesserung der Wissenschaften befasste, mithin selbst, in höchster Person, den Gelehrten spielen wollte, würde sich durch diese Pedanterei nur um die ihr schuldige Achtung bringen und es ist unter ihrer Würde, sich mit dem Volk (dem Gelehrtenstande desselben) gemein zu machen, welches keinen Scherz versteht und alle, die sich mit Wissenschaften bemengen, über einen Kamm schiert. Es muss zum gelehrten gemeinen Wesen durchaus auf der Universität noch eine Fakultät geben, die, in [[A 9>> Ansehung ihrer Lehren vom Befehle der Regierung 1

Akad.-Ausg.: „wenn sie nur”. Man muss es gestehen, dass der Grundsatz des grossbritannischen Parlaments: Die Rede ihres Königes vom Thron sei als ein Werk seines Ministers anzusehen (da es der Würde eines Monarchen zuwider sein würde, [[Anm. A 8>> sich Irrtum, Unwissenheit, oder Unwahrheit vorrücken zu lassen, gleichwohl aber das Haus über ihren Inhalt zu urteilen, ihn zu prüfen und anzufechten berechtigt sein muss), dass, sage ich, dieser Grundsatz sehr fein und richtig ausgedacht sei. Eben so muss auch die Auswahl gewisser Lehren, welche die Regierung zum öffentlichen Vortrage ausschliesslich sanktioniert, der Prüfung der Gelehrten ausgesetzt bleiben, weil sie nicht als das Produkt des Monarchen, sondern eines dazu befehligten Staatsbeamten, von dem man annimmt, er könne auch wohl den Willen seines Herrn nicht recht verstanden oder auch verdreht haben, angesehen werden müsse. *

unabhängig,* keine Befehle zu geben, aber doch alle zu beurteilen, die Freiheit habe, die mit dem wissenschaftlichen Interesse, d. i. mit dem der Wahrheit, zu tun hat, wo die Vernunft öffentlich zu sprechen berechtigt sein muss; weil ohne eine solche die Wahrheit (zum Schaden der Regierung selbst) nicht an den Tag kommen würde, die Vernunft aber ihrer Natur nach frei ist, und keine Befehle, etwas für wahr zu halten (kein crede sondern nur ein freies credo), annimmt. – Dass aber eine solche Fakultät, unerachtet dieses grossen [[A 10>> Vorzugs (der Freiheit) dennoch die untere genannt wird, davon ist die Ursache in der Natur des Menschen anzutreffen: dass nämlich der, welcher befehlen kann, ob er gleich ein demütiger Diener eines andern ist, sich doch vornehmer dünkt, als ein anderer, der zwar frei ist, aber niemanden zu befehlen hat. [[A 11>> I. VOM VERHÄLTNISSE DER FAKULTÄTEN ERSTER ABSCHNITT BEGRIFF UND EINTEILUNG DER OBEREN FAKULTÄTEN Man kann annehmen, dass alle künstliche Einrichtungen, welche eine Vernunftidee (wie die von einer Regierung ist) zum Grunde haben, die sich an einem Gegenstande der Erfahrung (dergleichen das ganze gegenwärtige Feld der Gelehrsamkeit) praktisch beweisen soll, nicht durch bloss zufällige Aufsammlung und willkürliche Zusammenstellung vorkommender Fälle, sondern nach irgend einem in der Vernunft, wenn gleich nur dunkel, liegenden Prinzip und darauf gegründetem Plan versucht worden sind, der eine gewisse Art der Einteilung notwendig macht. Aus diesem Grunde kann man annehmen, dass die Organisation einer Universität in Ansehung ihrer Klassen und Fakultäten nicht so ganz vom Zufall abgehan[[A 12>>gen habe, sondern dass die Regierung, ohne deshalb eben ihr frühe Weisheit und Gelehrsamkeit anzudichten, schon durch ihr eignes gefühltes Bedürfnis (vermittelst gewisser Lehren aufs Volk zu wirken) a priori auf ein Prinzip der Einteilung, was sonst empirischen Ursprungs zu sein scheint, habe kommen können, das mit dem jetzt angenommenen glücklich zusammentrifft; wiewohl ich ihr darum, als ob sie fehlerfrei sei, nicht das Wort reden will. Nach der Vernunft (d.h. objektiv) würden die Triebfedern, welche die Regierung zu ihrem Zweck (auf das Volk Einfluss zu haben) benutzen kann, in folgender Ordnung stehen: zuerst eines jeden e w i g e s Wohl, dann das b ü r g e r l i c h e als Glied der Gesellschaft, endlich das L e i b e s w o h l (lange leben und gesund sein). Durch die öffentlichen Lehren in Ansehung des e r s t e n kann die Regierung selbst auf das Innere der Gedanken und die verschlossensten Willensmeinungen der Untertanen, jene zu entdecken, diese zu lenken, den grössten Einfluss haben; durch die, so sich aufs z w e i t e beziehen, ihr äusseres Verhalten unter dem Zügel öffentlicher Gesetze halten; durch die d r i t t e sich die Existenz eines starken und zahlreichen Volks [[A 13>> sichern, welches sie zu ihren Absichten brauchbar findet. – – Nach der V e r n u n f t würde also wohl die gewöhnlich angenommene Rangordnung unter den oberen Fakultäten Statt finden; nämlich zuerst die t h e o l o g i s c h e, darauf die der J u r i s t e n und zuletzt die m e d i z i n i s c h e Fakultät. Nach dem N a t u r i n s t i n k t hingegen würde dem Menschen der Arzt der wichtigste Mann sein, weil dieser ihm sein L e b e n fristet, darauf allererst der Rechtserfahrne, der ihm das zufällige S e i n e zu *

Ein französischer Minister berief einige der angesehensten Kaufleute zu sich und verlangte von ihnen Vorschläge, wie dem Handel aufzuhelfen sei: gleich als ob er darunter die beste zu wählen vezstande. Nachdem einer dies, der andere das, in Vorschlag gebracht hatte, sagte ein alter Kaufmann, der so lange geschwiegen hatte: Schafft gute Wege, schlagt gut Geld, gebt ein promptes Wechselrecht u.d.gl., übrigens aber „lässt uns machen“. Dies wäre ungefähr die Antwort, welche die philosophische Fakultät, wenn die Regierung sie um die Lehren befrüge, die sie den Gelehrten überhaupt vorzuschreiben habe: Den Fortschritt der Einsichten und Wissenschaften nur nicht zu hindern.

erhalten verspricht, und nur zuletzt (fast nur wenn es zum Sterben kommt), ob es zwar um die Seligkeit zu tun ist, der Geistliche gesucht werden; weil auch dieser selbst, so sehr er auch die Glückseligkeit der künftigen Welt preiset, doch, da er nichts von ihr vor sich sieht, sehnlich wünscht, von dem Arzt in diesem Jammertal immer noch einige Zeit erhalten zu werden. *** Alle drei obere Fakultäten gründen die ihnen von der Regierung anvertraute Lehren auf S c h r i f t, welches im Zustande eines durch Gelehrsamkeit geleiteten Volks auch nicht anders sein kann, weil ohne [[A 14>> diese es keine beständige, für jedermann zugängliche Norm, darnach es sich richten könnte, geben würde, dass1 eine solche Schrift (oder Buch) S t a t u t e, d. i. von der Willkür eines Obern ausgehende (für sich selbst nicht aus der Vernunft entspringende) Lehren enthalten müsse, versteht sich von selbst; weil diese sonst nicht, als von der Regierung sanktioniert, schlechthin Gehorsam fordern könnte, und dieses gilt auch von dem Gesetzbuche, selbst in Ansehung derjenigen öffentlich vorzutragenden Lehren, die zugleich aus der V e r n u n f t abgeleitet werden könnten, auf deren Ansehen aber jenes keine Rücksicht nimmt, sondern den Befehl eines äusseren Gesetzgebers zum Grunde legt. – Von dem Gesetzbuch, als dem Kanon, sind diejenigen Bücher, welche als (vermeintlich) vollständiger Auszug des Geistes des Gesetzbuchs zum fasslichern Begriff und sichererm Gebrauch des gemeinen Wesens (der Gelehrten und Ungelehrten) von den Fakultäten abgefasst werden, wie etwa d i e s y m b o l i s c h e n B ü c h e r, gänzlich unterschieden. Sie können nur verlangen, als O r g a n o n, um den Zugang zu jenem zu erleichtern, angesehen zu werden und haben gar keine Auktorität; selbst dadurch nicht, dass sich etwa die vor[[A 15>>nehmsten Gelehrten von einem gewissen Fache darüber geeinigt haben, ein solches Buch statt Norm für ihre Fakultät gelten zu lassen, wozu sie gar nicht befugt sind, sondern sie einstweilen als Lehrmethode einzuführen, die aber nach Zeitumständen veränderlich bleibt, und überhaupt auch nur das Formale des Vortrags betreffen kann, im Materialen der Gesetzgebung aber schlechterdings nichts ausmacht. Daher schöpft der biblische Theolog (als zur obern. Fakultät gehörig) seine Lehren nicht aus der Vernunft, sondern aus der B i b e l, der Rechtslehrer nicht aus dem Naturrecht, sondern aus dem L a n d r e c h t, der Arzneigelehrte s e i n e i n s P u b l i k u m g e h e n d e H e i l m e t h o d e nicht aus der Physik des menschlichen Körpers, sondern aus der M e d i z i n a l o r d n u n g. – So bald eine dieser Fakultäten etwas als aus der Vernunft Entlehntes einzumischen wagt: so verletzt sie die Auktorität der durch sie gebietenden Regierung und kommt ins Gehege der philosophischen, die ihr alle glänzende von jener geborgte Federn ohne Verschonen abzieht, und mit ihr nach dem Fuss der Gleichheit und Freiheit verfährt. – Daher müssen die obern Fakultäten am meisten darauf bedacht sein, sich mit der [[A 16>> untern ja nicht in Missheirat einzulassen, sondern sie fein weit in ehrerbietiger Entfernung von sich abzuhalten, damit das Ansehen ihrer Statute nicht durch die freien Vernünfteleien der letzteren Abbruch leide. A. EIGENTÜMLICHKEIT DER THEOLOGISCHEN FAKULTÄT Dass ein Gott sei, beweiset der biblische Theolog daraus, dass er in der Bibel geredet hat, worin diese1 auch von seiner Natur (selbst bis dahin, wo die Vernunft mit der Schrift nicht Schritt halten kann, z. B. vom unerreichbaren Geheimnis seiner dreifachen Persönlichkeit) spricht. Dass aber Gott selbst durch die Bibel geredet habe, kann und darf, weil es eine Geschichtssache ist, der biblische Theolog, als ein solcher nicht beweisen; denn das gehört zur philosophischen Fakultät. Er wird es also als Glaubenssache auf ein gewisses (freilich nicht erweisliches oder erklärliches) G e f ü h l der Göttlichkeit derselben, selbst für den Gelehrten, gründen, die Frage aber wegen dieser Göttlichkeit (im buchstäblichen Sinne genommen) des Ursprungs derselben im öffentlichen Vortrage ans Volk gar nicht aufwerfen 1 1

Akad.-Ausg.: „würde.Dass”. Akad.-Ausg. erwägt: „worin dieser”.

müssen; weil dieses sich darauf als [[A 17>> eine Sache der Gelehrsamkeit doch gar nicht versteht und hiedurch nur in vorwitzige Grübeleien und Zweifel verwickelt werden würde; da man hingegen hierin weit sicherer auf das Zutrauen rechnen kann, was das Volk in seine Lehrer setzt. – Den Sprüchen der Schrift einen mit dem Ausdruck nicht genau zusammentreffenden, sondern etwa moralischen Sinn unterzulegen, kann er auch nicht befugt sein, und, da es keinen von Gott autorisierten menschlichen Schriftausleger gibt, muss der biblische Theolog eher auf übernatürliche Eröffnung des Verständnisses durch einen in alle Wahrheit leitenden Geist rechnen, als zugeben, dass die Vernunft sich darin menge und ihre (aller höheren Autorität ermangelnde) Auslegung geltend mache. – Endlich was die Vollziehung der göttlichen Gebote an unserem Willen betrifft, so muss der biblische Theolog ja nicht auf die Natur, d. i. das eigne moralische Vermögen des Menschen (die Tugend), sondern auf die Gnade (eine übernatürliche, dennoch zugleich moralische Einwirkung) rechnen, deren aber der Mensch auch nicht anders, als vermittelst eines inniglich das Herz umwandelnden Glaubens teilhaftig werden, diesen Glauben selbst aber doch wiederum von der Gnade [[A 18>> erwarten kann. – Bemengt der biblische Theolog sich in Ansehung irgend eines dieser Sätze mit der Vernunft, gesetzt, dass diese auch mit der grössten Aufrichtigkeit und dem grössten Ernst auf dasselbe Ziel hinstrebete, so überspringt er (wie der Bruder des Romulus) die Mauer des allein seligmachenden Kirchenglaubens, und verläuft sich in das offene freie Feld der eigenen Beurteilung und Philosophie, wo er, der geistlichen Regierung entlaufen, allen Gefahren der Anarchie ausgesetzt ist.– Man muss aber wohl merken, dass ich hier vom r e i n e n (purus, putus) biblischen Theologen rede, der von dem verschrienen Freiheitsgeist der Vernunft und Philosophie noch nicht angesteckt ist. Denn, so bald wir zwei Geschäfte von verschiedener Art vermengen und in einander laufen lassen, können wir uns von der Eigentümlichkeit jedes einzelnen derselben keinen bestimmten Begriff machen. B. EIGENTÜMLICHKEIT DER JURISTENFAKULTÄT Der schriftgelehrte J u r i s t sucht die Gesetze der Sicherung des M e i n und D e i n (wenn er, wie er [[A 19>> soll, als Beamter der Regierung verfährt) nicht in seiner Vernunft, sondern im öffentlich gegebenen und höchsten Orts sanktionierten Gesetzbuch. Den Beweis der Wahrheit und Rechtmässigkeit derselben, ingleichen die Verteidigung wider die dagegen gemachte Einwendung der Vernunft, kann man billigerweise von ihm nicht fordern. Denn die Verordnungen machen allererst, dass etwas recht ist, und nun nachzufragen, ob auch die Verordnungen selbst recht sein mögen, muss von den Juristen als ungereimt gerade zu abgewiesen werden. Es wäre lächerlich, sich dem Gehorsam gegen einen äussern und obersten Willen, darum, weil dieser, angeblich, nicht mit der Vernunft übereinstimmt, entziehen zu wollen. Denn darin besteht eben das Ansehen der Regierung, dass sie den Untertanen nicht die Freiheit lässt, nach ihren eigenen Begriffen, sondern nach Vorschrift der gesetzgebenden Gewalt über Recht und Unrecht zu urteilen. In einem Stücke aber ist es mit der Juristenfakultät für die Praxis doch besser bestellt, als mit der theologischen; dass nämlich jene einen sichtbaren Ausleger der Gesetze hat, nämlich entweder an einem Richter, oder, in der Appellation von ihm, an einer [[A 20>> Gesetzkommission und (in der höchsten) am Gesetzgeber selbst, welches, in Ansehung der auszulegenden Sprüche eines heiligen Buchs, der theologischen Fakultät nicht so gut wird. Doch wird dieser Vorzug andererseits durch einen nicht geringeren Nachteil aufgewogen, nämlich, dass die weltlichen Gesetzbücher der Veränderung unterworfen bleiben müssen, nachdem die Erfahrung mehr oder bessere Einsichten gewährt, dahingegen das heilige Buch keine Veränderung (Verminderung oder Vermehrung) statuiert, und für immer geschlossen zu sein behauptet. Auch findet die Klage der Juristen, dass es beinah vergeblich sei, eine genau bestimmte Norm der Rechtspflege (ius certum) zu hoffen, beim biblischen Theologen nicht statt. Denn dieser lässt sich den Anspruch nicht nehmen, dass seine Dogmatik nicht eine

solche klare und auf alle Fälle bestimmte Norm enthalte. Wenn überdem die juristischen Praktiker (Advokaten oder Justizkommissarien), die dem Klienten schlecht geraten und ihn dadurch in Schaden versetzt haben, darüber doch nicht verantwortlich sein wollen (ob consilium nemo tenetur), so nehmen es doch die theologischen Geschäftsmanner (Prediger und Seelsorger) ohne Be[[A 21>>denken auf sich und stehen dafür, nämlich dem Tone nach, dass alles so auch in der künftigen Welt werde abgeurteilt werden, als sie es in dieser abgeschlossen haben; obgleich, wenn sie aufgefordert würden, sich förmlich zu erklären, ob sie für die Wahrheit alles dessen, was sie auf biblische Autorität geglaubet wissen wollen, mit ihrer Seele Gewähr zu leisten sich getraueten, sie wahrscheinlicher Weise sich entschuldigen würden. Gleichwohl liegt es doch in der Natur der Grundsätze dieser Volkslehrer, die Richtigkeit ihrer Versicherung keinesweges bezweifeln zu lassen, welches sie freilich um desto sicherer tun können, weil sie in diesem Leben keine Widerlegung derselben durch Erfahrung befürchten dürfen. C. EIGENTÜMLICHKEIT DER MEDIZINISCHEN FAKULTÄT Der Arzt ist ein Künstler, der doch, weil seine Kunst von der Natur unmittelbar entlehnt und um deswillen von einer Wissenschaft der Natur abgeleitet werden muss, als Gelehrter irgend einer Fakultät untergeordnet ist, bei der er seine Schule gemacht haben und deren Beurteilung er unterworfen bleiben muss. – Weil aber die Regierung an der Art, wie [[A 22>> er die Gesundheit des Volks behandelt, notwendig grosses Interesse nimmt: so ist sie berechtigt, durch eine Versammlung ausgewählter Geschäftsleute dieser Fakultät (praktischer Ärzte) über das öffentliche Verfahren der Ärzte durch ein O b e r s a n i t ä t s k o l l e g i u m und Medizinalverordnungen Aufsicht zu haben. Die letzteren aber bestehen, wegen der besondern Beschaffenheit dieser Fakultät, dass sie nämlich ihre Verhaltungsregeln nicht, wie die vorigen zwei obern, von Befehlen eines Oberen, sondern aus der Natur der Dinge selbst hernehmen muss – weshalb ihre Lehren auch ursprünglich der philosophischen Fakultät, im weitesten Verstande genommen, angehören müssten –, nicht so wohl in dem, was die Ärzte tun, als was sie unterlassen sollen: nämlich e r s t l i c h, dass es fürs Publikum überhaupt Ärzte, z w e i t e n s, dass es keine Afterärzte gebe (kein ius impune occidendi, nach dem Grundsatz: fiat experimentum in corpore vili). Da nun die Regierung nach dem ersten Prinzip für d i e ö f f e n t l i c h e B e q u e m l i c h k e i t, nach dem zweiten für die ö f f e n t l i c h e S i c h e r h e i t (in der Gesundheitsangelegenheit des Volks) sorgt, diese zwei Stücke aber eine Polizei ausmachen, so [[A 23>> wird alle Medizinalordnung eigentlich nur die m e d i z i n i s c h e P o l i z e i betreffen. Diese Fakultät ist also viel freier als die beiden ersten unter den obern, und der philosophischen sehr nahe verwandt; ja was die Lehren derselben betrifft, wodurch Ärzte g e b i l d e t werden, gänzlich frei, weil es für sie keine durch höchste Autorität sanktionierte, sondern nur aus der Natur geschöpfte Bücher geben kann, auch keine eigentlichen Gesetze (wenn man darunter den unveränderlichen Willen des Gesetzgebers versteht), sondern nur Verordnungen (E d i k t e), welche zu kennen nicht Gelehrsamkeit ist, als zu der ein systematischer Inbegriff von Lehren erfordert wird, den zwar die Fakultät besitzt, welchen aber (als in keinem G e s e t z b u c h enthalten) die Regierung zu sanktionieren nicht Befugnis hat, sondern jener überlassen muss, indessen sie, durch Dispensatorien und Lazarettanstalten, den Geschäftsleuten derselben ihre Praxis im öffentlichen Gebrauch nur zu befördern bedacht ist. – Diese Geschäftsmänner (die Ärzte) aber bleiben in Fällen, welche, als die medizinische Polizei betreffend, die Regierung interessieren, dem Urteile ihrer Fakultät unterworfen. [[A 24>> ZWEITER ABSCHNITT BEGRIFF UND EINTEILUNG DER UNTERN FAKULTÄT

Man kann die untere Fakultät diejenige Klasse der Universität nennen, die, oder so fern sie, sich nur mit Lehren beschäftigt, welche nicht auf den Befehl eines Oberen zur Richtschnur angenommen werden. Nun kann es zwar geschehen, dass man eine praktische Lehre aus Gehorsam befolgt, sie aber darum, weil es befohlen ist (de par le Roi), für wahr anzunehmen, ist nicht allein objektiv (als ein Urteil, das nicht sein s o l l t e), sondern auch subjektiv (als ein solches, welches kein Mensch fallen k a n n) schlechterdings unmöglich. Denn der irren will, wie er sagt, irrt wirklich nicht, und nimmt das falsche Urteil nicht in der Tat für wahr an, sondern gibt nur ein Fürwahrhalten fälschlich vor, das in ihm doch nicht anzutreffen ist. – Wenn also von der W a h r h e i t gewisser Lehren, die in öffentlichen Vortrag gebracht werden sollen, die Rede ist, so kann sich der Lehrer desfalls nicht auf höchsten Befehl berufen, noch der [[A 25>> Lehrling vorgeben, sie auf Befehl geglaubt zu haben, sondern nur, wenn vom T u n geredet wird. Alsdenn aber muss er doch, dass ein solcher Befehl wirklich ergangen, imgleichen dass er ihm zu gehorchen verpflichtet oder wenigstens befugt sei, durch ein f r e i e s Urteil erkennen, widrigenfalls seine Annahme ein leeres Vorgeben und Lüge ist. – Nun nennt man das Vermögen, nach der Autonomie, d. i. frei (Prinzipien des Denkens überhaupt gemäss) zu urteilen, die Vernunft. Also wird die philosophische Fakultät, darum, weil sie für die W a h r h e i t der Lehren, die sie aufnehmen, oder auch nur einräumen soll, stehen muss, in so fern als frei und nur unter der Gesetzgebung der Vernunft, nicht der der Regierung stehend gedacht werden müssen. Auf einer Universität muss aber auch ein solches Departement gestiftet, d. i. es muss eine philosophische Fakultät sein. In Ansehung der drei obern dient sie dazu, sie zu kontrollieren und ihnen eben dadurch nützlich zu werden, weil auf W a h r h e i t (der wesentlichen und ersten Bedingung1 der Gelehrsamkeit überhaupt) alles ankommt; die N ü t z l i c h k e i t aber, welche die oberen Fakultäten zum Behuf der Regierung [[A 26>> versprechen, nur ein Moment vom zweiten Range ist. – Auch kann man allenfalls der theologischen Fakultät den stolzen Anspruch, dass die philosophische ihre Magd sei, einräumen (wobei doch noch immer die Frage bleibt: ob diese ihrer gnädigen Frau d i e F a c k e l v o r t r ä g t oder d i e S c h l e p p e n a c h t r ä g t); wenn man sie nur nicht verjagt, oder ihr den Mund zubindet; denn eben diese Anspruchlosigkeit, bloss frei zu sein, aber auch frei zu lassen, bloss die Wahrheit, zum Vorteil jeder Wissenschaft, auszumitteln und sie zum beliebigen Gebrauch der oberen Fakultäten hinzustellen, muss sie der Regierung selbst als unverdächtig ja als unentbehrlich empfehlen. Die philosophische Fakultät enthält nun zwei Departemente, das eine der h i s t o r i s c h e n E r k e n n t n i s (wozu Geschichte, Erdbeschreibung, gelehrte Sprachkenntnis, Humanistik mit allem gehört, was die Naturkunde von empirischem Erkenntnis darbietet); das andere der r e i n e n V e r n u n f t e r k e n n t n i s s e (reinen Mathematik und der reinen Philosophie, Metaphysik der Natur und der Sitten) und beide Teile der Gelehrsamkeit in ihrer wechselseitigen Beziehung auf einander. Sie erstreckt sich eben darum auf alle Teile [[A 27>> des menschlichen Wissens (mithin auch historisch über die obern Fakultäten), nur dass sie nicht alle (nämlich die eigentümlichen Lehren oder Gebote der obern) zum Inhalte, sondern zum Gegenstande ihrer Prüfung und Kritik, in Absicht auf den Vorteil der Wissenschaften macht. Die philosophische Fakultät kann also alle Lehren in Anspruch nehmen, um ihre Wahrheit der Prüfung zu unterwerfen. Sie kann von der Regierung, ohne dass diese ihrer eigentlichen, wesentlichen Absicht zuwider handle, nicht mit einem Interdikt belegt werden und die obern Fakultäten müssen sich ihre Einwürfe und Zweifel, die sie öffentlich vorbringt, gefallen lassen, welches jene zwar allerdings lästig finden dürften, weil sie ohne solche Kritiker, in ihrem, unter welchem Titel es auch sei, einmal inne habenden Besitz ungestört ruhen und dabei noch despotisch hätten befehlen können. – Nur den Geschäftsleuten jener oberen Fakultät1 (den Geistlichen, Rechtsbeamten und Ärzten) kann es allerdings verwehrt 1 1

Akad.-Ausg.: „die wesentliche und erste Bedingung“. Akad.-Ausg.: „Facultäten”.

werden, dass sie den ihnen in Führung ihres respektiven Amts von der Regierung zum Vortrage anvertrauten Lehren nicht öffentlich widersprechen, und den Philosophen zu spie[[A 28>>len sich erkühnen; denn das kann nur den Fakultäten, nicht den von der Regierung bestellten Beamten erlaubt sein; wei1 diese ihr Wissen nur von jenen her haben. Die letztern nämlich, z. B. Prediger und Rechtsbeamte, wenn sie ihre Einwendungen und Zweifel gegen die geistliche oder weltliche Gesetzgebung ans Volk zu richten sich gelüsten liessen, würden es dadurch gegen die Regierung aufwiegeln; dagegen die Fakultäten sie nur gegen einander, als Gelehrte, richten, wovon das Volk praktischerweise keine Notiz nimmt, selbst wenn sie auch zu seiner Kenntnis gelangen, weil es sich selbst bescheidet, dass Vernünfteln nicht seine Sache sei, und sich daher verbunden fühlt, sich nur an dem zu halten, was ihm durch die dazu bestellte Beamte der Regierung verkündigt wird. – Diese Freiheit aber, die der untern Fakultät nicht geschmälert werden darf, hat den Erfolg, dass die obern Fakultäten (selbst besser belehrt) die Beamte immer mehr in das Gleis der Wahrheit bringen, welche dann, ihrerseits, auch über ihre Pflicht besser aufgeklärt, in der Abänderung des Vortrags keinen Anstoss finden werden; da er nur ein besseres Verständnis der Mittel zu eben demselben Zweck ist, welches, ohne [[A 29>> polemische und nur Unruhe erregende Angriffe auf bisher bestandene Lehrweisen, mit völliger Beibehaltung des Materialen derselben gar wohl geschehen kann. DRITTER ABSCHNITT VOM GESETZWIDRIGEN STREIT DER OBEREN FAKULTÄTEN MIT DER UNTEREN G e s e t z w i d r i g ist ein öffentlicher Streit der Meinungen, mithin ein gelehrter Streit, entweder der M a t e r i e wegen; wenn es gar nicht erlaubt wäre, über einen öffentlichen Satz zu s t r e i t e n, weil es gar nicht erlaubt ist, über ihn und seinen Gegensatz öffentlich zu urteilen; oder bloss der Form wegen; wenn die Art, wie er geführt wird, nicht in objektiven Gründen, die auf die Vernunft des Gegners gerichtet sind, sondern in subjektiven, sein Urteil durch N e i g u n g bestimmenden Bewegursachen besteht, um ihn durch List (wozu auch Bestechung gehört) oder Gewalt (Drohung) zur Einwilligung zu bringen. Nun wird der Streit der Fakultäten um den Einfluss aufs Volk geführt, und diesen Einfluss können sie [[A 30>> nur bekommen, so fern jede derselben das Volk glauben machen kann, dass sie das Heil desselben am besten zu befördern verstehe, dabei aber doch in der Art, wie sie dieses auszurichten gedenken, einander gerade entgegengesetzt sind. Das Volk aber setzt sein Heil zu oberst nicht in der Freiheit, sondern in seinen natürlichen Zwecken, also in diesen drei Stücken: nach dem Tode s e l i g, im Leben unter andern Mitmenschen des S e i n e n, durch öffentliche Gesetze gesichert, endlich des physischen Genusses des L e b e n s an sich selbst (d. i. der Gesundheit und langen Lebens) gewärtig zu sein. Die philosophische Fakultät aber, die sich auf alle diese Wünsche nur durch Vorschriften, die sie aus der Vernunft entlehnt, einlassen kann, mithin dem Prinzip der Freiheit anhänglich ist, halt sich nur an das, was der Mensch selbst hinzutun kann und soll: r e c h t s c h a f f e n zu leben, keinem U n r e c h t zu tun, sich mässig im Genusse und duldend in Krankheiten und dabei vornehmlich auf die Selbsthülfe der Natur rechnend zu verhalten; zu welchem allem es freilich nicht eben grosser Gelehrsamkeit bedarf, wobei man dieser aber auch grösstenteils entbehren kann, wenn [[A 31>> man nur seine Neigungen bändigen und seiner Vernunft das Regiment anvertrauen wollte, was aber, als Selbstbemühung, dem Volk gar nicht gelegen ist. Die drei obern Fakultäten werden nun vom Volk (das in obigen Lehren für seine Neigung zu geniessen und Abneigung, sich darum zu b e a r b e i t e n, schlechten Ernst 1 1

Akad.-Ausg.: „schlechten Ersatz”.

findet) aufgefordert, ihrerseits Propositionen zu tun, die annehmlicher sind: und da lauten die Ansprüche an die Gelehrten, wie folgt. – VWas ihr P h i l o s o p h e n da schwatzet, wusste ich längst von selbst; ich will aber von euch als Gelehrten wissen: wie, wenn ich auch r u c h l o s gelebt hätte, ich dennoch kurz vor dem Torschlusse mir ein Einlassbillett ins Himmelreich verschaffen, wie, wenn ich auch Unrecht habe, ich doch meinen Prozess gewinnen, und wie, wenn ich auch meine körperlichen Kräfte nach Herzenslust benutzt und m i s s b r a u c h t hätte, ich doch gesund bleiben und lange leben könne. Dafür habt ihr ja studiert, dass ihr mehr wissen müsst als unser einer (von euch Idioten genannt), der auf nichts weiter, als auf gesunden Verstand Anspruch macht. – Es ist aber hier, als ob das Volk zu dem Gelehrten, wie zum Wahrsager und Zauberer ginge, der mit [[A 32>> übernatürlichen Dingen Bescheid weiss; denn der Ungelehrte macht sich von einem Gelehrten, dem er etwas zumutet, gern übergrosse Begriffe. Daher ist es natürlicherweise vorauszusehen, dass, wenn sich jemand für einen solchen Wundermann auszugeben nur dreust genug ist, ihm das Volk zufallen und die Seite der philosophischen Fakultät mit Verachtung verlassen werde. Die Geschäftsleute der drei oberen Fakultäten sind aber jederzeit solche Wundermänner, wenn der philosophischen nicht erlaubt wird, ihnen öffentlich entgegen zu arbeiten, nicht um ihre Lehren zu stürzen, sondern nur der magischen Kraft, die ihnen und den damit verbundenen Observanzen das Publikum abergläubisch beilegt, zu widersprechen, als wenn sie1 bei einer passiven Übergebung an solche kunstreiche Führer sich alles2 Selbsttuns überhoben und mit grosser Gemächlichkeit durch sie zu Erreichung jener angelegenen Zwecke schon werde geleitet werden. Wenn die obern Fakultäten solche Grundsätze annehmen (welches freilich ihre Bestimmung nicht ist), so sind und bleiben sie ewig im Streit mit der unteren; dieser Streit aber ist auch g e s e t z w i d r i g, weil [[A 33>> sie die Übertretung der Gesetze nicht allein als kein Hindernis, sondern wohl gar als erwünschte Veranlassung ansehen, ihre grosse Kunst und Geschicklichkeit zu zeigen, alles wieder gut, ja noch besser zu machen, als es ohne dieselbe geschehen würde. Das Volk will g e l e i t e t, d. i. (in der Sprache der Demagogen) es will b e t r o g e n sein. Es will aber nicht von den Fakultätsgelehrten (denn deren Weisheit ist ihm zu hoch), sondern von den Geschäftsmännern derselben, die das Machwerk (savoir faire) verstehen, von den Geistlichen, Justizbeamten, Ärzten geleitet sein, die, als Praktiker, die vorteilhafteste Vermutung für sich haben; dadurch dann die Regierung, die nur durch sie aufs Volk wirken kann, selbst v e r l e i t e t wird, den Fakultäten eine Theorie aufzudringen, die nicht aus der reinen Einsicht der Gelehrten derselben entsprungen, sondern auf den Einfluss berechnet ist, den ihre Geschäftsmänner dadurch aufs Volk haben können, weil dieses natürlicherweise dem am meisten anhängt, wobei es am wenigsten nötig hat, sich selbst zu bemühen und sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen, und wo am besten die Pflichten mit den Neigungen in Verträg[[A 34>>lichkeit gebracht werden können; z. B. im theologischen Fache, dass buchstäblich „glauben“, ohne zu untersuchen (selbst ohne einmal recht zu verstehen) was geglaubt werden soll, für sich heilbringend sei und dass durch Begehung gewisser vorschriftmässigen Formalien unmittelbar Verbrechen können abgewaschen werden; oder im juristischen, dass die Befolgung des Gesetzes nach den Buchstaben der Untersuchung des Sinnes des Gesetzgebers überhebe. Hier ist nun ein wesentlicher nie beizulegender gesetzwidriger Streit zwischen den obern und der untern Fakultät, weil das Prinzip der Gesetzgebung für die erstere, welches man der Regierung unterlegt, eine von ihr autorisierte Gesetzlosigkeit selbst sein würde. – Denn, da N e i g u n g und überhaupt das, was jemand seiner P r i v a t a b s i c h t zuträglich findet, sich schlechterdings nicht zu einem Gesetze qualifiziert, mithin auch nicht, als ein solches, von den obern Fakultäten vorgetragen werden kann, so würde eine Regierung, welche dergleichen sanktionierte, indem sie wider die Vernunft selbst verstösst, jene obere Fakultäten 1 2

Akad.-Ausg.: „wenn es”. Akad.-Ausg.: „Führer alles”.

mit der philosophischen in einen Streit versetzen, der gar nicht geduldet werden kann, [[A 35>> indem er diese gänzlich vernichtet, welches freilich das kürzeste, aber auch (nach dem Ausdruck der Ärzte) ein in Todesgefahr bringendes h e r o i s c h e s Mittel ist, einen Streit zu Ende zu bringen. VIERTER ABSCHNITT VOM GESETZMÄSSIGEN STREIT DER OBEREN FAKULTÄTEN MIT DER UNTEREN Welcherlei Inhalts auch die Lehren immer sein mögen, deren öffentlichen Vortrag die Regierung durch ihre Sanktion den obern Fakultäten aufzulegen befugt sein mag, so können sie doch nur als Statute, die von ihrer Willkür ausgehen, und als menschliche Weisheit, die nicht unfehlbar ist, angenommen und verehrt werden. Weil indessen die Wahrheit derselben ihr durchaus nicht gleichgültig sein darf, in Ansehung welcher sie der Vernunft (deren Interesse die philosophische Fakultät zu besorgen hat) unterworfen bleiben müssen, dieses aber nur durch Verstattung völliger Freiheit einer öffentlichen Prüfung derselben möglich ist, so wird, weil willkür[[A 36>>liche, ob zwar höchsten Orts sanktionierte, Satzungen mit den durch die Vernunft als notwendig behaupteten Lehren nicht so von selbst immer zusammenstimmen dürften, erstlich zwischen den obern Fakultäten und der untern der Streit unvermeidlich, zweitens aber auch g e s e t z m ä s s i g sein, und dieses nicht bloss als Befugnis, sondern auch als Pflicht der letzteren, wenn gleich nicht die g a n z e Wahrheit öffentlich zu sagen, doch darauf bedacht zu sein, dass alles, was, so gesagt, als Grundsatz aufgestellt wird, wahr sei.

Wenn die Quelle gewisser sanktionierter Lehren h i s t o r i s c h ist, so mögen diese auch noch sehr1 als heilig dem unbedenklichen Gehorsam des Glaubens anempfohlen werden: die philosophische Fakultät ist berechtigt, ja verbunden, diesem Ursprunge mit kritischer Bedenklichkeit nachzuspüren. Ist sie r a t i o n a l, ob sie gleich im Tone einer historischen Erkenntnis (als Offenbarung) aufgestellt worden, so kann ihr (der untern Fakultät) nicht gewehrt werden, die Vernunftgründe der Gesetzgebung aus dem historischen Vortrage herauszusuchen, und überdem, ob sie technisch- oder moralisch-praktisch sind, zu würdigen. Wäre endlich der Quell der sich als [[A 37>> Gesetz ankündigenden Lehre gar nur ä s t h e t i s c h, d. i. auf ein mit einer Lehre verbundenes Gefühl gegründet (welches, da es kein objektives Prinzip abgibt, nur als subjektiv gültig, ein allgemeines Gesetz daraus zu machen untauglich, etwa frommes Gefühl eines übernatürlichen Einflusses sein würde), so muss es der philosophischen Fakultät frei stehen, den Ursprung und Gehalt eines solchen angeblichen Belehrungsgrundes mit kalter Vernunft öffentlich zu prüfen und zu würdigen, ungeschreckt durch die Heiligkeit des Gegenstandes, den man zu fühlen vorgibt, und entschlossen, dieses vermeinte Gefühl auf Begriff zu bringen. – Folgendes enthält die formale Grundsätze der Führung eines solchen Streits und die sich daraus ergebende Folgen. 1) Dieser Streit kann und soll nicht durch friedliche Ubereinkunft (amicabilis compositio) beigelegt werden, sondern bedarf (als Prozess) einer S e n t e n z, d, i. des rechtskräftigen Spruchs eines Richters (der Vernunft); denn es könnte nur durch Unlauterkeit, Verheimlichung der Ursachen des Zwistes und Beredung geschehen, dass er beigelegt würde, dergleichen Maxime aber dem Geiste einer p h i l o s o p h i[[A 38>>s c h e n Fakultät, als der auf öffentliche Darstellung der Wahrheit geht, ganz zuwider ist. 2) Er kann nie aufhören und die philosophische Fakultät ist diejenige, die dazu jederzeit gerüstet sein muss. Denn statutarische Vorschriften der Regierung in Ansehung der öffentlichen vorzutragenden1 Lehren werden immer sein müssen, weil die unbeschränkte Freiheit, alle seine Meinungen ins Publikum zu schreien, teils der Regierung, teils aber auch diesem Publikum selbst gefährlich werden müsste. Alle Satzungen der Regierung aber, weil sie von Menschen ausgehen, wenigstens von diesen sanktioniert werden, bleiben jederzeit der Gefahr des Irrtums oder der Zweckwidrigkeit unterworfen; mithin sind sie es auch in Ansehung der Sanktionen der Regierung, womit diese die obere Fakultäten versieht. Folglich 1 1

Akad.-Ausg.: „noch so sehr”. Akad.-Ausg: „öffentlich vorzutragenden”.

kann die philosophische Fakultät ihre Rüstung gegen die Gefahr, womit die Wahrheit, deren Schutz ihr aufgetragen ist, bedrohet wird, nie ablegen, weil die obere Fakultäten ihre Begierde zu herrschen nie ablegen werden. 3) Dieser Streit kann dem Ansehen der Regierung nie Abbruch tun. Denn er ist nicht ein Streit [[A 39>> der Fakultäten mit der Regierung, sondern einer Fakultät mit der andern, dem die Regierung ruhig zusehen kann; weil, ob sie zwar gewisse Sätze der obern in ihren besondern Schutz genommen hat, so fern sie solche der letzteren ihren Geschäftsleuten zum öffentlichen Vortrage vorschreibt, so hat sie doch nicht die Fakultäten, als gelehrte Gesellschaften, wegen der Wahrheit dieser ihrer öffentlich vorzutragenden Lehren, Meinungen und Behauptungen, sondern nur wegen ihres (der Regierung) eigenen Vorteils in Schutz genommen, weil es ihrer Würde nicht gemäss sein würde, über den innern Wahrheitsgehalt derselben zu entscheiden, und so selbst den Gelehrten zu spielen. – Die obere Fakultäten sind nämlich der Regierung für nichts weiter verantwortlich, als für die Instruktion und Belehrung, die sie ihren G e s c h ä f t s l e u t e n zum öffentlichen Vortrage geben; denn die laufen ins Publikum, als b ü r g e r l i c h e s gemeines Wesen, und sind daher, weil sie dem Einfluss der Regierung auf dieses Abbruch tun könnten, dieser ihrer Sanktion unterworfen. Dagegen gehen die Lehren und Meinungen, welche die Fakultäten unter dem Namen der Theoretiker unter einander [[A 40>> abzumachen haben, in eine andere Art von Publikum, nämlich in das eines gelehrten gemeinen Wesens, welches sich mit Wissenschaften beschäftigt; wovon das Volk sich selbst bescheidet, dass es nichts davon versteht, die Regierung aber mit gelehrten Handeln sich zu befassen für sich nicht anständig findet. * [[A 41>> Die Klasse der obern Fakultäten (als die rechte Seite des Parlaments der Gelahrtheit) verteidigt die Statute der Regierung, indessen dass es, in einer so freien Verfassung, als die sein muss, wo es um Wahrheit zu tun ist, auch eine Oppositionspartei (die linke Seite) geben muss, welche die Bank der philosophischen Fakultät ist, weil ohne deren strenge Prüfung und Einwürfe die Regierung von dem, was ihr selbst erspriesslich oder nachteilig sein dürfte, nicht hinreichend belehrt werden würde. – Wenn aber die Geschäftsleute der Fakultäten in Ansehung der für den öffentlichen Vortrag gegebenen Verordnung für ihren Kopf Änderungen machen wollten, so kann die Aufsicht der Regierung diese als N e u e r e r, welche ihr gefährlich werden könnten, in Anspruch [[A 42>> nehmen und doch gleichwohl über sie nicht unmittelbar, sondern nur nach dem von der obern Fakultät eingezogenen alleruntertänigsten Gutachten absprechen, weil diese Geschäftsleute nur d u r c h d i e F a k u l t ä t von der Regierung zu dem Vortrage gewisser Lehren haben angewiesen werden können. 4) Dieser Streit kann sehr wohl mit der Eintracht des gelehrten und bürgerlichen gemeinen Wesens in Maximen zusammen bestehen, deren Befolgung einen beständigen Fortschritt beider Klassen von Fakultäten zu grösserer Vollkommenheit bewirken muss, und endlich zur Entlassung von allen Einschränkungen der Freiheit des öffentlichen Urteils durch die Willkür der Regierung vorbereitet. *

Dagegen, wenn der Streit vor dem bürgerlichen gemeinen Wesen (öffentlich z. B. auf Kanzeln) geführt würde, wie es die Geschäftsleute (unter dem Namen der Praktiker) gern versuchen, so wird er unbefugterweise für den Richterstuhl des Volks (dem in Sachen der Gelehrsamkeit gar kein Urteil zusteht) gezogen und hört auf, ein gelehrter Streit zu sein; da dann jener Zustand des gesetzwidrigen Streits, wovon oben Erwähnung geschehen, eintritt, wo Lehren, den Neigungen des Volks angemessen vorgetragen werden und der Same des Aufruhrs und der Faktionen ausgestreut, die Regierung aber dadurch in Gefahr gebracht wird. Diese eigenmächtig sich selbst dazu aufwerfende Volkstribunen treten so fern aus dem Gelehrtenstande, greifen in die Rechte der bürgerlichen Verfassung (Welthandel) ein und sind eigentlich die N e o l o g e n, deren mit Recht verhasster Name aber sehr missverstanden wird, wenn er jede Urheber einer Neuigkeit in Lehren und Lehrformen trifft. (Denn warum sollte das Alte eben immer das Bessere sein.) Dagegen diejenige eigent[[Anm. A 41>>lich damit gebrandmarkt zu werden verdienen, welche eine ganz andere Regierungsform oder vielmehr eine Regierungslosigkeit (Anarchie) einführen, indem sie das, was eine Sache der Gelehrsamkeit ist, der Stimme des Volks zur Entscheidung übergeben, dessen Urteil sie durch Einfluss auf seine Gewohnheiten, Gefühle und Neigungen nach Belieben lenken und so einer gesetzmässigen Regierung den Einfluss abgewinnen können.

Auf diese Weise könnte es wohl dereinst dahin kommen, dass die Letzten die Ersten (die untere Fakultät die obere) würden, zwar nicht in der Machthabung, aber doch in Beratung des Machthabenden (der Regierung), als welche in der Freiheit der philosophischen Fakultät und der ihr daraus erwachsenden Einsicht, besser als in ihrer eigenen absoluten Autorität, Mittel zu Erreichung ihrer Zwecke antreffen würde. [[A 43>> RESULTAT Dieser Antagonism, d. i. S t r e i t zweier mit einander zu einem gemeinschaftlichen Endzweck vereinigter Parteien (concordia discors, discordia concors), ist also kein K r i e g, d.i. keine Zwietracht aus der Entgegensetzung der Endabsichten in Ansehung des gelehrten M e i n und D e i n, welches, so wie das politische, aus F r e i h e i t und E i g e n t u m besteht, wo jene, als Bedingung, notwendig vor diesem vorhergehen muss; folglich den oberen Fakultäten kein Recht verstattet werden kann, ohne dass es der unteren zugleich erlaubt bleibe, ihre Bedenklichkeit über dasselbe an das gelehrte Publikum zu bringen. [[A 44>> ANHANG EINER ERLÄUTERUNG DES STREITS DER FAKULTÄTEN DURCH DAS BEISPIEL DESJENIGEN ZWISCHEN DER THEOLOGISCHEN UND PHILOSOPHISCHEN I. MATERIE DES STREITS Der biblische Theolog ist eigentlich der S c h r i f t g e l e h r t e für den K i r c h e n g l a u b e n, der auf Statuten, d. i. auf Gesetzen beruht, die aus der Willkür eines andern ausfliessen, dagegen ist der rationale der V e r n u n f t g e l e h r t e für den R e l i g i o n s g l a u b e n, folglich denjenigen, der auf innern Gesetzen beruht, die sich aus jedes Menschen eigener Vernunft entwickeln lassen. Dass dieses so sei, d. i. dass Religion nie auf Satzungen (so hohen Ursprungs sie immer sein mögen) gegründet werden könne, erhellet selbst aus dem Begriffe der Religion. Nicht der Inbegriff gewisser Lehren als göttlicher Offenbarungen (denn der heisst Theologie), sondern der aller unserer [[A 45>> Pflichten überhaupt als göttlicher G e b o t e (und subjektiv der Maxime, sie als solche zu befolgen) ist Religion. Religion unterscheidet sich nicht der Materie, d. i. dem Objekt nach in irgend einem Stücke von der Moral, denn sie geht auf Pflichten überhaupt, sondern ihr Unterschied von dieser ist bloss formal, d. i. eine Gesetzgebung der Vernunft, um der Moral durch die aus dieser selbst erzeugten1 Idee von Gott auf den menschlichen Willen zu Erfüllung aller seiner Pflichten Einfluss zu geben. Darum ist sie aber auch nur eine einzige und es gibt nicht verschiedene Religionen, aber wohl verschiedene Glaubensarten an göttliche Offenbarung und deren statutarische Lehren, die nicht aus der Vernunft entspringen können, d. i. verschiedene Formen der sinnlichen Vorstellungsart des göttlichen Willens, um ihm Einfluss auf die Gemüter zu verschaffen, unter denen das Christentum, so viel wir wissen, die schicklichste Form ist. Dies findet sich nun in der Bibel aus zwei ungleichartigen Stücken zusammengesetzt, dem einen, welches den Kanon, dem andern, was das Organon oder Vehikel der Religion enthält, wovon der erste der reine Religionsglaube (ohne Statuten auf blosser Vernunft gegründet), der [[A 46>> andere der K i r c h e n g l a u b e, der ganz auf Statuten beruht, genannt werden kann, die einer Offenbarung bedurften, svenn sie für heilige Lehre und Lebensvorschriften gelten sollten. – Da aber auch dieses Leitzeug zu jenem Zweck zu gebrauchen Pflicht ist, wenn es für göttliche Offenbarung angenommen werden darf, so lässt sich daraus erklären, warum der sich auf Schrift gründende Kirchenglaube bei Nennung des Religionsglaubens gemeiniglich mit verstanden wird. 1

Akad.-Ausg.: „erzeugte”.

Der biblische Theolog sagt: suchet in der Schrift, wo ihr meinet das ewige Leben zu finden, Dieses aber, weil die Bedingung desselben keine andere als die moralische Besserung des Menschen ist, kann kein Mensch in irgend einer Schrift finden, als wenn er sie hineinlegt, weil die dazu erforderlichen Begriffe und Grundsätze eigentlich nicht von irgend einem andern gelernt, sondern nur bei Veranlassung eines Vortrages aus der eigenen Vernunft des Lehrers entwickelt werden müssen. Die Schrift aber enthält noch mehr, als was an sich selbst zum ewigen Leben erforderlich ist, was nämlich zum Geschichtsglauben gehört und in Ansehung des Religionsglaubens als blosses sinnliches Vehikel zwar (für diese oder jene Person, für [[A 47>> dieses oder jenes Zeitalter) zuträglich sein kann, aber nicht notwendig dazu gehöret. Die biblisch-theologische Fakultät dringt nun darauf als göttliche Offenbarung in gleichem Masse, als wenn der Glaube desselben zur Religion gehörte. Die philosophische aber widerstreitet jener in Ansehung dieser Vermengung und dessen, was jene über die eigentliche Religion Wahres in sich enthält. Zu diesem Vehikel (d. i. dem, was über die Religionslehre noch hinzukommt) gehört auch noch die L e h r m e t h o d e; die man als den Aposteln selbst überlassen, und nicht als göttliche Offenbarung betrachten darf, sondern beziehungsweise auf die Denkungsart der damaligen Zeiten (χατ ανϑρωπον) und nicht als Lehrstücke an sich selbst (χατ αληϑειαν) geltend annehmen kann, und zwar entweder negativ als blosse Zulassung gewisser damals herrschender an sich irriger Meinungen, um nicht gegen einen herrschenden, doch im wesentlichen gegen die Religion nicht streitenden damaligen Wahn zu verstossen (z. B. das von den Besessenen), oder auch positiv, um sich der Vorliebe eines Volks für ihren alten Kirchenglauben, der jetzt ein Ende haben sollte, zu bedienen, um den neuen [[A 48>> zu introduzieren. (Z. B. die Deutung der Geschichte des alten Bundes als Vorbilder von dem, was im neuen geschah, welche als Judaism, wenn sie irrigerweise in die Glaubenslehre als ein Stück derselben aufgenommen wird, uns wohl den Seufzer ablocken kann: nunc istae reliquiae nos exercent.1 Cicero.) Um deswillen ist eine Schriftgelehrsamkeit des Christentums manchen Schwierigkeiten der Auslegungskunst unterworfen, über die und deren Prinzip die obere Fakultät (der biblische Theolog) mit der unteren in Streit geraten muss, indem die erstere, als für die theoretische biblische Erkenntnis vorzüglich besorgt, die letztere in Verdacht zieht, alle Lehren, die als eigentliche Offenbarungslehren und also buchstäblich angenommen werden müssten, wegzuphilosophieren und ihnen einen beliebigen Sinn unterzuschieben, diese aber, als mehr aufs Praktische, d. i. mehr auf Religion als auf Kirchenglauben sehend, umgekehrt jene beschuldigt, durch solche Mittel den Endzweck, der als innere Religion moralisch sein muss und auf der Vernunft beruht, ganz aus den Augen zu bringen. Daher die letztere, welche die Wahrheit zum Zweck hat, mithin die Philosophie, im Falle des Streits über den Sinn [[A 49>> einer Schriftstelle, sich das Vorrecht anmasst, ihn zu bestimmen. Folgendes sind die philosophischen Grundsätze der Schriftauslegerei, wodurch nicht verstanden werden will, dass die Auslegung philosophisch (zur Erweiterung der Philosophie abzielt), sondern dass bloss die G r u n d s ä t z e der Auslegung so beschaffen sein müssen; weil alle Grundsätze, sie mögen nun eine historisch- oder grammatisch-kritische Auslegung betreffen, jederzeit, hier aber besonders, weil, was aus Schriftstellen für die Religion (die bloss ein Gegenstand der Vernunft sein kann) auszumitteln sei, auch 1 von der Vernunft diktiert werden müssen. II. PHILOSOPHISCHE GRUNDSÄTZE DER SCHRIFTAUSLEGUNG ZU BEILEGUNG DES STREITS 1

1

Übersetzung des Herausgebers: „ jetzt machen uns jene Reste zu schaffen.“

’Akad.-Ausg. erwägt: „weil, was aus Schriftstellen für die Religion auszumitteln sei, blos ein Gegenstand der Vernunft sein kann, auch“.

I. Schriftstellen, welche gewisse t h e o r e t i s c h e r heilig angekündigte aber allen (selbst den moralischen) Vernunftbegriff ü b e r s t e i g e n d e Lehren enthalten, dürfen, diejenige aber, welche der praktischen Vernunft widersprechende Sätze enthalten, m ü s s e n zum [[A 50>> Vorteil der letzteren ausgelegt werden. – Folgendes enthält hiezu einige Beispiele.

a) Aus der Dreieinigkeitslehre, nach den Buchstaben genommen, lässt sich schlechterdings n i c h t s f ü r s P r a k t i s c h e m a c h e n, wenn man sie gleich zu verstehen glaubte, noch weniger aber, wenn man inne wird, dass sie gar alle unsere Begriffe übersteigt. - Ob wir in der Gottheit drei oder zehn Personen zu verehren haben, wird der Lehrling mit gleicher Leichtigkeit aufs Wort annehmen, weil er von einem Gott in mehreren Personen (Hypostasen) gar keinen Begriff hat, noch mehr aber, weil er aus dieser Verschiedenheit für seinen Lebenswandel gar keine verschiedene Regeln ziehen kann. Dagegen wenn man in Glaubenssätzen einen moralischen Sinn hereinträgt (wie ich es: R e l i g i o n i n n e r h a l b d e n G r e n z e n etc. versucht habe), er nicht einen folgeleeren, sondern auf unsere moralische Bestimmung bezogenen verständlichen Glauben enthalten würde. Eben so ist es mit der Lehre der Menschwerdung einer Person der Gottheit bewandt. Denn wenn dieser Gottmensch nicht als die in Gott von Ewigkeit her liegende Idee der Menschheit in ihrer ganzen ihm wohlgefälligen mora[[A 51>>lischen Vollkommenheit* (Ebendasselbe S.)1, sondern als die in einem wirklichen Menschen „leibhaftig wohnende“ und als zweite Natur in ihm wirkende Gottheit vorgestellt wird: so ist aus diesem Geheimnisse gar nichts Praktisches für uns zu machen, weil wir [[A 52>> doch von uns nicht verlangen können, dass wir es einem Gotte gleich tun sollen, er also in so fern kein Beispiel für uns werden kann, ohne noch die Schwierigkeit in Anregung zu bringen, warum, wenn solche Vereinigung einmal möglich ist, die Gottheit nicht alle Menschen derselben hat teilhaftig werden lassen, welche alsdenn unausbleiblich ihm alle wohlgefällig geworden wären. – Ein Ähnliches kann von der Auferstehungs- und Himmelfahrtsgeschichte eben desselben gesagt werden. Ob wir künftig bloss der Seele nach leben, oder ob dieselbe Materie, daraus unser Körper hier bestand, zur Identität unserer Person in der andern Welt erforderlich, die Seele also keine besondere Substanz sei, unser Körper selbst müsse auferweckt werden, das kann uns in praktischer Absicht ganz gleichgültig sein; denn wem ist wohl sein Körper so lieb, dass er ihn gern in Ewigkeit mit sich schleppen möchte, wenn er seiner entübrigt sein kann. Des Apostels Schluss also „ist Christus nicht auferstanden (dem Körper nach lebendig geworden), so werden wir auch nicht auferstehen (nach dem Tode gar nicht mehr leben)“ ist nicht bündig. Er mag es aber auch nicht sein [[A 53>> (denn dem Argumentieren wird man doch nicht auch eine Inspiration zum Grunde legen), so hat er doch hiemit nur sagen wollen, dass wir Ursache haben zu glauben, Christus lebe noch und unser Glaube sei eitel, wenn selbst ein so vollkommner Mensch nicht nach dem (leiblichen) Tode leben sollte, welcher Glaube, den ihm (wie allen Menschen) die Vernunft eingab, ihn zum historischen Glauben an eine öffentliche Sache bewog, die er treuherzig für wahr annahm und sie zum Beweisgrunde eines moralischen Glaubens des künftigen Lebens brauchte, ohne inne zu werden, dass er selbst dieser Sage ohne den letzteren schwerlich würde Glauben beigemessen haben. Die moralische Absicht wurde hiebei erreicht, wenn gleich die Vorstellungsart das Merkmal der *

Die Schwärmerei des P o s t e l l u s in Venedig über diesen Punkt im 16ten Jahrhundert ist von so originaler Art, und dient so gut zum Beispiel, in welche Verirrungen, und zwar m i t V e r n u n f t zu rasen, man geraten kann, wenn man die Versinnlichung einer reinen Vernunftidee in die Vorstellung eines Gegenstandes der Sinne verwandelt. Denn, wenn unter jener Idee nicht das Abstraktum der Menschheit, sondern ein Mensch verstanden wird, so muss dieser von irgend einem Geschlecht sein. Ist dieser von Gott gezeugte männlichen Geschlechts (ein Sohn), hat die Schwachheit der Menschen getragen und ihre Schuld auf sich genommen, so sind die Schwachheiten so wohl als die Übertretungen des anderen Geschlechts doch von denen des männlichen spezifisch unterschieden und man wird, nicht ohne Grund, versucht anzunehmen, dass dieses auch seine besondere Stellvertreterin (gleichsam eine göttliche Tochter) als Versöhnerin werde bekommen haben; und diese glaubte Postell in der Person einer frommen Jungfrau in Venedig gefunden zu haben. 1

Akad.-Ausg.: „(ebendaselbst S.73 f.)”.

Schulbegriffe an sich trug, in denen er war erzogen worden. – Übrigens stehen jener Sache wichtige Einwürfe: die1 Einsetzung des Abendmahls (einer traurigen Unterhaltung), zum Andenken an ihn, sieht einem förmlichen Abschied (nicht bloss aufs baldige Wiedersehen) ähnlich. Die klagende Worte am Kreuz drücken eine fehlgeschlagene Absicht aus (die Juden noch bei seinem Leben zur wahren Religion zu bringen), da doch [[A 54>> eher das Frohsein über eine vollzogne Absicht hätte erwartet werden sollen. Endlich der Ausdruck der Jünger bei dem Lukas: „wir dachten er solle Israel erlösen“ lässt auch nicht abnehmen, dass sie an1 ein in drei Tagen erwartetes Wiedersehen vorbereitet waren, noch weniger, dass ihnen von seiner Auferstehung etwas zu Ohren gekommen sei. – Aber warum sollten wir wegen einer Geschichtserzählung, die wir immer an ihren Ort (unter die Adiaphora) gestellt sein lassen sollen, uns in so viel gelehrte Untersuchungen und Streitigkeiten verflechten, wenn es um Religion zu tun ist, zu welcher der Glaube in praktischer Beziehung, den die Vernunft uns einflösst, schon für sich hinreichend ist. b) In der Auslegung der Schriftstellen, in welchen der Ausdruck unserm Vernunftbegriff von der göttlichen Natur und seinem Willen widerstreitet, haben biblische Theologen sich längst zur Regel gemacht, dass, was menschlicherweise (ανϑρωποπαϑϖς) ausgedrückt ist, nach einem gottwürdigen Sinne (ϑεοπρεπϖς) müsse ausgelegt werden; wodurch sie dann ganz deutlich das Bekenntnis ablegten, die Vernunft sei in Religionssachen die oberste Auslegerin der Schrift. – [[A 55>> Dass aber selbst, wenn man dem heil. Schriftsteller keinen andern Sinn, den er wirklich mit seinen Ausdrücken verband, unterlegen kann, als einen solchen, der mit unserer Vernunft gar in Widerspruche steht, die Vernunft sich doch berechtigt fühle, seine Schriftstelle so auszulegen, wie sie es ihren Grundsätzen gemäss findet, und nicht dem Buchstaben nach auslegen solle, wenn sie jenen nicht gar eines Irrtums beschuldigen will, das scheint ganz und gar wider die oberste Regeln der Interpretation zu verstossen, und gleichwohl ist es noch immer mit Beifall von den belobtesten Gottesgelehrten geschehen. – So ist es mit St. Paulus’ Lehre von der Gnadenwahl gegangen, aus welcher aufs deutlichste erhellet, dass seine Privatmeinung die Prädestination im strengsten Sinne des Worts gewesen sein muss, welche darum auch von einer grossen protestantischen Kirche in ihren Glauben aufgenommen worden, in der Folge aber von einem grossen Teil derselben wieder verlassen, oder so gut wie man könnte anders gedeutet worden ist, weil die Vernunft sie mit der Lehre von der Freiheit, der Zurechnung der Handlungen und so mit der ganzen Moral unvereinbar findet. – Auch wo der Schriftglaube in [[A 56>> keinen Verstoss gewisser Lehren wider sittliche Grundsätze, sondern nur wider die Vernunftmaxime in Beurteilung physischer Erscheinungen gerät, haben Schriftausleger mit fast allgemeinem Beifall manche biblische Geschichtserzählungen, z. B. von den Besessenen (dämonischen Leuten), ob sie zwar in demselhen historischen Tone, wie die übrige heil; Geschichte in der Schrift vorgetragen worden und fast nicht zu zweifeln ist, dass ihre Schriftsteller sie buchstäblich für wahr gehalten haben, doch so ausgelegt, dass die Vernunft dabei bestehen könnte (um nicht allem Aberglauben und Betrug freien Eingang zu verschaffen), ohne dass man ihnen diese Befugnis bestritten hat. II. Der Glaube an Schriftlehren, die eigentlich haben offenbart werden müssen, wenn sie haben gekannt werden sollen, hat an sich kein V e r d i e n s t und der Mangel desselben, ja so gar der ihm entgegenstehende Zweifel ist an sich keine V e r s c h u l d u n g, sondern alles kommt in der Religion aufs Tun an und diese Endabsicht mithin auch ein dieser gemässer Sinn muss allen biblischen Glaubenslehren untergelegt werden. [[A 57>> Unter Glaubenssätzen versteht man nicht, was geglaubt werden soll (denn das Glauben verstattet keinen Imperativ), sondern das, was in praktischer (moralischer) Absicht anzunehmen möglich und zweckmässig, obgleich nicht eben erweislich ist, mithin nur geglaubt werden kann. Nehme ich das Glauben ohne diese moralische Rücksicht bloss in 1 1

Akad.-Ausg.: „Einwürfe entgegen: die“. Akad.-Ausg.: „sie auf”.

der Bedeutung eines theoretischen Fürwahrhaltens, z. B. dessen was sich auf dem Zeugnis anderer geschichtmässig gründet, oder auch weil ich mir gewisse gegebene Erscheinungen nicht anders als unter dieser oder jener Voraussetzung erklären kann, zu einem Prinzip an, so ist ein solcher Glaube, weil er weder einen besseren Menschen macht noch einen solchen beweiset, gar kein Stück der Religion; ward er aber nur als durch Furcht und Hoffnung aufgedrungen in der Seele erkünstelt, so ist er der Aufrichtigkeit, mithin auch der Religion zuwider. – Lauten also Spruchstellen so, als ob sie das Glauben einer Offenbarungslehre nicht allein als an sich verdienstlich ansahen, sondern wohl gar über moralisch-gute Werke erhoben, so müssen sie so ausgelegt werden, als ob nur der moralische die Seele durch Vernunft bessernde und erhebende Glaube dadurch gemeint sei; [[A 58>> gesetzt auch der buchstäbliche Sinn, z. B. wer da glaubet und getaufet wird, wird selig etc., lautete dieser Auslegung zuwider. Der Zweifel über jene statutarische Dogmen und ihre Authentizität kann also eine moralisehe wohlgesinnte Seele nicht beunruhigen. – Eben dieselben Sätze können gleichwohl als wesentliche Erfordernisse zum V o r t r a g eines gewissen K i r c h e n g l a u b e n s angesehen werden, der aber, weil er nur Vehikel des Religionsglaubens, mithin an sich veränderlich ist und einer allmählichen Reinigung bis zur Kongruenz mit dem letzteren fähig bleiben muss, nicht zum Glaubensartikel selbst gemacht, ob zwar doch auch in Kirchen nicht öffentlich angegriffen oder auch mit trockenem Fuss übergangen werden darf, weil er unter der Gewahrsame der Regierung steht, die für öffentliche Eintracht und Frieden Sorge trägt, indessen dass es des Lehrers Sache ist, davor zu warnen, ihm nicht eine für sich besteliende Heiligkeit beizulegen, sondern ohne Verzug zu dem dadurch eingeleiteten Religionsglauben überzugehen. III. Das Tun muss als aus des Menschen eigenem Gebrauch seiner moralischen Kräfte entspringend, und nicht als Wirkung vom Einfluss einer äusseren [[A 59>> höheren wirkenden Ursache, in Ansehung deren der Mensch sich leidend verhielte, vorgestellt werden; die Auslegung der Schriftstellen, welche buchstäblich das letztere zu enthalten scheinen, muss also auf die Übereinstimmung mit dem ersteren Grundsätze absichtlich gerichtet werden. Wenn unter Natur das im Menschen herrschende Prinzip der Beförderung seiner G l ü c k s e l i g k e i t, unter Gnade aber die in uns liegende unbegreifliche moralische Anlage, d. i. das Prinzip der r e i n e n S i t t l i c h k e i t verstanden wird, so sind Natur und Gnade nicht allein von einander unterschieden, sondern auch oft gegen einander in Widerstreit. Wird aber unter Natur (in praktischer Bedeutung) das Vermögen, aus eigenen Kräften überhaupt gewisse Zwecke auszurichten, verstanden, so ist Gnade nichts anders als Natur des Menschen, so fern er durch sein eigenes inneres aber übersinnliches Prinzip (die Vorstellung seiner Pflicht) zu Handlungen bestimmt wird, welches, weil wir uns es erklären wollen, gleichwohl aber weiter keinen Grund davon wissen, von uns als von der Gottheit in uns gewirkter Antrieb zum Guten, dazu wir die Anlage in uns nicht [[A 60>> selbst gegründet haben, mithin als Gnade vorgestellt wird. – Die Sünde nämlich (die Bösartigkeit in der menschlichen Natur) hat das Strafgesetz (gleich als für Knechte) notwendig gemacht, die Gnade aber (d. i. die durch den Glauben an die ursprüngliche Anlage zum Guten in uns und die durch das Beispiel der Gott wohlgefälligen Menschheit an dem Sohne Gottes lebendig werdende Hoffnung der Entwickelung dieses Guten) kann und soll in uns (als Freien) noch mächtiger werden, wenn wir sie nur in uns wirken, d. h. die Gesinnungen eines jenem heil. Beispiel ähnlichen Lebenswandels tätig werden lassen. – Die Schriftstellen also, die eine bloss passive Ergebung an eine äussere in uns Heiligkeit wirkende Macht zu enthalten scheinen, müssen so ausgelegt werden, dass daraus erhelle, wir müssen an der Entwickelung jener moralischen Anlage in uns s e l b s t a r b e i t e n, ob sie zwar selber eine Göttlichkeit eines Ursprungs beweiset, der höher ist als alle Vernunft (in der theoretischen Nachforschung der Ursache), und daher, sie besitzen, nicht Verdienst sondern Gnade ist. IV. Wo das eigene Tun zur Rechtfertigung des Menschen vor seinem eigenen (strenge richtenden), [[A 61>> Gewissen nicht zulangt, da ist die Vernunft befugt, allenfalls eine

übernatürliche Ergänzung seiner mangelhaften Gerechtigkeit (auch ohne dass sie bestimmen darf, worin sie bestehe) gläubig anzunehmen. Diese Befugnis ist für sich selbst klar; denn was der Mensch nach seiner Bestimmung sein soll (nämlich dem heil. Gesetz angemessen), das muss er auch werden können und ist es nicht durch eigene Krafte natürlicherweise möglich, so darf er hoffen, dass es durch äussere göttliche Mitwirkung (auf welche Art es auch sei) geschehen werde. – Man kann noch hinzusetzen, dass der Glaube an diese Ergänzung seligmachend sei, weil er dadurch allein zum gottwohlgeäalligen Lebenswandel (als der einzigen Bedingung der Hoffnung der Seligkeit) Mut und feste Gesinnung fassen kann, dass er am Gelingen seiner Endabsicht (Gott wohlgefällig zu werden) nicht verzweifelt. – Dass er aber wissen und bestimmt müsse angeben können, w o r i n das Mittel dieses Ersatzes (welches am Ende doch überschwenglich, und bei allem, was uns Gott darüber selbst sagen möchte, für uns unbegreiflich ist) bestehe, das ist eben nicht notwendig, ja, auf diese Kenntnis auch nur Anspruch zu machen, Ver[[A 62>>messenheit. – Die Schriftstellen also, die eine solche spezifische Offenbarung zu enthalten scheinen, müssen so ausgelegt werden, dass sie nur das Vehikel jenes moralischen Glaubens für ein Volk nach dessen bisher bei ihm im Schwang gewesenen Glaubenslehren betreffen und nicht Religionsglauben (für alle Menschen), mithin bloss den Kirchenglauben (z. B. für Judenchristen) angehen, welcher historischer Beweise bedarf, deren nicht jedermann teilhaftig werden kann; statt dessen Religion (als auf moralische Begriffe gegründet) für sich vollständig und zweifelsfrei sein muss. *** Aber selbst wider die Idee einer philosophischen Schriftauslegung höre ich die vereinigte Stimme der biblischen Theologen sich erheben: sie hat, sagt man, erstlich eine naturalistische Religion und nicht Christentum zur Absicht. A n t w o r t: das Christentum ist die Idee von der Religion, die überhaupt auf Vernunft gegründet, und so fern natürlich sein muss. Es enthält aber ein Mittel der Einführung derselben unter Menschen, die Bibel; deren Ursprung für übernatürlich gehalten wird, die (ihr Ursprung mag sein welcher [[A 63>> er wolle), so fern sie den moralischen Vorschriften der Vernunft in Ansehung ihrer öffentlichen Ausbreitung und inniglicher Belebung beförderlich ist, als Vehikel zur Religion gezählt werden kann, und als ein solches auch für übernatürliche Offenbarung angenommen werden mag. Nun kann man eine Religion nur n a t u r a l i s t i s c h nennen, wenn sie es zum Grundsatze macht, keine solche Offenbarung einzuräumen. Also ist das Christentum darum nicht eine naturalistische Religion, obgleich es bloss eine natürliche ist, weil es nicht in Abrede ist, dass die Bibel nicht ein übernatürliches Mittel der Introduktion der letzteren und der Stiftung einer sie öffentlich lehrenden und bekennenden Kirche sein möge, sondern nur auf diesen Ursprung, wenn es auf Religionslehre ankommt, nicht Rücksicht nimmt. III. EINWÜRFE UND BEANTWORTUNG DERSELBEN, DIE GRUNDSÄTZE DER SCHRIFTAUSLEGUNG BETREFFEND Wider diese Auslegungsregeln höre ich ausrufen: e r s t l i c h: das sind ja insgesamt Urteile der philo[[A 64>>sophischen Fakultät, welche sich also in das Geschäft des biblischen Theologen Eingriffe erlaubt. – A n t w o r t: zum Kirchenglauben wird historische Gelehrsamkeit, zum Religionsglauben bloss Vernunft erfordert. Jenen als Vehikel des letzteren auszulegen ist freilich eine Förderung der Vernunft, aber wo ist eine solche rechtmässiger, als wo etwas nur als Mittel zu etwas anderem als Endzweck (dergleichen die Religion ist) einen Wert hat, und gibt es uberall wohl ein höheres Prinzip der Entscheidung, wenn über Wahrheit gestritten wird, als die Vernunft. Es tut auch der theologischen Fakultät keinesweges Abbruch, wenn die philosophische sich der Statuten derselben bedient, ihre eigene Lehre durch Einstimmung mit derselben zu bestärken; man sollte vielmehr denken, dass jener dadurch eine Ehre widerfahre. Soll aber doch, was die Schriftauslegung betrifft, durchaus Streit zwischen beiden sein, so weiss ich keinen andern Vergleich als diesen: w e n n

d e r b i b l i s c h e T h e o l o g a u f h ö r e n w i r d, s i c h d e r V e r n u n f t z u s e i n e m B e h u f z u b e d i e n e n, s o w i r d d e r p h i l o s o p h i s c h e a u c h a u f h ö r e n, z u B e s t ä t i g u n g s e i n e r S ä t z e d i e B i b e l z u g e b r a u c h e n. Ich zweifle [[A 65>> aber sehr, dass der erstere sich auf diesen Vertrag einlassen dürfte. – Z w e i t e n s: jene Auslegungen sind allegorisch-mystisch, mithin weder biblisch noch philosophisch. A n t w o r t: Es ist gerade das Gegenteil, nämlich, dass, wenn der biblische Theolog die Hülle der Religion für die Religion selbst nimmt, er z. B. das ganze alte Testament für eine fortgehende A l l e g o r i e (von Vorbildern und symbolischen Vorstellungen) des noch kommenden Religionszustandes erklären muss, wenn er nicht annehmen will, das ware damals schon wahre Religion gewesen, wodurch dann das Neue (die doch nicht noch wahrer als wahr sein kann) entbehrlich 1 gemacht würde. Was aber die vorgebliche Mystik der Vernunftauslegungen betrifft, wenn die Philosophie in Schriftstellen einen moralischen Sinn aufgespähet, ja gar ihn dem Texte aufdringt, so ist diese gerade das einzige Mittel, die Mystik (z. B. eines S w e d e n b o r g s) abzuhalten. Denn die Phantasie verläuft sich bei Religionsdingen unvermeidlich ins Überschwengliche, wenn sie das Übersinnliche (was in allem, was Religion heisst, gedacht werden muss) nicht an bestimmte Begriffe der Vernunft, dergleichen die moralische sind, knüpft, und führt zu einem Illuminatism innerer [[A 66>> Offenbarungen, deren ein jeder alsdenn seine eigene hat und kein öffentlicher Probierstein der Wahrheit mehr Statt findet. Es gibt aber noch Einwürfe, die die Vernunft ihr selbst gegen die Vernunftauslegung der Bibel macht, die wir nach der Reihe oben angeführter Auslegungsregeln kürzlich bemerken und zu heben suchen wollen. a) E i n w u r f: Als Offenbarung muss die Bibel aus sich selbst und nicht durch die Vernunft gedeutet werden; denn der Erkenntnisquell selbst liegt anderswo als in der Vernunft. A n t w.: Eben darum, weil jenes Buch als göttliche Offenbarung angenommen wird, muss sie nicht bloss nach Grundsätzen der Geschichtslehren (mit sich selbst zusammen zu stimmen) theoretisch, sondern nach Vernunftbegriffen praktisch ausgelegt werden; denn, dass eine Offenbarung göttlich sei, kann nie durch Kennzeichen, welche die Erfahrung an die Hand gibt, eingesehen werden. Ihr Charakter (wenigstens als conditio sine qua non) ist immer die Übereinstimmung mit dem, was die Vernunft für Gott anständig erklärt. – b) E i n w u r f: Vor allem Praktischen muss doch immer eine Theorie vorhergehen, [[A 67>> und, da diese als Offenbarungslehre vielleicht Absichten des Willens Gottes, die wir nicht durchdringen können, für uns aber verbindend sein dürften, sie zu befördern, enthalten könnten, so scheint das Glauben an dergleichen theoretische Sätze für sich selbst eine Verbindlichkeit, mithin das Bezweifeln derselben eine Schuld zu enthalten. A n t w.: Man kann dieses einräumen, wenn vom Kirchenglauben die Rede ist, bei dem es auf keine andere Praxis als die der angeordneten Gebrauche angesehen ist, wo die, so sich zu einer Kirche zu bekennen1, zum Fürwahrnehmen nichts mehr, als dass die Lehre nicht unmöglich sei, bedürfen; dagegen zum Religionsglauben Ü b e r z e u g u n g von der Wahrheit erforderlich ist, welche aber durch Statute (dass sie göttliche Sprüche sind) nicht beurkundigt werden kann, weil, dass sie es sind, nur immer wiederum durch Geschichte bewiesen werden müsste, die s i c h s e l b s t für göttliche Offenbarung auszugeben nicht befugt ist. Daher bei diesem, der gänzlich auf Moralität des Lebenswandels, aufs Tun, gerichtet ist, das Fürwahrhalten historischer, obschon biblischer Lehren an sich keinen moralischen Wert oder Unwert hat, und unter die Adiaphora gehört. – c) E i n w u r f: Wie kann man [[A 68>> einem Geistlichtoten das „stehe auf und wandle“ zurufen, wenn diesen Zuruf nicht zugleich eine übernatürliche Macht begleitet, die Leben in ihn hineinbringt ? A n t w o r t: Der Zuruf geschieht an den Menschen durch seine eigene Vernunft, sofern sie das übersinnliche Prinzip des moralischen Lebens in sich selbst hat. Durch dieses kann der Mensch zwar vielleicht nicht sofort zum Leben und um von selbst aufzustehen, aber doch sich 1

Akad.-Ausg.: „gewesen (die ... kann), wodurch dann das neue entbehrlich“.

1

Akad.-Ausg.: „Kirche bekennen”.

zu regen und zur Bestrebung eines guten Lebenswandels erweckt werden (wie einer, bei dem die Kräfte nur schlafen, aber darum nicht erloschen sind) und das ist schon ein Tun, welches keines äusseren Einflusses bedarf, und, fortgesetzt, den beabsichtigten Wandel bewirken kann. – d) E i n w u r f: Der Glaube an eine uns unbekannte Erganzungsart des Mangels unserer eigenen Gerechtigkeit, mithin als Wohltat eines anderen, ist eine umsonst angenommene Ursache (petitio principii) zu Befriedigung des uns 1 gefühlten Bedürfnisses. Denn was wir von der Gnade eines Oberen erwarten, davon können wir nicht, als ob es sich von selbst verstünde, annehmen, dass es uns zu Teil werden müsse, sondern nur, wenn es uns wirklich versprochen worden, und daher nur durch Akzeptation eines [[A 69>> uns geschehenen bestimmten Versprechens, wie durch einen förmlichen Vertrag. Also können wir, wie es scheint, jene Ergänzung nur, sofern sie durch göttliche O f f e n b a r u n g wirklich zugesagt worden, und nicht auf gut Glück hin, hoffen und voraussetzen. A n t w.: Eine unmittelbare göttliche Offenbarung, in dem tröstenden Ausspruch: „dir sind deine Sünden vergeben“, wäre eine übersinnliche Erfahrung, welche unmöglich ist. Aber diese ist auch in Ansehung dessen, was (wie die Religion) auf moralischen Vernunftgründen beruht, und dadurch a priori, wenigstens in praktischer Absicht gewiss ist, nicht nötig. Von einem heiligen und gütigen Gesetzgeber kann man sich die Dekrete in Ansehung gebrechlicher, aber alles, was sie für Pflicht erkennen, nach ihrem ganzen Vermögen zu befolgen strehender Geschöpfe nicht anders denken und selbst der Vernunftglaube und das Vertrauen auf eine solche Ergänzung, ohne dass eine bestimmte empirisch erteilte Zusage dazu kommen darf, beweiset mehr die echte moralische Gesinnung, und hiemit die Empfänglichkeit für jene gehoffte Gnadenbezeigung, als es ein empirischer Glaube tun kann. *** [[A 70>> Auf solche Weise müssen alle Schriftauslegungen, s o f e r n s i e d i e R e l i g i o n b e t r e f f e n, nach dem Prinzip der in der Offenbarung abgezweckten Sittlichkeit gemacht werden, und sind ohne das entweder praktisch leer oder gar Hindernisse des Guten. – Auch sind sie alsdann nur eigentlich a u t h e n t i s c h, d. i. der Gott in uns ist selbst der Ausleger, weil wir niemand verstehen, als den, der durch unsern eigenen Verstand und unsere eigene Vernunft mit uns redet, die Göttlichkeit einer an uns ergangenen Lehre also durch nichts, als durch Begriffe u n s e r e r Vernunft, so ferne sie rein-moralisch und hiemit untrüglich sind, erkannt werden kann. ALLGEMEINE ANMERKUNG VON RELIGIONSSEKTEN In dem, was eigentlich Religion genannt zu werden verdient, kann es keine Sektenverschiedenheit geben (denn sie ist einig, allgemein und notwendig, mithin unveränderlich), wohl aber in dem, was den Kirchenglauben betrifft, er mag nun bloss auf die Bibel, oder auch auf [[A 71>> Tradition gegründet sein: so fern der Glaube an das, was bloss Vehikel der Religion ist, für Artikel derselben gehalten wird.

Es wäre herkulische und dabei undankbare Arbeit, nur bloss die Sekten des C h r i s t e n t u m s, wenn man unter ihm den m e s s i a n i s c h e n Glauben versteht, alle aufzuzählen; denn da ist jenes bloss eine Sekte * des letztern, so, dass es dem J u d e n t u m in engerer Bedeutung (in dem letzten Zeitpunkt seiner ungeteilten Herrschaft über das Volk) entgegengesetzt wird, wo die Frage ist: „bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir eines 1

Akad.-Ausg.: „des von uns”. Es ist eine Sonderbarkeit des deutschen Sprachgebrauchs (oder Missbrauchs), dass sich die Anhänger unserer Religion Christen n e n n e n; gleich als ob es mehr als einen Christus gebe und jeder Gläubige ein Christus wäre. Sie müssten sich C h r i s t i a n e r nennen. – Aber dieser Name würde so fort wie ein Sektenname angesehen werden, von Leuten, denen man (wie im Peregrinus Proteus geschieht) viel Übels nachsagen kann: welches in Ansehung des Christen nicht Statt findet. – So verlangte ein Rezensent in der Hallischen gel. Zeitung, dass der Name Jehovah durch J a h w o h ausgesprochen werden sollte. Aber diese Veränderung würde eine blosse Nationalgottheit, nicht den Herrn der Welt, zu bezeichnen scheinen. *

anderen warten ?“, wofür es auch anfänglich [[A 72>> die Römer nahmen. In dieser Bedeutung aber würde das Christentum ein gewisser, auf Satzungen und Schrift gegründeter, Volksglaube sein, von dem man nicht wissen könnte, ob er gerade für alle Menschen gültig oder der letzte Offenbarungsglaube sein dürfte, bei dem es forthin bleiben müsste, oder ob nicht künftig andere göttliche Statuten, die dem Zweck noch näher träten, zu erwarten wären. Um also ein bestimmtes Schema der Einteilung einer Glaubenslehre in Sekten zu haben, können wir nicht von empirischen Datis, sondern wir müssen von Verschiedenheiten anfangen, die sich a priori durch die Vernunft denken lassen, um in der Stufenreihe der Unterschiede der Denkungsart in Glaubenssachen die Stufe auszumachen, in der die Verschiedenheit zuerst einen Sektenunterschied begründen würde. In Glaubenssachen ist das Prinzip der Einteilung, nach der a n g e n o m m e n e n Denkungsart, entweder R e l i g i o n oder S u p e r s t i t i o n oder H e i d e n t u m 1 (die einander wie A und non A entgegen sind). Die Bekenner der ersteren werden gewöhnlich G l ä u b i g e, die des zweiten U n g l ä u b i g e genannt. Religion ist derjenige Glaube, der das W e s e n t l i c h e aller Verehrung [[A 73>> Gottes in der Moralität des Menschen setzt; Heidentum, der es nicht darin setzt; entweder, weil es ihm gar an dem Begriffe eines übernatürlichen und moralischen Wesens mangelt (ethnicismus brutus), oder weil er etwas anderes, als die Gesinnung eines sittlich wohlgeführten Lebenswandels, also das Nichtwesentliche der Religion, zum Religionsstück macht (ethnicismus speciosus). Glaubenssätze, welche zugleich als göttliche Gebote gedacht werden sollen, sind nun entweder bloss s t a t u t a r i s c h, mithin für uns zufällig und Offenbarungslehren, oder m o r a l i s c h, mithin mit dem Bewusstsein ihrer Notwendigkeit verbunden und a priori erkennbar2, d. i. V e r n u n f t l e h r e n des Glaubens. Der Inbegriff der ersteren Lehren macht den K i r c h e n-, der anderen aber den reinen R e l i g i o n s g l a u b e n aus.* A l l g e m e i n h e i t für einen Kirchenglauben zu fordern (catholicismus hierarchicus), ist ein Widerspruch, weil unbedingte Allgemeinheit Notwendigkeit voraus setzt, die nur da Statt findet, wo die Vernunft [[A 74>> selbst die Glaubenssätze hinreichend begründet, mithin diese nicht blosse Statute sind. Dagegen hat der reine Religionsglaube rechtmässigen Anspruch auf Allgemeingültigkeit (catholicismus rationalis). Die Sektiererei in Glaubenssachen wird also bei dem letztern nie Statt finden, und, wo sie angetroffen wird, da entspringt sie immer aus einem Fehler des Kirchenglaubens: seine Statute (selbst göttliche Offenbarungen) für wesentliche Stücke der Religion zu halten, mithin den Empirism in Glaubenssachen dem Rationalism unterzuschieben, und so das bloss Zufällige für an sich notwendig auszugeben. Da nun in zufälligen Lehren es vielerlei einander widerstreitende, teils Satzungen, teils Auslegung von Satzungen, geben kann: so ist leicht einzusehen, dass der blosse Kirchenglaube, ohne durch den reinen Religionsglauben geläutert zu sein, eine reiche Quelle unendlich vieler Sekten in Glaubenssachen sein werde. Um diese Läuterung, worin sie bestehe, bestimmt anzugeben, scheint mir der zum Gebrauch schicklichste Probierstein der Satz zu sein: ein jeder Kirchenglaube, so fern er bloss statutarische Glaubenslehren für wesentliche Religionslehren ausgibt, hat eine gewisse B e i m i s c h u n g v o n H e i d e n t u m; denn dieses besteht [[A 75>> darin, das Äusserliche (Ausserwesentliche) der Religion für wesentlich auszugeben. Diese Beimischung kann gradweise so weit gehen, dass die ganze Religion darüber in einen blossen Kirchenglauben, Gebrauche für Gesetze auszugeben, übergeht1, und alsdann bares Heidentum wird,* wider 1

H: „Religion oder Heideutum“. H: „erdenkbar”. * Diese Einteilung, welche ich nicht für präzis, und dem gewöhnlichen Redegebrauch angemessen ausgebe, mag einstweilen hier gelten. 1 H: „Kirchenglauben übergeht”. * H e i d e n t u m (paganismus) ist, der Worterklärung nach, der religiöse Aberglnube des Volks in Wäldern (EIeiden), d. i. einer Menge, deren Religionsglaube noch ohne alle kirchliche Verfassung, mithin ohne öffentliches Gesetz ist. Juden aber, Mohammedaner und Indier halten das für kein Gesetz, was nicht das ihrige 2

welchen Schimpfnamen es nichts verschlägt zu sagen, dass jene Lehren doch göttliche Offenbarungen seien; denn nicht jene statutarische Lehren und Kirchenpflichten selbst, sondern der unbedingte ihnen beigelegte Wert (nicht etwa bloss Vehikel, sondern selbst Religionsstücke zu sein, ob sie zwar keinen inneren moralischen Gehalt bei sich führen, also nicht die Materie der Offenbarung, sondern die Form ihrer Aufnahme in seine praktische Gesinnung) ist das, was auf eine solche Glaubensweise den Namen des Heidentums mit Recht fallen lässt. Die kirchliche Autorität, nach [[A 76>> einem solchen Glauben selig zu sprechen oder zu verdammen, wurde das Pfaffentum genannt werden, von welchem Ehrennamen sich so nennende Protestanten nicht auszuschliessen sind, wenn sie das Wesentliche ihrer Glaubenslehre in Glauben an Sätze und Observanzen, von denen ihnen die Vernunft nichts sagt, und welche zu bekennen und zu beobachten der schlechteste nichtswürdigste Mensch in eben demselben Grade tauglich ist als der beste, zu setzen bedacht sind: sie mögen auch einen noch so grossen Nachtrab von Tugenden, als die aus der wundervollen Kraft der ersteren entsprängen (mithin ihre eigene Wurzel nicht haben), anhängen, als sie immer wollen. Von dem Punkte also, wo der Kirchenglaube anfängt, für sich selbst mit Autorität zu sprechen, ohne auf seine Rektifikation durch den reinen R e l i g i o n s g l a u b e n zu achten, hebt auch die Sektiererei an; denn da dieser (als praktischer Vernunftglaube) seinen Einfluss auf die menschliche Seele nicht verlieren kann, der mit dem Bewusstsein der Freiheit verbunden ist, indessen dass der Kirchenglaube über die Gewissen Gewalt ausübt: so sucht ein jeder etwas für seine eigene Mei[[A 77>>nung in den Kirchenglauben hinein oder aus ihm heraus zu bringen. Diese Gewalt veranlasst entweder blosse Absonderung von der Kirche (Separatism 1), d. i. Enthaltung von der öffentlichen Gemeinschaft mit ihr, oder öffentliche Spaltung der in Ansehung der kirchlichen Form Andersdenkenden, ob sie zwar der Materie nach sich zu eben derselben bekennen (Schismatiker), oder Zusammentretung der Dissidenten in Ansehung gewisser Glaubenslehren in besondere, nicht immer geheime, aber doch vom Staat nicht sanktionierte Gesellschaften (Sektierer), deren einige noch besondere, nicht fürs grosse Publikum gehörende, geheime Lehren aus eben demselben Schatz her holen (gleichsam Klubbisten der Frömmigkeit), endlich auch falsche Friedensstifter, die durch die Zusammenschmelzung verschiedener Glaubensarten allen genug zu tun meinen (Synkretisten); die dann noch schlimmer sind als Sektierer, weil Gleichgültigkeit in Ansehung der Religion überhaupt zum Grunde liegt, und, weil einmal doch ein Kirchenglaube im Volk sein müsse, einer so gut wie der andere sei, wenn er sich nur durch die Regierung zu ihren Zwecken gut handhaben lässt; ein Grundsatz, der im Munde des Regenten, als eines solchen, zwar ganz rich[[A 78>>tig, auch so gar weise ist, im Urteile des Untertanen selbst aber, der diese Sache aus seinem eigenen und zwar moralischen Interesse zu erwägen hat, die äusserste Geringschätzung der Religion1 verraten würde; indem, wie selbst das Vehikel der Religion beschaffen sei, was jemand in seinen Kirchenglauben aufnimmt, für die Religion keine gleichgültige Sache ist. In Ansehung der Sektiererei (welche auch wohl ihr Haupt bis zur Vermannigfaltigung der Kirchen erhebt, wie es bei den Protestanten geschehen ist) pflegt man zwar zu sagen: es ist gut, dass es vielerlei Religionen (eigentlich kirchliche Glaubensarten in einem Staate) gibt2, und so fern ist dieses auch richtig, als es ein gutes Zeichen ist: nämlich dass Glaubensfreiheit dem Volke gelassen worden; aher das ist eigentlich nur ein Lob für die Regierung. An sich aber ist ein solcher öffentlicher Religionszustand doch nicht gut, dessen Prinzip so beschaffen ist, dass es nicht, wie es doch der Begriff einer Religion erfordert, ist, und benennen andere Völker, die nicht eben dieselbe kirchliche Observanzen haben, mit dem Titel der Verwerfung (Goj, Dschaur, u.s.w.), nämlich der Ungläubigen. 1

H: „Separatisten”. H: „Religion selbst”. 2 Cassirer: „Glaubensarten) in einem Staate gibt“. 1

Allgemeinheit und Einheit der wesentlichen Glaubensmaximen bei sich führt und den Streit, der von dem Ausserwesentlichen herrührt, nicht von jenem unterscheidet. Der Unterschied der Meinungen, in Ansehung der grösseren oder minderen Schicklichkeit oder [[A 79>> Unschicklichkeit des Vehikels der Religion zu dieser als Endabsicht selbst (nämlich die Menschen moralisch zu bessern), mag also allenfalls Verschiedenheit der Kirchensekten, darf aber darum nicht Verschiedenheit der Religionssekten bewirken, welche der Einheit und Allgemeinheit der Religion (also der unsichtbaren Kirche) gerade zuwider ist. Aufgeklärte Katholiken und Protestanten werden also einander als Glaubensbrüder ansehen können, ohne sich doch zu vermengen, beide in der Erwartung (und Bearbeitung zu diesem Zweck): dass die Zeit, unter Begünstigurig der Regierung, nach und nach die Förmlichkeiten des Glaubens (der freilich alsdann nicht ein Glaube sein muss, Gott sich durch etwas anders, als durch reine moralische Gesinnung günstig zu machen oder zu versöhnen) der Würde ihres Zwecks, nämlich der Religion selbst, näher bringen werde. – Selbst in Ansehung der Juden ist dieses, ohne die Träumerei einer allgemeinen Judenbekehrung* (zum Christentum als einem m e s s i a n i s c h e n Glauben) möglich, wenn unter ihnen, wie jetzt geschieht, geläuterte Religionsbegriffe erwachen, und das Kleid des nunmehro zu nichts dienenden, vielmehr alle wahre Religionsgesinnung verdrängenden, alten Kultus abwerfen. Da sie nun so lange das K l e i d o h n e M a n n (Kirche ohne Religion) gehabt haben, gleichwohl aber der M a n n o h n e K l e i d (Religion ohne Kirche) auch nicht gut verwährt ist, sie also gewisse Förmlichkeiten einer Kirche, die dem Endzweck in ihrer jetzigen Lage am angemessensten wäre, bedürfen: so kann man den Gedanken eines sehr guten Kopfs dieser Nation, Bendavids, die Religion J e s u (vermutlich mit ihrem Vehikel, dem E v a n g e l i u m) öffentlich anzunehmen, nicht allein für sehr glücklich, sondern auch für den einzigen Vorschlag halten, dessen Ausführung dieses Volk, auch ohne sich mit andern in [[A 81>> Glaubenssachen zu vermischen, bald als ein gelehrtes, wohlgesittetes, und aller Rechte des bürgerlichen Zustandes fähiges Volk, dessen Glaube auch von der Regierung sanktioniert werden könnte, bemerklich machen; wobei1 freilich ihr die Schriftauslegung (der Thora und des Evangeliums) frei gelassen werden müsste, um die Art, wie Jesus, als Jude zu Juden, von der Art, wie er als moralischer Lehrer zu Menschen überhaupt redete, zu unterscheiden. – Die Euthanasie des Judentums ist die reine moralische Religion, mit Verlassung aller alten Satzungslehren, deren einige doch im Christentum (als messianischen Glauben) noch zurück behalten bleiben müssen: welcher Sektenunterschied endlich doch auch verschwinden muss, und so das, was man als den Beschluss des grossen Drama des Religionswechsels auf Erden nennt (die Wiederbringung aller Dinge), wenigstens im Geiste herbeiführt, da nur ein Hirt und eine Herde Statt findet. *** Wenn aber gefragt wird: nicht bloss was Christentum sei, sondern wie es der Lehrer desselben anzufangen habe, damit ein solches in den Herzen der Menschen wirklich angetroffen werde (welches mit der Auf[[A 82>>gabe einerlei ist: was ist zu tun, damit der Religionsglaube zugleich bessere Menschen mache ?), so ist der Zweck zwar einerlei, und kann keinen Sektenunterschied veranlassen, aber die Wahl des Efittels zu demselben kann diesen doch herbei führen, weil zu einer und derselben Wirkung sich plehr wie e i n e Ursache denken lässt, und sofern also Verschiedenheit und Streit der Meinungen, ob das eine oder das *

Moses Mendelssolm wies dieses Ansinnen auf eine Art ab, die seiner K l u g h e i t Ehre macht (durch eine argumentatio ad hominem). So lange (sagt er), als nicht Gott vom Berge Sinai eben so feierlich unser Gesetz aufhebt, als er es (unter Donner und Blitz) gegeben, [[Anm. A 80>> d. i. bis zum Nimmertag, sind wir daran gebunden; womit er wahrscheinlicher Weise sagen wollte: Christen, schafft ihr erst das Judentum aus eurem eigenen Glauben weg: so werden wir auch das unsrige verlassen – dass er aber seinen eignen Glaubensgenossen durch diese harte Forderung die Hoffnung zur mindesten Erleichterung der sie drückenden Lasten abschnitt, ob er zwar wahrscheinlich die wenigsten derselben für wesentlich seinem Glauben angehörig hielt, ob das seinem guten Willen Ehre mache, mögen diese selbst entscheiden. 1

Akad.-Ausg.: „machen würde; wobei“.

andere demselben angemessen und göttlich sei, mithin eine Trennung in Prinzipien bewirken kann, die selbst das Wesentliche (in subjektiver Bedeutung) der Religion überhaupt angehen. Da die Mittel zu diesem Zwecke nicht empirisch sein können – weil diese allenfalls wohl auf die Tat, aber nicht auf die Gesinnung hinwirken –, so muss für den, der alles Ü b e r s i n n l i c h e zugleich für ü b e r n a t ü r l i c h hält, die obige Aufgabe sich in die Frage verwandeln: wie ist die Wiedergeburt (als die Folge der Bekehrung, wodurch jemand ein anderer, neuer Mensch wird) durch göttlichen unmittelbaren Einfluss möglich, und was hat der Mensch zu tun, um diesen herbei zu ziehen ? Ich behaupte, dass, ohne die Geschichte zu Rate zu ziehen (als welche zwar Meinungen, aber nicht die Notwendigkeit derselben vorstellig machen [[A 83>> kann), man a priori einen unausbleiblichen Sektenunterschied, den bloss diese Aufgabe bei denen bewirkt, welchen es eine Kleinigkeit ist, zu einer natürlichen Wirkung übernatürliche Ursachen herbei zu rufen, vorher zu sagen 1, ja dass diese Spaltung auch die einzige sei, welche zur Benennung zweier verschiedener Religionssekten berechtigt; denn die anderen, welche man fälschlich so benennt, sind nur Kirchensekten, und gehen das Innere der Religion nicht an. – Ein jedes Problem aber besteht erstlich aus der Q u ä s t i o n der Aufgabe, zweitens der A u f l ö s u n g, und drittens dem B e w e i s, dass das Verlangte durch die letztere geleistet werde. Also: 1) Die Aufgabe (die der wackere S p e n e r mit Eifer allen Lehrern der Kirche zurief) ist: der Religionsvortrag muss zum Zweck haben, aus uns a n d e r e, nicht bloss bessere Menschen (gleich als ob wir so schon gute, aber nur dem Grade nach vernachlässigte wären) zu machen. Dieser Satz ward den O r t h o d o x i s t e n (ein nicht übel ausgedachter Name) in den Weg geworfen, welche in dem Glauben an die reine Offenbarungslehre und der von 2 der Kirche vorgeschriebenen Observanzen (dem Beten, dem Kirchengehen und den Sakramenten) neben dem ehrbaren (zwar mit Über[[A 84>>tretungen untermengten, durch jene aber immer wieder gut zu machenden) Lebenswandel die Art setzten, Gott wohlgefällig zu werden. – Die Aufgabe ist also ganz in der Vernunft gegründet. 2) Die Auflösung aber ist völlig m y s t i s c h ausgefallen: so wie man es vom Supernaturalism in Prinzipien der Religion erwarten könnte, der, weil der Mensch von Natur in Sünden tot sei, keine Besserung aus eigenen Kräften hoffen lasse, selbst nicht aus der ursprünglichen unverfälschbaren moralischen Anlage in seiner Natur, die, ob sie gleich ü b e r s i n n l i c h ist, dennoch Fleisch genannt wird, darum weil ihre Wirkung nicht zugleich ü b e i n a t ü r l i c h ist, als in welchem Falle die unmittelbare Ursache derselben allein der Geist (Gottes) sein würde. – Die mystische Auflösung jener Aufgabe teilt nun die Gläubigen in zwei Sekten des G e f ü h l s übernatürlicher Einflüsse: die eine, wo das Gefühl als von h e r z z e r m a l m e n d e r (zerknirschender), die andere, wo es von h e r z z e r s c h m e l z e n d e r (in die selige Gemeinschaft mit Gott sich auflösender) Art sein müsse, so, dass die Auflösung des Problems (aus bösen Menschen gute zu machen) von zwei entgegengesetzten Standpunkten ausgeht ( „wo das Wollen zwar gut ist, aber das Vollbringen man[[A 85>>gelt“). In der einen Sekte kommt es nämlich nur darauf an, um von 1 der Herrschaft des Bösen in sich l o s z u k o m m e n, woraufdann das gute Prinzip sich von selbst einfinden 2 würde; in der andern, das gute Prinzip in seine Gesinnung aufzunehmen, worauf vermittelst eines übernatürlichen Einflusses das Böse für sich keinen Platz mehr finde 3, und das Gute allein herrschend sein würde. Die Idee von einer moralischen, aber nur durch übernatürlichen Einfluss möglichen, Metamorphose des Menschen mag wohl schon längst in den Köpfen der Gläubigen r u m o r t haben: sie ist aber in neueren Zeiten allererst recht zur Sprache gekommen, und hat den S p e 1

Akad.-Ausg.: „vorher sagen kann”. Akad.-Ausg.: „und den von”. 1 H: „an, von”. 2 H: „das Gute sich von selbst finden“. 3 Akad.-Ausg.: „finden”. 2

n e r – F r a n c k i s c h e n und M ä h r i s c h – Z i n z e n d o r f s c h e n Sektenunterschied (den Pietism und Moravianism) in der Bekehrungslehre hervorgebracht. Nach der e r s t e r e n Hypothese geschieht die Scheidung des Guten vom Bösen (womit die menschliche Natur amalgamiert ist) durch eine übernatürliche Operation, die Zerknirschung und Zermalmung des Herzens in der B u s s e, als einem nahe an Verzweiflung grenzenden, aber doch auch nur durch den Einfluss eines himmlischen Geistes in seinem nötigen Grade erreichbaren [[A 86>> Gram (maeror animi), um welchen der Mensch selbst bitten müsse, indem er sich selbst darüber grämt, dass er sich nicht genug grämen (mithin das Leidsein ihm doch nicht so ganz von Herzen gehen) kann. Diese „Höllenfahrt des Selbsterkenntnisses bahnt nun, wie der sel. H a m a n n sagt, den Weg zur Vergötterung“. Nämlich, nachdem diese Glut der Busse ihre grösste Höhe erreicht hat, geschehe der D u r c h b r u c h, und der Regulus des W i e d e r g e b o r n e n glänze unter den Schlacken, die ihn zwar umgeben, aber nicht verunreinigen, tüchtig zu dem Gott wohlgefälligen Gebrauch in einem guten Lebenswandel. – Diese radikale Veränderung fängt also mit einem W u n d e r an, und endigt mit dem, was man sonst als natürlich anzusehen pflegt, weil es die V e r n u n f t vorschreibt, nämlich mit dem moralisch-guten Lebenswandel. Weil man aber, selbst beim höchsten Fluge einer mystisch-gestimmten Einbildungskraft, den Menschen doch nicht von allem Selbsttun lossprechen kann, ohne ihn gänzlich zur Maschine zu machen, so ist das anhaltende inbrünstige G e b e t das, was ihm noch zu tun obliegt (wofern man es überhaupt für ein Tun will gelten lassen) und wovon er sich jene übernatürliche Wirkung allein versprechen kann; wobei doch auch der Skrupel eintritt: dass, da [[A 87>> das Gebet, wie es heisst, nur sofern erhörlich ist, als es im Glauben geschieht, dieser selbst aber eine Gnadenwirkung ist, d. i. etwas, wozu der Mensch aus eigenen Kräften nicht gelangen kann, er mit seinen Gnadenmitteln im Zirkel geführt wird, und am Ende eigentlich nicht weiss, wie er das Ding angreifen solle. Nach der z w e i t e n Sekte Meinung geschieht der erste Schritt, den der sich seiner sündigen Beschaffenheit bewusst werdende Mensch zum Besseren tut, ganz natürlich, durch die V e r n u n f t, die, indem sie ihm im moralischen Gesetz den Spiegel vorhält, worin er seine Verwerflichkeit erblickt, die moralische Anlage zum Guten benutzt, um ihn zur Entschliessung zu bringen, es fortmehro zu seiner Maxime zu machen: Aber die Ausführung dieses Vorsatzes ist ein W u n d e r. Er wendet sich nämlich von der Fahne des bösen Geistes ab, und begibt sich unter die des Guten 1, welches eine leichte Sache ist. Aber nun bei dieser zu beharren, nicht wieder ins Böse zurück zu fallen, vielmehr im Guten immer mehr fortzuschreiten, das ist die Sache, wozu er natürlicher Weise unvermögend sei, vielmehr nichts Geringeres als Gefühl einer übernatürlichen Gemeinschaft, und sogar das Bewusstsein eines kontinuierlichen Umganges mit einem himmlischen Geiste, erfor[[A 88>>dert werde; wobei es zwischen ihm und dem letzteren zwar auf einer Seite nicht an Verweisen, auf der andern nicht an Abbitten, fehlen kann; doch ohne dass eine Entzweiung oder Rückfall (aus der Gnade) zu besorgen ist: wenn er nur darauf Bedacht nimmt, diesen Umgang, der selbst ein kontinuierliches Gebet ist, ununterbrochen zu kultivieren. Hier ist nun eine zwiefache mystische Gefühlstheorie zum Schlüssel der Aufgabe: ein neuer Mensch zu werden, vorgelegt; wo es nicht um das O b j e k t und den Zweck aller Religion (den Gott gefälligen Lebenswandel, denn darüber stimmen beide Teile überein), sondern um die s u b j e k t i v e Bedingungen zu tun ist, unter denen wir allein Kraft dazu bekommen, jene Theorie in uns zur Ausführung zu bringen; wobei dann von Tugend (die ein leerer Name sei) nicht die Rede sein kann, sondern nur von der G n a d e, weil beide Parteien darüber einig sind, dass es hiemit nicht natürlich zugehen könne, sich aber wieder darin von einander trennen, dass der eine Teil den f ü r c h t e r l i c h e n Kampf mit dem bösen Geiste, um von dessen Gewalt los zu kommen, bestehen muss, der andere aber dieses gar nicht nötig, ja als Werkheiligkeit verwerflich findet, sondern geradezu mit dem guten Geiste Allianz [[A 1

Akad.-Ausg.: „guten”.

89>> schliesst, weil die vorige mit dem Bösen 1 (als pactum turpe) gar keinen Einspruch dagegen verursachen kann; da dann die Wiedergeburt, als einmal für allemal vorgehende übernatürliche und radikale Revolution im Seelenzustande auch wohl äusserlich einen Sektenunterschied, aus so sehr gegen einander abstechenden Gefühlen beider Parteien, kennbar machen dürfte.* [[A 90>> 3) Der B e w e i s: dass, wenn, was Nr. 2 verlangt worden, geschehen, die Aufgabe Nr. 1 dadurch aufgelöset sein werde. – Dieser Beweis ist unmöglich. Denn der Mensch müsste beweisen, dass in ihm eine übernatürliche Erfahrung, die an sich selbst ein Widerspruch ist, vorgegangen sei. Es könnte allenfalls eingeräumt werden, dass der Mensch in sich eine Erfahrung (z. B. von neuen und besseren Willensbestimmungen) gemacht hätte, von einer Veränderung, die er sich nicht anders als durch ein Wunder zu erklären w e i s s, also von etwas Übernatürlichen. Aber eine Erfahrung, von der er sich so gar nicht einmal, dass sie in der Tat Erfahrung sei, überführen kann, weil sie (als übernatürlich) auf keine Regel der Natur unseres Verstandes zurückgeführt, und dadurch bewahrt werden kann, ist eine Ausdeutung gewisser Empfindungen, von denen man nicht weiss, was man aus ihnen machen soll, ob sie als zum Erkenntnis gehörig einen wirklichen Gegenstand haben, oder blosse Träumereien sein mögen. Den unmittelbaren Einfluss der Gottheit als einer solchen f ü h l e n wollen ist, weil die Idee von dieser bloss in der Vernunft liegt, eine sich selbst widersprechende Anmassung. – Also ist hier eine Aufgabe samt ihrer Auflösung ohne irgend einen möglichen [[A 91>> Beweis; woraus denn auch nie etwas Vernünftiges gemacht werden wird. Es kommt nun noch darauf an, nachzusuchen, ob die Bibel nicht noch ein anderes Prinzip der Auflösung jenes Spenerischen Problems, als die zwei angeführte sektenmässige enthalte, welches die Unfruchtbarkeit des kirchlichen Grundsatzes der blossen Orthodoxie ersetzen könne. In der Tat ist nicht allein in die Augen fallend, dass ein solches in der Bibel anzutreffen sei, sondern auch überzeugend gewiss, dass nur durch dasselbe, und das in diesem Prinzip enthaltende1 Christentum dieses Buch seinen so weit ausgebreiteten Wirkungskreis und dauernden Einfluss auf die Welt hat erwerben können, eine Wirkung, die keine Offenbarungslehren2 (als solche), kein Glaube an Wunder, keine vereinigte Stimme vieler Bekenner je hervorgebracht hatte, weil sie nicht aus der Seele des Menschen selbst geschöpft gewesen wäre, und ihm also immer hätte fremd bleiben müssen. Es ist nämlich etwas in uns, was zu bewundern wir niemals aufhören können, wenn wir es einmal ins Auge gefasst haben, und dieses ist zugleich dasjenige, was die M e n s c h h e i t in der Idee zu einer Würde erhebt, die man am M e n s c h e n, als Gegenstände der [[A 92>> Erfahrung, nicht vermuten sollte. Dass wir den moralischen Gesetzen unterworfene und zu deren Beobachtung selbst mit Aufopferung aller ihnen widerstreitenden Lebensannehmlichkeiten durch unsere Vernunft bestimmte Wesen sind, darüber wundert man sich nicht, weil es objektiv in der natürlichen Ordnung der Dinge als Objekt 3 der reinen 1

Akad.-Ausg.: „bösen”. Welche Nationalphysiognomie möchte wohl ein ganzes Volk, welches (wenn dergleichen möglich wäre) in einem dieser Sekten erzogen wäre, haben ? Denn, dass ein solcher sich zeigen würde, ist wohl nicht zu zweifeln: weil oft wiederholte, vornehmlich widernatürliche, Eindrücke aufs Gemüt sich in Gebärdung und Ton der Sprache äusseren, und Mienen endlich stehende Gesichtszüge werden. B e a t e, oder, wie sie Hr. Nikolai nennt, g e b e n e d e i e t e Gesichter würden es von anderen gesitteten und aufgeweckten Völkern (eben nicht zu ihrem Vorteil) unterscheiden; denn es ist Zeichnung der Frömmigkeit in Karikatur. Aber nicht die Verachtung der Frömmigkeit ist es, was den Namen der Pietisten zum Sektennamen gemacht hat (mit dem immer eine gewisse Verachtung verbunden ist), sondern die phantastische, und, bei allem Schein der Demut, stolze Anmassung, sich als übernatürlich-begünstigte Kinder des Himmels auszuzeichnen, wenn gleich ihr Wandel, so viel man sehen kann, vor dem der von ihnen so benannten Weltkinder, in der Moralität nicht den mindesten Vorzug zeigt. *

1

Akad.-Ausg.: „enthaltene“. H: „Offenbarungslehre“. 3 H: „Objekte“. 2

Vernunft liegt, jenen Gesetzen zu gehorchen: ohne dass es dem gemeinen und, gesunden Verstande nur einmal einfällt, zu fragen, woher uns jene Gesetze kommen mögen, um vielleicht, bis wir ihren Ursprung wissen, die Befolgung derselben aufzuschieben, oder wohl gar seine4 Wahrheit zu bezweifeln. – Aber dass wir auch das V e r m ö g e n dazu haben, der Moral mit unserer sinnlichen Natur so grosse Opfer zu bringen, dass wir das auch k ö n n e n, wovon wir ganz leicht und klar begreifen, dass wir es s o l l e n, diese Überlegenheit des ü b e r s i n n l i c h e n M e n s c h e n in uns über den s i n n l i c h e n, desjenigen, gegen den der letztere (wenn es zum Widerstreit kommt) n i c h t s ist, ob dieser zwar in seinen eigenen Augen a l l e s ist, diese moralische, von der Menschheit unzertrennliche Anlage in uns ist ein Gegenstand der höchsten B e w u n d e r u n g, die, je länger man dieses wahre (nicht erdachte) Ideal ansieht, nur immer desto höher steigt: so dass [[A 93>> diejenigen wohl zu entschuldigen sind, welche, durch die Unbegreiflichkeit desselben verleitet, dieses Ü b e r s i n n l i c h e in uns, weil es doch praktisch ist, für ü b e r n a t ü r l i c h, d. i. für etwas, was gar nicht in unserer Macht steht, und uns als eigen zugehört, sondern vielmehr für den Einfluss von einem andern und höheren Geiste halten; worin sie aber sehr fehlen; weil die Wirkung dieses Vermögens alsdann nicht unsere Tat sein, mithin uns auch nicht zugerechnet werden könnte, das Vermögen dazu also nicht das unsrige sein würde. – Die Benutzung der Idee dieses uns unbegreiflicher Weise beiwohnenden Vermögens und die Ansherzlegung derselben, von der frühesten Jugend an und fernerhin im öffentlichen Vortrage, enthält nun die echte Auflösung jenes Problems (vom neuen Menschen) und selbst die Bibel scheint nichts anders vor Augen gehabt zu haben, nämlich nicht auf übernatürliche Erfahrungen und schwärmerische Gefühle hin zu weisen, die, statt der Vernunft, diese Revolution bewirken sollten: sondern auf den Geist Christi, um ihn, so wie er ihn in Lehre und Beispiel bewies, zu dem unsrigen zu machen, oder vielmehr, da er mit der ursprünglichen moralischen Anlage schon in uns liegt, ihm nur Raum zu verschaffen. Und so ist, zwischen dem seelenlosen [[A 94>> O r t h o d o x i s m und dem vernunfttötenden M y s t i z i s m, die biblische Glaubenslehre, so wie sie vermittelst der Vernunft aus uns selbst entwickelt werden kann, die mit göttlicher Kraft auf aller Menschen Herzen zur gründlichen Besserung hinwirkende und sie in einer allgemeinen (obzwar unsichtbaren) Kirche vereinigende, auf dem K r i t i z i s m der praktischen Vernunft gegründete wahre Religionslehre. *** Das aber, worauf es in dieser Anmerkung eigentlich ankommt, ist die Beantwortung der Frage: ob die Regierung wohl einer Sekte des Gefühlglaubens die Sanktion einer Kirche könne angedeihen lassen: oder ob sie eine solche zwar dulden und schützen, mit jenem Prärogativ aber nicht beehren könne, ohne ihrer eigenen Absicht zuwider zu handeln ? Wenn man annehmen darf (wie man es denn mit Grunde tun kann), dass es der Regierung Sache gar nicht sei, für die künftige Seligkeit der Untertanen Sorge zu tragen, und ihnen den Weg dazu anzuweisen (denn das muss sie wohl diesen selbst überlassen, wie denn auch der Regent selbst seine eigene Religion gewöhnlicher Weise vom Volk und dessen Lehrern her hat): [[A 95>> so kann ihre Absicht nur sein, auch durch dieses Mittel (den Kirchenglauben) lenksame und moralisch-gute Untertanen zu haben. Zu dem Ende wird sie erstlich keinen N a t u r a l i s m (Kirchenglauben ohne Bibel) sanktionieren, weil es bei dem gar keine dem Einfluss der Regierung unterworfene kirchliche Form geben würde, welches der Voraussetzung widerspricht. – Die biblische Orthodoxie würde also das sein, woran sie die öffentliche Volkslehrer bände, in Ansehung deren diese wiederum unter der Beurteilung der Fakultäten stehen würden, die es angeht, weil sonst ein Pfaffentum, d. i. eine Herrschaft der Werkleute des Kirchenglaubens entstehen würde, das Volk nach ihren Absichten zu beherrschen. Aber den O r t h o d o x i s m, d. i. die Meinung von der Hinlänglichkeit des Kirchenglaubens zur Religion würde sie durch ihre Autorität nicht bestätigen; weil diese die natürliche Grundsätze der Sittlichkeit zur Nebensache macht, 4

Akad.-Ausg.: „ihre“.

da sie vielmehr die Hauptstütze ist, worauf die Regierung muss rechnen können, wenn sie in ihr Volk Vertrauen setzen soll.* Endlich kann sie [[A 96>> am wenigsten den Mystizism als Meinung des Volks, übernatürlicher Inspiration selbst teilhaftig werden zu können, zum Rang eines öffentlichen Kirchenglaubens [[A 97>> erheben, weil er gar nichts Öffentliches ist, und sich also dem Einfluss der Regierung gänzlich entzieht. FRIEDENS-ABSCHLUSS UND BEILEGUNG DES STREITS DER FAKULTÄTEN In Streitigkeiten, welche bloss die reine, aber praktische, Vernunft angehen, hat die philosophische Fakultät ohne Widerrede das Vorrecht, den Vortrag zu tun, und, was das Formale betrifft, den Prozess zu i n s t r u i e r e n; was aber das Materiale anlangt, so ist die theologische im Besitz, den Lehnstuhl, der den Vorrang bezeichnet, einzunehmen, nicht weil sie etwa in Sachen der Vernunft auf mehr Einsicht Anspruch machen kann, als die übrigen, sondern weil es die wichtigste menschliche Angelegenheit betrifft, und führt daher den Titel der o b e r s t e n Fakultät (doch nur als prima inter pares). – Sie spricht aber nicht nach Gesetzen der reinen und a priori erkennbaren Vernunftreligion (denn da würde sie sich erniedrigen, und auf die philo[[A 98>>sophische Bank herabsetzen), sondern nach s t a t u t a r i s c h e n, in einem Buche, vorzugsweise B i b e l genannt, enthaltenen Glaubensvorschriften, d. i., in einem Kodex der Offenbarung eines vor viel hundert Jahren geschlossenen alten und neuen Bundes der Menschen mit Gott, dessen Authentizität, als eines Geschichtsglaubens (nicht eben des moralischen; denn der würde auch aus der Philosophie gezogen werden können), doch mehr von der Wirkung, welche die Lesung der Bibel auf das Herz der Menschen tun mag, als von mit kritischer Prüfung der darin enthaltenen Lehren und Erzählungen aufgestellten Beweisen erwartet werden darf, dessen A u s l e g u n g auch nicht der natürlichen Vernunft der Laien, sondern nur der Scharfsinnigkeit der Schriftgelehrten überlassen wird.*

[[A 99>> Der biblische Glaube ist ein m e s s i a n i s c h e r Geschichtsglaube, dem ein Buch des Bundes Gottes mit Abraham zum Grunde liegt, und besteht aus einem m o s a i s c h- messianischen und einem e va ng e l i s c h-messianischen Kirchenglauben, der den Ursprung und die Schicksale des Volks Gottes so vollständig erzählt, dass er, von dem, was in der Weltgeschichte überhaupt das Oberste ist, und wobei kein Mensch zugegen war, nämlich dem Weltanfang (in der Genesis) anhebend, sie bis zum Ende aller Dinge (in der Apokalypsis) verfolgt – welches freilich von keinem andern, als einem göttlich-inspirierten *

Was den Staat in Religionsdingen allein interessieren darf, ist: wozu die Lehrer derselben anzuhalten sind, ) damit er nützliche Bürger, gute Soldaten, und überhaupt getreue Untertanen habe. Wenn er nun dazu die Einschärfung der Rechtgläubigkeit in statutarischen Glaubenslehren und eben solcher Gnadenmittel wählt, so kann er hiebei sehr übel fahren. Denn da das Annehmen dieser Statute eine leichte und dem schlechtdenkendsten Menschen weit leichtere Sache ist, als dem guten, dagegen die moralische Besserung der Gesinnung viel und lange Mühe macht, er aber von der ersteren hauptsächlich seine Seligkeit zu hoffen gelehrt worden ist, so darf er sich eben kein gross Bedenken machen, seine Pflicht (doch behutsam) zu übertreten, weil er ein unfehlbares Mittel bei der Hand hat, der göttlichen Strafgerechtigkeit (nur dass er sich nicht verspäten muss), durch seinen rechten Glauben an alle Geheimnisse und inständiger Benutzung der Gnadenmittel, zu entgehen: dagegen, wenn jene Lehre der Kirche geradezu auf die Moralität gerichtet sein würde, das Urteil seines Gewissens ganz anders lauten würde: nämlich dass, so viel er von dem Bösen, was er tat, nicht ersetzen kann, dafür müsse er einem künftigen Richter antworten, und dieses Schicksal abzuwenden vermöge kein kirchliches Mittel, kein durch Angst herausgedrängter Glaube, noch ein solches Gebet (desine fata deum flecti sperare precando – höre auf zu hoffen, das von den Göttern verhängte Schicksal werde durch Bitten verändart). – Bei welchem Glauben ist nun der Staat sicherer ? *

Im römisch-katholischen System des Kirchenglaubens ist, diesen Punkt (das Bibellesen) betreffend, mehr Konsequenz als im protestantischen. – Der reformierte Prediger, L a C o s t e, sagt zu seinen Glaubensgenossen: „schöpft das göttliche Wort aus der Quelle (der Bibel) selbst, wo ihr es dann lauter und unverfälscht einnehmen könnt; aber ihr müsst ja nichts anders in der Bibel finden, als was wir darin finden. – Nun, lieben Freunde, sagt uns lieber, was ihr in der Bibel [[Anm. A 99>> findet, damit wir nicht unnötiger Weise darin selbst suchen, und am Ende, was wir darin gefunden zu haben vermeinten, von euch für unrichtige Auslegung derselben erklärt werde.“ – Auch spricht die katholische Kirche , in dem Satze: „Ausser der Kirche (der katholischen) ist kein Heil“, konsequenter als die protestantische, wenn diese sagt: dass man auch als Katholik selig werden könne. Denn wenn das ist (sagt B o s s u e t), so wählt man ja am sichersten, sich zur ersteren zu schlagen. Denn noch seliger als selig kann doch kein Mensch zu werden verlangen.

Verfasser erwartet werden darf; – wobei sich doch eine bedenkliche Zahlen-Kabbala, in Ansehung der wichtigsten Epochen der heiligen [[A 100>> Chronologie darbietet, welche den Glauben an die Authentizität dieser biblischen G e s c h i c h t s e r z ä h l u n g etwas schwächen dürfte.* [[A 101>> Ein Gesetzbuch des nicht aus der menschlichen Vernunft gezogenen, aber doch mit ihr, als moralisch-praktischer Vernunft, dem Endzwecke nach vollkommen einstimmigen s t a t u t a r i s c h e n (mithin aus einer Offenbarung hervorgehenden) göttlichen Willens, die Bibel, [[A 102>> würde nun das kräftigste Organ der Leitung des Menschen und des Bürgers zum zeitlichen und ewigen Wohl sein, wenn sie nur als Gottes Wort begläubigt und ihre Authentizität dokumentiert werden könnte. – Diesem Umstande aber stehen viele Schwierigkeiten entgegen. Denn wenn Gott zum Menschen wirklich spräche, so kann dieser doch niemals w i s s e n, dass es Gott sei, der zu ihm spricht. Es ist schlechterdings unmöglich, dass der Mensch durch seine Sinne den Unendlichen fassen, ihn von Sinnenwesen unterscheiden, und ihn woran k e n n e n solle. – Dass es aber n i c h t Gott sein könne, dessen Stimme er zu hören glaubt, davon kann er sich wohl in einigen Fällen überzeugen; denn, wenn das, was ihm durch sie geboten wird, dem moralischen Gesetz zuwider ist, so mag die Erscheinung ihm noch so majestätisch, und die ganze Natur überschreitend dünken: er muss sie doch für Täuschung halten.* [[A 103>> Die Beglaubigung der Bibel nun, als eines in Lehre und Beispiel zur Norm dienenden evangelisch-messianischen Glaubens, kann nicht aus der Gottesgelährtheit ihrer Verfasser (denn der war immer ein dem möglichen Irrtum ausgesetzter Mensch), sondern *

70 apokalyptische Monate (deren es in diesem Zyklus 4 gibt), jeden zu 29½ Jahren, geben a 2065 Jahr. Davon jedes 49ste Jahr, als das grosse Ruhejahr (deren in diesem Zeitlaufe 42 sind), abgezogen: bleiben gerade 2023 als das Jahr, da Abraham aus dem Lande Kanaan, das ihm Gott geschenkt hatte, nach Ägypten ging. – Von da an bis zur Einnahme jenes Landes durch die Kinder Israel, 70 apokalyptische Wochen (= 490 Jahr) – und so 4mal solcher Jahrwochen zusammengezählt (= 1960) und mit 2023 addiert, geben, nach P. P e t a u Rechnung,das Jahr der Geburt Christi (=3983) so genau, dass auch nicht ein Jahr daran fehlt. – Siebzig Jahre hernach die Zerstörung Jerusalems (auch eine mystische Epoche). – – Aber B e n g e l, in ordine temporum pag. 9. it. p. 218 seqq., bringt 3939 als die Zahl der Geburt Christi, heraus ? Aber das andert nichts an der Heiligkeit des numerus septenarius. Denn die Zahl der Jahre vom Rufe Gottes an Abraham, bis zur Geburt Christi, ist 1960, welches 4 apokalyptische Perioden austrägt, jeden zu 490 oder auch 40 apok. Perioden, jeden zu 7 mal 7 = 49 Jahr. Zieht man nun von jedem neun und vierzigsten das g r o s s e Ruhejahr und von jedem g r ö s s t e n Ruhejahr, welches das 490ste ist, eines ab (zusammen 44), so bleibt gerade 3939. – Also sind die Jahrzahlen 3983 und 3939, als das verschieden angegebene Jahr [[Anm. A 101>> der Geburt Christi, nur darin unterschieden: dass die letztere entspringt, wenn in der Zeit der ersteren das, was zur Zeit der 4 grossen Epochen gehört, um die Zahl der Ruhejahre vermindert wird. Nach B e n g e l n würde die Tafel der heil. Geschichte so aussehen: 2023: Verheissung an Abraham, das Land Kanaan zu besitzen; 2502: Besitzerlangung desselben; 2981: Einweihung des ersten Tempels; 3460: Gegebener Befehl zur Erbauung des zweiten Tempels; 3939: Geburt Christi. Auch das Jahr der Sündflut lässt sich so a priori ausrechnen. Nämlich 4 Epochen zu 490 (= 70 x 7) Jahr machen 1960. Davon jedes 7te (= 280) abgezogen, bleiben 1680. Von diesen 1680 jedes darin enthaltene 70ste Jahr abgezogen (= 24), bleiben 1656, als das Jahr der Sündflut. – Auch von dieser bis zum R. G. an Abraham sind 366 volle Jahre, davon eines ein Schaltjahr ist.

Was soll man nun hiezu sagen ? Haben die heilige Zahlen etwa den Weltlauf bestimmt ?Franks C y c l u s iobilaeus dreht sich ebenfalls um diesen Mittelpunkt der mystischen Chronologie herum. *

Zum Beispiel kann die Mythe von dem Opfer dienen, das Abraham, auf göttlichen Befehl, durch Abschlachtung und Verbrennung seines einzigen Sohnes – (das arme Kind trug unwissend noch das Holz hinzu) – bringen wollte. Abraham hätte auf diese vermeinte göttliche Stimme antworten müssen: „dass ich meinen guten Sohn nicht töten solle, ist ganz gewiss; dass aber du, [[Anm. A 103>> der du mir erscheinst, Gott sei, davon bin ich nicht gewiss, und kann es auch nicht werden, wenn sie auch vom (sichtbaren) Himmel herabschallete“.

muss aus der Wirkung ihres Inhalts auf die Moralität des Volks, von Lehrern aus diesem Volk selbst, als Idioten (im Wissenschaftlichen), an sich, mithin als aus dem reinen Quell der allgemeinen, jedem gemeinen Menschen beiwohnenden Vernunftreligion geschöpft, betrachtet werden, die, eben durch diese Einfalt, auf die Herzen desselben den ausgebreitetsten und kräftigsten Einfluss haben musste. – Die Bibel war das Vehikel derselben, vermittelst gewisser statutarischer Vorschriften, welche der Ausübung der Religion in der bürgerlichen Gesellschaft eine F o r m als einer Regierung gab, und die Authentizität dieses Gesetzbuchs, als eines göttlichen (des Inbegriffs aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote) begläubigt also und dokumentiert sich selbst, was den Geist desselben (das Moralische) betrifft; was [[A 104>> aber den Buchstaben (das Statutarische) desselben anlangt, so bedürfen die Satzungen in diesem Buche keiner Begläubigung, weil sie nicht zum Wesentlichen (principale), sondern nur zum Beigeselleten (accessorium) desselben gehören. – – Den Ursprung aber dieses Buchs auf Inspiration seiner Verfasser (deus ex machina) zu gründen, um auch die unwesentliche Statute desselben zu heiligen, muss eher das Zutrauen zu seinem moralischen Wert schwächen, als es stärken. Die Beurkundung einer solchen Schrift, als einer göttlichen, kann von keiner Geschichtserzählung, sondern nur von der erprobten Kraft derselben, Religion in mensehlichen Herzen zu gründen, und, wenn sie durch mancherlei (alte oder neue) Satzungen verunartet wäre, sie durch ihre Einfalt selbst wieder in ihre Reinigkeit herzustellen, abgeleitet werden, welches Werk darum nicht aufhört, Wirkung der N a t u r und Erfolg der fortschreitenden moralischen Kultur in dem allgemeinen Gange der V o r s e h u n g zu sein, und als eine solche erklärt zu werden bedarf, damit die Existenz dieses Buchs nicht u n g l ä u b i s c h dem blossen Zufall, oder a b e r g l ä u b i s c h einem W u n d e r zugeschrieben [[a 105>> werde, und die Vernunft in beiden Fallen auf den Strand gerate. Der Schluss hieraus ist nun dieser: Die Bibel enthält in sich selbst einen, in praktischer Absicht hinreichenden, Begläubigungsgrund ihrer (moralischen) Göttlichkeit, durch den Einfluss, den sie, als Text einer systematischen Glaubenslehre, von jeher, sowohl in katechetischem als homiletischem Vortrage auf das Herz der Menschen ausgeübt hat, um sie als Organ, nicht allein der allgemeinen und inneren Vernunftreligion, sondern auch als Vermächtnis (neues Testament) einer statutarischen, auf unabsehliche Zeiten zum Leitfaden dienenden Glaubenslehre, aufzubehalten: es mag ihr auch in theoretischer Rücksicht für Gelehrte, die ihren Ursprung theoretisch und historisch nachsuchen, und für die kritische Behandlung ihrer Geschichte an Beweistümern viel oder wenig abgehen. – Die G ö t t l i c h k e i t ihres moralischen Inhalts entschädigt die Vernunft hinreichend wegen der Menschlichkeit der Geschichtserzählung, die, gleich einem alten Pergamente hin und wieder unleserlich, durch Akkomodationen und Konjekturen im Zusammenhange mit dem Ganzen müssen1 verständlich gemacht werden, und berechtigt dabei [[A 106>> doch zu dem Satz: dass die Bibel, g l e i c h a l s o b s i e e i n e g ö t t l i c h e O f f e n b a r u n g w ä r e, aufbewahrt, moralisch benutzt, und der Religion, als ihr Leitmittel, untergelegt zu werden verdiene. Die Keckheit der Kraftgenies, welche diesem Leitbande des Kirchenglaubens sich jetzt schon entwachsen zu sein wähnen, sie mögen nun, als Theophilanthropen, in öffentlichen, dazu errichteten Kirchen, oder, als Mystiker, bei der Lampe innerer Offenbarungen schwärmen, würde die Regierung bald ihre Nachsicht bedauren machen, jenes grosse Stiftungs- und Leitungsmittel der bürgerlichen Ordnung und Ruhe vernachlässigt, und leichtsinnigen Händen überlassen zu haben. – Auch ist nicht zu erwarten, dass, wenn die Bibel, die wir haben, ausser Kredit kommen sollte, eine andere an ihrer Stelle emporkommen würde; denn öffentliche Wunder machen sich nicht zum zweitenmale in derselben Sache: weil das Fehlschlagen des vorigen, in Absicht auf die Dauer, dem folgenden allen Glauben benimmt; – wiewohl doch auch andererseits auf das Geschrei der A l a r m i s t e n (das Reich 1

Akad.-Ausg.: „muss”.

ist in Gefahr) nicht zu achten ist, wenn in gewissen Statuten der Bibel, welche mehr die Förmlichkeiten, als den inneren [[A 107>> Glaubensgehalt der Schrift betreffen, selbst an den Verfassern derselben einiges gerügt werden sollte: weil das Verbot der Prüfung einer Lehre der Glaubensfreiheit zuwider ist. – Dass aber ein Geschichtsglaube Pflicht sei, und zur Seligkeit gehöre, ist Aberglaube.* [[A 108>> Von der biblischen A u s l e g u n g s k u n s t (hermeneutica sacra), da sie nicht den Laien überlassen werden kann (denn sie betrifft ein wissenschaftliches System), darf nun, lediglich, in Ansehung dessen, was in der Religion statutarisch ist, verlangt werden: dass der Ausleger sich erkläre, ob sein Ausspruch als a u t h e n t i s c h, oder als d o k t r i n a l verstanden werden [[A 109>> solle. – Im ersteren Falle muss die Auslegung dem Sinne des Verfassers buchstäblich (philologisch) angemessen sein; im zweiten aber hat der Schriftsteller2 die Freiheit, der Schriftstelle (philosophisch) denjenigen Sinn unterzulegen, den sie in moralisch-praktischer Absicht (zur Erbauung des Lehrlings) in der Exegese annimmt; denn der Glaube an einen blossen Geschichtssatz ist tot an ihm selber. – Nun mag wohl die erstere für den Schriftgelehrten, und indirekt auch für das Volk in gewisser pragmatischen Absicht wichtig genug sein, aber der eigentliche Zweck der Religionslehre, moralisch bessere Menschen zu bilden, kann auch dabei nicht allein verfehlt, sondern wohl gar verhindert werden. – Denn die heilige Schriftsteller können als Menschen auch geirret haben (wenn man nicht ein durch die Bibel beständig fortlaufendes Wunder annimmt), wie z. B. der h. P a u l mit seiner Gnadenwahl, welche er aus der mosaisch-messianischen Schriftlehre in die evangelische treuherzig überträgt, ob er zwar über die Unbegreiflichkeit der Verwerfung gewisser Menschen, ehe sie noch geboren waren, sich in grosser Verlegenheit befindet, und so, wenn man die Hermeneutik der Schriftgelehrten als kontinuierlich dem Ausleger zu Teil [[A 110>> gewordene Offenbarung annimmt, der Göttlichkeit der Religion beständig Abbruch tun muss. – Also ist nur die d o k t r i n a l e Auslegung, welche nicht (empirisch) zu wissen verlangt, was der heilige Verfasser mit seinen Worten für einen Sinn verbunden haben mag, sondern was die Vernunft (a priori) in moralischer Rücksicht bei Veranlassung einer Spruchstelle als Text der Bibel für eine Lehre unterlegen kann, die einzige evangelischbiblische Methode der Belehrung des Volks in der wahren inneren und allgemeinen Religion, die von dem partikulären Kirchenglauben als Geschichtsglauben – unterschieden ist; wobei dann alles mit Ehrlichkeit und Offenheit, ohne Täuschung zugeht, da hingegen das Volk, mit einem Geschichtsglauben, den keiner desselben sich zu beweisen vermag, statt des *

A b e r g l a u b e ist der Hang, in das, was als nicht natürlicher Weise zugehend vermeint wird, ein grösseres Vertrauen zu setzen, als was sich naeh Naturgesetzen erklären lässt – es sei im Physischen oder Moralischen. – Man kann also die Frage aufwerfen: ob der Bibelglaube (als empirischer), oder ob umgekehrt die Moral (als reiner Vernunft- und Religionsglaube) dem Lehrer zum Leitfaden dienen solle: Mit anderen Worten: ist die Lehre von Gott, weil sie in der Bibel steht, oder steht sie in der Bibel, weil sie von Gott ist ? – Der erstere Satz ist augenscheinlich inkonsequent; weil das göttliche Ansehen des Buchs hier vorausgesetzt werden muss, um die Göttlichkeit der Lehre desselben zu beweisen. Also kann nur der zweite Satz Statt finden, der aber schlechterdings keines Beweises fähig ist (supernaturalium non datur scientia). – – Hievon ein Beispiel. – Die Jünger des mosaisch-messianischen Glaubens sahen ihre Hoffnung aus dem Bunde Gottes mit Abraham nach Jesu Tode ganz sinken (wir hofften, er würde Israel erlösen); denn nur den Kindern Abrahams war in ihrer Bibel das Heil verheissen. Nun trug es sich zu, dass, da am Pfingstfeste die Jünger [[Anm. A 108>> versammelt waren, einer derselben auf den glücklichen, der subtilen jüdischen Auslegungskunst angemessenen Einfall geriet, dass auch die Helden (Griechen und Römer) als in diesen Bund aufgenommen betrachtet werden könnten: wenn sie an das Opfer, welches Abraham Gotte mit seinem einzigen Sohne bringen wollte (als dem Sinnbilde des einigen Opfers des Weltheilandes), glaubeten; denn da wären sie Kinder Abrahams im Glauben (zuerst unter, dann aber auch ohne die Beschneidung). – Es ist kein Wunder, dass diese Entdeckung, die in einer grossen Volksversammlung eine so unermessliche Aussicht eröffnete, mit dem grössten Jubel, und als ob sie unmittelbare Wirkung des heil. Geistes gewesen wäre, aufgenommen und für ein Wunder gehalten wurde, und als ein solches in biblische (Apostel-) Geschichte kam, bei der es aber gar nicht zur Religion gehört, sie als Faktum zu glauben, und diesen Glauben der natürlichen Menschenvernunft aufzudringen. Der durch Furcht abgenötigte Gehorsam in Ansehung eines solchen Kirchenglaubens, als zur Seligkeit erforderlich, ist also Aberglaube. 2 Akad.-Ausg. erwägt: „Schriftgelehrte”.

moralischen (allein seligmachenden), den ein jeder fasst, in seiner Absicht (die es haben muss) g e t ä u s c h t, seinen Lehrer anklagen kann. In Absicht auf die Religion eines Volks, das eine heilige Schrift zu verehren gelehrt worden ist, ist nun die doktrinale Auslegung derselben, welche sich auf sein (des Volks) moralisches Interesse – der Erbauung, sittlichen Besserung und so der Seligwerdung – be[[A 111>>zieht, zugleich die authentische: d. i., so will Gott seinen in der Bibel geoffenbarten Willen verstanden wissen. Denn es ist hier nicht von einer bürgerlichen, das Volk unter Disziplin haltenden (politischen), sondern einer auf das Innere der moralischen Gesinnung abzweckenden (mithin göttlichen) Regierung die Rede. Der Gott, der durch unsere eigene (moralisch-praktische) Vernunft spricht, ist ein untrüglicher allgemein verständlicher Ausleger dieses seines Worts, und es kann auch schlechterdings keinen anderen (etwa auf historische Art) beglaubigten Ausleger seines Worts geben; weil Religion eine reine Vernunftsache ist. * * Und so haben die Theologen der Fakultät die Pflicht auf sich, mithin auch die Befugnis, den Bibelglauben aufrecht zu erhalten: doch unbeschadet der Freiheit der Philosophen, ihn jederzeit der Kritik der Vernunft zu unterwerfen, welche im Falle einer Diktatur (des Religionsedikts), die jener oberen etwa auf kurze Zeit eingeräumt werden dürfte, sich durch die solenne Formel bestens verwahren: Provideant consules, ne quid Respublica detrimenti capiat.1 [[A 112>> ANHANG BIBLISCH-HISTORISCHER FRAGEN, ÜBER DIE PRAKTISCHE BENUTZUNG UND MUTMASSLICHE ZEIT DER FORTDAUER DIESES HEILIGEN BUCHS Dass es, bei allem Wechsel der Meinungen, noch lange Zeit im Ansehen bleiben werde, dafür bürgt die Weisheit der Regierung, als deren Interesse, in Ansehung der Eintracht und Ruhe des Volks in einem Staat, hiemit in enger Verbindung steht. Aber ihm die Ewigkeit zu verbürgen, oder auch es, chiliastisch, in ein neues Reich Gottes auf Erden übergehen zu lassen, das übersteigt unser ganzes Vermögen der Wahrsagung. – Was würde also geschehen, wenn der Kirchenglaube dieses grosse Mittel der Volksleitung einmal entbehren müsste ?

Wer ist der Redakteur der biblischen Bücher (alten und neuen Testaments) und zu welcher Zeit ist der Kanon zu Stande gekommen ? Werden philologisch-antiquarische Kenntnisse immer zur Erhaltung der einmal angenommenen Glau[[A 113>>bensnorm nötig sein, oder, wird die Vernunft den Gebrauch derselben zur Religion dereinst von selbst und mit allgemeiner Einstimmung anzuordnen im Stande sein ? Hat man hinreichende Dokumente der Authentizität der Bibel nach den sogenannten 70 Dolmetschern, und von welcher Zeit kann man sie mit Sicherheit datieren ? u.s.w. __________ Die praktische, vornehmlich öffentliche, Benutzung dieses Buchs in Predigten ist ohne Zweifel diejenige, welche zur Besserung der Menschen und Belebung ihrer moralischen Triebfedern (zur Erbauung) beiträgt. Alle andere Absicht muss ihr nachstehen, wenn sie hiemit in Kollision kommt. – Man muss sich daher wundern: dass diese Maxime noch hat bezweifelt werden können, und eine p a r a p h r a s t i s c h e Behandlung eines Texts der p a r ä n e t i s c h e n, wenn gleich nicht vorgezogen, doch durch die erstere wenigstens hat in Schatten gestellt werden sollen. – Nicht die Schriftgelahrtheit, und was man vermittelst ihrer aus der Bibel, durch philologische Kenntnisse, die oft nur verunglückte Konjekturen [[A 114>> sind, h e r a u s z i e h t, sondern was man mit moralischer Denkungsart (also nach dem Geiste Gottes) in sie h i n e i n t r ä g t, und Lehren, die nie trügen, auch nie ohne heilsame 1

Übersetzung des Herausgebers: „Die Konsuln mögen zusehen, dass der Staat keinen Schaden nehme.“

Wirkung sein können, das muss diesem Vortrage ans Volk die Leitung geben: nämlich den Text n u r (wenigstens h a u p t s ä c h l i c h) als Veranlassung zu allem Sittenbessernden, was sich dabei denken lässt, zu behandeln, ohne was die heil. Schriftsteller dabei selbst im Sinne gehabt haben möchten, nachforschen zu dürfen. – Eine auf Erbauung, als Endzweck, gerichtete Predigt (wie denn das eine jede sein soll) muss die Belehrung aus den H e r z e n der Zuhörer, nämlich der natürlichen moralischen Anlage, selbst des unbelehrtesten Menschen, entwickeln; wenn die dadurch zu bewirkende Gesinnung lauter sein soll. Die damit verbundene Z e u g n i s s e der Schrift sollen auch nicht die Wahrheit dieser Lehren b e s t ä t i g e n d e historische Beweisgrunde sein (denn deren bedarf die sittlich-tätige Vernunft hiebei nicht: und das empirische Erkenntnis vermag es auch nicht), sondern bloss Beispiele der Anwendung der praktischen Vernunftprinzipien auf Facta der h. Geschichte, um ihre Wahrheit anschaulicher zu machen; welches aber auch ein sehr [[A 115>> schätzbarer Vorteil für Volk und Staat auf der ganzen Erde ist.

ANHANG VON EINER REINEN MYSTIK IN DER RELIGION* Ich habe aus der Kritik der reinen Vernunft gelernet, dass Philosophie nicht etwa eine Wissenschaft der Vorstellungen, Begriffe und Ideen, oder eine Wissenschaft aller Wissenschaften, oder sonst etwas Ähnliches sei; sondern eine Wissenschaft des Menschen, seines Vorstel[[A 116>>lens, Denkens und Handelns; – sie soll den Menschen nach allen seinen Bestandteilen darstellen, wie er ist und sein soll, d. h., sowohl nach seinen Naturbestimmungen, als auch nach seinem Moralitäts- und Freiheitsverhältnis. Hier wies nun die alte Philosophie dem Menschen einen ganz unrichtigen Standpunkt in der Welt an, indem sie ihn in dieser zu einer Maschine machte, die, als solche, gänzlich von der Welt, oder von den Aussendingen und Umständen, abhängig sein musste; sie machte also den Menschen zu einem beinahe bloss p a s s i v e n Teile der Welt. – Jetzt erschien die Kritik der Vernunft, und bestimmte dem Menschen in der Welt eine durchaus a k t i v e Existenz. Der Mensch selbst ist ursprünglich Schöpfer aller seiner Vorstellungen und Begriffe, und soll einziger Urheber aller seiner Handlungen sein. Jenes „i s t“, und dieses „s o l l“, führt auf zwei ganz verschiedene Bestimmungen am Menschen. Wir bemerken daher auch im Menschen zweierlei ganz verschiedenartige Teile, nämlich auf der einen Seite Sinnlichkeit und Verstand, und auf der andern Vernunft und freien Willen, die sich sehr wesentlich von einander unterscheiden. In der Natur ist alles; es ist von keinem S o l l in ihr die Rede; Sinnlichkeit und Verstand gehen aber nur immer [[A 117>> darauf aus, zu bestimmen, was, und wie es ist; sie müssen also für die Natur, für diese Erdenwelt, bestimmt sein, und mithin zu ihr gehören. Die Vernunft will beständig ins Übersinnliche, wie es wohl über die sinnliche Natur hinaus beschaffen s e i n m ö c h t e: sie scheint also, obzwar ein theoretisches Vermögen, dennoch gar nicht für diese Sinnlichkeit bestimmt zu sein; der freie Wille aber besteht ja in einer Unabhängigkeit von den Aussendingen; diese sollen nicht Triebfedern des Handlens für den Menschen sein; er kann also noch weniger zur Natur gehören. Aber wohin denn ? Der Mensch muss für zwei ganz verschiedene Welten bestimmt sein, einmal für das Reich der Sinne und des Verstandes, also für diese Erdenwelt; dann aber auch noch fiir eine andere Welt, die wir nicht kennen, für ein Reich der Sitten.

Was den Verstand betrifft, so ist dieser schon fur sich durch seine Form auf diese Erdenwelt eingeschränkt; denn er besteht bloss aus Kategorien, d. h., Äusserungsarten, die bloss auf sinnliche Dinge sich beziehen können. Seine Grenzen sind ihm also scharf gesteckt. Wo die Kategorien aufhören, da hört auch der Verstand auf; weil sie ihn erst bilden und zusammensetzen. (Ein Beweis für die bloss irdische, oder Naturbestim[[A 118>>mung des Verstandes scheint mir auch dieses zu sein, dass wir in Rücksicht der Verstandeskräfte eine Stufenleiter in der Natur finden, vom klügsten Menschen bis zum dümmsten Tiere (indem wir doch den Instinkt auch als eine Art von Verstand ansehen können, in sofern zum blossen *

In einem seiner Dissertation: De similitudine inter Mysticismum purum et Kantianam religionis doctrinam. Auctore Carol. Arnold. W i l l m a n s, Bielefelda-Guestphalo, Halis Saxonum 1797 beigefügten Briefe, welchen ich, mit seiner Erlaubnis, und mit Weglassung der Einleitungs- und Schlusshöflichkeitsstellen, hiemit liefere, und welcher diesen jetzt der Arzneiwissenschaft sich widmenden jungen Mann als einen solchen bezeichnet, von dem sich auch in anderen Fichern der Wissenschaft viel erwarten lässt. Wobei ich gleichwohl jene Ähnlichkeit meiner Vorstellungsart mit der seinigen unbedingt einzugestehen nicht gemeint bin.

Verstande der freie Wille nicht gehört.)) Aber nicht so in Rücksicht der Moralität, die da aufhört, wo die Menschheit aufhört, und die in allen Menschen ursprünglich dasselbe Ding ist. Der Verstand muss also bloss zur Natur gehören, und, wenn der Mensch bloss Verstand hätte, ohne Vernunft, und freien Willen, oder ohne Moralität, so würde er sich in nichts von den Tieren unterscheiden, und vielleicht bloss an der Spitze ihrer Stufenleiter stehen, da er hingegen jetzt, im Besitz der Moralität, als freies Wesen, durchaus und wesentlich von den Tieren verschieden ist, auch von dem klügsten (dessen Instinkt oft deutlicher und bestimmter wirkt, als der Verstand der Menschen). – Dieser Verstand aber ist ein gänzlich aktives Vermögen des Menschen; alle seine Vorstellungen und Begriffe sind bloss s e i n e Geschöpfe, der Mensch denkt mit seinem Verstande ursprünglich, und er schafft sich also s e i n e Welt. Die Aussendinge sind nur Gelegenheitsursachen der Wirkung des Verstandes, sie reizen [[A 119>> ihn zur Aktion, und das Produkt dieser Aktion sind Vorstellungen und Begriffe. Die Dinge also, worauf sich diese Vorstellungen und Begriffe beziehen, können nicht das sein, was unser Verstand vorstellt; denn der Verstand kann nur Vorstellungen und s e i n e Gegenstände, nicht aber wirkliche Dinge schaffen, d. h., die Dinge können unmöglich durch diese Vorstellungen und Begriffe vom Verstande als solche, wie sie an sich sein mögen, erkannt werden; die Dinge, die unsere Sinne und unsern Verstand 1 darstellen, sind vielmehr an sich nur Erscheinungen, d. i., Gegenstände unserer Sinne und unseres Verstandes, die das Produkt aus dem Zusammentreffen der Gelegenheitsursachen und der Wirkung des Verstandes sind, die aber deswegen doch nicht Schein sind, sondern die wir im praktischen Leben für uns als wirkliche Dinge und Gegenstände unserer Vorstellungen ansehen können; eben weil wir die wirklichen Dinge als jene Gelegenheitsursachen supponieren müssen. Ein Beispiel gibt die Naturwissenschaft. Aussendinge wirken auf einen aktionsfähigen Körper und reizen diesen dadurch zur Aktion; das Produkt hievon ist Leben. – Was ist aber Leben ? Physisches Anerkennen seiner Existenz in der Welt, und seines Verhältnisses zu den Aussendingen; der Körper lebt dadurch, dass er auf die [[A 120>> Aussendinge reagiert, sie als seine Welt ansieht, und sie zu seinem Zweck gebraucht, ohne sich weiter um ihr Wesen zu bekümmern. Ohne Aussendinge wäre dieser Körper kein lebender Körper, und ohne Aktionsfähigkeit des Körpers wären die Aussendinge nicht seine Welt. Eben so mit dem Verstande. Erst durch sein Zusammentreffen mit den Aussendingen entsteht diese seine Welt; ohne Aussendinge ware er tot – ohne Verstand aber wären keine Vorstellungen, ohne Vorstellungen keine Gegenstände, und ohne diese nicht diese seine Welt; so wie mit einem anderen Verstande auch eine andere Welt da sein würde, welches durch das Beispiel von Wahnsinnigen klar wird. Also der Verstand ist Schöpfer seiner Gegenstände und der Welt, die aus ihnen besteht; aber so, dass wirkliche Dinge die Gelegenheitsursachen seiner Aktion und also der Vorstellungen sind. Dadurch unterscheiden sich nun diese Naturkräfte des Menschen wesentlich von der Vernunft und dem freien Willen. Beide machen zwar auch aktive Vermögen aus, aber die Gelegenheitsursachen ihrer Aktion sollen nicht aus dieser Sinnenwelt genommen sein. Die Vernunft, als theoretisches Vermögen, kann also hier gar keine Gegenstände haben, ihre Wirkungen können [[A 121>> nur Ideen sein, d. h., Vorstellungen der Vernunft, denen keine Gegenstände entsprechen, weil nicht wirkliche Dinge, sondern etwa nur Spiele des Verstandes die Gelegenheitsursachen ihrer Aktion sind. Also kann die Vernunft, als theoretisches spekulatives Vermögen, hier in dieser Sinnenwelt gar nicht gebraucht werden (und muss folglich, weil sie doch einmal als solches da ist, für eine andere Welt bestimmt sein), sondern nur als praktisches Vermögen, zum Behuf des freien Willens. Dieser nun ist bloss und allein praktisch; das Wesentliche desselben besteht darin, dass seine Aktion nicht Reaktion, sondern eine reine objektive Handlung sein soll, oder dass die Triebfedern seiner Aktion nicht mit den Gegenständen derselben zusammenfallen sollen; dass er also unabhängig von den Vorstellungen des Verstandes, weil dieses eine verkehrte und verderbte Wirkungsart 1

Akad.-Ausg.: „unser Verstand“.

derselben veranlassen würde, als auch unabhängig von den Ideen der spekulativen Vernunft handeln soll, weil diese, da ihnen nichts Wirkliches entspricht, leicht eine falsche und grundlose Willensbestimmung verursachen könnten. Also muss die Triebfeder der Aktion des freien Willens etwas sein, was im innern Wesen des Menschen selbst gegründet und von der Freiheit des Willens selbst unzertrennlich ist. Dieses ist nun das moralische [[A 122>> Gesetz, welches uns durchaus so aus der Natur herausreisst, und über sie erhebt, dass wir, als moralische Wesen, die Naturdinge weder zu Ursachen und Triebfedern der Aktion des Willens bedürfen, noch sie als Gegenstände unseres Wollens ansehen können, in deren Stelle vielmehr nur die moralische Person der Menschheit tritt. Jenes Gesetz sichert uns also eine bloss dem Menschen eigentümliche und ihn von allen übrigen Naturteilen unterscheidende Eigenschaft, die Moralität, vermöge welcher wir unabhängige und freie Wesen sind, und die selbst wieder durch diese Freiheit begründet ist. – Diese Moralität, und nicht der Verstand, ist es also, was den Menschen erst zum Menschen macht. So sehr auch der Verstand ein völlig aktives und in sofern selbständiges Vermögen ist, so bedarf er doch zu seiner Aktion der Aussendinge, und ist auch zugleich auf sie eingeschränkt; da hingegen der freie Wille völlig unabhängig ist, und einzig durch das innere Gesetz bestimmet werden soll: d. h., der Mensch bloss durch sich selbst, sofern er sich nur zu seiner ursprünglichen Würde und Unabhängigkeit von allem, was nicht das Gesetz ist, erhoben hat. Wenn also dieser unser Verstand ohne diese seine Aussendinge nichts, wenigstens nicht d i e s e r Verstand sein würde, so bleiben Vernunft [[A 123>> und freier Wille dieselben, ihr Wirkungskreis sei, welcher er wolle. (Sollte hier der freilich hyperphysische Schluss wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit gemacht werden können: „dass mit dem Tode des Menschenkörpers auch dieser sein Verstand stirbt und verloren geht, mit allen seinen irdischen Vorstellungen, Begriffen und Kenntnissen; weil doch dieser Verstand immer nur für irdische, sinnliche Dinge brauchbar ist, und, sobald der Mensch ins Übersinnliche sich versteigen will, hier sogleich aller Verstandesgebrauch aufhört, und der Vernunftgebrauch dagegen eintritt“ ? Es ist dieses eine Idee, die ich nachher auch bei den Mystikern, aber nur dunkel gedacht, nicht behauptet, gefunden habe, und die gewiss zur Beruhigung und vielleicht auch moralischen Verbesserung vieler Menschen beitragen würde. Der Verstand hängt so wenig, wie der Körper, vom Menschen selbst ab. Bei einem fehlerhaften Körperbau beruhigt man sich, weil man weiss, er ist nichts Wesentliches – ein gutgebaueter Körper hat nur hier auf der Erde seine Vorzüge. Gesetzt, die Idee würde allgemein, dass es mit dem Verstande eben so ware, sollte das nicht für die Moralität der Menschen erspriesslich sein ? Die neuere Naturlehre des Menschen harmoniert sehr mit dieser Idee, indem sie den Verstand [[A 124>> bloss als etwas vom Körper Abhängiges und als ein Produkt der Gehirnwirkung ansieht. S. R e i l s physiologische Schriften. Auch die ältern Meinungen von der Materialität der Seele liessen sich hierdurch auf etwas Reales zurückbringen.) – Der fernere Verlauf der kritischen Untersuchung der menschlichen Seelenvermögen stellte die natürliche Frage auf: hat die unvermeidliche und nicht zu unterdrückende Idee der Vernunft von einem Urheber des Weltalls, und also unserer selbst und des moralischen Gesetzes auch wohl einen gültigen Grund, da jeder theoretische Grund seiner Natur nach untauglich zur Befestigung und Sicherstellung jener Idee ist ? Hieraus entstand der so schöne moralische Beweis für das Dasein Gottes, der jedem, auch wenn er nicht wollte, doch insgeheim auch deutlich und hinlänglich beweisend sein muss. Aus der durch ihn nun begründeten Idee von einem Weltschöpfer aber ging endlich die praktische Idee hervor, von einem allgemeinen moralischen Gesetzgeber für alle unsere Pflichten, als Urheber des uns inwohnenden moralischen Gesetzes. Diese Idee bietet dem Menschen eine ganz neue Welt dar. Er fühlt sich für ein anderes Reich geschaffen, als fur das Reich der Sinne und des Verstandes – nämlich für ein moralisches Reich, für ein [[A 125>> Reich Gottes. Er erkennt nun seine Pflichten zugleich als göttliche Gebote, und es entsteht in ihm ein neues Erkenntnis, ein neues Gefühl, nämlich Religion. – So weit, ehrwürdiger Vater, war ich in dem Studio Ihrer Schriften gekommen, als ich eine Klasse von Menschen kennen lernte, die man

Separatisten nennt, die aber sich selbst M y s t i k e r nennen, bei welchen ich fast buchstäblich Ihre Lehre in Ausübung gebracht fand. Es hielt freilich anfangs schwer, diese in der mystischen Sprache dieser Leute wieder zu finden; aber es gelang mir nach anhaltendem Suchen. Es fiel mir auf, dass diese Menschen ganz ohne Gottesdienst lebten; alles verwarfen, was Gottesdienst heisst, und nicht in Erfüllung seiner Pflichten besteht; dass sie sich für religiöse Menschen, ja für Christen hielten, und doch die Bibel nicht als ihr Gesetzbuch ansahen, sondern nur von einem inneren, von Ewigkeit her in uns einwohnenden, Christentum sprachen. – Ich forschte nach dem Lebenswandel dieser Leute, und fand (räudige Schafe ausgenommen, die man in jeder Herde, ihres Eigennutzes wegen, findet) bei ihnen reine moralische Gesinnungen und eine beinahe stoische Konsequenz in ihren Handlungen. Ich untersuchte ihre Lehre und ihre Grundsätze, und fand im wesentlichen ganz Ihre Moral und Re[[A 126>>ligionslehre wieder, jedoch immer mit dem Unterschiede, dass sie das innere Gesetz, wie sie es nennen, für eine innere Offenbarung, und also bestimmt Gott für den Urheber desselben halten. Es ist wahr, sie halten die Bibel für ein Buch, welches auf irgend eine Art, worauf sie sich nicht weiter einlassen, göttlichen Ursprungs ist; aber, wenn man genauer forscht, so findet man, dass sie diesen Ursprung der Bibel erst aus der Übereinstimmung der Bibel, der in ihr enthaltenen Lehren, mit ihrem inneren Gesetze schliessen: denn wenn man sie z.B. fragt, warum ? so ist ihre Antwort: sie legitimiert sich in meinem Inneren, und ihr werdet es eben so finden, wenn ihr der Weisung eures inneren Gesetzes oder den Lehren der Bibel Folge leistet. Eben deswegen halten sie sie auch nicht für ihr Gesetzbuch, sondern nur für eine historische Bestätigung, worin sie das, was in ihnen selbst ursprünglich gegründet ist, wiederfinden. Mit einem Worte, diese Leute würden (verzeihen Sie mir den Ausdruck) wahre Kantianer sein, wenn sie Philosophen wären. Aber sie sind grösstenteils aus der Klasse der Kaufleute, Handwerker und Landbauern; doch habe ich hin und wieder auch in höheren Ständen und unter den Gelehrten einige gefunden; aber nie einen Theologen, denen diese Leute [[A 127>> ein wahrer Dorn im Auge sind, weil sie ihren Gottesdienst nicht von ihnen unterstützt sehen, und ihnen doch, wegen ihres exemplarischen Lebenswandels und Unterwerfung in jede bürgerliche Ordnung, durchaus nichts anhaben können. Von den Quäkern unterscheiden sich diese Separatisten nicht in ihren R e l i g i o n s g r u n d s ä t z e n, aber wohl in der Anwendung derselben aufs gemeine Leben. Denn sie kleiden sich z. B., wie es gerade Sitte ist, und bezahlen alle sowohl Staatsals kirchliche Abgaben. Bei dem gebildeten Teile derselben habe ich nie Schwärmerei gefunden, sondern freies vorurteilloses Räsonnement und Urteil über religiose Gegenstände. [[A 129>> Z W E I T E R A B S C H N I T T DER STREIT DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT MIT DER JURISTISCHEN [[A 131>> ERNEUERTE FRAGE: OB DAS MENSCHLICHE GESCHLECHT IM BESTÄNDIGEN FORTSCHREITEN ZUM BESSEREN SEI ? 1. WAS WILL MAN HIER WISSEN ? Man verlangt ein Stück von der Menschengeschichte, und zwar nicht das von der vergangenen, sondern der künftigen Zeit, mithin eine v o r h e r s a g e n d e, welche, wenn sie nicht nach bekannten Naturgesetzen (wie Sonnen- und Mondfinsternisse) geführt wird, w a h r s a g e n d und doch natürlich, kann sie aber nicht anders, als durch übernatürliche Mitteilung und Erweiterung der Aussicht in die künftige Zeit erworben werden,

w e i s s a g e n d (prophetisch) genannt wird. * – Ü[[A 132>>brigens ist es hier auch nicht um die Naturgeschichte des Menschen (ob etwa künftig neue Rassen derselben entstehen möchten), sondern um die S i t t e n g e s c h i c h t e, und zwar nicht nach dem G a t t u n g s b e g r i f f (singulorum), sondern dem G a n z e n der gesellschaftlich auf Erden vereinigten, in Völkerschaften verteilten Menschen (universorum) zu tun, wenn gefragt wird: ob das menschliche G e s c h l e c h t (im grossen) zum Besseren beständig fortschreite. 2. WIE KANN MAN ES WISSEN? Als wahrsagende Geschichtserzählung des Bevorstehenden in der künftigen Zeit: mithin als eine a priori mögliche Darstellung der Begebenheiten, die da kommen sollen. – Wie ist aber eine Geschichte a priori möglich? – Antwort: wenn der Wahrsager die Begebenheiten selber m a c h t und veranstaltet, die er zum voraus verkündigt. Jüdische Propheten hatten gut weissagen, dass über kurz oder lang nicht bloss Verfall, sondern gänzliche Auflösung ihrem Staat bevorstehe; denn sie waren selbst die Urheber dieses ihres Schicksals. – Sie hatten, [[A 133>> als Volksleiter, ihre Verfassung mit so viel kirchlichen und daraus abfliessenden bürgerlichen Lasten beschwert, dass ihr Staat völlig untauglich wurde, für sich selbst, vornehmlich mit benachbarten Völkern zusammen, zu bestehen, und die Jeremiaden ihrer Priester mussten daher natürlicher Weise vergeblich in der Luft verhallen; weil diese hartnäckicht auf ihrem Vorsatz einer unhaltbaren, von ihnen selbst gemachten, Verfassung beharreten, und so von ihnen selbst der Ausgang mit Unfehlbarkeit vorausgesehen werden konnte. Unsere Politiker machen, so weit ihr Einfluss reicht, es eben so, und sind auch im Wahrsagen eben so glücklich. – Man muss, sagen sie, die Menschen nehmen, wie sie sind, nicht wie der Welt unkundige Pedanten oder gutmütige Phantasten träumen, dass sie sein sollten. Das w i e s i e s i n d aber sollte heissen: wozu wir sie durch ungerechten Zwang, durch verräterische, der Regierung an die Hand gegebene, Anschlage g e m a c h t h a b e n, nämlich halsstarrig und zur Empörung geneigt; wo dann freilich, wenn sie ihre Zügel ein wenig sinken lässt, sich traurige Folgen eräugnen, welche die Prophezeiung jener vermeintlich-klugen Staatsmänner wahrmachen. [[A 134>> Auch Geistliche weissagen gelegentlich den gänzlichen Verfall der Religion, und die nahe Erscheinung des Antichrists; während dessen sie gerade das tun, was erforderlich ist, ihn einzuführen, indem sie nämlich ihrer Gemeine nicht sittliche Grundsätze ans Herz zu legen bedacht sind, die geradezu aufs Bessern führen, sondern Observanzen und historischen Glauben zur wesentlichen Pflicht machen, die es indirekt bewirken sollen; woraus zwar mechanische Einhelligkeit, als in einer bürgerlichen Verfassung, aber keine in der moralischen Gesinnung erwachsen kann: alsdenn aber über Irreligiosität klagen, welche sie selber gemacht haben; die sie also, auch ohne besondere Wahrsagergabe, vorher verkündigen konnten. 3. EINTEILUNG DES BEGRIFFS VON DEM, WAS MAN FÜR DIE ZUKUNFT VORHERWISSEN WILL Der Fälle, die eine Vorhersagung enthalten können, sind drei. Das menschliche Geschlecht ist entweder im kontinuierlichen R ü c k g a n g e zum Ärgeren, oder im beständigen F o r t g a n g e zum Besseren in seiner moralischen Bestimmung, oder im ewigen S t i l l s t a n d e [[A 135>> auf der jetzigen Stufe seines sittlichen Werts unter den Gliedern der Schöpfung (mit welchem die ewige Umdrehung im Kreise um denselben Punkt einerlei ist). Die e r s t e Behauptung kann man den moralischen T e r r o r i s m u s, die z w e i t e den E u d ä m o n i s m u s (der, das Ziel des Fortschreitens im weiten Prospekt gesehen, auch C h i l i a s m u s genannt werden würde), die d r i t t e aber den A b d e r i t i s m u s nennen; weil, da ein wahrer Stillstand im Moralischen nicht *

Wer ins Wahrsagen pfuschert (es ohne Kenntnis oder Ehrlichkeit tut), von dem heisst es: er w a h r s a g e r t; von der Pythia an bis zur Zigeunerin.

möglich ist, ein beständig wechselndes Steigen, und eben so öfteres und tiefes Zurückfallen (gleichsam ein ewiges Schwanken) nichts mehr austrägt, als ob das Subjekt auf derselben Stelle und im Stillstande geblieben wäre.

a. VON DER TERRORISTISCHEN VORSTELLUNGSART DER MENSCHENGESCHICHTE Der Verfall ins Ärgere kann im menschlichen Geschlechte nicht beständig fortwährend sein; denn bei einem gewissen Grade desselben würde es sich selbst aufreiben. Daher beim Anwachs grosser, wie Berge sich [[A 136>> auftürmenden Greueltaten und ihnen angemessenen Übel gesagt wird: nun kann es nicht mehr ärger werden: der jüngste Tag ist vor der Tür, und der fromme Schwärmer träumt nun schon von der Wiederbringung aller Dinge, und einer erneuerten Welt, nachdem diese im Feuer untergegangen ist.

b. VON DER EUDÄMONISTISCHEN VORSTELLUNGSART DER MENSCHENGESCHICHTE Dass die Masse des unserer Natur angearteten Guten und Bösen in der Anlage immer dieselbe bleibe, und in demselben Individuum weder vermehrt noch vermindert werden könne, mag immer eingeräumt werden; – und wie sollte sich auch dieses Quantum des Guten in der Anlage vermehren lassen, da es durch die Freiheit des Subjekts geschehen müsste, wozu dieses aber wiederum eines grösseren Fonds des Guten bedürfen würde, als es einmal hat ? – Die Wirkungen können das Vermögen der wirkenden Ursache nicht übersteigen; und so kann das Quantum des mit dem Bösen im Menschen vermischten Guten ein gewisses Mass des letzteren nicht überschreiten, über welches er sich [[A 137>> emporarbeiten, und so auch immer zum noch Besseren fortschreiten könnte. Der Eudämonism, mit seinen sanguinischen Hoffnungen, scheint also unhaltbar zu sein, und zu Gunsten einer weissagenden Menschengeschichte, in Ansehung des immerwährenden weitern Fortschreitens, auf der Bahn des Guten, wenig zu versprechen. c. VON DER HYPOTHESE DES ABDERITISMS DES MENSCHENGESCHLECHTS ZUR VORHERBESTIMMUNG SEINER GESCHICHTE Diese Meinung möchte wohl die Mehrheit der Stimmen auf ihrer Seite haben. Geschäftige Torheit ist der Charakter unserer Gattung. In die Bahn des Guten schnell einzutreten, aber darauf nicht zu beharren, sondern, um ja nicht an einen einzigen Zweck gebunden zu sein, wenn es auch nur der Abwechselung wegen geschahe, den Plan des Fortschritts umzukehren, zu bauen, um niederreissen zu können, und sich selbst die hoffnungslose Bemühung aufzulegen, den Stein des Sisyphus bergan zu wälzen, um ihn wieder zurückrollen zu lassen. – Das Prinzip des Bösen in der Naturanlage des menschlichen Geschlechts scheint also hier [[A 138>> mit dem des Guten nicht sowohl amalgamiert (verschmolzen), als vielmehr eines durchs andere neutralisiert zu sein; welches Tatlosigkeit zur Folge haben würde (die hier der Stillstand heisst): eine leere Geschäftigkeit, das Gute mit dem Bösen durch vorwärts und rückwarts gehen so abwechseln zu lassen, dass das ganze Spiel des Verkehrs unserer Gattung mit sich selbst auf diesem Glob als ein blosses Possenspiel angesehen werden müsste, was ihr keinen grösseren Wert in den Augen der Vernunft verschaffen kann, als den die andere Tiergeschlechter haben, die dieses Spiel mit weniger Kosten und ohne Verstandesaufwand treiben.

4. DURCH ERFAHRUNG UNMITTELBAR IST DIE AUFGABE DES FORTSCHREITENS NICHT AUFZULÖSEN Wenn das menschliche Geschlecht im ganzen betrachtet eine noch so lange Zeit vorwärts gehend und im Fortschreiten begriffen gewesen zu sein befunden würde, so kann doch niemand dafür stehen, dass nun nicht gerade jetzt, vermöge der physischen Anlage unserer Gattung, die Epoche seines Rückganges eintrete; und umgekehrt, wenn es rücklings, und, mit beschleunigten [[A 139>> Falle, zum Ärgeren geht, so darf man nicht verzagen, dass nicht eben da der Umwendungspunkt (punctum flexus contrarii) anzutreffen wäre, wo, vermöge der moralischen Anlage in unserem Geschlecht, der Gang desselben sich wiederum zum Besseren wendete. Denn wir haben es mit freihandelnden Wesen zu tun, denen sich zwar vorher d i k t i e r e n lässt, was sie tun s o l l e n, aber nicht v o r h e r s a g e n lässt, was sie tun w e r d e n, und die aus dem Gefühl der Übel, die sie sich

selbst zufügten, wenn es recht böse wird, eine verstärkte Triebfeder zu nehmen wissen, es nun doch besser zu machen, als es vor jenem Zustande war. – Aber „arme Sterbliche (sagt der Abt C o y e r), unter euch ist nichts beständig, als die Unbeständigkeit!“

Vielleieht liegt es auch an unserer unrecht genommenen Wahl des Standpunkts, aus dem wir den Lauf menschlicher Dinge ansehen, dass dieser uns so widersinnisch scheint. Die Planeten, von der Erde aus gesehen, sind bald rückgängig, bald stillstehend, bald fortgängig. Den Standpunkt aber von der Sonne aus genommen, welches nur die Vernunft tun kann, gehen sie nach der Kopernikanischen Hypothese beständig ihren regelmässigen Gang fort. Es gefällt aber einigen, sonst [[A 140>> nicht Unweisen, steif auf ihrer Erklärungsart der Erscheinungen und dem Standpunkte zu beharren, den sie einmal genommen haben: sollten sie sich darüber auch in Tychonische Zyklen und Epizyklen bis zur Ungereimtheit verwickeln. – Aber das ist eben das Unglück, dass wir uns in diesen Standpunkt, wenn es die Vorhersagung freier Handlungen angeht, zu versetzen nicht vermögend sind. Denn das wäre der Standpunkt der V o r s e h u n g, der über alle menschliche Weisheit hinausliegt, welche sich auch auf f r e i e Handlungen des Menschen erstreckt, die von diesem zwar g e s e h e n, aber mit Gewissheit nicht v o r h e r g e s e h e n werden können (für das göttliche Auge ist hier kein Unterschied), weil er zu dem letzteren den Zusammenhang nach Naturgesetzen bedarf, in Ansehung der künftigen f r e i e n Handlungen aber dieser Leitung, oder Hinweisung, entbehren muss. Wenn man den Menschen1 einen angebornen und unveränderlich-guten, obzwar eingeschränkten Willen beilegen dürfte, so würde er dieses Fortschreiten seiner Gattung zum Besseren mit Sicherheit vorhersagen können; weil es eine Begebenheit träfe, die er selbst machen kann. Bei der Mischung des Bösen aber mit dem [[A 141>> Guten in der Anlage, deren Mass er nicht kennt, weiss er selbst nicht, welcher Wirkung er sich davon gewärtigen könne. 5. AN IRGEND EINE ERFAHRUNG MUSS DOCH DIE WAHRSAGENDE GESCHICHTE DES MENSCHENGESCHLECHTS ANGEKNÜPFT WERDEN Es muss irgend eine Erfahrung im Menschengeschlechte vorkommen, die, als Begebenheit, auf eine Beschaffenheit und ein Vermögen desselben hinweiset, U r s a c h e von dem Fortrücken desselben zum Besseren, und (da dieses die Tat eines mit Freiheit begabten Wesens sein soll) U r h e b e r desselben zu sein; aus einer gegebenen Ursache aber lässt sich eine Begebenheit als Wirkung vorhersagen, wenn sich die Umstände eräugnen, welche dazu mitwirkend sind. Dass diese letztere sich aber irgend einmal eräugnen müssen, kann, wie beim Kalkul der Wahrscheinlichkeit im Spiel, wohl im allgemeinen vorhergesagt, aber nicht bestimmt werden, ob es sich in meinem Leben zutragen und ich die Erfahrung davon haben werde, die jene Vorhersagung bestätigte. – Also muss eine Begebenheit nachgesucht werden, welche auf das Dasein einer solchen Ursache [[A 142>> und auch auf den Akt ihrer Kausalität im Menschengeschlechte unbestimmt in Ansehung der Zeit hinweise, und die auf das Fortschreiten zum Besseren, als unausbleibliche Folge, schliessen liesse, welcher Schluss dann auch auf die Geschichte der vergangenen Zeit (dass es immer im Fortschritt gewesen sei) ausgedehnt werden könnte, doch so, dass jene Begebenheit nicht selbst als Ursache des letzteren, sondern nur als hindeutend, als G e s c h i c h t s z e i c h e n (signum rememorativum, demonstrativum, prognosticon) angesehen werden müsse, und so die T e n d e n z des menschlichen Geschlechts . im g a n z e n, d. i., nicht nach den Individuen betrachtet (denn das würde eine nicht zu beendigende Aufzählung und Berechnung abgeben), sondern, wie es in Völkerschaften und Staaten geteilt auf Erden angetroffen wird, beweisen könnte.

6. VON EINER BEGEBENHEIT UNSERER ZEIT, WELCHE DIESE MORALISCHE TENDENZ DES MENSCHENGESCHLECHTS BEWEISET Diese Begebenheit besteht nicht etwa in wichtigen, von Menschen verrichteten Taten oder Untaten, wodurch, was gross war, unter Menschen klein, oder, [[A 143>> was klein war, gross gemacht wird, und wie, gleich als durch Zauberei, alte glänzende Staatsgebäude 1

’Tieftrunk: „dem Menschen“.

verschwinden, und andere an deren Statt, wie aus den Tiefen der Erde, hervorkommen. Nein: nichts von allem dem. Es ist bloss die Denkungsart der Zuschauer, welche sich bei diesem Spiele grosser Umwandlungen ö f f e n t l i c h verrät, und eine so allgemeine und doch uneigennützige Teilnehmung der Spielenden auf einer Seite, gegen die auf der andern, selbst mit Gefahr, diese Parteilichkeit könne ihnen sehr nachteilig werden, dennoch laut werden lässt, so aber (der Allgemeinheit wegen) einen Charakter des Menschengeschlechts im ganzen, und zugleich (der Uneigennützigkeit wegen) einen moralischen Charakter desselben, wenigstens in der Anlage, beweiset, der das Fortschreiten zum Besseren nicht allein hoffen lässt, sondern selbst schon ein solcher1 ist, so weit das Vermögen desselben für jetzt zureicht. Die Revolution eines geistreichen Volks, die wir in unseren Tagen haben vor sich gehen sehen, mag gelingen oder scheitern; sie mag mit Elend und Greueltaten dermassen angefüllt sein, dass ein wohldenkender Mensch sie, wenn er sie, zum zweitenmale unterneh[[A 144>>mend, glücklich auszuführen hoffen könnte, doch das Experiment auf solche Kosten zu machen nie beschliessen würde – diese Revolution, sage ich, findet doch in den Gemütern aller Zuschauer (die nicht selbst in diesem Spiele mit verwickelt sind) eine T e i l n e h m u n g dem Wunsche nach, die nahe an Enthusiasm grenzt, und deren Äusserung selbst mit Gefahr verbunden war, die also keine andere, als eine moralische Anlage im Menschengeschlecht zur Ursache haben kann. Diese moralische einfliessende Ursache ist zwiefach: Erstens die des R e c h t s, dass ein Volk von anderen Mächten nicht gehindert werden müsse, sich eine bürgerliche Verfassung zu geben, wie sie ihm selbst gut zu sein dünkt; zweitens die des Z w e c k s (der zugleich Pflicht ist), dass diejenige Verfassung eines Volks allein an sich r e c h t l i c h und moralisch-gut sei, welche ihrer Natur nach so beschaffen ist, den Angriffskrieg nach Grundsätzen zu meiden, welche keine andere, als die republikanische Verfassung, wenigstens der Idee nach, sein kann,* mithin in die Bedingung einzutreten, [[A 145>> wodurch der Krieg (der Quell aller Übel und Verderbnis der Sitten) abgehalten, und so dem Menschengeschlechte, bei aller seiner Gebrechlichkeit, der Fortschritt zum Besseren negativ gesichert wird, im Fortschreiten wenigstens nicht gestört zu werden. Dies also und die Teilnehmung am Guten mit A f f e k t, der E n t h u s i a s m, ob er zwar, weil aller [[A 146>> Affekt, als ein solcher, Tadel verdient, nicht ganz zu billigen ist, gibt doch vermittelst dieser Geschichte zu der, für die Anthropologie wichtigen Bemerkung Anlass: dass wahrer Enthusiasm nur immer aufs I d e a l i s c h e und zwar rein Moralische geht, dergleichen der Rechtsbegriff ist, und nicht auf den Eigennutz gepfropft werden kann. Durch Geldbelohnungen konnten, die Gegner der Revolutionierenden zu dem Eifer und der Seelengrösse nicht gespannt werden, den der blosse Rechtsbegriff in ihnen hervorbrachte, und selbst der Ehrbegriff des alten kriegerischen Adels (ein Analogon des Enthusiasm) verschwand vor den Waffen derer, welche das R e c h t des Volks, wozu sie gehörten, ins

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Akad.-Ausg.: „ein solches”. Es ist aber hiemit nicht gemeint, dass ein Volk, welches eine monarchische Konstitution hat, sich damit das [[Anm. A 145>> Recht anmasse, ja auch nur in sich geheim den Wunsch hege, sie abgeändert zu wissen; denn seine vielleicht sehr verbreitete Lage in Europa kann ihm jene Verfassung als die einzige anempfehlen, bei der es sich zwischen mächtigen Nachbaren erhalten kann. Auch ist das Murren der Untertanen, nicht des Innern der Regierung halber, sondern wegen des Benehmens derselben gegen Auswärtige, wenn sie diese etwa am Republikanisieren hinderte, gar kein Beweis der Unzufriedenheit des Volks mit seiner eigenen Verfassung, sondern vielmehr der Liebe für dieselbe, weil es wider eigene Gefahr desto mehr gesichert ist, je mehr sich andere Völker republikanisieren. – Dennoch haben verleumderische Sykophanten, um sich wichtig zu machen, diese unschuldige Kannegiesserei für Neuerungssucht, Jakobinerei und Rottierung, die dem Staat Gefahr drohe, auszugeben gesucht: indessen dass auch nicht der mindeste Grund zu diesem Vorgeben da war, vornehmlich nicht in einem Lande, was vom Schauplatz der Revolution mehr als hundert Meilen entfernt war *

Auge gefasst hatten,* und sich als Beschützer desselben dach[[A 147>>ten; mit welcher Exaltation das äussere zuschauende Publikum dann, ohne die mindeste Absicht der Mitwirkung, sympathisierte. 7. WAHRSAGENDE GESCHICHTE DER MHNSCHHEIT Es muss etwas M o r a l i s c h e s im Grundsatze sein, welches die Vernunft als rein, zugleich aber auch, wegen des grossen und Epoche machenden Einflusses, als etwas, das die dazu anerkannte Pflicht der Seele des [[A 148>> Menschen vor Augen stellt, und das1 menschliche Geschlecht im Ganzen seiner Vereinigung (non singulorum sed universorum) angeht, dessen verhofftem Gelingen und den Versuchen zu demselben es mit so allgemeiner und uneigennütziger Teilnehmung zujauchzt. – Diese Begebenheit ist das Phänomen nicht einer Revolution, sondern (wie es Hr. E r h a r d ausdrückt) der E v o l u t i o n einer n a t u r r e c h t l i c h e n [[A 149>> Verfassung, die zwar nur unter wilden Kämpfen noch nicht selbst errungen wird – indem der Krieg von innen und aussen alle bisher bestandene s t a t u t a r i s c h e zerstört-, die aber doch dahin führt, zu einer Verfassung hinzustreben, welche nicht kriegssüchtig sein kann, nämlich der republikanischen: die es entweder selbst der S t a a t s f o r m nach sein mag, oder auch nur nach der R e g i e r u n g s a r t, bei der Einheit des Oberhaupts (des Monarchen) den Gesetzen analogisch, die sich ein Volk selbst nach allgemeinen Rechtsprinzipien geben würde, den Staat verwalten zu lassen. Nun behaupte ich, dem Menschengeschlechte, nach den Aspekten und Vorzeichen unserer Tage, die Erreichung dieses Zwecks und hiemit zugleich das von da an nicht mehr gänzlich rückgängig werdende Fortschreiten desselben zum Besseren, auch ohne Sehergeist, vorhersagen zu können. Denn ein solches Phänomen in der Menschengeschichte v e r g i s s t s i c h n i c h t m e h r, weil es eine Anlage und ein Vermögen in der menschlichen Natur zum Besseren aufgedeckt hat, dergleichen kein Politiker aus dem bisherigen Laufe der Dinge herausgeklügelt hätte, und welches allein Natur und Freiheit, nach inneren Rechtsprinzipien im Menschengeschlechte vereinigt, aber, was die Zeit betrifft, nur als [[A 150>> unbestimmt und Begebenheit aus Zufall verheissen konnte. *

Von einem solchen Enthusiasm der Rechtsbehauptung für das menschliche Geschlecht kann man sagen: postquam ad arma Vulcania ventum est, – mortalis mucro glacies ceu futilis ictu dissiluit (Übersetzung des Herausgebers: „als es an die Vulkanischen Waffen geriet, barst das menschliche Schwert beim Schlag wie zerbrechliches Eis.“ – Warum hat es noch nie ein Herrscher gewagt, frei herauszusagen, dass er gar kein R e c h t des Volks gegen ihn anerkenne; dass dieses seine Glückseligkeit bloss der W o h l t ä t i g k e i t einer Regierung, die diese ihm angedeihen lässt, verdanke, und alle Anmassung des Untertans zu einem Recht gegen dieselbe (weil dieses den Begriff eines erlaubten Widerstands in sich enthält) ungereimt, ja gar [[Anm. A 147>> strafbar sei? – Die Ursache ist: weil eine solche öffentliche Erklärung alle Untertanen gegen ihn empören würde; ob sie gleich, wie folgsame Schafe, von einem gütigen und verständigen Herren geleitet, wohlgefüttert und kräftig beschützt, über nichts, was ihrer Wohlfahrt abginge, zu klagen hätten. – Denn mit Freiheit begabten Wesen gnügt nicht der Genuss der Lebensannehmlichkeit, die ihm auch von anderen (und hier von der Regierung) zu Teil werden kann; sondern auf das P r i n z i p kommt es an, nach welchem es sich solche verschafft. Wohlfahrt aber hat kein Prinzip, weder für den, der sie empfängt, noch der sie austeilt (der eine setzt sie hierin, der andere darin); weil es dabei auf das M a t e r i a l e des Willens ankommt, welches empirisch, und so der Allgemeinheit einer Regel unfähig ist. Ein mit Freiheit begabtes Wesen kann und soll also, [[Anm. A 148>> im Bewusstsein dieses seines Vorzuges vor dem vernunftlosen Tier, nach dem f o r m a l e n Prinzip seiner Willkür keine andere Regierung für das Volk, wozu es gehört, verlangen, als eine solche, in welcher dieses mit gesetzgebend ist: d. i., das Recht der Menschen, welche gehorchen sollen, muss notwendig vor aller Rücksicht auf Wohlbefinden vorhergehen, und dieses ist ein Heiligtum, das über allen Preis (der Nützlichkeit) erhaben ist, und welches keine Regierung, so wohltätig sie auch immer sein mag, antasten darf. – Aber dieses Recht ist doch immer nur eine Idee, deren Ausführung auf die Bedingung der Zusammenstimmung ihrer M i t t e l mit der Moralität eingeschränkt ist, welche das Volk nicht überschreiten darf; welches nieht durch Revolution, die jederzeit ungerecht ist, geschehen darf. – Autokratisch h e r r s c h e n, und dabei doch republikanisch, d. h., im Geiste des Republikanism und nach einer Analogie mit demselben, r e g i e r e n, ist das, was ein Volk mit seiner Verfassung zufrieden macht. 1 Akad.-Ausg. erwägt: „stellt, darstellt, und welches das“.

Aber, wenn der bei dieser Begebenheit beabsichtigte Zweck auch jetzt nicht erreicht würde, wenn die Revolution, oder Reform, der Verfassung eines Volks gegen das Ende doch fehlschlüge, oder, nachdem diese einige Zeit gewähret hätte, doch wiederum alles ins vorige Gleis zurückgebracht würde (wie Politiker jetzt wahrsagern), so verliert jene philosophische Vorhersagung doch nichts von ihrer Kraft. – Denn jene Begebenheit ist zu gross, zu sehr mit dem Interesse der Menschheit verwebt, und, ihrem Einflusse nach, auf die Welt in allen ihren Teilen zu ausgebreitet, als dass sie nicht den Völkern, bei irgend einer Veranlassung günstiger Umstände, in Erinnerung gebracht und zu Wiederholung neuer Versuche dieser Art erweckt werden sollte; da dann, bei einer für das Menschengeschlecht so wichtigen Angelegenheit, endlich doch zu irgend einer Zeit die beabsichtigte Verfassung diejenige Festigkeit erreichen muss, welche die Belehrung durch öftere Erfahrung in den Gemütern aller zu bewirken nicht ermangeln würde. Es ist also ein nicht bloss gutgemeinter und in praktischer Absicht empfehlungswürdiger, sondern allen [[A 151>> Ungläubigen zum Trotz auch für die strengste Theorie haltbarer Satz: dass das menschliche Geschlecht im Fortschreiten zum Besseren immer gewesen sei, und so fernerhin fortgehen werde, welches, wenn man nicht bloss auf das sieht, was in irgend einem Volk geschehen kann, sondern auch auf die Verbreitung über alle Völker der Erde, die nach und nach daran Teil nehmen dürften, die Aussicht in eine unabsehliche Zeit eröffnet; wofern nicht etwa auf die erste Epoche einer Naturrevolution, die (nach Camper und B l u m e n b a c h) bloss das Tier- und Pfianzenreich, ehe noch Menschen waren, vergrub, noch eine zweite folgt, welche auch dem Menschengeschlechte eben so mitspielt, um andere Geschöpfe auf diese Bühne treten zu lassen, u.s.w. Denn für die Allgewalt der Natur, oder vielmehr ihrer uns unerreichbaren obersten Ursache, ist der Mensch wiederum nur eine Kleinigkeit. Dass ihn aber auch die Herrscher von seiner eigenen Gattung dafür nehmen, und als eine solche behandeln, indem sie ihn teils tierisch, als blosses Werkzeug ihrer Absichten, belasten, teils in ihren Streitigkeiten gegen einander aufstellen, um sie schlachten zu lassen – das ist keine Kleinigkeit, sondern Umkehrung des E n d z w e c k s der Schöpfung selbst. [[A 152>> 8. VON DER SCHWIERIGKEIT DER AUF DAS FORTSCHREITEN ZUM WELTBESTEN ANGELEGTEN MAXIMEN, IN ANSEHUNG IHRER PUBLIZITÄT V o l k s a u f k l ä r u n g ist die öffentliche Belehrung des Volks von seinen Pflichten und Rechten in Ansehung des Staats, dem es angehöret. Weil es hier nur natürliche und aus dem gemeinen Menschenverstande hervorgehende Rechte betrifft, so sind die natürlichen Verkündiger und Ausleger derselben im Volk nicht die vom Staat bestellete amtsmässige, sondern freie Rechtslehrer, d. i., die Philosophen, welche eben um dieser Freiheit willen, die sie sich erlauben, dem Staate, der immer nur herrschen will, anstössig sind, und werden unter dem Namen A u f k l ä r e r, als für den Staat gefährliche Leute verschrien; obzwar ihre Stimme nicht v e r t r a u l i c h ans Volk (als welches davon und von ihren Schriften wenig oder gar keine Notiz nimmt), sondern e h r e r b i e t i g an den Staat gerichtet, und dieser jenes sein rechtliches Bedürfnis zu beherzigen angeflehet wird; welches durch keinen andern Weg, als den der Publizität geschehen kann, wenn ein ganzes Volk seine Beschwerde (gravamen) vortragen will. So verhindert das V e r b o t der Publizität den Fortschritt [[A 153>> eines Volks zum Besseren, selbst in dem, was das mindeste seiner Forderung, nämlich bloss sein natürliches Recht angeht. Eine andere, obzwar leicht durchzuschauende, aber doch gesetzmässig einem Volk befohlene Verheimlichung ist die von der wahren Beschaffenheit seiner Konstitution. Es wäre Verletzung der Majestät des grossbritannischen Volks, von ihm zu sagen, es sei eine u n b e s c h r ä n k t e M o n a r c h i e: sondern man will, es soll eine durch die zwei Häuser des Parlaments, als Volksrepräsentanten, den Willen des Monarchen e i n s c h r ä n k e n d e Verfassung sein, und doch weiss ein jeder sehr gut, dass der Einfluss desselben auf diese Repräsentanten so gross und so unfehlbar ist, dass von gedachten Häusern nichts anderes beschlossen wird, als was Er will und durch seinen Minister anträgt; der dann auch wohl einmal auf Beschlüsse anträgt, bei denen er weiss, und es auch m a c h t, dass ihm werde widersprochen werden (z.B. wegen des Negerhandels), um von der Freiheit des Parlaments einen scheinbaren Beweis zu geben. – Diese Vorstellung der Beschaffenheit der Sache hat das Trügliche an sich, dass die wahre zu Recht beständige Verfassung gar nicht mehr gesucht ~ wird; weil man sie in einem schon vorhandenen Beispiel gefunden zu haben vermeint, und eine lügenhafte Publizität das

Volk mit Vorspiegelung einer durch das von ihm ausgehende Gesetz e i n g e s c h r ä n k t e n M o n a r c h i e * täuscht, indessen dass seine Stellvertreter, durch Bestechung gewonnen, es in Geheim einem a b s o l u t e n M o n a r c h en unterwarfen. ***

Die Idee einer mit dem natürlichen Rechte der Menschen zusammenstimmenden Konstitution: dass nämlich die dem Gesetz Gehorchenden auch zugleich, vereinigt, gesetzgebend sein sollen, liegt bei allen Staatsformen zum Grunde, und das gemeine Wesen, welches, ihr gemäss, durch reine Vernunftbegriffe gedacht, [[A 155>> ein platonisches I d e a l heisst (respublica noumenon), ist nicht ein leeres Hirngespinst, sondern die ewige Norm für alle bürgerliche Verfassung überhaupt, und entfernet allen Krieg. Eine dieser gemäss organisierte bürgerliche Gesellschaft ist die Darstellung derselben nach Freiheitsgesetzen durch ein Beispiel in der Erfahrung (respublica phaenomenon), und kann nur nach mannigfaltigen Befehdungen und Kriegen mühsam erworben werden; ihre Verfassung aber, wenn sie im grossen einmal errungen worden, qualifiziert sich zur besten unter allen, um den Krieg, den Zerstörer alles Guten, entfernt zu halten; mithin ist es Pflicht, in eine solche einzutreten, vorläufig aber (weil jenes [[A 156>> nicht so bald zu Stande kommt) Pflicht der Monarchen, ob sie gleich a u t o k r a t i s c h herrschen, dennoch r e p u b l i k a n i s c h (nicht demokratisch) zu regieren, d. i., das Volk nach Prinzipien zu behandeln, die dem Geist der Freiheitsgesetze (wie ein Volk mit reifer Vernunft sie sich selbst vorschreiben würde) gemäss sind, wenn gleich dern Buchstaben nach es um seine Einwilligung nicht befragt würde. 9. WELCHEN ERTRAG WIRD DER FORTSCHRITT ZUM BESSEREN DEM MENSCHENGESCHLECHT ABWERFEN ? Nicht ein immer wachsendes Quantum der M o r a l i t ä t in der Gesinnung, sondern Vermehrung der Produkte ihrer L e g a l i t ä t in pflichtmässigen Handlungen, durch welche Triebfeder sie auch veranlasst sein mögen; d. i., in den guten T a t e n der Menschen, die immer zahlreicher und besser ausfallen werden, also in den Phänomenen der sittlichen Beschaffenheit des Menschengeschlechts wird der Ertrag (das Resultat) der Bearbeitung desselben zum Besseren allein gesetzt werden können, – Denn wir haben nur e m p i r i s c h e Data [[A 157>> (Erfahrungen), worauf wir diese Vorhersagung gründen: nämlich auf die physische Ursache unserer Handlungen, in sofern sie geschehen, die also selbst Erscheinungen sind, nicht die moralische, welche den Pflichtbegriff von dem enthält, was geschehen sollte, und der allein rein, a priori, aufgestellt werden kann.

Allmählich wird der Gewalttätigkeit von Seiten der Mächtigen weniger, der Folgsamkeit in Ansehung der Gesetze mehr werden. Es wird etwa mehr Wohltätigkeit, weniger Zank in Prozessen, mehr Zuverlässigkeit im Worthalten u.s.w., teils aus Ehrliebe, teils aus wohlverstandenen eigenen Vorteil im gemeinen Wesen entspringen, und sich endlich dies auch auf die Völker im äusseren Verhältnis gegen einander bis zur weltbürgerlichen Gesellschaft erstrecken, ohne dass dabei die moralische Grundlage im Menschengeschlechte im mindesten vergrössert werden darf; als wozu auch eine Art von neuer Schöpfung (übernatürlicher Einfluss) erforderlich sein würde. – Denn wir müssen uns von Menschen in *

Eine Ursache, deren Beschaffenheit man nicht unmittelbar einsieht, entdeckt sich durch die Wirkung, die ihr unausbleiblich anhängt.– Was ist ein a b s o l u t e r Monarch? Es ist derjenige, auf dessen Befehl, wenn er sagt: es soll Krieg sein, sofort Krieg ist. – Was ist dagegen ein eingeschränkter Monarch ? Der, welcher vorher das Volk befragen muss, ob Krieg sein solle oder nicht, und sagt das Volk, es soll nicht Krieg sein, so ist kein Krieg. – Denn Krieg ist ein Zustand, in welchem dem Staatsoberhaupte a l l e Staatskräfte zu Ge[[Anm. A 155>> bot stehen müssen. Nun hat der grossbritannische Monarch recht viel Kriege geführt, ohne dazu jene Einwilligung zu suchen. Also ist dieser König ein absoluter Monarch, der er zwar der Konstitution nach nicht sein sollte; die er aber immer vorbei gehen kann, weil er eben durch jene Staatskräfte, nämlich dass er alle Ämter und Würden zu vergeben in seiner Macht hat, sich der Beistimmung der Volksrepräsentanten versichert halten kann. Dieses Bestechungssystem muss aber freilich nicht Publizität haben, um zu gelingen. Es bleibt daher unter dem sehr durchsichtigen Schleier des Geheimnisses.

ihren Fortschritten zum Besseren auch nicht zu viel versprechen, um nicht in den Spott des Politikers mit Grunde zu verfallen, der die Hoffnung des [[A 158>> ersteren gerne für Träumerei eines überspannten Kopfs halten möchte.* 10. IN WELCHER ORDNUNG ALLEIN KANN DER FORTSCHRITT ZUM BESSEREN ERWARTET WERDEN? Die Antwort ist: nicht durch den Gang der Dinge v o n u n t e n h i n a u f, sondern den v o n o b e n h e r a b. – Zu erwarten, dass durch Bildung der Jugend in häuslicher Unterweisung und weiterhin in Schulen, von den niedrigen an bis zu den höchsten, in Geistesund moralischer, durch Religionslehre verstärkter Kultur, es endlich dahin kommen werde, nicht bloss gute Staatsbürger, sondern zum Guten, was immer [[A 159>> weiter fortschreiten und sich erhalten kann, zu erziehen, ist ein Plan, der den erwünschten Erfolg schwerlich hoffen lässt. Denn nicht allein, dass das Volk dafür hält, dass die Kosten der Erziehung seiner Jugend nicht ihm, sondern dem Staate zu Lasten kommen müssen, der Staat aber dagegen seinerseits zu Besoldung tüchtiger und mit Lust ihrem Amte obliegender Lehrer kein Geld übrig hat (wie B ü s c h i n g klagt), weil er alles zum Kriege braucht: sondern das ganze Maschinenwesen dieser Bildung hat keinen Zusammenhang, wenn es nicht nach einem überlegten Plane der obersten Staatsmacht, und nach dieser ihrer Absicht entworfen, ins Spiel gesetzt, und darin auch immer gleichförmig erhalten wird; wozu wohl gehören möchte, dass der [[A 160>> Staat sich von Zeit zu Zeit auch selbst reformiere, und, statt Revolution, Evolution versuchend, zum Besseren beständig fortschreite. Da es aber doch auch M e n s c h e n sind, welche diese Erziehung bewirken sollen, mithin solche, die dazu selbst haben gezogen werden müssen: so ist, bei dieser Gebrechlichkeit der menschlichen Natur, unter der Zufälligkeit der Umstande, die einen solchen Effekt begünstigen, die Hoffnung ihres Fortschreitens nur in einer Weisheit von oben herab (welche, wenn sie uns unsichtbar ist, Vorsehung heisst) als positiver Bedingung, für das aber, was hierin von M e n s c h e n erwartet und gefordert werden kann, bloss negative Weisheit zur Beförderung dieses Zwecks zu erwarten, nämlich dass sie das grösste Hindernis des Moralischen, nämlich den K r i e g, der diesen immer zurückgängig macht, erstlich nach und nach menschlicher, darauf seltener, endlich, als Angriffskrieg, ganz schwinden zu lassen sich genötigt sehen werden, um eine Verfassung einzuschlagen, die, ihrer Natur nach, ohne sich zu schwächen, auf echte Rechtsprinzipien gegründet, beharrlich zum Bessern fortschreiten kann. [[A 161>> BESCHLUSS Ein Arzt, der seinen Patienten1 von Tag zu Tag2 auf baldige Genesung vertröstete: den einen, dass der Puls besser schlüge; den anderen, dass der Auswurf, den dritten, dass der Schweiss Besserung verspräche, u.s.w., bekam einen Besuch von einem seiner Freunde. Wie *

Es ist doch s ü s s, sich Staatsverfassungen auszudenken, die den Forderungen der Vernunft (vornehmlich in rechtlicher Absicht) entsprechen; aber v e r m e s s e n, sie vorzuschlagen, und s t r a f b a r, das Volk zur Abschaffung der jetzt bestehenden aufzuwiegeln. P l a t o s Atlantica, M o r u s’ Utopia, H a r r i n g t o n s Oceana und A l l a i s’ Severambia sind nach und nach auf die Bühne gebracht, aber nie (C r o m w e l l s verunglückte Missgeburt einer despotischen Republik ausgenommen) auch nur versucht worden. – Es ist mit [[Anm. A 159>> diesen Staatsschöpfungen wie mit der Weltschöpfung zugegangen: kein Mensch war dabei zugegen, noch konnte er bei einer solchen gegenwärtig sein, weil er sonst sein eigener Schöpfer hätte sein müssen. Ein Staatsprodukt, wie man es hier denkt, als dereinst, so spät es auch sei, als vollendet zu hoffen, ist ein süsser Traum; aber sich ihm immer zu näheren, nicht allein d e n k b a r, sondern, so weit es mit dem moralischen Gesetze zusammen bestehen kann, P f l i c h t, nicht der Staatsbürger, sondern des Staatsoberhaupts. 1 2

Akad.-Ausg.: „seine Patienten”. Kullmann: „Ein Patient, den sein Arzt von Tag zu Tag“.

geht’s, Freund, mit eurer Krankheit ? war die erste Frage. Wie wird’s gehen ? I c h s t e r b e f ü r l a u t e r B e s s e r u n g! – Ich verdenke es keinem, wenn er in Ansehung der Staatsübel an dem Heil des Menschengeschlechts und dem Fortschreiten desselben zum Besseren zu verzagen anhebt; allein ich verlasse mich auf das heroische Arzneimittel, welches H u m e anführt, und eine schnelle Kur bewirken dürfte. – „Wenn ich jetzt (sagt er) die Nationen im Kriege gegen einander begriffen sehe, so ist es, als ob ich zwei besoffene Kerle sähe, die sich in einem Porzellänladen mit Prügeln herumschlagen. Denn nicht genug, dass sie an den Beulen, die sie sich wechselseitig geben, lange zu heilen haben, so müssen sie hinterher noch allen [[A 162>> den Schaden bezahlen, den sie anrichteten.“ Sero sapiunt Phryges.1 Die Nachwehen des gegenwärtigen Krieges aber können dem politischen Wahrsager das Geständnis einer nahe bevorstehenden Wendung des menschlichen Geschlechts zum Besseren abnötigen, das schon jetzt im Prospekt ist. [[A 163>> D R I T T E R A B S C H N I T T DER STREIT DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT MIT DER MEDIZINISCHEN

[[A 165>> VON DER MACHT DES GEMÜTS, DURCH DEN BLOSSEN VORSATZ SEINER KRANKHAFTEN GEFÜHLE MEISTER ZU SEIN

EIN ANTWORTSCHREIBEN AN HERRN HOFRAT UND PROFESSOR HUFELAND Dass meine Danksagung für das den 12ten Dez. 1796 an mich bestellte Geschenk Ihres lehrreichen und angenehmen Buchs „v o n d e r K u n s t, d a s m e n s c h l i c h e L e b e n z u v e r l ä n g e r n“ selbst auf ein langes Leben berechnet gewesen sein dürfte, möchten Sie vielleicht aus dem Datum dieser meiner Antwort vom Januar dieses Jahres zu schliessen Ursache haben; wenn das Altgewordensein nicht schon die öftere V e r t a g u n g (procrastinatio) wichtiger Beschlüsse bei sich führete, dergleichen doeh wohl der des Todes ist, wel[[A 166>>cher sich immer zu früh für uns anmeldet, und den man warten zu lassen an Ausreden unerschöpflich ist. Sie verlangen von mir „ein Urteil über Ihr Bestreben, das Physische im Menschen moralisch zu behandeln; den ganzen, auch physischen, Menschen als ein auf Moralität berechnetes Wesen darzustellen, und die moralische Kultur als unentbehrlich zur physischen Vollendung der überall nur in der Anlage vorhandenen Menschennatur zu zeigen, und setzen hinzu: wenigstens kann ich versichern, dass es keine vorgefasste Meinungen waren, sondern ich durch die Arbeit und Untersuchung selbst unwiderstehlich in diese Behandlungsart hinein gezogen wurde“. – – Eine solche Ansicht der Sache verrat den Philosophen, nicht den blossen Vernunftkünstler; einen Mann, der nicht allein, gleich einem der Direktoren des französischen Konvents, die von der Vernunft verordneten M i t t e l der Ausführung (technisch), wie sie die Erfahrung darbietet, zu seiner Heilkunde mit Geschicklichkeit, sondern, als gesetzgebendes Glied im Korps der Ärzte, aus der reinen Vernunft hernimmt, welche zu dem, was h i l f t, mit Geschicklichkeit, auch das, was zugleich an sich P f l i ch t ist, mit Weisheit, zu verordnen 1

Übersetzung des Herausgebers: „Spät werden die Phrygier weise“.

weiss: so, dass moralisch-praktische Philosophie [[A 167>> zugleich eine Universalmedizin abgibt, die zwar nicht allen für alles hilft, aber doch in keinem Rezepte mangeln kann. Dieses Universalmittel betrifft aber nur die D i ä t e t i k, d. i., es wirkt nur n e g a t i v, als Kunst, Krankheiten a b z u h a l t e n. Dergleichen Kunst aber setzt ein Vermögen voraus, das nur Philosophie, oder der Geist derselben, den man schlechthin voraussetzen muss, geben kann. Auf diesen bezieht sich die oberste diätetische Aufgabe, welche in dem Thema enthalten ist: V o n d e r M a c h t d e s G e m ü t s d e s M e n s c h e n, ü b e r s e i n e k r a n khafte Gefühle durch den blossen festen Vorsatz Meister z u s e i n. Die, die Möglichkeit dieses Ausspruchs bestätigenden Beispiele kann ich nicht von der Erfahrung a n d e r e r hernehmen, sondern zuerst nur von der an mir selbst angestellten; weil sie aus dem Selbstbewusstsein hervorgeht, und sich nachher allererst andere fragen lässt: ob es nicht auch sie ebcn so in sich wahrnehmen. – Ich sehe mich also genötigt, mein I c h l a u t werden zu lassen; was im dogmatischen Vortrage * Unbeschei[[A 168>>denheit verrät; aber Verzeihung verdient, wenn es nicht gemeine Erfahrung, sondern ein inneres Experiment oder Beobachtung betrifft, welche ich zuerst an mir selbst angestellt haben muss, um etwas, was nicht jedermann von selbst, und ohne darauf geführt zu sein, beifällt, zu seiner Beurteilung vorzulegen. – Es würde tadelhafte Anmassung sein, andere mit der inneren Geschichte meines Gedankenspiels unterhalten zu wollen, welche zwar subjektive Wichtigkeit (für mich), aber keine objektive (für jedermann geltende) enthielten 1. Wenn aber dieses Aufmerken auf sich selbst und die daraus hervorgehende Wahrnehmung nicht so gemein ist, sondern, dass jeder dazu aufgefordert werde, eine Sache ist, die es bedarf und verdient, so kann dieser Übelstand, mit seinen Privatempfindungen andere zu unterhalten, wenigstens verziehen werden. Ehe ich nun mit dem Resultat meiner, in Absicht auf Diätetik angestellten, Selbstbeobachtung aufzutreten [[A 169>> wage, muss ich noch etwas über die Art bemerken, wie Herr H u f e l a n d die Aufgabe der D i ä t e t i k, d. i. der Kunst stellt, Krankheiten v o r z u b e u g e n, im Gegensatz mit der T h e r a p e u t i k, sie zu h e i l e n. Sie heisst ihm „die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“. Er nimmt seine Benennung von demjenigen her, was die Menschen am sehnsüchtigsten wünschen, ob es gleich vielleicht weniger wünschenswert sein dürfte. Sie möchten zwar gern zwei Wünsche zugleich tun: nämlich l a n g e z u l e b e n und dabei g e s u n d z u s e i n; aber der erstere Wunsch hat den letzteren nicht zur notwendigen Bedingung: sondern er ist unbedingt. Lasst den Hospitalkranken Jahre lang auf seinem Lager leiden und darben, und ihn oft wünschen hören, dass ihn der Tod je eher je lieber von dieser Plage erlösen möge; glaubt ihm nicht, es ist nicht sein Ernst. Seine Vernunft sagt es ihm zwar vor, aber der Naturinstinkt will es anders. Wenn er dem Tode, als seinem Befreier (Jovi liberatori) winkt, so verlangt er doch immdr noch eine kleine Frist, und hat immer irgend einen Vorwand zur V e r t a g u n g (procrastinatio) seines peremtorischen Dekrets. Der in wilder Entrüstung gefasste Entschluss des Selbstmörders, seinem Leben ein [[A 170>> Ende zu machen, macht hievon keine Ausnahme: denn er ist die Wirkung eines bis zum Wahnsinn exaltierten Affekts. – Unter den zwei Verheissungen für die Befolgung der Kindespflicht („auf dass dir es wohlgehe, und du lange lebest auf Erden“) enthält die letztere die stärkere Triebfeder, selbst im Urteile der Vernunft, nämlich als Pflicht, deren Beobachtung zugleich v e r d i e n s t l i c h ist. *

Im dogmatisch-praktischen Vortrage, z. B. derjenigen [[Anm. A 168>> Beobachtung seiner selbst, die auf Pflichten abzweckt, die jedermann angehen, spricht der Kanzelredner nicht durch Ich, sondern Wir. In dem erzählenden aber, der Privatempfindung (der Beichte, welche der Patient seinem Arzte ablegt), oder eigener Erfahrung an sich selbst, muss er durch Ich reden. 1

Akad.-Ausg.: „enthielte”.

Die Pflicht, das A l t e r z u e h r e n, gründet sich nämlich eigentlich nicht auf die billige Schonung, dic man den Jüngeren gegen die Schwachheit der Alten zumutet: denn die ist kein Grund zu einer ihnen schuldigen A c h t u n g. Das Alter will also noch für etwas V e r d i e n s t l i c h e s angesehen werden; weil ihm eine V e r e h r u n g zugestanden wird. Also, nicht etwa weil Nestorjahre zugleich durch viele und lange Erfahrung erworbene W e i s h e i t, zu Leitung der jüngeren Welt, bei sich führen, sondern bloss weil, wenn nur keine Schande dasselbe befleckt hat, der Mann, welcher sich so lange erhalten hat, d. i. der Sterblichkeit, als dem demütigendsten Ausspruch, der über ein vernünftiges Wesen nur gefällt werden kann („du bist Erde und sollst zur Erde werden“), so lange hat ausweichen und [[A 171>> gleichsam der Unsterblichkeit hat abgewinnen können, weil, sage ich, ein solcher Mann sich so lange lebend erhalten und zum Beispiel aufgestellt hat. Mit der Gesundheit, als dem zweiten natürlichen Wünsche, ist es dagegen nur misslich bewandt. Man kann sich gesund f ü h l e n (aus dem behaglichen Gefühl seines Lebens urteilen), nie aber w i s s e n, dass man gesund sei. – Jede Ursache des natürlichen Todes ist Krankheit: man mag sie fühlen oder nicht. – Es gibt viele, von denen, ohne sie eben verspotten zu wollen, man sagt, dass sie für immer k r ä n k e l n, nie k r a n k werden können; deren Diät ein immer wechselndes Abschweifen und wieder Einbeugen ihrer Lebensweise ist, und die es im Leben, wenn gleich nicht den Kraftäusserungen, doch der Lange nach, weit bringen. Wie viel aber meiner Freunde oder Bekannten habe ich nicht überlebt, die sich bei einer einmal angenommenen ordentlichen Lebensart einer völligen Gesundheit rühmten: indessen dass der Keim des Todes (die Krankheit), der Entwickelung nahe, unbemerkt in ihnen lag, und der, welcher sich gesund f ü h l t e, nicht w u s s t e, dass er krank war; denn die U r s a c h e eines natürlichen Todes kann man doch nicht anders als Krankheit nennen. Die [[A 172>> K a u s a l i t ä t aber kann man nicht fühlen, dazu gehört Verstand, dessen Urteil irrig sein kann; indessen dass das Gefühl untrüglich ist, aber nur dann, wenn man sich krankhaft f ü h l t, diesen Namen führt; f ü h l t man sich aber so auch nicht, doch gleichwohl in dem Menschen verborgenerweise und zur baldigen Entwickelung bereit liegen kann; daher der Mangel dieses Gefühls keinen andern Ausdruck des Menschen für sein Wohlbefinden verstattet, als dass er s c h e i n b a r l i c h gesund sei. Das lange Leben also, wenn man dahin zurücksieht, kann nur die g e n o s s e n e Gesundheit bezeugen, und die Diatetik wird vor allem in der Kunst, das Leben zu v e r l ä n g e r n (nicht es zu g e n i e s s e n), ihre Geschicklichkeit oder Wissenschaft zu beweisen haben: wie es auch Herr H u f e l a n d so ausgedruckt haben will. GRUNDSATZ DER DIÄTETIK Auf G e m ä c h l i c h k e i t muss die Diätetik nicht berechnet werden; denn diese Schonung seiner Kräfte und Gefühle ist Verzärtelung, d. i. sie hat Schwäche und Kraftlosigkeit zur Folge, und ein allmähliches Erlöschen der Lebenskraft, aus Mangel der Übung; so wie eine Erschöpfung derselben durch zu häufigen und starken [[A 173>> Gebrauch derselben. Der S t o i z i s m, als Prinzip der Diätetik (sustine et abstine 1), gehört also nicht bloss zur praktischen P h i l o s o p h i e, als T u g e n d l e h r e, sondern auch zu ihr als H e i l k u n d e. – Diese ist alsdann p h i l o s o p h i s c h, wenn bloss die Macht der Vernunft im Menschen, über seine sinnliche Gefühle durch einen sich selbst gegebenen Grundsatz Meister zu sein, die Lebensweise bestimmt. Dagegen, wenn sie diese Empfindungen zu erregen oder abzuwehren die Hülfe a u s s e r s i c h in körperlichen Mitteln (der Apotheke, oder der Chirurgie) sucht, sie bloss empirisch und mechanisch ist. Die W ä r m e, der S c h l a f, die sorgfältige P f l e g e des nicht Kranken sind solche Verwöhnungen der Gemächlichkeit. 1

Übersetzung des Herausgebers: „ertrage und sei enthaltsam“.

1) Ich kann, der Erfahrung an mir selbst gemäss, der Vorschrift nicht beistimmen: „man soll Kopf und Füsse warm halten“. Ich finde es dagegen geratener, beide kalt zu halten (wozu die Russen auch die Brust zählen); gerade der Sorgfalt wegen, u m m i c h n i c h t z u v e r k ä l t e n. – Es ist freilich gemächlicher, im laulichen Wasser sich die Füsse zu waschen, als es zur Winterszeit mit beinahe eiskaltem zu tun; [[A 174>> dafür aber entgeht man dem Übel der Erschlaffung der Blutgefässe in so weit vom Herzen entlegenen Teilen; welches im Alter oft eine nicht mehr zu hebende Krankheit der Füsse nach sich zieht. – Den Bauch, vornehmlich bei kalter Witterung, warm zu halten, möchte eher zur diätetischen Vorschrift, statt der Gemächlichkeit gehören; weil er Gedärme in sich schliesst, die einen langen Gang hindurch einen nichtflüssigen Stoff forttreiben sollen; wozu der sogenannte Schmachtriemen (ein breites den Unterleib haltendes und die Muskeln desselben unterstützendes Band) bei Alten, aber eigentlich nicht der Wärme wegen, gehört. 2) Lange oder (wiederholentlich, durch Mittagsruhe) v i e l s c h l a f e n ist freilich eben so viel Ersparnis am Ungemache, was überhaupt das Leben im Wachen unvermeidlich bei sich führt, und es ist wunderlich genug, sich ein langes Leben zu wünschen, um es grösstenteils zu verschlafen. Aber das, worauf es hier eigentlich ankommt, dieses vermeinte Mittel des langen Lebens, die Gemächlichkeit, widerspricht sich in seiner Absicht selbst. Denn das wechselnde Erwachen und wieder Einschlummern, in langen Winternächten, ist für das ganze Nervensystem lähmend, zermalmend [[A 175>> und in täuschender Ruhe krafterschöpfend: mithin die Gemächlichkeit hier eine Ursache der Verkürzung des Lebens. – Das Bett ist das Nest einer Menge von Krankheiten.

3) Im Alter sich zu p f l e g e n oder pflegen zu lassen, bloss um seine Kräfte, durch die Vermeidung der Ungemächlichkeit (z.B. des Ausgehens in schlimmen Wetter) oder überhaupt die Übertragung der Arbeit an andere, die man selbst verrichten könnte zu s c h o n e n, so aber das Leben zu verlängern, diese Sorgfalt bewirkt gerade das Widerspiel, nämlich das frühe Altwerden und Verkürzung des Lebens. – – Auch dass sehr alt Gewordene m e h r e n t e i l s v e r e h e l i c h t e 1 Personen gewesen wären, möchte sehwer zu beweisen sein. – In einigen Familien ist das Altwerden erblich, und die Paarung in einer solchen kann wohl einen Familienschlag dieser Art begründen. Es ist auch kein übles politisches Prinzip zu Beförderung der Ehen, das gepaarte Leben als ein langes Leben anzupreisen; obgleich die Erfahrung immer verhältnisweise nur wenig Beispiele davon an die Hand gibt, von solchen, die neben einander vorzüglich alt geworden sind; aber die Frage ist hier nur vom physiologischen [[A 176>> Grunde des Altwerdens – wie es die Natur verfügt, nicht vom politischen, wie die Konvenienz des Staats die öffentliche Meinung seiner Absicht gemäss gestimmt zu sein verlangt. – Übrigens ist das P h i l o s o p h i e r e n, ohne darum eben Philosoph zu sein, auch ein Mittel der Abwehrung mancher unangenehmer Gefühle und doch zugleich A g i t a t i o n des Gemüts, welches in seine Beschäftigung ein Interesse bringt, das von äussern Zufälligkeiten unabhängig, und ehen darum, obgleich nur als Spiel, dennoch kräftig und inniglich ist, und die Lebenskraft nicht stocken lässt. Dagegen P h i l o s o p h i e, die ihr Interesse am Ganzen des Endzwecks der Vernunft (der eine absolute Einheit ist) hat, ein Gefühl der Kraft bei sich führt, welches die körperliche Schwächen des Alters in gewissem Masse durch vernünftige Schätzung des Werts des Lebens wohl vergüten kann. – Aber neu sich eröffnende Aussichten zu Erweiterung seiner Erkenntnisse, wenn sie auch gerade nicht zur Philosophie gehörten, leisten doch auch eben dasselbe, oder etwas dem Ähnliches; und sofern der Mathematiker hieran ein u n m i t t e l b a r e s Interesse (nicht als an einem Werkzeuge zu anderer Absicht) nimmt, so ist er in sofern auch Philosoph, und geniesst die Wohltätigkeit einer solchen Erregungs[[A 177>>art seiner Kräfte in einem verjüngten und ohne Erschöpfung verlängerten Leben. 1

Journal hat an dieser Stelle die folgende von Kant stammende Anmerkung: „Hiewider möchte ich doch die Beobachtung anführen: dass unverehelichte (oder jurig vrwitwete) alle Männer mehrenteils länger ein j u g e n d l i c h e s A u s s e h e n erhalten, als verehelichte, welches doch auf eine längere Lebensdauer zu deuten scheint. – Sollten wohl die letztern an ihren härteren Gesichtszügen den Zustand eines getragenen J o c h s (davon coniugium), nämlich das frühere Altwerden verraten, welches auf ein kürzeres Lebensziel hindeutet ?“

Aber auch blosse TändeIeien in einem sorgenfreien Zustande leisten, als Surrogate, bei eingeschränkten Köpfen fast eben dasselbe, und, die mit Nichtstun immer vollauf zu tun haben, werden gemeiniglich auch alt. – Ein sehr bejahrter Mann fand dabei ein grosses Interesse, dass die vielen Stutzuhren in seinem Zimmer immer nach einander, keine mit der andern zugleich, schlagen mussten; welches ihn und den Uhrmacher den Tag über genug beschäftigte, und dem letztern zu verdienen gab. Ein anderer fand in der Abfütterung und Kur seiner Sangvögel hinreichende Beschäftigung, um die Zeit zwischen seiner eigenen Abfütterung und dem Schlaf auszufüllen. Eine alte begüterte Frau fand diese Ausfüllung am Spinnrade, unter dabei eingemischten unbedeutenden Gesprächen, und klagte daher in ihrem sehr hohen Alter, gleich als über den Verlust einer guten Gesellschaft, dass, da sie nunmehr den Faden zwischen den Fingern nicht mehr fühlen könnte1, sie für langer Weile zu sterben Gefahr liefe. Doch, damit mein Diskurs über das lange Leben [[A 178>> Ihnen nicht auch lange Weile mache, und2 eben dadurch gefährlich werde, will ich der Sprachseligkeit, die man als einen Fehler des Alters zu belächlen, wenn gleich nicht zu schelten pflegt, hiemit Grenzen setzen. 1. VON DER HYPOCHONDRIE Die Schwäche, sich seinen krankhaften Gefühlen überhaupt, ohne ein bestimmtes Objekt, mutlos zu überlassen (mithin ohne den Versuch zu machen, über sie durch die Vernunft Meister zu werden) – die G r i l l e n k r a n k h e i t (hypochondria vaga) *, welche gar keinen bestimmten Sitz im Körper hat, und ein Geschöpf der Einbildungskraft ist, und daher auch die d i c h t e n d e heissen könnte – wo der Patient alle Krankheiten, von denen er in Büchern liest, an sich zu bemerken glaubt, ist das gerade Widerspiel jenes Vermögens des Gemüts, über seine krankhafte Gefühle Meister zu sein, nämlich Verzagtheit, über Übel, welche Menschen zustossen k ö n n t e n, zu brüten, ohne, wenn sie kämen, ihnen widerstehen zu können; eine [[A 179>> Art von Wahnsinn, welchem freilich wohl irgend ein Krankheitsstoff (Blähung oder Verstopfung) zum Grunde liegen mag, der aber nicht unmittelbar, wie er den Sinn affiziert, gefühlt, sondern als bevorstehendes Übel von der dichtenden Einbildungskraft vorgespiegelt wird; wo dann der Selbstquiler (heautontimorumenos), statt sich selbst zu ermannen, vergeblich die Hülfe des Arztes aufruft; weil nur er selbst, durch die Diätetik seines Gedankenspiels, belästigende Vorstellungen, die sich unwillkürlich einfinden, und zwar von Übeln, wider die sich doch nichts veranstalten liesse, wenn sie sich wirklich einstellten, aufheben kann. – Von dem, der mit dieser Krankheit behaftet, und so lange er es ist, kann man nicht verlangen, er solle seiner krankhaften Gefühle durch den blossen Vorsatz Meister werden. Denn, wenn er dieses könnte, so wäre er nicht hypochondrisch. Ein vernünftiger Mensch s t a t u i e r t keine solche Hypochondrie: sondern, wenn ihm Beängstigungen anwandeln, die in Grillen, d. i., selbst ausgedachte Übel ausschlagen wollen, so fragt er sich, ob ein Objekt derselben da sei. Findet er keines, welches gegründete Ursache zu dieser Beängstigung abgeben kann, oder sieht er ein, dass, wenn auch gleich ein [[A 180>> solches wirklich wäre, doch dabei nichts zu tun möglich sei, um seine Wirkung abzuwenden, so geht er mit diesem Ansprüche seines inneren Gefühls zur Tagesordnung, d. i., er lässt seine Beklommenheit (welche alsdann bloss topisch ist) an ihrer Stelle liegen (als ob sie ihm nichts anginge) und richtet seine Aufmerksamkeit auf die Geschäfte, mit denen er zu tun hat. Ich habe wegen meiner flachen und engen Brust, die für die Bewegung des Herzens und der Lunge wenig Spielraum lässt, eine natürliche Anlage zur Hypochondrie, welche in früheren Jahren bis an den Überdruss des Lebens grenzte. Aber die Überlegung, dass die 1

Journal: „konnte”. Journal: „machen und”. * Zum Unterschiede von der t o p i s c h e n (hypochondria intestinalis). 2

Ursache dieser Herzbeklemmung vielleicht bloss mechanisch und nicht zu heben sei, brachte es bald dahin, dass ich mich an sie gar nicht kehrte, und während dessen, dass ich mich in der Brust beklommen fühlte, im Kopf doch Ruhe und Heiterkeit herrschte, die sich auch in der Gesellschaft, nicht nach abwechselnden Launen (wie Hypochondrische pflegen), sondern absichtlich und natürlich mitzuteilen nicht ermangelte. Und da man des Lebens mehr froh wird durch das, was man im freien Gebrauch desselben t u t, als was man g e n i e s s t, so können Geistesarbeiten eine andere Art von [[A 181>> befördertem Lebensgefühl den Hemmungen entgegen setzen, welche bloss den Körper angehen. Die Beklemmung ist mir geblieben; denn ihre Ursache liegt in meinem körperlichen Bau. Aber über ihren Einfluss auf meine Gedanken und Handlungen bin ich Meister geworden, durch Abkehrung der Aufmerksamkeit von diesem Gefühle, als ob es mich gar nicht anginge. 2. VOM SCHLAFE Was die Türken, nach ihren Grundsätzen der Prädestination, über die Mässigkeit sagen: dass nämlich im Anfange der Welt jedem Menschen die Portion zugemessen worden, wie viel er im Leben zu essen haben werde, und, wenn er seinen beschiedenen Teil in grossen Portionen verzehrt, er auf eine desto kürzere Zeit zu e s s e n, mithin zu s e i n sich Rechnung machen könne: Das kann in einer Diätetik, als K i n d e r l e h r e (denn im Geniessen müssen auch Männer von Ärzten oft als Kinder behandelt werden), auch zur Regel dienen: nämlich dass jedem Menschen von Anbeginn her vom Verhängnisse seine Portion S c h l a f zugemessen worden, und der, welcher von seiner Lebenszeit in [[A 182>> Mannsjahren zu viel (über das Dritteil) dem Schlafen eingeräumt hat, sich nicht eine lange Zeit zu schlafen, d. i., zu leben und alt zu werden versprechen darf. – Wer clem Schlaf als süssen Genuss im Schlummern (der S i e s t a der Spanier) oder als Zeitkürzung (in langen Winternächten) viel mehr als ein Dritteil seiner Lebenszeit einräumt, oder ihn sich auch teilweise (mit Absätzen), nicht in einem Stück für jeden Tag, zumisst, verrechnet sich sehr in Ansehung seines L e b e n s q u a n t u m, teils dem Grade, teils der Länge nach. – Da nun schwerlich ein Mensch wünschen wird, dass der Schlaf überhaupt gar nicht Bedürfnis für ihn wäre (woraus doch wohl erhellet, dass er das lange Leben als eine lange Plage fühlt; von dem, so viel er verschlafen, eben so viel Mühseligkeit zu tragen er sich ersparet hat), so ist es geratener, fürs Gefühl sowohl als für die Vernunft, dieses genuss- und tatleere Drittel ganz auf eine Seite zu bringen, und es der unentbehrlichen Naturrestauration zu überlassen: doch mit einer genauen Abgemessenheit der Zeit, von wo an und wie lange sie dauern soll. *** [[A 183>> Es gehört unter die krankhaften Gefühle, zu der bestimmten und gewohnten Zeit nicht schlafen, oder auch sich nicht wach halten zu können; vornehmlich aber das erstere: in dieser Absicht sich zu Bette zu legen und doch schlaflos zu liegen. – Sich alle G e d a n k e n aus dem Kopf zu schlagen, ist zwar der gewöhnliche Rat, den der Arzt gibt: aber sie, oder andere an ihre Stelle, kommen wieder und erhalten wach. Es ist kein anderer diätetischer Rat, als, beim inneren Wahrnehmen oder Bewusstwerden irgend eines sich regenden Gedanken, die Aufmerksamkeit davon so fort abzuwenden (gleich als ob man mit geschlossenen Augen diese auf eine andere Seite kehrte): wo dann durch das Abbrechen jedes Gedanken, den man inne wird, allmählich eine Verwirrung der Vorstellungen entspringt, dadurch das Bewusstsein seiner körperlichen (äusseren) Lage aufgehoben wird, und eine ganz verschiedene Ordnung, nämlich ein unwillkürliches Spiel der Einbildungskraft (das im gesunden Zustande der T r a u m ist) eintritt, in welchem, durch ein bewundernswürdiges Kunststück der tierischen Organisation, der Körper für die animalischen Bewegungen a b g e s p a n n t, für die Vitalbewegung aber innigst a g i t i e r t [[A 184>> wird, und zwar durch T r ä u m e, die, wenn wir uns gleich derselben im Erwachen nicht erinnern, gleichwohl nicht haben ausbleiben können: weil sonst bei gänzlicher Ermangelung derselben, wenn die Nervenkraft, die vom Gehirn, dem Sitze der Vorstellungen, ausgeht, nicht mit der

Muskelkraft der Eingeweide vereinigt wirkte, das Leben sich nicht einen Augenblick erhalten könnte. Daher träumen vermutlich alle Tiere wenn sie schlafen. Jedermann aber, der sich zu Bette und in Bereitschaft zu schlafen gelegt hat, wird bisweilen, bei aller obgedachten Ablenkung seiner Gedanken, doch nicht zum Einschlafen kommen können. In diesem Fall wird er im Gehirn etwas S p a s t i s c h e s (Krampfartiges) fühlen, welches auch mit der Beobachtung gut zusammenhängt: dass ein Mensch gleich nach dem Erwachen etwa ½ Zoll länger sei, als wenn er sogar im Bette geblieben und dabei nur gewacht hätte. – Da Schlaflosigkeit ein Fehler des schwächlichen Alters, und die linke Seite, überhaupt genommen, die schwächere ist,* so fühlte ich seit etwa einem Jahre diese [[A 185>> krampfichte Anwandelungen und sehr empfindliche Reize dieser Art (ob zwar nicht wirkliche und sichtbare Bewegungen der darauf affizierten Gliedmassen als Krämpfe), die ich nach der Beschreibung anderer für g i c h t i s c h e Zufälle halten und dafür einen Arzt suchen musste. [[A 186>> Nun aber, aus Ungeduld, am Schlafen mich gehindert zu fühlen, griff ich bald zu meinem stoischen Mittel, meinen Gedanken mit Anstrengung auf irgend ein von mir gewähltes gleichgültiges Objekt, was es auch sei (z.B. auf den viel Nebenvorstellungen enthaltenden Namen Cicero) zu heften: mithin die Aufmerksamkeit von jener Empfindung abzulenken; dadurch diese dann, und zwar schleunig, stumpf wurde1, und so die Schläfrigkeit sie überwog, und dieses kann ich jederzeit, bei wiederkommenden Anfällen dieser Art in den kleinen Unterbrechungen des Nachtschlafs, mit gleich gutem Erfolg wiederholen. Dass aber dieses nicht etwa bloss eingebildete Schmerzen waren, davon konnte mich die des andern Morgens früh sich zeigende glühende Röte der Zehen des linken Fusses überzeugen. – Ich bin gewiss, dass viele g i c h t i s c h e Zufälle, wenn nur die Diät des Genusses nicht gar zu sehr dawider ist, ja K r ä m p f e und selbst e p i l e p t i s c h e Zufälle (nur nicht bei Weibern und Kindern, als die dergleichen Kraft des Vorsatzes nicht haben), auch wohl das für unheilbar verschriene P o d a g r a bei jeder neuen Anwandlung desselben durch diese Festigkeit des Vorsatzes (seine Aufmerksamkeit von einem solchen Leiden ab[[A 187>>zuwenden) abgehalten, und nach und nach gar gehoben werden könnte. 3. VOM ESSEN UND TRINKEN Im gesunden Zustande und der Jugend ist es das Geratenste in Ansehung des Genusses, der Zeit und Menge nach, bloss den A p p e t i t (Hunger und Durst) zu befragen; aber bei den mit dem Alter sich einfindenden Schwächen ist eine gewisse A n g e w o h n h e i t einer geprüften und heilsam gefundenen Lebensart, nämlich wie man es einen Tag gehalten hat, es eben so alle Tage zu halten, ein diätetischer Grundsatz, welcher dem langen Leben am günstigsten ist; doch unter der Bedingung, dass diese Abfütterung für den sich weigernden Appetit die gehörige Ausnahmen mache. – Dieser nämlich weigert im Alter die Quantität des Flüssigen (Suppen oder viel Wasser zu trinken) vornehmlich dem männlichen Geschlecht: verlangt dagegen derbere Kost und anreizenderes Getränke (z.B. Wein), sowohl um die w u r *

Es ist ein ganz unrichtiges Vorgeben, dass, was die [[Anm. A 185>> Stärke im Gebrauch seiner äussern Gliedmassen betrifft, es bloss auf die Übung, und wie man frühe gewohnt worden, ankomme, welche von beiden Seiten des Körpers die stärkere oder schwächere sein solle; ob im Gefechte mit dem rechten oder linken Arm der Säbel geführt, ob sich der Reiter im Steigbügel stehend von der rechten zur linken oder umgekehrt aufs Pferd schwinge, u. dgl. Die Erfahrung lehrt aber, dass, wer sich am linken Fusse Mass für seine Schuhe nehmen lässt, wenn der Schuh dem linken genau anpasst, er für den rechten zu enge sei, ohne dass man die Schuld davon den Eltern geben kann, die ihre Kinder nicht besser belehrt hätten; so wie der Vorzug der rechten Seite vor der linken auch daran zu sehen ist, dass der, welcher über einen etwas tiefen Graben schreiten w i l l, den linken Fuss ansetzt, und mit dem rechten überschreitet, widrigenfalls er in den Graben zu fallen Gefahr läuft. Dass der preussische Infanterist geübt wird, mit dem linken Fusse a n z u t r e t e n, widerlegt jenen Satz nicht, sondern bestätigt ihn vielmehr; denn er setzt diesen voran, gleich als auf ein Hypomochlium, um mit der rechten Seite den Schwung des Angriffs zu machen, welchen er mit der rechten gegen die linke verrichtet. 1

Journal: „wurden”.

m f ö r m i g e Bewegung der Gedärme (die unter allen Eingeweiden am meisten von der vita propria zu haben scheinen, weil sie, wenn sie noch warm aus dem Tier gerissen und zerhauen [[A 188>> werden, als Würmer kriechen, deren Arbeit man nicht bloss fühlen, sondern sogar hören kann) zu befördern und zugleich solche Teile in den Blutumlauf zu bringen, die durch ihren Reiz das Gerader zur Blutbewegung im Umlauf zu erhalten beförderlich sind. Das Wasser braucht aber bei alten Leuten längere Zeit, um, ins Blut aufgenommen, den langen Gang seiner Absonderung von der Blutmasse durch die Nieren zur Harnblase zu machen, wenn es nicht dem Blute assimilierte Teile (dergleichen der Wein ist) und die einen Reiz der Blutgefässe zum Fortschaffen bei sich führen, in sich enthält; welcher letztere aber alsdann als Medizin gebraucht wird, dessen künstlicher Gebrauch eben darum eigentlich nicht zur Diätetik gehört. Der Anwandelung des Appetits zum Wassertrinken (dem Durst), welche grossenteils nur Angewohnheit ist, nicht sofort nachzugeben, und ein hierüber genommenen f e s t e r V o r s a t z bringt diesen Reiz in das Mass des natürlichen Bedürfnisses des den festen Speisen beizugebenden Flüssigen, dessen Genuss in Menge im Alter selbst durch den Naturinstinkt geweigert wird. Man schläft auch nicht gut, wenigstens nicht tief bei dieser Wasserschwelgerei, weil die Blutwärme dadurch vermindert wird. [[A 189>> Es ist oft gefragt worden: ob, gleich wie in 24 Stunden nur Ein Schlaf, so auch in eben so viel Stunden nur Eine Mahlzeit nach diätetischer Regel verwilligt werden könne, oder ob es nicht b e s s e r (gesunder) sei, dem Appetit am Mittagstische etwas abzubrechen, um dafür auch zu Nacht essen zu können. Zeitkürzender ist freilich das letztere. – Das erstere1 halte ich auch in den sogenannten besten Lebensjahren (dem Mittelalter) für zuträglicher; das letztere2 aber im späteren Alter. Denn, da das Stadium für die Operation der Gedärme zum Behuf der Verdauung im Alter ohne Zweifel langsamer abläuft, als in jüngeren Jahren, so kann man glauben, dass ein neues Pensum (in einer Abendmahlzeit) der Natur aufzugeben, indessen dass das erstere Stadium der Verdauung noch nicht abgelaufen ist, der Gesundheit nachteilig werden müsse. – Auf solche Weise kann man den Anreiz zum Abendessen, nach einer hinreichenden Sättigung des Mittags, für ein k r a n k h a f t e s Gefühl halten, dessen man durch einen festen Vorsatz so Meister werden kann, dass auch die Anwandelung desselben nach gerade nicht mehr verspürt wird. [[A 190>> 4. VON DEM KRANKHAFTEN GEFÜHL AUS DER UNZEIT IM DENKEN Einem Gelehrten ist das D e n k e n ein Nahrungsmittel, ohne welches, wenn e r w a c h u n d a l l e i n i s t, er nicht leben kann; jenes mag nun im L e r n e n (Bücherlesen) oder im A u s d e n k e n (Nachsinnen und Erfinden) bestehen. Aber beim Essen oder Gehen sich zugleich angestrengt mit einem bestimmten Gedanken beschäftigen, Kopf und Magen, oder Kopf und Füsse mit zwei Arbeiten zugleich belästigen, davon bringt das eine Hypochondrie, das andere Schwindel hervor. Um also dieses krankhaften Zustandes durch Diätetik Meister zu sein, wird nichts weiter erfordert, als die mechanische Beschäftigung des Magens, oder der Füsse, mit der geistigen des Denkens wechseln zu lassen, und während dieser (der Restauration gewidmeten) Zeit das absichtliche Denken zu hemmen und dem (dem mechanischen ähnlichen) freien Spiele der Einbildungskraft den Lauf zu lassen; wozu aber bei einem Studierenden ein allgemein gefasster und fester Vorsatz der D i ä t i m D e n k e n erfordert wird.

Es finden sich krankhafte Gefühle ein, wenn man in einer Mahlzeit ohne Gesellschaft sich zugleich mit [[A 191>> Bücherlesen oder Nachdenken beschäftigt, weil die Lebenskraft durch Kopfarbeit von dem Magen, den man belästigt, abgeleitet wird. Eben so, wenn dieses Nachdenken mit der krafterschöpfenden Arbeit der Füsse (im Promenieren) * verbunden wird, 1

Akad.-Ausg.: „letztere”. Akad.-Ausg.: „erstere”. * Studierende können es schwerlich unterlassen, in einsamen Spaziergängen sich mit Nachdenken selbst und allein zu unterhalten. Ich habe es aber an mir gefunden und auch von andern, die ich darum befrug, gehört: dass das anggstrengte Denken im G e h e n geschwinde matt macht; dagegen, wenn man sich dem freien Spiel der Einbildungskraft überlässt, die Motion restaurierend ist. Noch mehr geschieht dieses, wenn bei dieser mit Nachdenken verbundenen Bewegung zugleich Unterredung mit einem andern gehalten wird, so, dass man sich 2

(Man kann das L u k u b r i e r e n noch hinzufügen, wenn es ungewöhnlich ist.) Indessen sind die krankhaften Gefühle aus diesen unzeitig (invita Minerva) vorgenommenen Geistesarbeiten doch nicht von der Art, dass sie sich unmittelbar durch den blossen Vorsatz augenblicklich, sondern allein durch Entwöhnung, vermöge eines entgegengesetzten Prinzips, [[A 192>> nach und nach heben lassen, und von den ersteren soll hier nur geredet werden. 5. VON DER HEBUNG UND VERHÜTUNG KRANKHAFTER ZUFÄLLE DURCH DEN VORSATZ IM ATEMZIEHEN Ich war vor wenigen Jahren noch dann und wann vom Schnupfen und Husten heimgesucht, welche beide Zufälle mir desto ungelegener waren, als sie sich bisweilen beim Schlafengehen zutrugen. Gleichsam entrüstet über diese Störung des Nachtschlafs entschloss ich mich, was den ersteren Zufall betrifft, mit fest geschlossenen Lippen durchaus die Luft durch die Nase zu ziehen: welches mir anfangs nur mit einen schwachen Pfeifen, und, da ich nicht absetzte, oder nachliess, immer mit stärkeren, zuletzt mit vollen und freien Luftzüge gelang, es durch die Nase zu Stande zu bringen, darüber ich dann sofort einschlief. – Was dies gleichsam konvulsivische und mit dazwischen vorfallenden Einatmen (nicht wie beim Lachen ein kontinuiertes stossweise erschallendes) Ausatmen1, den H u s t e n betrifft, vornehmlich den, welchen der gemeine Mann in England den Altmannshusten (im Bette liegend) nennt, so war er mir um so mehr ungelegen, da er sich biswei[[A 193>>len bald nach der Erwärmung im Bette einstellte und das Einschlafen verzögerte. Dieses Husten, welches durch den Reiz der mit offenen Munde eingeatmeten Luft auf den Luftröhrenkopf erregt wird, * nun zu bald genötigt sieht, das Spiel seiner Gedanken sitzend fortzusetzen. – Das Spazieren im Freien hat gerade die Absicht, durch den Wechsel der Gegenstände seine Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen a b z u s p a n n e n. 1

Akad.-Ausg.: „continuirtes) stossweise erschallende Ausathmen“. Sollte mich nicht die atmosphärische Luft, wenn sie durch die Eustachische Röhre (also bei geschlossenen Lippen) zirkuliert, dadurch, dass sie auf diesem dem Gehirn nahe liegenden Umwege Sauerstoff absetzt, das erquickende Gefühl gestärkter Lebensorgane bewirken; welches dem ähnlich ist, als ob man Luft t r i n k e; wobei diese, ob sie zwar keinen Geruch hat, doch die Geruchsnerven und die denselben nahe liegende einsaugende Gefässe stärkt? Bei manchem Wetter findet sich dieses Erquickliche des Genusses der Luft nicht; bei anderem ist es eine wahre Annehmlichkeit, sie auf seiner Wanderung mit langen Zugen zu trinken: welches das Einatmen mit offenem Munde nicht bewährt. – – Das ist aber von der grössten diätetischen Wichtigkeit, den Atemzug durch die Nase bei geschlossenen Lippen sich so zur G e w o h n h e i t zu machen, dass er selbst im tiefsten Schlaf nicht anders verrichtet wird, und man sogleich aufwacht, sobald er mit offenem Munde geschieht, und dadurch gleichsam aufgeschreckt wird; wie ich das anfänglich, ehe es mir zur Gewohnheit wurde, auf solche Weise zu atmen, bisweilen erfuhr. – Wenn man genötigt ist, stark oder bergan zu schreiten, so gehört grössere Stärke [[Anm. A 194>> des Vorsatzes dazu, von jener Regel nicht abzuweichen, und eher seine Schritte zu mässigen, als von ihr eine Ausnahme zu machen; ingleichen, wenn es um starke Motion zu tun ist, die etwa ein Erzieher seinen Zöglingen geben will, dass dieser sie ihre Bewegung lieber stumm, als mit ofterer Einatmung durch den Mund machen lasse. Meine jungen Freunde (ehemalige Zuhörer) haben diese diätetische Maxime als probat und heilsam gepriesen, und sie nicht unter die Kleinigkeiten gezählt, weil sie blosses Hausmittel ist, das den Arzt entbehrlich macht. – Merkwürdig ist noch: dass, da es scheint, beim lange fortgesetzten S p r e c h e n geschehe das E i n a t m e n auch durch den so oft geöffneten Mund, mithin jene Regel werde da doch ohne Schaden überschritten, es sich wirklich nicht so verhält. Denn es geschieht doch auch durch die N a s e. Denn wäre diese zu der Zeit verstopft, so würde man von dem Redner sagen, er spreche durch die Nase (ein sehr widriger [[Anm. A 195>> Laut), indem er wirklich nicht durch die Nase spräche, und umgekehrt, er spreche nicht durch die Nase, indem er wirklich durch die Nase spricht: wie es Hr. Hofr. L i c h t e n b e r g launicht und richtig bemerkt. – Das ist auch der Grund, warum der, welcher lange und laut spricht (Vorleser oder Prediger), es ohne Rauhigkeit der Kehle eine Stunde lang wohl aushalten kann; weil nämlich sein A t e m z i e h e n eigentlich durch die Nase, nicht durch den Mund, geschieht, als durch welchen nur das A u s a t m e n verrichtet wird. – Ein Nebenvorteil dieser Angewohnheit des Atemzuges mit beständig geschlossenen Lippen, wenn man für sich allein wenigstens nicht im Diskurs begriffen ist, ist der: dass die sich immer absondernde und den Schlund befeuchtende Saliva hiebei zugleich als Verdauungsmittel (stomachale), vielleicht auch (verschluckt) als Abfüh[[Anm. A 196>>rungsmittel wirkt; wenn man fest genug entschlossen ist, sie nicht durch üble Angewohnheit zu verschwenden. *

hemmen, bedurfte es einer nicht mechanischen (pharmazeutischen), sondern nur unmittelbaren Gemütsope[[A 194>>ration: nämlich die A u f m e r k s a m k e i t auf diesen Reiz dadurch ganz abzulenken, dass sie mit Anstrengung auf irgend ein Objekt (wie oben bei krampfhaften Zufällen) gerichtet, und dadurch das Ausstossen der Luft gehemmet wurde, welches mir, wie ich es deutlich fühlete, das Blut ins Gesicht trieb, wobei aber der durch denselben Reiz erregte flüssige Speichel (saliva) die Wirkung dieses Reizes, nämlich die Ausstossung der Luft, verhinderte, und ein Herunterschlucken [[A 195>> dieser Feuchtigkeit bewirkte. – – Eine Gemütsoperation, zu der ein recht grosser Grad des festen Vorsatzes erforderlich, der aber darum auch desto wohltätiger ist. 6. VON DEN FOLGEN DIESER ANGEWOHNHEIT DES ATEMZIEHENS MIT GESCHLOSSENEN LIPPEN Die u n m i t t e l b a r e Folge davon ist, dass sie auch im Schlafe fortwährt, und ich sogleich aus dem [[A 196>> Schlafe aufgeschreckt werde, wenn ich zufälligerweise die Lippen öffne und ein Atemzug durch den Mund geschieht; woraus man sieht, dass der Schlaf, und mit ihm der Traum, nicht eine so gänzliche Abwesenheit von dem Zustande des Wachenden ist, dass sich nicht auch eine Aufmerksamkeit auf seine Lage in jenem Zustande mit einmische: wie man denn dieses auch daraus abnehmen kann, dass die, welche sich des Abends vorher vorgenommen haben, früher als gewöhnlich (etwa zu einer Spazierfahrt) aufzustehen, auch früher e r w a c h e n; indem sie vermutlich durch die Stadtuhren aufgeweckt worden, die sie also auch mitten im Schlaf haben hören und darauf Acht geben müssen. – Die m i t t e l b a r e Folge dieser loblichen Angewohnung ist: dass das unwillkürliche abgenötigte Husten (nicht das A u f h u s t e n eines Schleims als beabsichtigter Auswurf) in beiderlei Zustande verhütet und so durch die blosse Macht des Vorsatzes eine Krankheit verhütet wird. – – Ich habe sogar gefunden, dass, da mich nach ausgelöschtem Licht (und eben zu Bette gelegt) auf einmal ein starker Durst an[[A 197>>wandelte, den mit Wassertrinken zu löschen ich im Finstern hatte in eine andere Stube gehen und durch Herumtappen das Wassergeschirr suchen müssen, ich darauf fiel, verschiedene und starke Atemzüge mit Erhebung der Brust zu tun, und gleichsam Luft durch die Nase z u t r i n k e n; wodurch der Durst in wenig Sekunden völlig gelöscht war. Es war ein krankhafter Reiz, der durch einen Gegenreiz gehoben ward.

BESCHLUSS Krankhafte Zufälle, in Ansehung deren das Gemüt das Vermögen besitzt, des Gefühls derselben durch den blossen standhaften Willen des Menschen, als einer Obermacht des vernünftigen Tieres, Meister werden zu können, sind alle von der spastischen (krampfhaften) Art: man kann aber nicht umgekehrt sagen, dass alle von dieser Art durch den blossen festen Vorsatz gehemmet oder gehoben werden können. – Denn einige derselben sind von der Beschaffenheit, dass die Versuche, sie der Kraft des Vorsatzes zu unterwerfen, das krampf[[A 198>>hafte Leiden vielmehr noch verstärken: wie es der Fall mit mir selber ist, da diejenige Krankheit, welche vor etwa einem Jahr in der Kopenhagener Zeitung als „epidemischer, mit K o p f b e d r ü c k u n g verbundener Katarrh“ beschrieben wurde * (bei mir aber wohl ein Jahr älter, aber doch von ähnlicher Empfindung ist), mich fur eigene Kopfarbeiten gleichsam desorganisiert, wenigstens geschwächt und stumpf gemacht hat, und, da sich diese Bedrückung auf die natürliche Schwäche des Alters geworfen hat, wohl nicht anders als mit dem Leben zugleich aufhören wird. Die krankhafte Beschaffenheit des Patienten, die das Denken, in sofern es ein Festhalten eines Begriffs (der Einheit des Bewusstseins verbundener Vorstellungen) ist, beglei tet und erschwert, bringt das Gefühl eines spastischen Zustandes des Organs des Denkens (des Gehirns) als eines Drucks hervor, der zwar das Denken und Nachdenken selbst, ingleichen das Gedächtnis in Ansehung des ehedem Gedachten, eigentlich nicht schwächt, aber im Vortrage (dem mündlichen oder schriftlichen) das feste Zusammenhalten der Vorstellungen

*

Ich halte sie für eine Gicht, die sich zurn Teil aufs Gehirn geworfen hat.

[[A 199>> in ihrer Zeitfolge wider Zerstreuung sicheren soll, bewirkt selbst 1 einen unwillkürlichen spastischen Zustand des Gehirns, als ein Unvermögen, bei dem Wechsel der auf einander folgenden Vorstellungen die Einheit des Bewusstseins derselben zu erhalten. Daher begegnet es mir: dass, wenn ich, wie es in jeder Rede jederzeit geschieht, zuerst zu dem, was ich sagen will, (den Hörer oder Leser) vorbereite, ihm den Gegenstand, w o h i n ich gehen will, in der Aussicht, dann ihn auch auf das, w o v o n ich ausgegangen bin, zurückgewiesen2 habe (ohne welche zwei Hinweisungen kein Zusammenhang der Rede Statt findet) und ich nun das letztere mit dem ersteren verknüpfen soll, ich auf einmal meinen Zuhörer (oder stillschweigend mich selbst) fragen muss : wo war ich doch ? Wovon ging ich aus ? welcher Fehler nicht sowohl ein Fehler des Geistes, noch nicht 3 des Gedächtnisses allein, sondern der G e i s t e s g e g e n w a r t (im Verknüpfen), d. i., unwillkürliche Z e r s t r e u u n g und ein sehr peinigender Fehler ist; dem man zwar in Schriften (zumal den philosophischen; weil man da nicht immer so leicht zurücksehen kann, von wo man ausging) mühsam vorbeugen, ob zwar mit aller Mühe nie völlig verhüten4 kann. [[A 200>> Mit dem Mathematiker, der seine Begriffe, oder die Stellvertreter derselben (Grössen- und Zahlenzeichen), in der Anschauung vor sich hinstellen, und, dass, so weit er gegangen ist, alles richtig sei, versichert sein kann, ist es anders bewandt, als mit dem Arbeiter im Fache der, vornehmlich reinen, Philosophie (Logik und Metaphysik), der seinen Gegenstand in der Luft vor sich schwebend erhalten muss, und ihn nicht bloss teilweise, sondern jederzeit zugleich in einem Ganzen des Systems (d. r. V.) sich darstellen und prüfen muss. Daher es eben nicht zu verwundern ist, wenn ein Metaphysiker eher i n v a l i d wird, als der Studierende in einem anderen Fache, ingleichen als Geschäftsphilosophen; indessen dass es doch einige derer geben muss, die sich jenem ganz widmen, weil ohne Metaphysik überhaupt es gar keine Philosophie geben kännte. Hieraus ist auch zu erklären, wie jemand f ü r s e i n A l t e r gesund zu sein sich rühmen kann, ob er zwar in Ansehung gewisser ihm obliegenden Geschäfte sich in die Krankenliste musste einschreiben lassen. Denn, weil das U n v e r m ö g e n zugleich den Gebrauch und mit diesem auch den Verbrauch und die Erschöpfung der Lebenskraft abhält, und er gleichsam nur in einer [[A 201>> niedrigeren Stufe (als vegetierendes Wesen) zu leben gesteht, nämlich essen, gehen und schlafen zu können, was für seine animalische Existenz gesund, für die bürgerliche (zu öffentlichen Geschäften verpflichteten 1 Existenz aber krank, d. i., invalid, heisst: so widerspricht sich dieser Kandidat des Todes hiemit gar nicht. Dahin führt die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern: dass man endlich unter den Lebenden nur so geduldet wird, welches eben nicht die ergötzlichste Lage ist. Hieran aber habe ich selber Schuld. Denn warum will ich auch der hinanstrebenden jüngeren Welt nicht Platz machen, und, um zu leben, mir den gewöhnten Genuss des Lebens schmälern: warum ein schwächliches Leben durch Entsagungen in ungewöhnliche Länge ziehen, die Sterbelisten, in denen doch auf den Zuschnitt der von Natur Schwächeren, und ihre mutmassliche Lebensdauer mit gerechnet ist, durch mein Beispiel in Verwirrung bringen, und das alles, was man sonst Schicksal nannte (dem man sich demütig und andächtig unterwarf), dem eigenen festen Vorsatze unterwerfen; welcher doch schwerlich zur allgemeinen diätetischen Re[[A 202>>gel, nach welcher die Vernunft unmittelbar Heilkraft ausübt, aufgenommen werden, und die therapeutische Formeln der Offizin jemals verdrängen wird ? NACHSCHRIFT 1

Gross: „schwächt; aber im Vortrage (...) beivirkt dann das... Zeitfolge, um wider Zerstreuung zu sichern, selbst“. 2 Journal: „zurück gewiesen”. 3 Akad.-Ausg.: „Geistes, auch nicht”. 4 Journal: „vergüten”. 1 Akad.-Ausg.: „verpflichtete”.

Den Verfasser der Kunst, das menschliche (auch besonders das literarische) Leben zu verlängern, darf ich also dazu wohl auffordern, dass er wohlwollend auch darauf bedacht sei, die A u g e n der Leser (vornehmlich der jetzt grössen Zahl der Leserinnen, die den Übelstand der Brille noch härter fühlen dürften) in Schutz zu nehmen: auf welche jetzt aus elender Ziererei der Buchdrucker (denn Buchstaben haben doch als Malerei schlechterdings nichts Schönes an sich) von allen Seiten Jagd gemacht wird; damit nicht, so wie in Marokko, durch weisse Übertünchung aller Häuser ein grosser Teil der Einwohner der Stadt blind ist, dieses Übel aus ähnlicher Ursache auch bei uns einreisse, vielmehr die Buchdrucker desfalls unter Polizeigesetze [[A 203>> gebracht werden. – Die jetzige M o d e will es dagegen anders; nämlich: 1) Nicht mit schwarzer, sondern g r a u e r Tinte (weil es sanfter und lieblicher auf schönem weissen Papier absteche) zu drucken. 2) Mit D i d o t s c h e n Lettern, von schmalen Füssen, nicht mit Breitkopfschen, die ihren Namen1 B u c h s ta b e n (gleichsam bücherner Stäbe zum Feststehen) besser entsprechen würden. 3) Mit l a t e i n i s c h e r (wohl gar Kursiv-) Schrift ein Werk deutschen Inhalts, von welcher Breitkopf mit Grunde sagte: dass niemand das Lesen derselben für seine Augen so lange aushalte, als mit der deutschen. 4) Mit so kleiner Schrift, als nur möglich, damit für die unten etwa beizufügende Noten noch kleinere (dem Auge noch knapper angemessene) leserlich bleibe. Diesem Unwesen zu steuren, schlage ich vor: den Druck der Berliner Monatsschrift (nach Text und Noten) zum Muster zu nehmen; denn, man mag, wel[[A 204>>ches Stück man will, in die Hand nehmen, so wird man die durch obige Leserei angegriffene Augen durch Ansicht des letzteren merklich gestärkt fühlen.* I. K a n t. INHALTSVERZEICHNIS BAND XI/XII VON DEN VERSCHIEDENEN RASSEN DER MENSCHEN 1) Von der Verschiedenheit der Rassen überhaupt..................................................... 11 1

Journal: „ihrem Namen”. Unter den k r a n k h a f t e n Z u f ä l l e n der Augen (nicht eigentlichen Augenkrankheiten) habe ich die Erfahrung von einem, der mir zuerst in meinen Vierzigerjahren einmal, späterhin, mit Zwischenräumen von einigen Jahren, dann und wann, jetzt aber in einem Jahre etlichemal begegnet ist, gemacht; wo das Phänomen darin besteht: dass auf dem Blatt, welches ich lese, auf einmal alle Buchstaben verwirrt und durch eine gewisse uber dasselbe verbreitete Helligkeit vermischt und ganz unleserlich werden: ein Zustand, der nicht über 6 Minuten dauert, der einem Prediger, welcher seine Predigt vom Blatte zu lesen gewohnt ist, sehr gefährlich sein dürfte, von mir aber in meinem Auditorium der Logik oder Metaphysik, wo nach gehöriger Vorbereitung im freien Vortrage (aus dem Kopfe) geredet werden kann, nichts als die Besorgnis entsprang, es möchte dieser Zufall der Vorbote vom Erblinden sein; worüber ich gleichwohl jetzt beruhigt bin: da ich bei diesem jetzt öfterer als sonst sich ereignenden Zufälle an meinem Einen gesunden Auge (denn das linke hat das Sehen seit etwa 5 Jahren verloren) nicht den mindesten Abgang an Klarheit verspüre. – Zufälligerweise kam ich darauf, wenn sich jenes Phänomen ereignete, meine Augen zu schliessen, ja um noch besser das äussere Licht abzuhalten, meine Hand darüber zu legen, und dann sähe ich eine hellweisse wie mit Phosphor im Finstern auf einem Blatt verzeichnete Figur, ähnlich [[Anm. A 205>> der, wie das letzte Viertel im Kalender vorgestellt wird, doch mit einem auf der konvexen Seite ausgezackten Rande, welche allmählich an Helligkeit verlor und in obbenannter Zeit verschwand. – Ich möchte wohl wissen: ob diese Beobachtung auch von andern gemacht, und wie diese Erscheinung, die wohl eigentlich nicht in den Augen – als bei deren Bewegung dies Bild nicht zugleich mit bewegt, sondern immer an derselben Stelle gesehen wird – sondern im sensorium commune ihren Sitz haben dürfte, zu erklären sei. Zugleich ist es seltsam, dass man ein Auge (innerhalb einer Zeit, die ich etwa auf 3 Jahre schätze) e i n b ü s s e n kann, ohne es zu v e r m i s s e n. *

2) Einteilung der Menschengattung in ihre verschiedene Rassen .............................. 14 3) Von den unmittelbaren Ursachen des Ursprungs dieser verschiedenen Rassen..... 17 4) Von den Gelegenheitsursachen der Gründung verschiedener Rassen.....................28 IDEE ZU EINER ALLGEMEINEN GESCHICHTE IN WELTBÜRGERLICHER ABSICHT ................................................................................................................................ 33 Erster Satz................................…………………………………………………....35 Zweiter Satz ………………………………………………………………………35 Dritter Satz .....................................……………………………………………… 36 Vierter Satz ........……………………………………………………………….... 37 Fünfter Satz ……………………………………………………………………… 39 Sechster Satz.......................................………………………………………….....40 Siebenter Satz ......................................…………………………………………... 41 Achter Satz..........................................………………………………………….... 45 Neunter Satz ....................................…………………………………………....... 47 BEANTWORTUNG DER FRAGE: WAS IST AUFKLÄRUNG? ................................................................................................................................ 53 BESTIMMUNG DES BEGRIFFS EINER MENSCHENRASSE ................................................................................................................................ 65 1. Nur das, was in einer Tiergattung anerbt, kann zu einem KlassenUnterschiede in derselben berechtigen............................................................... 66 2. Man kann in Ansehung der Hautfarbe vier Klassenunterschiede der Menschen annehmen..................................................................................... 67 3. In der Klasse der Weissen ist, ausser dem, was zur Menschengattung überhaupt gehört, keine andere charakteristische Eigenschaft notwendig erblich; und so auch in den übrigen..................................................................... 68 4. In der Vermischung jener genannten vier Klassen mit einander artet der Charakter einer jeden unausbleiblich an ............................................................ 69 5. Betrachtung über das Gesetz der notwendig halbschlächtigen Zeugung......…... 70 6. Nur das, was in dem Klassenunterschiede der Menschengattung unausbleiblich anerbt, kann zu der Benennung einer besondern Menschenrasse berechtigen .... 74 Anmerkung................................................................................................................ 77 MUTMASSLICHER ANFANG DER MENSCHENGESCHICHTE .................................................................................................................................. 85 Beschluss der Geschichte........................................................................................... 95 Schluss-Anmerkung................................................................................................... 98 ÜBER DAS MISSLINGEN ALLER PHILOSOPHISCHEN VERSUCHE IN DER THEODIZEE ...................................................................................................................................105 Schlussanmerkung .................................................................................................... 119

ÜBER DEN GEMEINSPRUCH: DAS MAG IN DER THEORIE RICHTIG SEIN, TAUGT ABER NICHT FÜR DIE PRAXIS

................................................................................................................................... 127 I. Von dem Verhältnis der Theorie zur Praxis in der Moral überhaupt (Zur Beantwortung einiger Einwürfe des Hrn. Prof. Garve).................................. 130 II. Vom Verhältnis der Theorie zur Praxis im Staatsrecht (Gegen Hobbes)............. 143 III. Vom Verhältnis der Theorie zur Praxis im Völkerrecht. In allgemeinphilanthropischer, d. i. kosmopolitischer Absicht betrachtet (Gegen Moses Mendelssohn) ............................................................................................ 165

DAS ENDE ALLER DINGE ................................................................................................................................... 175 ZUM EWIGEN FRIEDEN. EIN PHILOSOPHISCHER ENTWURF Zum ewigen Frieden................................................................................................. 195

E r s t e r A b s c h n i t t, welcher die Präliminarartikel zum ewigen Frieden unter Staaten enthält 1. Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden..................196 2. Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder gross; das gilt hier gleichviel) von einem andern Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung, erworben werden können.............................................................. 196 3. Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören............. 197 4. Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äussere Staatshandel gemacht werden............................................................................................... 198 5. Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen.................................................................................... 199 6. Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der Meuchelmörder (percussores), Giftmischer (venefici), Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats (perduellio), in dem bekriegten Staat etc....................................... 200 Z w e i t e r A b s c h n i t t, welcher die Definitivartikel zum ewigen Frieden unter Staaten enthält .......................................................................................................... 203 Erster Definitivartikel zum ewigen Frieden. Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein ................................................................. 204 Zweiter Definitivartikel zum ewigen Frieden. Das Völkerrecht soll auf einen Förderalism freier Staaten gegründet sein........................................................... 208 Dritter Definitivartikel zum ewigen Frieden. Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein........................... 213 Erster Zusatz. Von der Garantie des ewigen Friedens......................................... 217 Zweiter Zusatz. Geheimer Artikel zum ewigen Frieden........................................... 227 Anhang I. Über die Misshelligkeit zwischen der Moral und der Politik, in Absicht auf den ewigen Frieden.......................................................................................... 228 II. Von der Einhelligkeit der Politik mit der Moral nach dem transzendentalen Begriffe des öffentlichen Rechts...................................................................... 244 AUS SÖMMERING ÜBER DAS ORGAN DER SEELE .................................................................................................................................. 255

DER STREIT DER FAKULTÄTEN Zueignung ............................................................................................................... 265 Vorrede..................................................................................................................... 267 Inhalt......................................................................................................................... 275 E r s t e r A b s c h n i t t. Der Streit der philosophischen Fakultät mit der theologischen Einleitung........................................................................................................... 279 Einteilung der Fakultäten überhaupt .......................................................... 280 I. Vom Verhältnisse der Fakultäten Erster Abschnitt. Begriff und Einteilung der oberen Fakultaten....................... 282 A. Eigentümlichkeit der theologischen Fakultät......................................... 285 B. Eigentümlichkeit der Juristenfakultät .................................................... 287 C. Eigentümlichkeit der medizinischen Fakultät ........................................ 288 Zweiter Abschnitt. Begriff und Einteilung der untern Fakultät......................... 289 Dritter Abschnitt. Vom gesetzwidrigen Streit der oberen Fakultäten mit der unteren................................................................................................................ 292 Vierter Abschnitt. Vom gesetzmässigen Streit der oberen Fakultäten mit der unteren................................................................................................................ 296 Resultat............................................................................................................... 300 II. Anhang einer Erläuterung des Streits der Fakultaten durch das Beispiel desjenigen zwischen der theologischen und philosophischen I. Materie des Streits ..................................................................................... 300 II. Philosophische Grundsätze der Schriftauslegung zu Beilegungdes Streits .303 III. Einwürfe und Beantwortung derselben, die Grundsätze der Schriftauslegung betreffend ........................................................................ 311 Allgemeine Anmerkung. Von Religionssekten ................................................. 315 Friedens-Abschluss und Beilegung des Streits der Fakultäten........................... 330 Anhang bibliseh-historischer Fragen, über die praktische Benutzung und mutmassliche Zeit der Fortdauer dieses heiligen Buchs ..................................... 338

Anhang von einer reinen Mystik in der Religion................................................. 340 Z w e i t e r A b s c h n i t t. Der Streit der philosophischen Fakultät mit der juristischen Erneuerte Frage: Ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei ? 1. Was will man hier wissen? ......................................................................... 351 2. Wie kann man es wissen?............................................................................ 351 3. Einteilung des Begriffs von dem, was man für die Zukunft vorherwissen will............................................................................................................... 352 a. Von der terroristischen Vorstellungsart der Menschengeschichte........... 353 b. Von der eudämonistischen Vorstellungsart der Menschengeschichte .... 353 c. Von der Hypothese des Abderitisms des Menschengeschlechts zur Vorherbestimmung seiner Geschichte ..................................................... 354 4. Durch Erfahrung unmittelbar ist die Aufgabe des Fortschreitens nicht aufzulösen.................................................................................................... 355 5. An irgend eine Erfahrung muss doch die wahrsagende Geschichte des Menschengeschlechts angeknüpft werden.................................................. 356 6. Von einer Begebenheit unserer Zeit, welche diese moralische Tendenz der Menschengeschlechts beweiset................................................................... 357

7. Wahrsagende Geschichte der Menschheit.................................................. 360 8. Von der Schwierigkeit der auf das Fortschreiten zum Weltbesten angelegten Maximen, in Ansehung ihrer Publizität ................................... 362 9. Welchen Ertrag wird der Fortschritt zum Besseren dem Menschengeschlecht abwerfen?.................................................................. 365 10. In welcher Ordnung allein kann der Fortschritt zum Besseren erwartet werden?....................................................................................................... 366 Beschluss ................................................................................................................ 367 D r i t t e r A b s c h n i t t. Ber Streit der philosophischen Fakultät mit der medizinischen Von der Macht des Gemüts durch den blossen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein. – Ein Antwoftschreiben an Herrn Hofrat und Professor Hufeland................................................................................................. 371 Grundsatz der Diätetik............................................................................................ 375 1. Von der Hypochondrie .............................................................................. 378 2. Vom Schlafe............................................................................................... 380 3. Vom Essen und Trinken ............................................................................ 383 4. Von dem krankhaften Gefühl aus der Unzeit im Denken ......................... 385 5. Von der Hebung und Verhutung krankhafter Zufalle durch den Vorsatz im Atemziehen .......................................................................................... 386 6. Von den Folgen dieser Angewohnheit des Atemziehens mit geschlossenen Lippen................................................................................ 388 Beschluss................................................................................................................. 389 Nachschrift.............................................................................................................. 399 ANTHROPOLOGIE IN PRAGMATISCHER HINSICHT Vorrede....................................................................................................................... 399 Inhalt........................................................................................................................... 403 E r s t e r T e i l. Anthropologische Didaktik. Von der Art, das Innere sowohl als das Äussere des Menschen zu erkennen E r s t e s B u c h. Vom Erkenntnisvermögen Vom Bewusstsein seiner selbst.............................................................................. 407 Vom Egoism..................................................................................................... 408 Anmerkung. Über die Förmlichkeit der egoistischen Sprache .................... 411 Von dem willkürlichen Bewusstsein seiner Vorstellungen ............................. 412 Von dem Beobachten seiner selbst................................................................... 413 Von den Vorstellungen die wir haben, ohne uns ihrer bewusst zu sein ...........417 Von der Deutlichkeit und Undeutlichkeit im Bewusstsein seiner Vorstellungen .................................................................................................. 421 Von der Sinnlichkeit im Gegensatz mit dem Verstande....................................... 424 Apologie für die Sinnlichkeit........................................................................... 432 Rechtfertigung der Sinnlichkeit gegen die erste Anklage ........................... 433 Rechtfertigungder Sinnlichkeit gegen die zweite Anklage ......................... 434 Rechtfertigung der Sinnlichkeit wider die dritteAnklage ............................ 435 Vom Können in Ansehung des Erkenntnisvermögens überhaupt ...................... 436 Von dem künstlichen Spiel mit dem Sinnenschein............................................. 440 Von dem erlaubten moralischen Schein.............................................................. 442 Von den fünf Sinnen ........................................................................................... 445 Vom Sinne der Betastung ................................................................................... 447 Vom Gehör ......................................................................................................... 448

Von dem Sinn des Sehens................................................................................... 449 Von den Sinnen des Geschmacks und des Riechens ......................................... 450 Allgemeine Anmerkung über die äussern Sinne................................................. 451 Fragen ................................................................................................................. 453 Vom inneren Sinn.....................................................................................................456 Von den Ursachen der Vermehrung oder Verminderung der Sinnenempfindungen dem Grade nach ...................................................................................................... 458 a. Der Kontrast ............................................................................................ 458 b. Die Neuigkeit........................................................................................... 459 c. Der Wechsel............................................................................................. 460 d. Die Steigerung bis zur Vollendung.......................................................... 461 Von der Hemmung, Schwächung und dem gänzlichen Verlust des Sinnenvermögens.................................................................................................. 462 Von der Einbildungskraft......................................................................................... 466 Von dem sinnlichen Dichtungsvermögen nach seinen verschiedenen Arten ........475 A. Von dem sinnlichen Dichtungsvermogen der Bildung ............................476 B. Von dem sinnlichen Dichtungsvermogen der Bei- gesellung.................. 477 C. Das sinnliche Dichtungsvermogen der Verwandt- schaft.........................479 Von dem Vermögen der Vergegenwärtigung des Vergangenen und Künftigen durch die Einbildungskraft..................................................................................... 485 A. Vom Gedächtnis ...................................................................................... 486 B. Von dem Vorhersehungsvermögen (praevisio)........................................ 490 C. Von der Wahrsagergabe (facultas divinatrix)........................................... 493 Von der unwillkürlichen Dichtung im gesunden Zustande, d. i. vom Traume ......495 Von dem Bezeichnungsvermögen (facultas signatrix)........................................... 497 Anhang .................................................................................................................. 502 Vom Erkenntnisvermögen so fern es auf Verstand gegründet wird Einteilung................................................................................................................ 505 Anthropologische Vergleichung der drei oberen Erkenntnisvermögen mit einander................................................................................................................... 506 Von den Schwächen und Krankheiten der Seele in Ansehung ihres Erkenntnisvermogens A. Allgemeine Einteilung............................................................................... 512 B.Von den Gemütsschwächen im Erkenntnisvermögen ................................ 515 C. Von den Gemütskrankheiten...................................................................... 516 Zerstreute Anmerkungen................................................................................. 533 Von den Talenten im Erkenntnisvermögen............................................................... 537 Von dem spezifischen Unterschiede des vergleichenden und des vernünftelnden Witzes A. Von dem produktiven Witze ...................................................................... 539 B. Von der Sagazität oder der Nachforschungsgabe........................................ 542 C. Von der Originalitat des Erkenntnisvermogens oder dem Genie................. 543 Z w e i t e s B u c h. Das Gefühl der Lust und Unlust Einteilung.................................................................................................................. 549 Von der sinnlichen Lust A. Vom Gefühl für das Angenehme oder der sinnlichen Lust in der Empfindung eines Gegenstandes.................................................................550 Erläuterung durch Beispiele........................................................................ 552 Von der langen Weile und dem Kurzweil.................................................... 554 B. Vom Gefühl für das Schöne d. i. der teils sinnlichen teils intellektuellen Lust in der reflektierten Anschauung oder dem Geschmack.........................563

Der Geschmack enthält eine Tendenz zur äusseren Beförderung der Moralität ...................................................................................................... 569 Anthropologische Bemerkungen über den Geschmack A. Vom Modegeschmack..................................................................... 571 B. Vom Kunstgeschmack .................................................................... 573 Von der Üppigkeit................................................................................. 578 D r i t t e s B u c h. Vom Begehrungsvermögen...........................................................579 Von den Affekten in Gegeneinanderstellung derselben mit der Leidenschaft............. 580 Von den Affekten insbesondere A. Von der Regierung des Gemüts in Ansehung der Affekten ...................... 582 B. Von den verschiedenen Affekten selbst..................................................... 584 Von der Furchtsamkeit und der Tapferkeit .................................................586 Von Affekten, die sich selbst in Ansehung ihres Zwecks schwachen (impotentes animi motus) ..............……………………………………….. 591 Von den Affekten, durch welche die Natur die Gesundheit mechanisch befördert........................................................................................................ 594 Allgemeine Anmerkung.................................................................................... 597 Von den Leidenschaften .............................................................................................. 599 Einteilung der Leidenschaften .................................................................................. 602 A. Von der Freiheitsneigung als Leidenschaft ................................................. 603 B. Von der Rachbegierde als Leidenschaft ...................................................... 606 C. Von der Neigung zum Vermögen, Einfluss überhaupt auf andere Menschen zu haben ...................................................................................... 607 a. Ehrsucht ........................................................................................... 609 b. Herrschsucht..................................................................................... 610 c. Habsucht........................................................................................... 610 Von der Neigung des Wahnes als Leidenschaft............................................... 612 Von dem höchsten physischen Gut.............................................................................. 613 Von dem höchsten moralisch-physischen Gut ............................................................ 615 Z w e i t e r T e i l. Die anthropologische Charakteristik. Von der Art, das Innere des Menschen aus dem Äusseren zu erkennen Einteilung .....................................................................................................................625 A. Der Charakter der Person.........................................................................................625 I. Von dem Naturell......................................................................................... 625 II. Vom Temperament ...................................................................................... 626 I. Temperamente des Gefühls A. Das sanguinische Temperament des Leichtblütigen ...................... 628 B. Das melancholische Temperament des Schwerblütigen ................ 629 II. Temperamente der Tätigkeit C. Das cholerische Temperament des Warmblütigen ......................... 629 D. Das phlegmatische Temperamentdes Kaltblütigen......................... 630 III. Vom Charakter als der Denkungsart ........................................................... 633 Von den Eigenschaften, die bloss daraus folgen, dass der Mensch einen Charakter hat oder ohne Charakter ist ......................................................... 635 Von der Physiognomik .....................................................................................638 Von der Leitung der Natur zur Physiognomik ........................................ 639 Einteilung der Physiognomik................................................................... 640 A. Von der Gesichtsbildung................................................................. 640 B. Von dem Charakteristischen in den Gesichtszügen ....................... 643 C. Von dem Charakteristischen der Mienen ....................................... 644 Zerstreute Anmerkungen...................................................................... 646 B. Der Charakter des Geschlechts..............................................................................648

Zerstreute Anmerkungen...................................................................................... 652 Pragmatische Folgerungen................................................................................... 655 C. Der Charakter des Volks...................................................................................... 658 D. Der Charakter der Rasse........................................................................................671 E. Der Charakter der Gattung ....................................................................................672 Grundzüge der Schilderung des Charakters der Menschengattung ...................... 685

ÜBER PÄDAGOGIK Vorrede des Herausgebers............................................................................................ 695 .......................................................................................................................................697 Abhandlung ................................................................................................................. 712 Von der physischen Erziehung..................................................................................... 713 Von der praktischen Erziehung .................................................................................... 746 REZENSIONEN ZU PETER MOSCATI: VON DEM KÖRPERLICHEN WESENTLICHEN UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DER STRUKTUR DER TIERE UND MENSCHEN ...................................................................................................................................... 767 ZU JOHANN HEINRICH SCHULZ: VERSUCH EINER ANLEITUNG ZUR SITTENLEHRE FÜR ALLE MENSCHEN, OHNE UNTERSCHIED DER RELIGIONEN ...................................................................................................................................... 773 ZU JOHANN GOTTFRIED HERDER: IDEEN ZUR PHILOSOPHIE DER GESCHICHTE DER MENSCHHEIT Erster Teil..................................................................................................................... 781

Erinnerungen des Rezensenten der Herderschen Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit über ein im Februar des deutschen Merkur gegen diese Rezension gerichtetes Schreiben ................................................................................. 794 Zu Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Zweiter Teil................................................................................................................... 797 ZU GOTTLIEB HUFELAND: VERSUCH ÜBER DEN GRUNDSATZ DES NATURRECHTS ...................................................................................................................................... 809 Nachwort des Herausgebers Zu Band XI u. XII ........................................................................................... 815 Zur Gesamtausgabe...........................................................................................819

Immanuel Kant Werkausgabe XII Die Werke Immanuel Kants in der Ausgabe von Wilhelm Weischedel liegen in den suhrkamp taschenbüchern wissenschaft in zwölf Bänden sowie geschlossen als Werkausgabe in Kassette vor: Band I: Vorkritische Schriften bis 1768 1 (stw 186) Band II: Vorkritische Schriften bis 1768 2 (stw 187) Band III: Kritik der reinen Vernunft 1 (stw 55) Band IV: Kritik der reinen Vernunft 2 (stw 55) Band V: Schriften zur Metaphysik und Logik 1 (stw 188) Band VI: Schriften zur Metaphysik und Logik 2 (stw 189) Band VII: Kritik der praktischen Vernunft.Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (stw 56) Band VIII: Die Metaphysik der Sitten (stw 190) Band IX: Schriften zur Naturphilosophie (stw 191) Band X: Kritik der Urteilskraft (stw 57) Band XI: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1 (stw 192) Band XII: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 2 (stw 193)

Immanuel Kant Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik

2 Register zur Werkausgabe Herausgegeben von Wilhelm Weischedel Diese Ausgabe ist text- und seitengleich Mit Band XII der Theorie-Werkausgabe Immanuel Kant, Werke in zwölf Bänden, Frankfurt 1968. Herausgegeben von Wilhelm Weischedel

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Kant, Immanuel: Werkausgabe: in 12 Bänden/Immanuel Kant. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. – Frankfurt am Main : Suhrkamp. ISBN 3-518-09243-X NE: Weischedel, Wilhelm[Hrsg.]; Kant, Immanuel: [Sammlung] Bd. 12. Schriften zur Anthropologie, Geschchtsphilosophie, Politik und Pädagogik.-2. Register zur Werkausgabe -9.Aufl.-1995 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 193) ISBN 3-518-27793-6 NE: GT suhrkamp taschenbuch wissenschaft 193 Erste Auflage 1977  Insel Verlag Wiesbaden 1964 Alle Rechte an dieser Ausgabe beim Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main Suhrkamp Taschenbuch Verlag Druck: Nomos Verlegsgesellschaft, Baden-Baden Printed in Germany Umschlag nach Entwügfen von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt 9 10 11 12 13 14 – 00 99 98 97 96 95 INHALT Anthropologie in pragmatischer Hinsicht

Über Pädagogik Rezensionen Peter Moscati: Von dem körperlichen wesentlichen Unterschiede zwischen der Struktur der Tiere und Menschen Johann Heinrich Schulz; Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre für alle Menschen, ohne Unterschied der Religion Johann Gottfried Herder; Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Erster Teil Erinnerungen des Rezensenten der Herderschen Ideen Zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit über Ein im Februar des Teutschen Merkur gegen diese Rezension gerichtetes Schreiben Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Zweiter Teil Gottlieb Hufeland: Versuch über den Grundsatz des Naturrechts Register zur Werkausgabe ANTHROPOLOGIE IN PRAGMATISCHER HINSICHT T I T E L D E R E R S T E N A U F L A G E (A) __ Anthropologie in pragmatischer Hinsicht abgefasst von Immanuel Kant. Königsberg bey Friedrich Nicolovius 1798.

T I T E L D E R Z W E I T E N A U F L A G E (B) __ Anthropologie in pragmatischer Hinsicht abgefasst von Immanuel Kant. Zweyte verbesserte Auflage. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius 1800. [[BA III>> VORREDE Alle Fortschritte in der Kultur, wodurch der Mensch seine Schule macht, haben das Ziel, diese erworbenen Kenntnisse und Geschicklichkeiten zum Gebrauch für die Welt anzuwenden; aber der wichtigste Gegenstand in derselben, auf den er jene verwenden kann, ist der M e n s c h: weil er sein eigener letzter Zweck ist. – Ihn also, [[BA IV>> seiner Spezies nach, als mit Vernunft begabtes Erdwesen zu erkennen, verdient besonders, W e l t k e n n t n i s genannt zu werden; ob er gleich nur einen Teil der Erdgeschöpfe ausmacht. Eine Lehre von der Kenntnis des Menschen, systematisch abgefasst (Anthropologie), kann es entweder in p h y s i o l o g i s c h e r oder in p r a g m a t i s c h e r Hinsicht sein. – Die physiologische Menschenkenntnis geht auf die Erforschung dessen, was die N a t u r aus dem Menschen macht, die pragmatische auf das, was e r, als freihandelndes Wesen, aus sich selber macht, oder machen kann und soll. – Wer den Naturursachen nachgrübelt, worauf z.B. das Erin[[BA V>>nerungsvermögen beruhen möge, kann über die im Gehirn zurückbleibenden Spuren von Eindrücken, welche die erlittenen Empfindungen hinterlassen, hin und her (nach dem Cartesius) vernünfteln; muss aber dabei gestehen: dass er in diesem Spiel seiner Varstellungen blosser Zuschauer sei, und die Natur machen lassen muss, indem er die Gehirnnerven und Fasern nicht kennt, noch sich auf die Handhabung derselben zu seiner Absicht versteht: mithin allestheoretische Vernünfteln hierüber reiner Verlust ist. – – Wenn er aber die Wahrnehmungen über das, was dem Gedächtnis hinderlich oder beförderlich befunden worden, dazu benutzt, um es zu erweitern oder gewandt zu machen, und hiezu die Kenntnis des [[BA VI>> Menschen braucht, so würde dieses einen Teil der Anthropologie in p r a g m a t i s c h e r Absicht ausmachen und das ist eben die, mit welcher wir uns hier beschäftigen. Eine solche Anthropologie, als W e l t k e n n t n i s, welche auf die S c h u l e folgen muss, betrachtet, wird eigentlich alsdann noch nicht p r a g m a t i s c h genannt, wenn sie ein ausgebreitetes Erkenntnis der S a c h e n in derWelt, z. B. der Tiere, Pflanzen und Mineralien in verschiedenen Ländern und Klimaten, sondern wenn sie Erkenntnis des Menschen als W e l t b ü r g e r s enthält. – Daher wird selbst die Kenntnis der Menschenrassen, als zum Spiel der Natur gehörender Produkte, noch nicht zur pragmatischen, [[BA VII>> sondern nur zur theoretischen Weltkenntnis gezählt.

Noch sind die Ausdrücke: die Welt k e n n e n und Welt h a b e n in ihrer Bedeutung ziemlich weit auseinander; indem der eine nur das Spiel v e r s t e h t, dem er zugesehen hat, der andere aber m i t g e s p i e l t hat. – Die sogenannte g r o s s e Welt aber, den Stand der Vornehmen, zu beurteilen, befindet sich der Anthropologe in einem sehr ungünstigen Standpunkte; weil diese sich unter einander zu nahe, von anderen aber zu weit befinden. Zu den Mitteln der Erweiterung der Anthropologie im Umfange gehört das R e i s e n; sei es auch nur das Lesen der Reisebeschreibun[[BA VIII>>gen. Man muss aber doch vorher zu Hause, durch Umgang mit seinen Stadt- oder Landesgenossen,* sich Menschenkenntnis erworben haben, wenn man wissen will, wornach man auswärts suchen solle, um sie im1 grösserem Umfange zu erweitern. Ohne einen solchen Plan (der schon [[BA IX>> Menschenkenntnis voraussetzt) bleibt der Weltbürger in Ansehung seiner Anthropologie immer sehr eingeschränkt. Die G e n e r a l k e n n t n i s geht hierin immer vor der L o k a l k e n n t n i s voraus; wenn jene durch Philosophie geordnet und geleitet werden soll: ohne welche alles erworbene Erkenntnis nichts als fragmentarisches Herumtappen und keine Wissenschaft abgeben kann. *** Allen Versuchen aber, zu einer solchen Wissenschaft mit Gründlichkeit zu gelangen, stehen erhebliche, der menschlichen Natur selber anhängende, Schwierigkeiten entgegen. 1. Der Mensch, der es bemerkt, dass man ihn beobachtet und zu erforschen sucht, wird ent[[BA X>>weder verlegen (geniert) erscheinen, und da k a n n er sich nicht zeigen, wie er ist; oder er v e r s t e l l t sich, und da will er nicht gekannt sein, wie er ist. 2. Will er auch nur sich selbst erforschen, so kommt er, vornehmlich was seinen Zustand im Affekt betrifft, der alsdann gewöhnlich keine V e r s t e l l u n g zulässt, in eine kritische Lage: nämlich dass, wenn die Triebfedern in Aktion sind, er sich nicht beobachtet; und wenn er sich beobachtet, die Triebfedern ruhen1. 3. Ort und Zeitumstände bewirken, wenn sie anhaltend sind, A n g e w ö h n u n g e n, die, wie man sagt, eine andere Natur sind und dem Menschen das Urteil über sich selbst erschweren; wo[[BA XI>>für er sich halten, vielmehr aber noch, was er aus dem anderen, mit dem er im Verkehr ist, sich für einen Begriff machen soll; denn die Veränderung der Lage, worein der Mensch durch sein Schicksal gesetzt ist, oder in die er sich auch, als Abenteurer, selbst setzt, erschweren es der Anthropologie sehr, sie zum Rang einer förmlichen Wissenschaft zu erheben. Endlich sind zwar2 eben nicht Quellen, aber doch Hülfsmittel zur Anthropologie: Weltgeschichte, Biographien, ja Schauspiele und Romane. Denn obzwar bei den letzteren eigentlich nicht Erfahrung und Wahrheit, sondern nur Erdichtung untergelegt wird, und Übertreibung der Charaktere und Situationen, worein Men[[BA XII>>schen gesetzt werden, gleich als im Traumbilde aufzustellen hier erlaubt ist, jene also nichts für die Menschenkenntnis zu lehren scheinen, so haben doch jene Charaktere, so wie sie etwa ein Richardson oder Molihre entwarf, ihren G r u n d z ü g e n nach aus der Beobachtung des wirklichen Tun und Lassens der Menschen genommen werden müssen; weil sie zwar im Grade übertrieben, der Qualität nach aber doch mit der menschlichen Natur übereinstimmend sein müssen. Eine systematisch entworfene und doch populär (durch Beziehung auf Beispiele, die sich dazu von jedem Leser auffinden lassen) in pragmatischer Hinsicht abgefasste *

Eine grosse Stadt, der Mittelpunkt eines Reichs, in welchem sich die Landescollegia der Regierung desselben befinden, die eine Universität (zur Kultur der Wissenschaften) und dabei noch die Lage zum Seehandel hat, welche durch Flüsse aus dem Inneren des Landes sowohl, als auch mit angrenzenden entlegenen Ländern von verschiedenen Sprachen und Sitten, einen Verkehr begünstigt, – eine solche Stadt, wie etwa K ö n i g s b e r g am Pregelflusse, kann schon für einen schicklichen Platz zu Erweiterung sowohl der Menschenkenntnis als auch der Weltkenntnis genommen werden; wo diese, auch ohne zu reisen, erworben werden kann. 1 A: „in” 1 A: „beobachtet er sich aber, so ruhen die Triebfedern“. 2 A: „sind es zwar”.

Anthropologie führt den Vorteil für das lesende Pubhkum bei sich: daQ [[BA XIII>> durch die Vollständigkeit der Titel, unter welche diese oder jene menschliche, ins Praktische einschlagende, beobachtete Eigenschaft gebracht werden kann, so viel Veranlassungen und Auffoderungen demselben hiemit gegeben werden, jede besondere zu einem eigenen Thema zu machen, um sie in das ihr zugehörende Fach zu stellen; wadurch die Arbeiten in derselben sich von selbst untei die Liebhaber dieses Studiums verteilen und durch die Einheit des Plans nach gerade zu eiaem Ganzen vereinigt werden; woduich dann der Wachstum der gemeinnützigen Wissenschaft befördert und beschleunigt wird.* [[B XV>> I N H A L T ERSTER TEIL ANTHROPOLOGISCHE DIDAKTIK E r s t e s B u c h. V o m E r k e n n t n i s v e r m ö g e n Vom Bewusstsein seiner selbst ……………………………………………. ….S.1 3 Vom Egoism …………………………………………………………………….. S. 5 Vom wirklichen Bewusstsein seiner Vorstellungen ……………………….. S. 10 Vom Beobachten seiner selbst …………………………………………... …..S. 11 Von den Vorstellungen, die wir haben, ohne uns ihrer bewusst zu sein …S. 15 Von der Deutlichkeit und Undeutlichkeit im Bewusstsein seiner Vorstellungen …………………………………………………………… …….S. 20 Von der Sinnlichkeit im Gegensatz mit dem Verstande ………………… .S. 25 Apologie der Sinnlichkeit …………………………………………………… .S. 30 Vom Können in Ansehung des Erkenntnisvermögens überhaupt ……… .S. 35 Von dem künstlichen Spiel mit dem Sinnenschein ……………………….. S. 39 Von dem erlaubten moralischen Schein ……………………………………S. 42 Von den fünf äussern Sinnen ………………………………………………...S. 45 Vom inneren Sinn ……………………………………………………….…… S. 57 Von den Ursachen der Vermehrung oder Verminderung der Sinnenempfindungen dem Grade nach ………………………………………..S. 60 Von der Hemmung, Schwächung und dem gänzlichen Verluste des Sinnenvermögens ……………………………………………………….S. 65 Von dem sinnlichen Dichtungsvermögen nach seiner verschiedenen Arten ………………………………………………………………… S. 79 Von dem Vermögen der Vergegenwärtigung des Vergangenen und Künftigen durch die Einbildungskraft …………………………...S. 92 Von den unwillkürlichen Dichtung im gesunden Zustande, d. i. vom Traume ………………………………………………………………S. 104 Vom Bezeichnungsvermögen ………………………………………….…..S. 106 [[B XVI>> Vom Erkenntnisvermögen, so fern es auf Verstand gegründet wird ………………………………………………………… ….S. 115 Von den Schwächen und Krankheit der Seele in Ansehung ihres Er*

In meinem anfänglich frei übernommenen, späterhin mir als Lehramt aufgetragenen Geschäfte d e r r e i n e n P h i l o s o p h i e habe ich einige dreissig [[Anm. BA XIV>> Jahre hindurch zwei auf W e l t k e n n t n i s abzweckende Vorlesungen: nämlich (im Winter-) A n t h r o p o l o g i e und im (Sommerhalbenjahre) p h y s i s c h e G e o g r a p h i e gehalten; welchen, als populären Vorträgen beizuwohnen auch andere Stände geraten fanden; von deren ersterer dies das gegenwärtige Handbuch ist; von der zweiten aber ein solches, aus meiner zum Text gebrauchten, wohl keinem anderen als mir leserlichen, Handschrift, zu liefern mir jetzt für mein Alter kaum noch möglich sein dürfte. 1 Die Seitenzahlen beziehen sich auf B, wo allein sich ein Inhaltsverzeichnis findet. (Ausführliches Inhaltsverzeichnis des Herausgebers am Schluss des Bandes.)

Kenntnisvermögens ……………………………………………. ...S. 124 Von dem Talent im Erkenntnisvermögen, dem Witze, der Sagazität und der Originalität, oder dem Genie ………………………….S. 153 Z w e i t e s B u c h. V o m G e f ü h l d e r L u s t u n d U n l u s t Von der sinnlichen Lust …………………………………………………. S. 168 A. Vom Gefühl für das A n g e n e h m e, oder der sinnlichen Lust in der Empfindung eines Gegenstandes ……………………………….S. 168 B. Vom Gefühl für das Schöne, oder dem Geschmack ……………….S. 184 D r i t t e s B u c h. V o m B e g e h r u n g s v e r m ö g e n ………………..S. 202 Von den Affekten ………………………………………………………… S. 203 Von den Leidenschaften ………………………………………………....S. 223 Von dem höchsten physischen Gut ………………………………….… S. 241 Von dem höchsten moralisch-physischen Gut …………………….... S. 243 ZWEITER TEIL ANTHROPOLOGISCHE CHARAKTERISTIK A. Vom Charakter der Person ………………………………………………… S. 253 1. Vom Naturell ……………………………………………………………..S. 254 2. Vom Temperament ………………………………………………………S. 255 3. Vom Charakter als der Denkungsart …………………………………S. 264 Von der Physiognomik …………………………………………………….. S. 270 B. Von dem Charakter des Geschlechts ……………………………………..S. 282 C. Vom Charakter des Volks ……………………………………………….... S. 295 D. Vom Charakter der Rasse ……………………………………………….…S. 311 E. Vom Charakter der Gattung …………………………………………….…S. 312 Schilderung des Charakters der Menschengattung ………..…………..S. 327 [[BA 1>> D E R A N T H R O P O L O G I E ERSTER TEIL ANTHROPOLOGISCHE DIDAKTIK V O N D E R A R T, D A S I N N E R E S O W O H L A L S DAS ÄUSSERE DES MENSCHEN ZU ERKENNEN [[BA 3>> ERSTES1 BUCH VOM ERKENNTNISVERMÖGEN VOM2 BEWUSSTSEIN SEINER SELBST § 1. Dass der Mensch in seiner Vorstellung das Ich haben kann, erhebt ihn unendlich über alle andere auf Erden lebende Wesen. Dadurch ist er eine P e r s o n und, vermöge der Einheit des Bewusstseins, bei allen Veränderungen, die ihm zustossen mögen, eine und dieselbe Person, d. i. ein von S a c h e n, dergleichen die vernunftlosen Tiere sind, mit 3 denen man nach Belieben schalten und walten kann, durch Rang und Würde ganz unterschiedenes 1

A: „Des ersten Teils Erstes”. A: „Erster Abschnitt. Vom”. 3 H: „und mit”. 2

Wesen; selbst wenn er das Ich noch [[BA 4>> nicht sprechen kann; weil er es doch in Gedanken hat: wie es alle Sprachen, wenn sie in der ersten Person reden, doch denken 4 müssen, ob sie zwar diese Ichheit nicht durch ein besonderes Wort ausdrücken. Denn dieses Vermögen (nämlich zu denken) ist der V e r s t a n d. Es ist aber merkwürdig: dass das Kind, was schon ziemlich fertig sprechen kann, doch ziemlich spät (vielleicht wohl em Jahr nachher) allererst anfängt, durch Ich zu reden, so lange aber von sich in der dritten Person sprach (Karl will essen, gehen u.s.w.), und dass ihm gleichsam ein Licht aufgegangen zu sein scheint, wenn es den Anfang macht durch Ich zu sprechen; von welchem Tage an es niemals mehr in jene Sprechart zurückkehrt. – Vorher f ü h l t e es bloss sich selbst, jetzt d e n k t es sich selbst. – Die Erklärung dieses Phänomens möchte dem Anthropologen ziemlieh schwer fallen. Die Bemerkung: dass ein Kind vor dem ersten Vierteljahr nach seiner Geburt weder Weinen noch Lächeln äussert, scheint gleichfalls auf Entwickelung gewisser Vorstellungen, von Beleidigung und Unrechttun 5, welche gar zur Vernunft hindeuten, zu beruhen. – Dass es den in6 diesem Zeitraum ihm vorgehaltenen glänzenden Gegenständen mit Augen zu folgen anhebt, ist der rohe Anfang des Fortschreitens von W a h r n e h m u n g e n (Apprehension der Empfindungsvorstellung), um sie zum1 E r k e n n t n i s der Gegenstände der Sinne, d. i. der E r f a h r u n g zu erweitern. [[BA 5>> Dass ferner, wenn es nun zu sprechen versucht, das Radbrechen der Wörter es für Mütter und Ammen so liebenswürdig und diese geneigt2 macht, es beständig zu herzen und zu küssen, es3 auch wohl, durch Erfüllung jedes Wunsches und4 Willens, zum kleinen Befehlshaber zu verziehen: diese Liebenswürdigkeit des Geschöpfs, im Zeitraum seiner Entwickelung zur Menschheit, muss wohl auf Rechnung seiner Unschuld und Offenheit aller seiner noch fehlerhaften Äusserungen, wobei noch kein Hehl und nichts Arges ist, einerseits, andrerseits aber auf den natürlichen Hang der Ammen zum Wohltun an einem Geschöpf, welches einschmeichelnd sich des andern Willkür gänzlich überlässt, geschrieben werden, da ihm eine Spielzeit eingewilligt wird, die glücklichste unter allen, wobei der Erzieher dadurch, dass er sich seiber gleichsam zum Kinde macht, diese Annehmlichkeit nochmals geniesst.5 Die E r i n n e r u n g seiner Kinderjahre reicht aber bei weitem nicht bis an jene Zeit; weil sie nicht die Zeit der Erfahrungen, sondern: bloss zerstreuter unter den2 Begriff des Objekts noch nicht vereinigter6 Wahrnehmungen war. VOM EGOISM § 2. Von dem Tage an, da der Mensch anfängt durch Ich zu sprechen, bringt er sein geliebtes Selbst, wo er nur darf, zum Vorschein, und: der Egoism schreitet unaufhaltsam fort; wenn nicht offenbar (denn da widersteht ihm der Egoism anderer), doch verdenkt und mit 7 scheinbarer Selbstverleugnung und vorgeblicher Be[[BA 6>>scheidenheit, sich desto sicherer im Urteil anderer einen vorzüglichen Wert zu geben. 4

H (Cassirer): „d e n k e n”. H (Cassirer): „Wohltun”. 6 H (Cassirer): „es in”. 1 H: „Anfang von Wahrnehmungen (...) zum“. 2 Zusatz von B. 3 A: „und es”. 4 A: „alles Wunsch und”. 5 Am Rand von H: „Das Erkenntnis [seiner sel] besteht aus zwei Stücken der Anschauung und dem Denken. [Das] in dem Bewusstsein beider sich seiner bewusstsein ist nicht sich selbst wahrnehmen sondern die Vorstellung des Ich im Denken. Um sich zu kennen, muss man sich wahrnehmen. perceptio. wozu auch apperceptio“. 2 Zusatz von B. 6 H: „unter keinem Begriff des Objekts vereinigter“. 7 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „um mit”. 5

Der Egoism kann dreierlei Anmassungen enthalten: die des Verstandes, des Geschmacks und des praktischen Interesse, d. i. er kann logisch, oder. ästhetisch, oder praktisch sein. Der l o g i s c h e E g o i s t hält es für unnötig, sein Urteil auch arn Verstande anderer zu prüfen; gleich als ob er dieses Probiersteins (criterium veritatis externum) gar nicht bedürfe. Es ist aber so gewiss, dass wir dieses Mittel, uns der Wahrheit unseres Urteils zu versichern, nicht entbehren können, dass es vielleicht der wiehtigste Grund ist, warum das gelehrte Volk so dringend nach der F r e i h e i t d e r F e d e r schreit; weil, wenn diese verweigert wird, uns zugleich ein grosses Mittel entzogen wird, die Richtigkeit unserer eigenen Urteile zu prüfen, und wir dem Irrtum preis gegeben werden. Man sage ja nicht, dass wenigstens die M a t h e m a t i k privilegiert sei, aus eigener Machtvollkommenheit abzusprechen; denn wäre nicht die wahrgenommene durchgängige Übereinstimmung der Urteile des Messkünstlers mit dem Urteile aller anderen, die sich diesem Fache mit Talent und Fleiss widmeten, vorhergegangen, so würde sie selbst der Besorgnis, irgendwo in 1 Irrtum zu fallen, nicht entnommen sein. – Gibt es doch auch2 manche Fälle, wo wir sogar dem Urteil unserer eigenen Sinne allein nicht trauen, z.B. ob ein Geklingel bloss in unseren Ohren, oder ob es3 das Hören wirklich gezogener Glocken sei, sondern noch andere zu befragen nötig fin[[BA 7>>den, ob es sie nicht auch so dünke. Und, ob wir gleich im4 Philosophieren wohl eben nicht, wie die Juristen sich auf Urteile der Rechtserfahrenen, uns auf andrer Urteile zu5 Bestätigung unserer eigenen berufen dürfen, so6 würde doch ein jeder Sehriftsteller, der7 keinen Anhang findet, mit seiner öffentlich erklärten Meinung, die sonst von Wichtigkeit ist, in1 Verdacht des Irrtums kommen. Eben darum ist es ein W a g e s t ü c k: eine der allgemeinen Meinung, selbst der Verständigen, widerstreitende Behauptung ins Publikum zu spielen. Dieser Anschein des Egoisms heisst die P a r a d o x i e. Es ist nicht eine Kühnheit, etwas auf die Gefahr, dass es unwahr sei, sondern nur dass es bei wenigen Eingang finden möchte, zu wagen. – Vorliebe fürs Paradoxe ist zwar l o g i s c h e r E i g e n s i n n, nicht Nachahmer von anderen sein zu wollen, sondern als ein seltener 2 Mensch zu erscheinen, statt dessen ein solcher oft nur3 den S e l t s a m e n macht. Weil aber doch ein jeder seinen e i g e n e n Sinn haben und behaupten muss (Si omnes patres sic, at ego non sic. 4 A b a e l a r d): so ist der Vorwurf der Paradoxie, wenn sie nicht auf Eitelkeit, sich bloss unterscheiden zu wollen, gegründet ist, von keiner schlimmen Bedeutung. – Dem Paradoxen ist das A l l t ä g i g e entgegengesetzt,was die gemeine Meinung auf seiner Seite hat. Aber bei diesem ist eben so wenig Sicherheit, wo nicht noch weniger, weil es einschläfert5; statt dessen das Paradoxon das Gemüt zur Aufmerksamkeit und Nachforschung erweckt, die oft zu Entdeckungen führt. Der ä s t h e t i s c h e Egoist ist derjenige, dem6 sein eigener G e s c h m a c k schon gnügt; es mögen nun andere [[Ba 8>> seine Verse, Malereien, Musik u. d. g. noch so schlecht finden, tadeln oder gar vedachen. Er beraubt sich selbst des Fortschritts zum Besseren, wenn 1

H (Cassirer): „irgendwie in“. A: „es nicht auch“. 3 Zusatz von B. 4 A: „dünkt und, obgleich wir im“. 5 A: „Juristen, uns auf Urteile der Rechtserfahrenen zu“. 6 H (Cassirer): „dürfen, ja nicht sollen, so“. 7 H: „Schriftsteller, [wenn ihm der öffentliche Beifall allgemein entzogen würde bei anderen die sich auf dergleichen Nachforschungen nicht zu verstehen freimütig bekennen dennoch im Verdacht bleiben dass es Irrtum sein müsse was er gelehrt hat; denn über das Urteil anderer [kann] als Probierstein der Wahrheit [nicht entbehrt werden] kann man nicht so gleichgültig hinweg sehen] der“. 1 H (Cassirer): „Anhang findet und mit ... Wichtigkeit ist, allein steht, bloss darum beim Publikum in“. 2 H (Cassirer): „s e l t e n e r”. 3 A: „dessen er nur”. 4 Übersetzung des Herausgebers: „Selbst wenn alle Väter ja sagen: ich nicht.“ 5 A: „einschlummert”. 6 A: „den”. 2

er sich mit seinem Urteil isoliert, sich selbst Beifall klatscht, und den Probierstein des Schönen der Kunst nur in sich allein sucht. Endlich ist der m o r a l i s c h e Egoist der, welcher alle Zwecke auf sich selbst einschränkt, der keinen Nutzen worin sieht, als in dem, was ihm nützt, auch wohl, als Eudämonist7, bloà im Nutzen und der eigenen Glýckseligkeit, nicht in der PflichtvorsCellung, den obersten Bestimmuagsgrwd seines Willens setzt. Denn weil jeder andere Mensch sich auch andere Begriffe von dem macht, was er zur Glückseligkeit rechnet, so ist’s gerade der Egoism, der es so weit bringt, gar1 keinen Probierstein des echten Pflichtbegriffs zu haben, als weleher darchaus2 ein allgemein geltendes Prinzip sein muss. – Alle Eudämonisten sind daher praktische Egoisten. Dem Egoism kann nur der P l u r a l i s m entgegengesetzt werden, d.i. die Denkungsart: sich nicht als die ganze Welt in seinem Selbst befassend, sondern als einen blossen Weltbürger zu betrachten und zu verhalten.– So viel gehört davon zur Anthropologie. Denn, was diesen Unterschied nach metaphysischen Begriffen betrifft, so liegt er ganz ausser dem Felde der hier abzuhandelnden Wissenschaft. Wenn nämlich bloss die Frage wäre, ob ich, als denkendes Wesen, ausser meinem Dasein noch das Dasein eines Ganzen anderer, mit mir in Gemeinschaft stehender, Wesen (Welt genannt) anzunehmen Ursache habe, so ist sie nicht anthropologisch, sondern bloss metaphysisch. [[BA 9>> A n m e r k u n g über die Förmlichkeit der egoistischen Sprache Die Sprache3 des Staatsoberhaupts zum Volk ist in unseren Zeiten gewöhnlich pluralistisch (Wir4 N. von Gottes Gnaden u.s.w.). Es frägt sich, ob der Sinn hiebei nicht vielmehr egoistisch, d. i. eigene Machtvollkommenheit anzeigend5, und eben dasselbe bedeuten solle, was der König von Spanien mit seinem Io el. Rey (Ich, der König) sagt. Es scheint aber doch: dass jene Förmlichkeit der höchsten Autorität ursprünglich habe H e r a b l a s s u n g (Wir, der König und sein Rat, oder die Stände) andeuten sollen. – Wie ist es aber zugegangen, dass die wechselseitige Anrede, welche in den alten klassischen Sprachen durch D u6, mithin u n i t a r i s c h, ausgedrückt wurde, von verschiedenen, vornehmlich germanischen Völkern, p l u r a l i s t i s c h, durch I h r bezeichnet worden ?1 wozu die Deutschen noch zwei eine grössere Auszeichnung der Person, mit der man spricht, andeutende Ausdrücke, nämlich den des E r und des S i e2 (gleich als wenn es gar keine Anrede, sondern Erzählung von Abwesenden3 und zwar entweder einem oder mehrern4 wäre) erfunden haben; worauf endlich5, zu Vollendung aller Ungereimtheiten der vorgebliehen Demütigung unter dem Angeredeten und Erhebung des anderen über sich, statt der Person, das Abstraktum der Qualität des Standes des Angeredeten (Ew. Gnaden, Hochgeb., Hoch- und Wohledl. u.d.g.) in Gebrauch gekommen. – Alles vermutlich durch das 7

H: „Eudämonist [in seinem Prinzip sehr irrig belehrt]“. A: „da macht, gar”. 2 H: „als welcher [nur in den für j e d e r m a n n geltenden Bestimmungsgründen des freien Willens in Ansehung Zwecks gefunden werden kann) durchaus“. 3 H (Cassirer): „S p r a c h e”. 4 H (Cassirer): „W i r”. 5 B3: „anzeigen”. 6 A: „durch Ich und Du”. 1 A: „durch I h r und S i e umgewandelt worden ?”. 2 A: „wozu die letztern noch einen mittleren, zur Mässigung der Herabsetzung des Angeredeten, ausgedachten Ausdruck, nämlich den des E r”. 3 A: „von einem Abwesenden”. 4 Zusatz von B. 5 A: „haben, und endlich”. 1

Feudalwesen, nach welchem dafür gesorgt wurde, dass4 von der königlichen Würde an durch alle Abstufungen bis dahin, wo die Menschenwür[[B 10>>de gar aufhört, und bloss der Mensch bleibt, d. i. bis zu4 dem [[A 10>> Stande des Leibeigenen, der allein von seinem Oberen durch D u angeredet werden, oder eines Kindes, was noch nicht einen eigenen Willen haben darf, – der G r a d der Achtung, der dem Vornehmeren gebührt, ja nicht verfehlt würde6. VON DEM WILLKÜRLICHEN BEWUSSTSEIN SEINER VORSTELLUNGEN § 3. Das Bestreben, sich seiner Vorstellungen bewusst zu werden, ist7 entweder das A u f m e r k e n (attentio), oder das A b s e h e n von einer Vorstellung, deren ich mir bewusst bin (abstractio). – Das 1etztere ist nicht etwa blosse Unterlassung und Verabsäumung des ersteren (denn das wäre Zerstreuung (distractio)), sondern ein wirklicher Akt des Erkenntnisvermögens, eine Vorstellung, deren ich mir bewusst bin, von der Verbindung mit anderen in Einem8 Bewusstsein abzuhalten. – Man sagt daher nicht, e t w a s abstrahieren (absondern), sondern v o n e t w a s, d. i. einer Bestimmung 1 des Gegenstandes meiner Vorstellung, abstrahieren, wodurch diese die Allgemeinheit eines Begriffs erhält, und so in den Verstand aufgenommen wird. Von einer Vorstellung abstrahieren zu können, selbst wenn sie sich dem Menschen durch den Sinn aufdringt, ist ein weit grösseres Vermögen, als das zu attendieren; weil es eine Freiheit des Denkungsvermögens und die Eigenmacht des Gemüts beweist, d e n Z u s t a n d s e i n e r V o r s t e l l u n g e n i n s e i n e r G e w a l t z u h a b e n (animus sui compos). – In dieser Rücksicht ist nun das A b s t r a k t i o n s v e r m ö g e n viel schwerer, aber [[BA 11>> auch wichtiger, als das der Attention, wenn es Vorstellungen der Sinne betrifft. Viele Menschen sind unglücklich, weil sie nicht abstrahieren können. Der Freier könnte eine gute Heurat machen, wenn er nur über eine Warze im Gesicht oder eine Zahnlücke seiner Geliebten wegsehen2 könnte. Es ist aber eine besondere Unart unseres Attentionsvermögens, gerade darauf, was fehlerhaft an anderen ist, auch unwillkürlich seine Aufmerksamkeit zu heften: seine Augen auf einen dem Gesicht gerade gegen über am Rock fehlenden Knopf, oder die Zahnlücke, oder einen angewohnten Sprachfehler zu richten, und den anderln dadurch zu verwirren, sich selbst aber auch im Umgange das Spiel zu verderben. – Wenn das Hauptsächliche gut ist, so ist es nicht allein billig, sondern auch klüglich gehandelt, über das Üble an anderen, ja selbst unseres eigenen Glückszustandes, w e g z u s e h e n; aber diesesVermögen zu abstrahieren ist eine Gemütsstärke 3, welche nur durch Übung erworben werden kann.4 VON DEM BEOBACHTEN5 SEINER SELBST § 4. Das Bemerken (animadvertere) ist noch nicht ein B e o b a c h t e n (observare) seiner selbst. Das letztere ist eine methodische Zusammenstellung der an uns selbst

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Zusatz von B. Zusatz von B. 6 A: „verfehlt werde”. 7 A: „Dieses Verfahren mit sich selbst ist”. 8 H (Cassirer): „einem”. 1 H: „sondern v o n e i n e r [Vorstellung abstrahieren] Bestimmung“. 2 H: „Zahnlücke wegsehen”. 3 H: „eine Seelenstärke”. 4 Am Rand von H: „als Ganzes Zustand der Vorstell: in seiner Gewalt haben“. 5 H: „Beobachter”. 4

gemachten Wahrrehmungen, welche den Stoff zum T a g e b u c h e i n e s B e o b a c h t e r s1 s e i n e r s e l b s t abgibt, und leichtlich zu Schwärmerei2 und Wahnsinn hinführt. Das Aufmerken (attentio) auf sich selbst, wenn man mit Menschen zu tun hat, ist zwar notwendig, [[BA 12>> muss aber im Umgange nicht sichtbar werden; denn da macht es entweder g e n i e r t (verlegen) oder a f f e k t i e r t (geschroben) 3. Das Gegenteil von beiden ist die U n g e z w u n g e n h e i t (das air degage); ein Vertrauen zu sich selbst, von andern in seinem Anstande nicht nachteilig beurteilt zu werden. Der, welcher sich so stellt, als ob er sich vor dem Spiegel beurteilen wolle, wie es ihm lasse, oder so spricht, als ob er sich (nicht bloss als ob ein anderer ihn) sprechen höre, ist eine Art von Schauspieler. Er will r e p r ä s e n t i e r e n und erkünstelt einen Schein von seiner eigenen Person; wodurch, wenn man diese Bemühung an ihm wahrnimmt, er im Urteil anderer einbüsst, weil sie den Verdacht einer Absicht zu betrügen erregt4. – Man nennt die Freimütigkeit in der Manier, sich äusserlich zu zeigen, die zu keinem solchen Verdacht Anlass gibt, das n a t ü r l i c h e Betragen (welches darum doch nicht alle schöne Kunst und Geschmacks-Bildung ausschliesst), und5 es gefällt durch die blosse W a h r h a f t i g k e i t in Äusserungen. Wo aber zugleich Offenherzigkeit aus E i n fa l t, d. i. aus Mangel einer schon zur Regel gewordenen Verstellungskunst, aus der Sprache hervorblickt, da heisst sie N a i v e t ä t. Die offene6 Art, sich zu erklären, an einem der Mannbarkeit sich nähernden Mädchen, oder einem mit der städtischen Manier unbekannten Landmann, erweckt, durch die Unschuld und Einfalt (die Unwissenheit in der Kunst zu scheinen), ein fröhliches Lachen bei denen, die in dieser Kunst schon geübt und gewitzigt sind. Nicht ein A u s l a c h e n mit Verachtung: denn man ehrt doch hiebei im Herzen die Lauterkeit und Aufrichtigkeit; sondern ein [[BA 13>> gutmütiges liebevolles Belachen der Unerfahrenheit in der bösen, obgleich auf unsere schon verdorbene Menschennatur gegründeten, K u n s t z u s c h e i n e n, die man eher beseufzen als belachen sollte; wenn man sie mit der Idee einer noch unverdorbenen Natur vergleicht.* Es ist eine augenblickliche Fröhlichkeit, wie von einem bewölkten Himmel, der sich an einer Stelle einmal öffnet, den Sennenstrahl durchzulassen, aber sich so fort wieder zuschliesst, um der blöden Maulwurfsaugen der Selbstsucht zu schonen. Was aber die eigentliche Absicht dieses § betrifft, nämlich die obige W a r n u n g, sich mit der Ausspähung und gleichsam studierten Abfassung einer inneren Geschichte des u n w i l l k ü r l i c h e n Laufs seiner Gedanken und Gefühle durchaus nichtzu befassen, so geschieht sie darum, weil es der gerade Weg ist, in Kopfverwirrung vermeinter höherer Eingebungen, und, ohne unser Zutun, wer weiss woher, auf 1 uns einfliessenden Kräfte, in Illuminatism oder Terrorism zu geraten. Denn unvermerkt machin wir hier vermeinte Entdeckungen von dem, was wir selbst in uns hineingetragen haben; wie eine B o u r i g n o n mit schmeichelhaften, oder ein Pascal mit schreckenden und ängstlichen Vorstellungen, in welchen Fall selbst2 ein sonst vortrefflieher Kopf, A l b r e c h t H a l l e r, geriet,3 der, bei seinem lange geführten, oft auch unterbrochenen Diarium seines Seelenzustandes zuletzt dahin gelangte, einen berühmten Theologen, seinen vormaligen akademischen Kollegen, den

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A: „zu einem Tagebuch des Beobachters“. H: „und auf Schwärmerei“. 3 H: „affektiert [(gezwungen)] (geschroben)“. 4 A: „weil sie von einer Absicht zu betrügen Verdacht erregt“. 5 A: „Betragen: wenn es übrigens doch nicht ohne schöne Kunst und Geschmacks- Bildung sein mag und“. 6 H: „Die [naive] offene“. * In Rücksicht auf diese könnte man den bekannten Vers des P e r s i u s so parodieren: Naturam videant ingemiscantque relicta. Übersetzung des Herausgebers: „Mögen sie die Natur sehen und die verlassene beseufzen.“ 1 H: „vermeinten inner[lich]en [Wahrnehmung] Eingebungen [von in der Seele] und ohne unser Zutun [wirksamen Prinzipien] auf“. 2 A: „P a s c a l und selbst“; H: „Pascal mit schreckhaften und selbst“. 3 Zusatz von B. 2

D. L e s s zu4 befragen: ober nicht [[BA 14>> in seinem weitläuftigen Schatz der Gottesgelahrtheit Trost für seine beängstigte Seele antreffen könne. Die verschiedenen Akte der Vorstellungskraft in mir zu beobachten, w e n n i c h s i e h e r b e i r u f e, ist des Nachdenkens wohl wert; für Logik und Metaphysik nötig und nützlich. – Aber sich belauschen zu wollen, so wie sie a u c h u n g e r u f e n von selbst ins Gemüt kommen (das geschieht durch das Spiel der unabsichtlich dichtenden Einbildungskraft1), ist, weil alsdann die Prinzipien des Denkens nicht (wie sie sollen 2) vorangehen, sondern hintennach folgen, eine Verkehrung der natürlichen Ordnung im Erkenntnisvermögen und ist entweder schon eine Krankheit des Gemüts (Grillenfängerei), oder führt zu derselben und zum Irrhause. Wer von i n n e r e n E r f a h r u n g e n (von der Gnade, von Anfechtungen) viel zu erzählen weiss, mag bei seiner Entdeckungsreise zur Erforschung3 seiner selbst immer nur in Anticyra vorher anlanden. Denn es ist mit jenen inneren Erfahrungen4 nicht so bewandt, wie mit den ä u s s e r e n, von Gegenständen im Raum5, worin die Gegenstände nebeneinander und6 als bleibend7 festgehalten erscheinen8. Der innere Sinn sieht die Verhältnisse seiner Bestimmungen nur in der Zeit, mithin im Fliessen; wo keine Dauerhaftigkeit der Betrachtung, die doch zur Erfahrung notwendig ist, statt findet.*5 4

H: „Kollegen zu”. H: „der Einbildungskraft“. 2 H (Cassirer): „sollten“. 3 A: „der Erforschung”. 4 Zusatz von B. 5 H (Cassirer): „i m R a u m”. 6 H: „und [beharrlich den Sinnen vorgelegt werden können sondern wo, nämlich in der Zeit die Phänomene (des Gemüts) im beständigen Flusse sind und in verschiedenen Stunden immer versehiedene Ansichten eben desselben Objekts geben welches hier die Seele (das Subjekts selber) ist] [dem Erkenntnisvermögen [immer aufs neue] untergelegt werden können um eine E r f a h r u n g zu begründen sondern die innern Wahrnehmungen die nach [ihrem] dem Verhältnis i n d e r Z e i t einander beigeordnet werden [stellen ihren Gegenstand gleichsam] sind selbst im F l i e s s e n begriffen [vor mit uhd in kontinuierlicher Veränderung] (dem Vergehen einiger und dem Entstehen anderer) [vor] wodurch es leicht geschieht dass Einbildungen statt Wahrnehmungen eingeschoben werden und was wir [unversehens selbst] hinzu d i c h t e n fälschlich für innere Erfahrung genommen [wird] und uns von uns selbst angedichtet]“ . 7 H (Cassirer): „b l e i b e n d”. 8 A: „festgehalten Erfahrungen abgeben”; H: „festgehalten werden”. * Wenn wir uns die innere Handlung (Spontaneität), wodurch ein B e g r i f f (ein Gedanke) möglich wird, die R e f l e x i o n, die Empfänglichkeit (Rezeptivität), wodurch eine W a h r n e h m u n g (perceptio), d. i. empirische [[Anm. BA 15>> A n s c h a u u n g möglich wird, die A p p r e h e n s i o n, beide Akte aber mit Bewusstsein vorstellen, so kann das Bewusstsein seiner selbst (apperceptio) in das der Reflexion und das der Apprehension eingeteilt werden. Das erstere ist ein Bewusstsein des Verstandes, das zweite der innere Sinn; jenes die r e i n e, dieses die e m p i r i s c h e Apperzeption, da dann jene fälschlich der innere S i n n genannt wird. – In der Psychologie erforschen wir uns selbst nach unseren Vorstellungen des inneren Sinnes; in der Logik aber nach dem, was das intellektuelle Bewusstsein an die Hand gibt. – Hier scheint uns nun das Ich doppelt zu sein (welches widersprechend wäre): 1) Das Ich, als S u b j e k t des Denkens (in der Logik), welches die reine Apperzeption bedeutet (das bloss reflektierende Ich), und von welchem gar nichts weiter zu sagen, sondern das eine ganz einfache Vorstellung ist. 2) Das Ich, als das O b j e k t der Wahrnehmung, mithin des inneren Sinnes, was eine Mannigfaltigkeit von Bestimmungen enthält, die eine innere Erfahrung möglich machen. Die Frage, ob bei den verschiedenen inneren Veränderungen des Gemüts (seines Gedächtnisses oder der von ihm angenommenen Grundsätze) der Mensch, wenn er sich dieser Veränderungen bewusst ist, noch sagen könne, er sei e b e n d e r s e l b e (der Seele nach), ist eine ungereimte Fra [[Anm. BA 16>>ge; denn er kann sich dieser Veränderungen nur dadurch bewusst sein, dass er sich in den verschiedenen Zuständen als ein und dasselbe S u b j e k t vorstellt, und das Ich des Menschen ist zwar der Form (der Vorstellungsart) nach, aber nicht der Materie (dem Inhalte) uach zwiefach. 5 Am Rand von H: „Von dem anschauenden und r e f l e k t i e r e n d e n Bewusstsein. Das erstere kann empirisch oder a priori sein Das andere ist nie empirisch sondern jederzeit intellektual. // Das letztere ist entweder attendieren oder abstrahieren Wichtigkeit im pragmatischen Gebrauch. // Reflexion ist die Vergleichung der Vorstellungen mit Bewusstsein wodurch ein Begriff (des Objekts) möglich wird. Sie geht also vor dem Begriffe vorher setzt aber Vorstellungen überhaupt voraus //Das Bewusstsein seiner selbst (appetcept:) ist nicht empirisch Aber das Bewusstsein der Apprehension einer (a posteriori) gegebnen 1

[[BA 15>> VON DEN VORSTELLUNGEN, DIE WIR HABEN, OHNE UNS IHRER BEWUSST ZU SEIN § 5. V o r s t e l l u n g e n z u h a b e n u n d s i c h i h r e r d o c h n i c h t b e w u s s t z u s e i n, darin scheint ein1 Widerspruch zu liegen; denn wie können wir wissen, dass wir sie haben, wenn wir uns ihrer nicht bewusst sind ? Diesen Einwurf machte schon Locke, der darum auch das Dasein solcher Art Vorstellungen verwarf. – Allein wir können uns [[BA 16>> doch m i t t e l b a r bewusst sein, eine Vorstellung zu haben, ob wir gleich unmittelbar uns1 ihrer nicht bewusst sind. – Dergleichen Vorstellungen heissen dann d u n k e l e; die übrigen sind k l a r, und, wenn ihre Klarheit sich auch auf die Teilvorstellungen eines Ganzen derselben und ihre Verbindung erstreckt, d e u t l i c h e V o r s t e l l u n g e n; es sei des Denkens oder der Anschauung. Wenn ich weit von mir auf einer Wiese einen Menschen zu sehen mir bewusst bin, ob ich gleich seine Augen, Nase, Mund u.s.w. zu sehen mir nicht bewusst bin, so s c h l i e s s e ich eigentlich nur, dass dies Ding ein Mensch sei; denn wollte ich darum, weil ich mir nicht bewusst bin, diese Teile des Kopfs (und so auch die übrigen Teile dieses Menschen) wahrzunehmen, die Vorstellung derselben in meiner Anschauung gar nicht z u h a b e n behaupten, so würde ich auch nicht sagen können, dass ich einen Menschen sehe; denn aus diesen Teilvorstellungen ist die ganze (des Kopfs oder des Menschen) zusammengesetzt. Dass das Feld unserer Sinnenanschauungen und Empfindungen, deren wir uns nicht bewusst sind, ob wir gleich unbezweifelt schliessen können, dass wir sie haben, d. i. d u n k e l e r Vorstellungen im Mensehen (und so auch in Tieren), unermesslich sei, die klaren dagegen nur unendlich wenige Punkte derselben enthalten, die dem [[BA 17>> Bewusstsein offen liegen; dass gleichsam auf der grossen Karte unseres Gemüts nur wenig Stellen i l l u m i n i e r t sind, kann uns Bewunderung über unser eigenes Wesen einflössen: denn eine höhere Macht dürfte nur rufen: es werde Licht ! so würde auch ohne Zutun des Mindesten (z. B. wenn wir einen Literator mit allem dem nehmen, was er in seinem Gedächtnis hat) gleichsam eine halbe Welt ihm vor Augen liegen. Alles, was das bewaffnete Auge durchs Teleskop (etwa am Monde) oder durchs Mikroskop (an Infusionstierchen) entdecket, wird durch unsere blossen Augen gesehen; denn diese optischen Mittel bringen ja nicht mehr Lichtstrahlen und dadurch erzeugte Bilder ins Auge, sls auch ohne jene künstliche Werkzeuge sich auf der Netzhaut: gemalt haben würden, sondern breiten sie nur mehr aus, um uns ihrer bewusst zu werden. – Eben das gilt von den Empfindungen des Gehörs, wenn der Musiker mit zehn Fingern und beiden Füssen eine Phantasie auf der Orgel spielt, und wohl auch noch mit einem neben ihm Stehenden spricht, wo so eine Menge Vorstellungen in wenig Augenblicken in der Seele erweckt werden, deren jede zu ihrer Wahl überdem noch ein besonderes Urteil über die Schicklichkeit bedurfte; weil ein einziger der Harmonie nicht gemässer Fingerschlag sofort als Misslaut vernommen werden würde, und doch das Ganze so ausfällt, dass der frei phantasierende Musiker oft wünschen möchte, manches von ihm glücklich ausgeführte Stück, dergleichen er vielleicht sonst mit allem Fleiss nicht so gut zu Stande zu bringen hofft, in Noten aufbehalten zu haben. [[BA 18>> So ist das Feld d u n k l e r Vorstellungen das grösste im Menschen. – Weil es aber diesen nur in seinem passiven Teile, als Spiel der Empfmdungen wahrnehmen lässt, so gehört die Theorie derselben doch nur zur physiologischen Anthropologie, nicht zur pragmatischen, worauf1 es hier eigentlich abgesehen2 ist. Vorstellung ist empirisch. // Doppelt Ich // Vom willkürlichen Ignorieren und keine Notiz nehmen“. 1 A: „Es schein hierin ein”. 1 Zusatz von B. 1 A: „doch nicht zur pragmatischen Anthropologie, sondern nur der physiologischen; worauf“. 2 H: „eigentlich nicht abgesehen”.

Wir spielen nämlich oft mit dunkelen Vorstellungen, und haben ein Interesse, beliebte3 oder unbeliebte Gegenstände vor der Einbildungskraft in Schatten zu stellen; öfter aber ooch sind wir selbst ein Spiel dunkeler Vorstellengen, und unser Verstand vermag nicht, sich wider die Ungereimtheiten zu retten, in die ihn der Einfluss derselben versetzt, ob er sie gleich als Täuschung anerkennt. So ist es mit der4 Gesehlechtshebe bemandt, so fern sie eigentlich nicht das Wohlwollen, sondern vielmehr den Genuss ihres Gegenstandes beabsichtigt. Wie viel Witz ist nicht von jeher verschwendet worden, einen dünnen Flor über das zu werfen, was zwar beliebt ist5, aber doeh den Menschen mit der gemeinen Tiergattung in so naher Verwandtschaft sehen lässt, dass die Schamhaftigkeit dadurch aufgefordert wird, und die Ausdrücke in feiner Gesellschaft nicht unverblümt, wenn gleich zum1 Belächeln durchscheinend genug, hervortreten dürfen. – Die Einbildungskraft mag hier gern im Dunkeln spazieren, und es gehört immer nicht gemeine Kunst dazu, wenn, um den Z y n i s m zu vermeiden, man nicht in den lächerlichen P u r i s m zu verfallen Gefahr laufen will. [[BA 19>> Andererseits sind wir auch oft genug das Spiel dunkeler Vorstellungen, welche nicht verschwinden wollen, wenn sie gleich der Verstand beleuchtet. Sich das Grab in seinem Garten oder unter einem schattichten Baum, im Felde oder im trockenen Boden, zu bestellen, ist oft eine wichtige Angelegenheit für einen Sterbenden: ob zwar er im ersteren Fall keine schöne2 Aussicht zu hoffen, irn letzteren aber von der Feuchtigkeit den Schnupfen zu besorgen nicht Ursache3 hat. Dass das Kleid den Mann mache, gilt in gewisser Masse auch für den Verständigen. Das russische Sprichwort sagt zwar: „Man empfängt den Gast nach seinem Kleide und begleitet ihn nach seinem Verstande“; aber der Verstand kann doeh den Eindruck dunkeler Vorstellungen von einer gewissen Wichtigkeit, den eine wohlgekleidete Person macht, nicht verhüten, sondern allenfalls nur das vorläufig über sie gefällete Urteil hinten nach zu berichtigen den Vorsatz haben4. Sogar wird studierte Dunkelheit oft mit gewünschtem Erfolg gebraucht, um Tiefsinn und Gründlichkeit vozuspiegeln; wie etwa in der D ä m m e r u n g oder durch einen Nebel gesehene Gegenstände immer grösser gesehen werden, als sie sind.*4 Das Skotison5 (mach’s dunkel) [[BA 20>> ist der Machtspruch6 aller Mystiker, um dorch gekünstelte Dunkelheit Schatzgräber der Weisheit anzulocken. – Aber überhaupt ist auch ein gewisser Grad des Rätselhaften in einer Schrift dem Leser nicht unwillkommen; weil ihm dadurch seine eigene Scharfsinnigkeit fühlbar wird, das Dunkele in klare Begriffe aufzulösen. VON DER DEUTLICHKEIT UND UNDEUTLICHKEIT 3

H (Cassirer): „Interesse dabei, beliebte”. Zusatz von B, doch auch schon in H. 5 Zusatz von B. 1 A: „aber doch zum”. 2 A: „nicht schöne”. 3 A: „keine Ursache”. 4 H (Cassirer): „sondern das daraus gezogene Urteil hinten nach nur berichtigen“. * Dagegen, beim T a g e s l i c h t besehen, scheint das, was heller ist, als die umgebenden Gegenstände, auch grösser zu sein, z. B. weisse Strümpfe stellen vollere Waden vor als schwarze; ein Feuer in der Nacht, auf einem hohen Berge angelegt, scheint grösser zu sein, als man es beim Aus[[Anm. BA 20>>messen befindet. – Vielleicht lässt sich daraus auch die scheinbare Grösse des Mondes und eben so die dem Anschein nach grössere Weite der Sterne von einander, nahe am Horizont, erklären; denn in beiden Fällen erscheinen uns leuchtende Gegenstände, die nahe am Horizont durch eine mehr verdunkelnde Luftschicht gesehen werden, als hoch am Himmel, und was dunkel ist, wird durch das umgebende Licht auch als kleiner beurteilt. Beim Scheibenschiessen würde also eine schwarze Scheibe, mit einem weissen Zirkel in der Mitte, zum Treffen günstiger sein alö umgekehrt. 4 Am Rand von H: „Klarheit der Begriffe (Vegstandesklarheit) und der Darstellung der Begriffe. Diese ist Helligkeit des Kopfs“. 5 H (Cassirer): „S k o t i s o n”. 6 H (Cassirer): „Wahlspruch”. 4

IM BEWUSSTSEIN SEINER VORSTELLUNGEN § 6. Das Bewusstsein seiner Vorstellungen, welches zur U n t e r s c h e i d u n g eines Gegeastandes von anderen zureicht, ist K l a r h e i t. Dasjenige aber, wodurch auch die Z u s a m m e n s e t z u n g der Vorstellungen klar wird, heisst D e u t l i c h k e i t. Die letztere macht es allein, dass eine Summe von Vorstellungen E r k e n n t n i s wird; worin dann, weil eine jede Zusammensetzung mit Bewusstsein Einheit desselben, folglich eine Regel für jene voraussetzt, O r d n u n g in diesem Mmnigfaltigen gedacht wird. – Der deutlichen Vorstellung kann man nicht die v e r w o r r e n e (perceptio confusa), [[BA 21>> sondern muss ihr bloss die u n d e u t l i c h e (mere clara) entgegensetzen. Was verworren ist, muss zusammengesetzt sein; denn im Einfachen gibt es weder Ordnung noch V e r w i r r u n g. Die letztere ist also die U r s a c h e der Undeutlichkeit, nicht die D e f i n i t i o n derselben. – In jeder vielhaltigen Vorstellung (perceptio complexa), dergleichen ein jedes E r k e n n t n i s ist (weil dazu immer Anschauung und Begriff erfordert wird), beruht die Deutlichkeit auf der O r d n u n g, nach der die Teilvorstellungen zusammengesetzt werden, die dann entweder (die blosse Form betreffend) eine bloss logische1 Einteilung in obere und untergeordnete (perceptio primaria et secundaria), oder eine r e a l e Einteilung in Haupt- und Nebenvorstellungen (perceptio principalis et adhaerens) veranlassen; durch welche Ordnung das Erkenntnis deutlich,wird.– Man sieht wohl, dass, wenn 2, das Vermögen der E r k e n n t n i s überhaupt V e r s t a n d (in der allgemeinsten Bedeutung des Worts) heissen soll, dieser das A u f f a s s u n g s v e r m ö g e n (attentio) gegebener Vorstellungen, um A n s c h a u u n g, das A b s o n d e r u n g s v e r m ö g e n dessen, was mehreren gemein ist (abstractio), um B e g r i f f, und das Ü b e r l e g u n g s v e r m ö g e n (reflexio), um E r k e n n t n i s des Gegenstandes hervorzubringen, enthalten müsse. Man nennt den, welcher diese Vermögen3 im vorzüglichen Grade besitzt:, einen K o p f; den, dem sie in sehr keinem Mass beschert sind, einen P i n s e l (weil er immer von andern geführt zu werden bedarf); den aber, der sogar Originalität im Gebrauch desselben bei sich führt (kraft deren er was gewöhnlicherweise unter [[BA 22>> fremder Leitung gelernt werden muss, aus sich selbst hervorbringt), ein G e n i e. Der nichts gelernt4 hat, was man doch gelehrt werden muss, um es zu wissen, heisst ein I g n o r a n t, wenn er es hätte wissen s o l l e n; so fern er5 einen Gelehrten vorstellen will; denn6 ohne diesen Anspruch kann er ein grosses Genie sein. Der, welcher nicht s e l b s t d e n k e n, wenn gleich viel lernen kann, wird ein b e s c h r ä n k t e r 7 Kopf borniert) genannt.- Man kann ein v a s t e r Gelehrter 8 (Maschine zur Unterweisung anderer, wie man selbst unterwiesen worden) und, in Ansehung des vernünftigen Gebrauchs seines historischen Wissens, dabei doch sehr b o r n i e r t sein. – Der, dessen Verfahren mit dem, was er gelernt hat, in der öffentlichen Mitteilung den Zwang der Schule (also Mangel der Freiheit im Selbstdenken) verrät, ist der P e d a n t; er mag übrigens Gelehrter oder Soldat, oder gar Hofmann sein. Unter diesen ist der gelehrte Pedant im Grunde noch der erträglichste; weil man doch von ihm lernen kann: da hingegen die Peinlichkeit in1 Formalien (die Pedanterie)

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H (Cassirer): „l o g i s c h e”. H: „wenn [dieses Erkenntnis E r f a h r u n g sein soll 1.)A u f f a s s u n g de[s]r gegebeuen [Objekts (apprehensio)] Vorstellung 2.) B e w u s s t s e i n des Mannigfaltigen in ihr enthaltenen (apperceptio) 3.) Ü b e r l e g u n g der Art der Verbindung dieses letzteren in Einem Bewusstsein (reflexio) zu einem solchen Erkenntnis gehören]“. 3 H: „[Talente] Vermögen“. 4 H (Cassirer): „nichts von dem gelernt”. 5 A: „indem er”. 6 Zusatz von B. 7 A: „ein sehr beschränkter”. 8 H: „ein grosser Gelehrter”. 1 A: „kann: die Peinlichkeit aber in”. 2

bei den letzteren nicht allein notzlos, sondern auch, wegen des Stolzes, der dem Pedanten unvermeidlich anhängt, obenein lächerlich wird, da es der2 Stolz eines I g n o r a n t e n ist. Die Kunst aber, oder vielmehr die G e w a n d t h e i t, im gesellschaftlichen Tone zu sprechen, und sich überhaupt modisch zu zeigen, welche, vornehmlich wenn es Wissenschaft betrifft; fälschlich P o p u l a r i t ä t genannt wird, da sie vielmehr geputzte Seichtigkeit heissen sollte, deckt3 [[BA 23>> manche Armseligkeit des eingeschränkten Kopfs. Aber nur Kinder lassen sich dadurch irre leiten. „Deine Trommel (sagte der Quäker beim Addison zu dem4 in der Kutsche neben ihm schwatzenden Qffizier) ist ein Sinnbild von dir; sie klingt weil sie leer ist.“ Um die Menschen nach ihrem Erkenntnisvermögen (dem Verstande überhaupt) zu beurteilen, teilt man sie in diejenigen ein, denen G e m e i n s i n n (sensus commmus), der freihch nicht g e m e i n (sensus vulgaris) ist, zugestanden werden muss, und in Leute von W i s s e n s c h a f t. Die erstern sind der Regeln Kundige in Fällen der Anwendung (in concreto), die andern für sich selbst und vor ihrer Anwenduag (in abstracto). – Man nennt den Verstand, der zu dem ersteren: Erkenntnisvermögen gehört, den g e s u n d e n Menschenverstand (bon sens), den zum zweiten den h e l l e n K o p f 5 (ingenium perspicax). – Es ist merkwürdig, dass man sich den ersteren, welcher gewöhnlich nur als praktisches Erkenntnisvermögen betrachtet wird, nicht allein als einen, welcher der Kultur entbehren kann, sondern als einen solchen, dem sie wohl gar nachteilig ist, wenn sie nicht weit genug getrieben wird, vorstellig macht, ihn daher bis zur Schwärmerei hochpreiset, und ihn als eine Fundgrube in den Tiefen des Gemüts verborgen liegender Schätze vorstellt1, auch bisweilen seinen Ausspruch als Orakel (den Genius des Sokrates) für zuverlässiger erklärt, als alles, was studierte; Wissenschaft immer zu Markte bringen würde. – So viel ist gewiss, dass, wenn die Auflösung einer Frage auf den allgemeinen und angebornen Regeln des Verstandes (deren Besitz Mutterwitz genannt wird) beruht, es unsi[[BA 24>>cherer ist, sich nach studierten und künstlich aufgestellten Prinzipien (dem Schulwitz) umzusehen und seinen2 Beschluss dernach abzufassen, als wenn man es auf den Ausschlag der im Dunkeln des Gemüts liegenden Bestimmungsgründe des Urteils in Masse ankommen lässt, welches man den logischen T a k t nennen könnte: wo die Überlegung den Gegenstand sich auf vielerlei Seiten vorstellig macht und ein richtiges Resultat herausbringt, ohne sich der Akte, die hiebei im Inneren des Gemüts vergehen, bewusst zu werden. Der gesunde Verstand aber kann diese seine Vorzüglichkeit nur in Ansehung eines Gegenstandes der Erfahrung beweisen; nicht allein d u r c h diese an Erkennteis zu wachsen, sondern sie (die Erfahrung) selbst zu erweitern, aber nicht in spekulativer, sondern bloss in empirisch-praktischer3 Rücksicht. Denn in jener bedarf es wissenschaftlicher Prinzipien a priori; in dieser aber können es auch Erfahrungen, d. i. Urteile sein, die durch Versuch und Erfolg kontinuierlich4 bewähret werden. [[BA 25>> VON5 DER SINNLICHKEIT IM GEGENSATZ MIT DEM VERSTANDE

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A: „da er der”. A: „Popularität, sondern vielmehr geputzte Seichtigkeit genannt werden kann, deckt“. 4 A: „zum”. 5 H: „zweiten [den k u l t i v i e r t e n oder auch] den klaren Kopf“. 1 Zusatz von B. 2 H (Cassirer): „um seinen”. 3 H: „in praktischer”. 4 H: „auch empirische [sein welche der] einer Erkenntnis sein die durch den Erfolg kontinuierlich“. 5 A: „Zweiter Abschnitt. Von”. 3

§ 76. In Ansehung des Zustandes der Vorstellungen ist mein 7 Gemüt entweder h a n d e l n d und zeigt V e r m ö g e n (facultas), oder es ist l e i d e n d und besteht in E m p f ä n g l i c h k e i t (receptivitas). Ein1 E r k e n n t n i s enthält beides verbunden in sich und die Möglichkeit, eine solche zu haben, führt den Namen des E r k e n n t n i s v e r m ö g e n s von dem vornehmsten Teil derselben, nämlich der Tätigkeit des Gemüts, Vorstellungen zu verbinden, oder von einander zu sondern. Vorstellungen, in Ansehung deren sich das Gemüt leidend verhält, durch welche also das Subjekt2 a f f i z i e r t wird (dieses mag sich nun selbst affizieren oder von einem Objekt affiziert werden), gehören zum s i n n l i c h e n: diejenigen aber, welche ein blosses Tun (das Denken) enthalten, zum i n t e l l e k t u e l l e n Erkenntnisvermögen. Jenes wird auch das u n t e r e, dieses aber das o b e r e Erkenntnisvermögen genannt. * Jenes hat den Cha[[BA 26>>rakter der P a s s i v i t ä t des inneren Sinnes der Empfindungen, dieses der Spontaneität 5 6

H: „[A Vom s i n n l i c h e n B e w u s s t s e i n seiner selbst zum Unterschiede vom intellektuellen.] § 7“. H: „[das] mein“. 1 H: „[Das] Ein“. 2 H: „welche [dieses] also das Subjekt“. * Die S i n n l i c h k e i t bloss in der Undeutlichkeit der Vorstellungen, die I n t e l l e k t u a l i t ä t dagegen in der Deutlichkeit zu setzen, und hiemit einen bloss f o r m a l e n (logischen) Unterschied des Bewusstseins, statt des r e a l e n (psychologischen), der nicht bloss die Form, sondern auch [[Anm. BA 26>> den Inhalt des Denkens betrifft, zu setzen, war ein grosser Fehler der Leibniz-Wolffischen Schule, nämlich die Sinnlichkeit bloss in einem M a n g e l (der Klarheit, der Teilvorstellungen), folglich der Undeutlichkeit zu setzen, die Beschaffenheit aber der Verstandesvorstellung in der Deutlichkeit; da jene doch etwas sehr Positives und ein unentbehrlicher Zusatz zu der letzteren ist, um ein Erkenntnis hervorzubringen. - L e i b n i z aber war eigentlich Schuld daran. Denn er, der platonischen Schule anhängig, nahm angeborne reine Verstandesanschauungen, Ideen genannt, an, welche im menschlichen Gemüt, jetzt nur verdunkelt, angetroffen würden und deren Zergliederung und Beleuchtung durch Aufmerksamkeit wir allein die Erkenntnis der Objekte, wie sie an sich selbst sind, zu verdanken hätten.4 5 H: „Spontaneität. – [Da nun bei der ersteren es im Erkenntnis der Gegenstände bloss auf die subjektive Beschaffenheit ankommt mit Eindrücken welche vom Objekt herkommen (zu einer gewissen Art es sich vorzustellen) affiziert zu werden welche nicht bei allen Subjekten gerade eben dieselbe sein darf so [kann man sagen] sagt man diese stellen uns die Gegenstände der S i n n e nur vor wie sie uns e r s c h e i n e n nicht nach dem was sie an sich selbst sind. (Weil aber diese Erscheinungen mit dem Verstandesgesetze innigst verbunden sind so ist das Erkenntnis (von Gegenständen der Sinne) welches Erfahrung heisst darum nicht minder gewiss als ob es die Gegenstände an sich selbst beträfe und da es für uns keine Kenntnisse geben kann als von Dingen die unseren Sinnen vorgelegt werden können so mag es immer in der Vernunftidee Begriffe geben welche über jene ihre Grenze hinaus aber nur in praktischer Absicht (der Freiheitsidee) objektive Realität haben; uns gehen hier nur diejenige an welche unseren Sinnen gegeben werden können)] // A n m e r k u n g // [Zweiter Abschnitt // Von der Sinnlichkeit // Dass dieser Satz so gar vom inneren Selbst gelte und dass der Mensch wenn er sich [selbst] innerlich nach den Eindrücken die gewisse Vorstellungen aus welchen Ursachen sie auch entspringen mögen beobachtet er sich auch dadurch [doch] nur erkennen könne wie er sich selbst erscheint nicht wie er schlechthin ist, das ist ein kühner m e t a p h y s i s c h e r Satz (paradoxon) der in einer Anthropologie gar nicht zur Frage kommen kann.– Dass aber wenn er innere Erfahrungen [über] [von] an sich selbst [mache] anstellt: [dass] wenn er diese Nachforschung [auch noch] so weit verfolgt als er kann er doch gestehen müsse das Selbsterkenntnis führe [auf] zu unergründlicher Tiefe zum Abgrunde in der Erforschung seiner Natur* gehört zur Anthropologie. // *Mensch der du dir ein schwer Problema in deinen eigenen Augen bist Nein ich vermag dich nicht zu fassen. P o p e nach Brocks Übersetzung // Alles Erkenntnis setzt Verstand voraus. Das verstandeslose Vieh hat wohl [vielleicht] etwas dem was wir Vorstellungen nennen Ähnliches (weil es den Wirkungen nach mit dem was Vorstellungen im Menschen sind [sehr] übereinkommt) was aber vielleicht ganz davon unterschieden sein mag – aber kein Erkenntnis von Dingen; denn dazu gehört V e r s t a n d ein Vorstellungsvermögen mit Bewusstsein der Handlung wodurch die Vorstellungen auf einen gegebenen Gegenstand bezogen und dieses Verhältnis gedacht wird. – Wir verstehen aber [der Form nach] nichts recht als das was wir zugleich machen können wenn uns der Stoff dazu gegeben würde und so ist der Verstand ein Vermögen der Spontaneität in unserem Erkenntnis ein oberes Erkenntnisvermögen weil es die Vorstellungen gewissen Regeln a priori unterwirft und selbst die Erfahrung möglich macht. // In dem [Erfahrungserken] Selbsterkenntnis des Menschen durch innere Erfahrung macht er nicht das in ihm selbst wahrgenommene [sondern] denn das hängt vom Eindrucke (der Materie der Vorstellung) ab den er empfängt. Also ist er so fern leidend d. i. er hat eine Vorstellung von sich selbst wie er von sich selbst affiziert wird die also ihrer Form [und Beschaffenheit] nach bloss von der subjektiven Beschaffenheit seiner Natur abhängt [welche also] mithin die nicht als [zum] dem 7

der Apperzeption, d. i. des reinen Bewusstseins der Handlung, welche das Denken ausmacht und zur Logik1 (einem System der Regeln des Verstandes), so wie jener zur P s y c h o l o g i e (einem Inbegriff aller innern Wahrnehmungen unter Naturgesetzen), gehört und innere Erfahrung begründet. A n m e r k u n g. Der Gegenstand der Vorstellung, der nur die Art enthält, wie ich von ihm affiziert werde, kann von mir nur erkannt werden, wie er mir erscheint, und alle Erfahrung (empirische Erkenntnis), die innere nicht minder als die äussere, ist nur Erkenntnis der Gegenstände, wie sie uns e r s c h e i n e n, nicht wie sie (für sich allein betrachtet) s i n d. Denn es kommt alsdann nicht bloss auf die Beschaffenheit des Objekts der Vorstellung, sondern auf die des Subjekts und dessen Empfänglichkeit an, welcher Art die sinnliche Anschauung sein [[BA 27>> werde, darauf das Denken desselben (der Begriff vom Objekt) Objekt [gehörend] angehörig gedeutet werden darf obgleich er doch auch Recht hat sie dem Objekt (hier seiner eigenen Persan) beizulegen aber mit der Einschränkung dass er sich selbst als Gegenstand durch diese Vorstellung in der Erfahrung nur erkennen kann wie er ihm e r s c h e i n e nicht wie er der Beobachtete an sich selbst i s t. – Wollte er sich auf die letztere Art erkennen so müsste er ein Bewusstsein der reinen Spontaneität (den Freiheitsbegriff) zum Grunde legen (welches auch angeht aber alsdann würde es nicht Wahrnehmung des inneren Sinnes und darauf gegründetes empirisches Erkenntnis seiner selbst (innere Erfahrung) sein können sondern nur Bewusstsein der Regel seines Tuns und Lassen ohne dadurch ein theoretisches (physiologisches) Erkenntnis seiner Natur erworben zu haben als worauf die Psychologie eigentlich ausgeht. – Das empirische Selbsterkenntnis stellt also dem inneren Sinn den Menschen vor wie er ihm erscheint nicht wie er [ist] an sich selbst ist weil jenes Erkenntnis bloss die A f f e k t i b i l i t ä t des Subjekts nicht die innere Beschaffenheit desselben als Objekts vorstellig macht. // Wie ist nun die grosse Schwierigkeit zu heben die darin liegt dass das Bewusstsein seiner selbst doch nur Erscheinung von sich selbst nicht den Menschen an sich selbst darstelle, und es zwar nicht ein doppeltes Ich aber doch ein doppeltes Bewusstsein dieses Ich, einmal das des blossen D e n k e n s dann aber auch der inneren W a h r n e h m u n g (ein rationales und empirisches) gebe d. i. diskursive und intuitive Apperzeption wovon die erste zur Logik die andere zur Anthropologie (als Physiologie) gehört jene ohne Inhalt (Materie des Erkenntnisses) diese von dem inneren Sinne mit einem Inhalte versehen ist. // Ein Gegenstand des (äusseren oder inneren) Sinnes so fern er wahrgenommen wird heisst E r s c h e i n u n g (phaenomenon). Das Erkenntnis eines Gegenstandes in der Erscheinung (d. i. als Phänomens) ist E r f a h r u n g. Also ist Erscheinung diejenige Vorstellung wodurch ein Gegenstand der Sinne gegeben wird (ein Gegenstand der Wahrnehmung d. i. der empirischen Anschauung) Erfahrung aber oder das empirische E r k e n n t n i s diejenige wodurch er zugleich als ein solcher g e d a c h t wird. – Also ist Erfahrung die Handlung (der Vorstellungskraft) wodurch Erscheinung[en] unter den Begriff[e] von einem Gegenstande derselben gebracht werden und Erfahrungen werden g e m a c h t dadurch dass Beobachtungen (absichtliche Wahrnehmungen) a n g e s t e l l t und über die Vereinigung derselben unter [e]Einem Begriffe nachgedacht (r e f l e k t i e r t) wird. – Wir erwerben und erweiteren unser Erkenntnis durch Erfahrung indem wir dem Verstande Erscheinungen äusserer oder auch des inneren Sinnes als den Stoff unterlegen und niemand zweifelt daran dass wir nicht eben so gut innere Beobachtungen unserer selbst und Erfahrungen dieser Art [anstell] machen könnten; allein wenn wir [auch den] nun von Gegenständen des inneren Sinnes (der als Sinn immer nur Erscheinungen liefert) zu sprechen wagen dass wir [von diesen nur Er] [selbst] so gar durch diesen [nur] zur Erkenntnis unserer selbst nicht wie wir sind sondern wie wir uns (innerlich) erscheinen gelangen können so ist in diesem Satze etwas Empörendes, was wir näher betrachten müssen. – Dergleichen Urteil lassen wir zwar für Gegenstände ausser uns gelten aber es sieht ganz widersinnisch aus es auf das wir in uns selbst wahrnehmen anzuwenden. – Dass einige Wortverdreher Erscheinung[en] und S c h e i n für einerlei nehmen und [wohl] sagen jener Satz bedeute so viel als: es scheint mir nur dass ich existiere [oder] und diese oder jene Vorstellung habe ist eine Verfälschung die keiner Widerlegung wert ist. // Diese Schwierigkeit beruht gänzlich auf der Verwechselung des i n n e r e n S i n n e s (und des empirischen Selbstbewusstseins) mit der A p p e r z e p t i o n (dem intellektuellen) welche gewöhnlich für einerlei [behauptet] genommen werden. Das Ich in jedem Urteile ist weder [die] eine Anschauung noch ein Begriff [sondern] und gar keine [auf irgend ein Objekt bezogene] Bestimmung irgend eines Objekts sondern [der] ein Verstandes Akt des bestimmenden Subjekts überhaupt und das Bewusstsein seiner selbst die reine Apperzeption selbst mithin bloss [logisch] zur Logik (ohne alle Materie und Inhalt) gehörig. Das Ich dagegen des inneren Sinnes d. i. der Wahrnehmung und Beobachtung seiner selbst ist nicht das Subjekt des Urteils sondern ein Objekt. Das Bewusstsein des sich selbst B e o b a c h t e n d e n ist eine ganz einfache Vorstellung des Subjekts im Urteile überhaupt wovon man alles weiss, wenn man es bloss denkt; aber das von sich selbst beobachtete Ich ist ein Inbegriff von so viel Gegenständen der inneren Wahrnehmung dass die Psychologie vollauf zu tun hat um alles darin im Verborgenen liegende auszuspüren und nicht hoffen darf damit jemals zu Ende zu kommen und die Frage hinreichend zu beantworten: Was ist der Mensch. // Man muss also die reine Apperzeption (des Verstandes) von der empirischen (der Sinnlichkeit) unterscheiden bei welcher letzteren wenn das Subjekt auf sich attendiert es sich dadurch auch zugleich affiziert und so [Erscheinungen] Empfindungen in sich aufruft d. i. Vorstellungen zum Bewusstsein bringt die der Form ihres Verhältnisses nach

folgt. – Die formale Beschaffenheit dieser Rezeptivität kann nun nicht wiederum noch von den Sinnen abgeborgt werden, sondern muss (als Anschauung) a priori gegeben sein, d. i. es muss eine sinnliche Anschauung sein, welche übrig bleibt, wenn gleich alles Empirische (S i n n e n e m p f i n d u n g enthaltende) weggelassen wird, und dieses Förmliche der Anschauung ist bei inneren1 Erfahrungen die Z e i t. Weil Erfahrung empirisches Erkenntnis ist, zum Erkenntnis aber (da es auf Urteilen beruht) Überlegung (reflexio), mithin Bewusstsein, d. i. Tätigkeit 2 in Zusammenstellung des Mannigfaltigen der Vorstellung nach einer Regel der Einheit 1 desselben, d.i. B e g r i f f und (vom Anschauen unterschiedenes) Denken überhaupt erfordert wird: so wird das Bewusstsein in das d i s k u r s i v e (welches, als logisch, weil es die Regel gibt, voran gehen muQ), und das i n t u i t i v e Bewusstsein eingeteilt werden; das erstere (die reine Apperzeption seiner Gemütshandlung) ist einfach. Das Ich der Reflexion2 hält kein Mannigfaltiges in sich, und ist in allen Urteilen immer ein und dasselbe, weil es bloss dies Förmliche des Bewusstseins, dagegen die i n n e r e E r f a h r u n g das Materielle desselben und ein Mannigfaltiges der empirischen inneren Anschauung, das Ich der A p p r e h e n s i o n (folglich eine empirische Apperzeption) enthält. Ich, als denkendes Wesen, bin zwar mit mir, als Sinnenwesen, ein und dasselbe Subjekt; aber, als Objekt der inneren empirischen Anschauung, d. i. so fern ich inner[[BA 28>>lich von Empfindungen3 in der Zeit, so wie sie zugleich oder nach einander sind, affiziert werde, erkenne ich mich doch nur, wie ich mir selbst erscheine, nicht als Ding an sich selbst. Denn es hängt doch von der Zeitbedingung, welche kein Verstandesbegriff (mithin nicht blosse Spontaneität) ist, folglich von einer Bedingung ab, in Ansehung deren mein Vorstellungsvermögen leidend ist (und gehört zur Rezeptivität). – Daher erkenne ich mich durch innere Erfahrung immer nur, wie ich mir e r s c h e i n e; welcher Satz dann oft böslicherweise so verdreht wird, dass er so viel sagen wolle: es s c h e i n e mir nur (mihi videri), dass ich gewisse Vorstellungen und Empfindungen habe, ja4 überhaupt dass ich existiere. – Der Schein5 ist dei Grund zu einem irrigen Urteil aus subjektiven Ursachen, die fälschlich für objektiv gehalten werden; Erscheinung ist aber gar kein Urteil, sondern bloss empirische Anschauung, die durch Reflexion, und den daraus entspringenden Verstandesbegriff zur inneren Erfahrung und hiemit Wahrheit wird. untereinander de[n]r subjektiven [und] formalen [Bedingungen] Beschaffenheit der Sinnlichkeit nämlich der Anschauung in [Raum und] der Zeit (zugleich oder nacheinander zu sein) nicht bloss den Regeln des Verstandes gemäss sind. Da nun [diese letztere Bedingungen] jene Formen nicht als für jedes Wesen überhaupt das sich seiner bewusst ist geltend angenommen werden kann so wird das Erkenntnis was den inneren Sinn des Menschen zum Grunde hat diesen bei der inneren Erfahrung nicht vorstellen wie er an sich selbst ist (weil die Bedingung nicht für alle denkende Wesen gültig ist denn sonst wäre eine Vorstellung des Verstandes) sondern ist bloss ein Bewusstsein der Art wie der Mensch [sich selber] in der inneren Beobachtung [sich] ihm selbst erscheint. // Das Erkenntnis seiner selbst nach derjenigen Beschaffenheit [die] was er an sich selbst ist kann durch keine innere E r f a h r u n g erworben werden und entspringt nicht aus der Naturkunde vom Menschen sondern ist einzig und allein das Bewusstsein seiner Freiheit welche ihm durch den kategorischen Pflichtimperativ also nur durch den höchsten praktischen Vernunft kund wird // B // Vom dem Felde der Sinnlichkeit // in Verhältnis zum Felde des Verstandes // § 8 // E i n t e i l u n g // Das Gemüt (animus) des Menschen, [als der] [ist] als I n b e g r i f f aller Vorstellungen die in demselben Platz haben hat einen Umfang (sphaera) der die drei [Abteilungen] Grundstücke Erkenntnisvermögen, Gefühl der Lust und Unlust und Begehrungsvermögens befasst deren jedes in zwei Abteilungen dem Felde der S i n n l i c h k e i t und der I n t e l l e k t u a l i t ä t zerfällt. (dem der sinnlichen oder intellektuellen Erkenntnis, Lust oder Unlust, und des Begehrens oder Verabscheuens). // Die Sinnlichkeit kann als Schwäche oder auch als Stärke betrachtet werden.]“ 1

H (Cassirer): „L o g i k”. H (Cassirer): „i n n e r e n”. 2 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „Bewusstsein der Tätigkeit”. 1 H: „Regel [des Bewusstseins] der Einheit“. 2 H (Cassirer): „R e f l e x i o n”. 3 A: „mit Empfindungen”. 4 A: „gewisse … zu haben ja”. 5 H (Cassirer): „S c h e i n”. 1

Dass die Wörter i n n e r e r S i n n und A p p e r z e p t i o n von den Seelenforschern gemeinhin für gleichbedeutend genommen werden, unerachtet der1 erstere allein ein psychologisches (angewandtes), die zweite aber bloss ein logisches (reines) Bewusstsein anzeigen soll, ist die Ursache dieser Irrungen. Dass wir aber durch den ersteren uns nur erkennen können, w i e w i r u n s e r s c h e i n e n, erhellet daraus, weil Auffassung (apprehensio) der Eindrücke des ersteren eine formale Bedingung der inneren Anschauung des Subjekts, nämlich die Zeit, voraussetzt, welche kein Verstandesbegriff ist, und also [[BA 29>> bloss als subjektive Bedingung gilt2, wie nach der Beschaffenheit der menschlichen Seele uns innere Empfindungen gegeben werden, also diese uns nicht, wie das Objekt an sich 3 ist, zu erkennen gibt. *** Diese Anmerkung gehöret eigentlich nicht zur Anthropologie. In dieser sind nach Verstandesgesetzen vereinigte Erscheinungen Erfahrungen, und da wird nach der Vorstellungsart der Dinge, wie sie auch ohne ihr Verhältnis zu den S i n n e n in Betrachtung zu ziehen (mithin an sich selbst) sind, gar nicht; gefragt; denn diese Untersuchung gehört zur Metaphysik, welche es mit der Möglichkeit der Erkenntnis a priori zu tun hat. Aber es war doch nötig, so weit zurückzugehen, um auch nur die Verstösse des spekulativen Kopfs in Ansehung dieser Frage abzuhalten. – Da übrigens4 die Kenntnis des Menschen durch innere Erfahrung, wei1 er darnach grossenteils auch andere beurteilt, von grosser Wichtigkeit, aber doch zugleich von vielleicht grösserer Schwierigkeit ist, als5 die richtige Beurteilung anderer, indem der Forscher seines Inneren leichtlich, statt bloss zu beobachten, manches in das Selbstbewusstsein hinein t r ä g t6, so ist es ratsam und sogar notwendig, von beobachteten E r s c h e i n u n g e n in sich selbst anzufangen, und dann allererst zu Behauptung gewisser Sätze, die die Natur des Menschen angehen, d. i. zur i n n e r e n E r f a h r u n g, fortzuschreiten; [[BA 30>> APOLOGIE FÜR DIE SINNLICHKEIT § 8. Dem V e r s t a n d e bezeigt jedermann alle Achtung, wie auch die Benennung desselben als o b e r e n Erkenntnisvermögens es schon anzeigt; wer ihn lobpreisen wollte, würde mitdem Spott jenes den Lob1 der T u g e n d erhebenden Redners (stulte! quis unquam vituperavit2) abgefertigt werden. Aber die Sinnlichkeit3 ist in üblem Ruf. Man sagt ihr viel Schlimmes nach: z. B. 1) dass sie die Vorstellungskraft v e r w i r r e; 2) dass sie das grosse Wort führe und als H e r r s c h e r i n, da sie doch nur die D i e n e r i n des Verstandes sein sollte, halsstarrig und schwer zu bändigen sei; 3) dass sie sogar b e t r ü g e und man in Ansehung ihrer nicht genug auf seiner Hut sein könne. – Anderseits fehlt es ihr aber auch nicht an Lob rednern, vornehmlich unter Dichtern und Leuten von Geschmack, welche die V e r s i n n l i c h u n g der Verstandesbegriffe nicht allein als Verdienst hochpreisen, sondern auch gerade hierin und dass die Begriffe nicht so mit peinlicher Sorgfalt in ihre Bestandteile zerlegt werden müssten, das P r ä g n a n t e (die Gedankenfülle) oder das E m p h a t i s c h e (den Nachdruck) der Sprache und das E i n l e u c h t e n d e (die Helligkeit im Bewusstsein) der Vorstellungen setzen, die Nacktheit des Verstandes aber geradezu für Dürftigkeit erklären.*6 [[BA 31>> Wir brauchen hier keinen Panegyristen, sondern nur einen Advokaten wider den Ankläger. 1

H (Cassirer): „unerachtet dass der“. Zusatz von B. 3 H: „wie sie an sich”. 4 A: „Dass übrigens”. 5 A: „sei als”. 6 H (Cassirer): „h i n e i n t r ä g t”. 1 B3: „das Lob”. 2 Übersetzung des Herausgebers: „Narr,wer hat sie je getadelt ?“. 3 H: „S i n n l i c h k e i t“. 2

Das P a s s i v e in der Sinnlichkeit, was wir doch nicht ablegen können, ist eigentlich die Ursache alles des Übels, was man ihr nachsagt. Die innere Vollkommenheit des Menschen besteht darin: dass er den Gebrauch aller seiner Vermögen in seiner Gewalt habe, um ihn seiner f r e i e n W i l l k ü r zu unterwerfen. Dazu aber wird erfordert, dass der V e r s t a n d herrsche, ohne doch die Sinnlichkeit (die an sich Pöbel ist, weil sie nicht denkt) zu schwächen: weil ohne sie es keinen Stoff geben würde, der zum Gebrauch des gesetzgebenden Verstandes verarbeitet werden könnte. RECHTFERTIGUNG DER SINNLICHKEIT GEGEN DIE ERSTE ANKLAGE § 9. D i e S i n n e v e r w i r r e n n i c h t. Dem, der ein gegebenes Mannigfaltige zwar a u f g e f a s s t, aber n o c h n i c h t g e o r d n e t hat, kann man nicht nachsagen, dass er es v e r w i r r e. Die Wahrnehmungen der Sinne 1 (empirische Vorstellungen mit Bewusstsein) können nur innere E r s c h e i n u n g e n heissen. Der Verstand, der hinzukommt, und sie unter einer Regel des Denkens verbindet (O r d n u n g in das Mannigfaltige hineinbringt), macht allererst daraus empirisches Erkenntnis, d. i. E r f a h r u n g. – Es liegt also an dem seine Obliegenheit 2 vernachlässigenden V e r s t a n d e, wenn er keck urteilt, ohne zuvor die Sinnenvorstellungen nach Be[[BA 32>>griffen3 geordnet zu haben, und dann nachher über die Verworrenheit derselben klagt, die der sinnlich gearteten Natur des Menschen zu Schulden kommen müsse. Dieser Vorwurf trifft sowohl die ungegründete Klage über die Verwirrung der äusseren, als der inneren Vorstellungen durch die Sinnlichkeit4. Die sinnlichen Vorstellungen kommen freilich denen des Verstandes zuvor, und stellen sich in Masse dar. Aber desto reichhaltiger ist der Ertrag, wenn der Verstand mit seiner Anordnung und intellektuellen Form hinzukommt und z. B. p r ä g n a n t e Ausdrücke für den Begriff, e m p h a t i s c h e für das Gefühl und i n t e r e s s a n t e 1 Vorstellungen für die Willensbestimmung ins Bewusstsein bringt. – Der R e i c h t u m, den die Geistesprodukte in der Redekunst und Dichtkunst dem Verstande auf einmal (in Masse 2) darstellen, bringt diesen zwar oft3 in Verwirrung4, wenn er sich alle Akte der Reflexion, die er hiebei wirklich, obzwar im Dunkelen, anstellt, deutlich machen und auseinander setzen soll. Aber die Sinnlichkeit ist *

Da hier nur vom Erkenntnisvermögen und also von Vorstellung (nicht dem Gefühl der Lust oder Unlust) die Rede ist, so wird E m p f i n d u n g nichts weiter als Sinnenvorstellung (empirische Anschauung), zum Unterschiede sowohl von Begriffen (dem Denken), als auch von der reinen Anschauung (des Raums und der Zeitvorstellung) bedeuten.6 6 Am Rand von H: „[Das Bewusstsein seiner selbst ist entweder diskursiv in Begriff ader intuitiv in der innern Anschauung der Zeit. – Das Ich der Apperzeption ist einfach und verbindend; das aber der Apprehension zusammengesetzt aus Wahrnehmungen und [enthält] geht auf ein Mannigfaltiges mit einander Verbundene in dem Ich als [Objekt] Gegenstand der Anschauungen . Dieses Mannigfaltige in seiner Anschauung ist g e g e b e n ... eine Form a priori in der es geordnet werden...]“. 1 H: „de[r]s [inneren] Sinnes“. 2 H: „[Vorschrift] Obliegenheit“. 3 H: „[unter Begriffe gebracht und] nach Begriffen“. 4 Am Rand von H: „Die Wahrnehmungen (empirische Anschauungen mit Bewusstsein) können nur Erscheinungen des innern Sinnes genannt werden: Damit sie aber innere Erfahrung werden muss das Gesetz bekannt sein welches die Form dieser Verbindung in einem Bewusstsein des Objektes bestimmt. // Der Mensch kann sich selbst innerlich nicht beobachten wenn er nicht durch eine Regel geleitet wird unter der allein die Wahrnehmungen verbunden sein müssen, wenn sie ihm eine Erfahrung liefern soll . [A1so] Daher sind jene insgesamt nur Erscheinungen von sich selbst daraus sich selbst zu erkennen muss er das Prinzip der Erscheinungen (in Raum und Zeit) zum Grunde legen um zu wissen was ist der Mensch // Die Sinnlichkeit als Stärke oder Schwäche“. 1 H: „[belebende] i n t e r e s s a n t e“. 2 So auch H; A, B1,2: „im Masse“. 3 A: „bringen diesen vielmehr oft“. 4 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „in Verlegenheit wegen seines vernünftigen Gebrauchs, und der Verstand gerät oft in Verwirrung“.

hiebei in keiner Schuld, sondern es ist vielmehr Verdienst von ihr, dem Verstande reichhaltigen Stoff, wogegen die abstrakten Begriffe desselben oft nur schimmernde Armseligkeiten sind, dargeboten zu haben. RECHTFERTIGUNG DER SINNLICHKEIT GEGEN DIE ZWEITE ANKLAGE § 10. Die Sinne gebieten nicht über5 den Verstand. Sie bieten sich vielmehr nur dem Verstande an, [[BA 33>> um über ihren Dienst zu disponieren. Dass sie ihre Wichtigkeit nicht verkannt wissen wollen, die ihnen vornehmlich in dem zukommt, was man den gemeinen Menschensinn6 (sensus communis) nennt, kann ihnen nicht für Anmassung, über den Verstand herrschen zu wollen, angerechnet werden. Zwar gibt es Urteile, die man eben nicht f ö r m l i c h vor den Richterstuhl 1 des Verstandes zieht, um von ihm abgeurteilt zu werden; die daher unmittelbar durch den Sinn diktiert zu sein scheinen. Dergleichen enthalten die sogenannten Sinnsprüche, oder orakelmässigen Anwandlungen (wie diejenigen, deren Ausspruch Sokrates seinem Genius zuschrieb). Es wird nämlich dabei vorausgesetzt, dass das2 e r s t e Urteil über das, was in einem vorkommenden Falle zu tun recht und weise ist, gemeiniglich auch das r i c h t i g e sei, und durch Nachgrübeln nur verkünstelt werde. Aber sie kommen in der Tat nicht aus den Sinnen, sondern aus wirklichen ob zwar dunkelen Überlegungen3 des Verstandes. – Die Sinne machen darauf keinen Anspruch und sind wie das gemeine Volk, welches, wenn es nicht Pöbel ist (ignobile vulgus), seinem Obern, dem Verstande, sich zwar gern unterwirft, aber doch gehört werden will. Wenn aber gewisse Urteile und Einsichten als unmittelbar aus dem innern Sinn (nicht vermittelst des Verstandes) hervorgehend, sondern dieser als für sich gebietend und Empfindungen für Urteile geltend angenommen werden, so ist das bare S c h w ä r m e r e i, welche mit der Sinnenverrückung in naher Verwandtschaft steht. RECHTFERTIGUNG4 DER SINNLICHKEIT WIDER DIE DRITTE ANKLAGE D i e5 S i n n e b e t r ü g e n n i c h t. Dieser Satz ist die Ablehnung des wichtigsten, aber auch, genau er[[BA 34>>wogen, nichtigsten Vorwurfs, den man den Sinnen macht; und dieses darum, nicht weil sie immer richtig urteilen, sondern weil sie gar nicht urteilen; weshalb der Irrtum immer nur dem Verstande zu Last 6 fällt.-Doch gereicht diesem der S i n n e n s c h e i n (species, apparentia), wenn gleich nicht zur Rechtfertigung, doch zur Entschuldigung; wonach der7 Mensch öfters in den Fall kommt, das Subjektive seiner Vorstellungsart für das Objektive (den entfernten Turm, an dem er keine Ecken s i e h t, für r u n d, das Meer, dessen entfernter Teil ihm durch höhere Lichtstrahlen ins Auge fällt, für h ö h e r als das Ufer (altum mare), den Vollmond, den er in seinem Aufgange am Horizont 1 durch eine dunstige Luft sieht, ob zwar er ihn durch denselben Schewinkel ins Auge fasst, für entfernter, also auch für g r ö s s e r, als wie er hoch am Himmel erscheint) und so E r s c h e i

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H: „n i c h t [unter den verschiedenen Seelenkräften] über“. H: „Menschen[verstand]sinn“. 1 H (Cassirer): „Richterausspruch“. 2 A: „zuschrieb): dass nämlich das“. 3 A: „aus (ob zwar dunkelen) Überlegungen“. 4 So auch H; A: „Rechtfertigkeit“. 5 Akad.-Ausg.: „§ 11. Die”. 6 H(Akad.-Ausg., Cassirer): „zur Last“. 7 A: „Entschuldigung: dass der“. 1 H: „im Horizont“. 6

n u ng für E r f a h r u n g zu halten; dadurch aber in Irrtum, als 2 einen Fehler des Verstandes, nicht den der Sinne, zu geraten. *** Ein Tadel, den die Logik der Sinnlichkeit entgegen wirft, ist der: dass man dem Erkenntnis, so wie es durch sie befördert wird, S e i c h t i g k e i t (Individualität, Einschränkung aufs Einzelne) vorwirft, da hingegen den Verstand, der aufs Allgemeine geht, eben darum aber zu Abstraktionen sich bequemen muss, der Vorwurf der T r o c k e n h e i t trifft. Die ästhetische Behandlung, deren erste Forderung Popularität ist, schlägt aber einen Weg ein, auf dem beiden Fehlern ausgebeugt werden kann. [[BA 35>> VOM KÖNNEN IN ANSEHUNG DES ERKENNTNISVERMÖGENS ÜBERHAUPT3 § 104. Der vorhergehende Paragraph, der vom Scheinvermögen handelte, in dem was kein Mensch kann, führt uns zur Erörterungder Begriffe vom L e i c h t e n und S c h w e r e n (leve et grave5), welche, dem Buchstaben nach, im Deutschen zwar nur körperliche Beschaffenheiten und Kräfte bedeuten, dann aber wie6 im Lateinischen, nach einer gewissen Analogie, das T u n l i c h e (facile) und K o m p a r a t i v – U n t u n l i c h e (difficile) bedeuten sollen; denn das Kaum-Tunliche wird doch von einem Subjekt, das an dem Grade seines dazu erforderlichen Vermögens zweifelt, in gewissen Lagen und Verhältnissen desselben für s u b j e k t i v – u n t u n l i c h1 gehalten. Die L e i c h t i g k e i t, etwas zu tun (promptitudo) muss mit der F e r t i g k e i t in solchen Handlungen (habitus) nicht verwechselt werden. Die erstere bedeutet einen gewissen Grad des mechanischen Vermögens: – „ich kann2 wenn ich will“, und bezeichnet subjektive M ö g l i c h k e i t; die zweite die subjektiv-praktische N o t w e n d i g k e i t 3, d. i. G e w o h n h e i t, mithin einen gewissen Grad des Willens, der durch den oft wiederholten Gebrauch seines Vermögens erworben wird: „ich will, weil es die Pflicht gebietet“. Daher kann man die T u g e n d nicht so erklären; sie sei die F e r t i g k e i t in freien rechtmässigen Handlungen; denn da wäre sie bloss Mechanism der Kraftanwendung; sondern Tugend ist die m o r a l i s c h e S t ä r k e in Befolgung [[BA 36>> seiner Pflicht4, die niemals zur Gewohnheit werden, sondern immer ganz neu und ursprünglich aus der Denkungsart hervorgehen soll5. Das Leichte wird dem S c h w e r e n, aber oft auch dem L ä s t i g e n entgegengesetzt. L e i c h t ist einem Subjekt dasjenige, wozu ein grosser Überschuss seines Vermögens über die zu einer Tat erforderliche Kraftanwendung in ihm anzutreffen ist. Was ist leichter, als die Förmlichkeiten der Visiten, Gratulationen und Kondolenzen zu begehen ? Was ist aber auch einem beschäftigten Mann beschwerlicher ? Es sind freundschaftliche V e x a t i o n e n (Plackereien), die ein jeder herzlich wünscht los zu werden, indes er doch6 auch Bedenken trägt, wider den Gebrauch zu verstossen. Welche Vexationen gibt es nicht in äusseren zur Religion gezählten, eigentlich aber zur kirchlichen Form gezogenen Gebräuchen: wo gerade darin, dass sie zu nichts nutzen, und 2

H: „[mithin] als“. Dieser Paragraph, der in H ursprünglich auf den § 11 (in der Zählung der Akad.-Ausg. den § 13) folgte, wurde dem letzteren erst nachträglich von Kant vorangestellt und die beiden Paragraphen dementsprechend von ihm umnumeriert. Die letzten sechs Abschnitte des jetzigen § 10 fehlen in H, die statt dessen den Verweis „vid. Einlage“ hat. 4 Akad.-Ausg.: „§ 12”. 5 A: „ponderosum”. 6 Zusatz von B. 1 H: „(subjektiv-)untunlich“. 2 H: „k a n n“. 3 H: „N o t w e n d i g k e i t [sich will etwas was ich kann“]“. 4 H: „Pflicht [durch die es dem Subjekt leicht wird dem Gesetz gemäss zu handeln]“. 5 H: „[muss] soll“. 6 A: „werden, aber doch“. 3

in der blossen Unterwerfung der Gläubigen, sich durch Zeremonien und Observanzen, Büssungen und Kasteiungen (je mehr desto besser) geduldig hudeln1 zu lassen, das Verdienstliche der Frömmigkeit gesetzt wird; indessen dass diese Frondienste zwar m e c h a n i s c h l e i c h t (weil keine lasterhafte Neigung dabei aufgeopfert werden darf), aber dem Vernünftigen m o r a l i s c h sehr b e s c h w e r l i c h und lästig fallen müssen. – Wenn daher der grosse moralische2 Volkslehrer sagte: „meine Gebote sind nicht schwer“, so wollte er dadurch nicht sagen, sie bedürften nur geringen Aufwand von Kräften3, um sie zu erfüllen; denn in der Tat sind sie, als solche, welche reine Her[[BA 37>>zensgesinnungen fodern, das Schwerste unter allem, was geboten werden mag; aber sie sind für einen Vernünftigen doch unendlich leichter als Gebote einer geschäftigen Nichtstuerei (gratis anhelare, multa agendo nihil agere4), dergleichen die waren, welche das Judentum begründete5; denn das6 Mechanischleichte fühlt der vernünftige Mann zentnerschwer, wenn er sieht, dass die darauf verwandte Mühe doch zu nichts nützt. Etwas Schweres leicht z u m a c h e n ist V e r d i e n s t; es als leicht v o r z u m a l e n, ob man gleich es selbst zu leisten nicht vermag, ist B e t r u g. Das, was leicht ist, zu tun, ist v e r d i e n s t l o s. Methoden und Maschinen, und unter diesen die Verteilung der Arbeiten unter verschiedene Künstler (fabrikenmässige Arbeit), machen vieles leicht, was mit eigenen Händen, ohne andere Werkzeuge, zu tun schwer sein würde. Schwierigkeiten zu z e i g e n, ehe man die Vorschrift zur Unternehmung gibt (wie z. B. in Nachforschungen der Metaphysik), mag zwar abschrecken, aber das ist doch besser, als sie zu v e r h e h l e n. Der alles, was er sich vornimmt, für leicht hält, ist l e i c h t s i n n i g. Dem alles, was er tut, leicht lässt, ist7 gewandt; so wie der,dessen Tun Mühe verrät, s c h w e r f ä l l i g. – Die gesellige Unterhaltung (Konversation) ist ein blosses Spiel, worin alles leicht sein und leicht lassen muss. Daher die Zeremonie (das Steife) in derselben, z.B. das feierliche Abschiednehmen nach einem Gelage, als altväterisch abgeschafft ist. [[BA 38>> Die Gemütsstimmung der Menschen bei1 Unternehmung eines Geschäfts ist nach Verschiedenheit der Temperamente verschieden. Einige fangen von Schwierigkeiten und Besorgnissen an (Melancholische), bei andern ist die Hoffnung und vermeinte Leichtigkeit der Ausführung das erste, was ihnen in die Gedanken kommt (Sanguinische). Was ist aber von dem ruhmredigen Ausspruche der Kraftmänner, der nicht auf blossem Temperament gegründet ist, zu halten ? „Was der Mensch w i l l, das k a n n er“. Er ist nichts weiter als eine hochtönende Tautologie: was er n ä m l i c h a u f d e n G e h e i s s s e i n e r m o r a l i s c h – g e b i e t e n de n V e r n u n f t will, das s o l l er, folglich k a n n er es auch tun (denn das Unmögliche wird ihm die Vernunft nicht gebieten). Es gab aber vor einigen Jahren solche Gecken, die das auch im physischen Sinn von sich priesen, und sich so als Weltbestürmer ankündigten, deren2 Rasse aber vorlängst ausgegangen ist. Endlich macht das G e w o h n t w e r d e n (consuetudo3), da nämlich Empfindungen von eben derselben Art, durch ihre lange Dauer ohne Abwechselung, die Aufmerksamkeit von den Sinnen abziehen, und man sich ihrer kaum mehr bewusst ist, zwar die Ertragung der Übel l e i c h t (die4 man alsdann fälschlich mit dem Namen einer Tugend, nämlich der Geduld, beehrt), aber auch das Bewusstsein und die Erinnerung des empfangenen Guten s c h w e r e r, welches dann gemeiniglich zum Undank (einer wirklichen Untugend) führt5. 1

A: „Kasteiungen geduldig (je mehr desto besser) hudeln“. H: „[Tugend] moralische“. 3 A: „bedürften wenig Kräftenaufwand“. 4 Übersetzung des Herausgebers: „umsonst zu keuchen; mit vielem beschäftigt, nichts zu schaffen“. 5 H: „begründeten“. 6 H: „denn selbst das“. 7 Zusatz von B. 1 A „einiger bei“. 2 A: „Sinn als Weltbestürmer von sich priesen, deren“. 3 A: „assuefactio”. 4 A: „bewusst ist; was dann die... l e i c h t macht (die“. 5 A: „s c h w e r e r, mithin gemeiniglich Undank macht (welches eine Untugend ist)“. 2

Aber die A n g e w o h n h e i t (assuetudo6) isteinephysische innere Nötigung, nach derselben Weise ferner [[BA 39>> zu verfahren, wie man bis dahin verfahren hat. Sie benimmt selbst den guten Handlungen eben dadurch ihren moralischen Wert, weil sie der Freiheit des Gemüts Abbruch tut, und überdem zu gedankenlosen Wiederholungen ebendesselben Akts7 (Monotonie) führt, und dadurch lächerlich wird. – Angewöhnte Flickwörter (P h r a s e n zu blosser Ausfüllung der Leere an Gedanken) machen den Zuhörer unaufhörlich besorgt, das Sprüchelchen wiederum hören zu müssen, und den Redner zur Sprachmaschine. Die Ursache der Erregung des Ekels, den die Angewohnheit eines andern in uns erregt, ist, weil das Tier hier gar zu sehr aus dem Menschen hervorspüngt, das i n s t i n k t m ä s s i g nach der Regel der Angewöhnung, gleich als eine andere (nicht-menschliche) Natur geleitet wird, und so Gefahr läuft, mit dem Vieh in eine und dieselbe Klasse zu geraten. – Doch können gewisse Angewöhnungen absichtlich geschehen und eingeräumt werden, wenn nämlich die Natur der freien Willkür ihre Hülfe versagt, z.B. im Alter sich an die Zeit des Essens und Trinkens, die Qualität und Quantität desselben, oder auch des Schlafs zu gewöhnen und so allmählich mechanisch zu werden; aber das gilt nur als Ausnahme und im Notfall. In der Regel ist alle Angewohnheit verwerflich. VON DEM KÜNSTLICHEN SPIEL MIT DEM SINNENSCHEIN § 111. Das B l e n d w e r k, welches durch Sinnenvorstellungen dem Verstande gemacht wird (praestigiae), kann natürlich, oder auch künstlich sein und ist entweder T ä u s c h u n g (illusio), oder B e t r u g (fraus).– [[BA 40>> Dasjenige Blendwerk; wodurch man genötigt wird, etwas auf das Zeugnis der Augen für2 wirklich zu halten, ob es zwar von eben demselben3 Subjekt durch seinen Verstand für unmöglich erklärt wird, heisst A u g e n v e r b l e n d n i s (praestigiae4). I l l u s i o n ist dasjenige Blendwerk, welches bleibt, ob man gleich weiss, dass der vermeinte Gegenstand nicht wirklich ist. – Dieses Spiel des Gemüts mit dem Sinnenschein ist sehr angenehm und unterhaltend, wie z.B. die perspektivische Zeichnung des Inneren eines Tempels, oder, wie Raphael Mengs von dem Gemälde der Schule der Peripatetiker (mich deucht von C o r r e g g i o) sagt: „dass, wenn man sie lange ansieht, sie zu gehen scheinen“; oder wie eine im Stadthaus von Amsterdam gemalte Treppe mit halbgeöffneter Tür jeden verleitet, an ihr hinaufzusteigen1, u.d.g. B e t r u g aber der Sinne ist: wenn, so bald man weiss, wie es mit dem Gegenstande beschaffen ist, auch der Schein sogleich aufhört. Dergleichen sind die Taschenspielerkünste von allerlei Art. – Kleidung, deren Farbe zum Gesicht vorteilhaft absticht, ist Illusion; Schminke aber Betrug. Durch die erstere wird man verleitet, durch die zweite geäfft. – Daher kommt es auch, dass man mit Farben nach der Natur bemalte S t a t ü e n menschlicher oder tierischer Gestalten nicht leiden mag: indem man jeden Augenblick 2 betrogen wird, sie für lebend zu halten, so oft sie unversehens zu Gesichte kommen. [[BA 41>> B e z a u b e r u n g (fascinatio) in einem sonst gesunden Gemütszustand ist ein Blendwerk der Sinne3, von dem man sagt, dass es nicht mit natürlichen Dingen zugehe; weil das Urteil, dass ein Gegenstand (oder eine Beschaffenheit desselben) s e i, bei darauf verwandter Attention, mit demUrteil, d a s s e r n i c h t (oder anders gestaltet) s e i, 6

A: „assuefactio”. Zusatz von B. 1 Akad.-Ausg.: „§ 13”. 2 A: „seiner Sinne für“. 3 H: „zwar eben demselben“. 4 A: „fasciantio”. 1 H (Cassirer): „sie hinaufzusteigen“. 2 H (Cassirer): „einen Augenblick“. 3 H: „[Spiel der Sinnenvorstellungen] Blendwerk der Sinne“. 7

unwiderstehlich wechselt, – der Sinn also sich selbst zu widersprechen scheint. Wie ein Vogel, der gegen den Spiegel, in dem er sich selbst sieht, flattert, und ihn bald für einen wirklichen Vogel bald nicht dafür hält. Dieses Spiel mit Menschen, dass s i e i h r e n e i g e n e n S i n n e n n i c h t t r a u e n, findet vornehmlich bei solchen statt, die durch Leidenschaft stark angezogen werden4. DemVerliebten, der (nach H e l v e t i u s)seine Geliebte in den Armen eines anderen sah, konnte diese, die es ihm schlechthin ableugnete, sagen: „Treuloser, du liebst mich nicht mehr, du glaubst mehr was du siehst, als was ich dir sage“. – Gröber, wenigstens schädlicher war der Betrug, den die B a u c h r e d n e t, die Gassnere, die M e s m e r i a n e r u.d.g. vermeinte Schwarzkünstler verübten. Man nannte vor alters die armen unwissenden Weiber, die so etwas Übernatürliches zu tun vermeinten 1, Hexen, und noch in diesem Jahrhundert war der Glaube daran nicht völlig ausgerottet. *6 Es [[BA 42>> scheint, das Gefühl der Verwunderung über etwas Unerhörtes habe an sich selbst viel Anlockendes für den Schwachen: nicht bloss weil ihm auf einmal neue Aussichten eröffnet werden, sondern weil er dadurch von dem ihm lästigen Gebrauch der Vernunft losgesprochen zu sein, dagegen andere2 in3 der Unwissenheit sich gleich zu machen, verleitet wird. VON DEM ERLAUBTEN MORALISCHEN SCHEIN § 124. Die Menschen sind insgesamt, je zivilisierter 5, desto mehr Schauspieler: sie nehmen den Schein der Zuneigung, der Achtung vor anderen, der Sittsamkeit, der Uneigennützigkeit an, ohne irgend jemand dadurch zu betrügen; weil ein jeder andere, dass es hiemit eben nicht herzlich gemeint sei, dabei einverständigt ist, und es ist auch sehr gut, dass es so in der Welt zugeht. Denn dadurch, dass Menschen diese Rolle spielen, werden zuletzt die Tugenden, deren Schein sie eine geraume Zeit hindurch nur gekünstelt haben, nach und nach wohl [[BA 43>> wirklich erweckt, und gehen in die Gesinnung über. – Aber den Betrüger in uns selbst, die Neigung 1, zu betrügen, ist wiederum Rückkehr zum Gehorsam unter das Gesetz der Tugend, und nicht Betrug, sondern schuldlose Täuschung2 unserer selbst. So ist die A n e k e l u n g seiner eigenen Existenz, aus der Leerheit des Gemüts an Empfindungen, zu denen es unaufhörlich strebt, d e r l a n g e n W e i l e, vobei man doch zugleich ein Gewicht der Trägheit fühlt, d. i.3 des Überdrusses an aller Beschäftigung, die Arbeit heissen und jenen Ekel vertreiben könnte, weil sie mit Beschwerden verbunden ist, ein 4

H (Cassirer): „angegriffen werden“. H (Cassirer): „tun zu können vermeinten“. * Ein protestantischer Geistliche in Schottland sagte noch in diesem Jahrhundert in dem Verhör über einen solchen Fall als Zeuge zum Richter: „Mein Herr, ich versichere Euch auf meine priesterliche Ehre, dass dieses Weib eine H e x e ist“; worauf der letztere erwiderte: „und ich versichere Euch auf meine richterliche Ehre, dass Ihr kein He[[Anm. BA 42>>xenmeister seid“. Das jetzt deutsch gewordene Wort H e x e kommt von den Anfangsworten der Messformel, bei Einweihung der Hostie her, welche der Gläubige mit l e i b l i c h e n Augen als eine kleine Scheibe Brot sieht, nach Aussprechung derselben aber mit g e i s t i g e n Augen als den Leib eines Menschen zu sehen verbunden wird. Denn die Wörter h o c e s t haben zuerst das Wort 6 c o r p u s hinzugetan, wo hoc est corpus sprechen in h o c u s p o c u s machen verändert wurde; vermutlich aus frommer Scheu, den rechten Namen zu nennen und zu profanieren; wie es Abergläubische bei unnatürlichen Gegenständen zu tun pflegen, um sich daran nicht zu vergreifen. 6 H: „zuerst das hocsten woraus nachher hexen als der Anfang der Zauberformel geworden ist vemnlasst dann aber auch [hoc est corpus der Anf. dann aber] das Wort“. 2 H (Cassirer): „losgesprochen und andere“. 3 A: „andere ihm in“. 4 Akad.-Ausg.: „§ 14“. 5 H: „[geschliffener] zivilisierter“. 1 H (Cassirer): „Neigungen“. 2 H (Cassirer): „sondern rühmliche Täuschung“. 3 A: „strebt, d i e l a n g e Weile,doch auch zugleich ein Gewicht der Trägheit d. i.“; H: „und doch zugleich das Gewicht der Trägheit, d.i.“. 1

höchst widriges Gefühl, dessen Ursache4 keine andere ist, als die natürliche Neigung zur G e m ä c h l i c h k e i t (einer Ruhe, vor der keine Ermüdung vorhergeht). – Diese Neigung ist aber betrügerisch, selbst in5 Ansehung der Zwecke, welche die Vernunft dem Menschen zum Gesetz macht, um mit 6 sich selbst zufrieden zu sein, w e n n e r g a r n i c h t s t u t (zwecklos vegetiert), weil er da doch n i c h t s B ö s e s t u t. Sie also wieder zu betrügen (welches durch das Spiel mit schönen Künsten, am meisten aber durch gesellige Unterhaltung geschehen kann), heisst die Z e i t v e r t r e i b e n (tempus fallere); wo der Ausdruck schon die Absicht andeutet, nämlich die Neigung zur geschäftlosen Ruhe selbst zu betrügen, wenn durch schöne Künste das Gemüt spielend unterhalten, ja auch nur durch ein blosses an sich zweckloses Spiel in einem friedlichen Kampfe wenigstens 7 Kultur des Gemüts bewirkt wird; widrigenfalls es heissen würde: die Zeit t ö t e n. – – Mit Gewalt ist wider die Sinnlichkeit in den Neigungen nichts ausgerichtet; man muss sie [[BA 44>> überlisten, und, wie S w i f t sagt, dem Walfisch eine Tonne zum Spiel hingeben, um das Schiff zu retten. Die Natur hat den Hang, sich gerne täuschen zu lassen, dem Menschen weislich eingepflanzt, selbst um die Tugend zu retten, oder doch zu ihr hinzuleiten. Der gute ehrbare A n s t a n d ist ein äusserer Schein, der andern A c h t u n g einflösst (sich nicht gemein zu machen). Zwar würde das Frauenzimmer 1 damit schlecht zufrieden sein, wenn das männliche Geschlecht ihren Reizen nicht zu huldigen schiene. Aber S i t t s a m k e i t (pudicitia), ein Selbstzwang, der die Leidenschaft versteckt, ist doch als Illusion sehr heilsam2, um zwischen einem und dem anderen Geschlecht den Abstand zu bewirken, der nötig ist, um nicht das eine zum blossen Werkzeuge des Genusses des anderen abzuwürdigen. – Überhaupt ist alles, was man W o h l a n s t ä n d i g k e i t (decorum) nennt, von derselben Art, nämlich nichts als s c h ö n e r3 S c h e i n. H ö f l i c h k e i t (Politesse) ist ein Schein der Herablassung, der Liebe einflösst. Die Ve r b e u g u n g e n (Komplimente) und die ganze h ö f i s c h e Galanterie, samt den heissesten Freundschaftsversicherungen mit Worten, sind zwar nicht eben immer Wa h r h e i t (Meine lieben Freunde: es gibt keinen Freund ! A r i s t o t e l e s), aber sie b e t r ü g e n darum doch auch nicht, weil ein jeder weiss, wofür er sie nehmen soll, und dann vornehmlich darum, weil diese anfänglich leeren Zeichen des Wohlwollens und der Achtung nach und nach zu wirklichen Gesinnungen dieser Art hinleiten. [[BA 45>> Alle menschliche Tugend im Verkehr ist Scheidemünze; ein Kind ist der, welcher sie für echtes Gold nimmt. – Es ist doch aber besser, Scheidemünze, als gar kein solches Mittel im Umlauf zu haben, und4 endlich kann es doch, wenn gleich mit ansehnlichem Verlust, in bares Gold5 umgesetzt werden. Sie für lauter S p i e l m a r k e n, die gar keinen Wert haben, auszugeben, mit dem sarkastischen Swift zu sagen: „Die Ehrlichkeit ist ein Paar Schuhe, die im Kote ausgetreten worden“ u.s.w., oder, mit dem Prediger H o f s t e d e, in seinem Angriff auf Marmontels B e l i s a r, selbst einen Sokrates zu verleumden, um ja zu verhindern, dass irgend jemand an die Tugend glaube, ist ein an der Menschheit verübter Hochverrat. Selbst der Schein des Guten an anderen muà uns wert sein; weil aus diesem Spiel mit Verstellungen1, welche Achtung erwerben, ohne sie vielleicht zu verdienen, endlich wohl Ernst werden kann. Nur der Schein des Guten i n u n s s e l b s t muss ohne Verschonen 4

H: „die [einen Zweck hat und] Arbeit heissen könnte [das heisst die] weil sie mit Beschwerde verbunden ist [und] ein höchst widriges Gefühl seiner eigenen Nichtswürdigkeit deren Ursache“. 5 H: „ist betrügerisch in“. 6 H: „macht mit“. 7 H: „doch wenigstens“. 1 Am Rand von H: „Von einem Paar das Gäste bekam die sieh vorher nicht angemeldet hatten. // Einschränkung der Ansprüche der Sinnlichkeit des Erkenntnisvermögens. – NB es muss zuletzt vor den Titel des Verstandes kommen.“ 2 H: „[nützlich] heilsam“. 3 H (Cassirer): „als ein schöner“. 4 H: „[oder mit blossem gestempelten Papier das gar keinen innern Gehalt hat] und“. 5 H: (Cassirer): “wahres Gold”. 1 A: „Vorstellungen“.

weggewischt, und der Schleier, womit die Eigenliebe unsere moralischen Gebrechen verdeckt, abgerissen werden; weil der Schein da b e t r ü g t, wo man durch das, was ohne allen moralischen Gehalt ist, die Tilgung seiner Schuld, oder gar, in Wegwerfung desselben 2, die Überredung, nichts schuldig zu sein, sich vorspiegelt, z.B. wenn die Bereuuung der Übeltaten am Ende des Lebens für wirkliche Besserung, oder vorsetzliche Übertretung als menschliche Schwachheit, vorgemalt wird.3 VON DEN FÜNF SINNEN4 § 135. Die S i n n l i c h k e i t im Erkenntnisvermögen (das Vermögen der Vorstellungen in der An[[BA 46>>schauung) enthält zwei Stücke: den S i n n und die E i n b i l d u n g s k r a f t.-Das erstere ist das Vermögen der Anschauung in der Gegenwart des Gegenstandes, das zweite auch ohne die Gegenwart desselben. – Die Sinne aber werden wiederum in die ä u s s e r e n und den i n n e r e n Sinn (sensus internus) eingeteilt; der erstere ist der, wo der menschliche Körper durch körperliche Dinge, der zweite, wo er durchs Gemüt affiziert wird; wobei zu merken ist, dass der letztere, als blosses Wahrnehmungsvermögen (der empirischen Anschauung), vom G e f ü h l der Lust und Unlust, d. i. der Empfänglichkeit des Subjekts 6, durch gewisse Vorstellungen zur Erhaltung oder Abwehrung des Zustandes dieser Vorstellungen bestimmt zu werden, verschieden gedacht wird, den man den i n w e n d i g e n Sinn (sensus interior) nennen könnte. – Eine Vorstellung durch den Sinn, deren man sich als einer solchen bewusst ist, heisst besonders S e n s a t i o n, wenn die Empfindung zugleich Aufmerksamkeit auf den Zustand des Subjekts erregt. § 141. Man kann zuerst die Sinne der Körperemphndung in den der V i t a l e m p f i n d u n g (sensus vagus), und die der O r g a n e m p f i n d u n g (sensus fixus), und, da sie insgesamt nur da, wo Nerven sind, angetroffen werden, in diejenigen einteilen, welche das ganze System der Nerven, oder nur den zu einem gewissen Gliede des Körpers gehörenden Nerven affizieren.– Die Empfindung der W ä r m e und K ä l t e, selbst die, welche durchs Gemüt erregt wird (z.B. durch schnell wachsende Hoffnung oder Furcht), gehört zum V i t a l s i n n. Der S c h a u e r, der denMenschen selbst [[BA 47>> bei der Vorstellung des Erhabenen überläuft, und das G r ä u s e l n, womit Ammenmärchen in später Abendzeit die Kinder zu Bette jagen, sind von der letzteren Art; sie durchdringen den Körper, so weit als in ihm Leben ist. Der Organsinne aber können füglich nicht mehr oder weniger als fünf aufgezählt werden, so fern sie sich auf äussere Empfindung beziehen. D r e i derselben aber sind mehr objektiv als subjektiv, d. i. sie tragen, als empirische A n s c h a u u n g, mehr zur E r k e n n t n i s des äusseren Gegenstandes bei, als sie das Bewusstsein des affizierten Organs rege machen; – zwei aber sind mehr subjektiv als objektiv, d. i.2 die Vorstellung durch dieselbe ist mehr die des G e n u s s e s, als der Erkenntnis des äusseren Gegenstandes; daher über die erstere man sich mit anderen leicht einverständigen kann, in Ansehung der letzteren aber, bei einerlei äusserer empirischer 2

Cassirer: „Wegwerfung derselben“. Am Rand von H: „Nicht bei Sinnen sein, unbesonnen verfahren. // Von der L e i c h t i g k e i t etwas zu tun (promptitudo) Von der subjektiven N o t w e n d i g k e i t etwas zu tun (habitus) F e r t i g k e i t. Die mechanische Leichtigkeit die von der Übung abhängt ist von der dynamischen welche objektiv ist untersehieden. Die Tugend ist nicht Fertigkeit sondern Stärke.“ 4 4 H: „Von den [zum Erkenntnisvermögen gehörenden Sinnen] fünf Sinnen“. 5 Akad.-Ausg.: „§ 15“. 6 H: „des [Vorstellungsvermögens] Subjekts“. 1 Akad.-Ausg.: „§ 16“. 2 H: „d. i. [sie bewegen mehr die blosse Lebensempfindung des Subjekts (ein Organ affiziert zu wissen) als dass sie zum Erkenntnis des affizierenden Gegenstandes und seiner Beschaffenheit etwas beitrügen. Daher können sich in Ansehung der ersteren Menschen sehr wohl einverständigen statt dessen über die Sinnesempfindung der letzteren man gemeiniglich weit aus einander ist sie]“. 3

Anschauungund Benennung des Gegenstandes, die Art, wie das Subjekt sich von ihm affiziert fühlt, ganz verschieden sein kann.1 Die Sinne von der ersteren Klasse sind 1) der der B e t a s t u n g (tactus), 2) 2 des G e s i c h t s (visus), 3) des G e h ö r s (auditus).-Von der zweiten a) des G e s c h m a c k s (gustus), b) des G e r u c h s (olfactus); insgesamt lauter Sinne der Organempfindung, gleichsam so vieler äusserer, von der Natur für das Tier zum Unterscheiden der Gegenstände zubereiteten, Eingänge. [[BA 48>> VOM SINNE DER BETASTUNG § 153. Der Sinn der Betastung liegt4 in den Fingerspitzen und den Nervenwärzchen (papillae) derselben, um durch die Berührung der Oberfläche eines festen Körpers die Gestalt desselben zu erkundigen. – Die Natur scheint allein dem Menschen dieses Organ angewiesen zu haben, damit er durch Betastung von allen Seiten sich einen Begriff von der Gestalt eines Körpers machen könne; denn die Fühlhörner der Insekten scheinen nur die Gegenwart desselben, nicht die Erkundigung der Gestalt zur Absicht zu haben. – Dieser Sinn ist auch der einzige von u n m i t t e l b a r e r äusserer 5 Wahrnehmung; eben darum auch der wichtigste und am sichersten belehrende, dennoch aber der gröbste: weil die Materie fest sein muss, von deren Oberfläche der Gestalt nach wir durch Berührung belehrt werden sollen. (Von der Vitalempfindung, ob die Oberfläche sanft6 oder unsanft, viel weniger noch, ob sie warm oder kalt anzufühlen sei, ist hier nicht die Rede.) – Ohne diesen Organsinn würden wir uns von einer körperlichen Gestalt gar keinen Begriff machen können, auf deren Wahrnehmung 7 also die beiden andern Sinne der erstern Klasse8 ursprünglich bezogen werden müssen, um Erfahrungserkenntnis zu verschaffen. VOM GEHÖR § 161. Der Sinn des Gehärs ist einer der Sinne von bloss m i t t e l b a r e r Wahrnehmung.2 – Durch die Luft, die une umgibt, und vermittelst derselben, wird ein entfernter Gegenstand in grossem Umfange erkannt, und durch eben3 dieses Mittel, welches durch das Stimmorgan, den Mund, in Bewegung gesetzt wird, können4 sich Menschen am [[BA 49>> leichtesten und vollständigsten mit andern in Gemeinschaft der Gedanken und Empfindungen bringen, vornehmlich wenn die Laute, die jeder den anderen hören lässt, artikuliert sind, und in ihrer gesetzlichen Verbindung durch den Verstand eine Sprache ausmachen. – Die Gestalt des Gegenstandes wird durchs Gehör nicht gegeben, und die Sprachlaute führen nicht unmittelbar zur Vorstellung5 desselben, sind aber eben darum, und weil sie an sich nichts, wenigstens keine Objekte, sondern allenfalls nur innere Gefühle bedeuten, die6 geschicktesten Mittel der Bezeichnung der Begriffe, und Taubgeborne, die eben darum auch stumm (ohne Sprache) bleiben müssen, können nie zu etwas Mehrerem, als einem A n a l o g o n der Vernunft gelangen. 1

Am Rand von H: „Von dem Sinn des Gesichts ohne Farbe und des Gehörs ohne Musik“. Zusatz von B, doch auch schon in H. 3 Akad.- Ausg.: „§ 17“. 4 A: „Er liegt“. 5 A: „der u n m i t t e l b a r e n äusseren“. 6 A: „ob sie sanft“. 7 H (Cassirer): „auf dessen Wahrnehmungen“. 8 Zusatz von B. 1 Akad.-Ausg.: „§ 18“. 2 A: „Dieser Sinn ist einer von den bloss m i t t e l b a r e n Wahrnehmungen.“ 3 Zusatz von B. 4 A: „Mittel,.dessen Gebrauch durch ... Mund, geschieht, können“. 5 H: „führen [an sich] nicht unmittelbar [zum Begriffe] zur Vorstellung“. 6 A: „nichts bedeuten, ausser allenfalls innere Gefühle, nicht Objekte, die“. 2

Was aber den Vitalsinn betrifft, so wird dieser durch M u s i k, als ein regelmässiges Spiel von Empfindungen des Gehörs, unbeschreiblich lebhaft und mannigfaltig nicht bloss bewegt, sondern auch gestärkt, welche also gleichsam eine Sprache blosser Empfindungen (ohne alle Begriffe) ist. Die Laute sind hier Töne, und dasjenige fürs Gehör, was die Farben fürs Gesicht sind; eine Mitteilung der Gefühle 7 in die Ferne in einem Raume umher, an alle, die sich darin befinden, und ein gesellschaftlicher Genuss, der dadurch nicht vermindert wird, dass viele an ihm teilnehmen.8 VON DEM SINN DES SEHENS § 171. Auch das Gesicht ist ein2 Sinn der m i t t e l b a r e n Empfindung durch eine nur für ein gewisses Organ (die A u g e n) empfindbare bewegte Materie, durch L i c h t 3, [[BA 50>> welches nicht, wie der Schall, bloss eine wellenartige Bewegung eines flüssigen Elements ist, die sich im Raume umher nach allen Seiten verbreitet, sondern eine Ausströmung, durch welche ein Punkt für das Objekt im Raume bestimmt wird4, und vermittelst dessen uns das Weltgebäude in einem so unermesslichen Umfange bekannt wird, dass, vornehmlich bei selbstleuchtenden Himmelskörpern, wenn wir ihre Entfernung mit unseren Massstäben hier auf Erden vergleichen, wir über der Zahlenreihe ermüden, und dabei fast mehr Ursache haben, über die zarte Empfindsamkeit dieses Organs in Ansehung der Wahrnehmung so geschwächter Eindrücke zu erstaunen, als über die Grösse des Gegenstandes (des Weltgebäudes), vornehmlich wenn man die Welt im kleinen, so wie sie uns vermittelst der Mikroskopien vor Augen gestellt wird, z. B. bei den Infusionstierchen, dazu nimmt. – Der Sinn des Gesichts ist, wenn gleich nicht unentbehrlicher als der des Gehörs, doch der edelste; weil er sich unter allen am meisten von dem der Betastung, als der eingeschränktesten Bedingung der Wahrnehmungen, entfernt, und nicht 5 allein die grösste Sphäre derselben im Raume enthält, sondern auch sein Organ am6 wenigsten affiziert fühlt (weil es sonst nicht blosses7 Sehen8 sein würde), hiemit also einer r e i n e n A n s c h a u u n g (der unmittelbaren Vorstellung des gegebenen Objekts ohne beigemischte merkliche Empfindung) näher kommt. *** Diese drei äussern Sinne leiten durch Reflexion das Subjekt zum Erkenntnis des Gegenstandes als eines Din[[BA 51>>ges ausser uns. – Wenn aber die Empfindung so stark wird, dass das Bewusstsein der Bewegung des Organs stärker wird, als das der Beziehung 1 auf ein äusseres Objekt, so werden äussere2 Vorstellungen in innere verwandelt3. – Das Glatte oder Rauhe im Anfühlbaren bemerken 4 ist ganz was anderes, als die Figur des äusseren Körpers dadurch erkundigen. Eben so: wenn das Sprechen anderer so stark ist, dass einem, wie man sagt, die Ohren davon wehtun, oder wenn jemand, welcher5 aus einem dunkeln 7

H: „und eine Mitteilung der [Empfindungen] Gefühle“. Am Rand von H: „Vom Gefühl der Muskeln des Mundes bei Stummen“. 1 Akad.-Ausg.: „§ 19“. 2 A: „Gleichfalls ein“. 3 H: „Materie, das L i c h t“. 4 A: „welches eine Ausströmung ist, nicht, wie der Schall, bloss eine wellenartige Bewegung des unendlich gröberen Flüssigen (der Luft), welche sich im Raume... verbreitet, sondern dadurch ein Punkt für das Objekt in demselben bestimmt wird“. 5 H: „und [so damit unendlich mehr Stoff zum Denken hergibt] nicht“. 6 A: „auch das Organ sich am“; H: „auch das Organ am“. 7 H (Cassirer): „nicht ein blosses“. 8 B3: „S e h e n”. 1 H: „der [objektiven Vorstellung] Beziehung“. 2 H: „werden [es Sinne der Vitalempfindung und die] äussere“. 3 H: „innere [und Organempfindungen] verwandelt“. 4 H: „im Anfühlen bemerken“. 5 A: „wenn der, welcher“. 8

Gemach in den hellen Sonnenschein tritt, mit den Augen blinzelt6, so wird der letzte7 durch zu starke oder plötzliche Erleuchtung auf einige Augenblicke blind, der erste8 durch kreischende Stimme taub, d. i. beide können vor der Heftigkeit der Sinnesempfindung nicht zum Begriff vom Objekt kommen, sondern ihre Aufmerksamkeit ist bloss an die subjektive Vorstellung, nämlich die Veränderung9 des Organs, geheftet.10 VON DEN SINNEN DES GESCHMACKS UND DES RIECHENS11 § 1812. Die Sinne des Geschmacks und des Geruchs sind beide mehr13 subjektiv als objektiv; der erstere in14 der B e r ü h r u n g des Organs der Z u n g e, des S c h l u n d e s und der G a u m e n durch den äusseren Gegenstand, der zweite durch 1 Einziehung der mit der Luft vermischten fremden Ausdünstungen, wobei der Körper, der sie ausströmt, selbst vom Organ entfernt sein kann2. Beide sind einander nahe verwandt, und wem der Geruch mangelt, der hat jederzeit nur einen stumpfen Geschmack. – Man3 kann sagen, dass beide durch S a l z e (fixe und flüchtige), deren die [[B 52>> eine [[A 52>> durch die Flüssigkeit im Munde, die andere durch die Luft aufgelöst sein müssen, affiziert werden, welche in4 das Organ eindringen müssen, um diesem ihre5 spezifische Empfindung6 zukommen zu lassen. ALLGEMBINE ANMERKUNG ÜBER DIE ÄUSSERN SINNE § 19.7 Man kann die Empfindungen der äussern Sinne in8 die des m e c h a n i s c h e n und des c h e m i s c h e n Einflusses einteilen. Zu den mechanisch einfliessenden gehören die drei obersten, zu denen von chemischem Einfluss die zwei niedern Sinne. Jene sind Sinne der W a h r n e h m u n g (oberflächlich), diese des G e n u s s e s (innigste Einnehmung).- Daher kommt es, dass der E k e l, ein Anreiz, sich des Genossenen durch den kürzesten Weg des Speisekanals zu entledigen (sich zu erbrechen), als eine so starke Vitalempfindung den Menschen beigegeben worden, weil jene innigliche Einnehmung dem Tier gefährlich werden kann. Weil es aber auch einen G e i s t e s g e n u s s gibt, der in der Mitteilung der Gedanken besteht, das Gemüt aber diesen, wenn er uns aufgedrungen wird, und doch als Geistes-Nahrung für uns nicht gedeihlich ist, widerlich findet2 (wie z.B. die Wiederholung 6

A: „blinzert“. A: „der eine“. 8 A: „der andere“. 9 A: „an der subjektiven Vorstellung, nämlich der Veränderung“. 10 Am Rand von H: „Leichtsinnig, der ohne zu untersuchen etwas statuiert // Leichtgläubig, der auf anderer [Nachricht ohne] Zeugnis ohne Untersuchung trauet // Ungläubisch der auf kein Zeugnis Glauben setzt. // Gläubiger (creditor) der auf das Versprechen eines andern Vertrauen setzt. Die Gläubigen sind die so ein wirkliches oder vermeintes Versprechen eines Wesens was nicht betrügen kann vertraut. // Abergläubisch (superstitios.) der was er sich selbst verspricht für das Geschenk eines anderen hält“. 11 H: „Von den Sinnen des Schmeckens und Riechens“. 12 Akad.-Ausg.: „§ 20“. 13 A: „Beide sind mehr“. 14 A: „erstere (des Geschmacks) in“; H: „erstere (des Schmeckens) in“. 1 A: „zweite (des R i e c h e n s) auch in der E n t f e r n u n g zu empfinden, durch“. 2 Zusatz von B. 3 H: „Geschmack. – [Keiner von beiden Sinnesarten führt für sich allein zum Erkenntnis des Gegenstandes wenn man nicht einen anderen Sinn zu Hülfe ruft z.B.] Man“. 4 A: „werden und in“; H: „werden und [welche] in“. 5 A: „um jeder ihre“. 6 B3: „Empfindungen“. 7 Zusatz von B; Akad.-Ausg.: „§ 21“. 8 A: „kann dieser ihre Empfindungen in“. 2 Zusatz von B. 7

immer einerlei witzig oder lustig sein sollender Einfälle uns selbst durch diese Einerleiheit ungedeihlich werden kann), so wird der Instinkt der Natur, seiner los1 zu werden, der Analogie wegen, gleichfalls Ekel genannt; ob er gleich zum2 inneren Sinn gehört. [[BA 53>> G e r u c h ist gleichsam ein Geschmack in der Ferne, und andere werden gezwungen, mit zu geniessen, sie mögen wollen oder nicht, und darum ist er, als der Freiheit zuwider, weniger gesellig als der Geschmack, wo, unter vielen Schüsseln oder Bouteillen, der Gast Eine nach seiner Behaglichkeit wählen kann, ohne dass andere genötigt werden, davon mit zu geniessen. – Schmutz scheint nicht sowohl durch das Widrige fürs Auge und die Zunge, als vielmehr durch den davon zu vermutenden Gestank, Ekel zu erwecken. Denn die Einnehmung durch den Geruch (in die Lungen) ist noch inniglicher, als die durch die einsaugenden Gefässe des Mundes, oder des Schlundes.3 Je stärker die Sinne, bei eben demselben Grade des auf sie geschehenen Einflusses, sich a f f i z i e r t fühlen, desto weniger l e h r e n sie. Umgekehrt: wenn sie viel lehren sollen, müssen sie mässig affizieren. Im stärksten Licht s i e h t (unterscheidet) man nichts, und eine stentorisch angestrengte Stimme b e t ä u b t (unterdrückt das Denken). Je empfänglicher der Vitalsinn für Eindrücke ist (je zärtlicher und empfindlicher), desto unglücklicher ist der Mensch4; je empfänglicher für den Organsinn (empfindsamer), dagegen abgehärteter für den Vitalsinn der Mensch ist, desto 5 glücklicher ist er; – ich sage glücklicher, nicht eben moralisch-besser; – denn er hat das Gefühl seines Wohlseins mehr in seiner Gewalt. Die Empfindungsfähigkeit aus S t ä r k e (sensibilitas sthenica) kann man zarte E m p f i n d s a m k e i t, die aus S c h w ä c h e des Subjekts, dem Eindringen der Sinneneinflüsse ins Bewusstsein6 nicht hinreichend widerstehen zu können, [[B 54>> d. i. wider Willen darauf zu attendieren, zärtliche E m p f i n d l i c h k e i t (sensi [[A 54>>bilitas asthenica) nennen7. FRAGEN § 20.1 Welcher Organsinn ist der undankbarste und scheint auch der entbehrlichste zu sein ? Der des G e r u c h s. Es belohnt nicht, ihn zu kultivieren, oder wohl gar zu verfeinern, um zu geniessen; denn es gibt mehr Gegenstände des Ekels (vornehmlich in volkreichern Örtern), als der Annehmlichkeit, die er verschaffen kann, und der Genuss durch diesen Sinn kann immer auch nur flüchtig und vorübergehend sein, wenn er vergnügen soll. – Aber als negative Bedingung des Wohlseins, um nicht schädliche Luft (den Ofendunst, den Gestank der Moräste und Äser2) einzuatmen, oder auch faulende Sachen zur Nahrung zu brauchen, ist dieser Sinn nicht unwichtig.3 – Eben dieselbe Wichtigkeit hat auch der zweite Genusssinn, nämlich4 der Sinn des Geschmacks, aber mit dem ihm eigentümlichen Vorzuge, dass dieser die Geselligkeit im Geniessen befördert, was der vorige nicht tut, überdem auch, dass er schon bei der Pforte des Eingangs der Speisen in den Darmkanal die Gedeihlichkeit derselben zum voraus beurteilt; denn diese ist mit der Annehmlichkeit in diesem Genusse, als einer ziemlich sicheren Vorhersagung der letzteren, wohl verbunden, wenn Üppigkeit und Schwelgerei den 1

A: „ihrer los“. H: „gleich nur zum“. 3 Am Rand von H: „pica“. 4 Zusatz von B. 5 A: „Organsinn, dagegen ... Mensch ist (empfindsamer), desto“. 6 H: „[in die Lebenskraft] ins Bewusstsein“. 7 A: „können (sensi[[A 54>>bilitas asthenica), d. i. ... E m p f i n d l i c h k e i t nennen“. 1 Zusatz von B; Akad.-Ausg.: „§ 22“. 2 A: „Ofendunst, die der Moräste und Anger verfaulter Tiere“. 3 Am Rand von H: „Der Geruch lässt sich nicht beschreiben sondern nur durch Ähnlichkeit mit einem andern Sinn (wie Musik mit Farbenspiel) z. B. des Geschmacks vergleichen z. B. das riecht sauer, süss fäulig – Anhauchen des Tonschiefers“. 4 H: „zweite S i n n e n g e n u s s nämlich“. 2

Sinn nur nicht verkünstelt hat. – Worauf der Appetit bei Kranken fällt, das pflegt ihnen auch gemeiniglich, gleich einer Arznei, gedeihlich zu sein. – Der Geruch der Speisen ist gleichsam ein Vorgeschmack, und5 der Hungrige wird durch den [[B 55>> Geruch [[A 55>> von beliebten Speisen zum Genusse eingeladen, so wie der Satte dadurch abgewiesen wird.6 Gibt es ein Vikariat der Sinne, d. i. einen1 Gebrauch des einen Sinnes, um die Stelle eines andern zu vertreten? Dem T a u b e n kann man, wenn er nur sonst h a t hören können, durch die Gebärdung, also durch die Augen desselben, die gewohnte Sprache ablocken; wozu auch die Beobachtung der Bewegung seiner Lippen gehört, ja durch das Gefühl der Betastung bewegter Lippen im Finstern kann eben dasselbe geschehen. Ist er aber taub geboren, so muss der Sinn des S e h e n s aus der Bewegung der Sprachorgane die Laute, die man ihm bei seiner Belehrung abgelockt hat, in ein F ü h l e n der eigenen Bewegung der Sprachmuskeln desselben verwandeln; wiewohl er dadurch nie zu wirklichen Begriffen kommt, weil die Zeichen, deren er dazu bedarf, keiner Allgemeinheit fähig sind. – Der Mangel eines musikalischen Gehörs, obgleich das bloss physische unverletzt ist, da das Gehör zwar Laute aber nicht Töne vernehmen, der Mensch also zwar sprechen aber nicht singen kann, ist eine schwer zu erklärende Verkrüppelung; so wie es Leute gibt, die sehr gut s e h e n, aber keine Farben unterscheiden können, und denen alle Gegenstände wie im Kupferstich erscheinen. Welcher Mangel oder Verlust eines Sinnes ist wichtiger, der des Gehörs oder des Gesichts ? – Der erstere ist, wenn er angeboren wäre, unter allen am wenigsten ersetzlich; ist er aber nur später, nachdem der Gebrauch der Augen, es sei zu Beobachtung des Gebär[[BA 56>>denspiels, oder, noch mittelbarer, dureh Lesung einer Schrift schon kultiviert worden, erfolgt: so kann ein solcher Verlust, vornehmlich bei einem Wohlhabenden 2, noch wohl notdürftig durchs Gesicht ersetzt werden. Aber ein im Alter Taubgewordener vermisst dieses Mittel des Umgangs gar sehr, und, so wie man viele Blinde sieht, welche gesprächig, gesellschaftlich und an der Tafel fröhlich sind, so wird man schwerlich einen, der sein Gehör verloren hat, in Gesellschaft anders als verdriesslich, misstrauisch und unzufrieden antreffen. Er sieht in den Mienen der Tischgenossen allerlei Ausdrücke von Affekt, oder wenigstens Interesse, und zerarbeitet sich vergeblich, ihre Bedeutung zu erraten, und ist also selbst mitten in der Gesellschaft zur1 Einsamkeit verdammt. *** § 21.2 Noch gehört zu den beiden letzteren Sinnen (die mehr subjektiv als objektiv sind) eine Empfänglichkeit für gewisse Objekte äusserer Sinnenempfindungen 3 von der besonderen Art, dass sie bloss subjektiv sind und auf die Organe des Riechens und Schmeckens durch einen Reiz würken, der doch weder Geruch noch Geschmack ist, sondern als die Einwirkung gewisser fixer Salze, welche die Organe 4 zu spezifischen A u s l e e r u n g e n reizen, gefühlt wird; daher denn diese Objekte nicht eigentlich genossen5 und in die 5

A: „Der Geruch ist g1eichsam ein Geschmack in der Ferne, und“. Am Rand von H: „Vikariat. // Einteilung – Anthropologische Elementarlehre. Exposition und Methodenlehre Charakteristik ... Element.lehre. Vom [der Sinnlichkeit und dem Verstand] Erkenntnisvermögen dem Gefühl der Lust und Unl. und Begehrungsvermögen. – Alles dieses sinnlich oder intellektuell. Vom sinnlichen Erk. Verm. 1. Von den Sinnen 2. der Einbild.kraft. Annehnilichkeit die sich aufdringt a – Musik b. Geruch. // Curiosus ist der begierig ist Seltenheiten zu erfahren oder auch zu besitzen für Curiose // Zu starkes Licht oder Geschrei macht blind und taub d. i. man kann nicht Begriffe vom Objekte bekommen // Ob nicht wirklich noch ein 6ter Sinn nämlich in Ansehung des Geschlechts anzunehmen (papagei) der Kuss ist ein Genuss zwischen beiden Geschlechtern Die Umarmung derer von demselben Geschlecht oder der kleinen noch stammelnden Kinder blosser Liebeserguss. Analogie“. 1 H: „[Was] ist das Gibt es ein Vikariat der Sinne, d. i. [der] einen“. 2 H: „Wohlhabenden [sehr wohl ersetzlich. ziemlich zu ersetzen. Ein Blindgeborner oder in der Folge dazu gewordener vermisst nach gernde seinen Verlust nicht sonderlich,]“. 1 A: „ist, was den Umgang betrifft, zur“. 2 Zusatz von B; Akad.-Ausg.: „§ 23“. 3 H: „gewisse äussere Sinnenempfindungen“. 4 H: „welche diese Organen“. 5 A: „gefühlt aber nicht genossen“. 6

Organe i n n i g s t aufgenommen werden, sondern nur sie berühren und bald darauf weggeschafft werden sollen; eben dadurch aber den ganzen Tag hindurch (die Essenszeit und den Schlaf ausgenommen) ohne Sättigung können gebraucht werden. – Das gemeinste Material derselben istder Tobak, es sei [[B 57>> ihn zu schnupfen, oder ihn in den Mund zwischen der Backe und dem Gaumen zur Reizung des Speichels [[A 57>> zu legen6, oder auch ihn durch Pfeifenröhre, wie7 selbst das spanische Frauenzimmer in Lima durch einen angezündeten Zigarro, zu r a u c h e n. Statt des Tobaks bedienen sich die Malaien im letzteren Fall der Arekanuss in ein Betelblatt gewickelt (Betelarek), welches eben dieselbe Wirkung tut. – Dieses G e l ü s t e n (pica), abgesehen von dem medizinischen Nutzen oder Schaden, den die Absonderung des Flüssigen in beiderlei Organen zur Folge haben mag, ist, als blosse Aufreizung des Sinnengefühls überhaupt, gleichsam ein oft wiederholter Antrieb der Rekollektion der Aufmerksamkeit 1 auf seinen Gedankenzustand, der sonst einschläfern, oder durch Gleichförmigkeit und Einerleiheit langweilig sein würde; statt dessen jene Mittel sie immer stossweise wieder aufwecken. Diese Art der Unterhaltung des Menschen mit sich selbst vertritt die Stelle einer Gesellschaft; indem es die Leere der Zeit statt des Gespräches mit immer neu erregten Empfindungen und schnell vorbeigehenden2, aber immer wieder erneuerten, Anreizen ausfüllt. VOM3 INNEREN SINN § 224. Der innere Sinn ist nicht die reine Apperzeption, ein Bewusstsein dessen, was der Mensch t u t, denn dieses gehört zum Denkungsvermögen, sondern was er l e i d e t, wiefern er5 durch sein eignes Gedankenspiel affiziert wird. Ihm liegt die innere Anschauung, folglich das Verhältnis der Vorstellungen in der Zeit (so wie sie darin zugleich oder nach einander sind) zum Grunde. [[BA 58>> Die Wahrnehmungen desselben und die durch ihre Verknüpfung zusammengesetzte (wahre oder scheinbare) innere Erfahrung ist nicht bloss 6 a n t h r o p o l o g i s c h, wo man nämlich davon absieht, ob der Mensch eine Seele (als besondere unkörperliche Substanz) habe oder nicht, sondern psychologisch, wo man eine solche in sich wahrzunehmen glaubt, und das Gemüt, welches7 als blosses Vermögen zu empfinden und zu denken vorgestellt ist, als besondere im Menschen wohnende Substanz angesehen wird. – Da gibt es alsdann nur Einen8 inneren Sinn; weil es nicht verschiedene Organe sind, durch welche der Mensch sich innerlich empfindet, und man könnte sagen, die Seele ist das Organ des inneren Sinnes, von dem nun gesagt wird, dass er auch T ä u s c h u n g e n unterworfen ist, die darin bestehen, dass der Mensch die Erscheinungen desselben entweder für äussere Erscheinungen, d. i. Einbildungen für Empfindungen nimmt, oder aber gar für Eingebungen hält1, von denen ein anderes Wesen, welches doch kein Gegenstand äusserer Sinne ist, die Ursache sei: wo die Illusion alsdann S c h w ä r m e r e i, oder auch G e i s t e r s e h e r e i und beides B e t r u g 2 des inneren Sinnes ist. In beiden Fällen ist es G e m ü t s k r a n k h e i t: der Hang, das Spiel der Vorstellungen des inneren Sinnes für

A: „(odcr auch im Munde zwischen der Backe und den Gaumen zu Reizung des Speichels [[A 57>> zu legen)“. H (Cassirer): „durch Pfeifen oder wie“. 1 H: „seiner Aufmerksamkeit“. 2 H (Cassirer): „vergehenden“. 3 A: „Anhang. Vom“. 4 A: „§ 19!; Akad.-Ausg.: „§ 24“. 5 A: “wie er“. 6 H: „[eigentlich] [rein] bloss“. 7 A: „wo man ein solches in sich wahrzunehmen und statt des Gemüts, welches“. 8 H: „[einen] Einen“. 1 A: „die entweder darin bestehen, dass der Mensch Erscheinungen desselben für solche hält“. 2 H: „alsdann unvorsetzlich. ist und S c h w ä r m e r e i heisst oder auch absichtlich gekünstelt wird um mit solchen Wesen in vermeinte Gemeinschaft zu kommen und alsdann G e i s t e r s e h e r e i und Betrug“. 6

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Erfahrungserkenntnis anzunehmen, da es doch nur eine Dichtung3 ist; oft auch4 sich selbst mit einer gekünstelten Gemütsstimmung hinzuhalten, vielleicht weil5 man sie für heilsam und über die Niedrigkeit der Sinnenvorstellungen erhaben hält, und mit darnach geformten Anschauungen (Träumen im Wachen) sich zu6 hintergehen. – Denn nach gerade hält der Mensch das, was er sich selbst vorsetzlich ins Gemüt [[B 59>> hineingetragen hat, für etwas, das schon vorher in demselben gelegen hätte, und glaubt, das, was7 er sich selbst auf[[A 59>>drang, in den Tiefen seiner Seele nur entdeckt zu haben. So war es mit den schwärmerisch-reizenden inneren Empfindungen einer B o u r i g n o n, oder den schwärmerisch- schreckenden eines P a s c a l bewandt. Diese Verstimmung des Gemüts kann nicht füglich durch vernünftige Vorstellungen (denn was vermögen die wider vermeinte Anschauungen ?) gehoben werden. Der Hang, in sich selbst gekehrt zu sein, kann, samt den daher kommenden Täuschungen des inneren Sinnes, nur dadurch in Ordnung gebracht werden, dass der Mensch in die äussere Welt, und hiemit in die Ordnung der Dinge, die den äusseren Sinnen vorliegen, zurückgeführt wird1. [[BA 60>> VON2 DEN URSACHEN DER VERMEHRUNG ODER VERMINDERUNG DER SINNENEMPFINDUNGEN DEM GRADE NACH § 233. Die Sinnenempfindungen werden dem Grade nach vermekrt durch 1) den Kontrast, 2) die Neuigkeit, 3) den Wechsel4, 4) die Steigerung5. a. DER KONTRAST A b s t e c h u n g (Kontrast) ist die Aufmerksamkeit erregende Nebeneinanderstellung einander widerwärtiger S i n n e s v o r s t e l l u n g e n unter einem und demselben Begriffe. Sie ist vom Widerspruch unterschieden, welcher in der Verbindung einander widerstreitender B e g r i f f e besteht.-Ein wohlgebautes 6 Stück Landes in einer Sandwüste h e b t die Vorstellung des ersteren durch den blossen Kontrast; wie die7 angeblich paradiesischen Gegenden in der Gegend von Damaskus in Syrien. – Das Geräusch und der Glanz eines Hofes oder auch nur einer grossen Stadt, neben dem stillen, einfältigen und doch zufriedenen Leben des Landmanns, ein Haus unter einem Strohdach, inwendig mit geschmackvollen und bequemen Zimmern anzutreffen, belebt die Vorstellung und man weilet gern dabei; weil die Sinne dadurch gestärkt werden. – – Dagegen Armut und Hoffart, prächtiger Putz einer Dame, die mit Brillanten umschimmert und deren Wäsche unsauber [[BA 61>> ist, – oder, wie ehemals bei einem polnischen Magnaten, verschwenderisch besetzte Tafeln und dabei zahlreiche Aufwärter, aber in Bastschuhen, stehen nicht im Kontrast, sondern im Widerspruch, und eine Sinnenvorstellung vernichtet oder schwächt die andere, weil sie unter 3

H: „eine absichtliche Dichtung“. Zusatz von B. 5 H: „Gemütsstimmung weil“. 6 H: „Wachen) zu“. 7 A: „nach gerade glaubt der Mensch das, was ... hat, als schon vorher in demselben belegen, und was“. 1 A: „nur durch Versetzung in die äussere Welt... vorliegen, ins Gleis gebracht werden“; am Rand von H: „NB Oben vom animus sui compos der alle Gemütsveränderungen in seiner Gewalt hat. // Von stumpfen schwachen blöden Sinnen – Gefühl der Mattigkeit und Stärke Sagazität der Hunde Spüren <Spähen?>. – Der Alte glaubt sich wohl au befinden indern die Vitalempfindung schwach wird – Blinde unterscheiden Farben des Gefühls Scharfe Sinne zum Wahrnehmen, zarte zum Unterscheiden.“ 2 A: „Dritter Abschnitt. Von“. 3 Zusatz von B; Akad.-Ausg.: „§ 25”. 4 A:“Sie sind 1) der Kontrast, 2) die Neuigkeit, 3) der Wechsel“. 5 H: „[die Vollendung] die Steigerung“. 6 H (Cassirer): „wohlangebautes“. 7 A: „daher die“. 4

einem und demselben Begriffe das Entgegengesetzte vereinigen will, welches unmöglich ist. -- Doch kann man auch k o m i s c h kontrastieren und einen augenscheinlichen Widerspruch im T o n der Wahrheit1, oder etwas offenbar Verächtliches in der Sprache der Lobpreisung vortragen, um die Ungereimtheit noch fühlbarer zu machen, wie F i e l d i n g in seinem Jonathan Wild dem Grossen, oder B l u m a u e r in seinem travestierten Virgil, und z.B. einen herzbeklemmenden Roman, wie Clarissa, lustig und mit Nutzen parodieren, und so die Sinne stärken, dadurch, dass man sie vom Widerstreite befreit, den falsche und schädliche Begriffe ihnen beigemischt haben. b. DIE NEUIGKEIT Durch das N e u e, wozu auch das Seltene und das verborgen Gehaltene gehört, wird die A u f m e r k s a m k e i t belebt. Denn es ist Erwerb; die Sinnenvorstellung gewinnt also dadurch mehr Stärke. Das A l l t ä g i g e oder G e w o h n t e löscht sie aus. Doch ist darunter nicht die Entdeckung, Berührung oder öffentliche Ausstellung eines Stücks des A l t e r t u m s zu verstehen, wodurch2 eine Sache vergegenwärtigt wird, von der man, nach dem natürlichen Lauf der Dinge, hätte vermuten sollen, dass die Gewalt der Zeit sie längst ver[[B 62>>nichtet hätte3. [[A 62>> Auf einem Stück des Gemäuers des alten Theaters der Römer (in Verona oder Nimes) zu sitzen, einen Hausrat jenes Volks aus dem alten, nach viel Jahrhunderten unter4 der Lava entdeckten, Herculanum5 in Händen zu haben, eine Münze makedonischer Könige, oder eine Gemme von der alten Skulptur vorzeigen zu können u.d.g., weckt die Sinne des Kenners zur grössten Aufmerksamkeit 1. Der Hang zur Erwerbung einer Kenntnis, bloss ihrer Neuigkeit, Seltenheit und Verborgenheit halber, wird die K u r i o s i t ä t genannt. Diese Neigung, ob sie zwar nur mit Vorstellungen spielend, und sonst ohne Interesse an ihrem Gegenstande ist, wenn sie nur nicht auf Ausspähung dessen geht, was eigentlich nur andere interessiert, ist nicht zu tadeln. – Was aber den blossen Sinneindruck 2 betrifft, so macht jeder Morgen bloss durch die N e u i g k e i t seiner Empfindungen alle Vorstellungen der Sinne (wenn diese nur sonst nicht krankhaft sind) klärer und belebter, als sie gegen Abend zu sein pflegen3. c. DER WECHSEL M o n o t o n i e (völlige Gleichförmigkeit in Empfindungen) bewirkt endlich A t o n i e derselben (Ermattung der Aufmerksamkeit auf seinen Zustand), und die Sinnenempfindung wird geschwächt. Abwechselung frischt sie auf; so wie eine in ebendemselben Tone, es sei geschriene oder mit gemässigter aber gleichförmiger Stimme abgelesene Predigt die ganze Gemeine4 in Schlaf bringt. – Arbeit und Ruhe, Stadt- und Landleben, im Umgange Unterredung und Spiel, in der Einsamkeit Unterhaltung, [[BA 63>> bald mit Geschichten, bald mit Gedichten, einmal mit Philosophie und dann mit Mathematik, stärken das Gemüt. – 1

H: „einen Widerspruch im Ton der Wahrheitslehre“. H: „verstehen, [denn die kann neu genug sein und der Seltenheit wegen imgleichen der Verborgenheit wegen darin sie liegen Die Attention) wodurch“. 3 A: „wird, welche, nach ... Dinge, vom Zahn der Zeit längst au/gezehrt zu sein vermutet wurde“. 4 A: „alten, viel Jahrhunderte unter“. 5 H: „bedeckten Herculanum“. 1 H: „Aufmerksamkeit auf [Man nennt die Neigung solche Seltenheiten zu sehen die K u r i o s i t ä t; wiewohl auch diejenige das Geheimgehaltene bloss darum weil es geheim gehalten wird auszuforschen mit diesem Namen benennt wird aber alsdann eine unechte genannt zu werden verdient.]“ Am Rand von H: „Monotonie, Disharmonie und Atonie des Empfindungsvermögens. // Steigern <Steigen ? > mit d. Dosis // Die Angewohnheit macht sie notwendig“. 2 B3: „Sinneneindruck“. 3 A: „seiner (übrigens nicht schon krankhaften) Empfindungen alle Sinnenvorstellungen klärer und belebender, als es gegen Abend geschieht“. 4 H: „Gemeinde“. 2

Es ist eben dieselbe Lebenskraft, welche das Bewusstsein der Empfindungen rege macht; aber die verschiedenen Organe derselben lösen einander in ihrer Tätigkeit ab. So ist es leichter, sich eine geraume Zeit im G e h e n zu unterhalten 1, weil da ein Muskel (der Beine) mit dem anderen in der Ruhe w e c h s e l t, als steif auf einer und derselben Stelle stehen zu bleiben, wo einer unabgespannt eine Weile wirken muss. – Daher ist das Reisen so anlockend; nur schade, dass es bei müssigen2 Leuten eine L e e r e (die Atonie), ah die Folge von der Monotonie des häuslichen Lebens, zurücklässt. Die Natur hat es nun zwar schon selbst so geordnet, dass sich zwischen angenehmen und den Sinn unterhaltenden Empfindungen der Schmerz ungerufen einschleicht und so das Leben interessant macht. Aber absichtlich, der Abwechselung wegen, ihn beizumischen und sich wehe zu tun, sich aufwecken zu lassen, um das erneuerte Einschlafen recht zu fühlen, oder, wie in F i e l d i n g s Roman (der F i n d l i n g) ein Herausgeber dieses Buchs nach des Verfassers Tode3 noch einen letzten Teil hinzufügte, um, der 4 Abwechselung halber, in die Ehe (womit die Geschichte schloss) noch5 Eifersucht hineinzubringen, ist abgeschmackt; denn die Verschlimmerung eines Zustandes ist nicht Vermehrung des Interesse, welches die Sinne daran nehmen; selbst nicht in einem Trauerspiel. Denn Beendigung ist nicht Abwechselung. [[BA 64>> d. DIE STEIGERUNG BIS ZUR VOLLENDUNG Eine kontinuierliche Reihe dem6 Grade nach v e r s c h i e d e n e r auf einander folgender Sinnesvorstellungen hat7, wenn die folgende immer stärker ist als die vorhergehende, ein Äusserstes der A n s p a n n u n g (intensio), dem sich zu nähern e r w e c k e n d, es zu überschreiten wiederum a b s p a n n e n d ist (remissio). In dem Punkte aber, der beide Zustände trennt, liegt Vo l l e n d u n g (maximum) der Empfindung, welche Unempfindlichkeit8, mithin Leblosigkeit, zur Folge hat. Will man das Sinnenvermögen lebendig erhalten, so muss man nicht von den starken Empfindungen anfangen (denn die machen uns gegen die folgenden unempfindlich), sondern sie sich lieber anfänglich versagen und sich kärglich zumessen, um immer höher steigen zu können. Der Kanzelredner fängt in der Einleitung mit einer kalten Belehrung des Verstandes an, die zu Beherzigung eines Pflichtbegriffs hinweiset, bringt hernach in die Zergliederung seines Textes ein moralisches Interesse hinein, und endigt in der Applikation mit Bewegung aller Triebfedern der menschlichen Seele durch die Empfindungen, welche jenem Interesse Nachdruck geben können. Junger Mann ! versage dir die Befriedigung 1 (der Lustbarkeit, der Schwelgerei, der Liebe u.d.g.), wenn auch nicht in der stoischen Absicht, ihrer gar entbehren zu wollen, sondern in der feinen epikurischen, um einen immer noch wachsenden Genuss im Prospekt zu haben. [[BA 65>> Dieses Kargen mit der Barschaft deines Lebensgefühls macht dich durch den A u f s c h u b des Genusses wirklich reicher, wenn du auch dem Gebrauch derselben am Ende des Lebens grossenteils entsagt haben solltest. Das Bewusstsein, den Genuss in deiner Gewalt zu haben, ist, wie alles Idealische, fruchtbarer und weiter umfassend, als alles, was den Sinn dadurch befriedigt, dass es hiemit zugleich verzehrt wird, und so von der Masse des Ganzen abgeht. 1

H (Cassirer): „zu erhalten“. H: „es müssigen“. 3 A: „und jenes seinem Tode“. 4 A: „um in demselben, der“. 5 Zusatz von B. 6 H: „Reihe [zweckmässig geordneter] dem“. 7 H: „Sinnes-Vorstellungen [welche ein Ganzes ausmachen soll erweckt durch den Schluss und das Ende die Sinne am meisten ist] hat“. 8 A: „a b s p a n n e n d (remissio), in dem Punkte... trennt, V o l l e n d u n g ... Empfindung ist und Unempfindlichkeit“. 1 H: „dir Befriedigungen der Sinne“. 2

VON DER2 HEMMUNG, SCHWÄCHUNG UND DEM GÄNZLICHEN VERLUST DES SINNENVERMÖGENS § 233. Das Sinnenvermögen kann geschwächt, gehemmt, oder gänzlich uufgehoben werden. Daher die Zustände der Trunkenheit, des Schlafs, der Ohnmacht, des Scheintodes (Asphyxie) und des wirklichen Todes.4 Die Trunkenheit ist der widernatürliche Zustand des Unvermögens, seine Sinnenvorstellungen nach Erfahrungsgesetzen zu ordnen, so fern er die Wirkung eines übermässig genommenen Geniessmittels ist.1 Der Schlaf ist, der Worterklärung nach, ein Zustand des Unvermögens eines gesunden Menschen, sich der Vorstellungen durch äussere2 Sinne bewusst werden zu können. Hiezu die3 Sacherklärung zu finden, bleibt den Physiologen überlassen; welche diese Abspannung, die doch zugleich eine Sammlung der Kräfte4 zu erneuerter äusseren Sinnenempfindung ist (wodurch sich der Mensch gleich als neugeboren in der Welt sieht, und 5 womit wohl ein Dritteil unserer Lebenszeit unbewusst (und unbedauret dahin geht), – wenn sie können, erklären mögen.6 Der widernatürliche Zustand einer Betäubung der Sinnwerkzeuge 1, welche einen geringeren Grad der Aufmerksamkeit auf sich selbst als im natürlichen zur Folge hat, ist ein Analogon der Trunkenheit, daher der aus [[A 66>> einem festen Schlaf schnell Aufgeweckte schlaftrunken genannt wird. – Er hat noch nicht seine völlige Besinnung. – Aber auch im Wachen kann eine plötzlich jemanden anwandelnde Verlegenheit, sich zu besinnen, was man in einem unvorhergesehenen Falle zu tun habe, als Hemmung 2 des ordentlichen und gewöhnlichen Gebrauchs seines Reflexionsvermögens, einen Stillstand im Spiel der Sinnenvorstellungen hervorbringen, bei dem man sagt: er ist aus der Fassung gebracht, ausser sich, (vor Freude oder Schreck) p e r p l e x, v e r d u t z t, v e r b l ü f f t, hat den T r a m o n t 2

H: „Von [dem Aufhören der Sinnenempfindung] der“. A: „§ 20”; Akad.-Ausg.: „§ 26”. 4 A: „Der Zustand des Menschen ist hiebei der des Schlafs, oder der Trunkenheit, oder der Ohnmacht und des wahren oder des Scheintodes.“ 1 Der voranstehende Abschnitt fehlt in A an dieser Stelle; ein ähnlich lautender Text findet sich am Anfang des dortigen § 22 (A 70 f.). 2 H: „ä u s s e r e“. 3 H: „Aber die“. 4 A: „Kräftensammlung“. 5 H: „sieht [und der Morgen ihm alles gleich als neu vorstellig macht] und“. 6 H: „erklären mögen* [** Wenn man ohne irgend eine bekannte Ursache sich beim Zubettegehen schläfrig aber doch schlaflos findet so wird man bei ruhiger Aufmerksamkeit auf seine körperliche Empfindung etwas Spastisches so wohl in Muskeln der Füsse als auch so gar im Gehirn wahrnehmen und im Augenblicke des Einschlafens eine Abspannung fühlen welche[s] eine sehr angenehme Empfindung ist. – Dass das Wachen ein Zustand der Anspannung und Zusammenziehung aller Fasern sei ist auch an dem Phänomen zu ersehen dass Rekruten welche nachdem sie eben aus dem Schlafe geweckt worden und aufstehend gemessen werden etwa um einen halben Zoll länger befunden werden um welches Mass sie doch kürzer befunden werden wenn,sie in ihrem Bette eine Zeitlang wachend gelegen haben. // Der Schlaf ist nicht bloss ein B e d ü r f n i s der Abspannung erschöpfter Kräfte sondern auch ein Genuss der Behaglichkeit im Anfange so woh ! (der Einschläferung) als auch beim Ende desselben (dem Erwachen). Mit diesem aber so wie mit allem Genusse ist es notwendig sparsam zu sein weil er die Empfindungsfähigkeit mit ihr aber auch die Lebenskraft [schwächt] erschöpft. – Es ist hiemit wie mit dem Mass der Speisen in der Vorstellungsart des Mohammedaners bewandt wo es heisst dass einem jeden Menschen schon bei seiner Geburt zugewogen worden wie viel er essen soll. Isst er viel so hat er seine Portion bald aufgezehrt und stirbt frühe: speiset er mässig so hat er lange zu essen also auch zu leben.-Eben das könnte man auch vom Schlaf sagen- wer in jüngeren aber doch männlichen Jahren viel schläft wird im Alter wenig Schlaf haben welches ein trauriges Schicksal ist – Die Kalmücken geben es für schändlich aus im Tage zu schlafen und die Siesta, der Spanier gibt keinen sonderlichen Begriff von ihrer Rüstigkeit.“ 1 H: „Sinnen[empfin]werkzeuge“. 2 H: „H e m m u n g“. 3

a n o*4 verloren u.d.g., und dieser Zustand ist wie ein augenblicklich anwandelnder Schlaf,der eines S a m m e l n s seiner Sinnenempfindungen bedarf, anzusehen. Im heftigen plötzlich erregten Affekt (des Schrecks, des Zorns, auch wohl der Freude) ist der Mensch, wie man sagt, a u s s e r s i c h, (in einer E c s t a s i s, wenn man sich in einer Anschauung, die nicht die der Sinne ist, begriffen zu sein glaubt) seiner selbst nicht mächtig und für den Gebrauch äusserer Sinne einige3 Augenblicke gleichsam gelähmt. [[B 67, A 75>> § 241. Die Ohnmacht, welche auf2 einen Schwindel (einen schnell im Kreise wiederkehrenden und die Fassungskraft übersteigenden Wechsel vieler ungleichartigen Empfindungen) zu folgen pflegt, ist ein Vorspiel von dem Tod 3. Die gänzliche Hemmung dieser insgesamt ist Asphyxie, oder der Scheintod, welcher, so viel man äusserlich wahrnehmen kann, nur durch den Erfolg van dem wahren zu unterscheiden ist (wie bei Ertrunkenen, Gehenkten, im Dampf Erstickten). Das S t e r b e n kann kein Mensch an sichselbsterfahren (denn eine Erfahrung zu machen, dazu gehört Leben), sondern nur an andern wahrnehmen 4. Ob es schmerzhaft sei, ist aus dem Röcheln, oder den Zuckungen des Sterbenden nicht zu beurteilen; vielmehr seheint es eine bloss mechanische Reaktion der Lebenskraft, und vielleicht eine sanfte Empfindung des allmählichen Freiwerdens von allem Schmerz zu sein. – Die allen Menschen, selbst den Unglücklichsten oder auch dem Weisesten, natürliche Furcht vor dem Tod ist also nicht ein Grauen vor dem Sterben5, sondern, wie Montaigne richtig sagt, vor dem Gedanken g e s t o r b e n (d. i. tot) z u s e i n; den also der Kandidat des Todes nach dem Sterben noch zu haben vermeint, indem er das Kadaver, was nicht mehr er selbst ist, doch als sich selbst im düstern Grabe, oder irgend sonst wo denkt. – Die Täuschung ist hier nicht zu heben; denn sie liegt in der Natur des Denkens, als eines Sprechens zu und von sich selbst. Der Gedanke: i c h b i n n i c h t, kann gar nicht e x i s t i e r e n; denn bin ich nicht, so kann ich mir auch nicht bewusst6 werden, dass ich nicht bin. Ich kann wohl sagen, ich bin nicht [[B 68, A 76>> gesund, u.d.g. P r a e d i c a t a von mir selbst verneinend denken (wie es bei allen Verbisgeschieht); aber in der ersten Person s p r e c h e n d das Subjekt selbst v e r n e i n e n, wobei alsdann dieses sich selbst vernichtet, ist ein Widerspruch. [[A 67>> VON1 DER EINBILDUNGSKRAFT § 252. Die Einbildungskraft (facultas imaginandi), als ein Vermögen der Anschauungen auch ohne Gegenwart des Gegenstandes, ist entweder p r o d u k t i v, d. i. ein Vermögen der ursprünglichen Darstellung des letzteren (exhibitio originaria), welche also vor der Erfahrung vorhergeht; oder r e p r o d u k t i v, der abgeleiteten (exhibitio *

T r a m o n t a n o oder Tramontana heisst der Nordstern; und perdere la tramontana, der Nordstern (als Leitstern der Seefahrer) verlieren, heisst aus der Fassung kommen, sich nicht zu finden wissen. 4 A: „T r a m o n t a n o ist ein beschwerlicher Nordwind in Italien, so wie S i r o c c o ein noch schlimmerer Südostwind. – Wenn nun ein junger, ungeübter Mann in eine über seine Erwartung glänzende Gesellschaft (vornehmlich von Damen) tritt, so gerät er leicht in Verlegenheit, wovon er zu sprechen anfangen sol1e. Nun wäre es unschicklich mit einer Zeitungsnachricht den Anfang zu machen; denn man sieht nicht, was ihn gerade darauf gebracht hat. Da er aber eher von der Strasse kommt, so ist das schlimme Wetter das beste Einleitungsmittel und wenn er sich auch auf dieses (z. B. den Nordwind) nicht besinnt, so sagt der Italiener: „er hat den Nordwind verloren“.“ 3 H: „Sinne [unfähig und so gleichsam trunken für dieselbe] einige“. 1 A: „§ 21”; Akad.-Ausg.: „§ 27”; der ganze § steht in A nicht an dieser Stelle, sondern erst im Anschluss an den dortigen § 22 (A 75 f.; nach der Zählung von B § 26); in H folgt (nach der Zählung von B) auf den § 23 zunächst nicht der § 25, sondern der § 26 und im Anschluss daran die §§ 24, 25, 27. 2 H: „Ohnmacht und der Tod, deren die erstere“. 3 H: „Vorspiel vom letzteren d. i. dem Aufhören aller Empfindung obzwar noch nicht die Ursache des letzteren“. 4 H: „nur aus Erfahrungen an anderen vermuten“. 5 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „S t e r b e n“. 6 H: „nicht [denken, dass ich ni] bewusst“. 1 A: „Der Sinnlichkeit im Erkenntnisvermögen Zweites Kapitel. Von“. 2 A: „§ 21”; Akad.-Ausg.: „§ 28”.

derivativa),welche eine vorher gehabte empirische Anschauung ins Gemüt zurückbringt. – Reine Raumes- und Zeitanschauungen gehören zur erstern Darstellung; alle übrige setzen empirische Anschauung voraus, welche, wenn sie mit dem B e g r i f f e vom Gegenstande verbunden und also empirisches Erkenntnis wird, E r f a h r u n g heisst. – Die Einbildungskraft, so fern sie auch unwillkürlich Einbildungen hervorbringt, heisst P h a n t a s i e. Der, welcher diese für (innere oder äussere) Erfahrungen zu halten gewohnt ist, ist ein P h a n t a s t. – Im S c h l a f (einem Zustande der Gesundheit) ein unwillkürliches Spiel seiner Einbildungen zu sein, heisst t r ä u m e n.3 [[B 69>> Die4 Einbildungskraft ist (mit andern Worten) entweder d i c h t e n d (produktiv), oder bloss z u r ü c k r u [[A 68>> f e n d (reproduktiv). Die produktive aber ist dennoch darum eben nicht s c h ö p f e r i s c h, nämlich nicht vermögend, eine Sinnenvorstellung, die vorher unserem Sinnesvermögen nie gegeben war, hervorzubringen, sondern man kann den Stoff zu derselben immer nachweisen. Dem, der unter den sieben Farben die r o t e nie gesehen hätte, kann man diese Empfindung nie fasslich 5 machen, dem Blindgebornen aber gar keine; selbst nicht die Mittelfarbe, die aus der Vermischung zweier hervorgebracht wird; z. B. die grüne. Gelb und Blau, mit einander gemischt, geben Grün; aber die Einbildungskraft würde nicht die mindeste Vorstellung von dieser Farbe, ohne sie vermischt g e s e h e n zu haben, hervorbringen. Eben so ist es mit jedem besonderen aller fünf Sinne bewandt, dass nämlich die Empfindungen aus denselben in ihrer Zusammensetzung nicht durch die Einbildungskraft können gemacht, sondern ursprünglich dem Sinnesvermögen abgelockt werden müssen. Es hat Leute gegeben, die für die Lichtsvorstellung keinen grösseren Vorrat in ihrem Sehevermögen hatten, als Weiss oder Schwarz1, und für die, ob sie gleich gut 2 sehen konnten, die sichtbare Welt nur wie ein Kupferstich erschien. Eben so gibt es mehr Leute, als man wohl glaubt, die von gutem, ja sogar äusserst feinem, aber schlechterdings nicht musikalischem Gehör sind, deren Sinn für Töne, nicht bloss um sie nachzumachen (zu singen), sondern auch nur vom blossen Schall zu unterscheiden, ganz unempfänglich ist. – Eben so mag es mit den Vorstellungen 3 des Geschmacks [[B 70>> und Geruchs bewandt sein, dass nämlich für manche spezifische Empfindungen dieser Stoffe des Genusses der [[A 69>> Sinn mangelt, und einer den anderen hierüber zu verstehen glaubt, indessen dass die Empfindungen des einen von denen des anderen nicht bloss dem Grade nach, sondern spezifisch ganz und gar unterschieden sein mögen. – Es gibt Leute, denen der Sinn des Geruchs gänzlich mangelt, die die Empfindung des Einziehens der reinen Luft durch die Nase für Geruch halten, und daher aus allen Beschreibungen, die man ihnen von dieser Art zu empfinden machen mag, nicht klug werden können; wo aber der Geruch mangelt, da fehlt es auch sehr am Geschmack, den, wo er nicht ist, zu lehren und beizubringen vergebliche Arbeit ist4. Der Hunger aber und die Befriedigung desselben (die Sättigung)5 ist ganz was anders als der Geschmack6.

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H: „heisst phantasieren heisst t r ä u m e n [d. i. bei der Unempfindlichkeit aller äusseren Sinnenwerkzeuge ein analogisch mit den Erfahrungsgesetzen unwillkürliches Spiel der Einbildungen erleiden wiewohl auch derjenige welcher im Wachen dem Hange unterworfen ist Phantasien unter die Erfahrungen zu mengen und sie damit zu verschmelzen ein Träumer genannt wird.]“ 4 A: „Einteilung. Die“. 5 H: „[begreiflich] fasslich“. 1 H (Cassirer): „weiss und schwarz“. 2 H: „gleich recht gut“. 3 H: „[Empfindungen] Vorstellungen“. 4 H: „beizubringen unmöglich ist“. 5 Zusatz von B. 6 A: „Geschmack und die Sättigung“; H: „der Hunger aber die Befriedigung desselben ist ganz was anderes alsder Geschmack“.

Wenn also gleich die1 Einbildungskraft eine noch so grosse Künstlerin, ja Zauberin ist, so ist sie doch nicht schöpferisch, sondern muss den S t o f f zu ihren Bildungen von den Sinnen hernehmen. Diese aber sind, nach den eben gemachten 2 Erinnerungen, nicht so allgemein mitteilbar, als die Verstandesbegriffe. Man nennt aber (wiewohl nur uneigentlich) auch die Empfänglichkeit für Vorstellungen der Einbildungskraft in der Mitteilung bisweilen einen Sinn und sagt: Dieser Mensch hat hiefür keinen S i n n, ob es zwar eine Unfähigkeit nicht des Sinnes, sondern zum Teil des Verstandes ist, mitgeteilte Vorstellungen aufzufassen und im Denken zu vereinigen. Er denkt3 selbst nichts bei dem, was er spricht, und andere verstehen ihn daher auch nicht; er spricht [[B 71>> U n s i n n (non sense4); welcher Fehler noch von dem S i n n l e e r e n unterschieden 5 ist, wo Gedanken so zusam[[A 70>>men gepaart werden, dass ein anderer nicht weiss, was er daraus machen soll. Dass das Wort Sinn6 (aber nur im Singular) so häufig für Gedanken 7 gebraucht, ja wohl gar eine noch höhere Stufe, als die des Denkens ist, bezeichnen soll; dass8 man von einem Ausspruche sagt: es liege in ihm ein reichhaltiger oder tiefer S i n n (daher das Wort Sinnspruch), und dass man9 den gesunden Menschenverstand auch Gemeinsinn nennt, und ihn9, obzwar dieser Ausdruck eigentlich nur die niedrigste Stufe vom Erkenntnisvermögen bezeichnet, doch obenan 10 setzt, gründet sich darauf: dass die Einbildungskraft, welche dem Verstande Stoff unterlegt, um den Begriffen desselben Inhalt (zum Erkenptnisse) zu verschaffen, vermöge der Analogie ihrer (gedichteten) Anschauungen mit wirklichen Wahrnehmungen, jenen9 Realität zu verschaffen scheint. § 2611. Die Einbildungskraft* zu erregen oder zu besänftigen gibt es ein körperliches Mittel in dem Genusse berauschender Geniessmittel; deren1 einige als Gifte die Lebenskraft s c h w ä c h e n d (gewisse Schwämme, [[B 72>> Porsch, wilder Bärenklau, das Chicha der Peruaner und das Ava der Südseeindianer, das Opium), andere sie s t ä r k e n d, wenigstens ihr Gefühl erhebend (wie gegorne Getränke, Wein und Bier, oder dieser ihr geistiger Auszug, Branntwein), alle aber widernatürlich und gekünstelt sind. Der, welcher sie in solchem A: „Ob also die”. H: „[vorgetragenen] gemachten”. 3 H: „[versteht] denkt”. 4 H (Cassirer): „nonsense”. 5 B1,2: „unterscheiden”. 6 H: „[der Ausdruck] das Wort S i n n”. 7 H (Cassirer): „Gedanke”. 8 A: „Gedanken, ja wohl noch als eine noch höhere Stufe wie die des Denkens ist, gebraucht wird, dass”. 9 Zusatz von B. 9 Zusatz von B. 10 H: „[über] oben an”. 9 Zusatz von B. 11 Akad.-Ausg.: „§ 29”. * Ich übergehe hier, was nicht Mittel zu einer Absicht, sondern natürliche Folge aus der Lage ist, darein jemand gesetzt wird, und wodurch bloss seine Einbildungskraft ihn ausser Fassung bringt. Dahin gehört der S c h w i n d e l beim Herabsehen vom Rande einer steilen Höhe (allenfalls auch nur einer schmalen Brücke ohne Geländer), und die S e e k r a n k h e i t. Das Brett, worauf der sich schwach fühlende Mensch tritt, würde, wenn es auf der Erde läge, ihm keine Furcht einjagen; wenn es aber, als ein Steg, über [[Anm. B 72, A 71>> einen tiefen Abgrund gelegt ist, vermag der Gedanke von der blossen Möglichkeit fehl zu treten so viel, dass er bei seinem Versuche wirklich in Gefahr kommt. Die Seekrankheit (von welcher ich selbst in einer Fahrt von Pillau nach Königsberg eine Erfahrung gemaeht habe, wenn man anders dieselbe eine Seefahrt nennen will), mit ihrer Anwandlung zum Erbrechen, kam, wie ich bemerkt zu haben glaube, mir bloss durch die Augen; da, beim Schwanken des Schiffs aus der Kajüte gesehen, mir bald das Hass, bald die Höhe von Balga in die Augen fiel und das wiederkommende Sinken, nach dem Steigen, vermittelst der Einbildungskraft durch die Bauchmuskeln eine antiperistaltische Bewegung der Eingeweide reizte. 1 A: „Von gewissen körperlichen Mitteln der Erregung oder Besänftigung der Einbildungskraft.* § 22. T r u n k e n h e i t ist der widernatürliche Zustand des Unvermögens, seine Sinnenvorstellungen nach Er[[A 71>>fahrungsgesetzen zu ordnen, so fern jenes die Wirkung eims dazu absichtlich genommenen Geniessmittels ist; deren e (vgl. S. 463 Anm. i u. S. 465 Anm. 1 des vorliegenden Bandes). 1 2

Übermasse2 zu sich nimmt, dass er die Sinnenvorstellungen nach Erfahrungsgesetzen zu ordnen auf eine Zeitlang unvermögend wird2' heisst t r u n k e n, oder b e r a u s c h t; 2 und sich willkürlich oder absichtlich in diesen Zustand versetzen heisst sich b e r a u s c h e n 3. Alle diese Mittel aber sollen dazu dienen, den Menschen die Last, die ursprünglich im Leben überhaupt zu liegen scheint4, vergessen zu machen. Die sehr ausgebreitete Neigung und der Einfluss desselben5 auf den Verstandesgebrauch verdient vorzüglich in einer pragmatischen Anthropologie6 in Betrachtung gezogen zu werden Alle s t u m m e Berauschung, d. i. diejenige, welche die Geselligkeit und wechselseitige Gedankenmitteilung [[B 73, A 72>> nicht belebt, hat etwas Schändliches an sich; dergleichen die vom Opium und dem Branntwein ist. Wein und Bier, wovon der erstere bloss reizend, das zweite mehr nährend und, gleich einer Speise, sättigend ist, dienen zur geselligen Berauschung; wobei doch der Unterschied ist, dass die Trinkgelage mit dem letzteren mehr träumerisch verschlossen, oft auch ungeschliffen, die aber mit dem ersteren fröhlich, laut und mit Witz redselig sind. Die Unenthaltsamkeit im gesellschaftlichen Trinken, die bis zur Benebelung der Sinne geht, ist allerdings eine Unart des Mannes, nicht bloss in Ansehung der Gesellschaft, mit der man sich unterhält, sondern auch in Absicht auf die Selbstschätzung, wenn er aus ihr taumelnd, wenigstens nicht sicheren Tritts, oder bloss lallend herausgeht. Aber es lässt sich auch vieles zur Milderung des Urteils über ein solches Versehen, da die Grenzlinie des Selbstbesitzes so leicht übersehen und ü b e r s c h r i t t e n werden kann, anführen; denn der Wirt will doch, dass der Gast durch diesen Akt der Geselligkeit völlig befriedigt (ut conviva satur1) herausgehe. Die Sorgenfreiheit und mit ihr auch wohl die Unbehutsamkeit, welche der Rausch bewirkt, ist ein täuschendes Gefühl vermehrter Lebenskraft; der Berauschte fühlt nun nicht die Hindernisse des Lebens, mit deren überwältigung die Natur unablässig zu tun hat (worin auch die Gesundheit besteht), und ist2 glücklich in3 seiner Schwäche, indem die Natur wirklich in ihm bestrebt ist, durch allmähliche Steigerung seiner Kräfte sein Leben stufenweise wieder herzustellen. Weiber, Geistliche und Ju[[B 74, A 73>>den betrinken gewöhnlich sich nicht, wenigstens vermeiden sie sorgfältig allen Schein davon, weil sie bürgerlich4 schwach sind und Zurückhaltung nötig haben (wozu durchaus Nüchternheit erfordert wird). Denn ihr äusserer Wert beruht bloss auf dem G l a u b e n anderer an ihre Keuschheit, Frömmigkeit und separatistische1 Gesetzlichkeit. Denn was das letztere betrifft, so sind alle Separatisten, d. i. solche, die sich nicht bloss einem öffentlichen Landesgesetz, sondern noch einem besonderen (sektenmässig) unterwerfen, als Sonderlinge und vorgeblich Auserlesene, der Aufmerksamkeit des Gemeinwesens und der Schärfe der Kritik vorzüglich ausgesetzt; können also auch in der Aufmerksamkeit auf sich selbst nicht nachlassen, weil der Rausch, der diese Behutsamkeit wegnimmt, für sie ein S k a n d a l ist.2 2

Zusatz von B. Zusatz von B. 2 Zusatz von B. 3 A: „und tut er es absichtlich, b e t r u n k e n”. 4 H: „[liegt] zu liegen scheint”. 5 Akad.-Ausg.: „derselben”. 6 H: „verdient [allein] vorzüglich in einer [philosophischen Untersuchung der Natur des Menschen gezogen zu werden] pragmatischen Anthropologie”. 1 Übersetzung des Herausgebers: „als befriedigter Gast”. 2 H: „und [dünkt sich] ist”. 3 H: „glücklich [und mutvoll] in”. 4 H (Akad.-Ausg.): „b ü r g e r l i c h”. 1 H: „und [haushälterische Ordnung beruht, diese drei Stücke aber nicht handgreiflich wahrzunehmen sind) separatistische”. 2 Am Rand von H: „Die Einbildungskraft ist entweder schöpferisch (produktiv) oder wiedererzeugend (reproduktiv). Die letztere bedarf des Gesetzen der Assoziation der Vorstellungen Die bezeichnende ist willkürlich zur Absicht der Reproduktion assoziierende. In Ansehung der Zeit ist sie die zurücksehende die apprehendierende und die vorhersehende Einbildungskraft”. 2

Vom C a t o sagt3 sein stoischer Verehrer: seine Tugend stärkte sich durch Wein (virtus eius incaluit mero), und von den alten Deutschen ein Neuerer: „Sie fassten ihre Ratschläge (zu Beschliessung eines Krieges) beim Trunk, damit sie nicht ohne Nachdruck wären, und überlegten sie nüchtern, damit sie nicht ohne Verstand wären”. Der Trunk löst die Zunge (in vino disertus 4). Er öffnet aber auch das Herz und ist ein materiales5 Vehikel einer moralischen Eigenschaft, nämlich der Offenherzigkeit. Das Zurückhalten mit seinen Gedanken ist für ein lauteres Herz ein beklemmender Zustand, und lustige Trinker dulden es auch nicht leicht, dass jemand bei einem Gelage sehr müssig sei; weil er einen Aufmerker vorstellt, der auf die Fehler der anderen Acht hat, [[B 75, A 74>> mit seinen eigenen aber zurückhält. Auch sagt H u m e: „unangenehm ist der Gesellschafter der nicht vergisst; die Torheiten des einen Tages müssen vergessen werden, um denen des anderen Platz zu machen”. Gutmütigkeit wird bei dieser Erlaubnis, die der Mann hat, der geselligen Freude wegen über die Grenzlinie6 der Něchternheit ein wenig und auf kurze Zeit hinauszugehen, vorausgesetzt; die vor einem halben Jahrhundert im Schwang gewesene Politik, als nordische Höfe Gesandte abschickten1, die2 viel trinken konnten, ohne sich zu betrinken, andere aber betrunken machten, um sie auszuforschen oder zu bereden, war hinterlistig3; ist aber mit der Rohigkeit der Sitten damaliger Zeit verschwunden, und eine Epistel der Warnung wider dieses Laster möchte wohl in Ansehung der gesitteten Stände jetzt überflüssig sein. Ob man beim Trinken auch wohl das Temperament des Menschen, der sich betrinkt, oder seinen Charakter erforschen könne ? Ich glaube nicht. Es ist ein neues Flüssige seinen in den Adern umlaufenden Säften beigemischt, und ein anderer Reiz auf die Nerven, der nicht die n a t ü r l i c h e Temperatur deutlicher e n t d e c k t, sondern eine andere hineinbringt. Daher wird der eine4, der sich betrinkt, verliebt, der andere grosssprecherisch, der dritte zänkisch werden5, der vierte (vornehmlich beim Bier) sich weichmütig oder andächtig oder gar stumm zeigen6; alle aber werden, wenn sie den Rausch ausgeschlafen haben, und man sie an ihre Reden des vorigen Abends erinnert, über diese wunderliche Stimmung oder Verstimmung ihrer Sinne selber lachen.7 [[B 76>> § 27.8 Die Originalität (nicht nachgeahmte Produktion) der Einbildungskraft, wenn sie zu Begriffen zusammenstimmt, heisst G e n i e; stimmt sie dazu nicht zusammen, S c h w ä r m e r e i.-Es ist merkwürdig, dass wir uns für ein v e r n ü n f t i g e s Wesen keine andere schickliche Gestalt, als die eines Menschen denken können. Jede andere würde allenfalls wohl ein Symbol von einer gewissen Eigenschaft des Menschen z. B. die Schlange als Bild der boshaften Schlauigkeit aber nicht das vernünftige Wesen selbst vorstellig machen. So bevölkern wir alle andere Weltkörper in unserer Einbildung mit lauter Menschengestalten, obzwar es wahrscheinlich ist, dass sie, nach Verschiedenheit des Bodens, der sie trägt und ernährt, und der Elemente, daraus sie bestehen, sehr verschieden gestaltet sein mögen. Alle andere Gestalten, die wir ihnen geben möchten, sind F r a t z e n.* 3

A: „sagte”. Übersetzung des Herausgebers: „beim Wein ist man beredt”. 5 H: „materielles”. 6 H: „[Schranken] Grenzlinie”. 1 A: „abzuschicken”. 2 H: „Politik an nordische Gesandte abzuschicken die”. 3 H: „[schelmisch] hinterlistig”. 4 A: „einer”. 5 Zusatz von B. 6 H: „sich zärtlich oder andächtig zeigen”. 7 Vgl. S. 465 Anm. 1 des vorliegenden Bandes 8 Zusatz von B; Akad.-Ausg.: „§ 30.” * Daher die h e i l i g e D r e i, ein alter Mann, ein junger Mann und ein Vogel (die Taube), nicht als wirkliche ihrem Gegenstande ähnliche Gestalten, sondern nur als Symbole vorgestellt werden müssen. Eben das bedeuten die bildlichen Ausdrücke des Herabkommens vom Himmel und Aufsteigens zu demselben. Wir können, um unseren Begriffen von vernünftigen Wesen Anschauung unterzulegen, nicht anders verfahren, als sie zu 4

[[A 77>> Wenn der Mangel eines Sinnes (z.B. des Sehens) angeboren ist: so kultiviert der Verkrüppelte nach Möglichkeit einen andern Sinn, der das V i k a r i a t für [[B 77>> jenen führe, und übt die produktive Einbildungskraft in grosser Masse; indem er die Formen äusserer Körper durch B e t a s t e n, und, wo dieses, wegen der Grösse (z. B. eines Hauses) nicht zureicht, die G e r ä u m i g k e i t noch durch einen andern Sinn, etwa den des G e h ö r s, nämlich durch den Widerhall der Stimme in einem Zimmer sich 1 fasslich zu machen sucht; am Ende aber, wenn eine glückliche Operation das Organ für die Empfindung frei macht, muę er allererst sehen und hören l e r n e n, d. i. seine Wahrnehmungen unter Begriffe von dieser Art Gegenstände zu bringen suchen. Begriffe von Gegenständen veranlassen oft, ihnen ein selbstgeschaffenes Bild (durch produktive Einbildungskraft) unwillkürlich unterzulegen. Wenn man das Leben und die Taten eines dem Talent, Verdienst, oder Rang nach grossen Mannes liest, oder sich erzählen lässt, so wird man gemeiniglich verleitet, ihm in der Einbildungskraft 2 eine ansehnliche Statur zu geben, und dagegen einem der Beschreibung nach feinen und sanften im Charakter eine kleinlich-geschmeidige Bildung. Nicht bloss der Bauer, sondern auch wohl ein genugsam mit der Welt Bekannter, findet sich doch befremdet1, wenn ihm der Held, den er sich nach den von ihm erzählten Taten [[A 78>> dachte, als ein kleines Männchen, umgekehrt der feine und sanfte H u m e ihm als ein vierschrötiger Mann vorgewiesen wird. Daher muss man auch die Erwartung von etwas nicht hoch spannen, weil die Einbildungskraft natürlicherweise bis zum äussersten zu steigern geneigt2 ist; denn die Wirklichkeit ist immer beschränkter als die Idee, die ihrer Ausführung zum Muster dient.-3 [[B 78>> Es ist nicht ratsam, von einer Person, die man zuerst in eine Gesellschaft einführen4 will, vorher viel Hochpreisens zu machen; vielmehr kann es oft ein boshaftes Stückchen von einem Schalk sein, jene lächerlich zu machen. Denn die Einbildungskraft steigert die Vorstellung von dem, was erwartet wird, so hoch, dass die genannte Person, in Vergleichung mit der vorgefassten Idee, nicht anders als einbüssen kann. Eben das geschieht, wenn man eine Schrift, ein Schauspiel, oder sonst etwas, was zur schönen Manier gehört, mit übertriebener Lobpreisung5 ankündigt; denn da kann es, wenn es zur Darstellung kommt, nicht anders als sinken. Selbst ein gutes Schauspiel nur gelesen zu haben, schwächt schon den Eindruck, wenn man es aufführen sieht. Ist nun aber das vorher Gepriesene gar das gerade Widerspiel von dem, worauf die Erwartung gespannt war, so erregt der auf[[A 87>>geführte Gegenstand, wenn er sonst unschädlich ist, das grösste Gelächter.6 Wandelbare, in Bewegung gesetzte Gestalten, die für sich eigentlich keine Bedeutung haben, welche Aufmerksamkeit erregen könnte, dergleichen das Flackern eines Kaminfeuers, oder die mancherlei Drehungen und Blasenbewegungen eines über Steine rieselnden Bachs sind, unterhalten die Einbildungskraft mit einer Menge von Vorstellungen ganz anderer Art (als die hier des Sehens), im Gemüt zu spielen und sich im 1 Nachdenken zu vertiefen. Selbst Musik, für den der sie nicht als Kenner anhört, kann einen Dichter oder Philosophen in eine anthropomorphosieren; un[[Anm. A 77>>glücklich aber oder kindisch, wenn dabei die symbolische Vorstellung zum Begriffe der Sache an sich selbst erhoben wird. 1 So auch H; A: „Zimmer sie sich”. 2 H: „in der Einbildung”. 1 H: „[betroffen] befremdet”. 2 A: „natürlicherweise im Steigeren bis zum Äussersten geneigt”. 3 Anschliessend folgt in A: „Es ist keine gute Manier, von jemand, den man in eine Gesellschaft zu führen verspricht, übertriebene Lobeserhebungen zu machen. Denn dieser kann nun in der Beurteilung der Gesellschaft nicht anders als sinken und öfters wird auch dieser boshafte Streich absichtlich dazu gebracht, um jemand lächerlich zu machen.” 4 A: „anfführen”. 5 H: „Hochpreisung”. 6 Der voranstchende Abschnitt steht in A nicht an dieser Stelle, sondern erst im dortigen § 24 als dritter Abschnitt hinter den Worten „tun wollen” (A 86 f.). 1 H: „in”.

Stimmung setzen2, darin ein jeder nach seinen Geschäften oder seiner Liebhaberei Gedanken haschen und derselben [[B 79>> auch mächtig werden kann, die er, wenn er in seinem Zimmer einsam sich hingesetzt hätte, nicht so glücklich würde aufgefangen haben. Die Ursache dieses Phänomens scheint darin3 zu liegen: dass, wenn der Sinn durch ein Mannigfaltiges4, was fěr sich gar keine Aufmerk[[A 79>>samkeit erregen kann, vom Aufmerken auf irgend einen andern, stärker in den Sinn fallenden, Gegenstand abgezogen wird, das Denken nicht allein erleichtert, sondern auch belebt wird, so fern es nämlich einer angestrengteren und anhaltendern Einbildungskraft bedarf, um seinen Verstandesvorstellungen Stoff unterzulegen. Der Engl. Zuschauer erzählt von einem Advokaten: dass er gewohnt war, beim Plaidieren einen Bindfaden aus der Tasche zu nehmen, den er unaufhörlich um den Finger auf- und abwickelte; da denn, als der Schalk, sein Gegenadvokat, ihn heimlich aus der Tasche praktizierte, jener ganz in Verlegenheit kam und lauter Unsinn redete, weswegen man sagte: „er habe den Faden seiner Rede verloren”.-Der Sinn, der an einer Empfindung fest gehalten wird, lässt (der Angewöhnung wegen) auf keine andere, fremde Empfindungen Acht geben, wird also dadurch nicht zerstreut; die Einbildungskraft aber kann sich hiebei desto besser5 im regelmässigen Gange erhalten. VON DEM SINNLICHEN DICHTUNGSVERMÖGEN NACH SEINEN VERSCHIEDENEN ARTEN § 286. Es gibt drei verschiedene Arten des sinnlichen Dichtungsvermögens. Diese sind7 das b i l d e n d e der Anschauung im Raum (imaginatio plastica), das [[B 80>> b e i g e s e l l e n d e der Anschauung in der Zeit (imaginatio associans), und das der V e r w a n d t s c h a f t1 aus der gemeinschaftlichen Abstammung der Vorstellungen von einander (affinitas2). [[A 80>> A. VON DEM SINNLICHEN DICHTUNGSVERMÖGEN DER BILDUNG Ehe der Künstler eine körperliche Gestalt (gleichsam handgreiflich) darstellen kann, muss er sie in der Einbildungskraft verfertigt haben, und diese Gestalt ist alsdann eine Dichtung, welche, wenn sie unwillkürlich ist (wie etwa im Traume), P h a n t a s i e heisst, und nicht dem Künstler angehört; wenn sie aber durch Willkür regiert wird, K o m p o s i t i o n, E r f i n d u n g genannt wird. Arbeitet nun der Künstler nach Bildern, die den Werken der Natur ähnlich sind, so heissen seine Produkte n a t ü r l i c h, 3 verfertigt er aber nach Bildern, die nicht in der Erfahrung vorkommen können, so gestaltete Gegenstände (wie der Prinz Palagonia in Sizilien), so heissen sie abenteuerlich, unnatürlich, Fratzengestalten, und solche Einfälle sind gleichsam3 Traumbilder eines Wachenden (velut aegri somnia vanae finguntur species4).- 5Wir spielen oft und gern mit der Einbildungskraft; aher die Einbildungskraft (als Phantasie) spielt eben so oft und bisweilen sehr ungelegen6 auch mit uns. 2

H (Cassirer): „versetzen”. H: „scheint mir darin”. 4 A: „mit einem Mannigfaltigen”. 5 H: „zerstreut und die Einbildungskraft kann sich desto besser”. 6 A: „§ 23”; Akad.-Ausg.: „§ 31”. 7 A: „Sie sind”. 1 H: „das [intellektuelle Dichtungsvermögen] d e r V e r w a n d t s c h a f t”. 2 H: „affinitatis”; Cassirer: „imaginatio aftinitatis”. 3 Zusatz von B. 3 Zusatz von B. 4 Übersetzung des Herausgebers: „wie Träume eines Kranken werden Wahngebilde erdichtet”. 5 Am Rand von H: „[Wir können uns daher kein vernünftiges Wesen [auf schickliche Art] unter keiner anderen Gestalt schicklich denken als der eines Menschen]”. 6 A: „ungern”. 3

[[B 81>> Das Spiel der Phantasie mit dem Menschen im Schlafe ist der Traum, und findet auch im gesunden Zustande statt; dagegen es einen krankhaften Zustand verrät, wenn es im Wachen geschieht. - Der Schlaf, als Abspannung alles Vermögens äusserer Wahrnehmungen und vornehmlich willkürlicher Bewegungen, scheint allen Tieren, ja selbst den Pflanzen (nach der Analogie der letzteren mit den ersteren), zur Sammlung der im Wachen aufgewandten Kräfte notwendig; aber eben das scheint auch der Fall mit den Träumen zu sein, so, dass die Lebenskraft 1, wenn sie im Schlafe nicht durch Träume immer rege erhalten würde, erlöschen und der tiefste [[A 81>> Schlaf zugleich den Tod mit sich führen müsste. - Wenn man sagt: einen festen Schlaf, ohne Träume, gehabt zu haben, so ist das doch wohl nicht mehr, als dass man sich dieser beim Erwachen gar nicht erinnere; welches, wenn die Einbildungen schnell wechseln, einem wohl auch im Wachen begegnen kann, nämlich im Zustande einer Zerstreuung zu sein, wo man auf die Frage, was der mit starrem Blicke eine Weile auf denselben Punkt Geheftete jetzt denke, die Antwort erhält: ich habe nichts gedacht. Würde es nicht beim Erwachen viele Lücken (aus Unaufmerksamkeit übergangene verknüpfende Zwischenvorstellungen) in unserer Erinnerung geben; würden wir die folgende Nacht da wieder zu träumen anfangen, wo wir es in der vorigen gelassen haben: so weiss ich nicht, ob wir nicht uns in zwei verschiedenen Welten zu leben wähnen würden. Das Träumen ist eine weise Veranstaltung der Natur zur Erregung der Lebenskraft durch Affekten, die sich auf unwillkürlich gedichtete Begebenheiten beziehen, indessen dass die auf der [[B 82>> Willkür beruhenden Bewegungen des Körpers, nämlich die der Muskeln, suspendiert sind. - Nur muss man die Traumgeschichten nicht für Offenbarungen aus einer unsichtbaren Welt annehmen. B. VON DEM SINNLICHEN DICHTUNGSVERMÖGEN DER BEIGESELLUNG Das Gesetzder A s s o z i a t i o n 2 ist: empirische Vorstellungen, die nach einander oft folgten, bewirken eine [[A 82>> Angewohnheit im Gemüt, wenn die eine erzeugt wird, die andere auch entstehen zu lassen. - Eine3 physiologische Erklärung hievon zu fordern4, ist vergeblich; man mag sich auch hiezu was immer für1 einer Hypothese bedienen (die selbst wiederum eine Dichtung ist), wie der des Cartesius von seinen sogenannten materiellen Ideen im Gehirn. Wenigstens ist keine dergleichen Erklärung p r a g m a t i s c h, d. i. man kann sie zu keiner Kunstausübung brauchen; weil wir keine Kenntnis vom Gehirn und den Plätzen in demselben haben, worin die Spuren der Eindrücke aus Vorstellungen sympathetisch mit einander in Einklang kommen möchten, in dem sie sich einander (wenigstens mittelbar) gleichsam berühren. Diese Nachbarschaft geht öfters sehr weit, und die Einbildungskraft geht vom Hundertsten aufs Tausendste oft so schnell, dass es scheint, man habe gewisse Zwischenglieder in der Kette der Vorstellungen gar übersprungen, [[B 83>> obgleich man sich ihrer nur nicht bewusst geworden ist, so dass man sich selbst öfters fragen 2 muss: wo war

1

H: „[der Mensch] die Lehenskraft”. H: „[Beigesellung] Assoziation”. 3 H: „lassen. Es ist eine Verknüpfung [aus] der Nachbarschaft. – Eine”. 4 H: „[geben] fordern”. 1 Zusatz von B. 2 H: „sich ofters selbst fragen”. 2

ich ? von wo war ich in meinem Gespräch ausgegangen, und wie bin ich zu diesem Endpunkte gelangt ?*35 C. DAS SINNLICHE DICHTUNGSVERMÖGEN DER VERWANDTSCHAFT Ich verstehe unter der V e r w a n d t s c h a f t die Vereinigung aus der Abstammung des Mannigfaltigen von [[A 83>> einem1 Grunde. In einer gesellschaftlichen Unterhaltung ist das Abspringen von einer Materie auf eine ganz ungleichartige, wozu die empirische Assoziation der Vorstellungen, deren Grund bloss subjektiv ist (d. i. bei dem einen sind die Vorstellungen anders assoziiert, als bei dem [[B 84>> anderen) - wozu, sage ich, diese Assoziation verleitet, eine Art Unsinn der Form nach, welcher alle Unterhaltung unterbricht und zerstört. - Nur wenn eine Materie erschöpft worden, und eine kleine Pause eintritt, kann jemand eine andere, die interessant ist, auf die Bahn bringen. Die regellos herumschweifende Einbildungskraft verwirrt, durch den Wechsel der Vorstellungen, die an nichts objektiv angeknüpft sind, den Kopf so, dass dem, der aus einer Gesellschaft dieser Art gekommen ist, zu Mute wird als ob er geträumt hätte. - Es muss immer ein [[A 84>> Thema sein, sowohl beim stillen2 Denken als in Mitteilung der Gedanken, an welches das Mannigfaltige angereihet wird, mithin auch der Verstand dabei wirksam sein; aber das Spiel der Einbildungskraft folgt hier doch den Gesetzen der Sinnlichkeit, welche den Stoff dazu hergibt, dessen Assoziation, ohne Bewusstsein der Regel, doch derselben und hiemit dem Verstande g e m ä s s, obgleich nicht als a u s dem Verstande abgeleitet, verrichtet wird. Das Wort V e r w a n d t s c h a f t (affinitas) erinnert hier an eine aus der Chemie genommene, jener Verstandesverbindung analogische, Wechselwirkung zweier spezifisch verschiedenen, körperlichen, innigst auf einander wirkenden und zur Einheit strebenden Stoffe, wo diese Vereinigung etwas Drittes bewirkt, was Eigenschaften hat, die nur durch die Vereinigung zweier heterogenen Stoffe erzeugt werden können. Verstand und Sinnlichkeit verschwistern sich, bei ihrer Ungleichartigkeit, doch so von selbst zu Bewirkung unserer Erkenntnis, als wenn eine von der anderen, oder beide von einem gemein[[B 85>>schaftlichen Stamme ihren Ursprung hätten; welches doch nicht sein kann, wenigstens

*

Daher muss der, welcher einen gesellschaftlichen Discours anhebt, von dem, was ihm nahe und gegenwärtig ist, an[[Anm. B 83>>fangen, und so allmählich auf das Entferntere, so wie es interessieren kann, hinleiten. Das böse Wetter ist für den, der von der Strasse in eine zur wechselseitigen Unterhaltung versammelte Gesellschaft tritt, hiezu ein guter und gewöhnlicher Behelf. Denn 3 etwa von den Nachrichten aus der Türkei, die eben in den Zeitungen stehen, wenn man ins Zimmer tritt, anzufangen, tut der Einbildungskraft anderer Gewalt an, die nicht sehen, was ihn darauf gebracht habe. Das Gemüt verlangt zu aller Mitteilung der Gedanken eine gewisse Ordnung, wobei es auf die einleitendeu Vorstellungen und den Anfang eben sowohl im Diskurse, wie in einer Predigt, sehr ankömmt.5 3 A: „Behelf. Wird der Ankömmling über die nicht erwartde Feierlichkeit derselben perplex, so sagt man, er hat die T r a m o n t a n e verloren, d. i. er hätte nur vom bösen Nordwind, der etwa jetzt eben herrscht, das Gespräch anheben können (oder vom S i r o c c o, wenn er in Italien ist). Denn”. 5 Am Rand von H: „[Vom] Das Abspringen von der Materie des Diskurses // facultas signatrix gehört zur beigesellenden Einbildungskraft. // Wenn wir aber wirkliche Sinnenvorstellungen (nicht Einbildungen) deren Verknüpfung nach einer Regel Erfahrung heisst unsere Vorstellungen als von selbst an einander geknüpft wahrnehmen so geschieht das in der Zeit und ist Assoziat. // Von der Notwendigkeit zweier Geschlechter zur Fortpflanzunge. 1 H: „[e]Einem”. 2 H: „[inneren] stillen”.

für uns unbegreiflich ist, wie das Ungleichartige aus einer und derselben Wurzel entsprossen sein könne.*13 § 29.2 DieEinbildungskraft ist indessen nicht so schöpferisch als man wohl vorgibt. Wir können uns für ein vernünftigesWesen keine andere Gestalt als schick[[B 86>>lich denken, als die Gestalt eines Menschen. Daher macht der Bildhauer oder Maler, wenn er einen Engel oder einen Gott verfertigt, jederzeit einen Menschen. Jede andere Figur scheint ihm Teile zu enthalten, die sich, seiner Idee nach, mit dem Bau eines vernünftigen Wesens nicht zusammen vereinigen lassen (als Flügel, Krallen, oder Hufe). Die Grösse dagegen kann er dichten1, wie er will. Die [[A 86>> Täuschung durch die S t ä r k e der Einbildungskraft des Menschen geht oft so weit, dass er dasjenige, was er nur im Kopf hat, ausser sich zu sehen und zu fühlen glaubt. Daher der Schwindel, der den, welcher in einen Abgrund sieht, befällt, ob er gleich eine genugsam breite Fläche um sich hat, um nicht zu fallen, oder gar an einem festen Geländer steht. - Wunderlich ist die Furcht einiger Gemütskranken 2 vor der Anwandelung3 eines inneren Antriebes, sich wohl gar freiwillig herunterzustürzen. - Der Anblick des Genusses ekeler Sachen an anderen (z. B. wenn die Tungusen den Rotz aus den Nasen ihrer Kinder mit einem Tempo aussaugen und verschlucken) bewegt den Zuschauer eben so zum Erbrechen, als wenn ihm selbst ein solcher Genuss aufgedrungen würde4. Das H e i m w e h der Schweizer (und, wie ich es aus dem Munde eines erfahrnen Generals habe, auch der Westfäler und der Pommern in einigen Gegenden), welches sie befällt, wenn sie in andere Länder versetzt werden, ist die Wirkung einer durch die Zurückrufung der Bilder der Sorgenfreiheit und nachbarlichen Gesellschaft5 in ihren Jugendjahren erregten Sehnsucht nach den Örtern, [[B 87>> wo sie die sehr einfachen Lebensfreuden genossen, da sie dann nach dem spätern Besuche derselben sich in ihrer Erwartung sehr getäuscht und so auch geheilt finden; zwar in der Meinung, dass sich dort alles sehr geändert habe, in der Tat aber, weil sie ihre Jugend dort nicht wiederum hinbringen können; wobei es doch merkwürdig ist, dass dieses Heimweh mehr die Landleute einer g e l d a r m e n, dafür aber durch Brüder-und Vetterschaften verbundenen Provinz, als diejenigen

Man könnte die zwei ersten Arten der Zusammensetzung der Vorstellungen die m a t h e m a t i s c h e (der Vergrösserung), die dritte aber die d y n a m i s c h e (der Erzeugung) nennen; wodurch ein ganz neues Ding (wie etwa das Mittelsalz in der Chemie) hervorkommt. Das Spiel der Kräfte, in der leblosen Natur sowohl als der lebenden, in der [[Anm. A 85>> Seele eben sowohl als des Körpers, beruht auf Zersetzungen und Vereinigungen des Ungleichartigen. Wir gelangen zwar zur Erkenntnis derselben durch Erfahrung ihrer Wirkungen; die oberste Ursache aber und die einfachen Bestandteile, darin ihr Stoff aufgelöst werden kann, sind für uns unerreichbar. - Was mag wohl die Ursache davon sein, dass alle organische Wesen, die wir kennen, ihre Art nur durch die Vereinigung zweier Geschlechter (die man dann das männliche und weibliche nennt) fortgepflanzt werden ? Man kann doch nicht annehmen, dass der Schöpfer, bloss der Sonderbarkeit halber, und nur um auf unserem Erd-Glob eine Einrichtung, die ihm so gefiele, zu machen, gleichsam nur gespielt habe; sondern es scheint, es müsse u n m ö g l i c h sein, aus der Materie unsers Erdballs organische Geschöpfe durch Fortpflanzung anders entstehen zu lassen, ohne daę dazu zwei Geschlechter gestiftet wären. - - In welchem Dunkel verliert sich die menschliche Vernunft, wenn sie hier den Abstamm zu ergründen, ja auch nur zu erraten, es unternehmen will. ?3 1 H: „etwas Drittes voraussetzt von welchem beide als Stammglieder eines und desselben (obgleich für uns unbegreiflichen) Prinzips ihren Ursprung haben.*” 3 Am Rand von H: „1. Bildung durch kalte oder warme Kristallisation indem ein Auflösungsmittel (Wärme oder Wasser entweicht. e. g. im Kalkspat) a) die mechanische Bildung der Gestalt: wo der Sto // b.) die Zusammenfügung // Die Synthesis der Aggregation (mathematisch) und der Koalition (dynamisch). // Verstand Urteilkr. Vernunft.” 2 A: „[[A 85>> Erläuterung durch Beispiele. § 24”; Akad.-Ausg.: „§ 32”. 1 H: „[wählen] dichten”. 2 H: „Gemüts[schwachen]kranken”. 3 H: „[Entschliessung] Anwandelung”. 4 A: „wenn er es selbst hätte tun wollen”; vgl. S. 474 Anm, 6 des vorliegenden Bandes. 5 A: „Geselligkeit”. *

befällt, die mit Gelderwerb beschäftigt sind und das patria ubi bene6 sich zum Wahlspruch machen. Wenn man vorher gehört hat, dass dieser oder jener ein böser Mensch ist, so glaubt man ihm die Tücke im Gesicht lesen zu können, und Dichtung mischt sich hier, vornehmlich wenn Affekt und Leidenschaft hinzukommen, mit der Erfahrung zu Einer Empfindung. Nach Helvetius sah eine Dame durch ein Teleskop im Monde die Schatten zweier Verliebten; der Pfarrer, der nachher dadurch beobachtete, sagte: „nicht doch, Madam; es sind zwei Glockentürme an einer Hauptkirche”. [[A 88>> Man kann zu allen diesen noch die Wirkungen durch die Sympathie der Einbildungskraft zählen. Der Anblick eines Menschen in konvulsivischen, oder gar epileptischen Zufällen reizt zu ähnlichen krampfhaften Bewegungen; so wie das Gähnen anderer, um mit ihnen zu gähnen, und der Arzt, Hr. Michaelis, führt an: dass, als bei der Armee in Nordamerika ein Mann in heftige Raserei geriet, zwei oder drei beistehende durch den Anblick desselben plötzlich auch darein versetzt wurden, wiewohl dieser Zu[[B 88>>fall nur vorbeigehend war; daher es Nervenschwachen (Hypochondrischen) nicht zu raten ist, aus Neugierde Tollhäuser zu besuchen. Mehrenteils vermeiden sie dieses auch von selbst; weil sie für ihren Kopf fürchten. - Man wird auch finden, dass lebhafte Personen, wenn jemand ihnen etwas im Affekt, vornehmlich des Zorns, was ihm1 begegnet sei, erzählt, bei starker Attention Gesichter dazu schneiden, und unwillkürlich in ein Spiel der Mienen, die zu jenem Affekt passen, versetzt werden. - Man will auch bemerkt haben: dass mit einander sich wohlvertragende Eheleute nach und nach eine Ähnlichkeit in Gesichtszügen bekommen, und 2 deutet es dahin aus, die Ursache sei, weil sie sich um dieser Ähnlichkeit halber (similis simili gaudet3) geehlicht haben; welches doch falsch ist. Denn die Natur treibt beim Instinkt der Geschlechter eher zur Verschiedenheit der Subjekte, die sich in einander verlieben sollen, damit alle Mannigfaltigkeit, welche sie in ihre Keime gelegt hat, entwickelt werde4; sondern die Vertraulichkeit und Neigung, mit der sie einander in ihren einsamen Unterhaltungen, dicht neben einander, oft und lange in die Augen sehen, bringt sympathetische ähnliche Mienen hervor, die, [[A 89>> wenn sie fixiert werden, endlich in stehende Gesichtszüge übergehen. Endlich kann man zu diesem unabsichtlichen Spiel der produktiven Einbildungskraft, die alsdann P h a n t a s i e genannt werden kann, auch den Hang zum arglosen L ü g e n rechnen, der bei Kindern a l l e m a l, bei Erwachsenen, aber sonst gutmütigen, d a n n und w a n n, bisweilen fast als anerbende 1 Krankheit angetrof[[B 89>>fen wird, wo beim Erzählen die Begebenheiten und vorgeblichen Abenteuer, wie eine herabrollende Schneelawine wachsend, aus der Einbildungskraft hervorgehen, ohne irgend einen Vorteil zu beabsichtigen, als bloss sich interessant zu machen; wie der Ritter John Falstaff beim Shakespeare, der aus zwei Männern in Frieskleidern fünf Personen machte, ehe er seine Erzählung endigte. -2 § 303. Weil die Einbildungskraft reicher und fruchtbarer an Vorstellungen ist als der Sinn, so wird sie, wenn eine Leidenschaft hinzutritt, durch die Abwesenheit des Gegenstandes mehr belebt als durch die Gegenwart; wenn etwas geschieht, was dessen Vorstellung, die eine Zeit lang durch Zerstreuungen getilgt zu sein schien, wiederum ins Gemüt zurückruft. - So hatte ein deutscher Fürst, sonst ein rauher Krieger, aber doch edler Mann, um seine Verliebung in eine bürgerliche Person in seiner Residenz sich aus dem Sinn zu bringen, eine Reise nach [[A 90>> Italien unternommen; der erste Anblick aber ihrer Wohnung bei seiner Wiederkehr H: „ibi patria ubi bene”; Übersetzung des Herausgebers: „dort ist das Vaterland, wo es einem gut geht”. So auch H; A: „ihnen”. 2 H: „Eheleute auch Ähnlichkeit in Gesichtszügen haben und”. 3 Übersetzung des Herausgebers: „Ähnliche finden aneinander Gefallen”. 4 A: „werden”. 1 H: „[erbliche] anerbende”. 2 H: „endigt”. - Dies Phänomen lässt sich kaum woraus anders als”; am Rand von H: „Lügen der Kinder”. 3 A: „Von den Mitteln der Belebung und Bezähmung des Spiels der Einbildungskraft. § 25”; Akad.-Ausg.: „§ 33”. 6 1

erweckte weit stärker, als es ein anhaltender Umgang getan hätte, die Einbildungskraft, so, dass er der Entschliessung ohne weitere Zögerung nachgab, die glücklicher Weise auch der Erwartung entsprach. - Diese Krankheit, als Wirkung einer dichtenden Einbildungskraft4, ist unheilbar: ausser durch die E h e. Denn diese ist Wahrheit (eripitur persona, manet res. 1 L u c r e t.). Die dichtende Einbildungskraft stiftet eine Art von Umgange mit uns selbst, obgleich bloss als Erscheinungen2 [[B 90>> des inneren Sinnes, doch3 nach einer Analogie mit äusseren. Die Nacht belebt sie und erhöht sie über ihren wirklichen Gehalt: so wie der Mond zur Abendzeit eine grosse Figur am Himmel macht, der am hellen Tage nur wie ein unbedeutendes Wölkchen anzusehen ist. Sie schwärmt in demjenigen, der in der Stipe der Nacht lukubriert, oder auch mit seinem eingebildeten Gegner zankt, oder, in seinem Zimmer herumgehend, Luftschlösser baut. Aber alles, was ihm da wichtig zu sein scheint, verliert an dem auf den Nachtschlaf folgenden Morgen seine ganze Wichtigkeit; wohl aber fühlt er mit der Zeit von dieser übeln Gewohnheit Abspannung der Gemütskräfte. Daher ist die Bezähmung seiner Einbildungskraft durch frühes Schlafengehen, um früh wieder aufstehen zu können, eine zur psychologischen Diät gehörige sehr nützliche Regel; das Frauenzimmer aber und die Hypochondristen (die gemeiniglich eben daher ihr Übel haben) lieben mehr das entgegengesetzte Verhalten. - Warum lassen sich Geistergeschichten in später Nacht noch wohl anhören, [[A 91>> die am Morgen, bald nach dem Aufstehen, jedem abgeschmackt und für die Unterhaltung ganz unschicklich vorkommen; wo man dagegen frägt: was Neues im Haus- oder gemeinen Wesen vorgefallen sei, oder seine Arbeit des vorigen Tages fortsetzt ? Die Ursache ist: weil, was an sich bloss S p i e l ist, dem Nachlassen der den Tag über erschöpften Kräfte, was aber G e s c h ä f t e ist, dem durch die Nachtruhe gestärkten und gleichsam neugebornen Menschen angemessen ist. Die Vergehungen (vitia) der Einbildungskraft sind: dass ihre Dichtung enentweder bloss z ü g e l l o s oder gar [[B 91>> r e g e l l o s sind (effrenis aut perversa). Der letztere Fehler ist der ärgste. Die erstern Dichtungen könnten 4 doch wohl in einer möglichen Welt (der Fabel) ihre Stelle finden; die letztern in5 gar keiner, weil sie sich widersprechen. - Dass die in der libyschen Wüste Ras-Sem häufig anzutreffenden in Stein gehauenen Menschen- und Tiergestalten von den Arabern mit Grauen angesehen werden, weil sie solche für durch den Fluch versteinerte Menschen halten, gehört zu Einbildungen der ersteren Gattung, nämlich der zügellosen Einbildungskraft. - Dass aber, nach der Meinung derselben Araber, diese Bildsäulen von Tieren, am Tage der allgemeinen Auferstehung, den Künstler anschnarchen und ihm es verweisen werden, dass er sie gemacht und ihnen doch keine Seele habe geben können, ist ein Widerspruch. - Die zügellose Phantasie kann immer noch einbeugen (wie die jenes Dichters, den der Kardinal Este bei Überreichung des ihm gewidmeten Buchs fragte: „Meister Ariosto1, wo Henker habt ihr alles das tolle Zeug her ?”); sie ist Üp[[A 92>>pigkeit aus ihrem Reichtum; aber die regellose nähert sich dem Wahnsinn, wo die Phantasie gänzlich mit dem Menschen spielt, und der Unglückliche den Lauf seiner Vorstellungen 2 gar nicht in seiner Gewalt hat. Übrigens kann ein politischer Künstler, eben so gut wie ein ästhetischer, durch Einbildung, die er statt der Wirklichkeit vorzuspiegeln versteht, z. B. von F r e i h e i t des Volks, die (wie die im Englischen Parlament), oder des Ranges und der G l e i c h h e i t (wie im französischen Konvent3), in blossen Formalien besteht, die Welt leiten und regieren 4

H: „Krankheit [durch die] als Wirkung [der] einer dichtenden Einbildungskraft”. Übersetzung des Herausgebers: „die Maske fällt, es bleibt die Sache.” 2 H: „selbst, [als] obgleich bloss Erscheinungen”. 3 H: „Sinnes [die den äusseren ähnlich] doch”. 4 H: „können”. 5 H: „letztere aber in”. 1 H: „Messer Ariosto”. 2 H: „[Bilder] Vorstellungen”. 3 H: „[populären Betitelung] wie im französischen Konvent”. 1

(mundus vult decipi4); aber es ist doch [[B 92>> besser, auch nur den Schein von dem Besitz dieses die Menschheit veredelnden Guts für sich zu haben, als sich desselben handgreiflich beraubt zu fühlen.5 VON DEM VERMÖGEN DER VERGEGENWÄRTIGUNG DES VERGANGENEN UND KÜNFTIGEN DURCH DIE EINBILDUNGSKRAFT § 316. Das Vermögen, sich vorsetzlich das Vergangene zu vergegenwärtigen, ist das E r i n n e r u n g s v e r m ö g e n; und das Vermögen, sich etwas als zukünftig vorzustellen, das V o r h e r s e h u n g s v e r m ö g e n. Beide gründen1 sich, sofern sie sinnlich sind, auf die2 A s s o z i a t i o n der Vorstellungen des vergangenen und künftigen Zustandes des Subjekts mit dem gegenwärtigen, und, obgleich nicht selbst Wahrnehmungen, dienen sie zur Verknüpfung der Wahrnehmungen i n d e r Z e i t, das, was nicht 3 m e h r ist, mit dem, was n o c h n i c h t ist, durch das, was g e g e n w ä r t i g ist, in einer zusammenhängenden Erfahrung zu verknüpfen. Sie heissen E r i n n e r u n g s- und D i v i n a t i o n s v e r m ö g e n 4 der Respizienz und Prospizienz (wenn man sich diese Ausdrücke erlauben darf), da man sich seiner Vor[[A 93>>stellungen5 als solcher, die im vergangenen oder künftigen Zustande anzutreffen wären6, bewusst ist. A. VOM GEDÄCHTNIS Das Gedächtnis ist von der bloss reproduktiven Einbildungskraft darin unterschieden, dass es die vormalige [[B 93>> Vorstellung w i l l k ü r l i c h zu reproduzieren vermögend, das Gemüt also nicht ein blosses Spiel von jener ist. Phantasie, d. i. schöpferische Einbildungskraft, muss sich nicht darein mischen, denn dadurch würde das Gedächtnis u n t r e u. – Etwas bald ins Gedächtnis f a s s e n, sich leicht worauf b e s i n n e n und es lange b e h a l t e n sind die formalen Vollkommenheiten des Gedächtnisses. Diese Eigenschaften sind aber selten beisammen. Wenn jemand glaubt etwas im Gedächtnis zu haben, aber es nicht zum Bewusstsein bringen kann, so aagt er, er könne es nicht e n t s i n n e n (nicht sich entsinnen; denn das bedeutet so viel, als sich sinnlos machen). Die Bemühung hiebei ist, wenn man doch darauf bestrebt ist, sehr kopfangreifend, und man tut am besten, dass man sich eine Weile durch andere Gedanken zerstreut, und von1 Zeit zu Zeit nur flüchtig auf das Objekt zurückblickt; dann ertappt2 man gemeiniglich eine von den assoziierten Vorstellungen, welche jene zurückruft. M e t h o d i s c h etwas ins Gedächtnis fassen (memoriae mandare) heisst m e m o r i e r e n (nicht s t u d i e r e n, wie der gemeine Mann es von dem Prediger sagt, der seine künftig zu haltende Predigt bloss auswendig [[A 94>> lernt). – Dieses Memorieren kann m e c h a n i s c h, oder i n g e n i ö s, oder auch j u d i z i ö s sein. Das erstere beruht bloss auf öfterer, buchstäblicher, Wiederholung: z. B. beim Erlernen des Einmaleins, wo der Lernende die ganze Reihe der auf einander in der gewöhnlichen Ordnung folgenden Worte durchgehen 4

Übersetzung des Herausgebers: „die Welt will betrogen werden”. Am Rand von H: „nicht Tollhäuser besuchen”. 6 A: „§ 26”; Akad.-Ausg.: „§ 34”. 1 A: „Sie sind, wenn dieser ihr Akt hiebei vorsetzlich ist, das Erinnerungs- und Vorhersehungsvermögen und gründen“. 2 A: „auf der“. 3 H(Akad.-Ausg.,Cassirer): „n i c h t“. 4 H: „[G e d ä c h t n i s] E r i n n e r u n g s und [E r w a r t u n g s-] D i v i n a t i o n s v e r m ö g e n“. 5 H: „wenn man sich ihrer Vorstellungen“. 6 H: „Zustande waren“. 1 H: „wenn man eine Zeit hindurch durch andere Gedanken zerstreut von“. 2 A: „denn ertappt“; H: „denn alsdann ertappt“. 5

muss, um auf das Gesuchte zu kommen, z. B. wenn der Lehrling gefragt wird, wieviel macht 3 mal 7? so wird er, von 3 mal 3 anfangend, [[B 94>> wohl auf ein und zwanzig kommen; frägt man ihn aber, wie viel macht 7 mal 3? so wird er sich nicht so bald besinnen können, sondern die Zahlen umkehren müssen, um sie in die gewohnte Ordnung zu stellen. Wenn das Erlernte eine feierliche Formel ist, in der kein Ausdruck abgeändert werden, sondern die, wie man sagt, hergebetet werden muss, so sind wohl Leute von dem besten Gedächtnis furchtsam, sich darauf zu verlassen (wie denn diese Furcht selbst sie irre machen könnte), und halten es daher für nötig3, sie a b z u l e s e n; wie es auch die geübtesten Prediger tun, weil die mindeste Abänderung der Worte hiebei lächerlich sein würde. Das i n g e n i ö s e Memorieren ist eine Methode, gewisse Vorstellungen durch Assoziation mit Nebenvorstellungen, die an sich (für den Verstand) gar keine Verwandtschaft mit einander haben, z. B. Laute einer Sprache mit gänzlich ungleichartigen Bildern, die jenen korrespondieren sollen, dem Gedächtnis einzuprägen; wo4 man, um etwas leichter ins Gedächtnis zu fassen, dasselbe noch1 mit mehr Nebenvorstellungen belästigt; folglich u n g e r e i m t, als regelloses Verfahren der Einbildungskraft2 in der Zusammenpaarung dessen, was [[A 95>> nicht unter einem und demselben Begriffe zusammen gehören kann; und zugleich Widerspruch zwischen Mittel und Absicht, da man dem Gedächtnis die Arbeit zu erleichtern sucht, in der Tat aber sie durch die ihm unnötig aufgebürdete Assoziation sehr disparater Vorstellungen erschwert3.* Das [[B 95>> Witzlinge selten ein treues4 Gedächtnis haben (ingeniosis non admodum fida est memoria 5), ist eine Bemerkung, die jenes Phänomen erklärt. Das j u d i z i ö s e Memorieren ist kein anderes als das einer Tafel der E i n t e i l u n g eines Systems (z. B. des Linnäus) in Gedanken; wo, wenn man irgend etwas sollte vergessen haben, man sich durch die Aufzählung der Glieder, die man behalten hat, wieder zurecht finden kann; oder auch der A b t e i l u n g e n eines sichtbar gemachten Ganzen (z. B. der Provinzen eines Landes auf einer Karte, welche nach Norden, Westen u.s.w. liegen), weil man auch dazu Verstand braucht und dieser wechselseitig der Einbildungskraft zu Hülfe kommt. Am meisten die T o p i k6, d. i. ein Fachwerk für allgemeine Begriffe, G e m e i n p l ä t z e7 genannt, welches durch Klasseneinteilung, wie wenn man in ei[[A 96>>ner Bibliothek die Bücher in1 Schränke mit verschiedenen Aufschriften verteilt, die Erinnerung erleichtert. Eine G e d ä c h t n i s k u n s t (ars mnemonica) als allgemeine Lehre gibt es nicht. Unter die besondern dazu gehörigen Kunstgriffe gehören die Denksprüche in Versen (versus memoriales); weil der Rhythmus einen regelmässigen Silbenfall enthält, der dem Mechanism 3

A: „(und diese Furcht selbst kann sie fehlen machen), sondere sie halten es für nötig“. A: „Methode durch Assoziation von Nebenvorstellungen, die... haben, z.B. durch die Ähnlichkeit der Laute einer Sprache bei der gänzlichen Ungleichartigkeit der Bilder, die jenen korrespondieren sollten, einander zur Erinnerung anzuknüpfen; wo“ ; H: „korrespondieren sollten [(also der Gegenstand des Gehörs mit dem des Gesichts] [einem ganz anderen z. B. des Gesichts] einander... „ 1 A: „das Gedächtnis noch“. 2 A: „als regellose Einbildungskraft“. 3 A: „Widerspruch der Absicht mit sich selbst, durch V e r m e h r u n g dessen, was im Kopf behalten werden muss, um es sich gelegentlich zu e r i n n e r n, ein vorgebliches Mittel der V e r m i n d e r u n g der Beschwerde sich dessen e r i n n e r n z u k ö n n e n“. * So ist die Bilderfibel, wie die Bilderbibel, oder gar eine in Bildern vorgestellte P a n d e k t e n l e h r e ein optischer [[Anm. B 95>> Kasten eines kindischen Lehrers, um seine Lehrlinge noch kindischer zu machen als sie waren. Von der letzteren kann ein auf solche Art dem Gedächtnis anvertrauter Titel der Pandekten: de heredibus suis et legitimis (Übersetzung des Herausgebers: „von seinen Erben und zwar den gesetzlichen“.), zum Beispiel dienen. Das erste Wort wurde durch einen Kasten mit Vorhängeschlössern sinnlich gemacht, das zweite durch eine Sau, das dritte durch die zwei Tafeln Mosis. 4 H: „t r e u e s“. 5 Übersetzung des Herausgebers: „Witzige haben nicht eben ein treues Gedächtnis“. 6 H: „Am meisten [eine gewisse] die T o p i k“. 7 H (Cassirer): „[als] G e m e i n p l ä t z e goci topici)“. 1 A: „welches eine Klasseneinteilung, gleich als in ei[[A 96>>ner Bibliothek in“. 4

des Gedächtnisses sehr zum Vorteil gereicht2. – Von den [[B 96>> Wundermännern des Gedächtnisses, einem Picus von Mirandola, Scaliger, Angelus Politanus, Magliabecchi u.s.w., den Polyhistoren, die eine Ladung3 Bücher für hundert Kamele als Materialien für die Wissenschaften in ihrem Kopf herumtragen 4, muss man nicht verächtlich sprechen; weil sie vielleicht die, für das Vermögen der Auswahl aller dieser Kenntnisse zum zweckmässigen Gebrauch angemessene, U r t e i l s k r a f t nicht besassen; denn es ist doch schon Verdienst genug, die rohe Materie reichlich herbeigeschafft zu haben; wenn gleich andere Köpfe nachher hinzukommen müssen, sie mit U r t e i l s k r a f t zu verarbeiten (tantum scimus, quantum memoria tenemus5). Einer der Alten sagte: „Die Kunst zu schreiben hat das Gedächtnis zu Grunde gerichtet (zum Teil entbehrlich gemacht)“. Etwas Wahres ist in diesem Satz: denn der gemeine Mann hat das Mannigfaltige, was ihm aufgetragen wird, gemeiniglich besser auf der Schnur, es nach der Reihe zu verrichten und sich darauf zu besinnen: eben darum, weil das Gedächtnis hier mechanisch ist und sich kein Vernünfteln einmischt; da hingegen dem Gelehrten, welchem viele fremdartige Nebengedanken durch den Kopf gehen, vieles von seinen Aufträgen oder häusli[[A 97>>chen Angelegenheiten durch Zerstreuung entwischt, weil er sie nicht mit genugsamer Aufmerksamkeit aufgefasst hat. Aber, mit der Schreibtafel in der Tasche, sicher zu sein, alles, was man in den Kopf zum Aufbewahren niedergelegt hat, ganz genau und ohne Mühe wiederzufinden, ist doch eine grosse Bequemlichkeit, und die Schreibkunst bleibt immer eine1 herrliche Kunst, weil, wenn sie auch nicht zur Mitteilung seines Wissens an andere gebraucht würde, sie doch die Stelle des aus[[B 97>>gedehntesten und treuesten Gedächtnisses vertritt, dessen Mangel sie ersetzen kann. V e r g e s s l i c h k e i t (obliviositas) hingegen, wo der Kopf, so oft er auch gefüllet wird, doch, wie ein durchlöchertes Fass, immer leer bleibt, ist ein um desto grösseres Übel. Dieses ist bisweilen unverschuldet; wie bei alten Leuten, welche sich zwar die Begebenheiten ihrer jüngern Jahre gar wohl erinnern können, aber das nächst Vorhergehende immer aus den Gedanken verlieren. Aber oft ist es doch auch die Wirkung einer habituellen Zerstreuung, welche vornehmlich die Romanleserinnen anzuwandeln pflegt. Denn, weil bei dieser Leserei die Absicht nur ist, sich für den Augenblick zu unterhalten, indem man weiss, dass es blosse Erdichtungen sind, die Leserin2 hier also volle Freiheit hat, im Lesen nach dem Laufe ihrer Einbildungskraft zu dichten3, welches natürlicher Weise zerstreut, und die G e i s t e s a b w e s e n h e i t (Mangel der Aufmerksamkeit auf das Gegenwärtige) habituell macht: so muss das Gedächtnis dadurch unvermeidlich geschwächt werden. – Diese Übung in der 4 Kunst, die Zeit zu töten und sich für die Welt unnütz zu machen, hintennach aber doch über die Kürze des Lebens zu kla[[A 98>>gen, ist, abgesehen von der phantastischen Gemütsstimmung, welche sie hervorbringt, einer der feindseligsten Angriffe aufs Gedächtnis. [[B 98>> B. VON DEM VORHERSEHUNGSVERMÖGEN (PRAEVISIO) § 325. Dieses Vermögen zu besitzen interessiert mehr als jedes andere; weil es die Bedingung aller möglichen Praxis und der Zwecke ist, worauf der Mensch den Gebrauch seiner Kräfte bezieht. Alles Begehren enthält ein (zweifelhaftes oder gewisses) Voraussehen dessen, was durch diese möglich ist. Das Zurücksehen aufs Vergangene (Erinnern) geschieht 2

A: „Vorteil ist“. H: „[Last] Ladung“. 4 H (Cassirer): „herumtrugen“. 5 Übersetzung des Herausgebers: „wir wissen so viel, wie wir im Gedächtnis haben“. 1 A: „wiederzufinden, die Schreibkunst ist doch eine“. 2 H: „und die Leserin“. 3 H: „im Lesen [selbst] mehr Abenteuer nach dem Taufe ihrer Einbildungskraft hinzu zu dichten“. 4 H: „[in] der“. 5 Zusatz von B; Akad.-Ausg.: „§ 35.“ 3

nur in der Absicht, um das Voraussehen des Künftigen dadurch möglich zu machen; indem wir im Standpunkte der Gegenwart überhaupt um uns sehen, um etwas zu beschliessen, oder worauf gefasst zu sein. Das empirische Voraussehen ist die E r w a r t u n g ä h n l i c h e r F ä l l e (exspectatio casuum similium) und bedarf keiner Vernunftkunde von Ursachen und Wirkungen, sondern nur der Erinnerung beobachteter Begebenheiten, wie sie gemeiniglich auf einander folgen1, und wiederholte Erfahrungen bringen darin eine Fertigkeit hervor. Wie Wind und Wetter stehen werden, interessiert sehr den Schiffer und Ackersmann. Aber wir reichen hierin mit unserer Vorhersagung nicht viel weiter, als der sogenannte Bauerkalender 2, dessen Voraussagungen, wenn sie etwa eintreffen3, gepriesen, treffen sie nicht ein, ver[[A 99>>gessen werden und so immer in einigem Kredit bleiben. – Man sollte fast glauben, die Vorsehung habe das Spiel [[B 99>> der Witterungen absichtlich so undurchschaulich verflochten, damit es Menschen nicht so leicht wäre, für jede Zeit die dazu erforderlichen Anstalten zu treffen, sondern damit sie Verstand zu brauchen genötigt würden, um auf alle Fälle bereit zu sein. In den Tag hinein (ohne Vorsicht und Besorgnis) leben macht zwar dem Verstande des Menschen eben nicht viel Ehre; wie dem Karaiben, dei des Morgens seine Hangmatte verkauft und des Abends darüber betreten ist, dass er nicht weiss, wie er des Nachts schlafen wird. Wenn aber dabei nur kein Verstoss wider die Moralität vorkommt, so kann man einen, der für alle Eräugnisse abgehärtet4 ist, wohl für glücklicher halten, als den, der sich immer nur mit trüben Aussichten die Lust am Leben verkümmert. Unter allen Aussichten aber, die der Mensch nur haben kann, ist die wohl die tröstlichste, wenn er nach seinem gegenwärtigen moralischen Zustande Ursache hat, die Fortdauer und das fernere Fortschreiten zum noch Besseren im Prospekt zu haben. Dagegen wenn er zwar mutig den Vorsatz fasst, von nun an einen neuen und besseren Lebenswandel einzuschlagen, sich aber selbst sagen muss: es wird doch wohl nichts daraus werden; weil du öfters dieses Versprechen (durch Prokrastination) dir gegeben, es aber immer, unter dem Vorwande einer Ausnahme 1 für dieses einzigemal, gebrochen hast: so ist das ein trostloser Zustand der Erwartung ähnlicher Fälle. [[A 100>> Wo es aber auf das Schicksal, was über uns schweben mag, nicht auf den Gebrauch unserer freien Will[[B 100>>kür, ankommt, da ist die Aussicht in die Zukunft entweder Vorempfindung, d. i. A h n d u n g (praesensio), oder* Vorhererwartung (praesagitio). Das erstere deutet gleichsam einen verborgenen Sinn für das an, was noch nicht gegenwärtig ist; das zweite ein durch Reflexion über das Gesetz der Folge der Begebenheiten nach einander (das der Kausalität) erzeugtes Bewusstsein2 des Künftigen. Man sieht leicht, dass alle Ahndung ein Hirngespenst sei; denn wie kann man empfinden, was noch nicht ist ? Sind es aber Urteile aus dunkelen Begriffen eines solchen Kausalverhältnisses, so sind es nicht Vorempfindungen, sondern man kann die Begriffe 3, die dazu führen, entwickeln, und, wie es mit dem gedachten Urteil zustehe 4, erklåren. – Ahndungen sind mehrenteils von der ängstlichen Art; die Bangigkeit, welche ihre p h y s i s c h e Ursachen hat, geht vorher, unbestimmt was der Gegenstand der Furcht sei. Aber es gibt 1

H (Cassirer): „folgten“. H (Cassirer): „Bauernkalender“. 3 H: „etwa einmal eintreffen“. 4 H: „Eräugnisse [des Glücks] abgehärtet“. 1 H: „Vorwande der Ausnahme“. * Man hat neuerlich zwischen etwas a h n e n und a h n d e n einen Unterschied machen wollen; allein das erstere ist kein deutsches Wort und es bleibt nur das letztere. – A h n d e n bedeutet so viel als g e d e n k e n. Es a h n d e t mir heisst, es schwebt etwas meiner Erinnerung dunkel vor; e t w a s a h n d e n bedeutet jemandes Tat ihm im Bösen gedenken (d. i. sie bestrafen). Es ist immer derselbe Begriff, aber anders gewandt. 2 H: „[Vorstellung] Bewusstsein“. 3 H: „diese Begriffe“. 4 Cassirer erwägt: „zugehe“. 2

auch frohe und kühne5 Ahndungen von Schwärmern, welche die nahe Enthüllung eines Geheimnisses, für das der Mensch doch [[A 101>> keine Empfänglichkeit der Sinne hat, wittern, und die Vorempfindung dessen, was sie, als Epopten, in mysti[[B 101>>scher Anschauung erwarten, so eben entschleiert zu sehen glauben1. – Der Bergschotten ihr zweites Gesicht, mit welchem etliche unter ihnen einen am Mastbaum Aufgeknüpften zu sehen glauben, von dessen Tode sie, wenn 2 sie wirklich in den entferneten Hafen eingelaufen sind, die Nachricht erhalten zu haben vorgeben, gehört auch in diese Klasse der Bezauberungen. C. VON DER WAHRSAGERGABE (FACULTAS DIVINATRIX) § 333. Vorhersagen, Wahrsagen und Weissagen sind darin unterschieden: dass das e r s t e r e im Vorhersehen4 nach Erfahrungsgesetzen (mithin natürlich), das z w e i t e den bekannten Erfahrungsgesetzen entgegen (widernatürlich), das d r i t t e aber Eingebung einer von der Natur unterschiedenen Ursache (übernatürlich) ist, oder dafür gehalten wird, deren Fähigkeit, weil5 sie von dem Einflusse eines Gottes herzurühren scheint, auch das eigentliche 6 D i v i n a t i o n s v e r m ö g e n genannt wird (denn uneigentlich wird jede scharfsinnige Erratung des Künftigen auch Divination genannt). Wenn es von jemanden heisst: er wahrsagt dieses oder jenes Schicksal, so kann dieses eine ganz natürliche Geschicklichkeit anzeigen. Von dem aber, der hierin eine übernatürliche Einsicht vorgibt, muss es heissen, er [[BA 102>> w a h r s a g e r t; wie die Zigeuner von hinduischer Abstammung, die das Wahrsagen aus der Hand P l a n e t e n l e s e n nennen; oder die7 Astrologen und Schatzgräber, denen sich auch die Goldmacher anschliessen, über welche alle im griechischen Altertum die Pythia, zu unserer Zeit aber der lumpichte sibirische Schaman hervorragt. Die Wahrsagungen der Auspizen und Haruspizen der Römer hatten nicht sowohl die Entdeckung des Verborgenen im Laufe der Begebenheiten der Welt, als vielmehr des Willens der Götter, dem sie sich ihrer Religion gemäss zu fügen hatten8, zur Absicht. – Wie aber gar die Poeten dazu kamen1, sich a u c h für begeistert (oder besessen) und für wahrsagend (vates) zu halten, und in ihren dichterischen Anwandlungen 2 (furor poeticus) Eingebungen zu haben sich berühmen konnten, kann nur dadurch erklärt werden: dass der Dichter, nicht so wie der Prosenredner, bestellte Arbeit mit Musse verfertigt, sondern den günstigen Augenblick seiner ihn anwandelnden inneren Sinnenstimmung haschen muss, in welchem ihm lebendige und kräftige Bilder und Gefühle von selbst zuströmen, und er hiebei sich gleichsam nur leidend verhält; wie es denn auch schon eine alte Bemerkung ist, dass dem G e n i e eine gewisse Dosis von Tollheit beigemischt sei. Hierauf gründet sich auch der Glaube an Orakelsprüche, die in den blind gewählten Stellen berühmter (gleichsam durch Eingebung getriebener) Dichter vermutet wurden (sortes Virgilianae); ein dem Schatzkästlein der neueren Frömmler ähnliches Mittel, den Willen des Himmels zu entdecken; oder auch die Auslegung Sibyllinischer Bücher, die den Römern das Staatsschicksal vorherverkündigt

5

H: „[mutige] kühne“. H: „Anschauung vernehmen werden zu haben glauben“. 2 H: „sie nachher wenn“. 3 Zusatz von B; Akad.-Ausg.: „§ 36.“ 4 H (Akad.- Ausg., Cassirer): „ein Vorhersehen“. 5 A: „wird, und, weil“. 6 H: „[höhere] eigentliche“. 7 A: „nennen. Die”. 8 A: „hätten”. 1 So auch H; A: „dazu gekommen sind“. 2 H: „[Feuer] Anwandelungen“. 1

haben sollen, und deren [[BA 103>> sie, leider ! durch übelangewandte Knickerei zum Teil3 verlustig geworden sind.4 Alle Weissagungen, die ein unablenkbares Schicksal eines Volks vorherverkündigen, was doch von ihm selbst verschuldet, mithin durch s e i n e f r e i e W i l l k ü r herbeigeführt sein soll, haben, ausser dem, dass das Vorherwissen ihm u n n ü t z ist, weil es ihm doch nicht entgehen kann, das Ungereimte an sich, dass in diesem unbedingten Verhängnis (decretum absolutum) ein F r e i h e i t s m e c h a n i s m u s gedacht wird, wovon 5 der Begriff sich selbst widerspricht. Das Äusserste der Ungereimtheit, oder des Betrugs, im Wahrsagen 6 war7 wohl dies, dass ein Verrückter für einen S e h e r (unsichtbarer Dinge) gehalten wurde; als ob8 aus ihm gleichsam ein Geist rede, der die Stelle der Seele, die so lange von der Behausung des Körpers Abschied genommen habe, vertrete,1 und dass2 der arme Seelenkranke (oder auch nur Epileptische) für einen Energumenen (Besessenen) galt3, und er4, wenn der ihn besitzende Dämon für einen guten Geist gehalten wurde5, bei den Griechen ein M a n t i s, dessen Ausleger aber P r o p h e t hiess. -Alle Torheit musste erschöpft werden, um das Künftige, dessen Voraussehung uns so sehr interessiert, mit Überspringung aller Stufen, welche vermittelst des Verstandes durch Erfahrung dahin führen möchten, in unseren Besitz 6 zu bringen. O, curas hominum!7 Es gibt sonst keine so sichere und doch in so grosse Weite hinaus erstreckte Wahrsagungswissenschaft, als die [[BA 104>> der Astronomie, welche die Umwälzungen der Himmelskörper ins Unendliche vorherverkündigt. Aber das hat doch nicht hindern können, dass sich nicht bald eine Mystik hinzugesellet hat, welche nicht etwa, wie die Vernunft es verlangt, die Zahlen der Weltepochen von den Begebenheiten, sondern umgekehrt die Begebenheiten von gewissen Zahlen8 abhängig machen wollte9 und so die Chronologie selbst, eine so notwendige Bedingung aller Geschichte, in eine Fabel verwandelte10. VON DER UNWILLKÜRLICHEN DICHTUNG IM GESUNDEN ZUSTANDE, D. I. VOM TRAUME § 3411. Was S c h l a f, was T r a u m,was S o m n a m b u l i s m (wozu auch das laute Sprechen im Schlaf gehört) seiner Naturbeschaffenheit nach sei, zu erforschen, ist ausserhalb dem Felde einer p r a g m a t i s c h e n Anthropologie gelegen; denn man kann aus diesem Phänomen keine Regele12 des V e r h a l t e n s im Zustande des Träumens ziehen; indem diese nur für den Wachenden gelten, der nicht träumen oder gedankenlos13 schlafen will. Und das Urteil jenes griechischen Kaisers, der einen Menschen, welcher seinen Traum, er habe 3

Zusatz von B. Am Rand von H: „Astronomie // Unnützlichkeit der Weissagungen“. 5 H: „entgehen kann sondern es liegt auch in diesem unbedingten Verhängnis (decretum absolutum) ein Widerspruch nämlich der eines Freiheitsmechanisms wovon“. 6 H (Akad.- Ausg., Cassirer): „Wahrsagern“. 7 A: „ist”. 8 A: „wird; dass“. 1 A: „vertritt“. 2 Zusatz von B. 3 A: „gilt”. 4 A: „der”. 5 A: „wird”. 6 H: „[unsere Gewal] unseren Besitz“. 7 Übersetzung des Herausgebers: „O, die Sorgen der Menschen!“ 8 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „gewissen heiligen Zahlen“. 9 A: „wollen”. 10 A: „verwandlen”. 11 A: „§ 27”; Akad.-Ausg.: „§ 37”. 12 A: „Regel”. 13 A: „träumen sondern gedankenlos“. 4

den Kaiser umgebracht, seinen Freunden erzählte, zum Tode verurteilte, unter dem Vorwand, „es würde ihm nicht geträumt haben, wenn er nicht im Wachen damit umgegangen wäre“, ist der Erfahrung zuwider und grausam. „Wenn wir wachen, so haben wir eine gemeinschaftliche Welt; schlafen wir aber, so hat ein jeder seine eigene.“ – Das Träumen scheint zum Schlafen so notwendig zu gehören, dass Schlafen und Sterben einerlei sein würde, [[BA 105>> wenn der Traum nicht als eine natürliche, obzwar unwillkürliche Agitation der inneren Lebensorgane durch die Einbildungskraft hinzukäme. So erinnere ich mich sehr wohl, wie ich als Knabe, wenn ich mich, durch Spiele ermüdet, zum Schlafe 1 hinlegte, im Augenblick des Einschlafens durch einen Traum, als ob ich ins Wasser gefallen wäre, und, dem Versinken nahe, im Kreise herumgedreht würde2, schnell erwachte, um aber bald wieder und ruhiger einzuschlafen, vermutlich weil die Tätigkeit der Brustmuskeln im Atemholen, welches von der Willkür gänzlich abhängt, nachlässt, und so, mit der Ausbleibung des Atemholens, die Bewegung des Herzens gehemmt, dadurch aber die3 Einbildungskraft des Traums wieder ins Spiel versetzt werden muss. – Dahin gehört auch die wohltätige Wirkung des Traums beim sogenannten A l p d r ü c k e n (incubus). Denn, ohne diese fürchterliche Einbildung von einem uns drückenden Gespenst und der Anstrengung aller Muskelkraft, sich in eine andere Lage zu bringen, würde der Stillstand des Bluts dem Leben geschwind ein Ende machen. Eben darum scheint die Natur es so eingerichtet zu haben, dass bei weitem die mehresten Träume Beschwerlichkeiten und gefahrvolle Umstände enthalten; weil dergleichen Vorstellungen die Kräfte der Seele mehr aufreizen, als wenn alles nach Wunsch und Willen geht. Man träumt oft4, sich nicht auf seine Füsse erheben zu können, oder sich zu verirren, in einer Predigt stecken zu bleiben, oder aus Vergessenheit statt der Perücke in grosser Versammlung eine Nachtmütze auf dem Kopfe zu haben, oder dass5 man in der Luft nach Belieben hin und her schweben könne, oder im fröhlichen Lachen, ohne zu wissen warum, aufwache1. – [[BA 106>> Wie es zugehe, dass wir oft im Traume in die längst vergangene Zeit versetzt werden, mit längst Verstorbenen sprechen, dieses selbst für einen Traum zu halten versucht werden, aber doch diese Einbildung für Wirklichkeit zu halten uns genötigt sehen, wird wohl immer unerklärt bleiben. Man kann aber wohl für sicher annehmen, dass kein Schlaf ohne Traum sein könne, und wer nicht geträumt zu haben wähnt, seinen Traum nur vergessen habe. VON DEM BEZEICHNUNGSVERMÖGEN (FACULTAS SIGNATRIX) § 352. Das Vermögen der Erkenntnis des Gegenwärtigen, als Mittel der Verknüpfung der Vorstellung des Vorhergesehenen mit der des Vergangenen, ist das B e z e i c h n u n g s v e r m ö g e n. – Die Handlung des Gemüts, diese Verknüpfung zu bewirken, ist die B e z e i c h n u n g (signatio), die auch das Signalieren genannt wird, von der nun der grössere Grad die A u s z e i c h n u n g genannt wird. Gestalten der Dinge (Anschauungen), so fern sie nur zu Mitteln der Vorstellung durch Begriffe dienen, sind S y m b o l e, und das Erkenntnis durch dieselbe heisst symbolisch oder f i g ü r l i c h (speciosa). – C h a r a k t e r e sind noch nicht Symbole; denn sie können auch bloss mittelbare (indirekte) Zeichen sein, die an sich nichts bedeuten, sondern nur durch Beigesellung auf Anschauungen und durch diese auf Begriffe führen; daher das s y m b o l i s c h e Erkenntnis nicht der i n t u i t i v e n sondern der d i s k u r s i v e n entgegengesetzt 1

H (Cassirer): „Schlafen“. So auch H; A: „wurde“. 3 H: „gehemmt [wird] und durch die“. 4 Cassirer: „öfter“. 5 A: „haben, oder als dass“; H (Cassirer): „haben; als dass“. 1 A: „aufwachte“; H (Cassirer): „aufwacht“. 2 A: „§ 28”; Akad.-Ausg.: „§ 38”. 2

werden muss, [[BA 107>> in welcher3 letzteren das Zeichen (charac- ter) den Begriff nur als Wächter (custos) begleitet, um ihn ge- legentlich zu reproduzieren. Das symbolische Erkenntnis ist also nicht der intuitiven (dureh sinnliche Anschauung) sondern der intellektuellen (durch Begriffe) entgegengesetzt. Symbole sind bloss Mittel des Verstandes, aber nur indirekt, durch eine A n a l o g i e mit gewissen Anschauungen, auf welche der Begriff desselben angewandt werden kann, um ihm durch Darstellung eines Gegenstandes Bedeutung zu verschaffen. Wer sich immer nur symbolisch ausdrücken kann, hat noch wenig Begriffe des Verstandes, und das so oft Bewunderte der lebhaften Vorstellung 1, welche die Wilden (bisweilen auch die vermeinten Weisen in einem noch rohen Volk) in ihren Reden hören lassen, ist nichts als Armut an Begriffen und daher auch an Wörtern, sie auszudrücken: z. B. wenn der amerikanische Wilde sagt: „Wir wollen die Streitaxt begraben“, so heisst das so viel als: Wir wollen Friede machen, und in der Tat haben die alten Gesänge, vom Homer an bis zum Ossian, oder von einem Orpheus bis zu den Propheten, das Glänzende ihres Vortrags bloss dem Mangel an Mitteln, ihre Begriffe auszudrücken, zu verdanken. Die wirklichen, den Sinnen vorliegenden Welterscheinungen (mit S c h w e d e n b o r g2) für blosses Symbol einer im Rückhalt verborgenen intelligibelen Welt ausgeben 3 ist S c h w ä r m e r e i. Aber in den Darstellungen 4 der zur Moralität, welche das Wesen aller Religion ausmacht, mithin zur reinen Vernunft gehörigen Begriffe [[BA 108>> (Ideen genannt) das Symbolische vom Intellektuellen (Gottesdienst von Religion), die zwar einige Zeit hindurch nützliche und nötige H ü l l e von der Sache selbst zu unterscheiden, ist A u f k l ä r u n g; weil sonst ein I d e a l (der reinen praktischen Vernunft) gegen ein I d o l vertauscht und der Endzweck verfehlt wird. – Dass alle Völker der Erde mit dieser Vertauschung angefangen haben, und dass, wenn es darum zu tun ist, was ihre Lehrer selbst, bei Abfassung ihrer heiligen Schriften wirklich gedacht haben, man sie alsdann nicht symbolisch, sondern b u c h s t ä b l i c h auslegen müsse, ist nicht zu streiten; weil es unredlich gehandelt sein würde, ihre Worte zu verdrehen. Wenn es aber nicht bloss um die W a h r h a f t i g k e i t des Lehrers, sondern auch, und zwar wesentlich, um die W a h r h e i t der Lehre zu tun ist, 1 so kann und soll man diese, als blosse symbolische Vorstellungsart, durch eingeführte Förmlichkeit und Gebräuche jene praktischen Ideen zu begleiten, auslegen; weil sonst der intellektuelle Sinn, der den Endzweck ausmacht, verloren gehen würde2.3

3

H: „führen; wie die W ö r t e r einer Sprache die für das Ohr eines Fremden nichts bedeutende Laute sind aber eben darum auch deito bestimmter auf Begriffe führen, und das s y m b o l i s c h e Erkenntnis muss nicht der i n t u i t i v e n sondern der diskursiven [durch Char] entgegengesetzt werden, in welcher“. 1 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „Darstellung“. 2 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „Swedenborg“. 3 H (Cassirer): „auszugeben“. 4 H: „[religiösen] Darstellungen“. 1 Am Rand von H: „Vom Aberglauben // Nominal und Realzeichen // Mittelbar – unmittelbar.“ 2 In H steht an dieser Stelle die folgende Anmerkung, für die sich im Text kein Stern findet, die aber nach der Abfolge der Niederschrift an die bezeichnete Stelle zu gehören scheint: „Nach Sonnerat haben die Indier auf der Malabarküste grossenteils einen sehr geheim gehaltenen Orden dessen Zeichen (in Gestalt einer runden Blechmünze) an einem Bande am Halse unmittelbar an der Haut hängt welches sie ihr T a l i nennen was bei ihrer Einweihung mit einem mystischen Worte das einer dem andern nur beim Sterben ins Ohr sagt begleitet wird. Die Tibetaner aber haben gewisse geweihete Dinge z. B. mit gewissen heiligen Worten beschriebene Fahnen oder auch geweihete Steine womit ein Hügel besteckt oder belegt wird die sie ihr M a n i nennen im Gehrauch. Aus der Zusammensetzung beider ist vermutlich das Wort T a l i s m a n entsprungen welches mit dem M a n i t o u der amerikanischen Wilden in Wort und Sinn überein zu stimmen scheint.“ Am Rand von H: „Arvieux“. 3 H: „würde. // [Zur Bezeichnung der Gedanken nicht der blossen Empfindung bedient sich der Mensch anfänglich m i m i s c h e r, dann der L a u t z e i c h e n der Sprache und endlioh der a l l e g o r i s c h e n Zeichen der [sichtbaren Abbildungen] Bilder welche eine Analogie mit [nicht sichtbaren] bloss denkbaren Gegenständen enthalten sollen] //“.

§ 364. Man kann die Zeichen in w i l l k ü r l i c h e (Kunst-), in n a t ü r l i c h e und in W u n d e r z e i c h e n5 einteilen. A. Zu den ersteren gehören 1. die der G e b ä r d u n g (mimische, die zum Teil auch natürliche sind). 2. S c h r i f t z e i c h e n (Buchstaben, welche Zeichen für Laute sind). 3. T o n z e i c h e n (Noten). 4. Zwischen einzelnen verabredete Zeichen, bloss fürs Gesicht (Z i f f e r n6). 5. S t a n d e s z e i c h e n freier, mit erblichem [[BA 109>> Vorrang beehrter Menschen (Wappen). 6. D i e n s t z e i c h e n, in gesetzlicher Bekleidung (Uniform und Liverei). 7. E h r e n z e i c h e n des Dienstes (Ordensbänder). 8. S c h a n d z e i c h e n (Brandmark u.d.g.). – Dazu gehören in Schriften die Zeichen der Verweilung, der Frage oder des Affekts, der Verwunderung (die Interpunktionen1). Alle Sprache ist Bezeichnung der Gedanken und umgekehrt die vorzüglichste Art der Gedankenbezeichnung ist die durch Sprache, diesem grössten Mittel2, sich selbst und andere zu verstehen. Denken ist R e d e n mit sich selbst (die Indianer auf Otaheite nennen das Denken: die Sprache im Bauch), folglich sich auch innerlich (durch reproduktive Einbildungskraft) H ö r e n. Dem Taubgebornen ist sein Sprechen ein Gefühl des Spiels seiner Lippen, Zunge und Kinnbackens, und es ist kaum möglich, sich vorzustellen, dass er bei seinem Sprechen etwas mehr tue, als ein Spiel mit körperlichen Gefühlen 3 zu treiben, ohne eigentliche Begriffe zu haben und zu denken. – Aber auch die, so sprechen und hören können, verstehen darum nicht immer sich selbst oder andere, und an dem Mangel des Bezeichnungsvermögens, oder dem fehlerhaften Gebrauch desselben (da Zeichen für Sachen und umgekehrt genommen werden) liegt es, vornehmlich in Sachen der Vernunft, dass Menschen, die der Sprache nach einig sind, in Begriffen himmelweit von einander abstehen; welches nur zufälligerweise, wenn ein jeder nach dem4 seinigen handelt, offenbar wird. [[BA 110>> B. Zweitens: was die natürlichen Zeichen betrifft, so ist der Zeit nach das Verhältnis der Zeichen zu den bezeichneten Sachen entweder d e m o n s t r a t i v, oder r e m e m o r a t i v, oder p r o g n o s t i s c h. Der Pulsschlag bezeichnet dem Arzt den gegenwärtigen fieberhaften Zustand des Patienten, wie der5 Rauch das Feuer. Die Reagentien entdecken dem Chymiker die im Wasser befindlichen verborgenen Stoffe, so wie die Wetterfahne den Wind u.s.w. Ob aber das E r r ö t e n das Bewusstsein der Schuld, oder vielmehr ein zartes Ehrgefühl, auch nur eine Zumutung von etwas, dessen6 man sich zu schämen hätte, erdulden zu müssen, verrate, ist in vorkommenden Fällen1 ungewiss. Grabhügel und Mausoleen sind Zeichen des Andenkens an Verstorbene; eben so, oder auch zum immerwährenden Andenken der vormaligen grossen Macht eines Königs, Pyramiden. – Die Muschelschichten in weit von der See gelegenen Landgegenden, oder die Löcher der Pholaden in den hohen Alpen, oder vulkanische Überbleibsel, wo jetzt kein Feuer aus der Erde hervorbricht, bezeichnen uns den alten Zustand der Welt und begründen eine A r c h ä o l o g i e der Natur: freilich nicht so anschaulich, als die vernarbten Wunden des Kriegers. – Die Ruinen von Palmyra, Baalbek und Persepolis sind sprechende Denkzeichen des Kunstzustandes a l t e r Staaten,2 und traurige Merkmale3 vom Wechsel a l l e r Dinge.4 4

A: „§ 29”; Akad.-Ausg.: „§ 39”. H (Cassirer): „in w i l l k ü r l i c h e (Kunst-) n a t ü r l i c h e und W u n d e r z e i c h e n“. 6 H: „C h i f f e r n“. 1 H: „Zeichen der Verweilung oder des Affekts (die Interpunktion)“. 2 Akad.-Ausg.: „dieses grösste Mittel“. 3 H: „mit Gefühlen“. 4 A: „den”. 5 H (Cassirer): “Patienten der”. 6 A: „etwas, das”. 1 H (Cassirer): „in vorkommendem Falle”. 2 Zusatz von B. 3 A: „Erinnerung”; H: „Erinnerungen”. 4 Am Rand von H: „Zeichen A. Willkürliche 1. Der Gebärdung (mimisch) 2. Schriftzeichen (Buchstaben) 3 Tonzeichen (Noten) 4 Geheime Zunftzeichen (Chiffern) 5 Standeszeichen (Wappen) 6. Dienstzeichen (Uniform 5

Die p r o g n o s t i s c h e n Zeichen interessieren unter allen am meisten; weil in der Reihe der Veränderungen die Gegenwart nur ein Augenblick ist, und der Bestim[[BA 111>>mungsgrund des Begehrungsvermögens das Gegenwärtige nur um der künftigen Folgen willen (ob futura consequentia) beherzigt, und auf diese vorzüglich aufmerksam macht. – In Ansehung künftiger Weltbegebenheiten findet sich die sicherste Prognose in5 der Astronomie; sie ist aber kindisch und phantastisch, wenn die Sterngestalten, Verbindungen und veränderte Planetenstellungen als allegorische Schriftzeichen am Himmel von bevorstehenden Schicksalen des Menschen1 (in der astrologia iudiciaria) vorgestellt werden. Die natürlichen prognostischen Zeichen einer bevorstehenden Krankheit, oder Genesung, oder (wie die facies Hippocratica) des nahen Todes, sind Erscheinungen, die, auf lange und öftere Erfahrung gegründet, auch nach der 2 Einsicht des Zusammenhanges derselben, als Ursachen und Wirkungen, dem Arzt zur Leitung in seiner Kur dienen; dergleichen die kritischen Tage sind. Aber die3 von den Römern in staatskluger Absicht veranstalteten Augurien und Haruspizien waren ein durch den Staat geheiligter Aberglaube, um in gefährlichen Zeitläuften das Volk zu lenken. C. Was die W u n d e r z e i c h e n (Begebenheiten,in welchen die Natur der Dinge sich umkehre) betrifft, so sind ausser denen, aus welchen man sich jetzt nichts macht (den Missgeburten unter Menschen und Vieh), die Zeichen und Wunder am Himmel, die Kometen, in hoher Luft schiessende Luftbälle4, Nordlichter, ja selbst Sonnen- und Mondfinsternisse, wenn vornehmlich sich mehrere [[A 112>> solcher Zeichen zusammenfinden, und wohl gar von Krieg, [[B 112>> Pest u.d.g. begleitet werden, Dinge, die dem erschrockenen grossen Haufen den nicht weit mehr entfernten jüngsten Tag und das Ende der Welt vorher zu verkündigen dünken. ANHANG Ein wunderliches Spiel der Einbildungskraft mit dem Menschen, in Verwechselung der Zeichen mit Sachen, in jene eine innere Realität zu setzen, als ob diese sich nach jenen richten müssten, verlohnt sich hier noch zu bemerken5. – Da der Mondlauf nach den 4 Aspekten (dem Neulicht, ersten Vierteil, Vollicht und letzten Vierteil) in ganzen Zahlen nicht genauer als in 28 Tagen6 (und der Tierkreis daher von den Arabern in die a8 Håuser des Mondes) eingeteilt werden1, von denen ein Vierteil 7 Tage ausmacht, so hat die Zahl Sieben dadurch eine mystische Wichtigkeit bekommen, so, dass auch die Weltschöpfung sich nach derselben hat richten müssen; vornehmlich da es (nach dem Ptolemäischen System) sieben Planeten, wie2 sieben Töne auf der Tonleiter, sieben einfache Farben im Regenbogen und sieben Metalle geben sollte. – Hieraus sind denn auch die Stufenjahre (7 X 7, und, weil 9 bei den Indiern auch eine mystische Zahl ist, 7 X 9, imgleichen 9 X 9) entstanden, bei deren oder Liverei) 7. Ehrenzeichen (Ordensbĺnder) 8 Sehandzeichen (Brandmark) 9. Kennzeichen (nota) 10 Merkzeichen Interpunktion 11 Denkzeichen (signum rememorativum) // B. Natürliche Zeichen // C Wunderzeichen. // Zeichen für Sachen an sich halten. Zodiac. // Wirkungen sind Zeichen von ihren Ursachen // Zeichen des Tierkreises – Sternbilder // Sterndeutkunst (astrol: iud) Zeichen am Himmel, Kometen, Finsternisse Nordlicht. Ob die heil: Zahlen den Weltlauf anzeigen. Der Sonne und Mond verfolgende Drache apokalypt. – Zeichendeuterei mystische Zeichen. heil. 7 – etc. etc. Planeten Metalle. Wochentage und Weltepochen. // Aberglaube der Fischer”. 5 A: „Die Z e i c h e n d e u t e r e i in Ansehung der künftigen Weltbegebenheiten ist die sicherste in”. 1 Zusatz von B. 2 H: „auch vor der“. 3 A: „Aber die Nativitätsstellung (der Horoscopus), oder die“; H: „Aber die Nativitätsstellung (der Horospicus) die“. 4 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „Lichtbälle“. 5 A: „noch bemerkt zu werden“. 6 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „Tage“. 1 Cassirer erwägt: „werden kann“. 2 Zusatz von B.

Schluss das menschliche Leben in grosser Gefahr sein soll, und die 70 Jahrwochen (490 Jahr) machen auch wirklich in der jüdisch-christlichen Chronologie nicht allein die Abschnitte der wichtigsten Veränderungen (zwischen dem Ruf Gottes an Abraham und der Geburt Christi) aus, sondern [[BA 113>> bestimmen auch ganz genau die Grenzen desselben gleichsam a priori, als ob sich nicht die Chronologie nach der Geschichte, sondern, umgekehrt, die Geschichte nach der Chronologie richten müsste. Aber auch in anderen Fällen wird es Gewohnheit, die Sachen von Zahlen abhängig zu machen. Ein Arzt, dem der Patient durch seinen Diener ein Gratial schickt, wenn er bei Aufwickelung3 des Papiers darin eilf Dukaten findet, wird in den Argwohn geraten, dass dieser wohl einen möchte unterschlagen haben; denn warum nicht ein Dutzend voll ? Wer auf einer Auktion Porzellangeschirr von gleicher Fabrikation kauft, wird weniger bieten, wenn es nicht ein volles Dutzend ist, und wären es dreizehn Teller, so wird er auf den dreizehnten nur so fern einen Wert setzen, als er dadurch gesichert wird, wenn auch einer zerbrochen würde, doch jene Zahl voll zu haben. Da man aber seine Gäste nicht zu Dutzenden einladet, was kann es interessieren, dieser geraden Zahl einen Vorzug zu geben ? Ein Mann vermachte im Testament seinem Vetter eilf silberne Löffel und setzte hinzu: „warum ich ihm nicht den zwölften vermache, wird er selbst am besten wissen“ (der junge lüderliche Mensch hatte an jenes seinem Tisch einen Löffel heimlich in die Tasche gesteckt, welches jener wohl bemerkte, aber ihn damals nicht beschämen wollte). Bei Eröffnung des Testaments konnte man leicht erraten, was die Meinung des Erblassers war, aber nur aus dem angenommenen Vorurteil, dass nur das Dutzend eine volle Zahl sei. – Auch die zwölf Zeichen des Tierkreises (welcher Zahl analogisch die 12 Richter in England angenommen zu [[BA 114>> sein scheinen) haben eine solche mystische Bedeutung erhalten. In Italien, Deutschland, vielleicht auch anderswo,1 wird eine Tischgesellschaft von gerade 13 Gästen für ominös gehalten; weil man wähnt, dass alsdann einer von ihnen, wer es auch sei, das Jahr sterben werde: so wie an einer Tafel von 12 Richtern der 13te, der sich darunter befindet, kein anderer als der Delinquent sein könne, der gerichtet werden soll. (Ich habe mich selbst einmal an einer solchen Tafel befunden, wo die Frau des Hauses beim Niedersetzen diesen vermeinten Übelstand bemerkte, und insgeheim ihren2 darin3 befindlichen Sohn aufzustehen und in einem anderen Zimmer zu essen befahl; damit die Fröhlichkeit nicht gestört würde.) – Aber auch die blosse Grösse der Zahlen, wenn man der Sachen, die sie bezeichnen, genug hat, erregen bloss dadurch, dass sie im Zählen nicht einen der Dekadik gemässen (folglich an sich willkürlichen) Abschnitt füllen, Verwunderung. So soll der Kaiser von China eine Flotte von 9999 Schiffen haben, und man frägt sich bei dieser Zahl ingeheim: warum nicht noch eins mehr ? obgleich die Antwort sein könnte: weil diese Zahl Schiffe zu seinem Gebrauch hinreichend ist; im Grunde aber ist die Absicht der Frage nicht auf den Gebrauch, sondern bloss auf eine Art von Zahlenmystik gestellt4. -Ärger, obzwar5 nicht ungewöhnlich, ist: dass jemand, der durch Kargen und Betrügen es auf einen Reichtum von 90 000 Taler bar gebracht hat, nun keine Ruhe hat, als bis er 100 000 voll besitze, ohne sie6 zu brauchen, und darüber sich vielleicht den Galgen, wo nicht erwirbt, wenigstens doch verdient. Zu welchen Kindereien sinkt nicht der Mensch selbst in seinem reifen Alter hinab, wenn er sich am Leitseil der [[BA 115>> Sinnlichkeit führen lässt ! Wir wollen jetzt sehen, um wie viel oder wenig er es besser mache, wenn er unter der Beleuchtung des Verstandes seinen Weg verfolgt.1 3

A: „Auswickelung“. Zusatz von B. 2 Akad.-Ausg.: „ihrem“. 3 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „darunter“. 4 A: „ist, im Grunde aber die Absicht nicht ... gestellt ist“. 5 H (Cassirer): „Ärger noch, obzwar“. 6 A: „es“. 1 Am Rand von H: „Der 13te Tischgast. // Mancher kargt betrügt um 100 000 voll zu hinterlassen“. 1

VOM ERKENNTNISVERMÖGEN SO FERN ES AUF VERSTAND GEGRÜNDET WIRD EINTEILUNG § 372. V e r s t a n d, als das Vermögen zu d e n k e n (durch B e g r i f f e sich etwas vorzustellen), wird auch das o b e r e Erkenntnisvermögen (zum Unterschiede von der Sinnlichkeit, als des u n t e r e n3) genannt, darum, weil das Vermögen der Anschauungen (reiner oder empirischer) nur das Einzelne in Gegenständen, dagegen das der Begriffe das Allgemeine der Vorstellungen derselben, die R e g e l, enthält, der das Mannigfaltige der sinnlichen Anschauungen untergeordnet werden muss, um Einheit zur Erkenntnis des Objekts hervorzubringen. – V o r n e h m e r ist also zwar freilich der Verstand als die Sinnlichkeit, mit4 der sich die verstandlosen Tiere nach eingepflanzten Instinkten schon notdürftig behelfen können; so wie ein Volk ohne Oberhaupt; statt dessen ein Oberhaupt ohne Volk (Verstand ohne Sinnlichkeit) gar nichts vermag. Es ist also zwischen beiden kein Rangstreit, obgleich der eine ein Oberer5 und der andere als Unterer betitelt wird. Es wird aber das Wort V e r s t a n d auch in besonderer Bedeutung genommen: da er nämlich als ein Glied der Einteilung mit zwei anderen dem Verstande in allgemeiner Bedeutung untergeordnet wird, und da besteht [[BA 116>> das obere Erkenntnisvermögen (materialiter, d. i. nicht für sich allein, sondern in Beziehung aufs E r k e n n t n i s der Gegenstände betraehtet) aus V e r s t a n d, U r t e i l s k r a f t und V e r n u n f t. – Lasst uns jetzt Beobachtungen über den Menschen anstellen, wie einer von dem andern in diesen Gemütsgaben, oder deren gewohnten Gebrauch oder Missbrauch, unterschieden ist, erstlich in einer gesunden Seele; dann aber auch in der Gemütskrankheit.1 ANTHROPOLOGISCHE VERGLEICHUNG DER DREI OBEREN ERKENNTNISVERMÖGEN MIT EINANDER § 382. Ein richtiger3 Verstand ist der: welcher nicht sowohl durch Vielheit der Begriffe schimmernd ist, als vielmehr durch A n g e m e s s e n h e i t derselben zur Erkenntnis des Gegenstandes, also zur Auffassung der W a h r h e i t, das Vermögen und die Fertigkeit enthält. Mancher Mensch hat viel Begriffe im Kopf, die insgesamt auf Ä h n l i c h k e i t mit dem was man von ihm vernehmen will, hinauslaufen, aber mit dem Objekt 4 und der Bestimmung desselben doch nicht zutreffen. Er kann Begriffe von grossem Umfange haben, ja auch von b e h e n d e n Begriffen sein. Der richtige Verstand, welcher für Begriffe der gemeinen Erkenntnis zulangt, heisst der g e s u n d e (fürs Haus hinreichende) Verstand. Er sagt mit dem Wachmeister bei5 Juvenal: Quod sapio satis est mihi, non ego curo – esse quod Arcesilas aerumnosique Solones.6 Es versteht sich von selber, dass die Naturgabe eines bloss geraden und richtigen Verstandes sich selbst, in Ansehung des Umfanges des ihm [[BA

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A: „§ 30”; Akad.-Ausg.: „§ 40”. Akad.-Ausg.: „als dem u n t e r e n“. 4 H (Cassirer): „Sinnlichkeit aber die letztere ist notwendiger und unentbehrlicher ist doch die Sinnlichkeit mit“. 5 Akad.-Ausg.: „eine als Oberer“. 1 H: „Gemütskrankheit. // [Erster Teil // Der Verstand] //“. 2 A: „§ 31”; Akad.-Ausg.: „§ 41”. 3 H (Cassirer): „r i c h t i g e r“. 4 H: „dem [was er denken will doch] Objekt“. 5 A: „beim“. 6 Übersetzung des Herausgebers: „Was ich verstehe; ist mir genug; ich sorge mich nicht darum, zu sein, was Arkesilaos und die mühebeladenen Solons ...“ 3

117>> zugemuteten Wissens, einschränken, und der damit Begabte bescheiden verfahren wird.7 § 391. Wenn unter dem Worte Verstand das Vermögen 2 der Erkenntnis der Regeln (und so durch Begriffe) überhaupt gemeint wird, so, dass er das ganze o b e r e Erkenntnisvermögen in sich fasst, so sind darunter nicht diejenigen Regeln zu verstehen, nach welchen die N a t u r den Menschen in seinem Verfahren leitet, wie es bei den durch Naturinstinkt getriebenen Tieren geschieht, sondern nur solche, die er selbst 3 m a c h t. Was er bloss lernt, und so dem Gedächtnis anvertraut, das verrichtet er nur mechanisch (nach Gesetzen der reproduktiven Einbildungskraft) und ohne Verstand. Ein Bedienter, der bloss ein Kompliment nach einer bestimmten Formel abzustatten hat, braucht keinen Verstand, d. i. er hat nicht nötig, selbst zu denken, aber wohl, wenn er, in Abwesenheit seines Herrn, dessen häusliche Angelegenheit zu besorgen hat; wobei mancherlei nicht buchstäblich vorzuschreibende Verhaltungsregeln nötig werden dürften. Ein r i c h t i g e r Verstand, g e ü b t e Urteilskraft, und g r ü n d l i c h e Vernunft machen den ganzen Umfang des intellektuellen Erkenntnisvermögens aus; vornehmlich sofern dieses auch als Tüchtigkeit zu Beförderung des praktischen4, d. i. zu Zwecken, beurteilt wird. Ein richtiger Verstand ist der gesunde Verstand, so fern er A n g e m e s s e n h e i t der Begriffe zum Zwecke ihres Gebrauchs enthält. So wie nun Zulänglichkeit (sufficientia) und A b g e m e s s e n h e i t (praecisio), verei[[BA 118>>nigt, die A n g e m e s s e n h e i t, d. i. die Beschaffenheit des Begriffs ausmacht, nicht mehr auch nicht weniger, als der Gegenstand erfordert, zu enthalten (conceptus rem adaequans): so ist ein richtiger Verstand unter den5 intellektuellen Vermögen das erste und vornehmste; weil er mit den w e n i g s t e n Mitteln seinem6 Zweck ein Gnüge tut. A r g l i s t, der Kopf zur Intrigue, wird oft für grossen, obwohl missbrauchten Verstand gehalten; aber er ist gerade nur die Denkungsart 7 sehr eingeschränkter Menschen, und von der Klugheit, deren Schein sie an sich hat, sehr unterschieden. Man kann nur einmal den Treuherzigen hintergehen; was dann der eigenen Absicht des Listigen in der Folge sehr nachteilig wird. Der unter gemessenen Befehlen stehende Haus- oder Staatsdiener braucht nur Verstand zu haben; der Offizier, dem für das ihm aufgetragene Geschäfte nur die allgemeine Regel vorgeschrieben und nun überlassen wird, was in vorkommendem Falle zu tun sei, selbst zu bestimmen, bedarf Urteilskraft; der General, der die möglichen Fälle beurteilen und für sie sich die Regel selbst ausdenken soll, muss Vernunft besitzen. – Die zu diesen verschiedenen Vorkehrungen erforderlichen Talente sind sehr verschieden. „Mancher glänzt1 auf der zweiten Stufe, welcher auf der obersten unsichtbar wird“ (Tel brille au second rang, qui s’eclipse au premier). K l ü g e l n ist nicht Verstand haben, und, wie Christina von Schweden, Maximen zur Schau aufstellen, ge[[BA 119>>gen welche doch ihre Tat im Widerspruche ist, heisst nicht vernünftig sein. – Es ist hiemit, wie mit der Antwort des Grafen Rochester, die er dem englischen Könige Karl II. gab, bewandt, als dieser ihn in einer tief nachdenkenden Stellung antraf und fragte: Was sinnet Ihr denn so2 tief nach ? – Antw.: „Ich mache Ewr. Maj. die 7

Am Rand von H: „1. Was will ich. 2. worauf kommt’s an 3. was gewinne ich. (was kommt heraus // Richtiger Verstand, geübte Urteilskraft und gründliche Vernunft.“ 1 A: „§ 32”; Akad.-Ausg.: „§ 42”. 2 H: „[der Inbegriff] das Vermögen“. 3 H: „er sich selbst“. 4 Akad.-Ausg.: „Praktischen“. 5 So auch H; A: „unter dem“. 6 H: „[ohne Künstelei] seinem“. 7 H: „[das Eigentum] die Denkungsart“. 1 A: „Der glänzt“. 2 A: „Ihr nun so“.

Grabschrift.“ – Fr.: Wie lautet sie ? Antw.: „Hier ruht König Karl II., welcher in seinem Leben viel Kluges gesagt und nie was Kluges getan hat.“3 In Gesellschaft stumm sein, und nur dann und wann ein ganz gemeines Urteil fallen lassen, sieht aus wie verständig sein, so wie ein gewisser Grad G r o b h e i t für (alte deutsche) E h r l i c h k e i t ausgegeben wird. *** Der natürliche Verstand kann nun noch durch Belehrung mit vielen Begriffen bereichert und mit Regeln ausgestattet werden; aber das zweite intellektuelle Vermögen, nämlich das der Unterscheidung, ob etwas ein Fall der Regel sei oder nicht, die U r t e i l s k r a f t (iudicium), kann nicht b e l e h r t, sondern nur geübt werden; daher ihr Wachstum R e i f e, und derjenige Verstand heisst, der nicht vor Jahren kommt. Es ist auch leicht einzusehen, dass dies nicht anders sein könne; denn Belehrung geschieht durch Mitteilung der Regeln. Sollte es also Lehren für die Urteilskraft geben, so müsste es allgemeine Regeln geben, nach welchen man unterscheiden könnte1, ob etwas der Fall der Regel sei oder nicht: welches2 eine Rückfrage ins Unendliche abgibt. Dies3 ist [[BA 120>> also der Verstand, von dem man sagt, dass er nicht vor den Jahren kömmt; der auf eigener langen Erfahrung gegründet ist und dessen Urteil eine französische Republik4 bei dem Hause der so genannten Ältesten sucht. Dieses Vermögen, welches nur auf das geht, was tunlich ist, was sich schickt, und was sich geziemt (für technische5, ästhetische und praktische Urteilskraft), ist nicht so schimmernd, als dasjenige, welches erweiternd ist 6; denn es geht bloss dem gesunden Verstande zur Seite und macht den Verband7 zwischen diesem und der Vernunft. § 408. Wenn nun Verstand das Vermögen der Regeln, die Urteilskraft das Vermögen, das Besondere, sofern es ein Fall dieser Regel ist, aufzufinden, ist, so ist die V e r n u n f t das Vermögen, von dem Allgemeinen das Besondere abzuleiten und dieses letztere also nach Prinzipien und als notwendig vorzustellen. – Man kann sie also auch durch das Vermögen, nach Grundsätzen9 zu u r t e i l e n und (in praktischer Rücksicht) zu h a n d e l n, erklären 10. Zu jedem moralischen11 Urteile (mithin auch der Religion) bedarf der Mensch Vernunft und kann sich nicht auf Satzungen und eingeführte Gebräuche fussen. – I d e e n sind Vernunftbegriffe, denen kein Gegenstand in der Erfahrung adäquat gegeben werden kann. Sie sind weder Anschauungen (wie die von Raum und Zeit), noch Gefühle (wie die Glückseligkeitslehre sie sucht), welche beide zur Sinnlichkeit gehören; sondern Begriffe von einer Vollkommenheit, der man sich zwar immer nähern, sie aber nie vollständig erreichen kann. [[BA 121>> V e r n ü n f t e l e i (ohne gesunde Vernunft) ist ein den Endzweck vorbeigehender Gebrauch der Vernunft, teils aus Unvermögen, teils aus Verfehlung des Gesichtspunkts. M i t V e r n u n f t r a s e n heisst: der Form seiner Gedanken1 nach zwar nach Prinzipien verfahren, der Materie aber, oder2 dem Zwecke nach, die diesem gerade entgegengesetzten Mittel anwenden.

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Am Rand von H: „Rochester“. A: „könne“. 2 H: „nicht [d. i. man müsste das Allgemeine wie etwas] [welche Bedingung ins Unendliche] welches“. 3 H: „Das“. 4 H: „Urteil selbst eine Republik“. 5 A: „theoretische“. 6 H: „als diejenige welche erweiternd sind“. 7 H: „das Band“. 8 A: „§ 33”; Akad.-Ausg.: „§ 43”. 9 H: „nach Prinzipien“. 10 H: „benennen“. 11 H: „m o r a l i s c h e n“. 1 A: „Gedankenrichtung“. 2 Zusatz von B. 1

S u b a l t e r n e müssen nicht vernünfteln (räsonieren), weil ihnen das Prinzip, wornach gehandelt werden soll, oft3 verhehlt werden muss, wenigstens unbekannt bleiben darf; der Befehlshaber (General) aber muss Vernunft haben; weil ihm nicht 4 für jeden vorkommenden Fall Instruktion gegeben werden kann. Dass aber der sogenannte Laie (laicus) in Sachen der Religion, da5 diese als Moral gewürdigt werden muss, sich seiner eigenen Vernunft nicht bedienen, sondern dem bestallten G e i s t l i c h e n (clericus), mithin fremder Vernunft, folgen solle6, ist ungerecht zu verlangen; da im Moralischen ein jeder sein Tun und Lassen selbst verantworten muss, und der Geistliche die Rechenschaft darüber nicht auf seine eigene Gefahr übernehmen wird, oder es auch nur kann. In diesen Fällen aber sind die Menschen geneigt, mehr Sicherheit für ihre Person darin zu setzen, dass sie sich alles eigenen Vernunftgebrauchs begeben, und sich passiv und gehorsam unter eingeführte Satzungen heiliger Männer fügen. Dies tun sie aber nicht so wohl aus dem Gefühl ihres Unvermögens in Einsichten (denn das Wesentliche aller Religion ist doch Moral, die jedem Men[[BA 122>>schen bald von selbst einleuchtet), sondern aus A r g l i s t, teils um, wenn etwa hiebei gefehlt sein möchte, die Schuld auf andere schieben zu können, teils und vornehmlich um jenem Wesentlichen (der Herzensänderung), welches viel schwerer ist als Kultus, mit guter Art auszuweichen. W e i s h e i t, als die Idee vom gesetzmässigvollkommenen 1 praktischen Gebrauch der Vernunft, ist wohl zu viel von Menschen gefordert; aber auch selbst dem mindesten Grade nach kann sie ein anderer ihm nicht 2 eingiessen, sondern er muss sie aus sich selbst herausbringen. Die Vorschrift, dazu zu gelangen, enthält drei dahin führende Maximen: 1) Selbstdenken, 2) sich (in der Mitteilung mit Menschen) an die Stelle des anderen zu denken, 3) jederzeit mit sich selbst einstimmig zu denken. Das Zeitalter der Gelangung des Menschen zum vollständigen Gebrauch seiner Vernunft kann in Ansehung seiner G e s c h i c k l i c h k e i t (Kunstvermögens zu beliebiger Absicht) etwa ins zwanzigste, das in Ansehung der K l u g h e i t (andere Menschen zu seinen Absichten zu brauchen) ins vierzigste, endlich das der W e i s h e i t etwa im sechzigsten anberaumt werden; in welcher letzteren Epoche aber sie mehr n e g a t i v ist, alle Torheiten der beiden ersteren einzusehen; wo man sagen kann: „es ist schade, alsdann sterben zu müssen, wenn man nun allererst gelernt hat, wie man recht gut hätte leben sollen 3“, und wo selbst dieses Urteil noch selten ist; indem die Anhänglichkeit am Leben desto stärker wird, je weniger es, sowohl im Tun als Geniessen, Wert hat. [[BA 123>> § 414. So wie das Vermögen, zum Allgemeinen (der Regel) das Besondere auszufinden, U r t e i l s k r a f t, so ist dasjenige: zum Besondern das Allgemeine auszudenken, der W i t z (ingenium). Das erstere geht auf Bemerkung der Unterschiede unter dem Mannigfaltigen zum Teil Identischen5; das zweite auf die Identität des Mannigfaltigen zum Teil6 Verschiedenen. – Das vorzüglichste Talent in beiden ist, auch die kleinsten Ähnlichkeiten oder Unähnlichkeiten zu bemerken. Das Vermögen dazu ist S c h a r f s i n n i g k e i t1 (acumen) und Bemerkungen dieser Art heissen S u b t i l i t ä t e n; welche, wenn sie doch die Erkenntnis nicht weiter bringen, leere S p i t z f i n d i g k e i t e n oder eitele V e r n ü n f t e l e i e n (vanae argutationes) heissen2, und, obgleich eben nicht unwahre, doch 3

H: „[unbekannt bleiben] auch oft“. Am Rand von H: „Vorläufige Urteile“. 5 H: „[so fern] da“. 6 A: „müsse“. 1 H: „[gesetzmässig-grössten] gesetzmässig-vollkommenen“. 2 A: „aber ein anderer kann sie ihm doch, selbst dem mindesten Grade nach, nicht“. 3 H: „leben [sollen] können“. 4 A: „[[BA 123>> § 34”; Akad.-Ausg.: „§ 44”. 5 H: „Mannigfaltigen identischen“. 6 Zusatz von B. 1 H: „vorzügliche Talent in beiden such ... zu bemerken ist Scharfsinnigkeit“. 2 Zusatz von B. 4

unnütze3 Verwendung des Verstandes überhaupt sich zu Schulden kommen lassen. – Also ist die Scharfsinnigkeit nicht bloss an die Urteilskraft gebunden, sondern kommt auch dem Witze zu; nur dass sie im erstern Fall mehr der G e n a u i g k e i t halber (cognitio exacta), im zweiten des R e i c h t u m s des guten Kopfs wegen, als verdienstlich betrachtet wird: weshalb auch der Witz blühend genannt wird, und wie die Natur in ihren Blumen mehr ein Spiel, dagegen in den Früchten ein Geschäfte zu treiben scheint, so wird das Talent, was in diesem angetroffen wird, für geringer im Rang (nach den Zwecken der Vernunft), als das beurteilt, was der ersteren zukommt. – Der gemeine und g e s u n d e Verstand macht weder Anspruch auf Witz noch auf Scharfsinnigkeit 4: welche eine Art von Luxus der Köpfe abgeben, da hingegen jener sich auf das wahre Bedürfnis einschränkt. [[BA 124>> VON DEN SCHWÄCHEN UND KRANKHEITEN DER SEELE IN ANSEHUNG IHRES ERKENNTNISVERMÖGENS A. ALLGEMEINE EINTEILUNG2 § 425. Die Fehler des Erkenntnisvermögens sind entweder G e m ü t s s c h w ä c h e n, oder G e m ü t s k r a n k h e i t e n. Die Krankheiten der Seele in Ansehung des Erkennteisvermögens lassen sich unter zwei Hauptgattungen bringen. Die eine ist die G r i l l e n k r a n k h e i t (Hypochondrie) und die andere das g e s t ö r t e Gemüt (Manie). Bei1 der e r s t e r e n ist sich der Kranke wohl bewusst, dass es mit dem Laufe seiner Gedanken nicht richtig zugehe; indem den Gang derselben zu richten, ihn aufzuhalten oder anzutreiben, seine Vernunft nicht hinreichende Gewalt über sich selbst hat. Unzeitige Freude und unzeitige Bekümmernisse, mithin Launen, wechseln, wie das Wetter, das man nehmen muss, wie es sich findet, in ihm ab. – Das zweite ist ein willkürlicher Lauf 2 seiner Gedanken, der seine eigene (subjektive) Regel hat, welche aber den (objektiven), mit Erfahrungsgesetzen zusammenstimmenden, zuwider läuft3. In Ansehung der Sinnenvorstellung ist die Gemütsstörung entweder U n s i n n i g k e i t4 oder Wahnsinn. Als Verkehrtheit der Urteilskraft und der Vernunft heisst sie5 W a h n w i t z oder A b e r w i t z. Wer bei seinen 6 Einbildungen die Vergleichung mit den Gesetzen der Erfahrung habituell unterlässt (wachend träumet), ist P h a n t a s t (Grillenfänger); ist er es mit A f f e k t, so heisst [[B 125>> er E n t h u s i a s t. Unerwartete Anwandlungen des Phantasten heissen Ü b e r f ä l l e der Phantasterei (raptus). Der Einfältige, Unkluge, Dumme, Geck, Tor und Narr unterscheiden sich vom Gestörten nicht bloss in Graden, sondern in der verschiedenen Qualität ihrer Ge[[A 125>>mütsverstimmung, und jene gehören, ihrer Gebrechen wegen, noch nicht ins Narrenhospital, d. i. einen Ort, wo Menschen7, unerachtet der Reife und Stärke ihres Alters, 3

H: „unnütze [Verschwendungen des der Ver]“. Am Rand von H: „Von der natürl. und bürgerlichen Unmündigkeit. // Wie viel räumt nicht die Vemunft in Ansehung der sein-sollen- den Geschichte auf. Sie ist nicht bloss Fabel sondern grosse Lüge. // Spitzfindigkeit und Mikrologie Mutmassung, Vorbegriffe zum Erfinden Sagazitätsvermögen – Wahrscheinlichkeit für die Urteilskraft. Einsicht für die Vernunft. Begreifung dessen was man selbst machen kann mathematic. Man wundert sich doch darüber dass es so erfolgt“. 2 Zusatz von B. 5 Akad.-Ausg.: „§ 45”. 1 A: „§ 35. Die oberste Einteilung ist in die, welche Grillenkrankheit (Hypochondrie) und die, welche g e s t ö r t e s Gemüt (delirium) genannt wird. Bei“. 2 H: „ein unwillkürlicher Lauf“. 3 H: „den (objektiven) Erfahrungsgesetzen zuwider läuft“. 4 A: „B l ö d s i n n i g k e i t“. 5 Zusatz von B. 6 H: „Wer zu seinen“. 7 A: „wo sie“. 4

doch in Ansehung8 der geringsten Lebensangelegenheiten durch fremde Vernunft in Ordnung gehalten werden müssen. – Wahn- sinn mit Affekt ist T o l l h e i t; welche oft original dabei aber unwillkürlich anwandelnd sein kann und alsdann, wie die dichterische Begeisterung1 (furor poeticus), an das G e n i e grenzt; ein solcher Anfall aber der leichteren, aber ungeregelten Zuströmung2 von Ideen, we.nn er die Vernunft trifft, heisst S c h w ä r m e r e i. Das H i n b r ü t e n über einer und derselben Idee 3, die doch keinen möglichen Zweck hat, z. B. über den Verlust eines Gatten, der doch ins Leben nicht zurückzurufen ist, um in dem Schmerz selbst Beruhigung zu suchen, ist stumme V e r r ü c k t h e i t. – Der A b e r g l a u b e ist mehr mit dem Wahnsinn, die S c h w ä r m e r e i mit dem W a h n w i t z zu vergleichen. Der letztere Kopfkranke wird oft auch (mit gemildertem Ausdrucke) e x a l t i e r t, auch wohl exzentrischer Kopf genannt. Das Irrereden in Fiebern, oder der mit Epilepsie verwandte Anfall von Raserei, welcher bisweilen durch starke Einbildungskraft beim blossen starren Anblick eines Rasenden sympathetisch erregt wird (weshalb es auch Leuten von sehr beweglichen Nerven nicht zu raten ist, ihre Kuriosität bis zu den Klausen dieser Unglücklichen [[B 126>> zu erstrecken), ist, als vorübergehend, noch nicht für Verrückung zu halten. – Was man aber einen W u r m nennt (nicht Gemütskrankheit; denn darunter versteht man gewöhnlich schwermütige Verschrobenheit des in[[A 126>>neren Sinnes), ist mehrenteils ein an Wahnsinn grenzender H o c h m u t des Menschen, dessen Ansinnen4, dass andere sich selbst in Vergleichung mit ihm verachten sollen, seiner5 eigenen Absicht (wie die eines Verrückten) gerade zuwider ist; indem er diese eben dadurch reizt, seinem Eigendünkel auf alle mögliche Art Abbruch zu tun, ihn zu zwacken, und, seiner beleidigenden Torheit wegen, dem Gelächter bloss zu stellen. 6 – Gelinder ist der Ausdruck von einer G r i l l e (marotte), die jemand bei sich nähret: ein populär sein sollender Grundsatz, der doch nirgend bei Klugen Beifall findet, z. B. von seiner Gabe der Ahndungen, gewissen dem Genius des Sokrates ähnlichen Eingebungen, gewissen in der Erfahrung begründet sein sollenden, obgleich unerklärlichen Einflüssen, als der Sympathie, Antipathie, Idiosynkrasie (qualitates occultae), die ihm gleichsam, wie eine Hausgrille, im Kopfe tschirpt und die doch kein anderer hören kann. – Die gelindeste unter allen Abschweifungen über die Grenzlinie des gesunden Verstandes ist das S t e c k e n p f e r d; eine Liebhaberei, sich an Gegenständen der Einbildungskraft, mit denen der Verstand zur Unterhaltung bloss spielt, als mit einem Geschäfte geflissentlich zu befassen, gleichsam ein beschäftigter Müssiggang1. Für alte, sich in Ruhe setzende und bemittelte Leute ist diese, gleichsam in die sorglose Kindheit sich wieder zurückziehende, Gemütslage nicht allein als eine die Lebenskraft immer rege erhaltende Agitation der Gesundheit zu[[B 127>>träglich, sondern auch liebenswürdig, dabei aber auch belachenswert; so doch dass der Belachte gutmütig2 mitlachen kann. – Aber auch bei Jüngeren und Beschäftigten dient diese Reiterei zur Erholung, und Klüglinge, die so kleine unschuldige Torheiten mit pedantischem Ernste rügen, verdienen S t e r n e s Zurechtweisung 3: „Lass doch einen jeden auf seinem 8

H: „Alters [doch keinen eigenen Willen haben sondern dem eines andern unterworfen sein müsssen] doch in Ansehung“. 1 A: „der Dichteranfall“. 2 H: „der leichten Zuströmung“. 3 H (Cassirer): „über eine und dieselbe Idee“. 4 A: „Menschen, der, weil das Ansinnen“. 5 H: „sollen [Beleidigung ist die aber ihrer] seiner“. 6 Am Rand von H: „Bedlam. Überstudiert // mit sich laut sprechen. Die Linie passiert sein. Sonderling hat einen Sparren. Philantie Hochmut ob sie aus der Störung herkommen oder sie erzeugen // Empfindelei ist Krankheit. Einen Wurm haben. Nicht das Schiesspulver // Steckenpferd. Der auf den Nutzen und die Bestätigung seines Gedachten in der Nachwelt rechnet wird für einen Phantasten gehalten oder Schwärmer – Kinder sind nicht gestört. circa obiectum“. 1 H: „eine beschäftigte Müssigkeit“. 2 H: „[frohen Muts] gutmütig“. 3 A: „Erholung und die kleine [[A 127>> Torheit verdient wohl S t e r n e s Zurechtweisung der Klüglinge“.

Steckenpferde die Strassen der Stadt auf und nieder reiten: w e n n e r d i c h n u r n i c h t n ö t i g t, h i n t e n a u f z u s i t z e n“. B. 4VON DEN GEMÜTSSCHWÄCHEN IM ERKENNTNISVERMÖGEN § 435. Dem es an Witz mangelt, ist der s t u m p f e Kopf (obtusum caput). Er kann übrigens, wo es auf Verstand und Vernunft ankommt, ein sehr guter Kopf sein; nur muss man ihm nicht zumuten, den Paeten zu spielen: wie dem Clavius, den sein Schulmeister schon beim Grobschmied in die Lehre geben wollte, weil er keine Verse machen konnte, der aber, als er ein mathematisches Buch in die Hände bekam, ein grosser Mathematiker ward. – Ein Kopf von l a n g s a m e r Begreifung ist darum noch nicht ein schwacher Kopf; so wie der von behenden Begriffen1 nicht immer auch ein gründlicher, sondern oft sehr seicht ist. Der Mangel der Urteilskraft o h n e Witz ist D u m m h e i t (stupiditas). Derselbe Mangel aber m i t Witz ist A l b e r n h e i t. – Wer Urteilskraft in [[B 128>> Geschäften zeigt, ist g e s c h e u t. Hat er dabei zugleich Witz, so heisst er k l u g. – Der, welcher eine dieser Eigenschaften bloss affektiert, der W i t z l i n g sowohl als der K l ü g l i n g, ist ein ekelhaftes Subjekt. – Durch Schaden wird man g e w i t z i g t; wer es aber in dieser [[A 128>> Schule so weit gebracht hat, dass er andere durch ihren Schaden klug machen kann,ist a b g e w i t z t. – U n w i s s e n h e i t ist nicht Dummheit: wie eine gewisse Dame auf die Frage eines Akademikers: „Fressen die Pferde auch des Nachts ?” erwiderte: „Wie kann doch ein so gelehrter Mann so dumm sein ?” Sonst ist es Beweis von gutem Verstande, wenn der Mensch auch nur weiss, wie er gut fragen soll (um entweder von der Natur oder einem anderen Menschen belehrt zu werden). E i n f ä l t i g ist der, welcher n i c h t v i e l durch seinen Verstand auffassen kann; aber er ist darum nicht dumm, wenn er es nicht verkehrt auffasst. Ehrlich 2 aber d u m m (wie einige ungebührlich den pommerschen Bedienten beschreiben) ist ein falscher und höchsttadelhafter Spruch. Er ist falsch: denn Ehrlichkeit (Pflichtbeobachtung aus Grundsätzen) ist praktische Vernunft. Er ist höchsttadelhaft 3: weil er voraussetzt, dass ein jeder, wenn er sich nur dazu geschickt fühlte, betrügen würde, und dass er nicht betrügt, bloss von seinem Unvermögen herrühre.4 – Daher die Sprichwörter: „Er hat das Schiesspulver nicht erfunden, er wird das Land nicht verraten, er ist kein Hexenmeister” menschenfeindliche Grundsätze verraten: dass man nämlich, bei Voraussetzung eines guten Willens der Menschen, die wir kennen, doch nicht sicher sein könne, sondern nur beim [[B 129>> Unvermögen derselben. – So, sagt H u m e, vertraut der Grosssultan seinen Harem nicht der Tugend derjenigen, welehe ihn bewachen sollen, sondern ihrem Unvermögen (als schwarzen Verschnittenen) an. – In Ansehung des U m f a n g s seiner Begriffe sehr beschränkt (b o r n i e r t) [[A 129>> zu sein, macht die Dummheit noch nicht aus, sondern es kommt auf die B e s c h a f f e n h e i t derselben (die Grundsätze) an. – Dass sich Leute von Schatzgräbern, Goldmachern und Lotteriehändlern hinhalten lassen, ist nicht ihrer Dummheit, sondern ihrem bösen Willen zuzuschreiben: ohne proportionierte eigene Bemühung auf Kosten anderer reich zu werden. Die V e r s c h l a g e n h e i t, Verschmitztheit, Schlauigkeit (versutia, astutia) ist die Geschicklichkeit, andere zu betrügen. Bie Frage ist nun: Ob der Betrüger k l ü g e r sein müsse, als der, welcher leicht betrogen wird, und der letztere der Dumme sei. Der T r e u h e r z i g e, welcher leicht v e r t r a u t (glaubt, Kredit gibt), wird auch wohl bisweilen, weil er ein 4

A: „A”. A: „§ 36”; Akad.-Ausg.: „§ 46”. 1 H: „von b e h e n d e m Begriffe“. 2 H (Cassirer): „E h r l i c h“. 3 H: „[schädlich] höchsttadelhaft“. 4 Am Rand von H: „Schatzgraben, Goldmachen und Lotteriespielen – Aberglauben den alle haben die aufs Glück rechnen. Fischer Jäger“. 5

leichter Fang für Schelme ist, obzwar sehr ungebührlich, N a r r genannt; in dem Sprichwort: wenn die Narren zu Markte kommen, so freuen sich die Kaufleute. Es ist wahr und klug, dass ich dem, der mich einma1 betrogen hat, niemals mehr traue; denn er ist in seinen Grundsätzen verdorben. Aber darum, weil mich e i n e r betrogen hat, keinem a n d e r e n Menschen zu trauen, ist Misanthropie. Der Betrüger ist eigentlich der Narr. – Aber wie, wenn er auf einmal durch einen grossen Betrug sich in den Stand zu setzen gewusst hat, keines anderen und seines Zutrauens mehr zu bedürfen ? In dem Fall ändert sich wohl der Charakter,unter dem er e r s c h e i n t, aber nur dahin: dass, anstatt der betrogene [[B 130>> Betrüger a u s g e l a c h t, der glückliche a n g e s p i e n wird; wobei doch auch kein dauernder Vorteil ist.*14 [[B 131, A 130>> § 441. Z e r s t r e u u n g (distractio) ist der Zustand einer Abkehrung der Aufmerksamkeit (abstractio) von gewissen herrschenden Vorstellungen, durch Verteilung derselben auf andere ungleichartige. Ist sie vorsetzlich 2, so heisst sie D i s s i p a t i o n; die unwillkürliche aber ist A b w e s e n h e i t (absentia) von sich selbst. [[A 131>> Es ist eine von den Gemütsschwächen, durch die reproduktive Einbildungskraft an eine Vorstellung, auf welche man grosse oder anhaltende 1 Aufmerksamkeit verwandt hat, geheftet zu sein, und von ihr nicht abkommen, d. i. den Lauf der Einbildungskraft wiederum frei [[B 132>> machen zu können. Wenn dieses Übel habituell und auf einen und denselben Gegenstand gerichtet wird, so kann es in Wahnsinn ausschlagen. In Gesellschaft zerstreut zu sein, ist unhöflich, oft auch lächerlich. Das Frauenzimmer ist dieser Anwandlung gewöhnlich nicht [[A 132>> unterworfen; sie müssten denn sich mit Gelehrsamkeit abgeben. Ein Bedienter, der in seiner Aufwartung bei Tische *

Die unter uns lebenden Palästiner sind durch ihren Wuchergeist seit ihrem Exil, auch was die grösste Menge be[[Anm. A 130>>trifft, in den nicht ungegründeten Ruf des Betruges gekommen. Es scheint nun zwar befremdlich, sich eine N a t i o n von Betrügern zu denken; aber eben so befremdlich ist es doch auch, eine Nation von lauter Kaufleuten zu denken, deren bei weitem grösster Teil, durch einen alten, von dem Staat, darin sie leben, anerkannten Aberglauben verbunden, keine bürgerliche Ehre sucht, sondern dieser ihren Verlust durch die Vorteile der Überlistung des Volks, unter dem sie Schutz finden, und selbst ihrer untereinander, ersetzen wollen. Nun kann dieses bei einer ganzen Nation von lauter Kaufleuten, als nicht-produzierenden Gliedern der Gesellschaft (z. B. der Juden in Polen), auch nicht anders sein; mithin kann ihre; durch alte Satzungen sanktionierte, von uns (die wir gewisse heilige Bücher mit ihnen gemein haben), unter denen sie leben, selbst anerkannte Verfassung, ob sie zwar den Spruch: „Käufer, tue die Augen auf“ zum obersten Grundsatze ihrer Moral im Verkehr mit uns machen, ohne Inkonsequenz nicht aufgehoben werden. – Statt der vergeblichen Plane, dieses Volk, in Rücksicht auf den Punkt des Betrugs und der Ehrlichkeit, zu moralisieren, will ich lieber meine Vermutung vom Ursprunge dieser sonderbaren Verfassung (nämlich eines Volks von lauter Kaufleuten) angeben. – – Der Reichtum ist, in den ältesten Zeiten, durch den Handel mit Indien und von da über Land bis zu den westlichen Küsten des Mittelländischen Meeres und den Häfen von Phönizien (wozu auch Palästina gehört) geführt wor[[Anm. A 131>>den. – Nun hat er zwar über manche andere Örter, z.B. Palmyra, in älteren Zeiten Tyrus, Sidon oder auch, mit einigem Absprung über Meer, als [[Anm. B 131>> Eziongeber und Elat, auch wohl von der arabischen Küste auf Grosstheben und so über Ägypten nach jener syrischen Küste seinen Weg nehmen können; aber Palästina, worin Jerusalem die Hauptstadt war, lag für den Karawanenhandel auch sehr vorteilhaft. Vermutlich ist das Phänomen des ehemaligen Salomonischen Reichtums die Wirkung davon und das Land umher selbst bis zur Zeit der Römer voller Kaufleute gewesen, die nach Zerstörung dieser Stadt, weil sie mit anderen Handelsleuten dieser Sprache und Glaubens sehon vorher im ausgebreiteten Verkehr gestanden hatten, sich, samt beiden, nach und nach in weit entfernte Länder (in Europa) verbreiten, im Zusammenhange bleiben, und bei den Staaten, dahin sie zogen, wegen der Vorteile ihres Handels Schutz finden konnten; – so, dass ihre Zerstreuung in alle Welt mit ihrer Vereinigung in Religion und Sprache gar nicht auf Rechnung eines über dieses Volk ergangenen F l u c h s gebracht, sondern vielmehr als S e g n u n g angesehen werden muss: zumal der Reichtum derselben, als Individuen geschätzt, wahrscheinlich den eines jeden anderen Volks von gleicher Personenzahl jetzt übersteigt. 4 1 Am Rand von H: „absentia – lange Weik // Romanles. Zerstreuung // Glauben, Kredit“. 4 H: „konnten So ward das grösste Verderben ihres Staats das grösste Glück für die Individuen. Denn es ist zu glauben dass der G e l d reichtum dieses so weit verbreiteten Volks den von jedem anderen von derselben Menschenzahl wenn er zusammen flösse (wozu der Morris Cangallerie einen Vorschlag tat) übertreffen würde. – Vorausgesetzt dass Reichtum ein Glück ist.“ 1 A: „§ 37”; Akad.-Ausg.: „§ 47”. 2 H: „[willkürlich] vorsetzlich“. 1 H: „oder lange anhaltende“.

zerstreut ist, hat gemeiniglich etwas Arges, entweder was er vorhat, oder wovon er die Folge besorgt, im Kopfe. Aber s i c h z u z e r s t r e u e n, d. i. 2 seiner unwillkürlich reproduktiven Einbildungskraft eine Diversion machen, z. B. wenn der Geistliche seine memorierte Predigt gehalten, und das Nachrumoren im Kopf verhindern will, dies ist ein notwendiges, zum Teil auch künstliches Verfahren der Vorsorge für die Gesundheit seines Gemüts. Ein anhaltendes Nachdenken über einen und denselben Gegenstand lässt gleichsam einen Nachklang zurück, der (wie eben dieselbe Musik zu einem Tanze, wenn sie lange fortdauert, dem von der Lustbarkeit Zurückkehrenden noch immer nachsummt, oder wie Kinder ein3 und dasselbe bon mot von ihrer Art, vornehmlich wenn es rhythmisch klingt, unaufhörlich wiederholen) – der, sage ich, den Kopf belästigt und nur durch Zerstreuung und Verwendung der Anfmerksamkeit auf andere Gegenstände, z. B. Lesung der Zeitungen, gehoben1 werden kann. – Das sich W i e d e r s a m m e l n (collectio animi), um zu jeder neuen Beschäftigung bereit zu sein, ist eine die Gesundheit des Gemüts befördernde Herstellung des Gleichgewichts seiner Seelenkräfte. [[B 133>> Dazu ist gesellschaftliche, mit wechselnden Materien – gleich einem Spiel – angefüllte Unterhaltung das heilsamste Mittel; sie muss aber nicht von einer auf die andere, wider die natürli[[A 133>>che Verwandtschaft der Ideen, abspringend sein; denn sonst geht die Gesellschaft im Zustande eines zerstreuten Gemüts auseinander, indem das Hundertste mit dem Tausendsten vermischt., und Einheit der Unterredung gänzlich vermisst wird, also das Gemüt sich verwirrt findet, und einer neuen Zerstreuung bedarf, um2 jene los zu werden. Man sieht hieraus: dass es eine (nicht gemeine) zur. Diätetik des Gemüts gehörige Kunst für Beschäftigte gibt, sich zu zerstreuen, um Kräfte zu sammeln. – Wenn man aber seine Gedanken gesammelt, d. i. in Bereitschaft gesetzt hat, sie nach beliebiger Absicht zu benutzen, so kann man doch den, der an einem nicht schicklichen Orte, oder in einem dergleichen Geschäfts-Verhältnis zu anderen seinen Gedanken gewissentlich nachhängt, und darüber jene Verhältnisse nicht in Acht nimmt, nicht den Z e r s t r e u t e n nennen, sondern ihm nur Geistesabwesenheit vorwerfen, welche freilich in der G e s e l l s c h a f t etwas Unschickliches ist. – Es ist also eine nicht gemeine Kunst, sich zu zerstreuen, ohne doch jemals zerstreut zu sein; welches letztere, wenn es habituell wird, dem Menschen, der diesem Übel unterworfen ist, das Ansehen eines Träumers gibt, und ihn für die Gesellschaft unnütze macht; indem er seiner, durch keine Vernunft geordneten, Einbildungskraft in ihrem freien Spiel blindlings folgt. – Das R o m a n l e s e n hat, ausser manchen anderen Verstimmungen des Gemüts, auch die[[B 134>>ses zur Folge, dass1 es die Zerstreuung habituell macht. Denn ob es gleich, durch Zeichnung von Charakteren, die sich wirklich unter Menschen auffinden lassen (wenn gleich mit einiger Übertreibung), den Gedanken einen Z u s a m [[A 134>> m e n h a n g als in einer wahren Geschichte gibt, deren Vortrag immer auf gewisse Weise s y s t e m a t i s c h sein muss, so erlaubt es doch zugleich dem Gemüt, während dem Lesen Abschweifungen (nämlich noch andere Begebenheiten als Erdichtungen) mit einzuschieben, und der Gedankengang wird f r a g m e n t a r i s c h, so dass man die Vorstellungen eines und desselben Objekts zerstreut (sparsim), nicht verbunden (coniunctim) nach Verstandeseinheit im Gemüte spielen lässt2. Der Lehrer von der Kanzel, oder im akademischen Hörsaal, oder auch der Gerichtsankläger oder Advokat, wenn er im freien Vortrage (aus dem Stegreif), allenfalls auch im Erzählen, Gemütsfassung beweisen soll, muss d r e i Aufmerksamkeiten 3 beweisen: erstlich des Sehens auf das, was er j e t z t sagt, um es klar vorzustellen; zweitens 2

A: „zerstreuen (dissipatio), d. i.“. A: „oder wenn man Kinder hört ein“. 1 A: „Zeitungen, nach angestrengtem Nachsinnen über einen philosophischen Punkt gehoben“. 2 A: „auseinsnder, da, das Hundertste mit dem Tausendsten vermischt, Einheit ... vermisst, und das Gemüt sich verwirrt findet, bedarf also einer neuen Zerstreuung, um“. 1 H: „dieses an sich dass“. 2 A: „f r a g m e n t a r i s c h, die Vorstellungen... spielen zu lassen“. 3 H: „Achtsamkeiten“. 3

des Zurücksehens auf das, was er g e s a g t h a t, und dann drittens des Vorhersehens auf das, was er eben nun s a g e n w i l l. Denn unterlässt er die Aufmerksamkeit auf eines dieser drei Stücke, nämlich sie in dieser Ordnung zusammenzustellen, so bringt er sich selbst und seinen Zuhörer oder Leser in Zerstreuung, und ein sonst guter Kopf kann doch nicht von sich ablehnen, ein k o n f u s e r zu heissen. § 454. Ein an sich gesunder Verstand (ohne Gemütsschwäche) kann doch auch mit Schwächen in Ansehung seiner Ausübung begleitet sein, die entweder A u f s c h u b zum W a c h s t u m bis zur gehörigen Reife, oder [[B 135>> auch S t e l l v e r t r e t u n g seiner Person durch eine andere in Ansehung der Geschäfte, die von bürgerlicher Qualität sind, notwendig machen. Die (natürliche oder gesetzliche) Unfähigkeit eines übrigens gesunden Menschen zum e i g e n e n Gebrauch seines Verstandes in bürgerlichen Geschäften heisst U n m ü n d i g k e i t; ist diese in der Unreife des Alters gegründet, so heisst sie M i n d e r j ä h r i g k e i t (Minorennität); beruht sie aber auf gesetzlichen Einrichtungen, in Rücksicht auf bürgerliche Geschäfte, so kann sie die g e s e t z l i c h e oder b ü r g e r l i c h e Unmündigkeit genannt werden. K i n d e r1 sind natürlicherweise unmündig und ihre Eltern ihre natürlichen Vormünder. Das W e i b in jedem Alter wird für2 bürgerlich-unmündig erklärt; der Ehemann ist ihr natürlicher Kurator. Wenn sie aber mit ihm in geteilten Gütern lebt, ist es ein anderer. – Denn ob gleich das Weib, nach der Natur ihres Geschlechts, Mundwerks genug hat, sich und ihren Mann, wenn es aufs Sprechen ankommt, auch vor Gericht (was das Mein und Dein betrifft) zu vertreten, mithin dem Buchstaben nach gar für ü b e r m ü n d i g erklärt werden könnte, so können die Frauen doch, so wenig es ihrem Geschlecht zusteht, in den Krieg zu ziehen, eben so wenig ihre Rechte persönlich verteidigen, und staatsbürgerliche Geschäfte für sich selbst, sondern3 nur vermittelst eines Stellvertreters treiben, und diese gesetzliche Unmündigkeit in Ansehung öffentlicher Verhandlungen macht sie in Ansehung der häuslichen Wohlfahrt nur4 desto vermögender; weil hier das R e c h t d e s S c h w ä c h e r e n eintritt, welches zu achten und zu verteidigen sich das [[B 136>> männliche Geschlecht durch seine Natur schon berufen fühlt. Aber sich selbst unmündig zu machen, so herabwürdigend es auch sein mag, ist doch sehr bequem und [[A 136>> natürlicherweise kann es nicht an Häuptern fehlen, die diese Lenksamkeit des grossen Haufens (weil er von selbst sich schwerlich vereinigt) zu benutzen, und die Gefahr, sich, ohne Leitung eines anderen, seines e i g e n e n Verstandes zu bedienen, als sehr gross, ja als tödlich vorzustellen wissen werden. Staatsoberhäupter 1 nennen sich L a n d e s v ä t e r, weil sie es besser als ihre U n t e r t a n e n verstehen, wie diese glücklich zu machen sind; das Volkaber ist, seines eigenen Besten wegen, zu einer beständigen Unmündigkeit verurteilt, und wenn A d a m S m i t h von jenen ungebührlicherweise sagt: „sie wären selbst, ohne Ausnahme, unter allen die grössten Verschwender“, so wird er doch durch die in manchen Ländern ergangenen (weisen!) Aufwandgesetze kräftig widerlegt. Der K l e r u s hält den L a i k e r strenge und beständig in seiner Unmündigkeit. Das Volk hat keine Stimme und kein Urteil in Ansehung des Weges, den es zum Himmelreich zu 4

A: „§ 38”; Akad.-Ausg.: „§ 48”. A: „machen. Man nennt dieses Unvermögen, oder auch die Unschicklichkeit eines übri[[A 135>>gens gesunden Menschen zum e i g e n e n Gebrauch seines Verstandes in bürgerlichen Geschäften die M i n d e r j ä h r i g k e i t; welche, wenn sie bloss der Mangel jener bürgerlichen Qualität ist, die g e s e t z l i c h e Unmündigkeit genannt werden kann. // Das Unvermögen (oder auch die Illegalität) sich seines Verstandes, ohne Leitung eines anderen, zu bedienen ist die U n m ü n d i g k e i t. – K i n d e r“; H: „machen. Man ... Minderjährigkeit. welche wenn sie bloss den Mangel an Jahren zur Ursache hat, die n a t ü r l i c h e, liegt sie am Mangel der bürgerlichen Qualität die [bloss] g e s e t z l i c h e Unmündigkeit genannt werden kann.“ Am Rand von H: „fragmentarisch, nicht zurück und vorwärts“. 2 H: „wird aber für“. 3 H: „verteidigen eigentliche staatsbürgerliche Geschäfte selbst sondern“. 4 H: „macht in Ansehung der häuslichen nur“. 1 H: „[Könige als] Staatsoberhäupter“. 1

nehmen hat. Es bedarf nicht eigener Augen des Menschen, um dahin zu gelangen; man wird ihn schon leiten, und wenn ihm gleich heilige Schriften in die Hände gegeben werden, um mit eigenen Augen zu sehen, so wird er doch zugleich von seinen Leitern gewarnet, „nichts anders darin zu finden, als was diese darin zu finden versichern“, und überall ist mechanische Handhabung der Menschen unter dem Regiment anderer [[B 137>> das2 sicherste Mittel zu Befolgung einer gesetzlichen Ordnung. Gelehrte lassen3 sich in Ansehung der häuslichen Anordnungen4 gemeiniglich gern von ihren Frauen in der [[A 137>> Unmündigkeit erhalten. Ein unter seinen Büchern begrabener Gelehrter antwortete auf das Geschrei eines Bedienten, es sei in einem der Zimmer Feuer: „ihr wisst, dass dergleichen Dinge für meine Frau gehören“. – Endlich kann auch von Staats wegen die schon erworbene Mündigkeit eines Verschwenders einen Rückfall in die bürgerliche Unmündigkeit nach sich ziehen, wenn er nach dem5 gesetzlichen Eintritt in die Majorennität eine Schwäche des Verstandes in Absicht auf die Verwaltung seines Vermögens zeigt, die ihn als Kind oder Blödsinnigen darstellt; worüber aber das Urteil ausser dem Felde der Anthropologie liegt. § 461. E i n f ä l t i g (hebes), ähnlich einem nicht gestählten Messer oder Beil, ist 2 der, welchem man nichts beibringen kann; der zum L e r n e n unfähig ist. Der nur zum Nachahmen geschickt3 ist, heisst ein P i n s e l; dagegen der4, welcher selbst Urheber eines Geistes- oder Kunstprodukts sein kann, ein K o p f. (Ganz unterschieden ist davon E i n f a l t, im Gegensatz der K ü n s t e l e i, von der man sagt: „vollkommene Kunst wird wieder zur Natur“ und zu der man nur spät gelangt.) Ein 5 Vermögen, durch Ersparung der Mittel – d. i. ohne Umschweif – zu eben demselben Zweck zu gelangen. Der diese Gabe besitzt (der Weise), ist, bei seiner Einfalt, gar nicht einfältig. [[BA 138>> D u m m heisst vornehmlich der, welcher zu Geschäften nicht gebraucht werden kann, weil er keine Urteilskraft besitzt. T o r ist der, welcher Zwecken, die keinen Wert haben, das aufopfert, was einen Wert hat; z. B. die häusliche Glückseligkeit dem Glanz ausser seinem Hause. Die Torheit, wenn sie beleidigend ist, heisst N a r r h e i t. – Man kann jemanden töricht nennen, ohne ihn zu beleidigen: ja er kann es selbst von sich gestehen; aber das Werkzeug der Schelme (nach Pope), N a r r, genannt zu heissen, kann niemand gelassen anhören. *6 H o c h m u t ist Narrheit, denn erstlich ist es t ö r i c h t, anderen zuzumuten, dass sie sich selbst in Vergleichung mit mir gering schätzen sollen, und so werden mir immer Q u e r s t r e i c h e zur Folge. Aber1 in dieser Zumutung steckt auch Beleidigung, und diese bewirkt verdienten H a s s. Das Wort N ä r r i n, gegen ein Frauenzimmer gebraucht, hat nicht die2 harte Bedeutung; weil ein Mann durch die eitle Anmassung des letzteren nicht glaubt beleidigt werden zu 2

H: „Menschen die unter dem Regiment anderer stehen das“. H: „[sind] [werden] lassen“. 4 H: „[Einrichtung] Anordnungen“. 5 A: „er beim“. 1 A: „B. Von dem Gradunterschiede in der Gemütsschwäche. § 39”; Akad.-Ausg.: „§ 49”. 2 H (Cassirer): „E i n f ä l t i g (hebes, [gleich] ähnlich ... Beil) ist“. 3 H: „geschicklich“. 4 Zusatz von B. 5 Akad.- Ausg.: „Kopf. Ganz ... E i n f a l t (im Gegensatz der K ü n s t e l e i), von ... gelangt, ein“. * Wenn man jemanden auf seine Schwänke erwidert: ihr seid n i c h t k l u g, so ist das ein etwas platter Ausdruck für: ihr s c h e r z t, oder ihr seid nicht g e s c h e u t. – Ein gescheuter Mensch ist ein richtig und praktisch, aber kunstlos urteilender Mensch. Erfahrung kann zwar einen gescheuten Menschen k l u g, d. i. zum k ü n s t l i ch e n Verstandesgebrauch geschickt, die N a t u r aber allein ihn gescheut machen. 6 6 H: „ihr scherzt mutwillig. – Gelinder ist die Erwiderung wenn der Deutsche sagt: ihr seid nicht gescheut. Ein gescheuter Mensch ist ein richtig aber kunstlos urteilender Mensch (der es gemeiniglich nur durch Erfahrung wird). Um ein Kluger genannt werden zu können dazu wird schon ein künstlicher Verstandesgebrauch erfordert.“ 1 H (Cassirer): „und sie werden mir immer Querstreiche spielen, die meine Absicht vereiteln; das hat aber nur A u s l a c h e n zur Folge. Aber“. 2 A: „diese“. 3

können. Und so scheint Narrheit bloss an den Begriff des Hochmuts eines Mannes gebunden zu sein. – Wenn man den, der sich selbst (zeitlich [[BA 139>> oder ewig) schadet, einen Narren nennt, folglich in die Veiachtung desselben Hass mischt, ob er zwar uns nicht beleidigt hat, so muss man sie sich als Beleidigung der Menschheit überhaupt, folglich als gegen einen anderen ausgeübt, denken. Wer seinem eigenen rechtmässigen Vorteil gerade entgegen handelt, wird auch bisweilen Narr genannt, ob er zwar nur sich allein schadet. A r o u e t, der Vater des Voltaire, sagte zu jemanden, der ihm zu seinen vorteilhaft bekannten Söhnen gratulierte: „ich habe zwei Narren zu Söhnen, der eine ist ein Narr in Prose, der andere in Versen“ (der eine hatte sich in den Jansenism geworfen und wurde veifolgt, der andere musste seine Spottgedichte mit der Bastille büssen). Überhaupt setzt der Tor einen grössern Wert in D i n g e, der Narr in s i c h s e l b s t, als er vernünftigerweise tun sollte. Die Betitelung eines Menschen als L a f f e n oder G e c k e n legt auch den Begriff ihrer U n k l u g h e i t als Narrheit zum Grunde. Der erste ist ein junger, der andere ein alter Narr; beide von Schelmen oder Schälken verleitet, wo der erstere doch noch Mitleiden, der andere aber bitteres Hohnlachen auf sich zieht. Ein witziger deutscher Philosoph und Dichter machte3 die Titel fat und sot (unter dem Gemeinnamen fou) durch ein Beispiel begreiflich: „Der erstere, sagt er, ist ein junger Deutsche, der nach Paris zieht; der zweite ist eben derselbe, nachdem er eben von Paris zurückgekommen ist1“. *** Die gänzliche Gemütsschwäche, die entweder selbst nicht zum tierischen Gebrauch der Lebenskraft (wie bei [[BA 140>> den K r e t i n e n des Walliserlandes), oder auch nur eben zur bloss mechanischen Nachahmung äusserer, durch Tiere möglichen Handlungen (Sägen, Graben etc.) zureicht, heisst B l ö d s i n n i g k i t und kann nicht wohl Seelenkrankheit, sondern eher Seelenlosigkeit betitelt werden.2 B3. VON DEN GEMÜTSKRANKHEITEN § 474. Die oberste Einteilung ist, wie bereits oben bemerkt worden,5 die in G r i l l e n k r a n k h e i t (Hypochondrie) und das g e s t ö r t e G e m ü t (Manie). Die Benennung der ersteren ist von der Analogie des Aufmerkens auf den tschirpenden Laut einer Heime (Hausgrille) in der Stille der Nacht hergenommen, welcher die Ruhe des Gemüts stört, die zum Schlafen erfordert wird. Die Krankheit des Hypochondristen besteht nun darin: dass gewisse innere körperliche Empfindungen nicht sowohl ein wirklich vorhandenes Übel im Körper entdecken, als vielmehr es nur besorgen lassen und die menschliche Natur von der besonderen Beschaffenheit ist (die das Tier nicht hat), durch6 Aufmerksamkeit auf gewisse lokale E i n d r ü c k e das Gefühl derselben zu verstärken oder auch anhaltend zu machen; da hingegen eine entweder7 vorsetzliche oder durch5 andere zerstreuende Beschäftigungen bewirkte A b s t r a k t i o n jene nachlassen, 8 und,wenn die letztere habituell wird, gar wegbleiben macht.* Auf solche Weise wird die Hypo[[A 141>>chondrie, als [[B 141>> 3

H: „[brachte die Klasse] machte“. A: „nachdem er eben nach Hause gekommen ist“; H: „wenn er wieder nach Hause gekommen ist“. 2 Am Rand von H: „Gemütskrankheiten sind 1. Schwächung 2 Störung und ein Mittel zwischen beiden (Raptus oder Hypochondrie) Grillenkrankheit“. 3 Zusatz von B; Akad.-Ausg.: „C“. 4 A: „§ 40”; Akad.-Ausg.: „§ 50”. 5 Zusatz von B. 6 H (Cassirer): „durch die“. 7 A: „hingegen, durch entweder“. 5 Zusatz von B. 8 H: „[verschwinden] nachlassen“. * Ich habe in einer andern Schrift angemerkt: dass Abwendung der Aufmerksamkeit von gewissen schmerzhaften [[Anm. B 141>> Empfindungen und Anstrengung derselben auf irgend einen an[[Anm. A 141>>dern willkürlich in Gedanken gefassten Gegenstand vermögend ist, jene so weit abzuwehren: dass sie nicht in Krankheit 1

Grillenkrankheit, die Ursache von Einbildungen körperlicher Übel, von denen sich der Patient bewusst ist, dass es Einbildungen sind, von Zeit zu Zeit aber sich nicht entbrechen kann, sie für etwas Wirkliches zu halten, oder, umgekehrt, aus einem wirklichen körperlichen Übel1 (wie das der Beklommenheit aus eingenommenen blähenden Speisen nach der Mahlzeit) sich Einbildungen von allerlei bedenklichen äusseren Begegnissen und Sorgen über sein Geschäfte2 zu machen, die sobald verschwinden, als, nach vollendeter Verdauung, die Blähung aufgehört hat. – – Der Hypochondrist ist ein Grillenfänger (Phantast) von der kümmerlichsten Art: eigensinnig, sich seine Einbildungen nicht ausreden zu lassen, und3 dem Arzt immer zu Halse gehend, der mit ihm seine liebe Not hat, ihn auch nicht anders als ein Kind (mit Pillen aus Brotkrumen statt Arzneimitteln) beruhigen kann3; und wenn dieser Patient, der vor immerwährendem Kränkeln nie krank werden kann, medizinische Bücher zu Rate zieht, so wird er vollends unerträglich4; weil er alle die Übel in seinem Körper zu fühlen glaubt, die er im Buche liest. – – Zum Kennzeichen dieser Einbildungskrankheit dient die ausserordentliche Lustigkeit, der lebhafte Witz und das fröhliche Lachen, denen sich dieser Kranke bisweilen überlassen fühlt, und so das immer wandelbare Spiel seiner Launen ist. Die auf kindische Art ängstliche5 Furcht vor dem Gedanken des T o d e s nährt diese Krankheit. Wer aber über diesen Ge[[BA 142>>danken nicht6 mit männlichem Mute wegsieht, wird des Lebens nie recht froh werden. Noch diesseits der Grenze des gestörten Gemüts ist der p l ö t z l i c h e W e c h s e l d e r L a u n e n 7 (raptus). Ein unerwarteter Absprung von einem Thema zu einem ganz verschiedenen, den sieh niemand gewärtigt. Bisweilen geht er vor jener Störung, die er ankündigt, vorher: oft aber ist der Kopf schon so verkehrt gestellt 1, dass diese Überfälle der Regellosigkeit bei ihm zur Regel werden. – Der Selbstmord ist oft bloss die Wirkung von einem R a p t u s. Denn der, welcher sich in der Heftigkeit des Affekts die Gurgel abschneidet2, lässt sich bald darauf geduldig sie wieder zunähen. Die T i e f s i n n i g k e i t (melancholia) kann auch ein blosser Wahn von Elend sein, den sich der T r ü b s i n n i g e3 (zum Grämen geneigte) Selbstquäler schafft. Sie ist selber zwar noch nicht Gemütsstörung, kann aber wohl dahin führen. 4 – Übrigens ist es ein verfehlter, doch oft vorkommender Ausdruck: von einem t i e f s i n n i g e n Mathematiker (z.B. Prof. Hausen) zu reden, indessen dass man bloss den tiefdenkenden meint. § 485. Das I r r e r e d e n (delirium) des Wachenden im f i e b e r h a f t e n Zustande ist eine körperliche Krankheit und bedarf medizinischer Vorkehrungen. Nur der Irreredende, bei welchem der Arzt keine solche krankhaften Zufälle wahrnimmt, heisst v e r r ü c k t; wofür das Wort g e s t ö r t nur ein mildernder Ausdruck ist. Wenn also jemand vorsetzlich ein Unglück angerichtet hat, und nun, ob und welche Schuld deswegen auf ihm6 hafte, die [[BA 143>> Frage ist, mithin zuvor ausgemacht werden muss, ob er damals verrückt gewesen ausschlagen können. 1 A: „umgekehrt, ein wirkliches körperliches Übel“. 2 H: „über seine Geschäfte“. 3 Zusatz von B. 3 Zusatz von B. 4 A: „zieht, vollends unerträglich wird“. 5 H: „Die ängstliche“. 6 H: „[nicht gefasst ist] nicht“. 7 H (Cassirer): „L a u n e n mit A f f e k t“. 1 H: „gestellt [und da ist er das Bild eines Narren. Andere die den Übergang der Kette Vorstellungen in der Idee seiner Einbildungskraft nicht wegen seines Verstandes besorgt zu machen]“. 2 H: „abschnitt“. 3 Akad.-Ausg.: „t r ü b s i n n i g e“. 4 Am Rand von H: „Was will ich ? etc. etc. – // Selbst denken – An der Stelle des // Die erste ist dass über sich selbst keine Regierung in Ansehung der Aufmerksamkeit auf seine Gefühle hat sie also aus lauter Launen besteht“. 5 A: „§ 41”; Akad.-Ausg.: „§ 51”. 6 A: „ihn“.

sei oder nicht, so kann das Gericht ihn nicht 7 an die medizinische, sondern müsste (der Inkompetenz des Gerichtshofes halber) ihn an8 die philosophische Fakultät verweisen. Denn die Frage: ob der Angeklagte bei seiner Tat im Besitz seines natürlichen Verstandes- und Beurteilungsvermögens gewesen sei, ist gänzlich psychologisch und, obgleich körperliche Verschrobenheit der Seelenorganen vielleicht wohl bisweilen die Ursache einer unnatürlichen Übertretung des (jedem Menschen beiwohnenden) Pflichtgesetzes sein möchte, so sind die Ärzte und Physiologen überhaupt doch nicht so weit, um das Maschinenwesen im Menschen so tief einzusehen, dass sie die Anwandlung zu einer solchen Greueltat daraus erklären, oder (ohne Anatomie des Körpers) sie vorher sehen könnten; und eine g e r i c h t l i c h e A r z n e i k u n d e (medicina forensis) ist – wenn es auf die Frage ankommt: ob der Gemütszustand des Täters Verrückung, oder mit gesundem Verstande genommene Entschliessung gewesen sei – Einmischung in fremdes Geschäfte, wovon der Richter niehts versteht, wenigstens es, als zu seinem Forum nicht gehörend, an eine andere Fakultät verweisen muss.* [[BA 144>> § 491. Es ist schwer, eine systematische Einteilung in das zu bringen, was wesentliche und unheilbare Unordnung ist. Es hat aueh wenig Nutzen, sich damit zu befassen; weil, da die Kräfte des Subjekts dahin nicht mitwirken (wie es, wohl bei körperlichen Krankheiten der Fall ist), und doch nur durch den eigenen Verstandesgebrauch dieser Zweck erreicht werden kann, alle Heilmethode in dieser Absicht fruchtlos ausfallen muss. Indessen fordert doch die Anthropologie, obgleich sie hiebei nur indirekt pragmatisch sein kann, nämlich nur Unterlassungen zu gebieten, wenigstens einen allgemeinen Abriss dieser tiefsten, aber von der Natur herrührenden Erniedrigung der Menschheit zu versuchen. Man kann die Verrückung überhaupt in die t u m u l t u a r i s c h e, m e t h o d i s c h e und s y s t e m a t i s c h e einteilen. 1) U n s i n n i g k e i t (amentia) ist das Unvermögen, seine Vorstellungen auch nur in den zur Möglichkeit der Erfahrung nötigen Zusammenhang zu bringen. In den Tollhäusern ist das weibliche Geschlecht, seiner Schwatzhaftigkeit halber, dieser Krankheit am meisten unterworfen; nämlich unter das, was sie erzählen, so viel Einschiebsel ihrer lebhaften Einbildungskraft zu machen, dass niemand begreift, was sie eigentlich sagen wollten. – Diese erste Verrückung ist t u m u l t u a r i s c h. [[BA 145>> 2) W a h n s i n n (dementia) ist diejenige Störung des Gemüts, da alles, was der Verrückte erzählt, zwar den formalen Gesetzen des Denkens zu der Möglichkeit einer Erfahrung gemäss ist, aber durch falsch dichtende 1 Einbildungskraft selbstgemachte Vorstellungen für Wahrnehmungen gehalten werden. Von der Art sind diejenigen, welche allerwärts Feinde um sich zu haben glauben; die alle Mienen, Worte oder sonstige gleichgültige Handlungen andrer als auf sich abgezielt, und als Schlingen betrachten, die ihnen gelegt werden. – Diese sind in ihrem unglücklichen Wahn oft so scharfsinnig in Auslegung dessen, was andere unbefangen tun, um es als auf sich angelegt auszudeuten, dass, wenn die Data nur wahr wären, man ihrem Verstande alle Ehre müsste widerfahren lassen. – Ich habe nie gesehen, dass jemand von dieser Krankheit je geheilt worden ist (denn es ist eine besondere Anlage, mit Vernunft zu rasen). Sie sind aber doch nicht zu den Hospitalnarren zu zählen; weil sie, nur für sich selbst besorgt, ihre vermeinte Schlauigkeit nur auf ihre eigene 7

H: „Gericht sie nicht“. H: „halber [sie] an“. * So erklärte ein solcher Richter in dem Falle: da eine Person; die, weil sie zum Zuchthause verurteilt war und aus Verzweiflung ein Kind umbrachte, diese für verrückt, und so für frei von der Todesstrafe. – Denn, sagte er: wer aus falschen Prämissen wahre Schlüsse folgert, ist verrückt. Nun nahm jene Person es als Grundsatz an: dass die Zuchthausstrafe eine unauslöschliche Entehrung sei, die ärger ist als der Tod (welches doch falsch ist), und kann [[Anm. BA 144>> durch den Schluss daraus auf den Vorsatz, sich den Tod zu verdienen. – Folglich war sie verrückt und, als eine solche, der Todesstrafe zu überheben. – Auf den Fuss dieses Arguments möchte es wohl leicht sein, alle Verbrecher für Verrückte zu erklären, die man bedauren und kurieren, aber nicht bestrafen müsste. 1 A: „[[A 144>> Klassifikation der Verrpckung. § 42“; Akad.-Ausg.: “§ 52”. 1 H: „[verkehrte] falsch dichtende“. 8

Erhaltung richten, ohne andere in Gefahr zu setzen, mithin nicht sicherheitshalber eingeschlossen zu werden bedürfen. – Diese zweite Verrückung ist m e t h o d i s c h. 3) W a h n w i t z (insania) ist eine gestörte U r t e i l s k r a f t; wodurch das Gemüt durch Analogien hingehalten wird, die mit Begriffen einander ähnlicher Dinge verwechselt werden, und so die Einbildungskraft ein dem Verstande ähnliches Spiel der Verknüpfung disparater Dinge als das Allgemeine vorgaukelt, worunter die letzteren Vorstellungen enthalten waren1. Die Seelen[[BA 146>>kranken dieser Art sind mehrenteils sehr vergnügt; dichten abgeschmackt, und gefallen sich in dem Reichtum einer so ausgebreiteten Verwandtschaft sich, ihrer Meinung nach, zusammenreimender Begriffe. – Der Wahnsinnige 2 dieser Art ist nicht zu heilen; weil er, wie die Poesie überhaupt, schöpferisch und durch Mannigfaltigkeit unterhaltend ist. – Diese dritte Verrückung ist zwar methodisch, aber nur f r a g m e n t a r i s c h. 4) A b e r w i t z (vesania) ist die Krankheit einer gestörten V e r n u n f t. – Der Seelenkranke überfliegt die ganze Erfahrungsleiter und hascht nach Prinzipien, die des Probiersteins der Erfahrung ganz überhoben sein können, und wähnt das Unbegreifliche zu begreifen. – Die Erfindung der Quadratur des Zirkels, des Perpetuum mobile, die Enthüllung der übersinnlichen Kräfte der Natur, und die Begreifung des Geheimnisses der Dreieinigkeit sind in seiner Gewalt. Er ist der ruhigste unter allen Hospitaliten, und seiner in sich verschlossenen Spekulation wegen am weitesten von der Raserei entfernt; weil er mit voller Selbstgnügsamkeit ýber alle Schwierigkeiten der Nachforschung wegsieht. – Diese vierte Art der Verrückung könnte man s y s t e m a t i s c h nennen.3 Denn es ist in4 der letzteren Art der Gemütsstörung nicht bloss Unordnung und Abweichung von der Regel des Gebrauchs der Vernunft, sondern auch p o s i t i v e U n v e r n u n f t, d. i. eine a n d e r e Regel, ein ganz verschiedener Standpunkt, worein, so zu sagen, die Seele versetzt5 wird, und aus dem sie alle Gegenstände anders [[BA 147>> sieht, und aus dem sensorio communi6, das zur Einheit des Lebens (des Tiers) erfordert wird, sich in einen7 davon entfernten Platz8 versetzt findet (daher das Wort V e r r ü c k u n g). Wie eine bergichte Landschaft, aus der Vogelperspektiv gezeichnet, ein ganz anderes Urteil über die Gegend veranlasst, als wenn sie von der Ebene aus betrachtet wird. Zwar fühlt oder sieht die Seele sieh nicht an einer andern Stelle (denn sie kann sich selbst nach ihrem Orte im Raum, ohne einen Widerspruch zu begehen, nieht wahraehrnen, weil sie sich sonst als Objekt 1 ihres äusseren Sinnes anschauen würde, da sie sich selbst nur Objekt des inneren Sinnes sein kann); aber man erklärt sich dadurch, so gut wie man kann, die sogenannte Verrückung. – Es ist aber verwunderungswürdig, dass die Kräfte des zerrütteten Gemüts sich doch in einem System zusammenordnen, und die Natur auch sogar in die Unvernunft ein Prinzip der Verbindung derselben zu bringen strebt2, damit das Denkungsvermögen, wenn gleich nicht objektiv zum wahren Erkenntnis der Dinge, doch bloss3 subjektiv zum Behuf des tierischen Lebens, nicht unbeschäftigt bleibe. Dagegen zeigt der Versuch, sich selbst durch physische Mittel in einem Zustande, welcher der Verrückung nahe kommt, und m den man sich willkürlich 4 versetzt, zu beobachten, um durch diese Beobachtung auch den unwillkürlichen besser einzusehen, 1

A: „wären“. H: „[Er] der Wahnsinnige“. 3 Am Rand von H: „Im Wahnwitz ist ein System // Arouet hatte zwei Narren zu Söhnen // 2) nicht rasende. // Gestört. mente captus“. 4 H: „[in den zwei letzteren Arten] in“. 5 H: „worin [das Gemüt] die Seele sozusagen versetzt“. 6 A: „und ausser dem sensorium commune“. 7 A: „in einem“. 8 Zusatz von B. 1 H: „als [ausser sich] Objekt“. 2 H: „[weiss] strebt“. 3 A’: „Dinge, sondern bloss“. 4 H: „[absichtlich] willkürlich“. 2

Vernunft genug, den Ursachen der Erscheinungen nachzuforschen. Aber es ist gefährlich, mit dem Gemüt Experimente, und es in gewissem Grade krank zu machen, um es zu beobachten, und durch Erscheinungen, die sich da vorfinden möchten, seine Natur zu [[BA 148>> erforschen. – So will H e l m o n t, nach Einnehmung einer gewissen Dosis Napell (einer Giftwurzel5), eine Empfindung wahrgenommen haben, als ob er im M a g e n d ä c h t e. Ein anderer Arzt vergrösserte nach und nach die Gabe Kampfer, bis es ihm vorkam, als ob alles auf der Strasse in grossem Tumult wäre. Mehrere haben mit dem Opium so lange an sich 6 experimentiert, bis sie in Gemütsschwäche fielen, wenn sie nachliessen, dieses Hülfsmittel der Gedankenbelebung ferner zu gebrauchen. – Ein gekünstelter Wahnsinn könnte leicht ein wahrer werden. ZERSTREUTR ANMERKUNGEN § 501. Mit2 der Entwickelung der Keime zur Fortpflanzung entwickelt sich zugleich der Keim der Verrückung; wie diese3 dann auch erblich ist. Es ist gefährlich, in Familien zu heuraten, wo auch nur ein einziges solches Subjekt vorgekomrnen ist. Denn es mögen auch noch so viel Kinder eines Ehepaars sein, die vor dieser schlimmen Erbschaft bewabrt bleiben, weil sie z. B. insgesamt dem Vater, oder seinen Eltern und Voreltern nachschlagen, sie kömmt4 doch, wenn die Mutter in ihrer Familie nur ein verrücktes Kind gehabt hat (ob sie selbst gleich von diesem Übel frei ist), einmal5 in dieser Ehe ein Kind zum Vorschein, welches in die mütterliche Familie einschlägt (wie man es auch aus der Gestaltähnlichkeit abmerken kann), und a n g e e r b t e Gemütsstörung an sich hat. Man will öfters die zufällige Ursache dieser Krankheit anzugeben wissen, so dass sie ah nicht angeerbt, son[[BA 149>>dern zugezogen, vorgestellt werden solle, als ab der6 Unglückliche selbst daran schuld sei. „Er ist aus L i e b e toll geworden“, sagt man von dem einen; von dem anderen: „Er wurde aus H o c h m u t verrückt“; von einem dritten wohl gar: „Er hat sich ü b e r s t u d i e r t“. – Die Verliebung in eine Person von Stade, der die Ehe zuzumuten die grösste Narrheit ist, war nicht die Ursache, sondern die Wirkung der Tollheit, und was den Hochmut anlangt, so setzt die Zumutung eines nichts bedeutenden Menschen an andere, sich vor ihm zu bücken, und der Anstand, sich gegen ihn zu b r ü s t e n, eine Tollheit v o r a u s, ohne die er auf ein solches Betragen nicht gefallen sein würde. Was aber das Ü b e r s t u d i e r e n* anlangt, so hat es damit wohl keine Not, um juege Leute davor zu waraeo. Es bedarf hier bei der Jugend eher der Spornen, als des Zügels. Selbst die1 heftigste und anhaltendste Anstrengung in diesem Punkt kann wohl das Gemüt ermüden, so dass der Mensch darüber gar der Wissenschaft gram wird, aber es nicht v e r s t i m m e n, wo es nicht vorher schon verschroben war, und daher Geschmack an mystischen Büchern und an Offenbarungen fand, die über den gesunden Menschenverstand [[BA 150>> hinausgehen. Dahin gehört auch der Hang; sich dem Lesen der Bücher, die eine gewisse heilige Salbung erhalten haben, bloss dieses Buchstabens halber, ohne das Moralische dabei 5

A: „eine Giftwurzel“. H (Cassirer): „sich selbst“. 1 Akad.-Ausg.: „§ 53”. 2 A: „§ 43. Es gibt kein gestört K i n d. – Mit“. 3 H: „wie er“. 4 B3: „nachschlagen, so kömmt“. 5 A: „nachschlachten, die Mutter aber hat in ... ein verrückt Kind gehabt (...), so kommt doch einmal“. 6 A: „und dere“; H: „so dass der“. * Dass sich Kaufleute ü b e r h a n d e l n, und über ihre Kräfte in weitläuftigen Planen verlieren, ist eine gewöhliche Erscheinung. Für die Übertreibung des Fleisses junger Leute aber (wenn ihr Kopf nur sonst gesund war) haben besorgte Eltern nichts zu fürchten. Die Natur verhütet solche Überladungen des Wissens schon von selbst dadurch, dass dem Studierenden die Dinge anekeln, über die er kopfbrechend und doch vergeblich gebrütet hat. 1 A: „Aber auch die“. 6

zu beabsichtigen, ganz zu widmen, wofür ein gewisser Autor den Ausdruck: „Er ist schrifttoll“ ausgefunden hat. Ob es einen Unterschied zwischen der allgemeinen Tollheit (delirium generale) und der an einem bestimmten Gegenstande haftenden (delirium circa obiectum) gebe, daran zweifle ich. Die U n v e r n u n f t (die etwas Positives, nicht blosser Vernunftmangel ist) ist, eben sowohl wie die Vernunft, eine blosse Form, der die Objekte können angepasst werden, und beide sind also aufs Allgemeine gestellt 2. Was nun aber beim A u s b r u c h e der verrückten Anlage (der gemeiniglich plötzlich geschieht) dem Gemüte zuerst in den Wurf kommt (die zufällig aufstossende M a t e r i e, worüber nachher gefaselt wird), darüber schwärmt nun der Verrückte fortan vorzüglich; weil es durch die Neuigkeit des Eindrucks stärker, als das übrige Nachfolgende, in ihm haftet. Man sagt auch von jemanden, dem es im Kopfe übergesprungen ist: „er hat die Linie passiert“; gleich als ob ein Mensch, der zum erstenmal die Mittellinie des heissen Weltstrichs überschreite, in Gefahr sei, den Verstand zu verlieren.3 Aber das ist nur Missverstand. Es will nur soviel sagen, als: der Geck, der um ohne1 lange Mühe durch eine Reise nach Indien auf einmal Gold zu fischen hofft, entwirft schon hier als Narr seinen Plan; während dessen Ausführung aber wächst die junge Toll[[BA 151>>heit, und bei seiner Zurückkunft, wenn ihm auch das Glück hold gewesen, zeigt sie sich entwickelt, in ihrer Vollkommenheit. Der Verdacht: dass es mit jemandes Kopf nicht richtig sei, fällt schon auf den, der mit sich selbst l a u t s p r i c h t, oder darüber ertappt wird, dass er für sich im Zimmer g e s t i k u l i e r t. – Mehr noch, wenn er sich mit Eingebungen begnadigt, oder heimgesucht und mit höheren Wesen im Gespräche und Umgange zu sein glaubt; doch dann eben nicht, wenn er zwar andere heilige Männer dieser übersinnlichen Anschauungen vielleicht für fähig einräumt, sich selbst aber dazu nicht auserwählt zu sein wähnt, ja es auch nicht einmal zu wünschen gesteht, und also sich ausnimmt.2 Das einzige allgemeine Merkmal der Verrücktheit ist der Verlust des G e m e i n s i n n e s (sensus communis), und der dagegen eintretende l o g i s c h e E i g e n s i n n (sensus privatus), z. B. ein Mensch sieht3 am hellen Tage auf seinem Tisch ein brennendes Licht, was doch ein anderer Dabeistehende nicht sieht, oder hört eine Stimme, die kein anderer hört. Denn es ist ein subjektivnotwendiger Probierstein der Richtigkeit unserer Urteile überhaupt und also auch der Gesundheit unseres Verstandes: dass wir diesen auch an den V e r s t a n d a n d e r e r halten, nicht aber uns mit dem unsrigen i s o l i e r e n, und mit unserer Privatvorstellung doch gleichsam4 ö f f e n t l i c h urteilen 5. Daher das Verbot6 der Bücher, die bloss auf theoretisehe Meinungen gestellet sind (vornehmlich wenn sie aufs gesetzliche Tun und [[BA 152>> Lassen gar nicht Einfluss haben), die1 Menschheit beleidigt. Denn man nimmt uns ja dadurch, wo nicht das einzige, doch das grösste und, brauchbarste Mittel, unsere2 e i g e n e Gedanken zu berichtigen, welches dadurch geschieht, dass wir sie öffentlich 2

H: „also allgemein“. H: „verlieren. [Aber das ist nur ein Spruch des in der Erdkunde ganz unkundigen Pöbels; wovon der der Seefahrt als Geschäftsmann Gewidmete nichts weiss. Allein dass mancher sich auf ein Schiff nach Indien begeben haben mag, weil er [glaubte] den Wurm hatte, dort würde es ihm an Mitteln reich zu werden nicht fehlen [ist die Ursache dieses] weil es einmal einem damit gelang die Ursache von manchem Aber der Keim der Narrheit auf Gut Glück das Abenteuer des Reichwerdens ohne Arbeit zu bestehen wuchs in der Zeit und kam bei der Rückkehr zur Vollendung.]“ 1 Akad.-Ausg.: „der ohne“. 2 Am Rand von H: „Natur und Kunst in Produkten des Erkenntnisvermögens // Witz, schlauer Kopf Sagazität und Originalität // 1.) den Stoff (gleichartigen) fertig zu schaffen. // 2.) zu wissen wie man ihn suchen und erfinden soll. // 3.) [Original.] Wie man ohne Nachahmung ihn verbinden solle – V o n d e r B r ü h e.“ 3 A: „z. B. er sieht“. 4 H: „mit einer Privatvorstellung gleichsam“. 5 A: „urteilen sollen“. 6 A: „Daher der Verbot“. 1 H: „gar nicht [gestellt sind für unbefugt erklärt werde] .Einfluss haben die“. 2 H: „Mittel selbst unsere“. 3

aufstellen, um zu sehen, ob sie auch mit anderer ihrem Verstande zusammenpassen 3; weil sonst etwas bloss Subjektives (z, B. Gewohnheit oder Neigung) leichtlich für objektiv würde gehalten werden: als worin gerade der Schein besteht, von dem man sagt, er betrügt, oder vielmehr, wodurch man verleitet wird, in der Anwendung einer Regel sich selbst zu betrügen. – Der, welcher sich an diesen Probierstein gar nicht kehrt, sondern es sich in den Kopf setzt 4, den Privatsinn, ohne, oder selbst wider den Gemeinsinn, schon für gültig anzuerkennen, ist 5 einem Gedankenspiel hingegeben, wobei er nicht in einer mit anderen gemeinsamen Welt, sondern (wie im Traum) in seiner eigenen sich sieht, verfährt und urteilt. – Bisweilea kann es doch bloss an den Ausdrücken liegen, wodurch ein sonst helldenkender Kopf seine äussern Wahrnehmungen anderen mitteilen will, dass sie nicht mit dera Prinzip des Gemeinsinnes zusammenstimmen wollen, und er auf seinem Sinne beharret. So hatte der geistvolle Verfasser der Oceana, H a r r i n g t o n, die Grille, dass seine Ausdünstungen (effluvia) in Form der Fliegen, von seiner Haut absprängen. Es können dieses aber wohl elektrische Wirkungen auf einen mit diesem Stoff überladenen Körper gewesen sein; wovon man auch sonst Erfahrung gehabt haben will, und er hat damit vielleicht nur eine Ähnlichkeit seines Gefühls mit diesem Absprunge, nicht das Sehen dieser Fliegen andeuten wollen. [[BA 153>> Die Verrückung mit W u t (rabies), eincm Affekte des Zorns (gegen einen wahren oder eingebildeten Gegenstand), welcher ihn gegen alle Eindrücke von aussen unempfindlich macht, ist nur eine Spielart der Störung, die öfters schreckhafter aussieht, als sie in ihren Folgen ist, welche, wie der Paroxysm in einer hitzigen Krankheit, nicht sowohl im Gemüt gewurzelt, als vielmehr durch materielle Ursachen erregt wird, und oft durch den Arzt mit Einer Gabe gehoben werden kann.1 VON DEN TALENTEN IM2 ERKENNTNISVERMÖGEN § 513. Unter T a l e n t (Naturgabe) versteht man diejenige Vorzüglichkeit des Erkenntnisvermögens, welche nicht von der Unterweisung, sondern der natürlichen Anlage des Subjekts abhängt. Sie sind der p r o d u k t i v e 4 Witz (ingehium stvictius s. materialitei dictum), die S a g a z i t ä t und die O r i g i n a l i t ä t im Denken (das Genie). Der Witz ist entweder der v e r g l e i c h e n d e (ingenium comparans), oder der v e r n ü n f t e l n d e Witz (ingenium argutans). Der Witz p a a r t (assimiliert) heterogene Vorstellungen, die oft nach dem Gesetze der Einbildungskraft (der Assoziation) weit auseinander liegen, und ist ein eigenümliches Verähnlichungsvermögen, welches dem Verstande (als dem Vermögen der Erkenntnis des Allgemeinen), so fern er die Gegenstände 3

H: „[Urteile] Verstande züsammen [stimmen] passen“. H: „sich [gleichsam zur Maxime macht] in den Kopf setzt“. 5 H: „anzuerkennen [hat das Prinzip eines gestörten Kopfs angenommen und ist gestört wenn er darnach] ist“. 1 Anschliessend folgt in H: „[Von den Talenten des Erkenntnisvermögens die dem Verstande zu Gebote stehen. // § 39// Sie sind: der Witz die [Sagazität] Forschergabe [und die Originalität] Eigentümlichkeit des Talents (ein witziger, [schlauer] nachdenkender und eigentümlicher Kopf [oder], ein G e n i e). Es sind Naturgaben welche die A u s ü b u n g dessen was in den Begriffen des Verstandes liegt zu befördern dienen. Die Taugliehkeit dazu (habilitas) lässt sich nicht erwerben: Die Natur muss den Menschen hiemit ausgestattet haben man kann sie aber kultivieren und man versteht hierunter nicht bloss das Vermögen sondern auch ein Hang (Instinkt) dazu sich derselben zu bedienen [so dass gleichsam unwillkürlich dahin streben] [den Verstand hinreichend mit Stoff zum Denken zu versorgen.] Wenn unter dem Wort Ingenium wie es nach dem Buchstaben genommen werden möchte das angeborne Talent überhaupt verstanden wird so würde das erstere die F e r t i g k e i t (promptitudo) das zweite die S a g a z i t ä t das dritte die O r i g i n a l i t ä t des Kopfs in Anordnung seiner Gedanken bedeuten. – Die Einbildungskraft liefert den Stoff [den der Verstand] und dieser mag in verschiederien Köpfen einerlei sein; aber das Talent ihn für den Gebrauch des Verstands zu bearbeiten kann hiebei doch grosse Verschiedenheit, // Das Vermögen der [Assoziation] Vereinbarung fremdartiger Vorstellungen der Begriffe durch den Verstand ist der schöpferische Witz (perspicacia)]“; 2 H: „[des] im“. 3 A: „§ 44”; Akad.-Ausg.: „§ 54”. 4 H: „[eigentümliche] produktive“. 4

unter Gattungen bringt, angehört. Er1 bedarf nachher der Urteilskraft, um das Besondere unter dem Allgemeinen zu bestimmen, und das Denkungsvermögen zum E r k e n n e n anzuwenden. – W i t z i g (im Reden oder [[BA 154>> Schreiben) zu sein, kann durch den Mechanism der Schule und ihren Zwang nicht erlernt werden, sondern gehört, als ein besonderes Talent, zur L i b e r a l i t ä t der Sinnesart in der wechselseitigen Gedankenmitteilung (veniam damus petimusque vicissim2); einer3 schwer zu erklärenden Eigenschaft des Verstandes überhaupt – gleichsam seiner G e f ä l l i g k e i t –, die mit der S t r e n g e der Urteilskraft (iudicium discretivum) in der Anwendung des Allgemeinen auf das Besondere (der Gattungsbegriffe auf die der Spezies) kontrastiert, als welche das4 Assimilationsvermögen sowohl, als auch den Hang dazu, e i n s c h r ä n k t.5 VON DEM SPEZIFISCHEN UNTERSCHIEDE DES VERGLEICHENDEN UND DES VERNÜNFTELNDEN WITZES A. VON DEM PRODUKTIVEN1 WITZE § 522. Es ist angenehm, beliebt und aufmunternd, Ähnlichkeiten unter ungleichartigen Dingen aufzufinden und so, was der Witz tut, für den Verstand Stoff zu geben, um seine Begriffe3 allgemein zu machen. Urteilskraft dagegen, welche die Begriffe einschränkt und mehr zur Berichtigung als zur Erweiterung derselben beiträgt4, wird zwar in allen Ehren genannt und empfohlen, ist aber ernsthaft, strenge und in Ansehung der Freiheit zu denken einschränkend, eben darum aber unbeliebt. Des vergleichenden Witzes Tun und Lassen ist mehr Spiel; das der Urteilskraft aber mehr Geschäfte. – [[B 155>> Je[[A 155>>ner ist eher eine Blüte der Jugend, diese mehr eine reife Frucht des Alters. – Der im höheren Grade in einem Geistesprodukt beide verbindet, ist s i n n r e i c h (perspicax). Witz hascht nach E i n f ä l l e n; Urteilskraft strebt nach E i n s i c h t e n. Bedachtsamkeit ist eine B u r g e m e i s t e r t u g e n d (die Stadt, unter dem Oberbefehl der Burg, nach gegebenen Gesetzen zu schützen und zu verwalten). Dagegen, k ü h n (hardi), mit Beiseitesetzung der Bedenklichkeiten der Urteilskraft, absprechen, wurde dem grossen Verfasser des Natursystems, B u f f o n, von seinen Landsleuten zum Verdienst angerechnet, ob es zwar als Wagstück ziemlich nach Unbescheidenheit (Frivolität) aussieht. – Der Witz geht mehr nach der B r ü h e, die Urteilskraft nach der N a h r u n g. Die Jagd auf W i t z w ö r t e r (bons mots), wie sie der Abt Trublet reichlich aufstellte, und den Witz dabei auf die Folter spannte, macht seichte Köpfe, oder ekelt den gründlichen nach gerade an. Er ist erfinderisch in M o d e n, d. i. den angenommenen Verhaltungsregeln, die nur durch die 1

H: „bringt, zu Diensten ist. [und ihm einen bis zu einem Grade der Uppigkeit reichflichen Stoff verschaffen kann] Er“. 2 Übersetzung des Herausgebers: „wir gewähren und erbitten wechselseitig Wohlwollen“. 3 H: „Gedankenmitteilung [eine besondere Eigenschaft dieses Talents] (...) [welche schwer zu erklären ist aber leicht gefühlt wird] einer“. 4 A: „kontrastiert, und das“. 5 H: „einschränkt. [Die S a g a z i t ä t, oder E r f o r s c h u n g s g a b e ist auch ein Naturgeschenk: [zu wissen es zu er] sich darauf zu verstehen wie man gut (mit Glück) suchen (die Natur oder andere Menschen befragen) soll. Ein Talent v o r l ä u f i g z u u r t e i l e n wo die Wahrheit wohl möchte zu finden sein und ihr auf die Spur zu kommen. Baco von Verulam hat an seiner eigenen Person von dieser Kunst vorläufig zu urteilen (iudicii praevii) ein glänzendes Beispiel in seinem Organon gegeben wodurch die Methode der Naturwissenschaft in ihr [wahres] eigentliches Gleis gebracht wurde. // Das G e n i e aber ist die Originalität in Erzeugung der Produkte des Erkenntnisvermögens; das Vermögen unabhängig von einem anderen Muster und selbst doch musterhaft zu denken und zu handeln.]“ Am Rand von H: „Hypothese und Systeme“. 1 H: „[vergleichenden] produktiven“. 2 A: „§ 45”; Akad.-Ausg.: „§ 55”. 3 H: „[Kenntnisse] Begriffe“. 4 H: „[abzweckt] beiträgt“.

Neuheit gefallen, und, ehe sie G e b r a u c h werden, gegen 1 andere Formen, die eben so vorübergehend sind, ausgetauscht werden müssen. Der Witz mit Wortspielen ist s c h a l2; leere Grübelei (Mikrolagie) der Urteilskraft aber p e d a n t i s c h. L a u n i c h t e r Witz heisst ein3 solcher, der aus der Stimmung des Kopfs zum P a r a d o x e n hervorgeht, wo hinter dem treuherzigen Ton der Einfalt doch der (durchtriebne) Schalk hervorblickt4, jemanden (oder auch seine [[BA 156>> Meinung) zum Gelächter aufzustellen; indem das Gegenteil des Beifallswürdigen mit scheinbaren Lobsprüchen erhoben wird (Persiflage): z. B. „S w i f t s Kunst, in der Poesie zu kriechene oder B u t l e r s Hudibras; ein solcher Witz, das Verächtliche durch den Kontrast noch verächtlicher zu machen, ist durch die Überraschung des Unerwarteten sehr aufmunternd; aber doch immer nur ein S p i e l und leichter Witz (wie der des Voltaire); dagegen der, welcher wahre und wichtige Grundsätze in der Einkleidung aufstellt (wie Young in seinen Satiren), ein zentnerschwerer Witz genannt werden kann, weil es ein G e s c h ä f t e ist und mehr Bewunderung als Belustigung erregt5. Ein S p r i c h w o r t (proverbium) ist kein W i t z w o r t (bon mot) 6: denn es ist eine gemein gewordene Formel, welche einen Gedanken7 ausdrückt, der durch Nachahmung fortgepflanzt wird, und im Munde des ersten wohl ein Witzwort g e w e s e n sein kann. Durch Sprichwörter reden ist8 daher die Sprache des Pöbels, und beweiset den gänzlichen Mangel des Witzes im Umgange9 mit der feineren Welt. Gründlichkeit ist zwar nicht eine Sache des Witzes; aber sofern dieser10 durch das Bildliche, was er den Gedanken anhängt, ein Vehikel oder Hülle für die Vernunft und deren Handhabung für ihre moralisch-praktischen Ideen sein kann, lässt sich ein gründlicher Witz (zum Unterschiede des seichten) denken. Als eine von den, wie es heisst, bewunderungswürdigen Sentenzen S a m u e l J o h n s o n s über Weiber wird die in W a l l e r s Leben [[BA 157>> angeführt: „er lobte ohne Zweifel viele, die er sich zu heiraten würde gescheut haben, und heiratete vielleicht eine, die er sich geschämt haben würde zu loben“. Das Spielende1 der Antithese macht hier das ganze Bewundernswürdige aus; die Vernunft gewinnt dadurch nichts. – Wo es aber auf streitige2 Fragen für die Vernunft ankam, da konnte sein Freund B o s w e l l keinen von ihm so unablässig gesuchten Orakelsspruch herauslocken, der den mindesten Witz verraten hätte; sondern alles, was er über die Zweifler im Punkte der Religion, oder des Rechts einer Regierung, oder auch nur die 3 menschliche Freiheit überhaupt herausbrachte, fiel, bei seinem natürlichen und durch Verwöhnung von Schmeichlern eingewurzelten Despotism des Absprechens, auf plumpe Grobheit hinaus, die

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H: „[mit andern Manieren wechseln] gegen“. H: „[läppisch] s c h a l“. 3 A: „Witz, d. i. ein“. 4 A: „der Schalk (durchtrieben) hervorblickt“. 5 A: „mehr zur Bewunderung als Belustigung bei sich führt“; am Rand von H: „inanes argutationes. Krasse Begriffe des vernünftelnden Witzes die doch fein sind in Ansehung des Vergleichenden. // Alle diese Talente haben jedes seinen Gegner. // Auch Neigung dazu zu haben wird hier erfordert // Vom Geschmack im Umgange in Schriften nicht in Predigten.“ 6 H: „Witzwort (sententia)“. 7 H: „[Satz] Gedanken“. 8 H: „reden (wie der gemeine Jude pflegt) ist“. 9 H: „des [Witzes im] Umganges“. 10 A. „diese“; H: „er“. 1 H: „Das [Gewand] Spielende“. 2 A: „strittige“. 3 H: „Regierung überhaupt oder auch nur für die“. 2

seine Verehrer R a u h i g k e i t * zu nennen belieben4; die aber sein grosses Unvermögen 5 eines in demselben Gedanken mit Gründlichkeit vereinigten Witzes bewies. – Auch scheinen die Männer von Einflusse, die seinen Freunden kein Gehör gaben, welche ihn als ein fürs Parlament ausnehmend taugliches Glied vorschlugen, sein Talent wohl gewürdigt zu haben. – Denn der Witz, der zur Abfassung des Wörterbuchs einer Sprache [[BA 158>> zureicht, langt darum noch nicht zu, Vernunftideen, die zur Einsicht in wichtigen Geschäften erforderlich sind, zu erwecken6 und zu beleben.– – B e s c h e i d e n h e i t tritt von selbst in das Gemüt dessen ein, der sich hiezu berufen sieht7, und Misstrauen in seine Talente, für sich allein nicht zu entscheiden, sondern anderer Urteile (allenfalls unbemerkt) auch mit in Anschlag zu bringen, war eine Eigenschaft, die Johnson nie anwandelte. C. VON DER SAGAZITÄT ODER DER NACHFORSCHUNGSGABE § 531. Um etwas zu e n t d e c k e n (was entweder in uns selbst, oder anderwärts verborgen liegt), dazu gehört in vielen Fällen ein besonderes Talent, Bescheid zu wissen, wie man gut suchen soll: eine Naturgabe, v o r l ä u f i g z u u r t e i l e n (iudicii praevii), wo die Wahrheit wohl möchte zu finden sein; den Dingen auf die Spur zu kommen, und die kleinsten Anlässe der Verwandtschaft zu benutzen, um das Gesuchte zu entdecken oder zu erfinden2. Die Logik der Schulen lehrt uns nichts hierüber. Aber ein Baco von Verulam gab ein glänzendes Beispiel an seinem Organon von der Methode, wie durch Experimente die verborgene Beschaffenheit der Naturdinge könne aufgedeckt werden.3 Aber selbst dieses Beispiel reicht nicht zu, eine Belehrung nach bestimmten Regeln zu geben, wie man mit Glück suchen solle, denn man muss immer hiebei etwas zuerst voraussetzen (von einer Hypothese anfangen), von da man seinen Gang antreten will, und das muss nach Prinzipien, gewissen [[BA 159>> Anzeigen zu Folge, geschehen, und daran liegt’s eben, wie man diese auswittern soll. Denn blind, auf gut Glück, da man über einen Stein stolpert und eine Erzstufe findet, hiemit auch einen Erzgang entdeckt, es zu wagen, ist wohl eine schlechte Anweisung zum Nachforschen. Dennoch gibt es Leute von4 einem Talent, gleichsam mit der Wünschelrute in der Hand den Schätzen der Erkenntnis auf die Spur zu kommen, ohne dass sie es gelernt haben; was sie denn auch andere nicht lehren1, sondern es ihnen nur vormachen können; weil es eine Naturgabe ist. C. VON DER ORIGINALITÄT DES ERKENNTNISVERMÖGENS ODER DEM GENIE

*

Boswell erzählt, dass, da ein gewisser Lord in seiner Gegenwart sein Bedauern äusserte, dass Johnson nicht eine feinere Erziehung gehabt hätte, B a r e t t i gesagt habe: „Nein, nein, Mylord! Sie hätten mit ihm machen mögen, was sie gewollt, er wäre immer ein Bär geblieben“; doch wohl ein T a n z b ä r ? sagte der andere, welches ein dritter, sein Freund, dadurch zu mildern vermeinte, dass er sagte: „E r h a t n i c h t s v o m B ä r e n a l s d a s F e l l“. 4 H (Cassirer): „beliebten“. 5 H: „sein gänzliches Unvermögen“. 6 H: „[erhellen] erwecken“. 7 H: „[aufwirft] berufen sieht“. 1 A: „§ 46”; Akad.-Ausg.: „§ 56”. 2 H: „um hinter das Gesuchte zu kommen“. 3 Am Rand von H: „Von der notwendigen Bescheidenheit in unserer Behandlung der Ideen und durch dieselbe // Einsicht (perspicacia) ist ein Vermögen der Vernunft wo es auf den Witz nicht ankommt sondern dessen Einfluss lieber da zurück zu halten ist. // Vom Erfinden, entdecken.“ 4 A: „es welche von“. 1 A: „haben oder andere lehren“.

§ 542. Etwas e r f i n d e n ist ganz was anderes als etwas e n t d e c k e n. Denn die Sache, welche man e n t d e c k t, wird als vorher schon existierend angenommen, nur dass sie noch nicht bekannt war, z. B. Amerika vor dem Kolumbus; was man aber e r f i n d e t, z. B. das S c h i e s s p u l v e r, war vor dem Künstler, * der es [[BA 160>> machte, noch gar nicht bekannt3. Beides kann Verdienst sein. Man kann aber etwas f i n d e n, was man gar nicht sucht (wie der Goldkoch den Phosphor), und da ist es auch gar kein Verdienst. – Nun heisst das Talent zum Erfinden das G e n i e. Man legt aber diesen Namen immer nur einem K ü n s t l e r bei, also dem, der etwas zu m a c h e n versteht, nicht dem, der bloss vieles kennt und w e i s s; aber auch nicht einem bloss nachahmenden, sondern einem seine4 Werke u r s p r ü n g l i c h hervorzubringen aufgelegten 5 Künstler; endlich auch diesem nur, wenn sein Produkt m u s t e r h a f t ist, d. i. wenn es verdient, als Beispiel (exemplar) nachgeahmt 6 zu werden. – Also ist das Genie eines Menschen „die musterhafte Originalität seines Talents“ (in Ansehung dieser oder jener Art von Kunstprodukten). Man nennt aber auch einen Kopf, der die Anlage dazu hat, ein Genie; da alsdann dieses Wort nicht bloss die Naturgabe einer Person, sondern auch die Person selbst bedeuten soll. – In vielen Fächern Genie zu sein, ist ein v a s t e s Genie (wie Leonardo da Vinci). Das eigentliche Feld für das Genie ist das der Einbildungskraft; weil diese schöpferisch ist, und weniger, als andere1 Vermögen, unter dem Zwange der Regeln steht, dadurch aber der Originalität desto fähiger ist. – Der Mechanism der Unterweisung, weil diese jederzeit den Schüler zur Nachahmung nötigt, ist dem Aufkeimen eines Genies, nämlich was seine Originalität betrifft, zwar allerdings nachteilig. Aber jede Kunst bedarf doch gewisser mechanischer Grundregeln, nämlich der Angemessenheit des Produkts zur untergelegten Idee, [[BA 161>> d. i. W a h r h e i t in der Darstellung des Gegenstandes, der gedacht wird. Das muss nun mit Schulstrenge gelernt werden, und ist allerdings eine Wirkung der Nachahmung. Die Einbildungskraft aber auch von diesem Zwange zu befreien, und das eigentümliche Talent, sogar der Natur zuwider, regellos verfahren und s c h w ä r m e n zu lassen, würde vielleicht originale Tollheit abgeben; die aber2 freilich nicht musterhaft sein, und also auch nicht zum Genie gezählt werden würde.3 G e i s t ist das b e l e b e n d e Prinzip im Menschen. In der französischen Sprache führen Geist4 und W i t z einerlei Namen, Esprit. Im Deutschen ist es anders. Man sagt: eine Rede, eine Schrift, eine Dame in Gesellschaft, u.s.w. ist schön; aber ohne Geist. Der Vorrat von Witz macht es hier nicht aus; denn man kann sich auch diesen verekeln, weil seine Wirkung nichts Bleibendes hinterlässt. Wenn alle jene obgenannte Sachen und Personen g e i s t v o l l heissen sollen, so müssen sie ein I n t e r e s s e erregen und zwar durch I d e e n. Denn das setzt die Einbildungskraft in Bewegung5, welche für dergleichen Begriffe einen grossen Spielraum vor sich sieht. Wie wäre es also: wenn wir das französische Wort G e n i e mit dem deutschen e i g e n t ü m l i c h e r G e i s t ausdrückten; denn unsere Nation lässt sich bereden, die Franzosen hätten ein Wort dafür aus ihrer eigenen Sprache, dergleichen wir in der unsrigen nicht hätten, sondern von ihnen borgen müssten, da sie es doch s e l b s t aus 2

A: „§ 47”; Akad.-Ausg.: „§ 57”. Das Schiesspulver war lange vor des Mönchs S c h w a r z Zeit schon in der Belagerung von Algeciras gebraucht worden und die Erfindung desselben scheint den Chinesen anzugehören. Es kann aber doch sein, dass jener Deutsche, der dieses Pulver in seine Hände bekam, Versuche zur Zergliederung desselben (z. B. durch Auslaugen des darin befindlichen Salpeters, Abschwemmung der Kohle und Verbrennung des Schwefels) machte, und so es entdeckt, obgleich nicht erfunden hat. 3 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „gekannt“. 4 Zusatz von B. 5 H: „auferlegten“. 6 H: „Beispiel von anderen nachgeahmt“. 1 A: „weniger, wie andere“. 2 Zusatz von B. 3 Am Rand von H: „Das Gemeinwesen und die Einbildungskr.“ 4 B2: „Geist“. 5 H: „[ins Spiel] in Bewegung“. *

dem Lateinischen (genius) geborgt haben, welches nichts anders als einen eigentümlichen Geist bedeutet. [[BA 162>> Die Ursache aber, weswegen die musterhafte Originalität des Talents mit diesem mystischen Namen benennt wird, ist, weil der, welcher dieses hat, die Ausbrüche desselben sich nicht erklären, oder auch, wie er zu einer Kunst komme, die er nicht hat erlernen können, sich selbst nicht begreiflich machen kann. Denn U n s i c h t b a r k e i t1 (der Ursache zu einer Wirkung) ist ein Nebenbegriff vom Geiste (einem Genius, der dem Talentvollen schon in seiner Geburt beigesellet worden), dessen Eingebung gleichsam er nur folgt. Die Gemütskräfte aber müssen hiebei vermittelst der Einbildumgskraft harmonisch bewegt werden; weil sie sonst nicht beleben, sondern sich einander stören würden, und das muss durch die N a t u r des Subjekts geschehen 2: weshalb man Genie auch das Talent nennen kann, „durch welches die Natur der Kunst die Regel gibt”. § 553. Ob der Welt durch grosse Genies im ganzen sonderlich gedient sei, weil sie doch oft neue Wege einschlagen und neue Aussichten eröffnen, oder ob mechanische Köpfe, wenn sie gleich nicht Epoche machten, mit ihrem alltägigen 4, langsam am Stecken und Stabe der Erfahrung fortschreitenden Verstande, nicht das meiste zum Wachstum der Künste und Wissenschaften beigetragen haben (indem sie, werm gleich keiner von ihnen Bewunderung erregte, doch auch keime Unordnung stifteten): mag hier 5 unerörtert bleiben. – Aber ein Schlag von ihnen, G e n i e m ä n n e r (besser Genieaffen) genannt, hat sich unter jenem Aushängeschilde mit eingedrängt, welcher die Sprache ausserordentlich von der Natur begünstigter Köpfe führt, das mühsame Lernen und Forschen [[BA 163>> für stümperhaft erklärt, und den Geist aller Wissenschaft mit einem Griffe gehascht zu haben, ihn aber in kleinen Gaben konzentriert und kraftvoll zu reichen, vorgibt. Dieser Schlag ist, wie der der Quacksalber und Marktschreier, den Fortschritten in wissenschaftlicher und sittlicher1 Bildung sehr nachteilig, wenn er über Religion, Staatsverhältnisse und Moral, gleich dem Eingeweiheten, oder Machthaber, vom Weisheitssitze herab im entscheidenden Tone abspricht und so die Armseligkeit des Geistes 2 zu verdecken weiss. Was ist hiewider anders zu tun, als zu lachen, und seinen Gang mit Fleiss, Ordnung und Klarheit geduldig fortzusetzen, ohne auf jene Gaukler Rücksicht zu nehmen ? § 563. Das Genie scheint auch, nach der Verschiedenheit des Nationalschlages und des Bodens, dem es angeboren ist, verschiedene 4 ursprüngliche Keime in sich zu haben, und sie verschiedentlich zu entwickeln. Es schlägt bei den Deutschen mehr in die W u r z e l, bei den Italienern in die K r o n e, bei den Franzosen in die B l ü t e, und bei den Engländern in die F r u c h t. Noch ist der a l l g e m e i n e Kopf (der alle verschiedenartige Wissenschaften befasst) vom Genie, als dem erfinderischen, unterschieden. Der erstere kann es in demjenigen sein, was gelernt werden kann; nämlich der die historische Erkenntnis von dem, was in Ansehung aller Wissenschaften bisher getan ist, besitzt (P o l y h i s t o r), wie Jul. Cäs. Scaliger. Der letztere ist der Mann, nicht sowohl von grossem U m f a n g e des Geistes, als intensiver Grösse desselben, in allem Epoche zu machen, [[BA 164>> was er unternimmt (wie Newton, Leibniz)5. Der a r c h i t e k t o n i s c h e, der den Zusammenhang aller Wissenschaften, und wie sie einander unterstützen, methodisch einsieht, ist ein nur 1

H: „Denn die Unsichtbarkeit“. H: „Natur geschehen“. 3 A: „§ 48”; Akad.-Ausg.: „§ 58”. 4 H: „[Fleisse] alltägigen“. 5 H: „[zweifelhaft] hier“. 1 H: „[moralischer] sittlicher“. 2 H: „Armseligkeit ihres Geistes“. 3 A: „§ 49”; Akad.-Ausg.: „§ 59”. 4 H: „verschiedene [Formen]“. 5 H: „(wie Leibniz)“. 2

subalternes aber doch nicht gemeines Genie. – Es gibt aber auch g i g a n t i s c h e 6 Gelehrsamkeit, die doch oft z y k l o p i s c h ist, der nämlich ein Auge fehlt: nämlich das der wahren Philosophie, um diese Menge des historischen Wissens, die Fracht von hundert Kamelen, durch die Vernunft zweckmässig zu benutzen. Die blossen Naturalisten des Kopfs (eleves de la nature, autodidacti) können in manchen Fällen auch für Genies gelten, weil sie, ob sie zwar manches, was sie wissen, von anderen hätten lernen können, für sich selbst ausgedacht haben, und in dem, was an sich keine Sache des Genies ist, doch Genies sind: wie es, was mechanische Künste betrifft, in der Schweiz manche gibt, welche in diesen Künsten Erfinder sind; aber ein früh-kluges Wunderkind (ingenium praecox), wie in1 Lübeck H e i n e c k e, oder in Halle B a r a t i e r, von ephemerischer Existenz, sind Abschweifungen der Natur von ihrer Regel, Raritäten fürs Naturalienkabinett, und lassen ihre überfrühe Zeitigung zwar bewundern, aber oft auch von denen, die sie beförderten, im Grund2 bereuen. *** Weil am Ende der ganze Gebrauch des Erkenntnisvermögens, zu seiner eigenen Beförderung, selbst im3 theoretischen Erkenntnisse, doch der Vernunft bedarf, welche [[BA 165>> die Regel gibt, nach welcher es4 allein befördert werden kann: so kann man den Anspruch, den die Vernunft an dasselbe macht, in die drei Fragen zusammenfassen, welche nach den drei Fakultäten desselben gestellt sind: W a s w i l l i c h ? (frägt der Verstand)* W o r a u f k o m m t’s a n ? (frägt die Urteilskraft) W a s k o m m t h e r a u s ? (frägt die Vernunft). Die Köpfe sind in der Fähigkeit der Beantwortung aller dieser drei Fragen sehr verschieden. – Die erste erfordert nur einen klaren Kopf, sich selbst zu verstehen; und diese Naturgabe ist, bei einiger Kultur, ziemlich gemein; vornehmlich wenn man darauf aufmerksam macht. – Die zweite treffend zu beantworten, ist weit seltener; denn es bieten sich vielerlei Arten der Bestimmung des vorliegenden Begriffs und der scheinbaren Auflösung der Aufgabe dar: welche ist nun die einzige, die dieser genau angemessen ist ? (Z. B. in Prozessen oder im Beginnen gewisser Handlungsplane zu demselben Zweck.) Hiezu gibt es ein Talent der Auswahl des in einem gewissen Falle gerade Zutreffenden (iudicium discretivum), welches sehr erwünscht, aber auch sehr selten ist. Der Advokat, der mit v i e l Gründen angezogen kommt, die seine Behauptung bewähren1 sollen, erschwert dem Richter sehr seine Sentenz, weil er selbst nur herumtappt; weiss er aber, nach der Erklärung dessen, was er will, den Punkt zu treffen (denn der ist nur rin einziger), worauf [[BA 166>> es ankommt, so ist es kurz abgemacht und der Spruch der Vernunft folgt von selbst. Der Verstand ist positiv und vertreibt die Finsternis der Unwissenheit – die Urteilskraft mehr negativ zu Verhütung der Irrtümer aus dem dämmernden Lichte, darin die Gegenstände erscheinen. – Die Vernunft verstopft die Quelle der Irrtümer (die Vorurteile) und sichert2 hiemit den Verstand durch die Allgemeinheit der Prinzipien. – – Büchergelehrsamkeit vermehrt zwar die Kenntnisse, aber erweitert nicht den Begriff und die Einsicht, wo nicht Vernunft dazu kommt. Diese ist aber noch vom V e r n ü n f t e l n, dem Spiel mit blossen Versuchen im Gebrauche der Vernunft, ohne ein Gesetz derselben, unterschieden. Wenn die Frage ist: ob ich Gespenster glauben soll 3? so kann ich über die Möglichkeit derselben auf 6

H: „ist jederzeit ein seltenes Genie. – Der aber das Allgemeine bloss historisch-erkannte nur von oben abzuschöpfen versteht ist der Affe des ersteren. – Es gibt also g i g a n t i s c h e“. 1 A: „wie das in“. 2 A: „mit Grund“. 3 H: „Erkenntnisvermögen [auch] selbst zu ... Beförderung im“. 4 H: „er“. * Das Wollen wird hier bloss im theoretischen Sinn verstanden: Was will ich als w a h r behaupten? 1 B1,3: „bewahren“. 2 H: „s i c h e r t“. 3 H: „[annehmen kann] glauben soll“.

allerlei Art v e r n ü n f t e l n; aber die V e r n u n f t verbietet, a b e r g l ä u b i s c h, d. i. ohne ein Prinzip der Erklärung des Phänomens nach Erfahrungsgesetzen, die Möglichkeit desselben anzunehmen4. Durch die grosse Verschiedenheit der Köpfe, in der Art wie sie eben dieselben Gegenstände, imgleichen sich untereinander ansehen; durch das Reiben derselben an einander und die Verbindung derselben sowohl als ihre Trennung, bewirkt die Natur ein sehenswürdiges Schauspiel auf der Bühne der Beobachter und Denker von unendlich verschiedener Art. Für die Klasse der Denker können1 folgende Maximen (die als zur Weisheit führend bereits oben erwähnt worden)2 zu unwandelbaren Geboten gemacht werden: [[BA 167>> 1) S e l b s t denken. 2) Sich (in der Mitteilung3 mit Menschen) in die Stelle jedes a n d e r e n zu denken. 3) Jederzeit m i t s i c h s e l b s t e i n s t i m m i g zu denken. Das erste Prinzip ist negativ (nullius addictus iurare in verba magistri 4), das der z w a n g s f r e i e n, das zweite positiv, der l i b e r a l e n, sich den Begriffen anderer bequemenden, das dritte5 der k o n s e q u e n t e n (folgerechten) Denkungsart; von deren jeder, noch mehr aber von ihrem Gegenteil, die Anthropologie Beispiele aufstellen kann. Die wichtigste Revolution in dem Innern des Menschen ist: „der Ausgang desselben aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Statt dessen, dass bis dahin andere für ihn dachten und er bloss nachahmte, oder am Gängelbande sich leiten liess, wagt er es jetzt, mit eigenen Füssen auf dem Boden der Erfahrung, wenn gleich6 noch wackelnd, fortzuschreiten. [[BA 168>> ZWEITES BUCH7 DAS GEFÜHL DER LUST UND UNLUST EINTEILUNG 1) Die s i n n l i c h e, 2) die i n t e l l e k t u e l l e L u s t. Die e r s t e r e entweder A) durch den S i n n (das Vergnügen), oder B) durch die E i n b i l d u n g s k r a f t (der Geschmack); die zweite (nämlich intellektuelle) entweder a) durch darstellbare B e g r i f f e oder b) durch I d e e n, – – und so wird auch das Gegenteil, die U n l u s t vorgestellt. VON DER SINNLICHEN LUST A. VOM1 GEFÜHL FÜR DAS ANGENEHME ODER DER SINNLICHEN LUST2 IN DER EMPFINDUNG EINES GEGENSTANDES § 573. V e r g n ü g e n ist eine Lust durch den Sinn, und was diesen belustigt, heisst a n g e n e h m. S c h m e r z ist die Unlust durch den Sinn, und was jenen hervorbringt, ist u n a n g e n e h m. – Sie sind einander nicht wie Erwerb und Mangel (+ und 0), sondern wie Erwerb und Verlust (+ und – ), d. i. eines dem anderen nicht bloss als G e g e n t e i l 4

H: „verbietet a b e r g l ä u b i s c h [sie irgend einer Erf] zu irgend einem Prinzip der Erklärung der Erfahrungen anzuwenden“. 1 A: „die letztere Art können“. 2 Zusatz von B. 3 H: „[Gemeinschaft] Mitteilung“. 4 Übersetzung des Herausgebers: „auf keines Meisters Worte zu schwören verpflichtet“. 5 H: „Das erste ist Prinzip ist das der zwangsfreien, das zweite der liberalen, das dritte“. 6 H: „mit seinen Füssen auf dem Boden der Erfahrung allein wenn gleich“. 7 A: „Zweites Hauptstück“. 1 A: „Lust. Erster Abschnitt. Vom“; H: „... Abschnitt [Von der Natur des Vergnügens] Vom“. 2 H: „[Sinnenlust] sinnlichen Lust“. 3 A: „§ 50”; Akad.-Ausg.: „§ 60”.

(contradictorie, s. logii[[BA 169>>ce oppositum), sondern auch als W i d e r s p i e l (contrarie s. realiter oppositum) entgegengesetzt. – – Die Ausdrücke von dem, was gefällt oder missfällt, und dem, was dazwischen ist, dem Gleichgültigen, sind zu w e i t; denn sie können auch aufs Intellektuelle gehen: wo sie dann mit Vergnügen und Schmerz nicht zusammentreffen würden. Man kann diese Gefühle auch durch die Wirkung erklären, die die Empfindung 4 unseres Zustandes auf das Gemüt macht. Was unmittelbar (durch den Sinn) mich antreibt, meinen Zustand zu v e r l a s s e n (aus ihm herauszugehen): ist mir u n a n g e n e h m – es schmerzt mich; was eben so mich antreibt, ihn zu e r h a l t e n (in ihm zu bleiben): ist mir angenehm, es vergnügt mich. Wir sind aberunaufhaltsam im Strome der Zeit und den5 damit verbundenen Wechsel der Empfindungen fortgeführt. Ob nun gleich das Verlassen des einen Zeitpunkts und das Eintreten in den anderen ein und derselbe Akt (des Wechsels) ist, so ist doch in unserem Gedanken und dem Bewusstsein dieses Wechsels eine Zeitfolge; dem Verhältnis der Ursache und Wirkung gemäss. – Es frägt sich nun: ob das Bewusstsein des V e r l a s s e n s des gegenwärtigen Zustandes, oder ob der Prospekt des E i n t r e t e n s in einen künftigen in uns die Empfindung des Vergnügens erwecke ? Im ersten Fall ist das Vergnügen nichts anders als Aufhebung eines Schmerzes und etwas Negatives; im zweiten würde es Vorempfindung einer Annehmlichkeit, also Vermehrung des Zustandes der Lust, mithin etwas Positives sein. Es lässt sich aber auch schon zum voraus erraten, dass das erstere allein [[BA 170>> statt finden werde; denn die Zeit schleppt1 uns vom Gegenwärtigen zum Künftigen (nicht umgekehrt), und dass wir zuerst genötigt werden, aus dem Gegenwärtigen herauszugehen, unbestimmt in w e l c h e n anderen wir treten werden, nur so dass er doch ein anderer ist, das kann allein die Ursache des angenehmen Gefühls sein. Vergnügen ist das Gefühl der Beförderung, Schmerz das einer Hindernis des Lebens. Leben aber (des Tiers) ist, wie auch schon die Ärzte angemerkt haben, ein kontinuierliches Spiel des Antagonismus von beiden. Also muss vor jedem Vergnügen der Schmerz vorhergehe n; der Schmerz ist immer das erste. Denn was würde aus einer kontinuierlichen Beförderung der Lebenskraft, die über einen gewissen Grad sich doch nicht steigern lässt, anders folgen als ein schneller Tod vor F r e u d e ?2 Auch kann kein Vergnügen unmittelbar auf das andere fol g e n; sondern zwischen einem und dem anderen muss sich der Schmerz einfinden. Es sind kleine Hemmungen der Lebenskraft, mit dazwischen gemengten Beförderungen derselben, welche den Zustand der Gesundheit ausmachen, den wir irrigerweise für ein kontinuierlich gefühltes Wohlbefinden3 halten; da er doch nur aus ruckweise (mit immer dazwischen eintretenden Schmerz) einander folgenden angenehmen Gefühlen besteht. Der Schmerz ist der Stachel der Tätigkeit und in dieser fühlen wir allererst unser Leben; ohne diesen würde Leblosigkeit eintreten. [[BA 171>> D i e S c h m e r z e n, d i e l a n g s a m v e r g e h e n (wie das allmähliche Genesen von einer Krankheit oder der langsame Wiedererwerb eines verlornen Kapitals), h a b e n k e i n l e b h a f t e s V e r g n ü g e n z u r F o l g e, weil der Übergang unmerklich ist. – Diese Sätze des Grafen V e r i unterschreibe ich mit voller Überzeugung. ERLÄUTERUNG DURCH BEISPIELE

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H: „ [Vorstellung] Empfindung“. A: „und dem”. 1 H: „[geht mit] schleppt“. 2 H: „Freude. [weil das Moment der Beschleunigung auch in der kürzesten Zeit eine Bewegung hervorbringt]“. 3 H: „ein kontinuierliches Wohlbefinden“. 5

Warum ist das Spiel (vornehmlich um Geld) so anziehend, und, wenn es nicht gar zu eigennützig ist, die beste Zerstreuung und Erholung nach einer langen Anstrengung der Gedanken; denn durch Nichts-Tun erholt man sich nur langsam ? Weil es der Zustand eines unablässig wechselnden Fürchtens und Hoffens ist. Die Abendmahlzeit nach demselben schmeckt und bekommt auch besser. – Wodurch sind S c h a u s p i e l e (es mögen Traueroder Lustspiele sein) so anlockend ? Weil in allen gewisse Schwierigkeiten – Ängstlichkeit und Verlegenheit, zwischen Hoffnung und Freude – eintreten und so das Spiel einander widriger Affekten beim Schlusse des Stücks dem Zuschauer Beförderung des Lebens ist, indem es ihn innerlich in Motion versetzt hat. – Warum schliesst ein Liebesroman mit der Trauung, und weswegen ist ein ihm angehängter Supplement-Band (wie im Fielding), der ihn, von der Hand eines Stümpers, noch in der Ehe fortsetzt, widrig und abgeschmackt ? Weil Eifersucht, als Schmerz der Verliebten, zwischen ihre Freuden und Hoffnungen, v o r der Ehe Würze für den [[BA 172>> Leser, in der Ehe aber Gift ist; denn, um in der Romanensprache zu reden, ist „das Ende der Liebesschmerzen zugleich das Ende der Liebe“ (versteht sich mit Affekt). – Warum ist Arbeit die beste Art, sein Leben zu geniessen ? Weil sie beschwerliche (an sich unangenehme und nur durch den Erfolg ergötzende) Beschäftigung ist, und die Ruhe, durch das blosse Verschwinden einer langen Beschwerde, zur fühlbaren Lust, dem Frohsein, wird; da sie sonst nichts Geniessbares sein würde. – – Der Tobak (er werde geraucht oder geschnupft) ist zunächst mit einer unangenehmen Empfindung verbunden. Aber gerade dadurch, dass die Natur (durch Absonderung eines Schleims der Gaumen oder der Nase) diesen Schmerz augenblicklich aufhebt, wird er1 (vornehmlich der erstere) zu einer Art von Gesellschaft, durch Unterhaltung und immer neue Erweckung der Empfindungen und selbst der Gedanken; wenn diese gleich hiebei nur herumschweifend sind. – Wen endlich auch kein positiver Schmerz zur Tätigkeit anreizt, den wird allenfalls ein negativer, die l a n g e W e i l e, als L e e r e an Empfindung, die der an den Wechsel derselben gewöhnte Mensch in sich wahrnimmt2, indem er den Lebenstrieb3 doch4 womit auszufüllen bestrebt ist, oft dermassen affizieren, dass er eher etwas zu seinem Schaden, als gar nichts zu tun sich angetrieben fühlt.5 1

H: „wird es“. H: „wahrnimmt [zu einem allenfalls [selbst] das Leben selbst wegwerfenden Reiz gebracht]“ 3 A: „wahrnimmt und welche den Lebenstrieb“; H (Cassirer): „... welche der Lebenstrieb“. 4 Zusatz von B. 5 Am Rand von H: „Von der Zeitkürzung als einer reinen kontinuierten Aufhebung eines Schmerzens. – Von dem der langen Weile die kein Karaibe fühlt. // Wie wird uns jede Zeit lang und das Leben kurz, oder, umgekehrt. // Sich die Zeit zu passieren (nicht bestellte Arbeit)“; auf der nächsten Seite folgt in H: „Von der langen Weile // § 46. // Dass der Stachel der Tätigkeit der den Abscheu am empfindungsleeren Dasein (horror vacui) zur Folge hat den Menschen je mehr seine Lebenskraft rege ist von dem Kindesalter an bis zu Ende des Lebens begleitet der immer antreibt den gegenwärtigen Zustande heraus zu gehen [zwar] eine weise Einrichtung der Natur und ihrer Zwecke sei ist nicht zu streiten. Aber wo bleibt denn da die Z u f r i e d e n h e i t (die Lust an der Beharrlichkeit seines Zustandes und wie hoch kann unter diesen Umständen den Wert seines blossen Lebens überhaupt anschlagen ? – Das Phänomen ist wunderlich aber doch gewöhnlich dass dem nicht mit Zwangsgeschäften belasteten Menschen jeder Tag lang wird das zurückgelegte Leben aber kurz zu sein scheint. – – Die Ursache dieser Erscheinung ist mit der einerlei: dass die deutsche aber nicht gemessene Meilen je weiter von der Hauptstadt (z. B. in Pommern) grösser sind als näher zu derselben (z. B. Berlin); [Wo Dorf auf Dorf oder ein Meierhof auf den anderen bald folgt glaubt der Reisende eine grosse Strecke Land zurückgelegt zu haben [wozu er sich natürlich auch eine] weil er sich eine dazu erforderliche lange Zeit denkt [die dazu erfordert wird würde weil sie] die eine grosse Menge auf einander folgender Wahrnehmungen enthält und nun nach der vermeinten Zeitlänge den zurückgelegten Weg schätzt der ihm [gross] lang zu sein dünkt. In einem öden Lande dagegen] weil die Menge der auf einander gefolgten [Gegenstände] Wahrnehmungen im ersten Falle folglich auch der Wege nach zurückgelegter Reise eine lange Zeit der Mangel an denselben aber nur eine kurze Zeit bedurft zu haben [hinter her] folglich jener auch als kurz hinten nach geurteilt wird. Daher die Schätzung der Länge seines Lebens am Ende desselben um auf dasselbe mit Zufriedenheit zurück sehen zu können d. i. desselben satt geworden zu sein auf der Menge [und Mann] der Beschäftigungen beruht welche die Zeit ausgefüllet haben (vitam extendere factis). Je mehr Du gedacht je mehr Du getan hast desto länger hast Du, selbst nach Deiner [bloss] eigenen [Zeitschätzung] Einbildung gelebt. // Was aber am meisten [beweist] den obigen Satz bestätigt dass alles Vergnügen in der [Überwindung des] Aufhebun eines Schmerzes bestehe und so nur durch kontinuierlichen Ausgang aus dem gegenwärtigen Zustande erworben werde ist aus der Behaglichkeit 2

VON DER LANGEN WEILE UND DEM KURZWEIL § 581. Sein Leben fühlen, sich vergnügen, ist also nichts anders als: sich kontinuierlich getrieben2 fühlen, aus dem gegenwärtigen Zustande herauszugehen (der also ein [[BA 173>> eben so oft wiederkommender Schmerz sein muss). Hieraus erklärt sich auch die drückende, ja ängstliche Beschwerlichkeit der langen Weile, für alle, welche auf ihr Leben und auf die Zeit aufmerksam sind (kultivierte Menschen).* Dieser Druck oder Antrieb, jeden Zeitpunkt, darin wir sind, zu verlassen und in den folgenden überzugehen, ist akzelerierend und kann bis zur Entschliessung wachsen, seinem Leben ein Ende zu machen, weil der üppige Mensch den Genuss aller Art versucht hat, und keiner für ihn mehr neu ist,” wie man in Paris vom Lord Mordaunt sagte: „die Engländer erhenken sich, um sich die Zeit zu passieren“. – – Die in sich wahrgenommene Leere an Empfindungen erregt ein Grauen (horror vacui), und gleichsam das Vorgefühl eines langsamen Todes, der für peinlicher gehalten wird, als wenn das Schicksal den1 Lebensfaden schnell abreisst.2 [[BA 174>> Hieraus erklärt sich auch, warum Zeitverkürzungen mit Vergnügen 3 für einerlei genommen werden; weil, je schneller wir über die Zeit wegkommen, wir uns desto erquickter fühlen; wie eine4 Gesellschaft, die sich auf einer Lustreise im Wagen drei Stunden lang mit Gesprächen wohl unterhalten hat, beim Aussteigen, wenn einer von ihnen nach der Uhr sieht, fröhlich sagt: wo ist die Zeit geblieben ? oder wie kurz ist uns die Zeit geworden ? Da im Gegenteil, wenn die Aufmerksamkeit auf die Zeit nicht Aufmerksamkeit auf einen Schmerz, über den wir wegzusein uns bestreben, sondern auf ein Vergnügen wäre, man wie billig jeden Verlust5 der Zeit bedauren würde. – Unterredungen, die wenig Wechsel der Vorstellungen enthalten, heissen l a n g w e i l i g, eben hiemit auch beschwerlich 6, und ein k u r z w e i l i g e r Mann wird, wenn gleich nicht für einen wichtigen, doch für einen angenehmen Mann gehalten, der, sobald er nur ins Zimmer tritt, gleich aller Mitgäste Gesichter erheitert; wie durch ein Frohsein wegen Befreiung von einer Beschwerde. Wie ist aber das Phänomen zu erklären, dass ein Mensch, der sich den grössten Teil seines Lebens hindurch mit langer Weile gequält hat, so dass ihm jeder Tag lang wurde, doch7 am Ende des Lebens über die K ü r z e des Lebens klagt ? – Die Ursache hievon ist in der Analogie mit einer ähnlichen Beobachtung zu suchen: woher die deutschen (nicht gemessenen ersehen mit der eine Gesellschaft nach einem unterhaltenden Spiel oder einer lebhaften Unterredung, wenn nach der Uhr gesehen wird sagt: wo ist die Zeit geblieben!“ 1 A: „§ 51”; Akad.-Ausg.: „§ 61”. 2 H: „[damit beschäftigt] getrieben“. * Der Karaibe ist durch seine angeborne Leblosigkeit von dieser Beschwerlichkeit frei. Er kann stundenlang mit seiner Angelrute sitzen, ohne etwas zu fangen; die Gedankenlosigkeit ist ein Mangel des Stachels der Tätigkeit, der immer einen Schmerz bei sich führt, und dessen jener überhoben ist. – Unsere Lesewelt von verfeinertem Geschmack wird durch ephemerische Schriften immer im Appetit, selbst im Heisshunger zur Leserei (eine Art von Nichtstun) erhalten, nicht um sich zu kultivieren, sondern zu g e n i e s s e n; so, dass die Köpfe dabei immer leer bleiben und keine Übersättigung zu besorgen ist; indem sie ihrem geschäftigen Müssiggange den Anstrich einer Arbeit geben, und sich in demselben einen würdigen Zeitaufwand vorspiegeln, der doch um nichts besser ist als jener, welchen das J o u r n a l d e s L u x u s u n d d e r M o d e n dem Publikum anbietet. 1 H: „wenn er den“. 2 Am Rand von H: „Von Affekten // Geschmack ist das Vermögen für das Spiel der Einb.Kraft allgemeingültig zu wählen – also der Bewirkung einer Lust in allen deren Einbildungskraft... Gefühle fähig ist// Ob auch schreckliche Vorstellungen dazu gehören. Ja – aber nicht dass das Objekt sondern die Vorstellung s c h ö n ist // Warum freut man sich über die kurz gewordene Zeit// Der Geschmack ist entweder der Unterscheidungs- oder Wohlgeschmack. – Der 1ste gehört bloss zum Sinnen[reiz] als Vorstellungsvermögen der ote zu demselben als Gefühl d. L. und Unl. Wonach und ob es gut oder schlecht schmeckt. – Sapere – Gustare.“ 3 H (Cassirer): „Vergnügungen“. 4 A: „fühlen und eine“. 5 H: „man den Verlust“. 6 H: „hiemit aber auch sehr beschwerlich“. 7 A: „hat und ihm... l a n g war, doch“.

oder mit Meilenzeiger, wie die russischen Werste, versehenen) Meilen, je näher zur Hauptstadt (z.B. Berlin), immer desto k l e i n e r, je weiter aber davon (in Pommern) desto g r ö s s e r werden; nämlich die F ü l l e der gesehenen Gegenstände [[BA 175>> (Dörfer und Landhäuser) bewirkt1 in der Erinnerung den täuschenden Schluss2 auf einen grossen zurückgelegten Raum, folglich auch auf eine längere dazu erforderlich gewesene Zeit; das3 Leere4 aber im letzteren Fall wenig Erinnerung des Geschenen, und also den Schluss auf einen kürzeren Weg und folglich kürzere Zeit,5 als sich nach der Uhr ergeben würde. – – Eben so wird die Menge der Abschnitte, die den letzten Teil des Lebens mit mannigfaltigen veränderten Arbeiten auszeichnen, dem Alten die Einbildung 6 von einer längeren zurückgelegten Lebenszeit erregen, als er nach der Zahl der Jahre geglaubt hatte 7, und das Ausfüllen der Zeit durch planmässig fortschreitende Beschäftigungen, die einen grossen beabsichtigten8 Zweck zur Folge haben (vitam extendere factis 9), ist das einzige sichere Mittel, seines Lebens froh und dabei doch auch lebenssatt zu werden. „Je mehr du gedacht, je mehr du getan hast, desto länger hast du (selbst in deiner eigenen Einbildung) gelebt.“ – – Ein solcher Beschluss des Lebens geschieht nun mit Z u f r i e d e n h e i t. Wie steht es aber mit der Z u f r i e d e n h e i t (acquiescentia) während dem Leben? – Sie ist dem Menschen unerreichbar: weder in moralischer (mit sich selbst, im Wohlverhalten zufrieden zu sein) noch in pragmatischer Hinsicht (mit seinem Wohlbefinden, was er sich durch Geschicklichkeit und Klugheit zu verschaffen denkt). Die Natur hat den Schmerz zum Stachel der Tätigkeit in ihn gelegt, dem er nicht entgehen kann: um immer zum Bessern fortzuschreiten, und auch im letzten Augenblicke des Lebens ist die Zufriedenheit mit dem letzten Abschnitte desselben nur komparativ (teils indem wir uns mit [[BA 176>> dem Lose anderer, teils auch mit uns selbst vergleichen) so zu nennen; nie aber ist sie rein und vollständig1. – Im Leben (absolut) zufrieden zu sein, wäre tatlose R u h e und Stillstand der Triebfedern, oder Abstumpfung der Empfindungen 2 und der damit verknüpften Tätigkeit. Eine solche aber kann eben so wenig mit dem intellektuellen Leben des Menschen zusammen bestehen, als der Stillstand des Herzens in einem tierischen Körper, auf den, wenn nicht (durch den Schmerz) ein neuer Anreiz ergeht, unvermeidlich der Tod folgt. A n m e r k u n g. In diesem Abschnitte sollte nun auch von A f f e k t e n, als Gefühlen der Lust und Unlust, die die Schranken der inneren Freiheit im Menschen überschreiten, gehandelt3 werden. Allein da diese mit den L e i d e n s c h a f t e n, welche in einem anderen Abschnitte, nämlich dem des Begehrungsvermögens, vorkommen, oft vermengt zu werden pflegen, und doch auch damit in naher Verwandtschaft stehen: so werde ieh ihre Erörterung bei Gelegenheit dieses dritten Abschnittes vornehmen.4 § 595. Habituell zur Fröhlichkeit gestimmt zu sein, ist zwar mehrenteils eine Temperamentseigenschaft, kann aber auch oft eine Wirkung von Grundsätzen sein; wie E p i k u r s, von anderen so genanntes und darum verschrieenes W o h l l u s t s p r i n z i p, was eigentlich das s t e t s f r ö h l i c h e H e r z des Weisen bedeuten sollte. – G l e i c h m ü t i g 1

H: „[hinterlässt] bewirkt“. H: „[die Einbildung] den täuschenden Schluss“. 3 A: „Schluss, auf eine lange dazu erforderlich gewesene Zeit, folglich auch auf einen grossen zurückgelegten Raum; das“. 4 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „L e e r e“. 5 Zusatz von B. 6 H: „[eine Vorstellung] die Einbildung“. 7 H (Cassirer): „geglaubt hätte“. 8 H: „[erreichten] beabsichtigten“. 9 Übersetzung des Herausgebers: „das Leben durch Taten zu verlängern“. 1 H: „rein oder vollständig“. 2 H: „Triebfedern der Empfindungen“. 3 A: „A f f e k t e n, als die Schranken der inneren Freiheit im Menschen überschreitenden Gefühlen der Lust oder Unlust, gehandelt“. 4 Am Rand von H: „Karaibe“. 5 A: „§ 52”; Akad.-Ausg.: „§ 62”. 2

ist der, welcher sich weder erfreut noch betrübt, und von dem, der gegen die Zufälle des Lebens g l e i c h g ü l t i g, mithin von stumpfem Gefühl ist, [[BA 177>> sehr unterschieden. – Von der Gleichmütigkeit unterscheidet sich die launische Sinnesart 6 (vermutlich hat sie anfänglich lunatisch geheissen), welche eine Disposition zu Anwandlungen eines Subjekts zur Freude oder Traurigkeit ist, von denen dieses sich selbst keinen Grund angeben kann, und die vornehmlich den Hypochondristen anhängt. Sie ist von dem l a u n i c h t e n Talent (eines Butler oder Sterne) ganz unterschieden; welches durch die absichtlich-verkehrte Stellung, in die der witzige Kopf die Gegenstände setzt (gleichsam sie auf den Kopf stellt), mit schalkhafter Einfalt dem Zuhörer oder Leser das Vergnügen macht, sie selbst zurecht zu stellen. – E m p f i n d s a m k e i t ist jener Gleichmütigkeit nicht entgegen. Denn sie ist ein V e r m ö g e n und eine S t ä r k e, den Zustand sowohl der Lust als Unlust zuzulassen, oder auch vom Gemüt abzuhalten, und hat also eine Wahl. Dagegen ist E m p f i n d e l e i eine S c h w ä c h e, durch Teilnehmung an anderer ihrem Zustande, die gleichsam auf dem Organ des Empfindelnden nach Belieben spielen können, sich auch wider Willen affizieren zu lassen. Die erstere ist männlich; denn der Mann, welcher einem Weibe oder Kinde Beschwerlichkeiten oder Schmerz ersparen will, muss so viel feines Gefühl haben, als nötig ist, um anderer ihre Empfindung nicht nach s e i n e r Stärke, sondern i h r e r S c h w ä c h e zu beurteilen, und die Z a r t h e i t seiner Empfindung ist zur Grossmut notwendig. Dagegen ist die tatleere Teilnehmung seines Gefühls, sympathetisch zu anderer ihren Gefühlen das seine mittönen, und sich so bloss leidend affizieren zu lassen, läppisch und kindisch. – So kann und sollte es Frömmigkeit in guter Laune geben; so kann [[B 178>> und soll man beschwerliche, aber [[A 178>> notwendige, Arbeit in guter Laune verrichten; ja selbst sterben in guter Laune: denn1 alles dieses verliert seinen Wert dadurch, dass es in übler Laune und2 mürrischer Stimmung begangen oder erlitten wird3. Von dem Schmerz, über dem man vorsetzlich als einem, der nie anders als mit dem Leben aufhören soll, brütet, sagt man, dass jemand sich etwas (ein Übel 4) z u G e m ü t e z i e h e. – Man muss sich aber nichts zu 5 Gemýte ziehen; denn was sich nicht ändern lässt, muss aus dem Sinn geschlagen werden: weil es Unsinn wäre, das Geschehene ungeschehen machen zu wollen. Sich selbst1 bessern geht wohl an, und ist auch Pflicht; an dem aber, was schon ausser meiner Gewalt ist, noch bessern zu wollen, ist ungereimt. Aber e t w a s z u H e r z e n n e h m e n, worunter jeder gute Rat, oder Lehre verstanden wird, die man sich angelegen zu sein den festen Vorsatz fasst, ist eine überlegte Gedankenrichtung, seinen Willen mit genugsam starkem Gefühl zur Ausübung desselben zu verknüpfen. – Die Busse des Selbstpeinigers2, statt der schnellen Verwendung seiner Gesinnung auf einen besseren Lebenswandel, ist rein verlorene Mühe, und hat noch wohl die schlimme Folge, bloss dadurch (durch3 die Reue) sein Schuldregister für getilgt zu halten, und so sich die, vernünftigerweise jetzt noch zu verdoppelnde, Bestrebung zum Besseren zu ersparen.4 § 605. Eine Art, sich zu vergnügen, ist zugleich K u l t u r: nämlich Vergrösserung der Fähigkeit, noch mehr Vergnügen dieser Art zu geniessen; dergleichen das mit [[B 179>> Wissenschaften und schönen Künsten ist6. Eine a n d e r e [[A 179>> Art aber ist A b n u t z 6

H: „[Temperamentsart] Sinnesart”. A: „Laune, beschwerliche aber [[A 178>> notwendige Arbeit, selbst das Sterben in guter Laune, geben; denn“. 2 A: „in schlimmer und“. 3 H: „begangen wird“. 4 H: „Übel oder Böses“. 5 A: „nichts dergleichen zu“. 1 Zusatz von B. 2 H: „Die [tatlose] Busse des [Selbstquälers] Selbstpeinigers“. 3 Zusatz von B2. 4 Am Rand von H: s“Unsere Zufriedenheit setzen wir immer in Vergleichung mit anderen die absolute findet nicht statt. Als beim Lebensende“. 5 A: „§ 53”; Akad.-Ausg.: „§ 63”. 6 A: „mit schönen Künsten und Wissenschaften ist“. 1

u n g: welche uns des ferneren Genusses immer weniger fähig macht. Auf welchem Wege man aber auch immer Vergnügen suchen mag: so ist es, wie bereits oben gesagt,1 eine Hauptmaxime, es sich so zuzumessen, dass man noch immer damit steigen kann; denn damit gesättigt zu sein, bewirkt denjenigen ekelnden Zustand, der dem verwöhnten Menschen das Leben selbst zur Last macht und Weiber, unter dem Namen der Vapeurs, verzehrt. – – Junger Mensch! (ich wiederhole es)1 gewinne die Arbeit lieb; versage dir Vergnügen, nicht um ihnen zu e n t s a g e n, sondern, so viel als möglich, immer nur im Prospekt zu behalten. Stumpfe die Empfänglichkeit für dieselbe nicht durch Genuss frühzeitig ab. Die Reife des Alters, welche die Entbehrung eines jeden physischen Genusses nie bedauren lässt, wird selbst in dieser Aufopferung dir ein Kapital von Zufriedenheit zusichern, welches vom Zufall oder dem Naturgesetz unabhängig ist. § 611. Wir urteilen aber auch über Vergnügen und Schmerz durch ein h ö h e r e s Wohlgefallen oder Missfallen an uns selbst (nämlich das moralische): ob wir uns demselben weigern oder überlassen sollen. 1) Der Gegenstand kann angenehm sein, aber das Vergnügen2 an demselben m i s s f a l l e n. Daher der Ausdruck von einer b i t t e r e n F r e u d e. – Der, welcher in misslichen Glücksumständen ist und nun seine Eltern, oder einen würdigen und wohltätigen Anverwandten beerbt, kann nicht vermeiden, sich über ihr Ab[[B 180>>sterben zu freuen; aber auch nicht, sich diese Freude zu verweisen. Eben das geschieht im Gemüte eines Ad[[A 180>>junkts, der einem von ihm verehrten Vorgänger mit ungeheuchelter Traurigkeit im Leichenbegängnisse folgt. 2) Der Gegenstand kann u n a n g e n e h m sein; aber der S c h m e r z über ihn g e f ä l l t. Daher der Ausdruck s ü s s e r S c h m e r z: z. B. einer sonst wohlhabend hinterlassenen Witwe, die sich nicht will trösten lassen; welches oft ungebührlicherweise für Affektation ausgelegt wird. Dagegen kann das Vergnügen überdem noch gefallen, nämlich dadurch, dass der Mensch an solchen Gegenständen, mit denen sich zu beschäftigen ihm Ehre macht, ein Vergnügen findet: z. B. die Unterhaltung mit schönen Künsten, statt des blossen Sinnengenusses, und dazu noch das Wohlgefallen daran, dass er (als ein feiner Mann) eines solchen Vergnügens fähig ist. – Eben so kann der Schmerz eines Menschen obengin ihm noch missfallen. Jeder Hass eines Beleidigten ist Schmerz; aber der Wohldenkende kann doch nicht umhin, es sich zu verweisen, dass, selbst nach der Genugtuung, er noch immer einen Groll gegen ihn übrig behält. § 623. Vergnügen, was man s e l b s t 4 (gesetzmässig) erwirbt, wird verdoppelt gefühlt; einmal als G e w i n n und dann noch obenein als V e r d i e n s t (die innere Zurechnung, selbst Urheber desselben zu sein). – Erarbeitetes Geld vergnügt, wenigstens d a u e r h a f t e r, als im Glücksspiel gewonnenes, und, wenn man auch über [[B 181>> das Allgemeinschädliche der Lotterie wegsieht, so liegt doch im Gewinn durch dieselbe etwas, dessen sich ein [[A 181>> wohldenkender Mensch schämen muss. – Ein Übel, daran eine fremde Ursache schuld ist, s c h m e r z t; aber woran man selbst schuld ist, b e t r ü b t und schlägt nieder. Wie ist es aber zu erklären oder zu vereinigen: dass bei einem Übel, was jemanden von anderen widerfährt, zweierlei Sprache geführt wird ? – So sagt z.B. einer der Leidenden: „ich wollte mich zufrieden geben, wenn ich nur die mindeste Schuld daran hätte“; ein zweiter1 aber: „es ist mein Trost, dass ich daran ganz 2 unschuldig bin“. – Unschuldig leiden e n t r ü s t 1

Zusatz von B. Zusatz von B. 1 A: „§ 54”; Akad.-Ausg.: „§ 64”. 2 H (Cassirer): „V e r g n ü g e n“. 3 A: „§ 55”; Akad.-Ausg.: „§ 65”. 4 H: „sich selbst“. 1 A: „ein anderer“. 2 H: „ich ganz“. 1

e t; weil es Beleidigung von einem anderen ist. – Schuldig leiden s c h l ä g t n i e d e r; weil es innerer Vorwurf ist. – Man sieht leicht, dass von jenen beiden der zweite3 der b e s s e r e Mensch sei. § 634. Es ist eben nicht die lieblichste Bemerkung an Menschen: dass ihr Vergnügen durch Vergleichung mit anderer ihrem Sehmerz erhöhet, der eigene Schmerz aber durch die Vergleichung mit anderer ähnlichen, oder noch grösseren Leiden vermindert wird. Diese Wirkung ist aber bloss psychologisch (nach dem Satze des Kontrastes: opposita iuxta se posita magis elucescunt5) und hat keine Beziehung aufs Moralische: etwa anderen Leiden zu wünschen, damit man die Behaglichkeit seines eigenen Zustandes desto inniglicher fühlen möge. Man leidet vermittelst der6 Einbildungskraft mit dem anderen mit (so wie, wenn man jemanden, aus dem Gleichge[[B 182>>wicht gekommen, dem Fallen nahe sieht, man unwillkürlich und vergeblich sich auf die Gegenseite hinbeugt, um [[A 182>> ihn gleichsam gerade zu stellen) und ist nur froh, in dasselbe Schicksal nicht auch verflochten zu sein. *2 Daher läuft das Volk mit heftiger Begierde3, die Hinführung eines Delinquenten und dessen Hinrichtung anzusehen, als zu einem Schauspiel. Denn die Gemütsbewegungen und Gefühle, die sich an seinem Gesicht und Betragen äussern, wirken sympathetisch auf den Zuschauer und hinterlassen, nach der Beängstigung desselben durch die Einbildungskraft (deren Stärke durch die Feierlichkeit noch erhöhet wird), das sanfte, aber doch ernste Gefühl einer Abspannung, welche den darauf folgenden Lebensgenuss desto fühlbarer macht. Auch wenn man seinen Schmerz mit andern möglichen an seiner eigenen Person vergleicht, wird er dadurch doch erträglicher. Dem, welcher ein Bein gebrochen hat, kann man dadurch sein Unglück doch4 erträglicher machen, wenn man ihm zeigt, dass es leicht hätte das Genick treffen können. Das gründlichste und leichteste Besänftigungsmittel aller Schmerzen ist der Gedanke, den man einem vernünftigen Menschen wohl anmuten kann: dass das Le[[B 183>>ben überhaupt, was den Genuss desselben betrifft, der von Glücksumständen abhängt, gar keinen 5 eigenen Wert, [[A 183>> und6 nur, was den Gebrauch desselben anlangt, zu welchen Zwecken es gerichtet7 ist, einen Wert habe, den nicht das Glück, sondern allein die W e i s h e i t dem Menschen verschaffen kann; der also in seiner Gewalt ist. Wer ängstlich wegen des Verlustes desselben bekümmert ist8, wird des Lebens nie froh werden. [[BA 184>> B. VOM1 GEFÜHL FÜR DAS SCHÖNE D.I. DER2 TEILS SINNLICHEN TEILS INTELLEKTUELLEN LUST IN DER REFLEKTIERTEN ANSCHAUUNG 3

A: „der letztere“. A: „§ 56”; Akad.-Ausg.: „§ 66”. 5 Übersetzung des Herausgebers: „Entgegengesetztes, nebeneinander gestellt, tritt klarer zutage“. 6 H: „leidet in der“. * Suave, mari magno, turbantibus aequora ventis, E terra alterius magnum spectare laborem. Non quia vexari quenquam est iucunda voluptas, Sed quibus ipse malis careas, quia cernere suave est.2 L u c r e t. 2 Übersetzung des Herausgebers: „Es ist angenehm, bei hochgehender See, wenn die Winde das Meer aufwühlen, vom Land aus die grosse Mühsal eines anderen mitanzusehen. Nicht weil es ein Vergnügen ist, dass jemand sich abquält, sondern weil es angenehm ist zu sehen, von welchen Übeln man selbst frei ist.“ 3 H (Cassirer): „heftigerer Begierde“. 4 H: „dadurch ihn doch“. 5 H: „[beinahe] gar keinen“. 6 A: „Wert [[A 183>> habe und“. 7 A: „Zwecken er gerichtet“. 8 Am Rand von H: „Warum sterben für Freude. Affekt“. 1 A: „[[A 184>> Zweiter Abschnitt. Vom“. 2 A: „Schöne oder der“. 4

ODER DEM GESCHMACK § 643. G e s c h m a c k, in der eigentlichen Bedeutung des Worts, ist, wie schon oben gesagt,4 die Eigenschaft eines Organs (der Zunge, des Gaumens 5 und des Schlundes), von gewissen aufgelöseten Materien im Essen oder Trinken spezifisch affiziert zu werden. Er ist in seinem Gebrauche entweder bloss als U n t e r s c h e i d u n g s- oder auch zugleich als W o h l g e s c h m a c k zu verstehen (z. B. ob etwas süss oder bitter sei, oder ob das Gekostete (Süsse oder Bittere) a n g e n e h m sei). Der erstere kann allgemeine Übereinstimmung in der Art, wie gewisse Materien zu b e n e n n e n sind, der letztere aber kann niemals ein allgemeingültiges Urteil abgeben: dass nämlich (z. B. das Bittere), was mir angenehm ist, auch jedermann angenehm sein werde. Der Grund davon ist klar; weil Lust oder Unlust nicht zum Erkenntnisvermögen in Ansehung der Objekte gehören, sondern Bestimmungen des Subjekts sind, also äusseren6 Gegenständen nicht beigelegt werden können. – [[A 185>> Der Wohlgeschmack enthält also zugleich7 den Begriff von [[B 185>> einer Unterscheidung durch Wohlgefallen oder Missfallen, welche ich mit der Vorstellung des Gegenstandes 8 in der Wahrnehmung oder Einbildung verbinde. Nun wird aber auch das Wort G e s c h m a c k für ein sinnliches Beurteilungsvermögen genommen, nicht bloss9, nach der Sinnesempfindung, für mich selbst, sondern auch nach einer gewissen Regel zu wählen, die als für jedermann geltend vorgestellt wird.10 Diese Regel kann e m p i r i s c h sein; wo sie aber alsdann auf keine wahre Allgemeinheit, folglich auch nicht auf Notwendigkeit (es m ü s s e im 1 Wohlgeschmack jedes anderen Urteil mit dem meinigen übereinstimmen) – Anspruch machen kann. So gilt nämlich die Geschmacksregel in Ansehung der Mahlzeiten für die Deutschen, mit einer Suppe, für Engländer aber, mit derber Kost anzufangen; weil eine durch Nachahmung allmählich verbreitete Gewohnheit es zur Regel der Anordnung einer Tafel gemacht hat. Aber es gibt auch einen Wohlgeschmack, dessen Regel a p r i o r i begründet sein muss, weil sie N o t w e n d i g k e i t, folglich auch Gültigkeit für jedermann, ankündigt, wie die Vorstellung eines Gegenstandes in Beziehung auf das Gefühl der Lust oder Unlust zu beurteilen sei (wo also die Vernunft ingeheim mit im Spiel ist, ob man zwar das Urteil derselben2 nicht aus Vernunftprinzipien ableiten und es darnach beweisen kann3); und diesen Geschmack könnte man den v e r n ü n f t e l n d e n, zum Unterschiede vom e m p i r i s c h e n als dem Sinnengeschmack (jenen gustus reflectens4, diesen reflexus) nennen.5 3

A: „§ 57”; Akad.-Ausg.: „§ 67”. Zusatz von B. 5 H: „der Gaumen“. 6 H: „nicht [Verhältnis des Erkenntnisvermögen zum Objekt sondern Beziehung] nicht zum Erkenntnisvermögen der Objekte sondern Bestimmungen des Subjekts sind die äusseren“. 7 H: „also [nicht bloss die Vorstellung des Unterschiedes der Ge] zugleich“. 8 H: „Gegenstandes [oder auch seiner Anschauung]“. 9 H: „nicht [durch den blossen Sinn] bloss“. 10 H: „vorgestellt wird. [Denn sonst würde die Lust Appetit nach einem Gegenstande sein den man nicht jedermann ansinnen kann [und] sondern den ein jeder [für sich durch Erfahrung] für sich erproben muss nicht Geschmack sein den man a priori als [eine Lust] notwendig und als eine Lust [die jedermann daran haben muss] die man jedermann ansinnen kann vor[stellig machen] stellt. Diese Lust kann [aber] nun eben deswegen keine Sinnenlust, aber auch keine intellektuelle [sein] also muss sie zwar sinnlich. Das Vermögen der Vorstellungen aber die sinnlich sind ohne doch Vorstellungen der Sinne zu sein. Also ist der Wohlgeschmack welcher für jeden zur Regel dient für die Einbildungskraft. Hieraus folgt die Erklärung: // Geschmack ist das Vermögen für das Spiel der EinbiIdungskraft allgemeingültig zu wählen]“. 1 H: „m ü s s e [in dem Urteil ob etwas angenehm sei oder] im“. 2 A: „desselben“. 3 A: „könne“. 4 H: „reflectens [apprehendens]“. 5 Am Rand von H: „nicht Mittel sondern den Gegenstand der Anschauung selbst unmittelbar // Natürlich muss dieses Spiel alsdann frei und doch gesetzmässig sein wenn es eine Lust am Objekt hervorbringen soll. // Geschmack bezieht sieh auf Gesellschaft und Mitteilung mit andern ohne dieses wäre es bloss Wahl für den 4

[[BA 186>> Alle D a r s t e l l u n g seiner eigenen Person oder seiner Kunst m i t G e s c h m a c k setzt einen g e s e l l s c h a f t l i c h e n Z u s t a n d (sich mitzuteilen) voraus, der nicht immer gesellig (teilnehmend an der Lust anderer), sondern im Anfange gemeiniglich b a r b a r i s c h, ungesellig und bloss wetteifernd ist. – In völliger Einsamkeit wird niemand sich sein1 Haus schmücken oder ausputzen; er wird es auch nicht gegen die Seinigen (Weib und Kinder)2, sondern nur gegen Fremde tun; um sich vorteilhaft zu zeigen. Im G e s c h m a c k (der Auswahl) aber, d. i. in der ästhetischen Urteilskraft, ist es nicht unmittelbar die E m p f i n d u n g (das Materiale der Vorstellung des Gegenstandes), sondern wie es die freie (produktive) Einbildungskraft durch Dichtung zusammenpaart, d. i. die Form, was das Wohlgefallen an demselben3 hervorbringt: denn nur die Form ist es, was des Ausspruchs 4 auf eine allgemeine Regel für das Gefühl der Lust fähig ist. Von der Sinnenempfindung, die, nach Verschiedenheit der Sinnesfähigkeit der Subjekte, sehr verschieden sein kann, darf man eine solche allgemeine Regel nicht erwarten. – Man kann also den Geschmack so erklären: 5 „Geschmack ist das Vermögen der ästhetischen Urteilskraft, allgemeingültig zu wählen“. Er ist also ein Vermögen der g e s e l l s c h a f t l i c h e n Beurteilung äusserer Gegenstände in der Einbildungskraft. – Hier fühlt das Gemüt seine Freiheit im Spiele der Einbildungen (also der Sinnlichkeit); denn die Sozialität 6 mit andern Menschen setzt Freiheit voraus, – und dieses Gefühl ist Lust7. – Aber die A l l g e m e i n g ü l t i g k e i t dieser Lust für jedermann, durch welche die8 [[BA 187>> Wahl mit Geschmack (des Schönen) sich von der Wahl durch blosse Sinnenempfindung (des bloss subjektiv Gefallenden), d. i. des Angenehmen9, unterscheidet, führt den Begriff eines Gesetzes bei sich; denn nur nach diesem kann die Gültigkeit des Wohlgefallens für den Beurteilenden allgemein sein. Das Vermögen der Vorstellung des Allgemeinen aber ist der V e r s t a n d. Also ist das Geschmacksurteil so wohl ein ästhetisches, als ein Verstandesurteil, aber in beider Vereinigung (mithin das letztere nicht als rein) gedacht. – Die Beurteilung eines Gegenstandes durch Geschmack ist ein 1 Urteil über die Einstimmung oder den Widerstreit der Freiheit im Spiele der Einbildungskraft und der Gesetzmässigkeit des Verstandes und geht also nur die Form (diese Vereinbarkeit der Sinnenvorstellungen) ästhetisch zu b e u r t e i l e n, nicht Produkte, in welchen jene wahrgenommen wird, hervorzubringen, an; denn2 das wäre G e n i e, dessen aufbrausende Lebhaftigkeit durch die Sittsamkeit des Geschmacks gemässigt und eingeschränkt zu werden oft bedarf.3 Appetit – // Für sich allein wird keiner seine Wahl der Form wegen einschränken. – Die gesellschaftliche feierliche Mahlzeit fordert Mannigfaltigkeit derFreiheit der Wahl wegen aber doch auch Ordnung und Einheit.“ 1 H (Cassirer): „sich oder sein“. 2 A: „mit den Seinigen (Weib und Kindern)“. 3 H: „demselben [als einem S c h ö n e n]“. 4 H (Akad.- Ausg., Cassirer): „Anspruchs“. 5 H: „erklären. [Geschmack ist [die Urteilskraft] das Vermögen das freie Spiel der Einbildungskraft mit der Gesetzmässigkeit des Verstandes zu [verbinden] vereinigen. Er ist also das Vermögen der ästhetischen Urteilskraft allgemeingültig zu wählen.]“ 6 H: „Soziabilität“. 7 H: „L u s t“. 8 H: „[das Geschmacksurteil] die“. 9 Cassirer: „(des bloss subjektiv Gefallenden, d. i. des Angenehmen)“. 1 „Also ist die... Geschmack ein“. 2 H (Cassirer): „Sinnenvorstellungen) nicht die Materie (die Sinnenlust) an, welche vielmehr, vornehmlich wenn das Gefühl derselben (der Reiz) stark ist das Geschmacksurteil überschreit. – Der G e s c h m a c k ist also nur ein Vermögen [den Gegenstand] diese Einhelligkeit oder Misshelligkeit im Zusammensein der Vorstellungen ästhetisch zu beurteilen, nicht ... hervorzubringen denn“. 3 Am Rand von H: „Was man für die Lust anderer wählt daran kann die Wahl doch ohne Interesse sein. // Woher – Sapor? // Wählen heisst etwas durchs Gefühl der Lust an einem Gegenstand unterscheiden. Es ist noch nicht Begehren denn es ist noch problematisch. Noch kein Interesse etc. etc. // Schönheit – Erhabenheit // In einer Predigt nicht Geist und Geschmack 1. Die kalte und helle Theorie des Textes für den Verstand // 2. Das wirkliche Leben in Beziehung auf den Text ob es mit diesem übereinstimme oder nicht. // 3. Die belebende Anwendung desselben auf das Leben. // Der Geschmack geht auf Mitteilung der Lust in der Vorstellung eines Gegenstandes hinaus und also sofern sie gesellschaftlich ist. Für sich selbst wird sich niemand

S c h ö n h e i t ist allein das, was für den Geschmack gehört; das E r h a b e n e gehört zwar auch zur ästhetischen Beurteilung, aber nicht für den Geschmack. Aber es kann und soll die V o r s t e l l u n g des Erhabenen doch an sich schön sein; sonst ist sie rauh, barbarisch und geschmackwidrig. Selbst die D a r s t e l l u n g des Bösen oder Hässlichen (z. B. der Gestalt des personifizierten Todes bei Milton) kann und muss1 schön sein, wenn einmal ein Gegenstand ästhetisch vorgestellt2 werden soll, und wenn es auch ein T h e r s i t e s wäre; denn sonst bewirkt sie entweder Unschmackhaftigkeit3 oder Ekel: welche beide [[BA 188>> das Bestreben enthalten, eine4 Vorstellung, die zum Genuss dargeboten wird, von sich zu stossen, da hingegen S c h ö n h e i t den Begriff der Einladung zur innigsten Vereinigung mit dem Gegenstande, d. i. zum unmittelbaren Genuss, bei5 sich führt. – Mit dem Ausdruck einer s c h ö n e n S e e l e sagt man alles, was sich, sie zum Zweck der innersten Vereinigung mit ihr zu machen, sagen lässt; denn S e e l e n g r ö s s e und S e e l e n s t ä r k e betreffen die Materie (die Werkzeuge zu gewissen Zwecken); aber die S e e l e n g ü t e 6, die reine Form, unter der alle Zwecke sich müssen vereinigen lassen und die daher, wo sie angetroffen wird, gleich dem Eros der Fabelwelt, u r s c h ö p f e r i s c h aber auch ü b e r i r d i s c h ist, – diese Seelengüte ist doch der Mittelpunkt, um welchen das Geschmacksurteil alle seine Urteile der mit der Freiheit des Verstandes vereinbaren sinnlichen Lust versammelt. A n m e r k u n g. Wie mag es doch gekommen sein, dass vornehmlich die neueren Sprachen das ästhetische Beurteilungsvermögen mit einem Ausdruck (gustus, sapor), der bloss auf ein gewisses Sinnenwerkzeug (das Innere des Mundes) und die Unterscheidung sowohl als die Wahl geniessbarer Dinge durch dasselbe hinweiset, bezeichnet haben ? – Es ist keine Lage, wo Sinnlichkeit und Verstand in einem Genusse vereinigt so lange fortgesetzt, und so oft mit Wohlgefallen wiederholt werden können, – als eine gute Mahlzeit in guter Gesellschaft. – Die erstere wird aber hierbei nur als Vehikel der Unterhaltung der letzteren angesehen. Der ästhetische Geschmack des Wirts zeigt sich nun in der Geschicklichkeit, allgemeingültig zu wählen; welches er aber durch seinen eigenen [[BA 189>> Sinn nicht bewerkstelligen kann: weil seine Gäste sich vielleicht andere Speisen oder Getränke, jeder nach seinem Privatsinn, auswählen würden1. Er setzt also seine Veranstaltung2 in der M a n n i g f a l t i g k e i t: dass nämlich für jeden nach seinem Sinn einiges angetroffen werde; welches eine komparative Allgemeingültigkeit abgibt. Von seiner Geschicklichkeit, die Gäste selbst zur wechselseitigen allgemeinen Unterhaltung zu wählen (welche auch wohl Geschmack genannt wird, eigentlich aber Vernunft in ihrer Anwendung auf den Geschmack, und von diesem noch verschieden ist3), kann in der gegenwärtigen Frage nicht die Rede sein. Und so hat das Organgefühl durch einen besondern Sinn den Namen für ein ideales, nämlich einer sinnlich-allgemeingültigen Wahl überhaupt, hergeben können. – Noch sonderbarer ist es: dass die Geschicklichkeit der Erprobung durch den Sinn, ob etwas ein Gegenstand des Genusses eines und desselben Subjekts (nicht ob dessen Wahl allgemeingültig) sei, (sapor) sogar zur Benennung der Weisheit (sapientia) hinaufgeschroben worden; vermutlich geschmackvoll kleiden oder ausputzen. // Woher aber Sapor und Sapientia. – Der Unterscheidungsgeschmack der fein ist. Sancho eiserner kleiner Schlüssel etc. etc. // Geschmack ist das Vermögen der ästhetischen Urteilskraft allgemeingültig zu wählen. // Dadurch wird 1) das empirische Interesse denn das gibt keine Allgemeingültigkeit. 2) das intellektuelle Interesse abgehalten dann aber auch 3) die Beziehung eines Gegenstandes aufs Gefühl der Lust und Unlust welches also bloss die Form des Gegenstandes betrifft 4) die Freiheit der Einbildungskraft da die anschauliche Vorstellung eigenes Produkt ist, angezeigt .“ 1 H: „[soll] muss“. 2 H: „dargestellt“. 3 H: „[Gleichgültigkeit] entweder Unschmackhaftigkeit“. 4 A: „beide [[A 188>> Bestrebungen eine“; H: „beide Bestrebungen enthalten eine“. 5 H: „Gegenstande der Wahl bei“. 6 H (Cassirer): „Seelenschönheit“. 1 A: „weil anderer ihrer sich andere ... auswählen würde“. 2 H: „[Wahl Anordnung] Veranstaltung“. 3 H: „Geschmack verschiedener ist“.

deswegen, weil ein unbedingt notwendiger Zweck keines Überlegens und Versuchens bedarf, sondern unmittelbar gleichsam durch Schmecken4 des Zuträglichen in die Seele kommt. § 655. Das E r h a b e n e (sublime) ist die ehrfurchterregende G r o s s h e i t (magnitudo reverenda), dem Umfange oder dem Grade nach, zu dem die Annäherung (um ihm mit6 seinen Kräften angemessen zu sein) einladend, die Furcht aber, in der Vergleichung mit demselben in seiner eigenen Schätzung zu verschwinden, zugleich abschreckend ist (z. B. der Donner über unserem [[BA 190>> Haupte, oder ein hohes wildes Gebirge); wobei, wenn man selbst in Sicherheit ist, Sammlung seiner Kräfte, um die Erscheinung zu fassen, und dabei Besorgnis, ihre Grösse nicht erreichen zu können, V e r w u n d e r u n g (ein angenehmes Gefühl durch kontinuierliche Überwindung des Schmerzens1) erregt wird. Das E r h a b e n e ist zwar das 2 Gegengewicht, aber nicht das Widerspiel vom Schönen; weil die Bestrebung und der Versuch, sich zu der Fassung (apprehensio) des Gegenstandes zu erheben, dem Subjekt ein Gefühl seiner eigenen Grösse und Kraft erweckt; aber die Gedankenvorstellung desselben in der B e s c h r e i b u n g oder Darstellung kann und muss immer schön sein. Denn sonst wird die Verwunderung A b s c h r e c k u n g, welche von B e w u n d e r u n g, als einer Beurteilung, wobei man des Verwunderns nicht satt wird, sehi unterschieden ist. Die Grossheit, die zweckwidrig ist (magnitudo monstrosa), ist das U n g e h e u e r e. Daher haben die Schriftsteller, welche die weitläuftige Grösse des russischen Reichs erheben wollten, es schlecht getroffen, dass sie es als ungeheuer betitelten; denn hierin liegt ein Tadel: als ob es, für einen einzigen Beherrscher, z u g r o s s s e i. – A b e n t e u e r l i c h ist ein Mensch, der den Hang hat, sich in Begebenheiten zu verflechten, deren wahre Erzählung einem Roman ähnlich ist. Das Erhabene ist also zwar nicht ein Gegenstand für den Geschmack, sondern für das Gefühl der Rührung; aber die künstliche Darstellung desselben in der Besehrei[[BA 191>>bung und Bekleidung (bei Nebenwerken3, parerga) kann und soll schön sein; weil es sonst wild, rauh und abstossend und so dem Geschmack zuwider ist. DER GESCHMACK ENTHÄLT EINE TENDENZ ZUR ÄUSSEREN BEFÖRDERUNG DER MORALITÄT § 664. Der Geschmack (gleichsam als formaler Sinn) geht auf M i t t e i l u n g seines Gefühls der Lust oder Unlust an andere und enthält eine Empfänglichkeit, durch diese Mitteilung selbst mit Lust affiziert, ein1 Wohlgefallen (complacentia) daran gemeinschaftlich mit anderen (gesellschaftlich) zu empfinden. Nun ist das Wohlgefallen, was nicht bloss als für das empfindende Subjekt, sondern auch für jeden anderen, d. i. als allgemeingültig betrachtet werden kann, weil es Notwendigkeit (dieses Wohlgefallens), mithin ein Prinzip desselben a priori enthalten muss, um als ein solches gedacht werden zu können, ein Wohlgefallen an der Übereinstimmung der Lust des Subjekts mit dem Gefühl jedes anderen, nach einem allgemeinen Gesetz, welches aus der allgemeinen Gesetzgebung des Fühlenden, mithin aus der Vernunft, entspringen muss: d. i. die 2 Wahl nach diesem Wohlgefallen steht der Form nach unter dem Prinzip der Pflicht. Also hat der ideale Geschmack eine Tendenz zur äusseren Beförderung der Moralität. – Den Menschen für seine gesellschaftliche Lage g e s i t t e t zu 4

H: „[Gefühl] Schmecken“. A: „§ 58”; Akad.-Ausg.: „§ 68” ; H stellt dem § als Überschrift voran: „Vom Geschmack in Ansehung des Erhabenen“. 6 H: „ihm [gleichzukommen anlockend] mit“. 1 A: „Schmerzes“. 2 H: „[gleichsam] das“. 3 H: „(Beiwerken“. 4 A: „§ 59”; Akad.-Ausg.: „§ 69”. 1 H: „Mitteilung [unmittelbar mit Lust (Wohlgefallen) affiziert zu ein] selbst mit Lust affiziert zu werden ein“. 2 H: „d. i. [dieses Wohlgefallen] die“. 5

machen, will zwar nicht ganz so viel sagen, als ihn s i t t l i c h – g u t (moralisch) zu bilden, aber bereitet doch, dureh die Bestrebung, in dieser Lage anderen 3 wohlzugefallen (beliebt oder bewundert zu werden), dazu vor. – Auf diese Weise könnte man [[BA 192>> den Geschmack Moralität in der äusseren Erscheinung nennen; obzwar dieser Ausdruck, nach dem Buchstaben4 genommen, einen Widerspruch enthält; denn Gesittetsein enthält doch den Anschein oder Anstand vom Sittlichguten und selbst einen Grad davon, nämlich die Neigung5, auch schon in dem Schein desselben einen Wert zu setzen. § 676. Gesittet, wohlanständig, manierlich, geschliffen (mit Abstossung der Rauhigkeit) zu sein7, ist doch nur die negative Bedingung des Geschmacks. Die Vorstellung dieser Eigenschaften in der Einbildungskraft kann eine äusserlich i n t u i t i v e Vorstellungsart eines Gegenstandes oder seiner eigenen Person mit Geschmack sein, aber nur 8 für zwei Sinne, für das Gehör und Gesicht. Musik und bildende Kunst (Malerei, Bildhauer-, Bau- und Gartenkunst) machen Ansprüche auf Geschmack, als Empfänglichkeit eines Gefühls der Lust für die blossen Formen äusserer Anschauung, erstere in Ansehung des Gehörs, die andere des Gesichts. Dagegen enthält die d i s k u r s i v e Vorstellungsart, durch laute Sprache oder durch Schrift, zwei Künste, darin der Geschmack sich zeigen kann: die B e r e d s a m k e i t und D i c h t k u n s t.1 ANTHROPOLOGISCHE BEMERKUNGEN ÜBER DEN GESCHMACK2 A. VOM MODEGESCHMACK § 683. Es ist ein natürlicher Hang des Menschen4, in seinem Betragen sich mit einem bedeutendern5 (des [[BA 193>> Kindes mit den Erwachsenen, des Geringeren mit den Vornehmeren) in Vergleichung zu stellen und seine Weise nachzuahmen 6. Ein Gesetz dieser Nachahmung, um bloss nicht geringer zu erscheinen als andere, und zwar in dem, wobei übrigens auf keinen Nutzen Rücksicht genommen wird, heisst M o d e. Diese gehört also unter den Titel der E i t e l k e i t, weil in der Absicht kein innerer Wert ist; imgleichen der T o r h e i t, weil dabei doch ein Zwang ist, sich durch blosses Beispiel 1, das uns viele in der Gesellschaft geben, knechtisch leiten zu lassen. In der Mode sein ist eine Sache des 3

H: „[allen] anderen“. So auch H; A: „nach den Buchstaben“. 5 Zusatz von B. 6 A: „§ 60”; Akad.-Ausg.: „§ 70”. 7 H: „[sich zu verhalten sind] zu sein“. 8 H (Cassirer): „äusserlich intuitive oder eine diskursive und nur innerlich intuitive Vorstellung sein. – Die intuitive Vorstellungsart ... mit Geschmack ist nur“. 1 Am Rand von H: „§ 51 // Von der Dichtkunst und Beredsamkeit Geist und Geschmack, // Das Übermass des Wohllebens mit Geschmack ist Luxus // Der Sinnengeschmack geht nur auf zwei Sinne Gehör und Gesicht Der Reflexionsgeschmack geht auch auf Manieren (mores). Der letztere der die Schönheit genannt wird ist gleichsam die Sittlichkeit in der Erscheinung (die Tugend wenn sie sichtbarlich erschiene (venus orania) – Daher geschliffen , poli – Er ist die mittlere Stufe zwischen Sinnenreiz und Moralität. Die Individualität des ersteren wird weggelassen und es bleibt Wohlgefallen, die Allgemeinheit und Notwendigkeit führt zum Guten // Vom Modegeschmack // Nur 2 Sinne gehören zum idealischen Geist und Geschmack // Von der Pracht und dem Pomp – Abenteuerlichkeiten // Manche von ihnen sind süsslich wie die Liebesromanen // Prahlerisch ist nicht geschmacksvoll sondern a b g e s c h m a c k t – Modisch ist nicht geschmackvoll sondern eitel.“ 2 H: „[Kunst] Geschmack. [Der p o p u l ä r e Geschmack (zum Unterschiede vom a u s g e w ä h l t e n) ist die Mode. Die Frage: was ist jetzt Mode? geht nicht bloss auf den durch Gewohnheit gleichsam zum Gesetz gewordenen den eleganten Gebrauch]“. 3 A: „§ 61”; Akad.-Ausg.: „§ 71”. 4 H: „[Schwächeren] Menschen“. 5 A: „bedeutenden“; H: „Bedeuternden“. 6 H: „nachzumachen“. 1 H: „durchs blosse Beispiel“. 4

Geschmacks; der a u s s e r der Mode einem vorigen Gebrauch anhängt, heisst a l t v ä t e r is c h; der gar einen Wert darin setzt, ausser der Mode zu sein, ist ein S o n d e r l i n g. Besser ist es aber doch immer, ein Narr in der Mode als ein Narr ausser der Mode zu sein; wenn man jene Eitelkeit überhaupt mit diesem harten Namen belegen will: welchen Titel doch die Modesucht2 wirklich verdient, wenn sie jener Eitelkeit wahren Nutzen oder gar 3 Pflichten aufopfert. – Alle Moden sind schon ihrem Begriffe nach veränderliche Lebensweisen. Denn, wenn das Spiel der Nachahmung fixiert wird, so wird diese zum G e b r a u c h; wobei dann auf den Geschmack gar nicht mehr gesehen wird 4. Die Neuigkeit ist es also, was die Mode beliebt macht, und erfinderisch in allerlei äusseren Formen zu sein, wenn diese auch öfters ins Abenteuerliche und zum Teil Hässliche ausarten 5, gehört zum T o n der Hofleute, vornehmlich der Damen, denen dann andere begierig nachfolgen, und sich in niedrigen6 Ständen noch lange damit schleppen, wenn jene sie schon abgelegt haben. – Also ist die Mode eigentlich nicht eine Sache [[BA 194>> des Geschmacks (denn sie kann äusserst geschmackwidrig sein), sondern der blossen Eitelkeit vornehm zu tun, und des Wetteifers, einander dadurch zu übertreffen. (Die elegants de la cour, sonst petits maitres genannt, sind Windbeutel.) Mit dem wahren, idealen Geschmack lässt sich Pracht, mithin etwas Erhabenes, was zugleich schön ist, verbinden (wie ein prachtvoller bestirnter Himmel, oder, wenn es nicht zu widrig7 klingt, eine St. Peterskirche in Rom). Aber P o m p, eine prahlerische Ausstellung zur Schau, kann zwar auch mit Geschmack verbunden werden, aber nicht ohne Weigerung des letzteren; weil der Pomp für den grossen Haufen, der viel Pöbel in sich fasst, berechnet ist, dessen Geschmack, als stumpf, mehr Sinnenempfindung als Beurteilungsfähigkeit erfordert. B. VOM KUNSTGESCHMACK Ich ziehe hier nur die redenden Künste: B e r e d s a m k e i t und D i c h t k u n s t, in Betrachtung, weil diese auf eine Stimmung des Gemüts angelegt sind, wodurch dieses unmittelbar zur Tätigkeit aufgeweckt wird, und so in einer p r a g m a t i s c h e n Anthropologie, wo man den Menschen nach dem zu kennen sucht, was aus ihm zu machen ist, ihren Platz hat. Man nennt das durch I d e e n belebende Prinzip des Gemüts G e i s t. – G e s c h m a c k ist ein blosses regulatives Beurteilungsvermögen der Form in der Ver[[BA 195>>bindung des Mannigfaltigen in der Einbildungskraft; Geist aber das produktive Vermögen der Vernunft, ein M u s t e r für jene Form a priori der Einbildungskraft unterzulegen. Geist und Geschmack: der e r s t e, um Ideen zu schaffen, der z w e i t e, um sie für die den Gesetzen der produktiven Einbildungskraft angemessene Form zu beschränken1, und so u r s p r ü n g l i c h (nicht nachahmend) zu b i l d e n (fingendi). Ein mit Geist und Geschmack abgefasstes Produkt kann überhaupt P o e s i e genannt werden und ist ein Werk der s c h ö n e n K u n s t: es mag den Sinnen vermittelst der Augen, oder der Ohren unmittelbar vorgelegt werden, welche auch D i c h t k u n s t (poetica in sensu lato) genannt werden kann: sie mag Maler-, Garten-, Baukunst oder Ton- und Versmacherkunst (poetica in sensu stricto) sein. D i c h t k u n s t aber, im Gegensatz mit der B e r e d s a m k e i t, ist von dieser nur der wechselseitigen Unterordnung des Verstandes und der Sinnlichkeit nach unterschieden, so: dass die erstere ein S p i e l der Sinnlichkeit durch den Verstand g e o r d n e t, die zweite aber ein G e s c h ä f t e des Verstandes durch Sinnlichkeit b e l e b t, beide aber, der Redner sowohl als der Poet, (in 2

H: „[Nachahmungssucht] Modensucht“. H: „oder wohl gar“. 4 A: „wobei es dann... mehr angesehen wird“; H: „[welcher] wobei [es] auf den Geschmack gar nicht [angelegt ist] abgesehen wird“. 5 H: „ausarteten“. 6 A: „niedrigern“. 7 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „niedrig“. 1 H: „um [ihnen eine] sie für die ... Form [unterzulegen] zu beschränken“. 3

weitem Sinn) D i c h t e r sind, und aus sich selbst neue Gestalten (Zusammenstellungen des Sinnlichen) in ihrer Einbildungskraft hervorbringen.*345 [[BA 196>> Weil die Dichtergabe ein Kunstgeschick, und, mit Geschmack verbunden, ein Talent für schöne Kunst ist, die zum Teil auf (obzwar süsse, oft auch indirekt heilsame) Täuschung ausgeht, so kann es nicht fehlen, dass von ihr nicht grosser (oft auch nachteiliger) Gebrauch im Leben gemacht werde. - Über den Charakter des Dichters also, oder auch über den Einfluss, den sein Geschäft auf ihn und andere hat, und die Würdigung desselben, verlohnt es wohl, einige Fragen und Bemerkungen aufzustellen.1 Warum gewinnt unter den schönen (redenden) Künsten die Poesie den Preis über die Beredsamkeit, bei [[B 197>> eben denselben Zwecken ? – Weil sie zugleich Musik (singbar) und Ton, ein für sich allein angenehmer Laut ist, dergleichen die blosse Sprache nicht ist. Selbst die [[A 197>> Beredsamkeit borgt von der Poesie einen dem Ton nahe kommenden Laut, den A k z e n t, ohne welchen die Rede der nötigen dazwischen kommenden Augenblicke der Ruhe und der Belebung entbehrte. Die Poesie gewinnt aber nicht bloss den Preis über2 die Beredsamkeit, sondern auch über jede andere schöne Kunst: über die Malerei (wozu die Bildhauerkunst gehört) und selbst über die Musik. Denn die letztere ist nur darum 3 s c h ö n e (nicht bloss angenehme) K u n s t, weil sie der Poesie zum Vehikel dient. Auch gibt es unter den Poeten nicht so viel seichte (zu Geschäften untaugliche) Köpfe, als unter den Tonkünstlern; weil jene doch auch zum Verstande, diese aber bloss zu den Sinnen reden. – Ein gutes Gedicht ist das eindringendste Mittel der Belebung des Gemüts. – – Es gilt aber nicht bloss vom Poeten, sondern von jedem Besitzer der schönen Kunst: man müsse dazu geboren sein und könne nicht durch Fleiss und Nachahmung dazu gelangen; imgleichen, dass der Künstler, zum Gelingen seiner Arbeit, noch einei ihm 4 anwandelnden glücklichen Laune5, gleich als dem Augenblicke einer Eingebung, bedürfe (daher er auch Vates genannt wird), weil, was nach Vorschrift und Regeln gemacht wird, geistlos (sklavisch) ausfällt, ein Produkt der schönen Kunst aber nicht bloss Geschmack, der auf Nachahmung gegründet sein kann, *

Die N e u i g k e i t d e r D a r s t e l l u n g eines Begriffs ist eine Hauptforderung der schönen Kunst an den Dichter, wenn gleich der Begriff selbst auch nicht neu sein sollte. – Für den Verstand aber (abgesehen vom Geschmack) hat man folgende Ausdrücke für die Vermehrung unserer Kenntnisse [[Anm. BA 196>> durch neue Wahrnehmung. – Etwas e n t d e c k e n, zuerst wahrnehmen, was schon da war, z. B. Amerika, die magnetische nach den Polen sich richtende Kraft, die Luftelektrizität. – Etwas e r f i n d e n (was noch nicht da war, zur Wirklichkeit bringen), z.B. den Kompass, den Aerostat. 3 – Etwas a u s f i n d i g machen, das Verlorne durch Nachsuchen wiederfinden. – E r s i n n e n und a u s d e n k e n (z. B. von Werkzeugen für Kýnstler, oder Maschinen). – E r d i c h t e n, mit dem Bewusstsein das Unwahre 4 als wahr vorstellig machen, wie in Romanen, wenn es nur zur Unterhaltung geschieht. – Eine für Wahrheit ausgegebene Erdichtung aber ist L ü g e. (Turpiter atrum desinit in piscem mulier formosa supernes5) H o r a t. 3 A: „Aerostat. Der Mönch S c h w a r z mag wohl die Natur des Schiesspulvers zuerst e n t d e c k t haben, wenn er etwa die Bestandteile desselben dürch Auslaugen, Glühen u.d.g. herausbrachte; denn erfunden hat er es nicht, weil es lange vor ihm schon in der Belagerung von Algeciras gebraucht worden war.“ 4 H (Cassirer): „Erdichten das mit Bewusstsein Unwahre“. 5 Übersetzung des Herausgebers: „Die oben wohlgebildete Frau läuft hässlich in einen schwarzen Fisch aus“; am Rand von H: „Man nennt das durch Ideen mit Vernunft belebende Prinzip im Menschen – Geist. // Der Maler von Originalen der Redner der Poet – ein jeder originale Autor muss Dichter sein und in seinem Produkt liegt Geist. // Skansion // tollgewordene Prose // Ein im Reime gebrachter witziger (auch wohl spitziger) Gedanke ist darum nicht Poesie – fehlt Geist. Die alten Gedichte hatten mehr Geist als Witz. Rauhe Grösse und Einfalt. // Reime sind Endtöne // Poeten sind selten gute Geschäftsmänner Musiker gleichfalls nicht ausser als Liebhaber nicht Künstler // Poesie und Versmacherei // Die Singbarkeit der Verse ist eine nicht natürliche Sprache“. 1 A: „Den Charakter des Dichters also, oder auch, was sein Geschäft auf ihn und andere für Einfluss habe und wie es zu würdigen sei, verlohnt es wohl einige Fragen und Bemerkungen aufzustellen, die seine eigentümliche Lage betregen.“ 2 H: „aber den Preis nicht bloss über“. 3 H: „nur [gleichsam] darum“. 4 H (Cassirer): „ihn“. 5 H: „L a u n e”.

sondern auch Originalität des Gedanken erfordert, die, als aus sich selbst belebend, G e i s t genannt wird. – Der N a t u r m a l e r mit dem Pinsel oder der Feder (das letztere sei in Prose oder in Versen) ist nicht der [[A 198>> schöne Geist, weil er nur nachahmt; der I d e e n m a l e r ist allein der Meister der schönen Kunst. [[B 198>> Warum versteht man unter dem Poeten gewöhnlich einen Dichter in V e r s e n, d. i. in einer Rede1, die skandiert (der Musik ähnlich2, taktmässig gesprochen) wird ? Weil er3, ein Werk der schönen Kunst ankündigend, mit einer Feierlichkeit auftritt, die dem feinsten G e s c h m a c k (der Form nach) genügen muss; denn sonst wäre es nicht schön. – Weil diese Feierlichkeit aber am meisten zur schönen Vorstellung des Erhabenen erfordert wird, so wird dergleichen affektierte Feierlichkeit ohne Vers (von Hugo Blair) „t o l l g e w o r d e n e P r o s e“ genannt. – Versmacherei ist anderseits auch nicht Poesie, wenn sie ohne Geist ist. Warum ist der Reim in den Versen der Dichter neuerer Zeiten, wenn er glücklich den Gedanken schliesst, ein grosses Erfordernis des Geschmacks in unserem Weltteil ? dagegen 4 ein widriger Verstoss gegen den Vers in Gedichten der alten Zeiten, so dass z. B. im Deutschen reimfreie Verse wenig gefallen, ein in Reim5 gebrachter lateinischer Virgil aber noch weniger behagen kann ? Vermutlich weil bei den alten klassischen Dichtern die Prosodie bestimmt war, den neuern Sprachen aber grossenteils mangelt, und dann doch das Ohr, durch den Reim, der den Vers gleichtönend mit dem vorigen schliesst, dafür schadlos gehalten wird. In einer prosaischen feierlichen Rede wird ein von ohngefähr zwischen andre Sätze einfallender Reim6 lächerlich. [[A 199>> Woher schreibt sich die p o e t i s c h e F r e i h e i t, die doch dem Redner nicht zusteht, dann und wann wider die Sprachgesetze zu verstossen ? Vermutlich davon, dass [[B 199>> er durch das Gesetz der Form nicht gar zu sehr beenget werde, einen grossen Gedanken auszudrücken. Warum ist ein mittelmässiges7 Gedicht unleidlich, eine mittelmässige Rede aber noch wohl erträglich ? Die Ursache scheint darin zu liegen, dass die Feierlichkeit des Tons in jedem poetischen Produkt grosse Erwartung erregt und eben dadurch, dass diese nicht befriedigt wird, wie gewöhnlich, noch tiefer sinkt, als der prosaische Wert desselben es etwa noch verdienen würde. – Die Endigung eines Gedichts mit einem Verse, der als Sentenz aufbehalten werden kann, wirkt ein Vergnügen im Nachschmacke, und macht dadurch manches Schale wieder gut; gehört also auch zur Kunst des Dichters. Dass im Alter die p o e t i s c h e A d e r vertrocknet, zu einer Zeit, da Wissenschaften dem guten Kopf noch immer gute1 Gesundheit und Tätigkeit in Geschäften ankündigen, kommt wohl daher: dass Schönheit eine B l ü t e, Wissenschaft aber F r u c h t ist, d. i. die Poesie eine freie Kunst sein muss, welche, der Mannigfaltigkeit halber, Leichtigkeit erfordert, im Alter aber dieser leichte Sinn (und das mit Recht) schwindet; weil ferner G e w o h n h e i t, in derselben Bahn der Wissenschaften nur fortzuschreiten, zugleich Leichtigkeit bei sich führt, Poesie also, welche zu jedem ihrer Produkte Originalität und N e u i g k e i t (und hiezu Gewandtheit) erfordert, mit dem Alter nicht wohl zusammenstimmt; ausser etwa in [[A 200>> Sachen des k a u s t i s c h e n Witzes, in Epigrammen und Xenien, wo sie aber auch mehr Ernst als Spiel ist.2 1

H: „[Sprache] Rede“. H: „[analogisch] ähnlich“. 3 H: „[sein Produkt sich als] er“. 4 H: „in den neuen dagegen“. 5 H: „in Reime“. 6 H: „[zufällig] von ohngefähr sich zwischen Sätze einstellender Reim“. 7 H (Cassirer): “mittelmässig”. 1 H: „immer [zur gedeihlichen Nahrung dienen und blühende] in gute“. 2 H: „weil was eine durch Gewohnheit erlangte Fertigkeit zugleich ein Zwang ist ferner auf demselben Wege fortzuschreiten und dabei die Neuigkeit der“. 2

[[B 200>> Dass Poeten kein solches Glück machen, als Advokaten und andere Professionsgelehrte, liegt schon in der Anlage des Temperaments 3, welches überhaupt zum gebornen Poeten erforderlich ist: nämlich die Sorgen durch das gesellige Spiel mit Gedanken zu verjagen. – Eine Eigenheit aber, die den C h a r a k t e r betrifft, nämlich die, k e i n e n C h a r a k t e r z u4 h a b e n, sondern wetterwendisch, launisch und (ohne Bosheit) unzuverlässig zu sein, sich mutwillig Feinde zu machen, ohne doch eben jemand zu hassen, und seinen Freund beissend zu bespötteln, ohne ihm wehe tun zu wollen, liegt 1 in einer über die praktische Urteilskraft herrschenden, zum Teil angebornen, Anlage des verschrobenen W i t z e s. VON DER ÜPPIGKEIT § 692. Ü p p i g k e i t (luxus) ist das Übermass des gesellschaftlichen Wohllebens mit G e s c h m a c k in einem gemeinen Wesen (der also der Wohlfahrt desselben zuwider ist). Jenes Übermass, aber o h n e G e s c h m a c k, ist die öffentliche S c h w e l g e r e i (luxuries). – Wenn man beiderlei Wirkungen auf die Wohlfahrt in Betrachtung zieht, so ist Üppigkeit ein e n t b e h r l i c h e r A u f w a n d, der a r m macht, Schwelgerei aber ein solcher, der k r a n k macht. Die erste ist doch noch mit der fortschreitenden Kultur des Volks (in Kunst und Wissenschaft) verein[[A 201>>bar3; die zweite aber überfüllt mit Genuss und bewirkt endlich Ekel. Beide sind mehr prahlerisch (von aussen zu glänzen), als selbstgeniessend; die erstere durch Ele[[B 201>>ganz (wie auf Bällen und in Schauspielen) für den idealen Geschmack; die zweite durch Überfluss und Mannigfaltigkeit für den Sinn des S c h m e c k e n s (den physischen, wie z. B. ein Lordmaireschmaus). – Ob die Regierung befugt sei, beide durch Aufwandsgesetze einzuschränken, ist eine Frage, deren Beantwortung hieher nicht gehört. Die schönen aber sowohl, als die angenehmen Künste, welche das Volk zum Teil schwächen, um es besser regieren zu können, würden4 mit Eintretung eines rauhen Lakonizisms5 der Absicht der Regierung gerade zuwider wirken. G u t e L e b e n s a r t ist die Angemessenheit des Wohllebens zur Geselligkeit (also mit Geschmack). Man sieht hieraus, dass der Luxus der guten Lebensart Abbruch tut, und der Ausdruck „er weiss zu leben“, der von einem begüterten oder vornehmen Mann gebraucht wird, bedeutet die Geschicklichkeit seiner Wahl im geselligen Genuss, der Nüchternheit (Sobrietät) enthält, beiderseitig den Genuss gedeihlich macht, und für die Dauer berechnet ist1. Man sieht hieraus, dass, da Üppigkeit eigentlich nicht dem häuslichen, sondern nur dem öffentlichen Leben vorgerückt werden kann, das Verhältnis des Staatsbürgers zum gemeinen Wesen, was die Freiheit im Wetteifer betrifft, um, in Verschönerung seiner Person oder [[A 202>> Sachen (in Festen, Hochzeiten und Leichenbegängnissen und so herab bis zu dem guten Ton des gemeinen Umgangs), dem Nutzen allenfalls vorzugreifen, schwerlich 2 mit Aufwandsverboten belästigt werden dürfe; weil sie [[B 202>> doch3 den Vorteil schafft, die 3

H: „T e m p e r a m e n t s“. A: „Dass aber, was den C h a r a k t e r betrifft, nämlich den, k e i n e n z u“. 1 So auch H; A: „wollen, das liegt“. 2 A: „§ 62”; Akad.-Ausg.: „§ 72”. 3 H: „verbunden“. 4 Cassirer erwägt: „schwächen, ganz zu unterdrücken, um ... können, würde“. 5 H: “Lakonisms”. 1 H: „berechnet hat“. 2 A: „Wesen, in dem was ... Wetteifer, um in ...[[A 202>> Sachen dem Nutzen allenfalls vorzugreifen (...), sich zu erweitern, schwerlich“. 3 H (Cassirer): „Man sieht hieraus, dass Üppigkeit ... vorgerückt werden könne und das Verhältnis ... Wesen in dem was die Freiheit seiner Wahl nach Geschmack angeht betreffe. Sie ist bloss eine Torheit im Wetteifer um in ... Sachen dem Nutzen allenfalls vorzugreifen (...) welcher doch“. 4

Künste zu beleben, und so dem gemeinen Wesen die Kosten wieder erstattet, welche ihm ein solcher Aufwand verursacht haben möchte. [[A 203>> DRITTES BUCH4 VOM BEGEHRUNGSVERMÖGEN § 705. B e g i e r d e (appetitio) ist die Selbstbestimmung der Kraft eines Subjekts durch die Verstellung von etwas Künftigen, als einer Wirkung derselben. Die habituelle sinnliche Begierde heisst N e i g u n g. Das Begehren ohne Kraftanwendung zu Hervorbringung des Objekts ist der W u n s c h. Dieser kann auf Gegenstände gerichtet sein, zu deren Herbeischaffung das Subjekt sich selbst unvermögend fühlt, und ist dann ein l e e r e r (müssiger) Wunsch. Der leere6 Wunsch, die Zeit zwischen dem Begehren und Erwerben des Begehrten vernichten zu können, ist S e h n s u c h t. Die in Ansehung des Objekts unbestimmte Begierde (appetitio vaga), welche das Subjekt nur antreibt, aus seinem gegenwärtigen Zustande herauszugehen, ohne zu wissen, in welchen es denn eintreten will, kann der l a u n i s c h e Wunsch genannt werden (den nichts befriedigt). Die durch die Vernunft des Subjekts schwer oder gar nicht bezwingliche Neigung ist L e i d e n s c h a f t. Dagegen ist das Gefühl einer Lust 1 oder Unlust im gegenwär[[B 203>>tigen Zustande, welches im2 Subjekt die Ü b e r l e g u n g (die Vernunftvorstellung, ob man sich ihm überlassen oder weigern solle) nicht aufkommen lässt, der A f f e k t. Affekten und Leidenschaften unterworfen zu sein, ist wohl immer K r a n k h e i t des G e m ü t s; weil beides [[A 204>> die Herrschaft der Vernunft ausschliesst. Beide sind auch gleich heftig dem Grade nach; was aber ihre Qualität betrifft: so sind sie wesentlich von einander unterschieden, sowohl in der Vorbeugungs- als in der Heilmethode, die der Seelenarzt dabei anzuwenden hätte. VON DEN AFFEKTEN IN GEGENEINANDERSTELLUNG DERSELBEN MIT DER LEIDENSCHAFT § 713. Der Affekt ist Überraschung4 durch Empfindung, wodurch die Fassung des Gemüts (animus sui compos) aufgehoben wird. Er ist also übereilt, d. i. er wächst geschwinde zu einem Grade des Gefühls, der die Überlegung unmöglich macht (ist unbesonnen). – Die Affektlosigkeit, ohne Verminderung der Stärke der Triebfedern zum Handeln, ist 5 das P h l e g m a im guten Verstande: eine Eigenschaft des wackeren Mannes (animi strenui), sich durch jener ihre Stärke nicht aus der ruhigen Überlegung bringen zu lassen. Was der Affekt des Zorns nicht in der Geschwindigkeit tut, das tut er gar nicht; und er vergisst leicht. Die Leidenschaft des Hasses aber nimmt sich Zeit, um sich tief einzuwurzeln und es seinem Gegner zu denken. – Ein Vater, ein Schulmeister können nicht strafen, wenn sie die Abbitte (nicht die Rechtfertigung) anzuhören nur die Geduld gehabt [[B 204>> haben. – Nötigt einen, der im Zorn zu euch ins Zimmer tritt, um euch in heftiger Entrüstung harte Worte zu sagen, höflich, sich zu setzen; wenn es euch hiemit gelingt, so wird sein Schelten schon gelinder; weil die Gemächlichkeit des Sitzens eine Abspannung ist, welche mit den drohenden Gebärdungen und dem Schreien im [[A 205>> Stehen sich nicht wohl vereinigen lässt. Die 4

A: „[[A 203>>Drittes Hauptstück“. A: „§ 63”; Akad.-Ausg.: „§ 73”. 6 H: „[starke] leere“. 1 H: „Gefühl der Lust“. 2 H: „welches [die Vernunft mit ihrem Begriffe vom Guten und Bösen Ub] im“. 3 A: „§ 64”; Akad.-Ausg.: „§ 74”. 4 H: „ist [gleichsam [der Ausbruch] Überschwemmung durch den Ausbruch [des] eines Dammes [von einem Strom]; Leidenschaft dagegen ein Strom durch die Abschüssigkeit des Bodens veranlasst der sich immer tiefer eingräbt und und beharrlich macht.] Überraschung“. 5 H: „Affektlosigkeit ohne die Stärke der Triebfedern zum Handeln zu vermindern ist“ . 5

Leidenschaft hingegen (als zum Begehrungsvermägen gehörige Gemütsstimmung) lässt sich Zeit, und ist überlegend, so heftig sie auch sein mag, um ihren Zweck zu erreichen. – Der Affekt wirkt wie ein Wasser, was den Damm durchbricht; die Leidenschaft wie ein Strom, der sich in seinem Bette immer tiefer eingräbt. Der Affekt wirkt auf die Gesundheit wie ein Schlagfluss; die Leidenschaft wie eine Schwindsucht, oder Abzehrung. – Er ist wie ein Rausch, den man ausschläft, obgleich Kopfweh darauf folgt, die Leidenschaft aber wie eine Krankheit aus verschlucktem Gift oder Verkrüppelung anzusehen, die einen innern oder äussern Seelenarzt bedarf, der doch mehrenteils keine radikale1, sondern fast immer nur palliativ-heilende Mittel zu verschreiben weiss.2 Wo viel Affekt ist, da ist gemeiniglich wenig Leidenschaft; wie bei den Franzosen, welche durch ihre Lebhaftigkeit veränderlich sind, in Vergleichung mit Italienern und Spaniern (auch Indiern und Chinesen), die in ihrem Groll über Rache brüten, oder in ihrer Liebe bis zum Wahnsinn beharrlich sind. – Affekten sind ehrlich und offen, Leidenschaften dagegen hinterlistig und versteckt. Die Chinesen werfen den Engländern vor, dass sie ungestüm und hitzig wären „wie die Tatarn“, diese aber je[[B 205>>nen, dass sie ausgemachte (aber gelassene) Betrüger sind, die sich durch diesen Vorwurf in ihrer Leidenschaft gar nicht irre machen lassen. – – Affekt ist wie ein R a u s c h, der sich ausschläft, Leidenschaft als ein W a h n s i n n anzusehen, der über einer Vorstellung brütet, die sich immer tiefer einnistelt. – Wer l i e b t, kann dabei [[A 206>> doch wohl noch s e h e n d bleiben; der sich aber v e r l i e b t, wird gegen die Fehler des geliebten Gegenstandes unvermeidlich blind; wiewohl der letztere acht Tage nach der Hochzeit sein Gesicht wieder zu erlangen pflegt.1 – Wem2 der Affekt wie ein Raptus anzuwandeln pflegt, der ist, so gutartig jener auch sein mag, doch einem Gestörten ähnlich; weil es ihn aber schnell darauf reuet, so ist es nur ein Paroxysm, den man U n b e s o n n e n h e i t 3 betitelt. Mancher wünscht wohl sogar, dass er zürnen könne, und Sokrates war im Zweifel, ob es nicht auch manchmal4 gut wäre zu zürnen; aber den Affekt so in seiner Gewalt zu haben, daà man kaltblütig überlegen kann, ob man zürnen solle oder nicht, scheint etwas Widersprechendes zu sein. – Leidenschaft dagegen wünscht sich kein Mensch5. Denn wer will sich in Ketten legen lassen, wenn er frei sein kann ? VON DEN AFFEKTEN INSBESONDERE A. VON DER REGIERUNG DES GEMÜTS IN ANSEHUNG DER AFFEKTEN § 726. Das Prinzip der A p a t h i e: dass nämlich der Weise niemals im Affekt, selbst nicht in dem des [[B 206>> Mitleids mit den Übeln seines besten Freundes, sein müsse, ist ein ganz richtiger und erhabener moralischer Grundsatz der stoischen Schule; denn der Affekt macht (mehr oder weniger) blind. – Dass gleichwohl die Natur in uns die Anlage dazu eingepflanzt hat, war Weis[[A 207>>heit der Natur, um p r o v i s o r i s c h, ehe die Vernunft noch zu der gehörigen Stärke gelangt ist, den Zügel zu führen, nämlich den 1 moralischen 1

A: „radikal-„. Am Rand von H: „Er ist unbesonnen aher trägt nichts nach. Er wird sogar wenn man ihm Platz lässt erheitert und liebt dann den der ihn beleidigte. // Der Hass nicht (Leidenschaft). // Lieben kann durch einen augenblicklichen Eindruck eines freundlichen Lächelns bewirkt werden aber schnell verschwinden Aber sich verlieben ist eine Leidenschaft die man nicht los wird.“ 1 H: „pflegt. – [Der Affekt ist ehrlich und lässt sich nicht verhehlen; die Leidenschaft gemeiniglich versteckt]“. 2 A: „Wen“. 3 A: „man mit Unbesonnenheit“. 4 A: „mannigmal“. 5 H: „kein [vernünftiger] Mensch“. 6 A: „§ 65”; Akad.-Ausg.: „§ 75”. 1 H: „führen den“. 2

Triebfedern zum Guten noch die des pathologischen (sinnlichen) Anreizes 2, als einstweiliges Surrogat der Vernunft, zur Belebung beizufügen. Denn übrigens ist Affekt für sich allein betrachtet jederzeit unklug; er macht sich selbst unfähig, seinen eigenen Zweck zu verfolgen, und es ist also unweise3, ihn in sich vorsetzlich entstehen4 zu lassen. – Gleichwohl kann die V e r n u n f t in Vorstellung des Moralisch-Guten durch Verknüpfung ihrer Ideen mit Anschauungen (Beispielen), die ihnen untergelegt werden, eine Belebung des Willens hervorbringen (in geistlichen oder auch politischen Reden ans Volk, oder auch einsam an sich selbst), und also nicht als Wirkung, sondern als Ursache eines Affekts in Ansehung des Guten seelenbelebend sein, wobei diese Vernunft5 doch immer noch den Zügel führt, und ein E n t h u s i a s m des guten Vorsatzes bewirkt wird, der aber eigentlich zum B e g e h r u n g s v e r m ö g e n und nicht zum Affekt, als einem stärkeren sinnlichen G e f ü h l, gerechnet werden muss. – Die N a t u r g a b e einer A p a t h i e, bei hinreichender Seelenstärke, ist, wie gesagt,6 das glückliche P h l e g m a (im moralischen 7 Sinne). Wer damit begabt ist, der ist zwar darum eben noch nicht ein Weiser, [[B 207>> hat aber doch die Begünstigung8 von der Natur, dass es ihm leichter wird, als anderen, es zu werden. Überhaupt ist es nicht die Stärke eines gewissen Gefühls, welche den Zustand des Affekts ausmacht, son[[A 208>>dern der Mangel der Überlegung, dieses Gefühl mit der Summe aller Gefühle (der Lust oder Unlust) in seinem Zustande zu vergleichen. Der Reiche, welchem sein Bedienter bei einem Feste einen schönen und seltenen gläsernen Pokal im Herumtragen ungeschickterweise zerbricht, würde diesen Zufall für nichts halten, wenn er in demselben Augenblicke diesen Verlust e i n e s Vergnügens mit der Menge a l l e r Vergnügen, die ihm sein glücklicher Zustand als eines reichen Mannes darbietet, vergliche. Nun überlässt er sich aber ganz allein diesem einen Gefühl des Schmerzes (ohne jene Berechnung in Gedanken sehnell zu machen); kein Wunder also, dass ihm dabei so zu Mute wird, als ob seine ganze Glückseligkeit verloren wäre. B. VON DEN VERSCHIEDENEN AFFEKTEN SELBST § 731. Das Gefühl, welches das Subjekt antreibt, in 2 dem Zustande, darin es ist, zu b l e i b e n, ist a n g e n e h m; das aber, was antreibt, ihn zu v e r l a s s e n, u n a n g e n e h m. Mit Bewusstsein verbunden heisst das erstere V e r g n ü g e n (voluptas), das zweite M i s s v e r g n ü g e n (taedium). Als Affekt heisst jenes F r e u d e, dieses T r a u r i g k e i t. – Die a u s g e l a s s e n e [[B 208>> F r e u d e (die durch keine Besorgnis eines Schmerzes gemässigt wird) und die versinkende Traurigkeit (die durch keine Hoffnung gelindert wird), der G r a m, sind Affekten, die dem Leben drohen. Doch hat man aus den Sterbelisten ersehen, dass doch mehr Menschen durch [[A 209>> die erstere als durch die letztere das Leben p l ö t z l i c h verloren haben; weil der H o f f n u n g, als Affekt, durch die unerwartete Eröffnung der Aussicht in ein nicht auszumessendes Glück, das3 Gemüt sich ganz überlässt und so der Affekt, bis zum Ersticken, steigend ist; dagegen dem immer fürchtenden Grame 4 doch natürlicherweise vom Gemüt auch immer noch widerstritten 5 wird und er also nur langsam tötend ist. 2

H: „des mechanischen (sinnlichen) Anreizes“. A: „unweislich“. 4 H: „in sich von selbst entstehen“. 5 H: „wobei die Vernunft“. 6 Zusatz von B. 7 H (Cassirer): „in moralischem“. 8 H: „[Naturanlage] Begünstigung“. 1 A: „§ 66”; Akad.-Ausg.: „§ 76”. 2 H: „[seinen Zustand zu erhalten] in“. 3 H: „[von dem Subjekt keine Schranken gesetzt werden] das“. 4 H: „Gram der Traurigkeit“. 3

Der S c h r e c k ist die plötzlich erregte Furcht, welche das 6 Gemüt ausser Fassung bringt. Einem Schreck ähnlich ist das A u f f a l l e n d e, was s t u t z i g (noch nicht b e s t ü r z t) macht und was das Gemüt erweckt, sich zur Überlegung zu sammeln; es ist der Anreiz zur V e r w u n d e r u n g (welche schon Überlegung in sich enthält). Erfahrenen widerfährt das nicht so leicht; aber zur Kunst gehört es, das Gewöhnliche von einer Seite, da es auffallend wird, vorzustellen. Der Z o r n ist ein Schreck, der zugleich die Kräfte zum Widerstand gegen das Übel schnell rege macht. Furcht über einen unbestimmtes1 Übel drohenden Gegenstand2 ist B a n g i g k e i t. Es kann einem Bangigkeit anhängen, ohne ein besonderes Objekt dazu zu wissen: eine Beklommenheit3 aus bloss subjektiven Ursachen (einem krankhaften Zustande). S c h a m4 ist Angst aus der besorgten Verachtung einer g e g e n w ä r t i g e n Person und, als solche, [[B 209>> ein Affekt. Sonst kann einer sich auch empfindlich schämen ohne Gegenwart, dessen, vor dem er sich schämt; aber dann ist es kein A f f e k t, sondern, wie der Gram, eine L e i d e n s c h a f t, sich selbst mit Verachtung anhaltend, aber vergeblich zu quälen; die Scham dagegen, als Affekt, muss plötzlich eintreten. [[A 210>> Affekten sind5 überhaupt krankhafte Zufälle (Symptomen), und können (nach einer Analogie mit Browns6 System) in s t h e n i s c h e, aus Stärke, und a s t h e n i s c h e7, aus Schwäche, eingeteilt werden. Jene sind von der e r r e g e n d e n, dadurch aber oft auch erschöpfenden, diese von einer die Lebenskraft abspannenden, aber oft dadurch auch Erholung vorbereitenden Beschaffenheit. – L a c h e n mit Affekt ist eine k o n v u l s i v i s c h e Fröhlichkeit. W e i n e n begleitet die8 s c h m e l z e n d e Empfindung 9 eines ohnmächtigen Zürnens mit dem Schicksal, oder mit andern Menschen, gleich einer von ihnen erlittenen Beleidigung; und diese Empfindung10 ist W e h m u t. Beide aber, das Lachen und das Weinen,11 heitern auf; denn es sind Befreiungen von einem Hindernis der Lebenskraft durch Ergiessungen (man kann nämlich auch bis zu Tränen lachen, wenn man bis zur Erschöpfung lacht). Lachen ist m ä n n l i c h, Weinen dagegen w e i b l i c h (beim Manne w e i b i s c h), und nur die A n w a n d l u n g zu Tränen, und zwar aus grossmütiger, aber ohnmächtiger Teilnehmung am Leiden anderer, kann dem Mann verziehen werden, dem die Träne im Auge glänzt, ohne sie in Tropfen fallen zu lassen, noch weniger sie mit Schluchzen zu begleiten und so eine widerwärtige Musik zu machen. [[B 210>> VON DER FURCHTSAMKEIT UND DER TAPERKEIT1 § 742. Bangigkeit, Angst, Grauen und Entsetzen sind Grade der Furcht, d. i. des Abscheues vor Gefahr. Die Fassung des Gemüts, die letztere mit Überlegung zu übernehmen, ist der M u t; die Stärke3 des inneren Sinnes (ataraxia), nicht leicht wodurch in Furcht gesetzt

5

H: „Gemüt [ein innerer Widerstand entgegengesetzt wird, wenn diese nur nicht plötzlich überfällt] doch immer noch widerstrebt“. 6 H: „[die Fassung des Gemüts untunlich macht] das“. 1 A: „unbestimmt“. 2 H: „einen unbestimmten Gegenstand“. 3 H: „[Beklemmung des Herzens] Beklommenheit“. 4 H: „[Beschämtwerden] S c h a m“. 5 B2: „können“. 6 So auch H; A: „Analogie und Browns“. 7 So auch H; A: „Stärke, mit a s t h e n i s c h e“. 8 A: „Weinen ist die“. 9 H: „[Traurigkeit] Empfindung“. 10 A: „die letztere Empfindung“. 11 Zusatz von B. 1 H: „[Herzhaftigkeit] der Tapferkeit“. 2 A: „§ 67”; Akad.-Ausg.: „§ 77”. 3 H: „[festi] Stärke“.

[[A 211>> zu werden, ist U n e r s c h r o c k e n h e i t. Der Mangel des ersteren ist F e i g h e i t*, des zweiten S c h ü c h t e r n h e i t.4 H e r z h a f t ist der, welcher n i c h t e r s c h r i c k t; M u t hat der, welcher mit Überlegung der Gefahr n i c h t w e i c h t; t a p f e r ist der, dessen Mut in Gefahren a n h a l t e n d ist. W a g e h a l s i g 5 ist der Leichtsinnige, der sich in Gefahren wagt, weil er sie nicht kennt. K ü h n, der sie wagt, ob er sie gleich kennt; t o l l k ü h n, der, bei sichtbarer Unmöglichkeit, seinen Zweck zu erreichen, sich in die grösste Gefahr setzt (wie Karl XII. bei Bender). Die Türken nennen ihre Braven (vielleicht durch Opium) T o l l e. – Feigheit ist also e h r l o s e6 Verzagtheit. Erschrockenheit ist nicht eine h a b i t u e l l e Beschaffenheit, leicht in Furcht zu geraten; denn diese heisst Schüchternheit; sondern bloss ein Z u s t a n d und zufällige Disposition, mehrenteils bloss von körperlichen Ursachen [[B 211>> abhängend, sich gegen eine plötzlich aufstossende Gefahr nicht gefasst genug zu fühlen. Einem Feldherrn, der im Schlafrock ist, indem ihm die unerwartete Annäherung des Feindes angekündigt wird, kann wohl das Blut einen Augenblick in den Herzkammern stocken und an einem gewissen General bemerkte sein Arzt, dass, wenn er Säure im Magen hatte, er kleinmütig und schüchtern [[A 212>> war. H e r z h a f t i g k e i t aber ist bloss Temperamentseigenschaft 1. Der Mut dagegen beruht auf Grundsätzen, und ist eine Tugend. Die Vernunft reicht 2 dem entschlossenen Mann alsdann Stärke, die ihm die Natur bisweilen versagt. Das Erschrecken in Gefechten bringt sogar wohltätige Ausleerungen hervor, welche einen Spott (das Herz nicht 3 am rechten Ort zu haben) sprichwörtlich gemacht haben; man 4 will aber bemerkt haben, dass diejenigen Matrosen, welche, bei dem Aufrufe zum Schlagen, zum Ort ihrer Entledigung eilen, hernach die mutigsten im Gefechte sind. Eben das bemerkt man doch auch an dem Reiher, wenn der Stossfalk über ihm schwebt und jener sich zum Gefecht gegen ihn anschickt.5 G e d u l d ist demnach nicht Mut. Sie ist eine weibliche Tugend; weil sie nicht Kraft zum Widerstande aufbietet, sondern das Leiden (Dulden) durch Gewohnheit unmerklich zu machen hofft. Der unter dem chirurgischen Messer, oder bei Gicht- und Steinschmerzen s c h r e i t, ist darum in diesem Zustande nicht feig oder weichlich; es ist so wie das Fluchen, wenn man im Gehen an einen6 frei liegenden Strassenstein (mit dem grossen Zeh, davon das Wort hallucinari hergenommen) stösst, vielmehr ein Ausbruch des Zorns, in welchem die [[B 212>> Natur durch Geschrei das Stocken des Bluts am Herzen zu zerstreuen bestrebt ist. – Geduld aber von besonderer Art beweisen die Indianer in Amerika, welche, wenn sie umzingelt sind, ihre Waffen wegwerfen, und, ohne um Pardon zu hitten, sich ruhig1 niedermachen lassen. Ist nun hiebei mehr Mut, als die Europäer zeigen, die sich in diesem Fall bis auf den letzten Mann wehren ? [[A 213>> Mir scheint es bloss eine barbarische

*

Das Wort P o l t r on (von pollex truncatus hergenommen) wurde im späteren Lateinischen mit murcus gegeben, und bedeutete einen Menschen, der sich den Daumen abhackt, um nicht in den Krieg ziehen zu dürfen. 4 Am Rand von H: „Von rüstigen und schmelzenden Affekten (die Tränen jene Lachen erregen) – Von der Scham und der Dreustigkeit // Das Gefühl durch welches die Natur sich in eben demselben Zustande zu erhalten strebt ist angenehm; das aber was welches antreibt aus ihm hinaus zu gehen ist unangenehm. Was zu keinem von beiden ist gleichgültig. // Z o r n gehört zum Begehr. Vermögen // Zorn bei der hallucinatio // Affekten reizen die Blutbewegung.“ 5 H (Cassirer): „Waghälsich“. 6 H: „ist ehrlose“. 1 H: „war, und die Herzhaftigkeit ist eine Temperamentseigenschaft“. 2 H: „leiht“. 3 H: „Herz [in den – ] nicht“. 4 H: „und man“. 5 Am Rand von H: „NB Poltron“. 6 A: “an einem”. 1 H: „[gelassen] ruhig“.

Eitelkeit zu sein: ihrem Stamm dadurch die Ehre zu erhalten, dass ihr Feind sie zu Klagen und Seufzern, als Beweistümern ihrer Unterwerfung, nicht sollte zwingen können. Der Mut, als Affekt (mithin einerseits zur Sinnlichkeit gehörend), kann aber auch durch Vernunft erweckt und so wahre Tapferkeit (Tugendstärke) sein. Sich durch Sticheleien und mit Witz geschärfte, eben dadurch aber nur desto gefährlichere, spöttische 2 Verhöhnungen dessen, was ehrwürdig ist, nicht abschrecken zu lassen, sondern seinen Gang standhaft zu verfolgen, ist ein moralischer Mut, den mancher nicht besitzt, welcher in der Feldschlacht, oder dem Duell, sich als einen Braven beweiset. Es gehört nämlich zur Entschlossenheit, etwas, was die Pflicht gebietet, selbst auf die Gefahr der Verspottung von anderen, zu wagen, so gar ein hoher Grad von Mut, weil E h r l i e b e die beständige Begleiterin der Tugend ist, und der, welcher sonst wider G e w a l t hinreichend gefasst ist, doch der Verhöhnung sich selten gewachsen fühlt, wenn man ihm diesen Anspruch auf Ehre mit Hohnlachen verweigert.3 Der Anstand, der einen äusseren Anschein von Mut gibt, sich in Vergleichung mit anderen in der [[B 213>> Achtung nichts zu vergeben, heisst D r e i s t i g k e i t 4; im Gegensatz der B l ö d i g k e i t, einer Art von Schüchternheit und Besorgnis 5, anderen nicht vorteilhaft in die Augen zu fallen. – Jene kann, als billiges Vertrauen zu sich selbst, nicht getadelt werden. Diejenige D r e i s t i g k e i t 6*8 aber im Anstande, welche jemanden den [[A 214>> Anschein gibt, sich aus dem Urteil anderer über ihn nichts zu machen, ist D u m m d r e i s t i g k e i t1, Unverschämtheit; im gemilderten Ausdruck aber Unbescheidenheit; diese gehört also nicht zum Mute, in der sittlichen Bedeutung des Worts.2 Ob Selbstmord auch Mut, oder immer nur Verzagtheit voraussetze, ist nicht eine moralische, sondern bloss psychologische Frage. Wenn er verübt wird, bloss um seine Ehre nicht zu überleben, also aus Z o r n, so scheint er Mut; ist es aber die Erschöpfung der Geduld im Leiden durch T r a u r i g k e i t, welche alle Geduld langsam erschöpft, so ist es ein V e r z a g e n. Es scheint dem Menschen eine Art von Heroism zu sein, dem Tode gerade ins Auge zu sehen und ihn nicht zu fürchten, wenn er 3 das Leben nicht länger lieben kann. Wenn er aber, ob er gleich den Tod fürchtet, doch das Leben auf [[B 214>> jede Bedingung zu lieben immer nicht aufhören kann, und so4 eine Gemütsverwirrung aus Angst vorhergehen muss, um 2

H (Cassirer): „gespöttige“. Der voranstehende Satz fehlt in A an dieser Stelle; ein ähnlich lautender Text findet sich dort nach dem folgenden Absatz (A 214). 4 H: „D r e u s t i g k e i t“. 5 H: „[Furcht] Besorgnis“. 6 H: „Dreustigkeit“. * Dieses Wort sollte eigentlich D r ä u s t i g k e i t (von Dräuen oder D r o h e n), nicht Dreistigkeit geschrieben werden; weil der Ton, oder auch die Miene eines solchen Menschen andere besorgen lässt, er könne auch wohl grob sein. Eben so schreibt man l i e d e r l i c h für l ü d e r l i c h, da doch das erste einen leichtfertigen, mutwilligen, sonst nicht unbrauchbaren und gutmütigen, das zweite aber einen Verworfenen, jeden anderen anekelnden Menschen (vom Wort Luder) bedeutet.8 8 Am Rand von H: „Das Groteske, der gout baroc das a la Grec, die arabesque sind alle ein falscher Geschmack // schiefe // In allen Affekten wird das Gemüt bewegt durch futura consequentia. Furcht ist also in allen. Die Affekten aber Zorn oder Scham. // Der Mut welcher zur Tugend (der Tapferkeit) gehört findet nicht bloss in leiblichen Gefahren oder auch denen so für die äussere Ehre starben auch darin statt auf die Verspottung anderer etwas zu wagen und dieses ist der reine moralische Mut. // Ritter Bayard Murcus“. 1 H: „Dummdreustigkeit“. 2 Anschliessend folgt als neuer Absatz in A: „Endlich gehört auch zum Mut, der rein moralisch ist, die Entschlossenheit etwas, was die Pflicht gebietet, selbst auf die Gefahr der Verspottung von anderen, zu wagen. – Hiezu gehört ein hoher Grad von Mut, weil E h r l i e b e die beständige Begleiterin der Tugend ist, und der, welcher sonst wider G e w a l t hinreichend gefasst ist, doch der V e r h ö h n u n g sich selten gewachsen fühlt, wenn man ihm diesen Anspruch auf Ehre mit Hohnlachen verweigert.“ (Vgl. S. 588, Anm. 3 des vorliegenden Bandes). 3 H: „da er“. 4 H: „und also“. 3

zum Selbstmorde zu schreiten, so stirbt5 er aus Feigheit, weil er die Qualen6 des Lebens nicht länger er[[A 215>>tragen kann. – Die Art der Vollführung des Selbstmordes gibt diesen Unterschied der Gemütsstimmung gewissermassen zu erkennen. Wenn das dazu gewählte Mittel plötzlich und ohne mögliche Rettung tötend ist; wie z. B. der Pistolenschuss oder (wie es ein grosser Monarch, auf den Fall, dass er in Gefangenschaft geriete, im Kriege bei sich führte) ein geschärftes Sublimat, oder tiefes Wasser und mit Steinen angefüllete Taschen: so kann man dem Selbstmörderden Mut nicht streiten. Ist es aber der Strang, der noch von anderen abgeschnitten, oder gemeines Gift, das durch den Arzt noch aus dem Körper geschafft, oder ein Schnitt in den Hals, der wieder zugenäht1 und geheilt werden kann; bei welchen Attentaten der Selbstmörder, wenn er noch gerettet wird, gemeiniglich selbst froh wird und es nie mehr versucht: so ist es feige Verzweiflung aus Schwäche, nicht rüstige, welche noch Stärke der Gemütsfassung zu einer solchen Tat erfordert. Es sind nicht immer bloss verworfene, nichtswürdige Seelen, die auf solche Weise der Last des Lebens loszuwerdcn beschliessen; vielmehr hat man von solchen, die für2 wahre Ehre kein Gefühl haben, dergleichen Tat nicht leicht zu besorgen. – Indessen, da sie doch immer grässlich bleibt, und der Mensch sich selbst dadurch zum Scheusal macht, ist es doch merkwürdig, dass, in Zeitläuften der öffentlichen und für gesetzmässig erklärten Ungerechtigkeit [[B 215>> eines revolutionären Zustandes (z. B. des Wohlfahrtsausschusses der französischen Republik), ehrliebende Männer (z.B. Roland) der Hinrichtung nach dem Gesetz durch Selbstmord zuvorzukommen gesucht haben, den sie in ei[[A 216>>ner konstitutionellen selbst3 würden für verwerflich erklärt haben. Der Grund davon ist dieser. Es liegt in jeder Hinrichtung nach einem G e s e t z etwas Beschimpfendes, weil sie S t r a f e ist, und wenn jene ungerecht ist, so kann der, welcher das Opfer des Gesetzes wird, diese nicht für eine v e r d i e n t e 4 anerkennen. Dieses aber beweiset er dadurch: dass, wenn er dem Tode einmal geweihet worden, er ihn nun lieber wie ein freier Mensch wählt und ihn s i c h s e l b s t antut. Daher auch Tyrannen (wie Nero) es für eine Gunstbezeigung ausgaben, zu erlauben, dass der Verurteilte sich selbst umbrächte; weil es dann mit mehr Ehre geschah. 1 – – Die Moralität aber hievon verlange ich nicht zu verteidigen. Der Mut des Kriegers aber ist von dem des Duellanten noch sehr verschieden, wenn gleich der D u e l l von der Regierung Nachsicht erhält, und gewissermassen Selbsthülfe 2 wider Beleidigung zur Ehrensache in der Armee gemacht wird, in die sich das Oberhaupt derselben nicht mischt; ohne sie doch durchs Gesetz öffentlich erlaubt zu machen. – Dem Duell durch die Finger zu sehen, ist ein vom Staatsoberhaupt nicht wohl überdachtes schreckliches Prinzip; denn es gibt auch Nichtswürdige, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um etwas zu gelten, und die, für die Erhaltung des Staats etwas mit ihrer eigenen Gefahr zu tun, gar nicht gemeint sind. [[B 216>> Tapferkeit ist g e s e t z m ä s s i g e r Mut, in dem, was Pflicht gebietet, selbst den Verlust des Lebens nicht zu scheuen. Die Furchtlosigkeit macht’s allein nicht aus, sondern die moralische Untadelhaftigkeit (mens conscia [[A 217>> recti3) muss damit verbunden sein, wie beim Ritter Bayard (chevalier sans peur et sans reproche4). 5

A „schreiten, da stirbt“. H: „die Übel“. 1 A: „ein Halsabschneiden, das noch zugenäht“. 2 H: „[auf Ehre Verzicht tun] für“. 3 Akad.-Ausg.: „constitutionellen Verfassung selbst“. 4 H: „eine solche“. 1 Am Rand von H: „Rachgier (Begehrungsvermögen) ist eine Schwäche // Wer vor Zorn blass wird oder errötet ist gefährlicher ? // Man kann auch eine moralische Liebe des Genusses so wie des Wohlwollens haben. Die erstere kann aber schwärmerisch werden. (Liebe des Wohlgefallens.) Affekt der Moralität // Von der Grösse des Enthusiasm in der Rel. die desto höher steigt je mehr sie vom Sinnlichen gereinigt ... im Moralischen.“ 2 H (Cassirer): „als Selbsthülfe“. 3 Übersetzung des Herausgebers: „ein Geist, der sich des Rechten bewusst ist“. 4 H(Cassirer): „s a n s r e p r o c h e“; Übersetzung des Herausgebers: „Ritter ohne Furcht und Tadel“. 6

VON AFFEKTEN, DIE SICH SELBST IN ANSEHUNG IHRES ZWECKS SCHWÄCHEN (IMPOTENTES ANIMI MOTUS) § 755. Die Affekten des Zorns und der Scham haben das Eigne, dass sie sich selbst in Ansehung ihres Zweckes schwächen. Es sind plötzlich1 erregte Gefühle eines2 Übels als Beleidigung, die aber durch ihre Heftigkeit zugleich unvermögend machen, es abzuwehren. Wer ist mehr zu fürchten: der, welcher im heftigen Zorn e r b l a s s t, oder der hiebei e r r ö t e t ? Der erstere ist auf der Stelle zu fürchten; der zweite desto mehr hinter her (der Rachgier halber). Im ersteren Zustande erschrickt der aus der Fassung gebrachte Mensch vor sich selbst, zu einer Heftigkeit im Gebrauche seiner Gewalt hingerissen zu werden, die ihn nachher reuen möchte. Im zweiten geht der Schreck plötzlich in die Furcht über, dass das Bewusstsein seines Unvermögens der Selbstverteidigung s i c h t b a r werden möchte. – Beide, wenn sie sich durch die behende Fassung des Gemüts Luft machen können, sind der Gesundheit nicht nachteilig; wo aber nicht, so sind sie teils dem Leben selbst gefährlich, [[B 217>> teils, wenn ihr Ausbruch zurückgehalten wird, hinterlassen sie einen Groll, d. i. eine Kränkung darüber, sich gegen Beleidigung nicht mit Anstand genommen zu haben; welche aber vermieden wird, wenn sie nur zu Worten kommen können. So aber sind beide Affekten von der [[A 218>> Art, dass sie stumm machen, und sich dadurch in einem unvorteilhaften Lichte darstellen. Der J a c h z o r n kann durch innere Disziplin des Gemüts noch wohl abgewöhnt werden; aber die Schwäche eines überzarten Ehrgefühls in der Scham lässt sich nicht so leicht wegkünsteln. Denn wie H u m e sagt (der selbst mit dieser Schwäche – der Blödigkeit, öffentlich zu reden – behaftet war), macht der erste Versuch zur Dreistigkeit 3, wenn er fehlschlägt, nur noch schüchterner, und es ist kein anderes Mittel, als, von seinem Umgange mit Personen, aus deren Urteil über den Anstand man sich wenig macht, anhebend, allmählich von4 der vermeinten Wichtigkeit des Urteils anderer über uns abzukommen und sie hierin 5 innerlich auf den Fuss der Gleichheit mit ihnen zu 1 schätzen. Die Gewohnheit hierin bewirkt die F r e i m ü t i g k e i t, welche von der B l ö d i g k e i t2 und beleidigenden D r e i s t i g k e i t3, gleichweit entfernt ist. Wir sympathisieren zwar mit der S c h a m des anderen, als einem Schmerz, aber nicht mit dem Z o r n desselben, wenn er uns die Anreizung zu demselben in diesem Affekt gegenwärtig e r z ä h l t; denn vor dem, der in diesem Zustand ist, ist der, welcher seine Erzählung (von einer erlittenen Beleidigung) anhört, selbst nicht sicher.4 [[B 218>> V e r w u n d e r u n g (Verlegenheit, sich in das Unerwartete zu finden) ist eine das natürliche Gedankenspiel zuerst hemmende, mithin unangenehme, dann aber das [[A 219>> Zuströmen der Gedanken zu der unerwarteten Vorstellung desto mehr befördernde und daher angenehme Erregung5 des Gefühls; E r s t a u n e n heisst aber dieser Affekt eigentlich alsdann nur, wenn man dabei gar ungewiss wird, ob die Wahrnehmung wachend oder 5

A: „§ 68”; Akad.-Ausg.: „§ 78”. A: „Sie sind Z o r n und Scham. Plötzlich“. 2 H: „Gefühle [aus einer erlittenen] eines“. 3 H: „Dreustigkeit“. 4 H: „allmählich [zu im Umgange mit denen deren Urteil bedeutender ist und so ferner bis zu dem der wichtigsten Personen der freimütigeren Darstellung seiner selbst fortzuschreiten, welches zur vollendeten Erziehung gehört zur] von“. 5 Akad.-Ausg.: „und sich hierin“. 1 H: „Gleichheit zu“. 2 A: „der V e r s c h ä m t h e i t“. 3 H: „Dreustigkeit“. 4 Am Rand von H: „ob futura consequentia“. 5 H: „[plötzliche Err] Erregung“. 1

träumend geschehe. Ein6 Neuling in der Welt verwundert sich über alles; wer aber mit dem Lauf der Dinge durch vielfältige Erfahrung bekannt geworden, macht7 es sich zum Grundsatze, sich über nichts zu verwundern (nihil admirari). Wer hingegen8 mit forschendem Blicke die Ordnung der Natur, in der grossen Mannigfaltigkeit derselben, nachdenkend verfolgt, gerät über eine Weisheit, deren er sich nicht gewärtig war, in E r s t a u n e n: eine Bewunderung, von der man sich nicht losreissen (sich nicht genug verwundern) kann; welcher Affekt aber alsdann nur durch die Vernunft angeregt wird 9, und eine Art von heiligem Schauer ist, den10 Abgrund des Übersinnlichen sich vor seinen Füssen eröffnen zu sehen. VON DHN AFFEKTEN, DURCH WELCHE DIE NATUR DIE GESUNDHEIT MECHANISCH BEFÖRDERT § 761. Durch einige Affekten mird die Gesundheit von der Natur mechanisch befördert. Dahin gehört vornehmlich das L a c h e n und das W e i n e n. 2 Der Z o r n3, wenn man (doch ohne Widerstand zu besorgen) brav schelten darf, ist zwar auch ein ziemlich sicheres Mittel zur [[B 219>> Verdauung, und manche Hausfrau hat keine andere innigliche Motion, als das Ausschelten der Kinder und2 des Gesindes, wie dann auch, wenn sich Kinder und Gesinde nur hiebei geduldig betragen4, eine angenehme Müdigkeit5 die Lebenskraft6 durch die Maschine sich [[A 220>> gleichförmig7 verbreitet; aber ohne Gefahr ist dieses Mittel doch auch nicht wegen des besorglichen Widerstandes jener Hausgenossen. Das gutmütige (nicht hämische, mit Bitterkeit verbundene) L a c h e n ist dagegen beliebter und gedeihlicher: nämlich das, was man jenem persischen König hätte empfehlen sollen, der einen Preis für den aussetzte, „welcher ein neues Vergnügen erfinden würde“. – Die dabei2 stossweise (gleichsam konvulsivisch) geschehende Ausatmung der Luft (von welcher das Niesen nur ein kleiner, doch auch belebender Effekt ist, wenn ihr Schall unverhalten ertönen8 darf) s t ä r k t durch die heilsame Bewegung des Zwerchfells das Gefühl der Lebenskraft. Es mag nun ein gedungener Possenreisser (Harlekin) sein, der uns zu lachen macht, oder ein zur Gesellschaft der Freunde gehörender durchtriebener Schalk, der 9 nichts Arges im Sinn zu haben scheint, „der es hinter den Ohren hat“ und nicht mitlacht, sondern mit scheinbarer Einfalt eine gespannte Erwartung (wie eine gespannte Saite) plötzlich loslässt: so ist das Lachen immer Schwingung1 der Muskeln, die zur Verdauung gehören, welche dieses weit besser befördert2, als es die Weisheit des Arztes tun würde. Auch3 eine grosse Albernheit

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A: „Gefühls; sie ist aber eigentlich ... geschehe, der Affekt des E r s t a u n e n s. Ein“. A: „alles; der mit ... bekannt gewordene macht“. 8 A: „Wer aber“. 9 H: „alsdann durch die Vernunft aufgeregt wird“. 10 H: „heiligem Schreck ist [die Pforte zum Üb] den“. 1 A: „befördert. Sie sind das Lachen und das Weinen § 69”; Akad.-Ausg.: „§ 79”. 2 Zusatz von B. 3 A, B2: „Zorn“. 2 Zusatz von B. 4 H: „geduldig doch auch demütig betragen haben“. 5 H: „[Erholung] Müdigkeit“. 6 B3: „Müdigkeit der Lebenskraft“. 7 H (Cassirer): „Müdigkeit die Lebenskraft [über] durch die Maschine gleichförmig“. 2 Zusatz von B. 8 A: „Luft, von welcher durch die Nase (im Niesen) nur ... ist (wenn ihr Schall unverbissen ertönen“; H (Cassirer): „Luft von welcher die durch...“ 9 A: „Lebenskraft, und es mag ein ... (Harlekin), oder ... Schalk sein, der“. 1 A: „ist es Schwingung“. 2 A: „welche diese weit besser befördern“. 3 A: „Aber auch“. 7

einer fehlgreifenden Urteilskraft4 kann – freilich aber auf [[B 220>> Kosten des vermeintlich Klügern – eben dieselbe Wirkung tun.*8 [[A 221>> Das W e i n e n, ein mit Schluchzen geschehenes 5 (konvulsivisches) Einatmen, wenn es mit Tränenguss6 verbunden ist, ist, als ein schmerzlinderndes Mittel, gleichfalls eine Vorsorge der Natur für die Gesundheit, und eine Witwe, die, wie man sagt, sich nicht will trösten lassen, d. i. 7 die Ergiessung der Tränen nicht gehindert wissen will, sorgt, ohne es zu wissen oder eigentlich zu wollen, für ihre Gesundheit. Ein Zorn, der in diesem Zustande einträte, würde diesen Erguss, aber zu ih[[B 221>>rem Schaden, bald hemmen; obzwar nicht immer Wehmut, sondern auch Zorn Weiber und Kinder in Tränen versetzen kann. – Denn das Gefühl s e i n e r O h n m a c h t gegen ein Übel, bei einem starken Affekt (es sei des Zorns oder der Traurigkeit), ruft die äussern natürlichen Zeichen 1 zum Beistande auf, die dann auch (nach dem Recht des Schwächern), eine männliche Seele [[A 222>> wenigstens, entwaffnen. Dieser Ausdruck der Zärtlichkeit als Schwäche des Geschlechts aber darf den teilnehmenden M a n n nicht bis zum Weinen, aber doch wohl bis zur Träne im Auge rühren; weil er im ersteren Falle sich an seinem eigenen Geschlecht vergreifen und so mit seiner Weibhchkeit dem schwächern Teil nicht zum Schutz dienen, im zweiten aber gegen das andere Geschlecht nicht die Teilnehmung beweisen würde,welche ihm seine Männlichkeit zur Pflicht macht, nämlich dieses in Schutz zu nehmen: wie es der Charakter, den die Ritterbücher dem tapfern Mann zueignen, mit sich bringt, der gerade in dieser Beschützung gesetzt wird. Warum aber lieben junge Leute mehr das t r a g i s c h e Schauspiel und führen dieses auch lieber auf, wenn sie ihren Eltern etwa ein Fest geben wollen; alte aber lieber das k o m i s c h e, bis zum Burlesken ? Die Ursache des ersteren ist zum Teil eben dieselbe, als die, welche die Kinder treibt, das Gefährliche zu wagen 2: vermutlich durch einen Instinkt der Natur, um ihre Kräfte zu versuchen; zum Teil aber auch, weil, bei dem Leichtsinn der Jugend, von den herzbeklemmenden oder schreckenden Kindrücken, sobald das Stück geendigt ist, keine Schwermut übrig bleibt, sondern nur eine ange[[B 222>>nehme Müdigkeit, nach einer starken inneren Motion, welche aufs neue zur Fröhlichkeit stimmt. Dagegen verwischt sich bei Alten dieser Eindruck nicht so leicht und sie können die Stimmung zum Frohsinn nicht so leicht wieder in3 sich hervorbringen. Ein Harlekin, der behenden Witz hat, bewirkt durch seine Einfälle eine wohltätige Erschütterung ihres Zwerchfelles und der Eingeweide: [[A

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H: „eine[s]r fehlgreifenden [Witzes] Urteilskraft“. Beispiele vorn letzteren kann man in Menge geben. Ich will aber nur eines anführen, was ich aus dem Munde der verstorbenen Frau Gräfin von K – g habe; einer Dame, die die Zierde ihres Geschlechts war. Bei ihr hatte der [[Anm. A 221>> G r a f S a g r a m o s o, der damals die Einrichtung des Malteserritterordens in Polen (aus der Ordination Ostrog) zu besorgen den Auftrag hatte, den Besuch gemacht und zufälligerweise war ein aus Königsberg gebürtiger, aber in Hamburg für die Liebhaberei einiger reichen Kaufleute zum Naturaliensammler und Aufseher dieser ihrer Kabinetter angenommener Magister, der seine Verwandten in Preussen besuchte, hinzugekommen, zu welchem der Graf, um doch etwas mit ihm zu reden, im gebrochenen Deutsch sprach: „ick abe in Amburg eine A n t geabt (ich habe in Hamburg eine Tante gehabt); aber die ist mir gestorben“. Flugs ergriff der Magister das Wort und fragte: „warum liessen Sie sie nicht abziehen und ausstopfen ?“ Er nahm das englische Wort A n t, welches T a n t e bedeutet, für E n t e, und weil er gleich darauf fiel, sie müsse sehr rar gewesen sein, bedauerte er den grossen Schaden. Man kann sich vorstellen, welches Lachen dieses Missverstehen erregen musste.8 8 Am Rand von H: „Ich enthalte mich hier der Beispiele, aber etc. etc. // Stossseufzer // Sagramoso // 3. das hieroglyphische geheimnisvolle hindeutende (a la Grecque) // 4. das im Traum gesehene (arabesque) // beides zu Einfassungen.“ 5 H (Cassirer): „geschehendes“. 6 H(Cassirer): „Tränenerguss“. 7 H: „trösten [lassen] d.i.“. 1 H: „ruft durch äussere natürliche Zeichen“. 2 H: „[versuchen] wagen“. 3 H: „leicht in“. *

223>> wodurch der Appetit für die darauf folgende gesellschaftliche Abendmahlzeit geschärft und durch Gesprächigkeit gedeihlich wird.4 ALLGEMEINE ANMERKUNG Gewisse innere körperliche Gefühle sind mit Affekten v e r w a n d t, sind es aber doch nicht selbst: weil sie nur1 augenblicklich, vorübergebend, sind und von sich keine Spur hinterlassen; dergleichen das G r ä u s e l n ist, welches die Kinder anwandelt, wenn sie von Ammen des Abends Gespenstererzählungen anhören. – Das S c h a u e r n, gleichsam mit kaltem Wasser übergassen werden (wie beim Regenschauer), gehört auch dahin. Nicht die Wahrnehmung der Gefahr, sondern der blosse Gedanke von Gefahr – obgleich man weiss dass keine da ist – bringt diese Empfindung hervor, die, wenn sie blosse Anwandlung, nicht Ausbruch des Schrecks2 ist, eben nicht unangenehm zu sein scheint. Der S c h w i n d e l und selbst die S e e k r a n k h e i t seheint ihrer Ursache nach in die Klasse solcher idealen Gefahren zu gehören. – Auf einem Brett, was auf der Erde liegt, kann man ohne Wanken fort[[B 223>>schreiten; liegt es aber über einen Abgrund, oder, für den der nervenschwach ist, auch nur über einen Graben: so wird oit die leere Besorgnis der Gefahr wirklich gefährlich. Das Schwanken eines Schiffs selbst bei gelindem Winde ist ein weehselndes Sinken und Gehobenwerden. Bei dem Sinken ist die Bestrebung der Natur, sich zu heben (weil alles Sinken überhaupt Vorstellung [[A 224>> von Gefahr bei sich führt), mithin die Bewegung des Magens und der Eingeweide von unten nach oben zu mit einem Anreiz zum Erbrechen mechanisch verbunden, welcher alsdann noch vergrössert wird, wenn der Patient in der Kajüte zum Fenster derselben hinausschaut und wechselsweise bald den Himmel bald die See in die Augen bekommt, wodurch die Täuschung eines unter ihm weichenden Sitzes nochmehr gehoben wird. Ein Akteur, der selbst kalt ist, übrigens aber nur Verstand und starkes Vermögen der Einbildungskraft besitzt, kann durch einen affektierten (gekünstelten) Affekt oft mehr rühren als durch den wahren. Ein ernstlich 3 Verliebter ist in Gegenwart seiner Geliebten verlegen, ungeschickt und wenig einnehmend. Einer aber, der bloss den V e r l i e b t e n m a c h t 1 und sonst Talent hat, kann seine Rolle so natürlich spielen, dass er die arme Betrogene ganz in seine Schlingen bringt; gerade darum, weil sein Herz unbefangen, sein Kopf klar und er also im ganzen Besitz des freien Gebrauchs seiner Geschicklichkeit und Kräfte ist, den Schein des Liebenden sehr natürlich2 nachzumachen. Das gutmütige (offenherzige) Lachen ist (als zum Affekt der Fröhlichkeit gehörend) g e s e l l i g; das hämi[[B 224>>sche (Grinsen) feindselig. Der Zerstreuete (wie Terrasson mit der Nachtmütze statt der Perücke auf dem Kopf und dem Hute unter dem Arm, voll von dem Streit über den Vorzug der Alten und der Neuen in Ansehung der Wissenschaften, gravitätisch einhertretend) gibt oft zum ersteren Anlass; er wird b e l a c h t, darum aber 3 doch [[A 225>> nicht a u s g e l a c h t. Der nicht unverständige S o n d e r l i n g wird belächelt, ohne dass es ihm was kostet; er lacht mit. – Ein mechanischer (geistloser) Lacher ist schal und macht die Gesellschaft schmacklos. Der4 darin gar nicht lacht, ist entweder grämlich oder pedantisch. Kinder, vornehmlich Mädchen, müssen früh zum freimütigen ungezwungenen Lächeln gewöhnt werden; denn die Erheiterung der Gesichtszüge hiebei drückt sich nach und nach auch im Inneren ab und begründet eine D i s p o s i t i o n zur Fröhlichkeit, 4

Am Rand von H: „Frappant, das Auffallende, was stutzig macht, was als unerwartet die Aufmerksamkeit erregt und worin man sieh nicht so gleich finden kann ist eine Hemmung mit darauf folgender Ergiessung“. 1 H: „sie [auf einen erdichteten Zustand bezogene Empfindungen] nur“. 2 H: „[Gefühls] Schrecks“. 3 H: „[wirklich] ernstlich“. 1 H: „[spielt] macht“. 2 H: „[ganz nat] sehr natürlich“. 3 H: „darum eben aber“. 4 H: „Der [Gravitätische]“.

Freundlichkeit und Geselligkeit, welche diese Annäherung zur Tugend des Wohlwollens frühzeitig vorbereitet.5 Einen in der Gesellschaft zum Stichblatt des Witzes (zum besten) zu 6 haben, ohne doch stachlicht zu sein (Spott ohne Anzüglichkeit), gegen den der andere mit dem seinigen zu ähnlicher Erwiderung gerüstet, und so ein fröhliches Lachen in sie zu bringen bereit ist, ist eine gutmütige und zugleich kultivierende Belebung derselben. Geschieht dieses aber auf Kosten eines Einfaltspinsels, den man, wie einen Ball, dem anderen zuschlägt, so ist das Lachen, als schadenfroh, wenigstens unfein, und geschieht es an einem Schmarotzer, der sich schwelgenshalber1 zum mutwilligen Spiel hingibt oder zum Narren machen lässt, ein2 Beweis vom schlechten Geschmack [[B 225>> sowohl, als stumpfen moralischen Gefühl derer, die darüber aus vollem3 Halse lachen können. Die Stelle eines Hofnarren aber, der zur wohltätigen Erschütterung des Zwerchfells der höchsten Person durch Anstichelung ihrer vornehmen Diener die Mahlzeit durch Lachen [[A 226>> würzen soll, ist, wie man es nimmt, ü b e r oder u n t e r aller Kritik. VON DEN LEIDENSCHAFTEN4 § 775. Die subjektive M ö g l i c h k e i t der Entstehung einer gewissen Begierde, die vor der Vorstellung ihres Gegenstandes vorhergeht, ist der H a n g (propensio). – Die innere N ö t i g u n g des Begehrungsvermögens zur Besitznehmung dieses Gegenstandes, ehe man ihn noch kennt, der6 I n s t i n k t (wie der Begattungstrieb 7, oder der Elterntrieb des Tiers, seine Junge zu schützen u.d.g.). – Die dem8 Subjekt zur Regel (Gewohnheit) dienende sinnliche Begierde heisst N e i g u n g (inclinatio). – Die Neigung, durch welche die Vernunft verhindert wird, sie, in Ansehung einer gewissen Wahl, mit der Summe aller Neigungen zu vergleichen, ist die L e i d e n s c h a f t (passio animi). Man sieht leicht ein, dass Leidenschaften, weil sie sich mit der ruhigsten Überlegung zusammenpaaren lassen, mithin nicht9 unbesonnen sein dürfen, wie der Affekt, daher auch nicht stürmisch und vorübergehend, sondern sich einwurzelnd, selbst mit dem Vernünfteln zusammen hestehen können, – der Freiheit den grössten Abbruch tun, und wenn der Affekt ein R a u s c h ist, die Leidenschaft [[B 226>> eine K r a n k h e i t sei, welche alle Arzeneimittel verabscheut und daher weit schlimmer ist, als alle jene vorübergehende Gemütsbewegungen, die doch wenigstens den Vorsatz rege machen, sich zu bessern; statt dessen die letztere eine Bezauberung ist, die auch die Besserung ausschlägt. [[A 227>> Man benennt die Leidenschaft mit dem Worte Sucht (Ehrsucht, Rachsucht, Herrschsucht u.d.g.), ausser die der Liebe nicht, in dem V e r l i e b t s e i n. Die Ursache ist, weil, wenn die letztere Begierde (durch den Genuss) befriedigt worden, die Begierde, wenigstens in Ansehung eben derselben Person, zugleich aufhört, mithin man wohl ein leidenschaftliches Verliebtsein (so lange der andere Teil in der Weigerung beharrt), aber keine physische Liebe, als Leidenschaft, aufführen kann; weil sie in Ansehung des Objekts nicht ein b e h a r r l i c h e s Prinzip enthält. Leidenschaft setzt immer eine Maxime des Subjekts

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Am Rand von H: „Gravität“. H: „[(zum Narren)] zu“. 1 H: „sich anderen Schwelgens halber“. 2 A: „hingibt (sich zum Narren machen zu lassen), ein“; H: „hingibt (sich zum Narren machen [zu lassen] lässt) [ekelhaft] ein“. 3 A: „die hiezu mit vollem“. 4 A: „Vom Begehrungsvermögen“. 5 A: „§ 70”; Akad.-Ausg.: „§ 80”. 6 Cassirer: „ist der“. 7 H: „[Geschlechts] Begattungstrieb“. 8 H: „Die [Fertigkeit in Ansehung einer gewissen sinnlichen] dem“. 9 H: „dass Leidenschaften sich ... zusammenpaaren lassen nicht“. 6

voraus, nach einem, von der Neigung ihm vorgeschriebenen, Zwecke zu handeln. Sie ist also 1 jederzeit mit der Vernunft desselben verbunden und blossen Tieren kann man keine Leidenschaften beilegen; so wenig wie reinen Vernunftwesen. Ehrsucht, Rachsucht u.s.w., weil sie nie vollkommen befriedigt sind2, werden eben darum unter die Leidenschaften gezählt, als Krankheiten, wider die es nur Palliativmittel gibt. § 783. Leidenschaften sind Krebsschäden für die reine praktische Vernunft und mehrenteils unheilbar; weil der Kranke nicht will geheilt sein und sich der Herrschaft des Grundsatzes entzieht, durch den dieses allein geschehen könnte. Die Vernunft geht auch im Sinnlich[[B 227>>praktischen vom Allgemeinen zum Besonderen nach dem Grundsatze: nicht Einer Neigung zu gefallen 4 die übrigen alle in Schatten oder in den Winkel zu stellen, sondern darauf zu sehen, dass jene mit der Summe a l l e r Neigungen zusammen bestehen könne.– Die E h r b e g i e r d e eines Menschen mag immer eine durch die Ver[[A 228>>nunft gebilligte Richtung seiner Neigung sein; aber der Ehrbegierige will5 doch auch von andern geliebt sein, er bedarf gefälligen Umgang mit anderen, Erhaltung seines Vermögenzustandes u.d.g. mehr. Ist er nun aber l e i d e n s c h a f t l i c h-ehrbegierig, so ist er blind für diese Zwecke, dazu ihn doch seine Neigungen gleichfalls einladen, und dass er von andern gehasst, oder im Umgange geflohen zu werden, oder durch Aufwand zu verarmen Gefahr läuft – das übersieht er alles. Es ist Torheit (den Teil seines Zwecks 1 zum G a n z e n zu machen), die der Vernunft, selbst in ihrem formalen Prinzip, gerade widerspricht. Daher sind Leidenschaften nicht bloss, wie die Affekten, u n g l ü c k l i c h e Gemütsstimmungen, die mit viel Übeln schwanger gehen, sondern auch ohne Ausnahme böse und die gutartigste Begierde, wenn sie auch auf das geht, was (der Materie nach) zur Tugend, z. B. der Wohltätigkeit gehörte2, ist doch (der Form nach), so bald sie in Leidenschaft ausschlägt, nicht bloss p r a g m a t i s c h verderblich, sondern auch m o r a l i s c h verwerflich3. Der Affekt tut einen augenblicklichen Abbruch an der Freiheit und der Herrschaft über sich selbst. Die Leidenschaft gibt sie auf und findet ihre Lust und Befrie[[B 228>>digung am Sklavensinn. Weil indessen die Vernunft mit ihrem Aufruf zur innern Freiheit doch nicht nachlässt, so seufzt der Unglückliche unter seinen Ketten, von denen er sich gleichwohl nicht losreissen kann: weil sie gleichsam schon mit seinen Gliedmassen verwachsen sind.4 [[A 229>> Gleichwohl haben die Leidenschaften auch ihre Lobredner gefunden (denn wo finden die sich nicht, wenn einmal Bösartigkeit in Grundsätzen Platz genommen hat ?) und es heisst: „dass nie etwas Grosses in der Welt ohne heftige Leidenschaften ausgerichtet worden, und die Vorsehung selbst habe sie weislich gleich als Springfedern in die menschliche Natur gepflanzt“. – Von den mancherlei N e i g u n g e n mag man wohl dieses zugestehen5, derer6, als eines natürlichen und tierischen Bedürfnisses, die lebende Natur (selbst die des Menschen) nicht entbehren kann. Aber dass sie L e i d e n s c h a f t e n werden dürften, ja wohl gar sollten, hat die Vorsehung nicht gewollt und sie in diesem Gesichtspunkt vorstellig zu machen, mag einem Dichter verziehen werden (nämlich mit Pope zu sagen: „ist die Vernunft nun ein Magnet, so sind die Leidenschaften Winde“); aber der Philosoph darf diesen1 Grundsatz nicht an sich kommen lassen, selbst nicht um sie als eine provisorische 1

H: „sie sind also“. H: „vollkommen zu befriedigen sind“. 3 A: „§ 71”; Akad.-Ausg.: „§ 81”. 4 Akad.-Ausg.: „zu Gefallen“. 5 H: „aber er will“. 1 H: „[eines Endzwecks] seines Zwecks“. 2 H: „gehört“. 3 H: „nicht bloss verwerflich sondern auch moralisch verderblich“. 4 H: „[Fleisch] Gliedmassen verwachsen sind. – [Der Verliebte]“. 5 H (Cassirer): „dieses wohl zugestehen“. 6 Akad.-Ausg.: „deren“. 1 H: „darf [sich dessen nicht bedienen] diesen“. 2

Veranstaltung der Vorsehung zu preisen, welche absichtlich, ehe das menschliche Geschlecht zum gehörigen Grade der Kultur gelangt wäre, sie in die menschliche Natur gelegt hätte. EINTEILUNG DER LEIDENSCHAFTEN Sie2 werden in die Leidenschaften der n a t ü r l i c h e n (angebornen) und die der aus der K u l t u r der [[B 229>> Menschen hervorgehenden (erworbenen) Neigung eingeteilt. Die Leidenschaften der e r s t e r e n Gattung sind die F r e i h e i t s- und G e s c h l e c h t s n e i g u n g, beide [[A 230>> mit Affekt verbunden. Die der z w e i t e n Gattung sind E h r s u c h t, H e r r s c h s u c h t und H a b s u c h t, welche nicht mit dem Ungestüm eines Affekts, sondern mit der Beharrlichkeit einer auf gewisse Zwecke angelegten Maxime verbunden sind. Jene können e r h i t z t e (passiones ardentes), diese, wieder Geiz, k a l t e Leidenschaften (frigidae) genannt werden. Alle Leidenschaften aber sind immer nur von Menschen auf Menschen, nicht auf Sachen, gerichtete Begierden und man kann zu einem fruchtbaren Acker, oder dergleichen Kuh, zwar zur Benutzung derselben viel Neigung, aber keine A f f e k t i o n (welche in der Neigung zur G e m e i n s c h a f t mit anderen besteht) haben; viel weniger eine Leidenschaft. A. VON DER FREIHEITSNEIGUNG ALS LEIDENSCHAFT § 791. Sie ist die heftigste unter allen am Naturmenschen 2, in einem Zustande, da er es nicht vermeiden kann, mit anderen in wechselseitige Ansprüche zu kommen. Wer nur nach eines a n d e r e n Wahl glücklich sein kann (dieser mag nun so wohlwollend sein, als man immer will), fühlt sich mit Recht unglücklich. Denn welche Gewährleistung hat er, dass sein mächtiger Nebenmensch [[B 230>> in dem Urteile über das Wohl mit dem seinen zusammenstimmen werde ? – Der Wilde (noch nicht an Unterwürfigkeit gewöhnte) kennt kein grösseres Unglück als in diese zu geraten und das mit Recht, so lange noch kein öffentlich Gesetz ihn sichert: bis ihn Disziplin all[[A 231>>mählich dazu geduldig gemacht hat. Daher sein Zustand des beständigen Krieges, in der Absicht, andere so weit wie möglich von sich entfernt zu halten und in Wüsteneien zerstreut zu leben. Ja das Kind, welches sich nur eben dem mütterlichen Schosse entwunden hat scheint, zum Unterschiede von allen andern Tieren, bloss deswegen mit lautem Geschrei in die Welt zu treten; weil es sein Unvermögen, sich seiner Gliedmassen zu bedienen, für Z w a n g ansieht und so seinen

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H: „Leidenschaften. [Sie sind der Obereinteilung nach A.) die der äusseren F r e i h e i t mithin eine Leidenschaft des negativen Genusses, B.) die des V e r m ö g e n s mithin Leidenschaft des positiven Genusses entweder a.) des [physischen] realen der Sinne oder b.) des idealen im blossen Besitz der Mittel zu jedem beliebigen Genusse.] Sie“. 1 A: „§ 72”; Akad.-Ausg.: „§ 82”. 2 H (Cassirer): „im Naturmenschen“.

Anspruch auf Freiheit (wovon kein anderes Tier eine Vorstellung hat) so fort ankündigt. *3 -Nomadische Völker, die, indem1 sie [[B 231>> (als Hirtenvölker) an keinen Boden geheftet sind, z. B. die Araber, hängen so stark an ihrer, obgleich nicht völlig zwangsfreien Lebensart und haben dabei einen so hohen Geist, mit Verachtung auf die sich a n b a u e n d e Völker herabzusehen, dass die davon unzertrennliche Mühseligkeit in Jahrtausenden sie davon nicht hat abwendig [[A 232>> machen können. Blosse Jagdvölker (wie die O l e n n i – T u n g u s i) haben sich sogar durch dieses Freiheitsgefühl (von den andern mit ihnen verwandten Stämmen getrennt) wirklich2 veredelt. – So erweckt nicht allein der Freiheitsbegriff unter moralischen Gesetzen einen Affekt, der Enthusiasm genannt wird, sondern die bloss sinnliche Vorstellung der äusseren Freiheit erhebt die Neigung3, darin zu beharren oder sie zu erweitern, durch die Analogie mit dem Rechtsbegriffe bis4 zur heftigen Leidenschaft.5 Man nennt bei blossen Tieren auch die heftigste Neigung (z. B. der Geschlechtsvermischung) nicht Leidenschaft; weil sie keine Vernunft haben: die allein den Begriff der Freiheit begründet und1 womit die Leidenschaft in [[B 232>> Kollision kommt; deren Ausbruch also dem Menschen zugerechnet werden kann. – Man sagt zwar von Menschen, dass sie gewisse Dinge l e i d e n s c h a f t l i c h lieben (den Trunk, das Spiel, die Jagd) oder hassen (z. B. den Bisam, den Branntwein): aber man nennt diese verschiedene Neigungen oder Abneigungen nicht eben so [[A 233>> viel L e i d e n s c h a f t e n, weil es nur so viel verschiedene Instinkte, d. i. so vielerlei B l o s s - L e i d e n d e s im Begehrungsvermögen sind und2 daher nicht nach den Objekten des Begehrungsvermögens als S a c h e n (deren es unzählige gibt), sondern nach dem Prinzip des Gebrauchs oder Missbrauchs, den3 Menschen von ihrer Person und Freiheit unter einander machen, da ein Mensch den anderen bloss zum Mittel seiner Zwecke macht, klassiffziert zu werden *

L u k r e z, als Dichter, wendet dieses in der Tat merkwürdige Phänomen im Tierreiche anders: Vagituque locum lugubri complet, ut aequom’st Cui tantum in vita restet transire malorum!3 Diesen Prospekt kann das neugeborne Kind nun wohl nicht haben; aber dass das Gefühl der Unbehaglichkeit in ihm nicht vom körperlichen Schmerz, sondern von einer dunkeln Idee (oder dieser analogen Vorstellung) von Freiheit und der Hindernis derselben, dem U n r e c h t, herrühre, entdeckt sich durch die, ein paar Monate nach der Geburt, sich mit seinem Geschrei verbindende T r ä n e n: welches eine Art von Erbitterung anzeigt, wenn es sich gewissen Gegenständen zu näheren, oder überhaupt nur seinen Zustand zu verändern bestrebt ist und daran sich ge[[Anm. B 231>>hindert fühlt. – Die[[Anm. A 232>>ser Trieb, seinen Willen zu haben und die Verhinderung daran als eine Beleidigung aufzunehmen, zeichnet sich dnrch scinen Ton auch besonders aus und lässt eine Bösartigkeit hervorscheinen, welche die Mutter zu bestrafen sich genötiget sieht, aber gewöhnlich durch noch heftigeres Schreien erwidert wird. Eben dasselbe geschieht, wenn es durch seine eigene Schuld fällt. Die Jungen anderer Tiere spielen, die des Menschen zanken frühzeitig unter einander und es ist, als ob ein gewisser Rechtsbegriff (der sich auf die äussere Freiheit bezieht) sich rnit der Tierheit zugleich entwickele und nicht etwa allmählich erlernt werde. 3 Übersetzung des Herausgebers: „Und erfüllt mit kläglichem Geschrei die Gegend, wie es für einen billig ist, dem noch bevorsteht, so viele Übel im Leben durchzumachen!“ Am Rand von H: „Leidenschaft geht auf den Gebrauch der Menschen zu unserer Absicht“. 1 Akad.-Ausg.: „Völker, indem“. 2 H: „Freiheitsgefühl vor den anderen ... Stämmen wirklich“. 3 H: „[macht die Begierde] erhebt die Neigung“. 4 H: „durch Gewohnheit bis“. 5 Anschliessend folgt als neuer Abschnitt in H: „B // Die Neigung zum Besitz des Vermögens überhaupt ist auch ohne den Gebrauch desselben Leidenschaft // [Man kann etwas leidenschaftlich lieben oder hassen aber bloss durch Instinkt wo der Verstand nichts hinzutut wie bei der physischen Liebe des Geschlechts aber alsdann ist die Ncigung nicht auf die Gattung des Objekts sondern bloss auf Individuen gerichtet und kann nicht Leidenschaft der Art nach und objektiv als eine solche betrachtet heissen sondern ist bloss subjektive Neigung. – Dagegen wenn die Neigung bloss auf die Mittel und den Besitz derselben zur Befriedigung aller Neigungen überhaupt mithin aufs blosse Vermögen gerichtet ist sie nur eine Leidenschaft heissen kann]“. 1 H: „und [wo die Ohnmacht ihr zu widerstehen nicht der Natur sondern]“. 2 H: „sind [und nur das Gefühl der Lust und Unlust unmittelbar angehen da hingegen unter Leidenschaft wo die Nötig] und“. 3 H: „Missbrauchs [der Freiheit in Ansehung seines Zwecks klassifiziert werden müssen] den“.

verdienen. – Leidenschaften gehen eigentlich nur auf Menschen und können auch nur durch sie befriedigt werden. Diese Leidenschaften sind E h r s u c h t, H e r r s c h s u c h t, H a b s u c h t4. Da sie Neigungen sind, welche bloss auf den Besitz der Mittel gehen, um alle Neigungen, welche unmittelbar den Zweck betreffen, zu befriedigen, so haben sie in so fern den Anstrich der Vernunft: nämlich der Idee eines 5 mit der Freiheit verbundenen Vermögens, durch welches allein Zwecke überhaupt erreicht werden können, nachzustreben 6. Der Besitz der Mittel zu b e l i e b i g e n Absichten reicht allerdings viel weiter, als die auf eine einzelne Neigung und deren Befriedigung gerichtete Neigung. – Sie können auch daher Neigungen 7 des Wah[[B 233>>nes genannt werden; welcher darin besteht: die blosse Meinung anderer vom Werte der Dinge dem wirklichen Werte gleich zu schätzen.1 [[A 234>> B. VON DER RACHBEGIERDE2 ALS LEIDENSCHAFT § 803. Da Leidenschaften nur von Menschen auf Menschen gerichtete Neigungen sein können, so fern diese auf, mit einander zusammenstimmende oder einander widerstreitende, Zwecke gerichtet, d. i. Liebe oder Hass sind; der Rechtsbegriff aber, weil er unmittelbar aus dem Begriff der äussern Freiheit hervorgeht, weit wichtiger und den Willen weit stärker bewegender Antrieb ist, als der des Wohlwollens: so ist der Hass aus dem erlittenen Unrecht, d. i. die R a c h b e g i e r d e, eine Leidenschaft, welche aus der Natur des Menschen unwiderstehlich hervorgeht, und, so bösartig sie auch ist, doch die Maxime der Vernunft, vermöge der erlaubten R e c h t s b e g i e r d e, deren Analogon jene ist, mit der Neigung verflochten und eben dadurch4 eine der heftigsten und am tiefsten sich einwurzelnden Leidenschaften; die, wenn sie erloschen zu sein scheint, doch immer noch ingeheim einen Hass, G r o l l genannt, als ein unter der Asche glimmendes Feuer, überbleiben lässt.5 Die B e g i e r d e, in einem Zustande 1 mit seinen Mitmenschen und in Verhältnis zu ihnen zu sein, da jedem das zu Teil werden kann, was das R e c h t will, ist freilich keine Leidenschaft, sondern ein Bestimmungsgrund der freien Willkür durch reine praktische Vernunft. [[B 234>> Aber die E r r e g b a r k e i t 2 derselben durch blosse Selbstliebe, d. i. 4

H: „und H a b s u c h t“. H: „nämlich einer Idee [nachzustreben nämlich der] eines“. 6 H (Cassirer): „Vermögen nachzustreben durch welches alle [seine] Zwecke erreicht werden können“. 7 H (Cassirer): „können daher auch [Leidenschaften] Neigungen“. 1 Am Rand von H: „Das Vermögen die Kräfte anderer zu seinen Absichten zu brauchen.” Anschliessend folgt als neuer Abschnitt in H: „Einteilung der Leidenschaften // § 30 // Leidenschaften sind von Menschen nur auf Menschen nicht auf Sachen gerichtete Neigungen und selbst wenn die Neigung auf Menschen aber nicht so fern sie Personen sondern bloss als tierische Wesen von der nämlichen Spezies betrachtet werden verfällt in der Neigung zum Geschlecht kann die Liebe zwar leidenschaftlich aber eigentlich nicht eine Leidenschaft genannt werden weil die letztere Maximen (nicht bloŕe Instinkte) in dem Verfahren mit anderen Menschen voraussetzt. // F r e i h e i t, G e s e t z (des Rechts) und V e r m ö g e n (zur Ausführung) sind nicht bloss Bedingungen sondern auch Gegenstände eines bis zur Leidenschaft gespannten Begehrungsvermögens des Menschen, wobei die praktische Vernunft der Neigung unterliegt indem sie zwar nach Maximen verfährt // § 31. // A // Von der Freiheitsneigung als Leidenschaft vid. S. 1.” (Vgl. S. 602 Anm. 2 des vorliegenden Bandes). 2 A: „Rechtsbegierde”; H: „Rechts-[neigung] Begierde”. 3 A: „§ 73”; Akad.-Ausg.: „§ 83”. 4 H: „und ist dadurch”. 5 Am Rand von H: „Leidenschaft ist die Empfänglichkeit des inneren Zwangs eines Menschen durch seine eigene Neigung in Befolgung seiner Zwecke. // Leidenschaften setzen also zwar ein sinnliches aber doch auch ein diesem entgegenwirkendes vernünftiges Begehrungsvermögen voraus (sind also nicht auf blosse Tiere anwendbar) nur dass die Neigung in dem ersteren der reinen praktischen Vernunft in dem letzteren die Herrschaft benimmt in Nehmung der Maximen entweder in Ansehung seines Zwecks oder des Gebrauchs der Mittel dazu zu gelangen. Leidenschaftlich lieben oder hassen. Unnatürlichkeit Verliebtheit und Rachgier // Alle Leidenschaften sind vom Menschen nur auf Menschen gerichtet sie zu seinen Absichten zu benutzen oder sie auch in den ... ”. 1 H: „einem solchen Zustande”. 2 H: „[Erregung] Erregbarkeit”. 5

nur zu seinem Vorteil, nicht zum Behuf einer Gesetzgebung für jedermann, ist sinnlicher Antrieb3 des Hasses nicht der Ungerechtigkeit, sondern des gegen uns [[A 235>> U n g e r e c h t e n: welche Neigung (zu verfolgen und zu zerstören), da ihr eine Idee, obzwar freilich selbstsüchtig angewandt, zum Grund liegt, die Rechtsbegierde gegen den Beleidiger in Leidenschaft der Wiedervergeltung verwandelt, die oft bis zum Wahnsinn heftig ist, sich selbst dem Verderben auszusetzen, wenn nur der Feind demselben nicht entrinnt, und (in der Blutrache) diesen Hass gar selbst zwischen Völkerschaften erblich zu machen; weil, wie es heisst, das Blut des Beleidigten, aber noch nicht Gerächeten, s c h r e i e, bis das unschuldig vergossene Blut wieder durch Blut – sollte es auch das eines seiner unschuldigen Nachkommen sein – abgewaschen wird. B. VON DER NEIGUNG ZUM VERMÖGEN, EINFLUSS ÜBERHAUPT AUF ANDERE MENSCHEN ZU4 HABEN5 § 816. Diese Neigung nähert sich am meisten der technisch-praktischen Vernunft, d. i. der Klugheitsmaxime. – Denn anderer Menschen Neigungen in seine Gewalt zu bekommen, um sie nach seinen Absichten lenken und bestimmen zu können, ist beinahe eben so viel als im B e s i t z anderer, als blosser Werkzeuge seines Willens, zu sein. Kein Wunder, dass das Streben nach einem solchen V e r m ö g e n, auf andere Einfluss zu haben, Leidenschaft wird. [[B 235>> Dieses Vermögen enthält gleichsam eine dreifache Macht in sich: E h r e, G e w a l t und G e l d; durch die, wenn man im Besitz derselben ist, man jedem Menschen, wenn nicht durch einen dieser Einflüsse, doch durch den [[A 236>> andern beikommen und ihn zu seinen Absichten brauchen kann. – Die Neigungen hiezu, wenn sie Leidenschaften werden, sind E h r s u c h t, H e r r s c h s u c h t und H a b s u c h t. Freilich dass hier der Mensch der Geck (Betrogene) seiner eigenen Neigungen wird und im Gebrauch solcher Mittel seinen Endzweck verfehlt; aber wir reden hier auch nicht von W e i s h e i t, welche gar keine Leidenschaften verstattet, sondern nur von der K l u g h e i t, mit welcher man die Narren handhaben kann. Die Leidenschaften überhaupt aber, so heftig sie auch immer, als sinnliche 1 Triebfedern, sein mögen, sind doch in Ansehung dessen, was die Vernunft dem Menschen vorschreibt, lauter S c h w ä c h e n. Daher das Vermögen des gescheuten Mannes, jene zu seinen Absichten zu gebrauchen, verhältnismässig desto kleiner sein darf, je grösser die Leidenschaft ist, die den andern Menschen beherrscht.2 E h r s u c h t3 ist die Schwäche der Menschen, wegen der man auf sie durch ihre M e i n u n g, Herrschsucht durch ihre F u r c h t und Habsucht durch ihr eigenes I n t e r e s s e Einfluss haben kann. – Allerwärts ein Sklavensinn, durch den, wenn sich ein anderer desselben bemächtigt, er das Vermögen hat, ihn durch seine eigenen Neigungen zu seinen Absichten zu gebrauchen. – Das Bewusstsein aber dieses Vermögens an sich und des Besitzes der Mittel, seine Neigungen zu befriedigen, erregt die Leidenschaft mehr noch, als der Gebrauch derselben. [[B 236, A 237>> a. EHRSUCHT

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H: „sinnlich[e]er [Neigung] Antrieb”. H: „Menschen [nach seinem Belieben] zu”. 5 H (Cassirer): „haben als Leidenschaft”. 6 A: „§ 74”; Akad.-Ausg.: „§ 84”. 1 H: „immer [sein als Maschinen] sinnliche“. 2 Am Rand von H: „Das Vermögen an sich selbst, der Besitz der Mittel steigert mehr die Leidenschaft als der Gebrauch derselben: ist f ür sich selbst angenehm“. 3 H: „Ehrsucht“. 4

§ 821. Sie ist nicht E h r l i e b e, eine Hochschätzung, die der Mensch von anderen, wegen seines inneren (moralischen) Werts, erwarten darf, sondern Bestreben2 nach E h r e n r u f, wo es am Schein genug ist. Man darf dem Hochmut (einem Ansinnen an andere, sich selbst, in Vergleichung mit uns selbst, gering zu schätzen, eine Torheit 3, die ihrem eigenen Zweck zuwider handelt) – diesem Hochmut, sage ich, darf man nur s c h m e i c h e l n, so hat man durch diese Leidenschaft des Toren über ihn Gewalt. Schmeichler *6, Jaherren, die einem bedeutenden Mann gern das grosse Wort einräumen, nähren diese ihn schwachmachende Leidenschaft und sind die Verderber der Grossen und Mächtigen, die sich diesem Zauber hingeben. H o c h m u t ist eine verfehlte, ihrem eigenen Zweck entgegen handelnde, Ehrbegierde, und kann nicht als ein absichtliches Mittel, andere Menschen (die er von sich abstösst) zu seinen Zwecken zu gebrauchen, angesehen werden; vielmehr ist der Hochmütige das Instrument der Schelme, Narr genannt. Einsmals fragte mich ein sehr [[B 237, A 238>> vernünftiger, rechtschaffener Kaufmann: „warum der Hochmütige jederzeit auch niederträchtig sei“ (jener hatte nämlich die Erfahrung gemacht: dass der mit seinem Reichtum, als überlegener Handelsmacht, Grosstuende, beim nachher eingetretenen Verfall seines Vermögens, sich auch kein Bedenken machte, zu kriechen). Meine Meinung war diese: dass, da der Hochmut das Ansinnen an einen anderen ist, sich selbst, in Vergleichung mit jenem, zu v e r a c h t e n; ein solcher Gedanke aber niemand in den Sinn kommen kann als nur dem, welcher sich selbst zu Niederträchtigkeit 1 bereit fühlt, der Hochmut an sich schon von der Niederträchtigkeit solcher Menschen ein nie trügendes vorbedeutendes Kennzeichen abgebe. b. HERRSCHSUCHT Diese Leidenschaft ist an sich ungerecht und ihre Äusserung bringt alles wider sich auf. Sie fängt aber von der Furcht an, von andern beherrscht zu werden, und ist darauf bedacht, sich bei Zeiten in den Vorteil der Gewalt über sie zu setzen; welches doch ein missliches und ungerechtes Mittel dazu ist, andere Menschen zu seinen Absichten zu gebrauchen; weil es teils den Widerstand aufruft und u n k l u g, teils der Freiheit unter Gesetzen, worauf jedermann Anspruch machen kann, zuwider und u n g e r e c h t ist. – Was die m i t t e l b a r e Beherrschungskunst betrifft, z. B. die des weiblichen Geschlechts durch Liebe, die es dem männlichen gegen sich einflösst, diesen zu ihren Absichten 2 zu brauchen, so ist sie unter jenem Titel nicht mit begriffen; weil sie keine Ge[[B 238, A 239>>walt bei sich führt, sondern den Untertänigen durch seine eigene Neigung zu beherrschen und zu fesseln weiss. – Nicht als ob der weibliche Teil unsrer Gattung von der Neigung, über den männlichen zu herrschen, frei wäre (wovon gerade das Gegenteil wahr ist), sondern weil es sich nicht desselben M i t t e l s zu dieser Absicht als das männliche bedient, nämlich nicht des Vorzugs der S t ä r k e (als welche hier unter dem Worte h e r r s c h e n gemeint ist), sondern der Reize, welche eine Neigung des andern Teils, beherrscht zu werden, in sich enthält. 1

A: „§ 75”; Akad.-Ausg.: „§ 85”. H: „[Verlangen] Bestreben“.– 3 H (Cassirer): „– einer Torheit“. * Das Wort S c h m e i c h l e r hat woht uranfänglich S c h m i e g l e r heissen sollen (einen der sich schmiegt und biegt), um einen einbilderischen Mächtigen, selbst durch seinen Hochmut, nach Belieben zu leiten; so wie das Wort H e u c h l e r (eigentlich sollte es H ä u c h l e r geschrieben werden) einen seine fromme Demut vor einem vielvermögenden Geistlichen durch in seine Rede gemischte S t o s s s e u f z e r vorspiegelnden Betrüger – hat bedeuten sollen .6 6 H: „wie H e u c h l e r (Häuchler) durch Stossseufzer der Frömmelei dem machthabenden Geistlichen die Gunst abzugewinnen suchte; am Rand von H: „Hochmut ist niederträchtig // Schmiegeln. Wackere Leidenschaften“. 1 H (Cassirer), B3: „zur Niederträchtigkeit“. 2 Akad.-Ausg.: „dieses zu seinen Absichten“; H: „diesen zu seinen Absichten“. 2

c. HABSUCHT G e l d ist die Losung und, wen Plutus begünstigt, vor dem öffnen sich alle Pforten, die vor dem minder Reichen verschlossen sind. Die Erfindung dieses Mittels, welches sonst keine Brauchbarkeit hat (wenigstens nicht haben darf), als bloss zum Verkehr des Fleisses der Menschen, hiemit aber auch alles Physisch-guten unter ihnen zu dienen, vornehmlich nachdem es durch Metalle repräsentiert wird, hat eine Habsucht hervorgebracht, die zuletzt, auch ohne Genuss, in dem blossen Besitze, selbst mit Verzichttuung (des Geizigen) auf allen Gebrauch, eine Macht enthält, von der man glaubt, dass sie den Mangel jeder anderen zu ersetzen hinreichend sei. Diese ganz geistlose, wenn gleich nicht immer moralisch verwerfliche1, doch bloss mechanisch geleitete Leidenschaft, welche vornehmlich 2 dem Alter (zum Ersatz seines natürlichen Unvermögens) anhängt und die jenem allgemeinen Mittel, seines grossen Einflusses halber, aueh schlechthin den Na[[B 239, A 240>>men eines V e r m ö g e n s verschafft hat, ist eine solche, die, wenn sie eingetreten ist, keine Abänderung verstattet und, wenn die erste der dreien gehasst, die zweite g e f ü r c h t e t, sie, als die 3 d r i t t e v e r a c h t e t macht.*4 VON DER NEIGUNG DES WAHNES ALS LEIDENSCHAFT § 831. Unter dem W a h n e, als einer Triebfeder der Begierden, verstehe ich die innere praktische Täuschung, das Subjektive in der Bewegursache für objektiv zu halten. – Die Natur will von Zeit zu Zeit stärkere Erregungen der Lebenskraft, um die Tätigkeit des Menschen aufzufrischen, damit er nicht im blossen G e n i e s s e n das Gefühl des Lebens gar einbüsse. Zu diesem Zwecke hat sie sehr weise und wohltätig dem von Natur faulen Menschen Gegenstände, seiner Einbildung nach, als wirkliche Zwecke (Erwerbungsarten von Ehre, Gewalt und Geld) vorgespiegelt, die ihm, der ungern ein G e s c h ä f t e unternimmt, doch 1

H: „moralisch-widrige“. H: „welche [den Besitz aller Mittel zum Wohlleben] vornehmlich“. 3 H (Cassirer): „verstattet und die wenn... gefürchtet als die“. * Hier ist die Verachtung im moralischen Sinne zu verstehen; denn im bürgerlichen, wenn es sich zutrifft, dass, wie Pope sagt, „der Teufel in einem goldenen Regen von funfzig auf hundert dem Wucherer in den Schoss fällt und sich seiner Seele bemächtigt“, b e w u n d e r t vielmehr der grosse Haufe den Mann, der so grosse Handelsweisheit beweiset. 4 Anschliessend folgt als neuer Abschnitt in H: „[Abteilung // Von den [formalen] natürlichen Neigungen (des Hanges) in Vergleichung mit de[n]r [materialen (des Antriebes)] sich zugezogenen (der Angewöhnung und Nachahmung)) // Abteilung // Von der formalen Neigung im [Gebrauch) Spiele der Lebenskraft überhaupt. // Sie sind 1. Neigung des Geniessens überhaupt, 2 der Beschäftigung überhaupt, 3 der Gemächlichkeit. // a.) Weil ich hier vom Gegenstande des Begehrens (der Materie) abstrahiere so ist [die Ausfüllung des] der Abscheu der Natur vor dem L e e r e n im Gefühl seines Daseins d. i. die l a n g e W e i l e für jeden kultivierten Menschen für sich allein schon ein Antrieb zur Ausfüllung desselben. – Das immer geniessen Wollen es geschehe physisch oder auch ästhetisch (wo es Üppigkeit genannt wird) ist ein Wohlleben welches zugleich Abnutzung des Lebens ist und wo man desto hungriger wird je mehr man geniesst* // Das gilt auch von der zwecklosen Lesesucht. // b.) Die B e s c h ä f t i g u n g i n d e r M u s s e welche darum nicht Geschäfte sondern S p i e l heisst und auf den Sieg im Streit mit anderen angelegt ist enthält eine Triebfeder der grössten Belebung der Neigun gen wenn diese gleich auf keine Erwerbung (ohne interessierte Absicht) angelegt wäre aber im G e l d s p i e l oft bis zur heftigsten L e i d e n s c h a f t gesteigert wird; indessen dass [die Verfeinerung in Umgangseigenschaften scheinbare Kaltblütigkeit und so gar höfliches Benehmen die innerlich tobende Wut geschickt zu verbergen weiss und der zu Grunde gerichtete zu einem schlimmen Spiel eine gute Miene zu machen versucht. // Es ist nicht so leicht zu erklären warum das Glücksspiel bei gesitteten und ungesitteten Völkern (Chinesen und amerikanischen Wilden) einen so heftigen Reiz bei sich führt noch mehr aber dass es als Unterhaltung des geselligen Umgangs noch wohl gar dafür gepriesen wird der Humanität beförderlich zu sein [scheint]. – Leute von nicht hellen Begriffen Jäger, Fischer, auch wohl Seefahrer vornehmlich gemeine Lotteriespieler sind insgesamt abergläubisch]“; am Rand von H: „*Brama“. 1 A: „§ 76”; Akad.-Ausg.: „§ 86”. 2

genug zu s c h a f f e n machen und mit N i c h t s t u n viel zu tun geben; wobei das Interesse, was er daran nimmt, ein Interesse des blossen Wahnes ist und die Natur also wirklich mit dem Menschen spielt und ihn (das Subjekt) zu seinem Zwecke2 spornt3: [[A 241>> indessen dass dieser in der Überredung steht (objektiv), sich selbst einen eigenen Zweck gesetzt zu haben. – Diese Nei[[B 240>>gungen des Wahnes sind, gerade darum, weil die Phantasie dabei Selbstschöpferin ist, dazu geeignet, um im höchsten Grade l e i d e n s c h a f t l i c h zu werden, vornehmlich wenn sie auf einen W e t t s t r e i t der Menschen angelegt sind4. Die Spiele des Knaben im Ballschlagen, Ringen, Wettrennen, Soldatenspielen; – weiterhin des Mannes im Schach- und Kartenspiel (wo in der einen Beschäftigung der1 blosse Vorzug des Verstandes, in der zweiten zugleich der bare Gewinn beabsichtigt wird); endlich des Bürgers, der in öffentlichen Gesellschaften mit Faro oder Würfeln sein Glück versucht, – werden insgesamt unwissentlich von der weiseren Natur zu Wagstücken, ihre Kräfte im Streit mit anderen zu versuchen, angespornt: eigentlich damit die Lebenskraft überhaupt vor dem Ermatten bewahrt und rege erhalten werde. Zwei solche Streiter glauben, sie spielen unter sich; in der Tat aber spielt die Natur mit beiden, wovon sie die Vernunft klar überzeugen kann, wenn sie bedenken, wie sehlecht die von ihnen gewählten Mittel zu ihrem Zwecke passen. – Aber das Wohlbehnden während dieser Erregung, weil es sich mit (obgleich übelgedeuteten) Ideen2 des Wahnes verschwistert, ist eben darum die Ursache eines Hanges zur heftigsten und lange daurenden Leidenschaft.* [[B 241, A 242>> Neigungen des Wahnes machen den schwachen Menschen abergläubisch und den Abergläubigen schwach, d. i. geneigt, von Umständen, die keine N a t u r u r s a c h e n (etwas zu fürchten oder zu hoffen) sein können, dennoch interessante Wirkungen zu erwarten. Jäger, Fischer, auch Spieler (vornehmlich in Lotterien) sind abergläubisch und der Wahn, der zu der T ä u s c h u n g: das Subjektive für objektiv, die Stimmung des inneren Sinnes für Erkenntnis der Sache selbst zu nehmen, verleitet, macht zugleich den Hang zum Aberglauben begreiflich. VON DEM HÖCHSTEN PHYSISCHEN GUT § 843. Der grösste Sinnengenuss, der gar keine Beimischung von Ekel bei sich führt, ist, im gesunden Zustande, R u h e n a c h d e r A r b e i t. – Der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit in jenem Zustande ist F a u l h e i t. – Doch ist eine etwas lange Weigerung, wiederum an seine G e s c h ä f t e zu gehen, und das süsse far niente zur Kräftensammlung, darum noch nicht Faulheit; weil man (auch im Spiel) angenehm und doch zugleich nützlich b e s c h ä f t i g t sein kann, und auch der Wechsel der Arbeiten, ihrer spezifischen Beschaffenheit nach, zugleich so vielfältige Erholung ist: da hingegen an eine schwere unvollendet gelassene Arbeit wieder zu gehen ziemliche Entschlossenheit erfordert. [[A 243>> Unter den drei Lastern: F a u l h e i t, F e i g h e i t und F a l s c h h e i t, scheint das erstere das verächtlichste zu sein. Allein in dieser Beurteilung kann man dem Menschen oft sehr unrecht tun. Denn die Natur hat auch den Abscheu für anhaltende Arbeit manchem Subjekt [[B 242>> weislich in seinen für ihn sowohl als andere heilsamen Instinkt gelegt1; weil dieses etwa keinen langen oder oft wiederholten Kräftenaufwand ohne 2

H (Cassirer): „zu ihrem Zwecke“. H: „[antreibt] spornet“. 4 H: „angelegt ist“. 1 H: „[die Ehre des] der“. 2 H: “I d e e n”. * Ein Mann in Hamburg, der ein ansehnliches Vermögen daselbst verspielt hatte, brachte nun seine Zeit mit Zusehen der Spielenden zu. Ihn fragte ein anderer, wie ihm zu [[Anm. A 242>> Mute wäre, wenn er daran dächte, ein solches Vermögen einmal gehabt zu haben. Der erstere antwortete: „wenn ich es noch einmal besässe, so wüsste ich doch nicht, es auf angenehmere Art anzuwenden“. 3 A: „§ 77”; Akad.-Ausg.: „§ 87”. 1 H: „in seine Natur gelegt“. 3

Erschöpfung vertrug, sondern gewisser Pausen der Erholung bedurfte. D e m e t r i u s hätte daher nicht ohne Grund immer auch dieser Unholdin (der Faulheit) einen 2 Altar bestimmen können3; indem, wenn nicht F a u l h e i t noch dazwischen träte, die r a s t l o s e Bosheit weit mehr Übels, als jetzt noch ist, in der Welt verüben würde4; wenn nicht F e i g h e i t sich der Menschen erbarmte, der5 kriegerische Blutdurst die Menschen bald aufreiben würde, und6, wäre nicht F a l s c h h e i t (da nämlich unter vielen sich zum Komplott vereinigenden Bösewichtern in grosser Zahl (z. B. in einem Regiment) immer einer sein wird, der es verrät), bei der angebornen Bösartigkeit der menschlichen Natur ganze Staaten bald gestürzt sein würden. Die stärksten Antriebe der Natur, welche die Stelle der unsichtbar das menschliche Geschlecht durch eine höhere, das physische Weltbeste allgemein besorgende Vernunft (des Weltregierers) vertreten, ohne daà menschliche Vernunft dazu hinwirken darf, sind L i e b e z u m L e b e n, und L i e b e z u m G e s c h l e c h t; die erstere umdas Individuum, die zweite um die Spezies zu erhalten, da dann durch Vermischung der Geschlechter im1 ganzen das Leben unserer mit Vernunft begabten Gattung f o r t s c h r e i t e n d [[A 244>> erhalten wird, unerachtet2 diese absichtlich an ihrer eigenen Z e r s t ö r u n g (durch Kriege) arbeitet; welche doch die immer an Kultur wachsenden vernünftigen Geschöpfe, selbst mitten in Kriegen, nicht hindert, dem3 Menschengeschlecht in kommenden Jahrhunderten einen Glückseligkeitszustand, der nicht mehr rückgängig sein wird, im Prospekt unzweideutig vorzustellen.4 [[B 243>>VON DEM HÖCHSTEN MORALISCH- PHYSISCHEN GUT § 595. Die beiden Arten des Gutes, das p h y s i s c h e und m o r a l i s c h e können6 nicht zusammcn gemischt werden; denn so würden sie sich neutralisieren und zum Zweck der wahren Glückseligkeit gar nicht hinwirken; sondern Neigung zum W o h l l e b e n und Tugend im Kampfe mit einander, und Einschränkung des Prinzips der ersteren durch das der letzteren machen zusammenstossend den1 ganzen Zweck des wohlgearteten, einem Teil nach sinnlichen, dem anderen aber moralisch intellektuellen2 Menschen aus; der aber, weil im Gebrauch die Vermischung schwerlich abzuhalten ist, einer Zersetzung durch gegenwirkende Mittel (reagentia) bedarf, um zu wissen, welches die Elemente und die Proportion ihrer 2

A: „Grund auch dieser Unholdin (der Faulheit) immer auch einen“. H (Cassirer): „bedurfte so dass Demetrius nicht ohne [allen] Grund auch diesen Unholden einen Altar bestimmen konnte“. 4 A: „verübt“. 5 H: „[die Kriegssucht] der“. 6 A: „bald aufgerieben und“. 1 A: „Vermischung des letzteren im“. 2 H: „Leben, Liebe zum Geschlecht und Liebe der durch Vermischung des letzteren erzeugten Jungen und so im ganzen Leben unserer mit Vernunft begabten Gattung f o r t s c h r e i t e n d erhalten unerachtet“. 3 H: „welche doch an uns als [der] im Ganzen ihrer Art immer an Kultur wachsenden Geschöpfen selbst [durch den Krieg] mitten in Kriegen nicht [ge]hindert [wird einen sich die kontinuierliche Annäherung] dem“. 4 Am Rand von H: „Zwar nicht eine höhere Stufe der Menschheit so wie die Amerikaner auch nicht zu einer spezifisch verschiedenen – sondern einer grösseren Vermenschlichung // humanisatio // Ist die Menschheit im immerwährenden Fortschritt zur Vollkommenheit begriffen. Wird das menschliche Geschlecht immer besser oder schlechter oder bleibt es von demselben moralischen Gehalt ? // Von dem Kinde in den Armen der Amme bis zum Greisesalter ist immer das Verhältnis der List des Betrugs der Bosheit dasselbe // Die Antwort auf die Frage ob Krieg sein soll oder nicht bestimmt weiter der oberste Gewalthaber // Die höchste Stufe der Kultur ist der Kriegszustand der Völker im Gleichgewicht und das Mittel ist die Frape wer von ihnen fragen soll ob Krieg sein soll oder nicht“. 5 A: „§ 78”; Akad.-Ausg.: „§ 88”. 6 A: „Beide können“. 1 H: „Tugend [sind zwei gegenwirkende Prinzipien (reagentia)] machen vereinigt den“. 2 H (Cassirer): „moralischen (intellektuellen)“. 3

Verbindung ist3, die, mit einander vereinigt, den Genuss einer g e s i t t e t e n G l ü c k s e l i g k e i t verschaffen können. Die Denkungsart der Vereinigung des Wohllebens mit der Tugend im U m g a n g e ist die H u m a n i t ä t. Es kommt hier nicht auf den Grad des ersteren an; denn da fordert einer viel, der andere wenig, was ihm dazu erforderlich 4 zu sein dünkt; sondern nur auf die Art des [[A 245>> Verhältnisses, wie die Neigung zum ersteren durch das Gesetz des letzteren 5 eingeschränkt werden soll. Die Umgänglichkeit ist auch eine Tugend, aber die U m g a n g s n e i g u n g wird oft zur Leidenschaft. Wenn aber gar der gesellschaftliche Genuss, prahlerisch, durch Verschwendung erhöhet wird, so hört diese falsche Umgänglichkeit auf, Tugend zu sein und ist ein Wohlleben, was der6 Humanität Abbruch tut. *** [[B 245>> Musik, Tanz und Spiel machen eine sprachlose Gesellschaft aus (denn die wenigen Worte, die zum letzteren nötig sind, begründen keine Konversation, welche wechselseitige Mitteilung der Gedanken fodert). Das Spiel, welches, wie man vorgibt, nur zur Ausfüllung des Leeren der Konversation nach der Tafel dienen soll, ist7 doch gemeiniglich die Hauptsache: als Erwerbmittel, wobei Affekten stark bewegt werden, wo eine gewisse Konvention des Eigennutzes, einander mit der grössten Höflichkeit zu plündern, errichtet, und ein völliger Egoism, so lange das Spiel dauert, zum Grundsatze gelegt wird, den keiner verleugnet; von welcher Konversation, bei aller Kultur, die sie in seinen Manieren1 bewirken mag, die Vereinigung des geselligen Wohllebens mit der Tugend, und hiemit die wahre Humanität schwerlich sich wahre Beförderung versprechen dürfte. Das Wohlleben, was zu der letzteren noch am besten zusammen zu stimmen scheint, ist eine g u t e [[A 246>> M a h l z e i t i n g u t e r (und wenn es sein kann auch abwechselnder) G e s e l l s c h a f t; von der Chesterfield sagt: dass sie nicht unter der Zahl der G r a z i e n und auch nicht über die2 der M u s e n sein müsse.*3 Wenn ich eine Tischgesellschaft aus lauter Männern von Geschmack (ästhetisch vereinigt) nehme,**4 so wie sie [[B 245>> nicht bloss gemeinschaftlich eine Mahlzeit, sondern einander selbst zu geniessen die Absicht haben (da dann ihre Zahl nicht viel über die Zahl der Grazien betragen kann): so muss diese kleine Tischgesellschaft nicht sowohl die leibliche

3

H: „Proportion [in] ihrer Mischung ist“. H: „[gehöre] erforderlich“. 5 Akad.-Ausg.: „Gesetz der letzteren“. 6 H: „was [mit der Tugend zusammenbestehen kann also auch] der“. 7 A: „welches nur... Tafel zu dienen vorgegeben wird, ist“. 1 A: „in feinen Manieren“. 2 H: „über [der] die“. * Zehn an einem Tische; weil der Wirt, der die Gäste bedient, sich nicht mitzählt. 3 H: „müsse* [und [nicht] weder (wie an einer Table d’hote) die Freimütigkeit der Konversation ängstlich einschränken noch wie bei einem Lordmaireschmaus (weil jede übergrosse Gesellschaft Pöbel ist) ins Gelag hinein ohne Auswahl und Zusammenhang geredet werde**.]“ Am Rand von H: „So viel zur Kritik des physischen Geschmacks.“ ** In einer festlichen Tafel, an welcher die Anwesenheit der Dame die Freiheit der Chapeaus von selbst aufs Gesittete einschränkt, ist eine bisweilen sich eräugnende plötzliche Stil[[Anm. B 245>>le ein schlimmer, lange Weile drohender Zufall, bei dem keiner sich getraut, etwas Neues, zur Fortsetzung des Gesprächs schickliches, hinein zu spielen; weil er es nicht aus der Luft greifen, sondern es aus der Neuigkeit des Tages, die aber interessant sein muss, hernehmen soll. Eine einzige Person, vornehmlich wenn es die Wirtin des Hauses ist, kann diese Stockung oft allein verhüten und die Konversation im beständigen Gange erhalten, dass sie nämlich, wie in einem Konzert, mit allgemeiner und lauter Fröhlichkeit beschliesst, und eben dadurch desto gedeihlicher ist; gleich dem Gastmahle des Plato, von dem der Gast sagte: „Deine Mahlzeiten gefallen nicht allein, wenn man sie geniesst, sondern auch so oft man an sie denkt“. 4 Cassirer bezieht die vorliegende Anmerkung nicht auf diese Stelle, sondern acht Zeilen später auf „stocken“; in H findet sich nur in dem durchstrichenen Text (Anm. 3) ein Verweis auf die Anmerkung. 4

Befriedigung1 – die ein jeder auch für sich allein 2 haben kann –, sondern das gesellige Vergnügen, wozu jene nur das Vehikel zu sein scheinen muss, zur Absicht [[A 247>> haben: wo dann jene Zahl eben hinreichend ist, um die Unterredung nicht stocken, oder auch in abgesonderten kleinen3 Gesellschaften mit4 dem nächsten Beisitzer sich teilen zu lassen, befürchtet werden darf. Das5 letztere ist gar kein Konversationsgeschmack; der immer Kultur bei sich führen muss, wo immer Einer mit allen (nicht bloss mit seinem Nachbar) spricht: da hingegen die sogenannten festlichen Traktamente (Gelag und Abfütterung) ganz geschmacklos sind. Es versteht sich hiebei von selbst, dass in allen Tischgesellschaften, selbst denen an einer Wirtstafel, das, was daselbst von einem indiskreten Tischgenossen zum Nachteil eines Abwesenden öffentlich gespro[[B 426>>chen wird, dennoch nicht zum Gebrauch a u s s e r dieser Gesellschaft gehöre und nachgeplaudert 6 werden dürfe. Denn ein jedes Symposium hat, auch ohne einen besonderen dazu getroffenen Vertrag, eine gewisse Heiligkeit und Pflicht7 zur Verschwiegenheit bei sich, in Ansehung dessen, was dem Mitgenossen der Tischgesellschaft nachher Ungelegenheit ausser derselben verursachen könnte; weil, ohne dieses Vertrauen, das der8 moralischen Kultur selbst so zuträgliche Vergnügen in Gesellschaft, und selbst diese Gesellschaft zu geniessen, vernichtet werden würde. – Daher würde ich, wenn von meinem besten Freunde in einer so g e n a n n t e n öffentlichen Gesellschaft (denn eigentlich ist eine noch so grosse T i s c h g e s e l l s c h a f t immer nur Privatgesellschaft, und nur die staatsbürgerliche 9 überhaupt in der Idee ist öffentlich) – ich würde, sage ich, wenn von ihm etwas Nachteiliges gesprochen würde, ihn zwar verteidigen, und allenfalls auf meine eigene Gefahr mit Härte1 und Bitterkeit des Ausdrucks mich seiner annehmen, mich aber nicht zum Werkzeuge [[A 248>> brauchen lassen, diese übele Nachrede zu verbreiten und an den Mann zu tragen, den sie angeht. – Es ist nicht bloss ein geselliger G e s c h m a c k , der die Konversation leiten muss, sondern es sind auch Grundsätze, die dem offenen Verkehr der Menschen mit ihren Gedanken im Umgange zur einschränkenden Bedingung ihrer Freiheit dienen sollen. Hier ist etwas Analogisches im Vertrauen zwischen Menschen, die mit einander an einem Tische speisen, mit alten2, Gebräuchen, z. B. des Arabers, bei dem der Fremde, sobald er jenem nur einen Genuss (einen Trunk Was[[B 247>>ser) in seinem Zelt hat ablocken können, auch auf seine Sicherheit3 rechnen kann; oder wenn der russischen Kaiserin S a l z und B r o t von den aus Moskau ihr entgegenkommenden Deputierten gereicht wurde, und sie durch den Genuss desselben sich auch vor aller Nachstellung durchs Gastrecht gesichert halten konnte. – Das Zusammenspeisen an einem Tische wird aber als die Förmlichkeit eines solchen Vertrags der Sicherheit angesehen.4 A l l e i n zu essen (solipsismus convictorii) ist für einen p h i l o s o p h i e r e n d e n Gelehrten ungesund;* [[B 248, A 249>> nicht Restauration, sondern (vornehmlich wenn es 1

H: „[Sättigung] Befriedigung“. H: „allein [und isoliert geniessen könnte]“. 3 H (Cassirer): „abgesonderte kleine“. 4 H: „[fragmentarisch sich in] mit“. 5 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „lassen. Das“. 6 H (Cassirer): „ausgeplaudert“. 7 H: „[Verbindlichkeit] Pflicht“. 8 H: „das [gesellschaftliche] der“. 9 H: „bürgerliche“. 1 A: „Härtigkeit“. 2 A: „speisen und alten“. 3 H: „Sicherheit bei ihm“. 4 Am Rand von H: „für sich allein zu essen // Refectorium Restauration “. * Denn der p h i l o s o p h i e r e n d e muss seine Gedanken fortdauernd bei sich herumtragen, um durch vielfältige Versuche ausfindig zu machen, an welche Prinzipien er sie systematisch anknüpfen solle, und die Ideen, weil sie nicht Anschauungen sind, schweben gleichsam in der Luft ihm vor. Der historisch- oder mathematischgelehrte kann sie dagegen vor sich hinstellen, und so sie, mit der Feder in der Hand, [[Anm. A 249>> allgemeinen Regeln der Vernunft gemäss, doch gleich als Facta, empirisch ordnen, und so, weil das 2

gar einsames S c h w e l g e n wird) Exhaustion1; erschöpfende Arbeit, nicht belebendes Spiel der Gedanken. Der g e n i e s s e n d e Mensch, der im Denken während der einsamen Mahlzeit an sich selbst zehrt, verliert allmählich die Munterkeit2, die er dagegen gewinnt, wenn ein Tischgenosse ihm durch seine abwechselnde Einfälle neuen Stoff zur Belebung darbietet; welchen er selbst nicht hat ausspüren dürfen. Bei einer vollen Tafel, wo die Vielheit der Gerichte nur auf das lange Zusammenhalten der Gäste (coenam ducere) abgezweckt ist, geht die Unterredung3 gewöhnlich durch drei Stufen: 1) E r z ä h l e n, 2) R ä s o n i e r e n und 3) S c h e r z e n. – A. Die Neuigkeiten des Tages, zuerst einheimische, dann auch auswärtige, durch Privatbriefe und Zeitungen eingelaufene. – [[A 250>> B. Wenn dieser erste Appetit befriedigt ist, so wird die Gesellschaft schon lebhafter; denn weil beim Vernünfteln Verschiedenheit der Beurteilung über ein und dasselbe auf die Bahn gebrachte Objekt schwerlich zu vermeiden ist, und jeder doch von der seinigen eben nicht die geringste Meinung hat, so erhebt sich ein Streit, der den Appetit für Schüssel und Bouteille rege, und nach dem Masse der Lebhaftigkeit dieses Streits und der Teilnahme an demselben, auch gedeihlich macht. – C. Weil aber das Vernünfteln immer eine Art von Arbeit und Kraftanstrengung ist, diese aber durch einen während desselben4 ziemlich reichlichen Genuss endlich beschwerlich wird: so fällt die Unterredung natürlicherweise auf das blosse Spiel des Witzes, zum Teil auch dem anwesenden Frauenzimmer zu gefallen, auf welches die kleinen mutwilligen, aber [[B 249>> nicht beschämenden Angriffe auf ihr Geschlecht die Wirkung tun, sich in ihrem Witz selbst vorteilhaft zu zeigen, und so endigt die Mahlzeit mit L a c h e n; welches, wenn es laut und gutmütig ist, die Natur durch Bewegung des Zwerchfells und der Eingeweide ganz eigentlich für den Magen zur Verdauung, als zum1 körperlichen Wohlbefinden, bestimmt hat; indessen, dass die Teilnehmer am Gastmahl, Wunder wie viel! Geisteskultur in einer Absicht der Natur zu finden wähnen. – Eine Tafelmusik bei einem2 festlichen Schmause grosser Herren ist das geschmackloseste Unding, was die Schwelgerei immer ausgesonnen haben mag. Die Regeln eines geschmackvollen Gastmahls, das die Gesellschaft a n i m i e r t, sind: a) Wahl eines Stoffs zur Unterredung, der alle interessiert und immer jemanden Anlass gibt, etwas schicklich hinzuzusetzen. b) Keine [[A 251>> tödliche Stille, sondern nur augenblickliche Pause in der Unterredung entstehen zu lassen. c) Den Gegenstand nicht ohne Not zu variieren3 und von einer Materie zu einer andern abzuspringen4; weil das Gemüt am Ende des Gastmahls wie am Ende eines Drama (dergleichen auch das zurückgelegte ganze Leben des vernünftigen Menschen ist) sich unvermeidlich mit der Rückerinnerung der mancherlei Akte des Gesprächs beschäftigt: wo denn, wenn es keinen Faden des Zusammenhangs herausfinden kann, es sich verwirrt fühlt und in der Kultur nicht fortgeschritten, sondern eher rückgängig geworden zu sein mit Unwillen inne wird. -Man muss einen Gegenstand, der unterhaltend ist5, beinahe erschöpfen, ehe man zu einem anderen übergeht, und beim Stocken [[B 250>> des Gesprächs etwas anderes damit Verwandtes zum Vorige in gewissen Punkten ausgemacht ist, den folgenden Tag die Arbeit von da fortsetzen, wo er sie gelassen hatte. – Was den P h i l o s o p h e n betrifft, so kann man ihn gar nicht als A r b e i t e r am Gebäude der Wissenschaften, d. i. nicht als Gelehrten, sondern muss ihn als W e i s h e i t s f o r s c h e r betrachten. Es ist die blosse Idee von einer Person, die den Endzweck alles Wissens sich praktisch und (zum Behuf desselben) auch theoretisch zum Gegenstande macht, und man kann diesen Namen nicht im Plural, sondern nur im Singular brauchen (der Philosoph urteilt so oder so); weil er eine blosse Idee bezeichnet, P h i l o s o p h e n aber zu nennen eine Vielheit von dem andeuten würde, was doch absolute Einheit ist. 1 So auch H; A: „Exhaustation“. 2 H: „Munterkeit [der Belebung]“. 3 H: „[Konversation] Unterredung“. 4 A: „einen, binnen desselben“. 1 H (Cassirer): „Verdauung [be] also zum“. 2 A: „in einem“; H: „[zu] in einem“. 3 H: „variieren zu lassen“. 4 H: „[über]abzuspringen“. 5 H: „[interessiert] unterhaltend ist“.

Versuch in die Gesellschaft unbemerkt zu spielen verstehen: so kann ein einziger in der Gesellschaft unbemerkt und unbeneidet diese Leitung 6 der Gespräche übernehmen. d) Keine R e c h t h a b e r e i, weder für sich noch für die Mitgenossen der Gesellschaft entstehen oder dauren zu lassen: vielmehr, da7 diese Unterhaltung kein Geschäft sondern nur Spiel sein soll, jene Ernsthaftigkeit durch einen geschickt angebrachten Scherz abwenden. e) In dem ernstlichen Streit, der gleichwohl nicht zu vermeiden ist, sich selbst und seinen Affekt sorgfältig so in Disziplin zu erhalten, dass wechselseitige Achtung und Wohlwollen immer hervorleuchte; wobei es mehr1 auf den T o n (der nicht schreihälsig oder arrogant sein muss), als auf den Inhalt des Gesprächs ankommt; damit keiner der Mitgäste mit dem anderen e n t z w e i e t aus der Gesellschaft in die Häuslichkeit zurückkehre. [[A 252>> So unbedeutend diese Gesetze der verfeinerten Menschheit auch scheinen mögen, vornehmlich wenn man sie mit dem reinmoralischen 2 vergleicht, so ist doch alles, was Geselligkeit befördert, wenn es auch nur in gefallenden Maximen oder Manieren bestände, ein die Tugend vorteilhaft kleidendes Gewand, welches der letzteren auch in ernsthafter Rücksicht3 zu empfehlen4 ist. – Der P u r i s m des Z y n i k e r s und die F l e i s c h e s t ö t u n g des A n a c h o r e t e n, ohne gesellschaftliches Wohlleben, sind verzerrte Gestalten der Tugend und für diese nicht einladend; sondern, von den Grazien verlassen, können sie auf Humanität nicht Anspruch machen. [[B 251, A 253>> D E R A N T H R O P O L O G I E ZWEITER TEIL D I E A N T H R O P O L O G I S C H E C H A R A K T E R I S T I K1 V O N D E R A R T, D A S I N N E R E DES MENSCHEN AUS DEM ÄUSSEREN ZU ERKENNEN2 [[B 253, A 255>> EINTEILUNG 1) Der Charakter der Person, 2) der Charakter des Geschlechts, 3) der Charakter des Volks, 4) der Charakter der Gattung. A DER CHARAKTER DER PERSON § 861. In pragmatischer Rücksicht bedient sich die allgemeine, n a t ü r l i c h e (nicht bürgerliche) Zeichenlehre (semiotica universalis) des Worts C h a r a k t e r in zwiefacher Bedeutung, da man teils sagt: ein gewisser Mensch hat d i e s e n oder jenen (physischen) Charakter; teils: er hat überhaupt e i n e n Charakter (einen moralischen), der nur ein einziger, oder gar keiner sein kann. Das erste ist das Unterscheidungszeichen des Menschen als eines sinnlichen, oder Naturwesens; das zweite desselben als eines vernünftigen, mit Freiheit 6

H: „[Direktion] Leitung“. A: „sondern, da“. 1 A: „welches mehr“. 2 H (Cassirer): „mit den reinmoralischen“. 3 H (Cassirer): „in ernsthafterer Rücksicht“. 4 A: „empfehlend“. 1 H: „Die Charakteristik“. 2 Am Rand von H: „Anthropologie // 1ster Teil // Anthropologische // D i d a k t i k // Was ist der Mensch? // 2ter Teil //Anthropologische// C h a r a k t e r i s t i k // [Wie] Woran ist die Eigentümlichkeit jedes Menschen zu erkennen. // Der erstere ist gleichsam die Elementarlehre die zweite die Methodenlehre der Menschenkunde.“ 1 A: „§ 79”; Akad.-Ausg.: „§ 89”. 7

begabten We[[B 254, A 256>>sens. Der Mann von Grundsätzen, von dem man sicher weiss, wessen man sich, nicht etwa von seinem Instinkt, sondern von seinem Willen zu versehen hat, hat einen Charakter. – Daher kann man in der Charakteristik, ohne Tautologie, in dem, was zu seinem Begehrungsvermögen gehört (praktisch ist), das C h a r a k t e r i s t i s c h e in a) N a t u r e l l oder Naturanlage, b) T e m p e r a m e n t, oder Sinnesart und c) C h a r a k t e r schlechthin, oder Denkungsart, einteilen. – Die beiden ersteren Anlagen zeigen an, was sich aus dem Menschen machen lässt; die zweite (moralische), was er aus sich selbst zu machen bereit ist. I VON DEM NATURELL Der2 Mensch hat ein gut G e m ü t, tsedeutet: er ist nicht störrisch sondern nachgebend; er wird zwar aufgebracht, aber leicht besänftigt und hegt keinen Groll (ist negativ-gut). – Dagegen, um von ihm sagen zu können: „er hat ein gut H e r z“, ob dieses zwar auch zur Sinnesart gehört, will schon mehr sagen. Es ist ein Antrieb zum Praktischguten, wenn es gleich nicht nach Grundsätzen verübt wird, so: dass der Gutmütige und Gutherzige beides Leute sind, die ein schlauer Gast brauchen kann, wie er will. – Und so geht das Naturell mehr (subjektiv) aufs G e f ü h l der Lust oder Unlust, wie ein Mensch vom andern affiziert wird (und jenes kann hierin etwas Charakteristisches haben), als (objektiv) aufs B e g e h r u n g s v e r m ö g e n; wo das Leben sich [[B 255, A 257>> nicht bloss im Gefühl, i n n e r l i c h, sondern auch in der Tätigkeit, ä u s s e r l i c h, obgleich bloss nach Triebfedern der Sinnlichkeit offenbaret. In dieser Beziehung besteht nun das T e m p e r a m e n t, welches von einer habituellen (durch Gewohnheit zugezogenen) Disposition noch unterschieden werden muss; weil dieser keine Naturanlage, sondern blosse Gelegenheitsursachen zum Grunde liegen. II VOM TEMPERAMENT P h y s i o l o g i s c h 1 betrachtet versteht man, wenn vom Temperament die Rede ist, die k ö r p e r l i c h e K o n s t i t u t i o n (den starken oderschwachen Bau) und K o m p l e x i o n2 (das Flüssige, durch die Lebenskraft gesetzmässig bewegliche im Körper; worin die Wärme oder Kälte in Bearbeitung dieser Säfte mit begriffen ist). P s y c h o l o g i s c h aber erwogen, d. i. als Temperament der S e e l e (Gefühls- und Begehrungsvermögens) werden jene, von der Blutbeschaffenheit entlehnte Ausdrücke nur als nach der Analogie des Spiels der Gefühle und Begierden mit körperlichen bewegenden Ursachen (worunter das Blut die vornehmste ist) vorgestellt. Da ergibt sich nun: dass die Temperamente, die wir bloss der Seele beilegen, doch wohl in geheim das Körperliche im Menschen auch zur mitwirkenden Ursache haben mögen; – ferner dass, da sie e r s t l i c h die Obereinteilung 3 derselben in Temperamente des G e f ü h l s und der T ä t i g k e i t zulassen, z w e i t e n s jede derselben mit Erregbarkeit der L e b e n s k r a f t (intensio), [[B 256, A 258>> oder Abspannung (remissio) derselben, verbunden werden kann, – gerade1 nur v i e r einfache Temperamente (wie in den 4 syllogistischen Figuren durch den medius terminus) aufgestellt werden können: das s a n g u i n i s c h e, das m e l a n c h o l i s c h e, das c h o l e r i s c h e und das p h l e g m a t i s c h e; wodurch dann

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Von hier an fehlen in den Drucken die Paragraphenangaben; Cassirer: „$§ 90. Der“. Cassirer: „ 91. P h y s i o l o g i s c h“. 2 H: „k ö r p e r l i c h e Konstitution ... und Komplexion“. 3 H: „[Einteilung] Obereinteilung“. 1 A: „können – es gerade“. 1

die alten Formen beibehalten2 werden können, und nur eine, dem Geist dieser Temperamentenlehre angepasste, bequemere Deutung erhalten. Hiebei dient der Ausdruck der B l u t b e s c h a f f e n h e i t nicht dazu: die U r s a c h e der Phänomene des sinnlich affizierten Menschen anzugeben, – es sei nach3 der Humoraloder der Nervenpathologie; sondern sie nur den beobachteten Wirkungen nach zu klassifizieren; denn man verlangt nicht vorher zu wissen, welche chemische Blutmischung 4 es sei, die zur Benennung einer gewissen Temperamentseigenschaft berechtige, sondern welche Gefühle und Neigungen man bei5 der Beobachtung des Menschen zusammenstellt, um für ihn den Titel einer besonderen Klasse schicklich6 anzugeben. Die Obereinteilung der Temperamentenlehre kann also die sein: in Temperamente des G e f ü h l s7 und Temperamente der T ä t i g k e i t, und diese kann durch 8 Untereinteilung wiederum in zwei Arten zerfallen, die zusammen die 4 Temperamente geben. 9 – Zu den Temperamenten des G e f ü h l s 7 zähle ich nun das s a n g u i n i s c h e, A, und sein Gegenstück, das m e l a n c h o l i s c h e, B. – Das erstere hat nun die Eigentümlichkeit, dass die Empfindung schnell und stark affiziert wird, aber1 nicht tief eindringt (nicht dauerhaft ist); da[[B 257, A 259>>gegen in dem zweiten die Empfindung weniger auffallend ist, aber sich tief einwurzelt. H i e r i n muss man diesen Unterschied der Temperamente des Gefühls, und nicht in den Hang zur Fröhlichkeit oder Traurigkeit setzen. Denn der Leichtsinn der Sanguinischen2 disponiert zur Lustigkeit, der Tiefsinn dagegen, der über einer Empfindung brütet, benimmt dem Frohsinn seine leichte Veränderlichkeit, ohne 3 darum eben Traurigkeit zu bewirken. – Weil aber alle Abwechselung, die man in seiner Gewalt hat, das Gemüt überhaupt belebt und stärkt, so ist der, welcher alles, was ihm begegnet, auf die leichte Achsel nimmt, wenn gleich nicht weiser, doch gewiss glücklicher, als der an Empfindungen klebt, die seine Lebenskraft starren macht4. I. TEMPERAMENTE DES GEFÜHLS A. DAS SANGUINISCHE TEMPERAMENT DES LEICHTBLÜTIGEN Der5 Sanguinische gibt seine Sinnesart an folgenden Äusserungen zu erkennen. Er ist sorglos und von guter6 Hoffnung; gibt jedem Dinge für den Augenblick eine grosse Wichtigkeit, und den folgenden mag er daran nicht weiter denken. Er verspricht ehrlicherweise, aber hält nicht Wort: weil er nicht vorher tief genug nachgedacht hat, ob er es auch zu halten vermögend sein wer[[B 258, A 260>>de. Er ist gutmütig genug, anderen Hülfe zu leisten, ist aber ein schlimmer Schuldner, und verlangt immer Fristen. Er ist ein guter 2

A: „fein beibehalten“. A: „ob nach“. 4 H: „[körperliche] chemische [Bescha] Blutmischung“. 5 H: „[in Gedanken] bei“. 6 H: „Klasse [dieser Naturanlagen anzugeben. So wird man z. B.] schicklich“. 7 A: „der E m p f i n d u n g“. 8 H: „diese dann [in der] durch“. 9 Am Rand von H: „Wenn ein Temperament die Beimischung des andern sein soll so widerstehen beide einander, sie neutralisieren sich – soll aber eines mit dem andern zu Zeiten wechseln so ist es blosse Laune und kein bestimmt Temperament. Man weiss nicht was man aus den Menschen machen soll // Der Frohsinn und Leichtsinn // der Tiefsinn und Wahnsinn // der Hochsinn und Starrsinn // der Kaltsinn und die Beharrlichkeit“. 7 A: „der E m p f i n d u n g“. 1 H: „affiziert aber“. 2 A: „des Sanguinischen“. 3 H: „brütet benimmt den Frohsinn ohne“. 4 A: „starren machen”. 5 Cassirer: « § 92. Der ». 6 H (Cassirer): „voll guter“. 3

Gesellschafter, scherzhaft, aufgeräumt, mag keinem Dinge gerne grosse Wichtigkeit geben (Vive la bagatelle !) und hat alle Menschen zu Freunden. Er ist gewöhnlich kein böser Mensch, aber ein schlimm zu bekehrender Sünder, den etwas zwar sehr reuet, der aber diese R e u e (die nie ein G r a m wird) bald vergisst. Er ermüdet unter Geschäften und ist doch rastlos1 beschäftigt, in dem was bloss Spiel ist; weil dieses Abwechselung bei sich führt und das Beharren seine Sache nicht ist. B. DAS MELANCHOLISCHE TEMPERAMENT DES SCHWERBLÜTIGEN Der z u r M e l a n c h o l i e G e s t i m m t e (nicht der Melancholische; denn das bedeutet einen Zustand, nicht den blossen Hang zu einem Zustande) gibt allen Dingen, die ihn selbst angehen, eine grosse Wichtigkeit; findet allerwärts Ursache zu Besorgnissen und richtet seine Aufmerksamkeit zuerst auf die Schwierigkeiten: so wie dagegen der Sanguinische von der Hoffnung des Gelingens anhebt, daher jener auch tief, so wie dieser nur oberflächlich denkt. Er verspricht schwerlich; weil ihm das Worthalten teuer, aber das Vermögen dazu bedenklich ist. Nicht, dass dieses alles aus moralischen Ursachen geschähe (denn es ist hier von s i n n l i c h e n Triebfedern die Rede), son[[B 259, A 261>>dern weil ihm das Widerspiel Ungelegenheit, und ihn2 eben darum besorgt3, misstrauisch und bedenklich, dadurch aber auch für den Frohsinn4 unempfänglich macht. – Übrigens ist diese Gemütsstimmung, wenn sie habituell ist, doch der des Menschenfreundes, welche mehr ein Erbteil des Sanguinischen ist, wenigstens dem Anreize nach, entgegen; weil der, welcher s e l b s t die Freude5 entbehren muss, sie schwerlich anderen gönnen wird. II. TEMPERAMENTE DER TÄTIGKEIT C. DAS CHOLERISCHE TEMPERAMENT DES WARMBLÜTIGEN Man6 sagt von ihm: er ist h i t z i g; brennt schnell auf, wie Strohfeuer; lässt sich durch Nachgeben des anderen bald besänftigen, zürnt alsdann, ohne zu hassen, und liebt wohl gar den noch desto mehr, der ihm bald nachgegeben hat. – Seine Tätigkeit ist r a s c h, aber nicht anhaltend. – Er ist geschäftig, aber unterzieht sich selbst ungern den Geschäften, eben darum weil er es nicht anhaltend ist, und macht also gern den bloàen Befehlshaber, der sie leitet, aber selbst nicht ausführen will. Daher ist seine herrschende Leidenschaft Ehrbegierde; er hat gern mit öffentlichen Geschäften zu tun und will laut gepriesen sein. Er liebt daher den S c h e i n und den Pomp [[B 260, A 262>> der F o r m a l i t ä t e n; nimmt gerne in Schutz und ist dem Scheine nach grossmütig, aber nicht aus Liebe, sondern aus Stolz; denn er liebt sich mehr selbst1. – Er hält auf Ordnung und scheint deshalb klüger als er ist. Er ist habsüchtig, um nicht filzig zu sein; ist höflich, aber mit Zeremonie, steif und geschroben im Umgange und hat gerne irgend einen Schmeichler, der das Stichblatt seines Witzes ist, leidet mehr Kränkungen durch den Widerstand anderer gegen seine s t o l z e n Anmassungen, als je der Geizige durch seine h a b s ü c h t i g e n, weil ein bisschen kaustischen Witzes ihm den Nimbus seiner Wichtigkeit ganz wegbläst; indessen dass der Geizige 2 doch durch den Gewinn dafür schadlos 1

H: „ist rastlos“. Zusatz von B. 3 H: „Ungelegenheit macht und ihn dieses Widerspieleben besorgt“. 4 H: „[Freude] den Frohsinn“. 5 H (Cassirer): „der Freude“. 6 Cassirer: „§ 93. Man ». 1 H: „sich nur selbst“. 2 H: „indessen der Habsüchtige“. 2

gehalten wird. – – Mit einem Wort, das cholerische Temperament ist unter allem 3 am wenigsten glücklich, weil es am meisten den Widerstand gegen sich aufruft. D. DAS PHLEGMATISCHE TEMPERAMENT DES KALTBLÜTIGEN P h l e g m a4 bedeutet A f f e k t l o s i g k e i t, nicht Trägheit (Leblosigkeit), und man darf den Mann, der viel Phlegma hat, darum so fort nicht einen 5 Phlegmatiker, oder ihn phlegmatisch, nennen, und ihn unter diesem Titel in die Klasse der Faulenzer setzen. Phlegma, als S c h w ä c h e, ist Hang zur Untätigkeit, sich durch selbst starke Triebfedern zu Geschäften nicht [[B 261, B 263>> bewegen zu lassen. Die Unempfindlichkeit dafür ist willkürliche1 Unnützlichkeit und die Neigungen gehen nur auf Sättigung und Schlaf. Phlegma, als S t ä r k e, ist dagegen die Eigenschaft: nicht leicht oder r a s c h, aber, wenn gleich langsam doch a n h a l t e n d bewegt zu werden. – Der, welcher eine gute Dosis von Phlegma in seiner Mischung hat, wird langsam warm, aber er behält die Wärme länger. Er gerät nicht leicht in Zorn, sondern bedenkt sich erst, ob er nicht zürnen solle; wenn andrerseits der Cholerische rasend werden möchte, dass er den festen Mann nicht aus seiner Kaltblütigkeit bringen kann. Mit einer ganz gewöhnlichen Dosis der Vernunft, aber zugleich diesem Phlegma, von der Natur ausgestattet, ohne zu glänzen und doch von Grundsätzen, nicht vom Instinkt, ausgehend, hat der Kaltblütige nichts zu bereuen. Sein glückliches Temperament vertritt bei ihm die Stelle der Weisheit und man nennt ihn, selbst im gemeinen Leben oft den Philosophen. Durch dieses ist er anderen überlegen, ohne ihre Eitelkeit zu kränken. Man nennt ihn auch oft d u r c h t r i e b e n; denn alle auf ihn losgeschnellete Ballisten und Katapulten prallen von ihm als einem Wollsack ab. Er ist ein verträglicher Ehemann, und weiss sich die Herrschaft über Frau und Verwandte zu verschaffen, indessen dass er scheint allen zu Willen zu sein, weil er durch seinen unbiegsamen aber überlegten Willen den ihrigen zu dem seinen umzustimmen versteht: wie Körper, welche mit kleiner Masse und grosser Geschwindigkeit den Stoss ausüben, durch[[B 262, A 264>>bohren; mit weniger Geschwindigkeit aber und grösserer Masse das ihnen entgegenstehende Hindernis mit sich fortführen, ohne es zu zertrümmern. Wenn ein Temperament die Beigesellung2 eines andern sein soll – wie das gemeiniglich3 geglaubt wird –, z. B. 622 A .................................. B Das sanguinische Das melancholische . . . . . . C ................................... D Das cholerische Das phlegmatische so w i d e r s t e h e n sie entweder einander, oder sie n e u t r a l i s i e r e n sich. Das erstere geschieht, wenn das sanguinische mit dem melancholischen, imgleichen wenn das cholerische mit dem phlegmatischen in einem und demselben Subjekt als vereinigt gedacht werden will: denn sie (A und B, imgleichen C und D) stehen gegen einander im Widerspruch. – Das zweite, nämlich die Neutralisierung würde in der (gleichsam chemischen) M i s c h u n g des 3

H (Cassirer): „unter allen“. H: „[Es ist seiner intellektuellen Bedeutung nach verstanden, das glücklichste unter allen:] // P h l e g m a“. 5 H (Cassirer): „darum nicht so fort einen“. 1 H: „[Niederträchtigkeit] [völlige] willkürliche“. 2 H: „Bei[mischung]gesellung“. 3 H: „[gemeiniglich] gemeinhin“. 4

sanguinischen mit dem cholerischen, und des melancholischen mit dem phlegmatischen (A und C, imgleichen B und D) geschehen. Denn die gutmütige Fröhlichkeit kann nicht in demselben Akt mit dem abschreckenden Zorn zusammenschmelzend gedacht werden, eben so wenig wie die Pein des Selbstquälers mit der zufriedenen Ruhe des [[B 263, A 265>> sich selbst gnugsamen Gemüts. – Soll aber einer dieser zwei Zustände in demselben Subjekt mit dem andern wechseln: so gibt das blosse Launen, aber kein bestimmtes Temperament ab. Also gibt es keine z u s a m m e n g e s e t z t e Temperamente, z. B. ein sanguinischcholerisches (welches die Windbeutel alle haben wollen, indem sie alsdann gnädige, aber doch auch strenge Herren zu sein vorgaukeln), sondern es sind in allem deren nur vier 1, und jede2 derselben einfach, und man weiss nicht, was aus dem Menschen gemacht werden soll 3, der sich ein gemischtes zueignet. Frohsinn und Leichtsinn, Tiefsinn und Wahnsinn, Hochsinn und Starrsinn, endlich Kaltsinn und Schwachsinn sind nur als Wirkungen des Temperaments in Beziehung auf ihre Ursache unterschieden.*23467 [[B 264, A 266>> III VOM CHARAKTER ALS DER DENKUNGSART Von1 einem Menschen schlechthin sagen zu können: „er hat einen C h a r a k t e r“, heisst sehr viel von ihm nicht allein g e s a g t, sondern auch g e r ü h m t; denn das ist eine Seltenheit, die Hochachtung gegen ihn und Bewunderung erregt. Wenn man unter dieser Benennung überhaupt das versteht, wessen man sich zu ihm sicher zu versehen hat, es mag Gutes oder Schlimmes sein, so pflegt man dazu zu setzen: er hat d i e s e n oder j e n e n Charakter, und dann bezeichnet der Ausdruck die S i n n e s a r t. – Einen Charakter aber schlechthin zu haben, bedeutet diejenige Eigenschaft des Willens, nach welcher das Subjekt sich selbst an bestimmte praktische Prinzipien bindet, die er sich durch seine eigene Vernunft unabänderlich vorgeschrieben hat. Ob nun zwar diese Grundsätze auch bisweilen falsch und fehlerhaft sein dürften, so hat doch das Formelle des Wollens überhaupt, nach festen Grundsätzen zu handeln (nicht wie in einem Mückenschwarm hald hiehin bald dahin abzuspringen), etwas Schätzhares und Bewundernswürdiges 1 in sich; wie es denn auch etwas Seltenes ist. [[B 265, A 267>> Es kommt hiebei nicht auf das an, was die Natur aus dem Menschen, sondern was dieser a u s s i c h s e l b s t m a c h t; denn das erstere gehört zum 1

H: „allem nur deren vier“. Akad.-Ausg.: „jedes“. 3 H (Cassirer): „was man aus dem Menschen machen soll“. *7* Welchen Einfluss2 die Verschiedenheit des Temperaments auf die öffentlichen Geschäfte, oder umgekehrt diese (durch die Wirkung, den die gewohnte Übung in diesem auf jenen) hat, will 3 man dann auch, teils durch Erfahrung, teils auch mit Beihülfe der mutmasslichen Gelegenheitsursachen erklügelt haben. So heisst es z. B.: In der Religion ist der Choleriker o r t h o d o x der Sanguinische F r e i g e i s t der Melanch. S c h w ä r m e r der Phleg. I n d i f f e r e n t i s t. – Allein4 das sind so hingeworfene Urteile, die für die Charakteristik so viel gelten, als skurrilischer Witz ihnen einräumt (valent quantum possunt )67. 2 H: „[Welche Fehler oder Vorteile] Welchen Einfluss“. 3 Akad.-Ausg.: „(durch die Wirkung, die die gewohnte Übung in diesen auf jenes hat) haben, will“; H: „durch [den Einfluss] die Wirkung den die gewohnte Übung in diesen auf jenes [hat] habe will“. 4 H: „[Im öffentlichen Amt der Chol. – ordnunghaltend // Sangu. – nachlässig // Mel. – peinlich // Phleg. – // – Allein“. 6 Übersetzung des Herausgebers: „sie sind so viel wert wie sie vermögen“. 7 H: „possunt) und man kann den Juristen auf ähnliche Weise parodieren“. 1 Cassirer: „§ 94. Von“. 1 H (Cassirer): „und selbst Bewundernswürdiges“. 2

Temperament (wobei das Subjekt grossenteils passiv ist) und nur das letztere gibt zu erkennen, dass er einen Charakter habe. Alle andere gute und nutzbare Eigenschaften desselben haben einen P r e i s, sich gegen andere, die eben so viel Nutzen schaffen, austauschen zu lassen; das Talent einen M a r k t p r e i s, denn der Landes- oder Gutsherr kann einen solchen Menschen auf allerlei Art brauchen; – das Temperament einen A f f e k t i o n s p r e i s; man kann sich mit ihm gut unterhalten, er ist ein angenehmer Gesellschafter; – aber – der Charakter hat einen inneren W e r t* und ist über allen Preis erhaben. [[B 266, A 268>> VON DEN EIGENSCHAFTEN, DIE BLOSS DARAUS FOLGEN, DASS DER MENSCH EINEN CHARAKTER HAT ODER OHNE CHARAKTER IST 1)1 Der N a c h a h m e r (im Sittlichen) ist ohne Charakter: denn dieser besteht eben in der Originalität der Denkungsart. Er schöpft aus einer von ihm selbst geöffneten Quelle seines Verhaltens. Darum aber darf der Vernunftmensch doch auch nicht S o n d e r l i n g sein; ja er wird es niemals sein, weil er sich auf Prinzipien fusst, die für jedermann gelten. Jener ist der N a c h ä f f e r des Mannes, der einen Charakter hat. Die Gutartigkeit aus Temperament ist ein Gemälde aus Wasserfarben und kein Charakterzug; dieser aber, in Karikatur gezeichnet, ist ein frevelhafter Spott über den Mann von wahrem Charakter getrieben; weil er das Böse, was einmal zum öffentlichen Gebrauch (zur Mode) geworden, [[B 267, A 269>> nicht mitmacht und so als ein Sonderling dargestellt2 wird. 2) Die Bösartigkeit, als Temperamentsanlage, ist doch weniger schlimm3, als die Gutartigkeit der letzteren ohne Charakter; denn durch den letzteren kann man über die erstere die Oberhand gewinnen. – Selbst ein Mensch von bösem Charakter (wie Sylla), wenn er gleich durch die Gewalttätigkeit4 seiner festen Maximen Abscheu erregt, ist doch zugleich ein Gegenstand der Bewunderung: wie S e e l e n s t ä r k e überhaupt in Vergleichung mit S e e l e n g ü t e, welche freilich beide in dem Subjekt vereinigt angetroffen werden müssen, um das herauszubringen, was mehr Ideal, als in der Wirklichkeit ist, nämlich: zum Titel der S e e l e n g r ö s s e berechtigt zu sein. 3) Der steife unbiegsame Sinn5 bei einem gefassten Vorsatz (wie etwa an Karl XII.) ist zwar eine dem Charakter sehr günstige Naturanlage, aber noch nicht ein bestimmter Charakter überhaupt. Benn dazu werden Maximen erfordert, die aus der Vernunft und moralischpraktischen Prinzipien hervorgehen. Daher kann man nicht füglich sagen: die Bosheit dieses Menschen ist eine Charaktereigenschaft desselben; denn alsdann wäre sie teuflisch; der *

Ein Seefahrer hörte in einer Gesellschaft dem Streite zu, den Gelehrte über den Rang unter sich, nach ihren Fakultäten, führten. Er entschied ihn auf seine Art, nämlich: wie viel ihm wohl ein Mensch, den er gekapert hätte, beim Verkauf auf dem Markt in Algier einbringen würde. Den Theologen und Juristen kann dort kein Mensch brauchen; aber der Arzt versteht ein Handwerk und kann für bar gelten. - König Jakob I. von England wurde von der Amme, die ihn gesäugt hatte, gebeten: er möchte doch ihren Sohn zum Gentleman (feinem Mann) machen. Jakob antwortete: das kann ich nicht; ich kann ihn wohl zum Grafen, aber zum Gentleman muss er sich selbst machen. – Diogenes (der Zyniker) ward (wie die vorgebliche Geschichte lautet) auf einer Seereise bei der Insel Kreta weggeka[[Anm. B 266, A 268>>pert und auf dem Markte bei einem öffentlichen Sklavenverkauf ausgeboten. Was kannst du, was verstehst du ? fragte ihn der Mäkler, der ihn auf eine Erhöhung gestellt hatte. „Ich verstehe zu r e g i e r e n, antwortete der Philosoph, und du suche mir einen Käufer, der einen H e r r e n nötig hat.“ Der Kaufmann, über dieses seltsame Ansinnen in sich selbst gekehrt, schlug zu in diesem seltsamen Handel; indem er seinen Sohn dem letzteren zur Bildung übergab, aus ihm zu machen was er wollte, selbst aber einige Jahre in Asien Handlung trieb und dann seinen vorher ungeschlachten Sohn, in einen geschickten, wohlgesitteten, tugendhaften Menschen umgebildet, zurück erhielt. – – So ohngefähr kann man die Gradation des Menschenwerts schätzen. 1 Cassirer: „§ 95. I.“ 2 A: „vorgestel1t“. 3 H: „[besser] weniger schlimm“. 4 H: „[Abscheulichkeit] Gewalttätigkeit“. 5 H: „steife unbesiegsame Sinn“.

Mensch aber b i l l i g t das Böse in sich nie und so gibt es eigentlich keine Bosheit aus Grundsätzen, sondern nur aus Verlassung derselben. – – Man tut also am besten, wenn man die Grundsätze, welche den Charakter betreffen, negativ vorträgt. Sie sind: [[B 268, A 270>> a. Nicht vorsetzlich unwahr zu reden; daher auch behutsam zu sprechen, damit man nicht den Schimpf des Widerrufens auf Sich ziehe. b. Nicht heucheln: vor den Augen gut gesinnt scheinen, hinter dem Rücken aber feindselig sein. c. Sein (erlaubtes) Versprechen nicht hrechen; wozu auch gehört: selbst das A n d e n k e n einer Freundschaft, die nun gebrochen ist, noch zu ehren, und die ehemalige Vertraulichkeit und Offenherzigkeit des anderen nicht nachher zu missbrauchen. d. Sich nicht mit schlechtdenkenden Menschen in cinen Geschmacksumgang einzulassen und, des noscitur ex socio etc.1 eingedenk, den Umgang nur auf Geschäfte einzuschränken. e. Sich an die Nachrede aus dem seichten und boshaften 2 Urteil anderer nicht zu kehren; denn das Gegenteil verrät schon Schwäche; wie auch, die Furcht des Verstosses wider die Mode, welche ein flüchtiges, veränderliches Ding ist, zu mässigen3, und, wenn sie denn schon einige Wichtigkeit des Einflusses bekommen hat, ihr Gebot wenigstens nicht auf die Sittlichkeit auszudehnen4. Der Mensch, der sich eines Charakters in seiner Denkungsart bewusst ist, hat ihn nicht von der Natur, sondern muss ihn jederzeit erworben haben. Man kann auch annehmen: dass die Gründung desselben, gleich einer Art der Wiedergeburt, eine gewisse Feierlichkeit [[B 269, A 271>> der Angelobung, die er sich selbst tut, sie und den Zeitpunkt, da diese Umwandlung in ihm vorging, gleich einer neuen Epoche, ihm unvergesslich mache. – Erziehung, Beispiele und Belehrung können diese Festigkeit und Beharrlichkeit in Grundsätzen überhaupt n i c h t n a c h u n d n a c h, sondern nur gleichsam durch eine Explosion, die auf den Überdruss am schwankenden Zustande des Instinkts auf einmal erfolgt, bewirken1. Vielleicht werden nur wenige sein, die diese Revolution vor dem 30sten Jahre versucht, und noch wenigere, die sie vor dem 40sten fest gegründet haben. – Fragmentarisch ein besserer Mensch werden zu wollen, ist ein vergeblicher Versuch; denn der eine Eindruck erlischt, während dessen man an einem anderen arbeitet; die Gründung eines Charakters aber ist absolute Einheit des innern Prinzips des Lebenswandels überhaupt. – Auch sagt man: dass P o e t e n keinen Charakter haben, z. B. ihre besten Freunde zu beleidigen, ehe sie einen witzigen Einfall aufgäben; oder dass er bei Hofleuten, die sich in alle Formen fügen müssen, gar nicht zu suchen sei, und dass es2 bei Geistlichen, die dem Herrn des Himmels, zugleich aber auch den Herren der Erde in einerlei Stimmung den Hof machen, mit der Festigkeit des Charakters nur misslich bestellt sei, dass also einen 3 inneren (moralischen) Charakter zu haben wohl nur ein frommer Wunsch sei und bleiben werde. Vielleicht aber sind wohl gar die P h i l o s o p h e n 4 daran schuld: dadurch dass sie diesen Begriff noch nie ahgesondert in ein gnugsam helles Licht gesetzt und die Tugend nur in 5 Bruchstücken, aber nie g a n z in ihrer schönen Gestalt vorstellig und für alle Menschen interessant zu machen gesucht haben. 1

Übersetzung des Herausgebers: „an seinem Umgang erkennt man usw.“ H: „seichten oder boshaften“. 3 Zusatz von B. 4 H: „veränderliches Ding obgleich wenn sie... bekommen hat es doch besser ist wie man sagt ein Narr in der Mode als ein Narr ausser der Mode zu sein“. 1 A: „bewirkt werden“; H: „bewirkt werde“. 2 Zusatz von B. 3 A: „sei, und dass also einen“; H: „sei und dass einen“. 4 H (Cassirer): „Philosophen selbst“. 5 H: „Tugend[pflicht] in“. 2

[[B 270, A 272>> Mit einem Worte: Wahrhaftigkeit im Inneren des Geständnisses vor sich selbst und zugleich im Betragen gegen jeden anderen, sich zur obersten Maxime gemacht, ist der einzige Beweis des Bewusstseins eines Menschen, dass er einen Charakter hat; und, da diesen zu haben das Minimum ist, was man von einem vernünftigen Menschen fordern kann, zugleich aber auch das Maximum des inneren Werts (der Menschenwpürde): so muss, ein Mann von Grundsätzen zu sein (einen bestimmten Charakter zu haben), der gemeinsten Menschenvernunft möglich und dadurch dem1 grössten Talent, der Würde nach, überlegen sein.2 VON DER PHYSIOGNOMIK Sie3 ist die Kunst4, aus der sichtbaren Gestalt eines Menschen, folglich aus dem Äusseren, das Innere desselben zu beurteilen; es sei seiner Sinnesart oder Denkungsart nach. – Man beurteilt ihn hier nicht in seinem krankhaften, sondern gesunden Zustande; nicht wenn sein Gemüt in Bewegung, sondern wenn es in Ruhe ist. – Es versteht sich von selbst, dass: wenn der, welchen man in dieser Absicht beurteilt, inne wird, dass man ihn beobachte und sein Inneres ausspähe, sein Gemüt nicht in Ruhe, sondern im Zustande des Zwanges und der inneren Bewegung, ja selbst des Unwillens sei, sich eines anderen Zensur ausgesetzt zu sehen. Wenn eine Uhr ein gefälliges Gehäuse hat, so kann man daraus (sagt ein berühmter Uhrmacher) nicht mit Sicherheit urteilen, dass auch das Innere gut sei; ist [[B 271, A 273>> das Gehäuse aber schlecht gearbeitet, so kann man mit ziemlicher Gewissheit schliessen, dass auch das Innere nicht viel tauge; denn der Künstler wird doch ein fleissig und gut gearbeitetes Werk dadurch nicht in Misskredit bringen, dass er das Äussere desselben, welches die wenigste Arbeit kostet, vernachlässigt. – Aber nach der Analogie eines menschlichen Künstlers mit dem unerforschlichen Schöpfer der Natur wäre es ungereimt, auch hier zu schliessen: dass er etwa einer guten Seele auch einen schönen Leib werde beigegeben haben, um den Menschen, den er schuf, bei andern Menschen zu empfehlen und in Aufnahme zu bringen, oder auch, umgekehrt, einen von dem andern (durch das hic niger est, hunc tu Romane caveto1) abgeschreckt haben werde. Denn der Ge s c h m a c k, der einen bloss subjektiven Grund des Wohlgefallens oder Missfallens eines Menschen an dem andern (nach ihrer Schönheit oder Hässlichkeit) enthält, kann der W e i s h e i t, welche objektiv das Dasein derselben mit gewissen Naturbeschaffenheiten zum Zweck hat (den wir schlechterdings nicht einsehen können), nicht zur Richtschnur dienen, um diese zwei heterogenen Dinge, als in einem und demselben Zweck vereinigt, im Menschen anzunehmen. VON DER LEITUNG DER NATUR ZUR PHYSIOGNOMIK Dass wir dem, welchem wir uns anvertrauen sollen, er mag uns auch noch so gut empfohlen sein, vorher ins Gesicht, vornehmlich in die Augen, sehen, um zu erforschen, wessen wir uns gegen ihn zu versehen [[B 272, A 274>> haben, ist ein Naturantrieb, und das Abstossende oder Anziehende in seiner Gebärdung entscheidet über unsere Wahl, oder macht uns auch bedenklich2, ehe wir noch seine Sitten erkundigt haben, und so ist nicht zu streiten, dass es eine physiognomische Charakteristik gebe, die aber nie eine Wissenschaft werden kann; weil die Eigentümlichkeit einer menschlichen G e s t a l t, die auf gewisse Neigungen oder Vermögen des angeschauten Subjekts hindeutet, nicht durch Beschreibung nach 1

H (Cassirer): „und doch auch dem“. Am Rand von H: „Geschnittene Steine in Cameo und Intaglio“. 3 Cassirer: „§ 96. Sie”. 4 A: „die Lehre”. 1 Übersetzung des Herausgebers: „der ist schwarz, vor dem hüte dich, Römer“. 2 H: „uns bedenklich“. 2

Begriffen, sondern durch Abbildung und Darstellung (in der Anschauung) oder ihrer Nachahmung3 verstanden werden kann: wo die Menschengestalt im allgemeinen, nach ihren V a r i e t ä t e n, deren jede auf eine besondere innere Eigenschaft des Menschen im Inneren hindeuten soll, der Beurteilung ausgesetzt wird. Nachdem die Karikaturzeichnungen menschlicher Köpfe von B a p t i s t a P o r t a, welche Tierköpfe, nach der Analogie mit gewissen charakteristischen Menschengesichtern verglichen, darstellen, und daraus auf eine Ähnlichkeit der Naturanlagen in beiden schliessen sollten1, längst vergessen, L a v a t e r s weitläuftige,durch Silhouetten zu einer eine Zeitlang allgemein beliebten und wohlfeilen Ware gewordene, Verbreitung dieses Geschmacks aber neuerdings ganz verlassen worden; – nachdem fast nichts mehr, als etwa die, doch zweideutige, Bemerkung (des Hrn. v. Archenholz) übrig geblieben ist: dass das Gesicht 2 eines Menschen, das man durch eine Grimasse für sich allein nachahmt, auch zugleich gewisse Gedanken oder Empfindungen rege mache, die mit dem Charakter desselben übereinstimmen – so ist die Physiognomik, als [[B 273, A 275>> Ausspähungskunst des Inneren im Menschen vermittelst gewisser äusserer unwillkürlich gegebener Zeichen, ganz aus der Nachfrage gekommen, und nichts von ihr übrig geblieben, als die Kunst der Kultur des Geschmacks und zwar nicht an Sachen, sondern an Sitten 3, Manieren und Gebräuchen, um durch eine Kritik, welche dem Umgange mit Menschen und der Menschenkenntnis überhaupt beförderlich wäre, dieser zu Hülfe zu kommen4. EINTEILUNG DER PHYSIOGNOMIK Von5 dem Charakteristischen 1. In der G e s i c h t s b i l d u n g. 2. In den G e s i c h t s z ü g e n. 3. In der h a b i t u e l l e n G e s i c h t s g e b ä r d u n g (den Mienen). A. VON DER GESICHTSBILDUNG Es ist merkwürdig: dass die griechischen Künstler auch ein Ideal der Gesichtsbildung (für Götter und Heroen) im Kopfe hatten; welches immerwährende Jugend und zugleich von allen Affekten freie Ruhe – in Statüen,6 K a m e e n und I n t a g l i o s –, ohne einen Reiz hineinzulegen, ausdrücken sollte. – Das g r i e c h i s c h e perpendikuläre P r o f i l macht die Augen tiefer liegend, als es nach unserem Geschmack (der auf den Reiz angelegt ist) sein sollte und selbst eine mediceische Venus entbehrt desselben. – Die Ursache davon mag sein: dass, da das Ideal eine bestimmte unabänderliche Norm sein soll, [[B 274, A 276>> eine aus dem Gesicht von der Stirn in einem Winkel abspringende Nase (wo dann der Winkel grösser oder kleiner sein kann) keine b e s t i m m t e R e g e l der Gestalt 1, wie es doch das, was zur Norm gehört, erfordert – abgeben würde. Auch haben die neueren Griechen, unerachtet ihrer, sonst dem übrigen Körperbau nach, schönen Bildung, doch jene ernste Perpendikularität des Profils in ihrem2 Gesichte nicht, welehes jene Idealität in Ansehung der Kunstwerke3 als U r b i l d e r zu beweisen scheint 4. – Nach diesen mythologischen Mustern kommen die Augen tiefer zu liegen, und werden an der Nasenwurzel etwas in Schatten gestellt; dagegen man die 3

So B3; in B1 steht nur die zweite Klammer, in B 2 fehlen beide; A, H: „Darstellung in der Anschauung (oder ihrer Nachahmung)“. 1 Cassirer: „schliessen lassen sollten“. 2 H: „[die Gestalt] das Gesicht“. 3 H: „in Sitten“. 4 H: „Gebräuchen durch eine... beförderlich ist“. 5 Cassirer: “§ 97. Von“. 6 Zusatz von B. 1 H: „bestimmte [Gestalt] Regel der Gestalt“. 2 B1: „Profils ihrem“. 3 A: „der Gemmen“. 4 H: „[beweiset] zu beweisen scheint“.

für schön gehaltenen Gesichter der Menschen jetziger Zeiten mit einem kleinen Absprung der Nase von der Richtung der Stirn (Einbucht an der Nasenwurzel) schöner findet. Wenn wir über Menschen, so wie sie wirklich sind, unseren Beobachtungen nachgehen, so zeigt sich: dass eine genau abgemessene R e g e l m ä s s i g k e i t gemeiniglich einen sehr ordinären Menschen, der ohne Geist ist, anzeige. Das M i t t e l m a s s scheint das Grundmass und die Basis der Schönheit, aber lange noch nicht die Schönheit selbst zu sein; weil zu dieser etwas Charakteristisches erfordert wird. – Man kann aber dieses Charakteristische, auch ohne Schönheit, in einem Gesichte antreffen, worin der Ausdruck ihm doch, obgleich in anderer (vielleicht moralischen oder ästhetischen) Beziehung, sehr zum Vorteil spricht; d. i. an einem Gesichte bald hier, bald da an Stirn, Nase, Kinn oder Farbe des Haares u.s.w. tadeln, dennoch aber gestehen 5, dass für die Individualität der Person 6 es doch empfehlender sei, [[B 275, A 277>> als wenn die Regelmässigkeit vollkommen wäre; weil diese gemeinhin auch Charakterlosigkeit bei sich führt. H ä s s l i c h k e i t aber soll 1 man keinem Gesichte vorrücken, wenn es nur in seinen Zügen nicht den Ausdruck eines durch Laster verdorbenen Gemüts, oder auch einen natürlichen, aber unglücklichen Hang2 dazu verrät: z. B. einen gewissen Zug des Hämischlächlenden, so bald er spricht, oder auch der Dummdreustigkeit ohne mildernde Sanftheit, im Anblick dem anderen ins Gesicht zu schauen und dadurch zu äusseren, dass man sich aus jenes seinem Urteile nichts mache. – Es gibt Männer, deren Gesicht (wie der Franzose spricht) r e b a r b a r a t i f ist, mit 3 denen man, wie man sagt, Kinder zu Bett jagen kann, oder die ein von Pocken zerrissenes und groteskes4, oder, wie der Holländer es nennt, w a n s c h a p e n e s (gleichsam im Wahn, im Traume, gedachtes) Gesicht haben; aber doch zugleich so viel Gutmütigkeit und Frohsinn zeigen, dass sie über ihr eigenes Gesicht ihren Spass treiben, das daher keineswegs hässlich genannt werden darf, ob sie es wohl5 gar nicht übel nehmen, wenn eine Dame von ihnen (wie von dem P e l l i s s o n bei der Academie Franςaise) sagt: „Pellisson missbraucht die Erlaubnis6, die die Männer haben, hässlich zu seine. Noch ärger und dummer 7 ist es: wenn ein Mensch, von dem man Sitten erwarten darf, einem Gebrechlichen8, wie der Pöbel, seine körperliche Verbrechen 9 sogar, welche10 oft nur die geistigen Vorzüge zu erhöhen dienen, gar vorrückt; welches, wenn es gegen in früher Jugend Verunglückte geschieht (durch: du blinder, du lahmer Hund), sie wirk[[B 276>>lich bösartig, und [[A 178>> sie gegen Wohlgebildete, die sich darum besser dünken, nach und nach erbittert macht. Sonst sind die einheimischen ungewohnten11 Gesichter der Fremden fýr V÷lker, die aus ihrem Lande nie heraus kom- men, geineiniglich ein Gegenstand des Spottes fýr diese. So rufen die kleinen Jungen in Japan, indem sie den dorthin handelnden Holländern nachlaufen: „O welche grosse Augen, welche grosse Augen!“ und den Chinesen kommen die roten Haare mancher Europäer, die ihr Land besuchen, widrig, die blauen Augen derselben aber lächerlich vor.

5

H: „Man kann daher an einem schönen Gesicht bald hier die etwas zu schmale Stirn oder das breitere Kinn oder die Farbe des Haares u.s.w. tadeln und dennoch zugestehen“. 6 H: „[dieser] einer Person“. 1 H: „[aber kann] aber soll“. 2 H: „auch einer... Disposition“. 3 So auch H; A: „ist r e b a r b a r a t i f, mit“. 4 A: „kann, von Pocken zerrissene und ein groteskes“. 5 Zusatz von B. 6 A: „der Erlaubnis“. 7 A: „und zugleich dummer“. 8 A: „einen Gebrechlichen“. 9 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „Gebrechen“. 10 H: „Gebrechen welche“. 11 H: „sind den Einheimischen ungewohnte“.

Was die blossen Hirnschädel betrifft und ihre Figur, welche die Basis ihrer Gestalt ausmacht, z. B. die der Negern, der Kalmücken, der Südsee-Indianer u. a., so wie sie von Camper und vorzüglich von Blumenbach beschrieben werden 1: so gehören die Bemerkungen darüber mehr zur physischen Geographie, als zur pragmatischen Anthropologie. Ein Mittleres zwischen beiden kann die Bemerkung sein: dass die Stirn des männlichen Geschlechts auch bei uns f l a c h, die des weiblichen aber mehr k u g l i g zu sein pflegt. Ob ein Hügel2 auf der Nase einen Spötter anzeige, – ob die Eigenheit der Gesichtsbildung der Chinesen, von denen man sagt, dass der untere Kinnbacken etwas über die obere3 hervorrage, eine4 Anzeige ihres Starrsinnes, oder der Amerikaner ihre, deren Stirn von beiden Seiten mit Haaren verwachsen ist, ein Zeichen eines ange[[B 277>>bornen [[A 279>> Schwachsinns sei5 u.s.w., sind Konjekturen, die eine nur unsichere 6 Auslegung verstatten.7 B. VON DEM CHARAKTERISTISCHEN IN DEN GESICHTSZÜGEN Einem8 Manne schadet es, selbst im Urteile des weiblichen Geschlechts, nicht, in seinem Gesicht durch Hautfarbe, oder Pockennarben verunstaltet und unlieblich geworden zu sein; denn wenn Gutmütigkeit in seinen Augen und zugleich der Ausdruck des Wackeren im Bewusstsein seiner Kraft mit Ruhe verbunden aus seinen Blicken hervorleuchtet, so kann er immer beliebt und liebenswürdig sein, und dafür allgemein gelten. – Man scherzt mit solchen und ihrer Liebenswürdigkeit (per antiphrasin) und eine Frau kann auf den Besitz eines solchen Ehemannes stolz sein. Ein solches Gesicht ist nicht K a r i k a t u r 1, denn diese ist vorsetzlichübertriebene Zeichnung (V e r z e r r u n g) des Gesichts im Affekt, zum Auslachen ersonnen, und gehört zur Mimik; es muss vielmehr zu2 einer Varietät gezählt werden, die in der Natur liegt, und ist kein Fratzengesicht zu nennen (welches abschreckend wäre), sondern kann Liebe erwecken, ob3 es gleich nicht lieblich und, ohne schön zu sein, doch nicht hässlich ist.* [[B 278, A 280>> C. VON DEM CHARAKTERISTISCHEN DER MIENEN4 1

H (Cassirer): „beschrieben worden“. A: „Hübel“. 3 Akad.- Ausg.: „den oberen“. 4 H: „hervorrage [auch auf ihr Temperament einen Einfluss habe u.d.g. diese Fragen gehören zur vergleichenden Tierphysiognomie] eine“. 5 A: „von ihrem angebornen [[A 279>> Schwachsinn sei“. 6 H (Cassirer): „nur sehr unsichere“. 7 Am Rand von H: „Hume im Gedanken und Rousseau // Von den Schädeln nach Camper und Blumenbach // Kuglichter Kopf nicht flache Stirn // Heidegger“. 8 Cassirer: „§ 98. Einem“. 1 A: „Das sind nicht Zeichnungen in K a r i k a t u r“. 2 A: “Mimik. Jene Zeichnung muss zu“. 3 A: „und kein Fratzengesicht ist (...), sondern was geliebt werden kann, ob“. * H e i d e g g e r, ein deutscher Musikus in London, war ein abenteuerlich gestalteter, aber aufgeweckter und gescheuter Mann, mit dem auch Vornehme, der Konversation halber, gerne in Gesellschaft waren. – Einsmals fiel es ihm ein, in einer Punschgesellschaft gegen einen Lord zu behaupten: [[Anm. B 268, A 280>> dass er das hässlichste Gesicht in London sei. Der Lord sann nach und schlug eine Wette vor, dass er ihm ein noch hässlicheres aufstellen wollte, und nun liess er ein versoffenes Weib rufen, bei deren Anblick die ganze Gesellschaft in ein helles Lachen geriet und aufrief: Heidegger! ihr habt die Wette verloren! – Das geht so geschwind nicht, antwortete dieser; denn nun lasst das Weib meine Perücke und ich will ihre Cornette aufsetzen; dann wollen wir sehen. Wie das geschah, so fiel alles ins Lachen, bis aum Sticken: denn das Weib sah wie ein ganz manierlicher Mann, der Kerl aber wie eine Hexe aus. Dies beweist, dass, um jemanden schön, wenigstens erträglich hübsch, zu heissen, man sein Urteil nicht schlecht hin, sondern immer nur relativ fällen muss und dass für einen Kerl jemand darum noch gar nicht hässlich heissen dürfe, weil er etwa nicht hübsch ist. – Nur ekelhafte Leibesschäden im Gesicht können zu diesem Ausspruch berechtigen. 4 Zusatz von B. 2

Mienen5 sind ins Spiel gesetzte Gesichtszüge und in dieses wird man durch mehr oder weniger starken Affekt gesetzt; zu welchem der Hang ein Charakterzug des Menschen ist. Es ist schwer, den Eindruck eines Affekts durch keine Miene zu verraten; sie verrät1 sich durch die peinliche Zurückhaltung in der Gebärde, oder im Ton, von2 selbst, und, wer zu schwach ist, seine Affekten zu beherrschen, bei dem wird auch das Mienenspiel (wider den Dank seiner Vernunft) das Innere blossstellen, was 3 er gern verbergen und den Augen anderer entziehen möchte. [[B 279>> Aber die, welche in dieser Kunst Meister sind, werden, [[A 281>> wenn man sie doch errät, nicht eben für die besten Menschen, mit denen man im Vertrauen handeln kann, gehalten; vornehmlich, wenn sie Mienen zu künsteln geübt sind, die dem, was sie tun, widersprechen. Die Auslegungskunst der Mienen, welche unvorsetzlich das Innere verraten, aber doch 4 hiebei vorsetzlich lügen, kann zu vielen artigen Bemerkungen Anlass geben, wovon ich nur Einer Erwägung tun will5. – Wenn jemand, der sonst nicht schielt, indem er erzählt, sich auf die Spitze seiner Nase sieht, und so schielt, so ist das, was er erzählt, jederzeit gelogen. – Man muss aber ja nicht den gebrechlichen Augenzustand eines Schielenden dahin zählen, der von diesem Laster ganz frei sein kann. Sonst gibt es von der Natur konstituierte Gebärdungen, durch welche sich Menschen von allen Gattungen und Klimaten einander, auch ohne Abrede, verstehen. Dahin gehört das K o p f n i c k e n (im Bejahen), das K o p f s c h ü t t e l n (im Verneinen), das K o p f a u f w e r f e n (im Trotzen), das K o p f w a c k e l n (in der Verwunderung), das N a s e r ü m p f e n (im Spott), das S p ö t t i s c h – L ä c h e l n (Grinsen), ein l a n g e s G e s i c h t 6 machen (bei Abweisung des Verlangten), das S t i r n r u n z e l n (im Verdruss), das s c h n e l l e M a u l a u f s p e r r e n und –z u s c h l i e s s e n (Bah), das zu sich hin und von sich weg w i n k e n m i t H ä n d e n, das H ä n d e ü b e r d e n K o p f z u s a m m e n s c h l a g e n (im Erstaunen), das F a u s t b a l l e n (im Drohen), das V e r b e u g e n, das F i n g e r l e g e n a u f d e n M u n d [[B 280, A 282>> (compescere labella7), um Verschwiegenheit zu gebieten, das A u s z i s c h e n u.d.g. ZERSTREUTE ANMERKUNGEN Oft1 wiederholte, die Gemütsbewegung auch unwillkürlich begleitende, Mienen werden nach und nach stehende Gesichtszüge; welche aber im Sterben verschwinden; daher, wie Lavater anmerkt, das im Leben den Bösewicht verratende abschreckende Gesicht sich im Tode (negativ) gleichsam veredelt: weil nun, da alle Muskeln nachlassen, gleichsam der Ausdruck der Ruhe, welche unschuldig ist, übrig bleibt. – So kann es auch kommen, dass ein Mann, der seine Jugend unverführt zurückgelegt hatte, in2 spätern Jahren, bei aller Gesundheit, doch durch Lüderlichkeit ein3 ander Gesicht bekommt; aus welchem aber auf seine Naturanlage nicht zu schliessen ist.

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Cassirer: „§ 99. Mienen”. Akad.-Ausg.: „er verräth”. 2 Zusatz von B. 3 A: „blossstellen machen, was”. 4 H: „hiemit”. 5 H: „Einer will Erwähnung tun”. 6 H (Cassirer): „ein lang Gesicht”. 7 Übersetzung des Herausgebers: „(mit dem Finger) die Lippen verschliessen”. 1 Cassirer: „§ 100. Oft“. 2 A: „dass der seine Jugend bis dahin unverführt zurückgelegt habende Mann in“; H: „dass der seine Jugend noch unverführt zurücklegende Mann in“. 3 H: „gleichsam ein“. 1

Man spricht aueh von g e m e i n e m 4 Gesicht im Gegensatz mit dem vornehmen. Das letzte bedeutet5 nichts weiter als eine angemasste Wichtigkeit, mit höfischer Manier der Einschmeichelung verbunden: welche nur in grossen Städten gedeiht, da sich Menschen an einander reiben und ihre Rauhigkeit6 abschleifen. Daher Beamte, auf dem Lande geboren und erzogen, wenn sie, mit ihrer Familie, zu städtischen ansehnlichen Bedienungen erhoben werden, oder auch standesmässig sich dazu nur qualifizieren, nicht bloss in ihren Manieren, sondern auch in dem Ausdruck des Gesichts etwas Gemeines zeigen. [[B 281, A 283>> Denn da sie in ihrem Wirkungskreise sich ungeniert fühlten, indem sie es fast nur allein mit ihren Untergebenen zu tun hatten, so bekamen die Gesichtsmuskeln nicht die Biegsamkeit, in allen Verhältnissen, gegen Höhere, Geringere und Gleiche, das ihrem Umgange und den damit verbundenen Affekten angemessene Mienenspiel zu kultivieren, welches7, ohne sich etwas zu vergeben, zur guten Aufnahme in der Gesellschaft erfordert wird. Dagegen die in städtischen Manieren geübten Menschen1 von gleichem Rang, indem sie sich bewusst sind, hierin 2 über andere eine Überlegenheit zu haben, dieses Bewusstsein, wenn es durch lange Übung habituell wird, mit bleibenden Zügen in ihrem Gesichte abdrucken3. D e v o t e, wenn sie lange in den mechanischen Andachtsübungen diszipliniert und gleichsam darin erstarrt sind, bringen, bei einer machthabenden Religion oder Kultus, in ein ganzes Volk Nationalzüge innerhalb der Grenzen derselben hinein, welche sie selbst physiognomisch charakterisieren. So spricht Herr Fr. Nicolai von fatalen g e b e n e d e i e t e n Gesichtern in Bayern; dagegen J o h n B u l l von Altengland die Freiheit unhöflich zu sein, wohin er kommen4 mag, in der Fremde oder gegen den Fremden in seinem eignen Lande, schon in seinem Gesichte bei sich führt. Es gibt also auch eine Nationalphysiognomie, ohne dass diese eben für angeboren gelten darf. – Es gibt charakteristische Auszeichnungen in Gesellschaften, die das Gesetz zur Strafe zusammengebracht hat. Von den Gefangenen in5 R a s p h u i s in Amsterdam, in B i c e t r e in Paris und in N e w g a t e in London merkt ein geschickter reisender deutscher Arzt an: dass es [[B 282, A 284>> doch mehrenteils knochichte und sich ihrer Überlegenheit bewusste Kerle waren; von keinem aber wird es erlaubt sein, mit dem Schauspieler Q u i n zu sagen: „Wenn dieser Kerl nicht ein Schelm ist, so schreibt der Schöpfer keine leserliche Hand“. Denn um so gewaltsam abzusprechen, dazu würde mehr Unterscheidungsvermögen des Spiels, welches die Natur mit den Formen ihrer Bildung treibt, um bloss Mannigfaltigkeit der Temperamente hervorzubringen, von dem was sie hierin für die Moral tut oder nicht tut, gehören, als wohl irgend ein Sterblicher zu besitzen sich anmassen darf. B DER CHARAKTER DES GESCHLECHTS In1 alle Maschinen, durch die mit kleiner Kraft 2 eben so viel ausgerichtet werden soll, als durch andere mit grosser, muss Kunst gelegt sein. Daher kann man schon zum voraus annehmen: dass die Vorsorge der Natur in die Organisierung des weiblichen Teils mehr Kunst gelegt haben wird, als in die des männlichen, weil sie den Mann mit grösserer Kraft ausstattete als das Weib, um beide3 zur innigsten l e i b l i c h e n Vereinigung, doch auch als 4

H (Cassirer): „vom g e m e i n e n“. A: „Es bedeutet“. 6 H: „[Rohigkeit] Rauheit“. 7 H: „zu treiben welches“. 1 Zusatz von B. 2 H: „hiedurch“. 3 H: „haben und dieses Bewusstsein ... sich [in] mit bleibenden Zügen... abdruckt“. 4 H (Cassirer): „er auch kommen“. 5 A: „im“. 1 Cassirer: „§ 101. In“. 2 H: „mit kleinerer Kraft“. 3 H: „ausstattete da sie beide“. 5

v e r n ü n f t i g e Wesen, zu dem ihr am meisten angelegenen Zwecke, nämlich der Erhaltung der Art zusammenzubringen, und überdem sie in4 jener Qualität (als vernünftige5 Tiere) mit6 gesellschaftlichen Neigungen versah, ihre Geschlechtsgemeinschaft in einer häuslichen Verbindung fortdaurend zu machen. [[B 283, A 285>> Zur Einheit und Unauflöslichkeit einer Verbindung ist das beliebige Zusammentreten zweier Personen nicht hinreichend; ein Teil musste dem andern u n t e r w o r f e n und wechselseitig einer dem andern irgendworin überlegen sein, um ihn beherrschen oder regieren zu können. Denn in der G l e i c h h e i t der Ansprüche zweier, die einander nicht entbehren können, bewirkt die Selbstliebe lauter Zank. Ein Teil muss im F o r t g a n g e d e r K u l t u r auf heterogene Art überlegen sein: der Mann dem Weibe durch sein körperliches Vermögen und seinen Mut, das Weib aber dem Manne durch ihre Naturgabe, sich der Neigung des Mannes zu ihr zu bemeistern; da hingegen im noch unzivilisierten Zustande die Überlegenheit bloss auf der Seite des Mannes7 ist. – Daher ist in der Anthropologie die weibliche Eigentümlichkeit mehr als die des männlichen Geschlechts ein Studium für den Philosophen. Im rohen Naturzustande kann man sie eben so wenig erkennen, als die der Holzäpfel und Holzbirnen, deren Mannigfaltigkeit sich nur durch Pfropfen oder Inokulieren entdeckt; denn die Kultur bringt diese weiblichen Besehaffenheiten nicht hinein, sondern veranlasst sie nur, sich zu entwickeln, und unter1 begünstigenden Umständen kennbar zu werden. Die Weiblichkeiten2 heissen Schwächen. Man spasst darüber; Toren treiben damit ihren Spott, Vernünftige aber sehen sehr gut, dass sie gerade die Hebezeuge sind, die Männlichkeit zu lenken und sie3 zu jener ihrer Absicht zu gebrauchen. Der Mann ist leicht zu erforschen, die Frau verrät ihr Geheimnis nicht; obgleich anderer ihres (wegen ihrer Redseligkeit) schlecht bei ihr [[B 284, A 286>> verwahrt ist. Er liebt den H a u s f r i e d e n und unterwirft sich gern ihrem Regiment, um sich nur in seinen Geschäften nicht behindert zu sehen; sie scheut den H a u s k r i e g nicht, den sie mit der Zunge führt und zu welchem Behuf die Natur ihr Redseligkeit und affektvolle Beredtheit gab, die den Mann entwaffnet. Er fusst sich auf das Recht des Stärkeren; im Hause zu befehlen, weil er es gegen äussere Feinde schützen soll; sie auf das Recht des Schwächeren: vom männlichen Teile gegen Männer geschützt zu werden, und macht durch Tränen der Erbitterung den Mann wehrlos, indem sie ihm seine Ungrossmütigkeit vorrückt.4 Im rohen Naturzustande ist das freilich anders. Das Weib ist da ein Haustier. Der Mann geht mit Waffen in der Hand voran, und das Weib folgt ihm mit dem Gepäck seines Hausrats beladen. Aber selbst da, wo eine barbarische bürgerliche Verfassung Vielweiberei gesetzlich macht, weiss das am meisten begünstigte Weib in ihrem Zwinger (Harem genannt) über den Mann die Herrschaft zu erringen, und dieser hat seine liebe Not, sich in dem Zank vieler um Eine5 (welche ihn beherrschen soll) erträglicher Weise Ruhe zu schaffen. Im bürgerlichen Zustande gibt sich das Weib dem Gelüsten des Mannes nicht ohne Ehe weg und zwar die der M o n o g a m i e: wo, wenn die Zivilisierung noch nicht bis zur weiblichen Freiheit in der G a l a n t e r i e (auch andere Männer als den einen öffentlich zu Liebhabern zu haben) gestiegen ist, der Mann sein Weib be[[B 285, A 287>>straft, das ihn 4

A: „Art und überdem in“; H: „Art [bestimmte] und [sie] überdem in“. A: „vernünftiger“. 6 H: „[ [sie] auf ein lebenswieriges Zusammensein zur Er] mit“. 7 A: „des letzteren“. 1 H: „veranlasst nur [sich] sie zu entwickeln und [sich bei] unter“. 2 A: „Diese Weiblichkeiten“. 3 H: „[ihr eine Richtung zu geben] sie“. 4 Am Rand von H: „Warum eine Frau Venus auch den hässlichsten Mann (Vulkan) heuratet und darüber nicht verlacht wird // Bei rohen Välkerschaften ist das Weib ein Lasttier // Hearne von der Hudsonsbay. – Von der letzten Gunst der Cicisbeen .. Den Schlägen der Russen aus Liebe und Eifersucht“. 5 H: „um Einen“. 5

mit einem Nebenbuhler bedroht.*4 Wenn diese aber zur Mode und die Eifersucht lächerlich geworden ist (wie das dann im Zeitpunkt des Luxus nicht ausbleibt), so entdeckt sich der weibliche Charakter: mit ihrer Gunst gegen Männer auf Freiheit und dabei zugleich auf Eroberung dieses ganzen Geschlechts Anspruch zu machen. -Diese Neigung, ob sie zwar, unter dem Namen der Koketterie, in übelem Ruf steht, ist doch nicht ohne einen wirklichen Grund zur Rechtfertigung. Denn eine junge Frau ist doch immer in Gefahr, Witwe zu werden, und das macht, dass sie ihre Reize über alle, den Glücksumständen nach ehefähige, Männer ausbreitet: damit, wenn jener Fall sich ereignete, es ihr nicht an Bewerbern fehlen möge. [[B 286, A 288>> P o p e glaubt, man könne das weibliche Geschlecht (versteht sich den kultivierten1 Teil desselben) durch zwei Stücke charakterisieren: die Neigung zu h e r r s c h e n und die Neigung zum V e r g n ü g e n. – Von dem letzteren aber muss man nicht das häusliche, sondern das öffentliche Vergnügen verstehen, wobei es sich zu 1 ihrem Vorteil zeigen und auszeichnen könne; da dann die zweite sich auch in die erstere auflöst, nämlich: ihren Nebenbuhlerinnen im Gefallen nicht nachzugeben, sondern über sie alle durch ihren Geschmack und ihre Reize, wo möglich, zu siegen. – – Aber auch die erst genannte Neigung, so wie Neigung überhaupt, taugt nicht zum Charakterisieren einer Menschenklasse2 überhaupt, in ihrem Verhalten gegen andere. Denn Neigung zu3 dem, was uns vorteilhaft ist, ist allen Menschen gemein, mithin auch die, so viel uns möglich, zu herrschen; daher c h a r a k t e r i s i e r t sie nicht. – Dass aber dieses Geschlecht mit sich selbst in beständiger Fehde, dagegen mit dem anderen in recht gutem Vernehmen ist, möchte eher zum Charakter desselben gerechnet werden können, wenn es nicht die blosse natürliche F o l g e des Wetteifers wäre, eine der anderen in der Gunst und Ergebenheit der Männer den Vorteil abzugewinnen. Da dann die Neigung zu h e r r s c h e n das wirkliche Ziel, das ö f f e n t l i c h e V e r g n ü g e n aber, als durch welches der Spielraum ihrer Reize erweitert wird, nur das Mittel ist, jener Neigung Effekt zu verschaffen. Man kann nur dadurch, dass man, nicht was wir4 uns zum Zweck machen, sondern was Z w e c k d e r N a t u r bei Einrichtung der Weiblichkeit war, als Prin[[B 287, A 289>>zip braucht5, zu der Charakteristik dieses Geschlechts gelangen, und da dieser Zweck, selbst vermittelst der Torheit der Menschen, doch, der Naturabsicht nach, Weisheit sein muss: so werden diese6 ihre mutmasslichen Zwecke auch das Prinzip derselben anzugeben dienen können; welches nicht von unserer Wahl, sondern von einer höheren Absicht mit dem menschlichen Geschlecht abhängt. Sie sind 1. die Erhaltung der Art, 2. die Kultur der Gesellschaft und Verfeinerung derselben durch die Weiblichkeit. I. Als die Natur dem weiblichen Schosse ihr teurestes Unterpfand, nämlich die Spezies, in der Leibesfrucht anvertrauete, durch die sich die Gattung fortpflanzen und *

Die alte Sage von den Russen: dass die Weiber ihre Ehemänner im Verdacht hielten, es mit anderen Weibern zu halten, wenn sie nicht dann und wann von diesen Schläge bekämen, wird gewöhnlich für Fabel gehalten. Allein in Cooks Reisen findet man: dass, als ein engl. Matrose einen Indier auf Otaheite sein Weib mit Schlägen züchtigen sah, jener den Galanten machen wollte und mit Drohungen auf diesen losging. Das Weib kehrte sich auf der Stelle wider den Engländer; fragte, was ihm das angehe: der Mann müsse das tun! – – Eben so wird man auch finden, dass, wenn das verehlichte Weib sichtbarlich Galanterie treibt, und ihr Mann gar nicht mehr darauf achtet, sondern sich dafür durch Punsch- und Spielgesellschaft, oder andere Huhlerei schadlos hält, nicht bloss Verachtung sondern auch Hass in den weiblichen Teil übergeht: weil das Weib daran erkennt, dass er nun gar keinen Wert mehr in sie setzt, und seine Frau anderen, an demselben Knochen zu nagen, gleichgültig überlässt.4 4 Am Rand von H: „Das Weib sucht allen Männern zu gefallen weil wenn der ihre stirbt sie auf einen andern dem sie gefiel Hoffnung hat“. 1 A: „im kultivierten“; H: „im kultivierteren“. 1 H: „[sie] es sich [öffentlich] zu“. 2 H: „eine[s]r [Geschlechts] Menschenklasse“. 3 H: „Neigung [zu irgend einem Objekt welches es auch sei hat einen gewissen Grad der, subjektiv, grösser oder kleiner sein kann, objektiv aber] zu“. 4 B2: „wir“. 5 A: „dass wir, ..., als Prin[[A 289>>zip brauchen“. 6 H: „[diese] dieser“.

verewigen sollte, so fürchtete1 sie gleichsam wegen Erhaltung derselben und pflanzte diese F u r c h t, nämlich vor k ö r p e r l i c h e n Verletzungen und Schüchternheit vor dergleichen Gefahren, in ihre Natur; durch welche Schwäche dieses Geschlecht das männliche rechtmässig zum Schutze für sich auffordert. II. Da sie auch die feineren Empfindungen, die zur Kultur gehören, nämlich die der Geselligkeit und Wohlanständigkeit, einflössen wollte, machte sie dieses Geschlecht zum Beherrscher des männlichen, durch seine Sittsamkeit, Beredtheit in Sprache und Mienen, früh gescheut, mit Ansprüchen auf sanfte höfliche Begegnung des männlichen gegen dasselbe, so dass sich das2 letztere, durch seine eigene Grossmut, von einem Kinde unsichtbar gefesselt, und wenn gleich3 dadurch eben nicht zur Moralität selbst, doch zu dem, was ihr Kleid ist, dem4 gesitteten Anstande, der [[B 288, A 290>> zu jener die Vorbereitung und Empfehlung ist, gebracht sah5. ZERSTREUTE ANMERKUNGEN Die6 Frau will herrschen, der Mann beherrscht sein (vornehmlich vor der Ehe). Daher die Galanterie der alten Ritterschaft. – Sie setzt früh in sich selbst Zuversicht zu gefallen. Der Jüngling besorgt immer zu missfallen und ist daher in Gesellschaft der Damen verlegen (geniert). – Diesen Stolz des Weibes, durch den Respekt, den es einflösst, alle Zudringlichkeit des Mannes abzuhalten, und das Recht, Achtung vor sich, auch ohne Verdienste, zu fordern, behauptet sie schon aus dem Titel ihres Geschlechts. – Das Weib ist w e i g e r n d, der Mann b e w e r b e n d; ihre Unterwerfung ist Gunst. – Die Natur will, dass das Weib gesucht werde; daher musste1 sie selbst nicht so delikat in der Wahl (nach Geschmack) sein, als der Mann, den die Natur auch gröber gebaut hat, und der dem Weibe schon gefällt, wenn er nur Kraft und Tüchtigkeit zu ihrer Verteidigung in seiner Gestalt zeigt; denn wäre sie in Ansehung der Schönheit seiner Gestalt ekel und fein in der Wahl, um sich verlieben zu können, so müsste sie sich bewerbend, er aber sich weigernd zeigen; welches den Wert ihres Geschlechts, selbst in den Augen des Mannes, gänzlich herabsetzen würde. – Sie muss kalt, der Mann dagegen in der Liebe affektenvoll2 zu sein scheinen. Einer verliebten Ausforderung nicht zu gehorchen, scheint dem Manne, ihr aber leicht Gehör zu geben, dem Weibe schimpflich zu sein. – Die Begierde der3 letzteren, ihre [[B 289, A 291>> Reize auf4 alle feine Männer spielen5 zu lassen, ist Koketterie; die Affektation, in alle Weiber verliebt zu scheinen, Galanterie; beides kann ein blosses zur Mode gewordenes Geziere, ohne alle ernstliche Folge sein: 6 so wie das C i c i s b e a t, eine7 affektierte Freiheit des Weibes in der Ehe, oder das gleichfalls ehedem in Italien gewesene C o u r t i s a n e n w e s e n (in der historia concilii Tridentini heisst es unter andern: erant ibi etiam 300 honestae meretrices, quas cortegianas vocant8); von dem man erzählt, dass es mehr geläuterte Kultur des gesitteten ö f f e n t l i c h e n Umgangs enthalten habe, als die der gemischten Gesellschaften in Privathäusern. – Der Mann bewirbt sich in der Ehe nur um s e i n e s Weibes, die Frau aber um a l l e r Männer Neigung; sie p u t z t sich nur 1

H (Cassirer): „furchte“. A: „dasselbe und das“; H: „dasselbe und [dadurch] das“. 3 A: „gefesselt, – wenn gleich“; H: „gefesselt [und so] wenn gleich“. 4 H: „[der sittlichen Schönheit] dem“. 5 Zusatz von B. 6 Cassirer: „§ 102. Die“. 1 H: „muss“. 2 H, B3: „affektvoll“. 3 B2: „des“. 4 H: „[gegen] auf“. 5 H: „[sichtbarlich] spielen“. 6 Am Rand von H: „Es wird dazu keine von allen weiblichen Tugenden erfordert als bloss dass sie wider die Versuche auf ihre weibliche Ehre (sich nicht ohne Ehe wegzugeben) fest bestehe.“ 7 H: „Cicisbeat [und] eine“. 8 Übersetzung des Herausgebers: „es gab dort auch 300 vornehme Dirnen, die man Kurtisanen nennt“. 2

für die Augen ihres Geschlechts 9 a u s Eifersucht andre Weiber in10 Reizen oder im Vornehmtun zu übertreffen; der Mann hingegen für das weibliche; wenn man das Putz nennen kann, was nur so weit geht, um seiner Frau durch seinen Anzug nicht Schande zu machen. – Der Mann beurteilt weibliche Fehler gelind, die Frau aber (öffentlich) sehr strenge, und junge Frauen, wenn sie die Wahl hätten, ob ihr Vergehen von einem männlichen oder weiblichen Gerichtshofe abgeurteilt werden solle, würden sicher den ersten1 zu ihrem Richter wählen. – Wenn der verfeinerte Luxus hoch gestiegen ist, so zeigt sich die Frau nur aus Zwang sittsam und hat kein Hehl zu wünschen, dass sie lieber Mann sein möchte, wo sie ihren Neigungen einen grössern und freieren Spielraum geben könnte; kein Mann aber wird ein Weib sein wollen. [[B 290, A 292>> Sie frägt nicht nach der Eathaltsamkeit des Mannes vor der Ehe; ihm aber ist an derselben auf seiten der Frauen unendlich viel gelegen. – In der Ehe spotten Weiber über Intoleranz (Eifersucht) der Männer überhaupt: es ist aber nur ihr Scherz; das u n v e r e h l i c h t e Frauenzimmer richtet hierüber mit grosser Strenge. – Was die 2 gelehrten Frauen betrifft: so brauchen sie ihre B ü c h e r etwa so wie ihre Uhr, nämlich sie zu tragen, damit gesehen werde, dass sie eine haben; ob sie zwar gemeiniglich still steht oder nicht nach der Sonne gestellt ist. Weibliche Tugend oder Untugend ist von der männlichen, nicht sowohl der Art als der Triebfeder nach, sehr unterschieden. – Sie soll g e d u l d i g, er muss d u l d e n d sein. Sie ist e m p f i n d l i c h, er e m p f i n d s a m. – Des Mannes Wirtschaft ist E r w e r b e n, die des Weibes S p a r e n. – Der Mann ist eifersüchtig w e n n e r l i e b t; die Frau auch ohne dass sie liebt; weil so viel Liebhaber, als von andern Frauen gewonnen worden, doch ihrem Kreise der Anbeter verloren sind. – Der Mann hat Geschmack für sich, die Frau macht sich selbst zum Gegenstande des Geschmacks für j e d e r m a n n.– „Was die Welt sagt, ist w a h r, und was sie t u t, g u t“, ist ein weiblicher Grundsatz, der sich schwer mit einem C h a r a k t e r, in der engen Bedeutung des Worts, vereinigen lässt. Es gab aber doch wackere Weiber, die in Beziehung auf ihr Hauswesen einen dieser ihrer Bestimmung angemessenen Charakter mit Ruhm behaupteten. – Dem Milton wurde von seiner Frau zugeredet, er solle doch die ihm nach Cromwells Tode an[[B 291, A 293>>getragene Stelle eines lateinischen Sekretärs annehmen, ob es zwar seinen Grundsätzen zuwider war, jetzt eine Regierung für rechtlich zu erklären, die er vorher als widerrechtlich vorgestellt hatte; „Ach“, antwortete er ihr: „meine Liebe: Sie und andere1 Ihres Geschlechts wollen in Kutschen fahren, ich aber – muss ein ehrlicher Mann sein“. – Die Frau des Sokrates (vielleicht auch die Hiobs) wurden durch ihre wackern. Männer eben so2 in die Enge getrieben, aber männliche3 Tugend behauptete sich in ihrem Charakter4, ohne doch der weiblichen das Verdienst des ihrigen, in dem Verhältnis worein sie gesetzt waren5, zu schmälern. PRAGMATISCHE FOLGERUNGEN Das6 weibliche Geschlecht muss sich im Praktischen selbst ausbilden und disziplinieren; das männliche versteht sich darauf nicht. Der j u n g e Ehemann herrscht über seine ä l t e r e Ehefrau. Dieses gründet sich auf Eifersucht, nach welcher der Teil, welcher dem anderen im Geschlechtsvermögen unterlegen 9

H: „ihres eigenen Geschlechts“. A: „Eifersucht einander in“; H: „ihres eigenen Geschlechts [damit] aus Eifersucht einander in“. 1 A: „das erste“; H: „das erstere“. 2 H: „[Wissenschaft] die“. 1 A: „und die Ihrige“; H: „und die übrige“. 2 H: „[rechtschaffene Frauen] wackere Weiber eben so“. 3 H (Cassirer): „aber die männliche“. 4 H: „ihrem [rein moralis] Charakter“. 5 H: „gesetzt war“. 6 Cassirer: „§ 103. Das“. 10

ist, vor Eingriffen des anderen Teils in seine Rechte besorgt ist und dadurch sich zur willfährigen Begegnung und Aufmerksamkeit gegen ihn zu bequemen genötigt sieht. – Daher wird jede erfahrene Ehefrau die Heirat mit einem jungen Manne, auch nur von g l e i c h e m Alter, widerraten; denn im Fortgange der Jahre ältert doch der weibliche Teil früher als der männliche, und wenn man auch von dieser Ungleichheit absieht, so ist auf die Eintracht, welche sich auf [[B 292, A 294>> Gleichheit gründet, nicht mit Sicherheit zu rechnen und ein junges verständiges Weib wird mit einem gesunden aber doch merklich älteren Manne das Glück der Ehe doch besser machen. – Ein Mann aber, der sein G e s c h l e c h t s v e r m ö g e n vielleicht schon vor der Ehe lüderlich durchgebracht hat, wird der Geck in seinem eigenen Hause sein; denn er kann diese häusliche Herrschaft nur haben, sofern er keine billigen Ansprüche schuldig bleibt. H u m e bemerkt, dass den Weibern (selbst alten Jungfern) Satiren auf den E h e s t a n d mehr verdriessen als die S t i c h e l e i e n auf ihr G e s c h l e c h t. – Denn mit diesen kann es niemals Ernst sein, da aus jenen allerdings wohl Ernst werden könnte, wenn man die Beschwerden jenes Standes recht ins Licht stellt, deren der Unverheuratete 1 überhoben ist. Eine Freigeisterei in diesem Fache müsste aber von schlimmen Folgen für das ganze weibliche Geschlecht sein; weil2 dieses zu einem blossen Mittel der Befriedigung der Neigung des anderen Geschlechts herabsinken würde, welche aber leicht in Überdruss und Flatterhaftigkeit ausschlagen kann. – Das Weib wird durch die Ehe frei; der Mann verliert dadurch seine Freiheit. Die moralischen Eigenschaften an einem, vornehmlich jungen, Manne vor der Ehelichung desselben auszuspähen, ist nie die Sache einer Frau. Sie glaubt ihn bessern zu können; eine vernünftige Frau, sagt sie, kann einen verunarteten Mann schon zurechte bringen; in [[B 293, A 295>> welchem Urteile sie mehrenteils sich auf die kläglichste Art betrogen findet. Dahin gehört auch die Meinung jener Treuherzigen: dass die Ausschweifungen3 dieses Menschen vor der Ehe übersehen werden können, weil er nun an seiner Frau, wenn er sich nur noch nicht erschöpft hat, hinreichend für diesen Instinkt versorgt sein werde. – Die guten Kinder bedenken nicht: dass die Lüderlichkeit in diesem Fache gerade im Wechsel des Genusses besteht, und das Einerlei in der Ehe ihn bald zur obigen Lebensart zurückführen werde.* Wer soll dann den oberen Befehl im Hause haben ? denn nur Einer kann es doch sein, der alle Geschäfte in einen, mit dieses seinen Zwecken übereinstimmenden, Zusammenhang bringt. – Ich würde in der Sprache der Galanterie (doch nicht ohne Wahrheit) sagen: die Frau soll h e r r s c h e n und der Mann r e g i e r e n; denn die Neigung herrscht und der Verstand regiert. – Das Betragen des Ehemanns muss zeigen: dass ihm das Wohl seiner Frau vor allem anderen am Herzen liege. Weil aber der Mann am besten wissen muss, wie er stehe und wie weit er gehen könne: so wird er, wie ein Minister seinem bloss auf Vergnügen bedachten Monarchen, der etwa ein Fest oder den Bau eines Palais beginnt, auf dieses seinen Befehl zuerst seine schuldige Willfährigkeit dazu erklären; nur dass z. B. für jetzt nicht Geld im [[A 294, A 296>> Schatze sei, dass gewisse dringendere Notwendigkeiten zuvor abgemacht werden müssen u.s.w., so dass der höchstgebietende Herr alles tun kann was er will, doch mit dem Umstande, dass diesen Willen ihm sein Minister an die Hand gibt. Da sie gesucht werden soll (denn das will die dem Geschlecht notwendige Weigerung), so wird sie doch in der Ehe selbst allgemein zu gefallen suchen müssen, damit, wenn sie etwa junge Witwe würde, sich Liebhaber für sie finden. – Der Mann legt alle solche 1

H: „Ungeheuratete“. A: „ist: wodurch aber die Freigeisterei in diesem Fache von ... sein würde; weil“. 3 H: „wohltätige Ausschweifungen“. * Die Folge davon ist, wie in Voltairens Reise des Scarmentado: „Endlich, sagt er, reisete ich in mein Vaterland Candia zurück, nahm daselbst ein Weib, wurde bald Hahnrei: und fand, dass dies die gemächlichste Lebensart unter allen sei“. 2

Ansprüche mit der Eheverbindung ab. – Daher ist die Eifersucht, aus dem Grunde dieser Gefallsucht der1 Frauen, ungerecht. Die eheliche Liebe aber ist ihrer Natur nach i n t o l e r a n t. Frauen spotten darüber zuweilen, oder, wie2 bereits oben bemerkt worden,3 im Scherz; denn bei dem Eingriffe Fremder in diese Rechte duldend und nachsichtlich zu sein, müsste Verachtung des weiblichen Teils und hiemit auch Hass gegen einen solchen Ehemann zur Folge haben. Dass gemeiniglich Väter ihre Töchter und Mütter ihre Söhne v e r z i e h e n, und unter den letzteren der wildeste Junge, wenn er nur kühn ist, gemeiniglich von der Mutter verzogen wird: das scheint seinen Grund in dem Prospekt auf die Bedürfnisse beider Eltern in ihrem S t e r b e f a l l zu haben; denn wenn1 dem Manne seine Frau stirbt, so hat er doch an seiner ältesten Tochter eine ihn pflegende Stütze; stirbt der Mutter ihr Mann ab, so hat der erwach[[B 295, A 297>>sene wohlgeartete Sohn die Pflicht auf sich, und auch die natürliche Neigung in sich, sie zu verehren, zu unterstützen und ihr das Leben als Witwe angenehm zu machen. *** Ich habe mich bei diesem Titel der Charakteristik länger aufgehalten, als es für die übrigen Abschnitte der Anthropologie proportionierlich2 scheinen mag; aber die Natur hat auch in diese3 ihre Ökonomie einen so reichen Schatz von Veranstaltungen zu ihrem Zweck, der nichts Geringeres ist als die Erhaltung der Art, hinein gelegt, dass, bei Gelegenheit näherer Nachforschungen, es noch lange Stoff gnug zu Problemen geben wird, die 4 Weisheit der sich5 nach und nach entwickelnden Naturanlagen zu bewundern und praktisch zu gebrauchen. C DER CHARAKTER DES VOLKS Unter6 dem Wort V o l k (populus) versteht man die in einem Landstrich vereinigte M e n g e Menschen, in so fern sie ein G a n z e s ausmacht. Diejenige Menge oder auch der Teil derselben, welcher sich durch gemeinschaftliche Abstammung für vereinigt zu einem bürgerlichen Ganzen7 erkennt, heisst N a t i o n (gens); der Teil, der sich von diesen Gesetzen ausnimmt (die wilde Menge in diesem Volk), heisst P ö b e l (vul[[B 296, A 298>>gus),*9 dessen gesetzwidrige Vereinigung das R o t t i e r e n (agere per turbas) ist; ein Verhalten, welches ihn von der Qualität eines Staatsbürgers ausschliesst. H u m e meint: dass, wenn in einer Nation jeder einzelne seinen besonderen Charakter anzunehmen beflissen ist (wie unter den Engländern), die Nation selbst keinen Charakter habe. Mich dünkt, darin irre er sich; denn die Affektation eines Charakters ist gerade der allgemeine Charakter des Volks, wozu er selbst gehörte, und ist Verachtung aller Auswärtigen, besonders darum, weil es sich allein einer echten, staatsbürgerlichen Freiheit 1 1

A: „aus diesem Grunde der Galanterie der“. B3: „zuwei1en, aber, wie“. 3 Zusatz von B. 1 A: „weil, wenn“. 2 H: „proportionier[lich]t“. 3 H: „in [diesem Verhältnisse] diese“. 4 H: „wird und die“. 5 H: „der [hierin befindlichen]sich“. 6 Cassirer: „§ 104. Unter“. 7 H: „Ganzen [der Gesellschaft]“. * Der Schimpfname la canaille du peuple hat wahrscheinlicher Weise seine Abstammung von canalicola, einem am Kanal im alten Rom hin und her gehenden und beschäftigte Leute foppenden Haufen Müssiggänger (cavillator et ridicularius9, vid. Plautus; Curcul.). 9 Übersetzung des Herausgebers: „Stichler und Possenreisser“. 1 H: „staatsbürgerlichen [Verfassu] Freiheit“; Akad.-Ausg.: „staatsbürgerliche Freiheit“; Cassirer: „staatsbürgerlichen, Freiheit“. 2

im Innern mit Macht gegen Aussen verbindenden Verfassung rühmen zu können glaubt. – Ein solcher Charakter ist stolze G r o b h e i t im Gegensatz der sich leicht familär machenden H ö f l i c h k e i t: ein trotziges Betragen gegen jeden anderen, aus vermeinter Selbständigkeit, wo man keines anderen zu bedürfen, also auch der Gefälligkeit gegen andere sich überheben zu können glaubt2. Auf diese Weise3 werden die zwei z i v i l i s i e r t e s t e n Völker auf Erden, * die gegen einander im Kontrast des [[B 297, A 299>> Charakters und vielleicht hauptsächlich darum mit einander in beständiger Fehde sind, England und Frankreich, auch ihrem angebornen Charakter nach, von dem der erworbene und künstliche nur die Folge ist, vielleicht die einzigen Völker sein, von denen man einen bestimmten, und, so lange sie nicht durch Kriegsgewalt vermischt werden,4 unveränderlichen Charakter annehmen kann. – Dass die französische Sprache die allgemeine K o n v e r s a t i o n s-Sprache, vornehmlich der weiblichen feinen Welt, die englische aber die ausgebreiteteste H a n d e l s-Sprache *1 der kommerzierenden geworden ist, liegt wohl in dem Unterschiede ihrer kontinental- und insularischen Lage. Was aber ihr Naturell, was sie jetzt wirklich haben, und dessen Ausbildung durch Sprache betrifft, so musste2 dieses von3 dem angebornen Charakter des4 Urvolks ihrer Abstammung hergeleitet werden; dazu uns aber die Dokumente mangeln. – In einer Anthropologie in pragmatischer Hinsicht aber liegt uns nur daran: den Charakter beider, wie sie jetzt sind, in einigen Beispielen, und5, so weit es möglich ist, systematisch aufzustellen; welche urteilen6 lassen, wessen sich das eine zu dem anderen zu versehen habe, und wie eines das andere zu seinem Vorteil benutzen könne. Die angestammten oder durch langen Gebrauch gleichsam zur Natur gewordenen und auf sie gepfropften [[B 298, A 300>> Maximen7, welche die Sinnesart eines Volks ausdrücken, sind nur so viel gewagte Versuche, die V a r i e t ä t e n im natürlichen Hang

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A: „Selbständigkeit (keines anderen zu bedürfen), nicht nötig zu haben gegen jemand gefällig zu sein“; H: „Selbständigkeit (...) [und so] nicht nötig zu haben gegen jemand gefällig zu sein [ [der] weil alles für Geld feil [ist] sei. im Gegensatz mit vertraulicher Höflichk] **“. 3 A: „Auf die Weise“. * Es versteht sich, dass, bei dieser Klassifikation, vom deutschen Volk abgesehen werde; weil das Lob des Verfassers, der ein Deutscher ist, sonst Selbstlob sein würde. 4 Am Rand von H: „[(welches durch die Ungleichartigkeit ihrer Naturanlagen schwerlich [möglich ist] zu vermeiden]“. * Der kaufmännische Geist zeigt auch gewisse Modifikationen seines Stolzes in der Verschiedenheit des Tons im Grosstun. Der Engländer sagt: „der Mann ist eine Million w e r t“; der Holländer: „er k o m m a n d i e r t eine Million“; der Franzose: „er b e s i t z t eine Million“. 1 In H findet sich der Verweis auf die anschliessende Anmerkung hinter dem gestrichenen „Höflichk“ (vgl. S. 659 Anm. 2 des vorliegenden Bandes). 2 B2: „müsste“. 3 A: „betrifft, das müsste von“. 4 H: „Charakter [der eingewanderten Völker welcher auf diese einen überwiegenden Einfluss hatte] des“. 5 H: „Beispielen [darzu] [einander gegenüberzustellen] und“. 6 H: „welche [gleichsam a priori] urteilen“. 7 A: „Die auf angestammte oder... gewordene und ... gepfropfte [[A 300>> Maximene (vgl. Cassirer S. 588).

ganzer Völker mehr für den Geographen, empirisch, als für den Philosophen, nach Vernunftprinzipien, zu klassifizieren.** 8 Dass auf die Regierungsart alles ankomme, welchen Charakter ein Volk haben werde, ist eine ungegründete nichts erklärende Behauptung; denn woher hat denn die Regierung selbst ihren eigentümlichen Charakter ? – [[B 299, A 301>> Auch Klima und Boden können den Schlüssel hiezu nicht geben; denn Wanderungen ganzer Völker haben bewiesen, dass sie ihren1 Charakter durch ihre neuen Wohnsitze nicht veränderten, sondern ihn diesen nur nach Umständen anpassten, und doch dabei in Sprache, Gewerbart, selbst in Kleidung, die Spuren2 ihrer Abstammung und hiemit auch ihren Charakter noch immer hervorblicken lassen. – – Ich werde die Zeichnung ihres Portraits etwas mehr von der Seite ihrer Fehler und Abweichung von der Regel, als von der schöneren, (dabei aber doch auch nicht in Karikatur) entwerfen; denn, ausserdem dass die Schmeichelei v e r d i r b t, der Tadel dagegen b e s s e r t: so verstösst der Kritiker weniger gegen die Eigenliebe der Menschen, wenn er ihnen, ohne Ausnahme, bloss ihre Fehler vorrückt, als wenn er durch mehr oder weniger Lobpreisungen nur den Neid der Beurteilten gegen einander rege machte1. 1. Die f r a n z ö s i s c h e N a t i o n charakterisiert sich unter allen andern durch den Konversationsgeschmack, in Ansehung dessen sie das Muster aller übrigen ist. Sie ist h ö f l i c h, vornehmlich gegen den Fremden, der sie besucht, wenn es gleich jetzt ausser der Mode ist h ö f i s c h zu sein. Der Franzose ist es nicht aus Interesse, sondern aus unmittelbarem Geschmacksbedürfnis, sich mitzuteilen. Da dieser Geschmack vorzüglich den Umgang mit der weiblichen grossen Welt angeht, so ist die Damensprache zur allgemeinen Sprache der letzteren geworden und es ist überhaupt nicht zu streiten: dass eine Neigung solcher Art auch auf Willfährigkeit in Dienstleistungen, hülfreiches Wohlwollen und allmählich auf allgemei[[B 300, A 302>>ne Menschenliebe nach Grundsätzen Einfluss haben und ein solches Volk im ganzen l i e b e n s w ü r d i g machen müsse. Die Kehrseite der Münze ist die, nicht gnugsam durch überlegte Grundsätze gezügelte, L e b h a f t i g k e i t, und, bei hellsehender Vernunft, ein Leichtsinn, gewisse Formen, bloss weil sie alt oder auch nur übermässig gepriesen worden, wenn man sich gleich dabei wohl befunden hat, nicht lange bestehen zu lassen, und ein ansteckender F r e i h e i t s g e i s t, der auch wohl die Vernunft selbst in sein Spiel zieht, und, in Beziehung des Vaiks auf den Staat, einen alles erschütternden Enthusiasm bewirkt, der noch über das Äusserste hinausgeht. – Die **

Die Türken, welche das christliche Europa F r a n k e s t a n nennen, wenn sie auf Reisen gingen, um Menschen und ihren Volkscharakter kennen zu lernen (welches kein Volk ausser dem europäischen tut und die Eingeschränktheit aller übrigen an Geist beweiset), würden die Einteilung desselben, nach dem Fehlerhaften in ihrem Charakter gezeichnet, vielleicht auf folgende Art machen: 1. Das M o d e n l a n d (Frankreich). 2. D a s L a n d d e r L a u n e n (England). – 3. A h n e n l a n d (Spanien). – 4. P r a c h t l a n d (Italien). – 5. D a s T i t e l l a n d (Deutschland, samt Dänemark und Schweden, als germanischen Völkern). – 6. H e r r e n l a n d (Polen, wo ein jeder Staatsbürger Herr, keiner dieser Herren aber, ausser dem, der nicht Staatsbürger ist, Untertan sein will. – – Russland und die europäische Türkei, beide von grösstenteils asiatischer Abstammung, würden über Frankestan hinaus liegen: das erste s l a w i s c h e n, das andere a r a b i s c h e n Ursprungs, von zweien Stammvölkern, die einmal ihre Herrschaft über einen grösseren Teil von Europa, als je ein anderes Volk, ausgedehnt haben und in den Zustand einer Verfassung des Gesetzes ohne Freiheit, wo also niemand Staatsbürger ist, geraten sind. 8 H: „Die auf [ihre] angestammte oder durch langen Gebrauch gleichsam zur Natur gewordene und auf sie gepropfte Maximen [ihrer Denkungsart als] [der] und Sinnesart eines Volks, sind nur so viel gewagte Versuche [das Spiel der] die Varietäten im natürlichen Hang ganzer Völker [zu klass] mehr [zur Belustigung] für den Geographen empirisch als [zur Belehrung] den Philosophen nach Vernunftprinzipien zu klassi- fizieren.* // [A Der Franzose charakterisiert sich zu seinem Vorteil durch [seine vorzügliche Geschicklichkeit] sein vorzügliches Talent und den Hang zum angenehmen geschliffenen und menschenfreundlichen Umgange. Der Etranger ist, unter diesem Titel, schon unter seinem Schutz. Seine Lebhaftigkeit macht ihn zur Veränderung geneigt die oft heilsam aber doch öfterer auch halsbrechend sein kann und er nimmt an Nationalvergnügungen oder Interesse Anteil //]“. 1 A: „dass diese ihren“. 2 A: „Kleidung, den Spuren“. 1 H: „rege macht“.

Eigenheiten dieses Volks, in schwarzer Kunst, doch nach2 dem Leben gezeichnet, lassen sich ohne weitere Beschreibung, bloss durch unzusammenhängend hingeworfene3 Bruchstücke, als Materalien zur Charakteristik4, leicht in ein Ganzes vorstellig machen. Die Wörter: Esprit (statt bon sens), frivolite, galanterie, petit maitre, coquette, etourderie, point d’honneur, bon ton, bureau d’esprit, bon mot, lettre de cachet – u.d.g. lassen sich nicht leicht in andere Sprachen übersetzen; weil sie mehr die Eigentümlichkeit der Sinnesart der Nation, die sie spricht, als den Gegenstand bezeichnet 1, der dem Denkenden vorschwebt. [[B 301, A 303>> 2. D a s e n g l i s c h e V o l k. Der alte Stamm der B r i t e n * (eines keltischen Volks) scheint ein Schlag tüchtiger Menschen gewesen zu sein; allein die Einwanderungen der Deutschen und des französischen Völkerstammes (denn die kurze Anwesenheit der Römer hat keine merkliche Spur hinterlassen können) haben, wie es ihre vermischte Sprache beweiset, die Originalität dieses Volks verlöscht, und da dic insularische Lage seines Bodens, die es wider äussere Angriffe ziemlich sichert, vielmehr selbst Angreifer zu werden einladet, es zu einem mächtigen Seehandlungsvolk machte, so hat es einen Charakter, den es sich selbst anschaffte, wenn es gleich von Natur eigentlich keinen hat. Mithin dürfte der Charakter des Engländers wohl nichts 2 anders bedeuten als3 den durch frühe Lehre und Beispiel erlernten Grundsatz, er müsse sich einen solchen machen, d. i. einen zu haben affektieren; indem ein steifer Sinn, auf einem freiwillig angenommenen Prinzip zu beharren, und von einer gewissen Regel (gleich gut welcher) nicht abzuweichen, einem Manne die Wichtigkeit gibt, dass man sicher weiss, wessen man sich von ihm und er sich von anderen zu gewärtigen hat. Dass dieser Charakter dem des französischen Volks mehr als irgend4 einem anderen gerade entgegengesetzt ist, erhellet daraus: weil er auf alle Liebenswürdigkeit, als die vorzüglichste Umgangseigenschaft jenes Volks, mit [[B 302, A 304>> anderen, ja sogar unter sich selbst, Versicht tut, und bloss auf Achtung Anspruch macht, wobei übrigens5 jeder bloss nach seinem eigenen Kopfe leben will. – Für seine Landesgenossen errichtet der Engländer grosse und allen anderen Völkern unerhörte wohltätige Stiftungen. – Der Fremde aber, der durchs Schicksal auf jenes seinen Boden verschlagen und in grosse Not geraten ist, kann immer auf dem Misthaufen umkommen, weil er kein Engländer, d. i. kein Mensch ist. Aber auch in seinem eigenen Vaterlande isoliert sich der Engländer, wo er für sein Geld speist. Er will lieber in einem besonderen Zimmer allein als an der Wirtstafel für dasselbe Geld speisen; weil bei der ersteren1 doch etwas Höflichkeit erfordert wird; und in der Fremde, z. B. in Frankreich, dahin Engländer nur reisen, um alle Wege und Wirtshäuser (wie D. Sharp) für abscheulich auszuschrein, sammeln sie sich in diesen, um bloss unter sich Gesellschaft zu halten. – Sonderbar ist doch, dass, da der Franzose die englische Nation gemeiniglich liebt und mit Achtung lobpreist, dennoch der Engländer (der nicht aus seinem Lande gekommen ist) jenen im allgemeinen hasst und verachtet; woran wohl nicht die Rivalität der Nachbarschaft (denn da sieht sich England dem letzteren ohne allen Streit überlegen), sondern der Handelsgeist überhaupt schuld ist, der, in der Voraussetzung, den vornehmsten Stand auszumachen, unter Kaufleuten desselben Volks sehr ungesellig ist. * – Da 2

H: „Kunst nach“. A: „Beschreibung, nur durch unzusammenhängend hingeworfene“; H: „Beschreibung durch [bloss] unzusammenhhägend bloss hingeworfene“. 4 H: „Charakteristik [dieses sonderbaren Volks]“. 1 Akad.-Ausg.: „bezeichnen“. * Wie Hr. Prof. B ü s c h es richtig schreibt (nach dem Wort britanni nieht brittanni). 2 H: „und da ein Handelsvolk als ein solches [eigentlich] keinen Charakter als den welchen es sich selbst anschafft folglich von [der Natur] eigentlich keinen hat so wird wohl der Charakter des Engländers nichts“. 3 A: „hat, mithin der ... bedeuten dürfte, als“. 4 A: „mehr wie irgend“. 5 A: „selbst, nicht allein keinen Anspruch macht, sondern bloss auf Achtung, übrigens“. 1 H (Cassirer): „bei dem letzteren“. 3

beide Völker einander in An[[B 303, A 305>>sehung der beiderseitigen Küsten nahe, und nur durch einen Kanal (der freilich wohl ein Meer heissen könnte) von einander getrennt sind: so bewirkt die Rivalität derselben unter einander doch einen auf verschiedene Art modifizierten politischen Charakter in ihrer2 Befehdung: B e s o r g n i s auf3 der einen und Hass auf der anderen Seite; welche zwei Arten ihrer Unvereinbarkeit sind, wovon jene die S e l b s t v e r h a l t u n g1, diese die B e h e r r s c h u n g, im entgegengesetzten Falle aber die Vertilgung der anderen zur Absicht hat.2 Die Charakterzeichnung der übrigen, deren Nationaleigentümlichkeit nicht sowohl, wie bei beiden vorhergehenden, meistens aus der Art ihrer verschiedenen Kultur, als vielmehr aus der Anlage ihrer Natur durch Vermischung ihrer ursprünglich-verschiedenen Stämme abzuleiten sein möchte, können wir jetzt kürzer3 fassen. 3. Der aus der Mischung des europäischen mit arabischen (mohrischen) Blut entsprungene S p a n i e r zeigt in seinem öffentlichen und Privatbetragen eine gewisse F e i e r l i c h k e i t, und selbst der Bauer gegen Obere, denen er auch auf gesetzliche Art gehorsam ist, ein Bewusstsein seiner W ü r d e. – Die spanische [[B 304, A 306>> Grandezza und die selbst in ihrer Konversationssprache befindliche Grandiloquenz zeigen auf einen edlen Nationalstolz. Daher ist ihm der französische vertrauliche Mutwille ganz zuwider. Er ist mässig, den Gesetzen, vornehmlich denen seiner alten Religion, herzlich ergeben. – Diese Gravität hindert ihn auch nicht, an Tagen der Ergötzlichkeit (z. B. bei Einführung seiner Ernte durch Gesang und Tanz) sich zu vergnügen, und wenn an einem Sommerabend der F a n d a n g o gefidelt wird, fehlt es nicht an jetzt müssigen Arbeitsleuten, die zu dieser Musik auf den Strassen tanzen. – – Das ist seine gute Seite. Die schlechtere ist: er lernt nicht von Fremden; reiset nicht, um andere Völker kennen zu lernen,* bleibt in Wissenschaften wohl Jahrhunderte zurück; schwierig gegen alle Reform ist er stolz darauf, nicht arbeiten zu dürfen, von romantischer Stimmung des Geistes, wie das Stiergefecht, grausam, wie das ehemalige Auto da Fe beweiset, und zeigt in seinem Geschmack zum Teil ausser-europäische Abstammung1. 4. Der I t a l i e n e r vereinigt die französische Lebhaftigkeit (Frohsinn) 2 mit spanischem Ernst (Festig[[B 305, A 307>>keit) und sein ästhetischer Charakter ist ein mit Affekt verbundener Geschmack, so wie die Aussicht von seinen Alpen in die reizenden Täler einerseits Stoff zum Mut, anderseits zum ruhigen Genuss darbietet. Das Temperament ist hierin nicht gemischt, noch desultorisch (denn so gäbe es keinen Charakter ab), sondern eine Stimmung der Sinnlichkeit zum Gefühl des Erhabenen, so fern es zugleich mit dem des Schönen vereinbar ist. – In seinen Mienen äussert sich ein starkes Spiel seiner Empfindungen und sein Gesicht ist ausdrucksvoll. Das Plädieren ihrer Advokaten vor den Schranken ist so affektvoll, dass es einer Deklamation auf der Schaubühne ähnlich sieht. *

Der Handelsgeist ist überhaupt an sich ungesellig; wie der Adelsgeist. Ein H a u s (so nennt der Kaufmann sein Comp[[Anm. B 303, A 305>>toir) ist von dem anderen durch seine Geschäfte, wie ein R i t t e r s i t z vom anderen durch cine Zugbrücke, abgesondert und freundschaftlicher Umgang, ohne Zeremonie, daraus verwiesen; es müsste denn der mit vondemselben B e s c h ü t z t e n sein; die aber alsdann nicht als Glieder desselben anzusehen sein würden. 2 H: „Charakter ihrer“. 3 H: „F r e u n d s c h a f t auf“. 1 A: „S e l b s t e r h a l t u n g“. 2 Am Rand von H: „Russen und Polen sind keiner Autonomie fähig Die 1sten weil sie ohne absoluten Herren die 2 weil sie alle Herren sein wollen. // Französischer Witz ist oberflächlich // Gondoliers und Lazzaroni“. 3 H (Cassirer): „wir nun kürzer“. * Die Eingeschränktheit des Geistes aller Völker, welche die uninteressierte Neubegierde nicht anwandelt, die Aussenwelt mit eigenen Augen kennen zu lernen, noch weniger, sich dahin (als Weltbürger) zu verpflanzen, ist etwas Charakteristisches an denselben, wodurch sich Franzosen, Engländer und Deutsche vor anderen vorteilhaft unterscheiden. 1 H: „Geschmack [den Abstamm von einer] seine aussereuropäische[n] Abstammung“. 2 H: „([Leichtigkeit] Frohsinn)“.

So wie der Franzose im Konversationsgeschmack vorzüglich ist, so ist es der Italiener im K u n s t g e s c h m a c k. Der erstere liebt mehr die P r i v a tbelustigungen, der andere ö f f e n t l i c h e: pompöse Aufzüge, Prozessionen, grosse Schauspiele, Karnevals, Masqueraden, Pracht öffentlicher Gebäude, Gemälde mit dem Pinsel oder in musivischer Arbeit gezeichnet, römische Altertümer im grossen Stil; um zu s e h e n und in grosser Gesellschaft gesehen zu werden. Dabei aber (um doch den Eigennutz nicht zu vergessen): Erfindung der W e c h s e l, der B a n k e n und der L o t t e r i e. – – Das ist seine gute Seite: so wie die F r e i h e i t, welche die Gondolieri und Lazzaroni sich gegen Vornehme nehmen dürfen. Die schlechtere ist: sie konversieren, wie Rousseau sagt, in Prachtsälen und schlafen in Ratzennestern. Ih[[B 306, A 308>>re Conversazioni sind einer Börse ähnlich, wo die Dame des Hauses einer grossen Gesellschaft etwas zu kosten reichen lässt, um im Herumwandeln sich einander die Neuigkeiten des Tages mitzuteilen, ohne dass dazu eben Freundschaft nötig wäre, und mit einem kleinen daraus gewählten Teil zur Nacht isst. – Die s c h l i m m e aber: das Messerziehen, die Banditen, die Zuflucht der Meuchelmörder in geheiligten Freistätten, das vernachlässigte Amt der Sbirren u.d.g.: welche doch nicht sowohl dem Römer, als vielmehr seiner zweiköpfichten Regierungsart zugeschrieben wird1. – Dieses sind aber Beschuldigungen, die ich keinesweges verantworten mag und mit denen sich gewöhnlich Engländer herumtragen, denen keine andere Verfassung gefallen will als die ihrige. 5. Die D e u t s c h e n stehen im Ruf eines guten Charakters, nämlich dem der Ehrlichkeit und Häuslichkeit; Eigenschaften, die eben nicht zum Glänzen geeignet sind. – Der Deutsche fügt sich, unter allen zivilisierten Völkern am leichtesten und dauerhaftesten, der Regierung, unter der er ist, und ist am meisten von Neuerungssucht und Widersetzlichkeit gegen die eingeführte Ordnung entfernt. Sein Charakter ist mit Verstand verbundenes Phlegma; ohne weder über die schon eingeführte zu vernünfteln, noch sich selbst eine auszudenken. Er ist dabei doch der Mann von allen Ländern und Klimaten, wandert leicht aus und ist an sein Vaterland nicht leidenschaftlich gefesselt; wo er aber, in fremde Länder als Kolonist hinkommt, da schliesst er bald mit seinen Landesgenossen eine Art von bürgerli[[B 307, A 309>>chem Verein, der durch Einheit der Sprache, zum Teil auch der Religion, ihn zu einem Völkchen ansiedelt2, was unter der höheren Obrigkeit in einer ruhigen, sittlichen Verfassung durch Fleiss, Reinlichkeit und Sparsamkeit vor den Ansitzungen anderer Völker sich vorzüglich auszeichnet. – So lautet das Lob3, welches selbst Engländer4 den Deutschen in N.Amerika geben. Da Phlegma (im guten Sinn genommen) das Temperament der kalten Überlegung und der Ausdaurung in Verfolgung seines Zwecks, imgleichen des Aushaltens der damit verbundenen Beschwerlichkeiten ist: so kann man von dem Talente seines richtigen Verstandes und seiner tief nachdenkenden 1 Vernunft so viel wie von jedem anderen der grössten Kultur fähigen Volk erwarten; das Fach des Witzes und des Künstlergeschmacks ausgenommen, als worin er es vielleicht den Franzosen, Engländern und Italienern nicht gleich tun möchte. – – Das ist nun seine gute Seite, in dem was durch anhaltenden F l e i s s

1

H: „zuzuschreiben ist“. H: „[vereinigt] ansiedelt“. 3 H: „[die Beschreibung] das Lob“. 4 H: „[selbst] die Engländer“. 1 H (Cassirer): „tief denkenden“. 2

auszurichten ist, und wozu eben nicht G e n i e 2*45 erfordert wird; welches letztere auch bei [[B 308, A 310>> weitem nicht von der Nützlichkeit ist, als der mit gesundem Verstandestalent verbundene Fleiss des Deutschen. – Dieses sein Charakter im Umgange ist Bescheidenheit. Er lernt, mehr als jedes3 andere Volk, fremde Sprachen, ist (wie Robertson sich ausdrückt) G r o s s h ä n d l e r in der Gelehrsamkeit, und kommt im Felde der Wissenschaften zuerst auf manche Spuren, die nachher von anderen mit Geräusch benutzt werden; er hat keinen Nationalstolz; hängt, gleich als Kosmopolit, auch nicht an seiner Heimat. In dieser aber ist er gastfreier gegen Fremde, als irgend eine andere Nation (wie Boswell gesteht); diszipliniert seine Kinder zur Sittsamkeit mit Strenge, wie er dann auch 1, seinem Hange zur Ordnung und Regel gemäss, sich eher despotisieren, als sich 2 auf Neuerungen (zumal eigenmächtige Reformen in der Regierung) einlassen wird. – – Das ist seine gute Seite. Seine unvorteilhafte Seite ist sein Hang zum Nachahmen und die geringe Meinung von sich, original sein zu können (was gerade das Gegenteil des trotzigen Engländers ist); vornehmlich aber eine gewisse [[B 309, A 311>> Methodensucht, sich mit den übrigen Staatsbürgern nicht etwa nach einem Prinzip der Annäherung zur Gleichheit, sondern nach Stufen des Vorzugs und einer Rangordnung peinlich klassifizieren zu lassen und 3 in diesem Schema des Ranges, in Erfindung der Titel (vom Edlen- und Hochedlen, Wohl- und Hochwohl-, auch Hochgeboren) unerschöpflich und so aus blosser Pedanterei knechtisch zu sein; welches alles freilich wohl der Form der Reichsverfassung Deutschlands zugerechnet werden mag; dabei aber sich die Bemerkung nicht bergen lässt, dass 4 doch das Entstehen dieser pedantischen Form selber aus dem Geiste der Nation und dem natürlichen Hange des Deutschen hervorgehe: zwischen dem, der herrschen, bis zu dem, der gehorchen soll, eine Leiter anzulegen, woran jede Sprosse mit dem Grade des Ansehens bezeichnet wird, der ihr gebührt5, und der, welcher kein Gewerbe, dabei aber auch keinen T i t e l hat, wie es heisst, nichts ist; welches denn dem Staate, der diesen erteilt, freilich was einbringt, aber auch, ohne hierauf zu sehen, bei Untertanen Ansprüche, anderer Wichtigkeit6 in der Meinung zu begrenzen, erregt, welche7 andern Völkern lächerlich vorkommen muss, und in der Tat als Peinlichkeit und Bedürfnis der methodischen Einteilung, um ein Ganzes unter einen Begriff zu fassen, die Beschränkung des angebornen Talents verrät. *** 2

H: „ist [und] wozu [nur ein richtiger Verstand und eben] eben nicht [Genie erfordert wird als [dem] ein Talent zu Produktionen dessen was man nicht durch Lernen von anderen erwerben [kann erfordert wird] sondern nur durch selbst eigene Erfindung erworben werden kann dergleichen die Werke echter Dichter etc. etc. sind.] G e n i e“. * G e n i e ist das Talent der E r f i n d u n g dessen, was nicht gelehrt oder gelernt werden kann. Man kann gar wohl von anderen gelehrt werden, wie rnan gute Verse, aber nicht, wie man ein gutes Gedicht machen soll; denn das muss aus der Natur des Verfassers von selbst hervorgehen. Daher kann man es nicht auf Bestellung und für reichliche Bezahlung als Fabrikat, sondern muss es, gleich als Eingebung, von der der Dichter selbst nicht sagen kann, wie er dazu gekommen sei, d. i. einer gelegentlichen Disposi[[Anm. B 308, A 310>>tion, deren Ursache ihm unbekannt ist, erwarten (seit genius, natale comes qui temperat astrum4). – Das Genie glänzt daher als augenblickliche, mit Intervallen sich zeigende und wieder versehwindende Erscheinung, nicht mit einem willkürlich angezündeten wnd eine beliebige Zeit fortbrennenden Licht, sondern wie sprühende Funken, welche eine glückliche Anwandelung des Geistes aus der produktiven Einbildungskraft auslockt.5 4 A: „temperet astrum“; Übersetzung des Herausgebers: „der Genius weiss es, der Begleiter, der den Geburtsstern lenkt“. 5 Am Rand von H: „Deutsche keine Originalität in Sachen des Geistes sondern Nachahmung“. 3 A: „mehr wie jedes“. 1 H (Cassirer): „er denn auch“. 2 B1,2: „als sie“. 3 H (Cassirer): „peinlich zu klassifizieren und“. 4 H (Cassirer): „dabei aber die Bemerkung nicht vorbei gegangen werden darf dass“. 5 H: „[der ihr] das ihm gebührt“. 6 A: „Ansprüche einer des anderen Wichtigkeit“. 7 Akad.-Ausg.: „welches“.

Da R u s s l a n d das n o c h n i c h t ist, was zu einem bestimmten Begriff der natürlichen Anlagen, welche [[A 312>> sich zu entwickeln bereit liegen, erfordert wird, P o l e n [[B 310>> aber es n i c h t m e h r ist, die Nationalen der europäischen Türkei aber das n i e g e w e s e n s i n d n o c h s e i n w e r d e n, was zur Aneignung eines bestimmten Volkscharalters erforderlich ist: so kann die Zeichnung derselben hier füglich übergangen werden1. Überhaupt2 da hier vom angebornen, natürlichen Charakter, der, so zu sagen, in der Blutmischung der Menschen liegt, nicht von dem Charakteristischen des erworbenen k ü n s t l i c h e n (oder verkünstelten) der Nationen2 die Rede ist: so wird man in der Zeichnung desselben viel Behutsamkeit nötig haben. In dem Charakter3 der G r i e c h e n unter dem harten Druck der T ü r k e n und dem nicht viel sanfteren ihrer C a l o y e r s hat sich eben so wenig ihre Sinnesart (Lebhaftigkeit und Leichtsinn), wie die Bildung ihres Leibes, Gestalt und Gesichtszüge verloren, sondern diese4 Eigentümlichkeit würde sich vermutlich wiederum in Tat herstellen, wenn die Religions- und Regierungsform5, durch glückliche Ereignisse, ihnen Freiheit verschaffte, sich wieder herzustellen. – Unter einem anderen christlichen Volk, den A r m e n i a n e r n6, herrscht ein gewisser Handelsgeist von hesonderer Art, nämlich durch Fusswanderungen von C h i n a s Grenzen aus bis nach K a p C o r s o an der Guineaküste Verkehr zu treiben, der auf einen besondern Abstamm dieses vernünftigen und emsigen Volks, welches7, in einer Linie von N. O. zu S. W., beinahe die ganze Strecke des alten Kontinents durchzieht und sich friedfertige Begegnung unter allen Völkern, auf die es triftt, zu verschaffen weiss, und einen vor dem flatterhaften1 und kriechenden der jetzigen Griechen vorzüglichen Charakter beweist, des[[B 311>>sen erste Bildung wir nicht mehr erforschen können. – So viel ist wohl mit Wahrscheinlichkeit zu urteilen: dass die Vermischung der Stämme (bei grossen Eroberungen), welche nach und nach die Charaktere auslöscht, dem Menschengeschlecht, alles vorgeblichen Philanthropismus ungeachtet, nicht zuträglich sei. D DER CHARAKTER DER RASSE In2 Ansehung dieser kann ich mich auf das beziehen, was der Herr Geh. H. R. G i r t a n n e r davon in seinem Werk (meinen Grundsätzen gemäss) zur Erläuterung und Erweiterung schön und gründlich vorgetragen hat; – nur will ich noch etwas vom F a m i l i e n s c h l a g und den Varietäten, oder Spielarten, anmerken, die sich in einer und derselben Rasse bemerken lassen. Hier hat die Natur, statt der V e r ä h n l i c h u n g, welche sie in der Zusammenschmelzung verschiedener3 Rassen beabsichtigte, gerade das Gegenteil sich zum Gesetze gemacht; nämlich in einem Volk von derselben Rasse (z. B. der weissen), anstatt in ihrer Bildung die Cha[[A 313>>raktere beständig und fortgehend einander sich nähern zu lassen – wo dann endlich nur ein und dasselbe Porträt, wie das durch den Abdruck eines Kupferstichs herauskommen würde –, vielmehr in demselben Stamme [[B 312>> und gar in 1

A: „so wird man gegen diese unvollständige und unsichere Zeichnung derselben, welche auf d e m o n s t r a t i v e n, r e m e m o r a t i v e n und p r o g n o s t i s c h e n Zeichen beruht, schon Nachsicht haben müssen“. 2 Zusatz von B. 2 Zusatz von B. 3 A: „Der Charakter“. 4 H: „hat eben so wenig ... ihrer Leibes Gestalt und Gesichtszüge ausgelöscht und diese“. 5 A: „Regierungsformen“. 6 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „Armeniern“. 7 Akad.- Ausg.: „Volks hinweist, welches“. 1 A: „vor den flatterhaften“. 2 Cassirer: „§ 105. In“. 3 H: „Zusammenschmelzung [verschiedener Bildungen bei den] verschiedener“.

der nämlichen Familie, im Körperlichen und Geistigen, ins Unendliche zu vervielfältigen. – Zwar sagen die Ammen, um einem der Eltern zu schmeicheln: „das hat dies Kind vom Vater; das hat es von der Mutter“; wo, wenn es wahr wäre, alle Formen der Menschenzeugung längst erschöpft sein würden, und, da die F r u c h t b a r k e i t in Paarungen durch die Heterogenität der Individuen aufgefrischt wird, die Fortpflanzung zum Stocken gebracht werden würde. – So kommt nicht etwa die graue Haarfarbe (cendree) von der Vermischung eines Brunetten mit emer Blondinen her, sondern bezeichnet einen besonderen Familienschlag und die Natur hat Vorrat genug in sich, um nicht, der Armut ihrer vorrätigen Formen 1 halber, einen Menschen in die Welt zu schicken, der schon ehemals drin2 gewesen ist; wie denn auch die Naheit der Verwandtschaft notorisch auf Unfruchtbarkeit hinwirkt.3 E DER CHARAKTER DER GATTUNG Von4 der Gattung gewisser Wesen5 einen Charakter anzugeben, dazu wird erfordert: dass sie mit anderen uns bekannten unter einen6 Begriff gefasst, das aber, wodurch sie sich von einander unterscheiden, als Eigen[[A 315>>tümlichkeit (proprietas) zum Unterscheidungsgrunde angegeben und gebraucht wird. – Wenn aber eine 7 Art von Wesen, die wir kennen (A), mit einer andern Art Wesen (non A), die wir nicht kennen, verglichen [[B 313>> wird: wie kann man da erwarten oder verlangen, einen Charakter des ersteren 8 anzugeben, da uns der Mittelbegriff der Vergleichung (tertium compa- rationis) abgeht ? – Der oberste Gattungsbegriff mag der eines i r d i s c h e n vernünftigen Wesens sein, so werden wir keinen Charakter desselben nennen können, weil wir von vernünftigen, nicht i r d i s c h e n9 Wesen keine Kenntnis haben, um ihre 10 Eigentümlichkeit angeben und so jene irdische unter den vernünftigen überhaupt charakterisieren zu können. – Es scheint also, das Problem11, den Charakter der Menschengattung anzugeben, sei schlechterdings 12 unauflöslich; weil die Auflösung durch Vergleichung zweier S p e z i e s vernünftiger Wesen durch E r f a h r u n g angestellt sein müsste, welche die letztere uns nicht darbietet.1 Es bleibt uns also, um dem Menschen im System der lebenden Natur seine Klasse anzuweisen und so ihn zu charakterisieren, nichts übrig, als: dass er einen Charakter hat, den er sich selbst schafft; indem er vermögend ist, sich nach seinen von ihm selbst genommenen Zwecken zu perfektionieren; wodurch er, als mit V e r n u n f t f ä h i g k e i t begabtes Tier 1

H: „[Produkte] vorrätigen Formen“. H: „schon einmal drin“. 3 Am Rand von H: „1ste Stufe // Der Mensch ist ein nicht bloss für die Natur und den Instinkt sondern auch für die [Kunst di] freie Kunst geschaffenes Tier // 2te Stufe // Urteil der Spanier in Mexiko“. 4 Cassirer: „§ 106. Von“. 5 H: „[M e n s c h e n g a t t u n g] Gattung gewisser Wesen“. 6 H: „[e]Einen“. 7 H: „aber [ein Ding was] eine“. 8 Akad.- Ausg.: „der ersteren“. 9 A: „n i c h t i r d i s c h e n“. 10 H: „um [sie durch denselben von jenen] ihre“. 11 H: „[Unternehmen] Problem“. 12 H: „[ganz] schlechterdings“. 1 H: „darbietet. // [Der Mensch ist sich aber seiner selbst nicht bloss als vernünftiges Tier (animal rationabile) was räsonieren kann sondern auch seiner Tierheit ungeachtet als Vernunftwesen (animal rationale) bewusst und in dieser Qualität erkennt er sich nicht durch Erfahrung denn die [würde] kann ihm nie die [objektive] unbedingte Notwendigkeit [seiner Willensbestimmung] dessen was er sein soll sondern nur empirisch was er ist oder unter empirischen Bedingungen sein soll lehren, sondern er erkennt an sich selbst [(a priori) wie] aus reiner Vernunft (a priori) [die Menschheit auch als ein] nämlich das Ideal der Menschheit welches mit ihm [womit er sich] als einen Menschen vergleichen [und so den reinen Charakter seiner Gattung angeben kann] durch die Gebrechlichkeiten seiner Natur als Einschränkungen jenes Urbildes den Charakter seiner Gattung kann erkennen und zeichnen lassen. Diesen aber zu würdigen ist die Vergleichung mit einem Massstabe nötig der [nicht] nirgend anderswo als in der vollkommenen Menschheit angetroffen werden kann.] //“ 2

(animal rationabile), aus sich selbst ein v e r n ü n f t i g e s Tier 2 (animal rationale) machen kann; – wo er dann: erstlich sich selbst und seine Art e r h ä l t, zweitens sie übt, belehrt und für die häusliche Gesellschaft e r z i e h t, drittens [[A 316>> sie, als in ein3 systematisches (nach Vernunftprinzipien geordnetes) für die Gesellschaft gehöriges Ganze, r e g i e r t; wobei aber das Charakteristische der Menschengattung, in Vergleichung mit der Idee möglicher [[B 314>> vernünftiger Wesen auf Erden überhaupt, dieses ist: dass die Natur den Keim der Z w i e t r a c h t in sie gelegt und gewollt hat, dass ihre eigene Vernunft aus dieser diejenige E i n t r a c h t, wenigstens die beständige Annäherung zu derselben, herausbringe, welche letztere zwar in der I d e e den Z w e c k 4, der T a t nach aber die erstere (die Zwietracht) in dem Plane der Natur das M i t t e l einer höchsten 1 uns unerforschlichen Weisheit ist: die Perfektionierung des Menschen durch fortschreitende Kultur, wenn gleich mit mancher Aufopferung der Lebensfreuden desselben, zu bewirken. Unter den lebenden E r d b e w o h n e r n ist der Mensch durch seine t e c h n i s c h e (mit Bewusstsein2 verbunden-mechanische) zu Handhabung der Sachen, durch seine p r a g m a t i s c h e (andere Menschen zu seinen Absichten geschickt zu brauchen) und durch die m o r a l i s c h e Anlage in seinem Wesen (nach dem Freiheitsprinzip unter Gesetzen gegen sich und andere) zu handeln, von3 allen übrigen Naturwesen kenntlich unterschieden, und eine jede dieser drei Stufen kann für sich allein schon den Menschen zum Unterschiede von anderen Erdbewohnern charakteristisch unterscheiden. I. D i e t e c h n i s c h e A n l a g e. Die Fragen: ob der Mensch ursprünglich zum vierfüssigen Gange (wie [[A 317>> Moscati, vielleicht bloss zur Thesis für eine Dissertation, vorschlug): oder zum zweifüssigen bestimmt sei; – ob der Gibbon, der Orangutan, der Schimpanse u. a. bestimmt sei (worin Linneus und Camper einander [[B 315>> widerstreiten); – ob er ein frucht- oder (weil er einen häutigen Magen hat) fleischfressendes Tier sei; – ob, da er weder Klauen noch Fangzähne, folglich (ohne 4 Vernunft) keine Waffen hat, er von Natur ein Raub- oder friedliches Tier sei – – die Beantwortung dieser Fragen hat keine Bedenklichkeit. Allenfalls könnte diese noch aufgeworfen werden: ob er von Natur ein g e s e l l i g e s oder einsiedlerisches und nachbarschaft-scheues Tier sei; wovon das letztere 5 wohl das wahrscheinlichste ist. Ein erstes Menschenpaar, schon mit völliger Ausbildung, mithin unter6 Nahrungsmitteln von der Natur hingestellt, wenn ihm nicht zugleich ein Naturinstinkt, der uns doch in unserem jetzigen Naturzustande nicht beiwohnt, zugleich beigegeben worden, lässt sich schwerlich mit der Vorsorge der Natur für die Erhaltung der Art vereinigen. Der erste Mensch würde im ersten Teich, den er vor sich sähe1, ertrinken; denn Schwimmen ist schon eine Kunst die man lernen muss; oder er würde giftige Wurzeln und Früchte geniessen und dadurch umzukommen in beständiger Gefahr sein. Hatte aber die N a t u r dem ersten Menschenpaar diesen Instinkt e i n g e p f l a n z t, wie war es möglich, dass er ihn nicht an seine Kinder vererbete; welches doch jetzt nie geschieht ? [[A 318>> Zwar lehren die Singvögel ihren Jungen gewisse Gesänge und pflanzen sie durch Tradition fort: so, dass ein isolierter Vogel, der noch blind aus dem Neste genommen und aufgefüttert worden, nachdem er erwachsen, [[B 316>> keinen Gesang sondern nur einen

2

H: „als [vernünftiges] mit Vernunft begabtes Tier (...) sich selbst zu einem vernünftigen Tier“. H (Akad.- Ausg., Cassirer): „als ein“. 4 H: „welche [der] zwar ihr Zweck in der Idee“; Akad.-Ausg.: „welche ... I d e e der Z w e c k“. 1 H: „Natur nur das Mittel dieser letzteren [und] als einer höchsten“. 2 H: „[Überlegung] Bewusstsein“. 3 Akad.-Ausg.: „andere zu handeln) von“. 4 H: „[vor Entwickelung der] ohne“. 5 H: „[erstere] letztere“. 6 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „Ausbildung mitten unter“. 1 So auch H; A: „sehe“. 3

gewissen angebornen Organlaut hat. Wo ist aber nun der erste Gesang hergekommen; * denn gelernt ist dieser nicht, und wäre er instinktmässig entsprungen, warum erbte er den Jungen nicht an ? Die Charakterisierung des Menschen, als eines vernünftigen Tieres, liegt schon in der Gestalt und Organisation seiner H a n d, seiner F i n g e r und F i n g e r s p i t z e n, deren teils Bau, teils zartes Gefühl2, [[A 319>> dadurch die Natur ihn nicht3 für Eine Art der Handhabung der Sachen, sondern unbestimmt für alle, mithin für den Gebrauch der Vernunft geschickt gemacht, und dadurch die technische- oder Geschicklichkeitsanlage sei[[B 317>>ner Gattung, als eines v e r n ü n f t i g e n Tieres, bezeichnet hat. II. D i e p r a g m a t i s c h e A n l a g e der Zivilisierung durch Kultur, vornehmlich der Umgangseigenschaften und der natürliche Hang seiner Art, im gesellschaftlichen Verhältnisse aus der Rohigkeit der blossen Selbstgewalt herauszugehen und ein gesittetes (wenn gleich noch nichtsittliches), zur Eintracht bestimmtes, Wesen zu werden, ist nun eine höhere Stufe. – Er ist einer Erziehung, sowohl in Belehrung als Zucht (Disziplin), fähig und bedürftig. Hier ist nun (mit oder gegen Rousseau) die Frage: ob der Charakter seiner Gattung ihrer Naturanlage nach sich besser bei der R o h i g k e i t seiner Natur, als bei den K ü n s t e n der K u l t u r, welche kein Ende absehen lassen, befinden werde. – Zuvörderst muss man anmerken: dass bei allen übrigen sich selbst überlassenen Tieren jedes I n d i v i d u u m seine ganze Bestimmung erreicht, bei den Menschen aber allenfalls nur die G a t t u n g: so, dass sich das menschliche Geschlecht nur durch F o r t s c h r e i t e n, in einer Reihe unabsehlich vieler Generationen, zu seiner Bestimmung empor arbeiten kann; wo das Ziel ihm doch immer1 noch im Prospekte bleibt, gleichwohl aber die T e n d e n z zu diesem Endzwecke zwar wohl öfters gehemmt, aber nie ganz rückläufig werden kann.2 [[A 320>> III. D i e m o r a l i s c h e A n l a g e. Die Frage ist hier: ob der Mensch von Natur g u t, oder von Natur b ö s e, oder von Natur gleich für eines 1 oder das andere empfänglich sei; nachdem er in diese oder jene ihn [[B 318>> bildende Hände fällt (cereus in vitium flecti etc.2). Im letztern Falle würde die G a t t u n g selbst keinen Charakter haben. – Aber dieser Fall widerspricht sich selbst; denn3 ein mit praktischem Vernunftvermögen und *

Man kann mit dern Ritter L i n n e für die Archäologie der Natur die Hypothese annehmen: dass aus dem allgemeinen Meer, welches die ganze Erde bedeckte, zuerst eine Insel unter dem Äquator, als ein Berg hervorgekommen, auf welchem alle klimatische Stufen der Wärme, von der des heissen am niedrigen Ufer desselben bis zur arktischen Kälte auf seinem Gipfel, samt denen ihnen angemessenen Pflanzen und Tieren, nach und nach entstanden; dass, was die Vögel aller Art betrifft, die Singvögel den angebornen Organlaut so vielerlei verschiedener Stimmen nachahmten, und jede, so viel ihre Kehle es verstattete, mit der anderen verbanden, wodurch eine jede Spezies sich ihren bestimmten Gesang machte, den nachher einer dem andern durch Belehrung (gleich einer Tradition) beibrachte; wie man auch sieht, dass Finken und Nachtigallen in verschiedenen Ländern auch einige Verschiedenheit in ihren Schlägen anbringen. 2 Akad.-Ansg.: „theils zartem Gefühl“. 3 H (Cassirer): „[und] teils zartes Gefühl ihn nicht“. 1 H: „immer [nur]“. 2 H: „rückläufig werden wird.// [Weil nun dcr Übergang aus dem rohen in den zivilisierten Zustand [unaufhaltsam dabci aber auch] kein Sprung sondern ein unmerklich fortschreitendes Werk der (lesittung ist so [kann man allenfalls zwar Epochen angeben welche] ist es [erstlich] so wohl vergeblich dawider zu warnen als den Strom aufzuhalten unter dem Vorwande dass natürliche [Übel und La und] so wohl als durch Ungerechtigkeit mit Gewalt gleich aus der Büchse der Pandora auf die unglückliche Welt sich stürzen werde [dagegen in der ruhigen] wovon die ruhige Einfalt und Gnugsamkeit (des Hirtenlebens) wozu uicht viel Kunst [und] oder gewandte Klugheit erfodert wird frei bleibt sondern diese Berechnung des Vorteils mit dem Nachteil ist unrichtig. Denn der Anwachs der Menschenmenge im gesitteten Zustande welche einerseits den Menschen den Spielraum ihrer Absichten durch Kriege verengt [ist] gibt bei fortschreitender Kultur des menschlichen Geschlechts ein so reichen Überschuss über den Verlust dass die Summe der Tugenden so wohl als der Lebensfreuden ihre Gegenteile im ganzen doch immer mehr überwiegen und einen in der Reihe der Jahrhunderte immer wachsenden Gewinn versprechen müssen weil die durch Erfahrung gewitzigte Klugheit sie natürlicherweise immer in ein besseres Gleis zu lenken wissen wird] //“. 1 H: „für [beides gestimmt] eines“. 2 Übersetzung des Herausgebers: „wie Wachs, zum Bösen zu biegen usw.“ 3 H: „selbst [und ist also unmöglich]; denn“.

Bewusstsein der Freiheit seiner Willkür ausgestattetes Wesen (eine Person) sieht sich in diesem Bewusstsein, selbst mitten in den dunkelsten Vorstellungen, unter einem Pflichtgesetze und im Gefühl (welches dann das moralische heisst), dass ihm, oder durch ihn a n d e r e n recht oder unrecht geschehe. 4 Dieses ist nun schon selbst der i n t e l l i g i b e l e Charakter der Menschheit überhaupt und in so fern ist der Mensch seiner angebornen Anlage nach (von Natur) g u t. Da aber doch auch die Erfahrung zeigt: dass in ihm ein Hang zur tätigen Begehrung des Unerlaubten, ob er gleich weiss, dass es unerfaubt sei, d. i. zum B ö s e n sei, der sich so unausbleiblich und so früh regt, als der Mensch nur von seiner Freiheit Gebrauch zu machen anhebt, und darum als angeboren betrachtet werden kann: so ist der Mensch, seinem s e n s i b e l e n Charakter nach, auch als (von Natur) böse 1 zu beurteilen, ohne dass sich dieses widerspricht, wenn vom C h a r a k t e r d e r G a t t u n g die Rede ist; weil man annehmen kann, dass dieser ihre Naturbestimmung im kontinuierlichen Fortschreiten zum Besseren bestehe. [[A 321>> Die2 Summe3 der pragmatischen Anthropologie in Ansehung der Bestimmung des Menschen und die Charakteristik seiner 4 Ausbildung ist folgende. Der Mensch ist durch seine Vemunft bestimmt, in einer [[B 319>> Gesellschaft mit Menschen zu sein, und in ihr sich durch Kunst und Wissenschaften zu k u l t i v i e r e n, zu z i v i l i s i e r e n und zu m o r a l i s i e r e n; wie gross auch sein tierischer Hang sein mag, sich den Anreizen der Gemächlichkeit und des Wohllebens, die er Glückseligkeit nennt, p a s s i v 5 zu überlassen, sondern vielmehr t ä t i g, im Kampf mit den Hindernissen, die ihm von der Rohigkeit seiner Natur anhängen, sich6 der Menschheit würdig zu machen. Der Mensch muss also zum Guten e r z o g e n werden; der aber, welcher ihn erziehen soll, ist wieder7 ein Mensch, der noch in der Rohigkeit der Natur liegt, und nun doch dasjenige bewirken soll, was er selbst bedarf. Daher die beständige Abweichung von seiner Bestimmung, mit immer wiederholten Einlenkungen 8 zu derselben. – Wir wollen die Schwierigkeiten der Auflösung dieses Problems und die Hindernisse derselben anführen. A

H: „geschehe. [Daher man auch die Frage aufwerfen kann o b d e r M e n s c h v o n N a t u r (d. i. ehe er noch die Bestimmungsgründe seines freien Tuns und Lassens mithin ein Gesetz deutlich [vorstellen] denken kann) g u t o d e r b ö s e genannt werden könne, [mit anderen Worten ob er in der Rohigkeit seines Zustandes einen grösseren Hang zu dem habe wovon er sich bewusst ist dass es böse sei als [der] sein Hang zu dem ist was er als tut und darum auch weil es gut ist erkennt: mithin was hierin der Charakter der Menschengattung sei. // Die Stufen aus dieser Rohigkeit hinauszugehen sind: dass er kultiviert, zivilisiert und endlich auch moralisiert wird] welches so viel sagen will als: Ob der Mensch nach Grundsätzen geneigt sei den Antrieben des Sinnenreizes [gegeu] zuwider den Bewegursachen des Sittenqesetzes den Vorzug zu geben und ob dazu ein angeborner Hang in ihm liege wo er dann für von Natur böse erklärt werden müsste; wodurch aber der zum Bösen vorzüglich geneigte Mensch darum nicht so fort [zum] für einen b ö s e n M e n s c h e n [gemacht] erklärt wird weil eben dieselbe Freiheit der Willkür es auch der Vernunft möglich macht diesen Hang durch ihre Maximen habituell abn freilich nur durch einen für jeden Akt besonders genommenen Vorsatz zu überwiegen [nicht aber] ohne doch einen fortdaurende: “Hang zum Guten gleichsam einwurzeln zu machen.] //“ Am Rand von H: „kultiviert, zivilisiert, morali<s.?> // Die Frage ob die menschliche Natur gut oder böse sei kommt auf den Begriff von dem was was man böse nennt an Es ist der Hang zu Begehrung des Unerlaubten ob man gleich weiss dass es Unrecht ist. Das Schreien eines Kindes dem man seinen Willen nicht erfüllt ob es zwar ein anderer ihm eben so wenig erfüllen würde ist bösartig und so ist es mit jedem Verlangen über andere zu herrschen. – Warum schreit ein Kind bei der Geburt ohne Weinen“. 1 H: “b ö s e”. 2 Cassirer: „§ 107. Die“. 3 A: „[[A 321>> Die Summa“; H: „[Das Resultat] Die Summa“. 4 H: „[der Menschheit] seiner“. 5 H: „[zu widmen] p a s s i v“. 6 H: „sich [selbst zum]“. 7 H: „[selbst] wieder“. 8 H: „E i n l e n k u n g e n“. 4

Die erste physische Bestimmung desselben besteht in dem Antriebe des Menschen zur Erhaltung1 seiner Gattung, als Tiergattung. – Aber hier wollen nun schon die Naturepochen seiner Entwickelung mit den bürgerlichen nicht zusammentreffen. Nach der e r s t e [[A 322>> r e n ist er im Naturzustande wenigstens in seinem 15ten Lebensjahr durch den G e s c h l e c h t s i n s t i n k t a n g e t r i e b e n und auch v e r m ö g e n d, seine Art zu erzeugen und zu erhalten. Nach der z w e i t e n kann er es [[B 320>> (im Durchschnitte) vor dem 20sten schwerlich wagen. Denn wenn der Jüngling gleich früh genug das Vermögen hat, seine und eines Weibes Neigung als Weltbürger zu befriedigen, so hat er doch lange noch nicht das Vermögen, als Staatsbürger sein Weib und Kind zu erhalten. – Er muss ein Gewerbe erlernen, sich in Kundschaft bringen, um ein Hauswesen mit einem Weibe anzufangen; worüber aber in der geschliffenern Volksklasse auch wohl das 25ste Jahr verfliessen kann, ehe er zu seiner Bestimmung reif wird. – Womit füllt er nun diesen Zwischenraum einer abgenötigten und unnatürlichen Enthaltsamkeit aus ? Kaum anders als mit Lastern. B Der Trieb zur Wissenschaft2, als einer die Menschheit veredelnden Kultur, hat im Ganzen der Gattung keine Proportion zur Lebensdauer. Der Gelehrte, wenn er bis dahin in der Kultur vorgedrungen ist, um das Feld derselben selbst zu 3 erweitern, wird durch den Tod abgerufen und seine Stelle nimmt der ABC-Schüler ein, der kurz vor seinem Lebensende, nachdem er eben so einen Schritt weiter getan hat, wiederum seinen Platz einem andern überlässt. – Welche Masse von Kenntnissen, welche Erfindung 4 neuer Methoden würde nun [[A 323>> schon vorrätig da liegen, wenn ein Archimed, ein Newton, oder Lavoisier 5, mit seinem Fleiss und Talent, ohne Verminderung der Lebenskraft, von der Natur mit einem, Jahrhunderte durch fortdaurenden, Alter [[B 321>> wäre begünstigt worden ? Nun aber ist das Fortschreiten der Gattung in Wissenschaften immer nur fragmentarisch (der Zeit nach) und gewährt keine Sicherheit wegen des Rückganges, womit es durch dazwischen tretende staatsumwälzende Barbarei1 immer bedroht wird. C Eben so wenig scheint die Gattung in Ansehung der G l ü c k s e l i g k e i t, wozu beständig hin zu streben ihn seine Natur antreibt, die Vernunft aber auf die Bedingung der Würdigkeit glücklich zu sein, d. i. der Sittlichkeit einschränkt, ihre Bestimmung zu erreichen. – Man darf eben nicht die hypochondrische (übellaunige) Schilderung, die R o u s s e a u vom Menschengeschlecht macht, das2 aus dem Naturzustande herauszugehen wagt, für Anpreisung, wieder dahin ein- und in die Wälder zurück zu kehren, als dessen wirkliche 3 Meinung annehmen, womit er die Schwierigkeit für unsere Gattung, in das Gleis der kontinuierlichen Annäherung zu ihrer Bestimmung zu kommen, ausdrückte; man darf sie nicht aus der Luft greifen: – die Erfahrung alter und neuer Zeiten muss jeden Denkenden hierüber verlegen und zweifelhaft machen, ob es mit unserer Gattung jemals besser stehen werde.4 1

H: „E r h a l t u n g“. H: „W i s s e n s c h a f t”. 3 H: „derselben recht zu“. 4 H: „[Beförderung der] Erfindung“. 5 H: „[Galilei] Lavoisier“. 1 H: „[Staatsveränderungen] staatsumwälzende Barbarei“. 2 H: „[wenn es] das“. 3 H: „zurück zu kehren für seine wirkliche“. 4 Am Rand von H: „[Der Ankläger – Advokat und Richter. Der Mittlere ist der so eine jede Sache so viel ihm es sei Schein oder Wahrheit zu verteidigen aufgetragen ist] // Dass eine kosmopolitische Anlage in der Menschengattung selbst unter allen Kriegen sei welche der selbstsüchtigen der Völker allmählich im Lauf 2

[[A 324>> Seine drei Schriften von dem Schaden, den 1. der Ausgang aus der Natur in die K u l t u r unserer Gattung, durch Schwächung unserer Kraft 5, 2. die Z i v i [[B 322>> l i s i e r u n g, durch Ungleichheit und wechselseitige Unterdrückung, 3. die vermeinte M o r a l i s i e r u n g, durch naturwidrige Erziehung und Missbildung der Denkungsart, angerichtet hat: – Diese drei Schriften, sage ich, welche den Naturzustand gleich als einen Stand der U n s c h u l d vorstellig machten (dahin wieder zurückzukehren der Torwächter eines Paradieses 1 mit feurigem Schwert verhindert), sollten nur seinem S o z i a l k o n t r a k t, seinem E m i l und seinem S a v o y a r d i s c h e n V i k a r zum Leitfaden dienen, aus dem Irrsal der Übel sich heraus zu finden, womit sich unsere Gattung, durch ihre eigene Schuld, umgeben hat. – Rousseau wollte im Grunde nicht, dass der Mensch wiederum in den Naturzustand zurück g e h e n, sondern von der Stufe, auf der er jetzt steht, dahin zurück s e h e n sollte. Er nahm an: der Mensch sei von N a t u r (wie sie sich vererben lässt) gut, aber auf negative Art, nämlich von selbst und absichtlich nicht böse zu sein, sondern nur in Gefahr, von bösen oder ungeschickten Führern und Beispielen angesteckt und verdorben zu werden. Da nun aber hiezu wiederum gute Menschen erforderlich sind, die dazu selbst haben erzogen werden müssen und deren es wohl keinen geben wird, der nicht (angeborne oder zugezogene) Verdorbenheit in sich hätte: so bleibt das Problem der moralischen Erziehung für unsere G a t t u n g, selbst der Qualität des Prinzips, nicht bloss dem Grade nach, unaufgelöst 2; weil ein ihr angeborner böser Hang wohl durch die allgemeine Menschenvernunft [[A 325>> getadelt, allenfalls auch gebändigt, dadurch aher doch nicht vertilgt wird. *** [[B 323>> In einer bürgerlichen Verfassung, welche der höchste Grad der künstlichen Steigerung der guten Anlage in der3 Menschengattung zum Endzweck ihrer Bestimmung ist, ist doch die T i e r h e i t früher und im Grunde mächtiger als die reine M e n s c h h e i t in ihren Äusserungen und das zahme Vieh ist nur durch S c h w ä c h u n g dem Menschen nützlicher, als das wilde. Der eigene Wille ist immer in Bereitschaft, in Widerwillen gegen seinen Nebenmenschen auszubrechen, und strebt jederzeit, seinen Anspruch auf unbedingte Freiheit, nicht bloss unabhängig, sondern selbst über andere ihm von Natur gleiche Wesen Gebieter zu sein1; welches man auch an dem kleinsten Kinde schon gewahr wird; * weil die Natur [[B 324, A 326>> in ihm von der Kultur zur Moralität, nicht (wie es doch die Vernunft vorschreibt), von der Moralität und ihrem Gesetze anhebend, zu einer darauf angelegten politischer Angelegenheiten den Lauf abgewinnt.“ 5 H: „ihrer Kraft“. 1 H (Cassirer): „Torwächter jenes Paradieses“. 2 H: „unauf[löslich] gelöst“. 3 H: „Anlagen der“. 1 H: „sein [geltend zu machen]“; Cassirer: „sein, geltend zu machen“. * Das Geschrei, welches ein kaum gebornes Kind hören lässt, hat nicht den Ton des Jammerns, sondern der Entrüstung und aufgebrachten Zorns an sich; nicht weil ihm was schmerzt, sondern weil ihm etwas verdriesst; vermutlich darum, weil es sich bewegen will und sein Unvermögen dazu gleich als eine Fesselung fühlt, wodurch ihm die Freiheit genommen wird. – Was mag doch die Natur hiemit für eine Absicht haben, dass sie das Kind mit lautem Geschrei auf die Welt kommen lässt, welches doch für dasselbe und die Mutter i m r o h e n N a t u r z u s t a n d e von äusserster Gefahr ist ? Denn ein Wolf, ein Schwein sogar, würde ja dadurch angelockt, in Abwesenheit, oder bei der Entkräftung derselben durch die Niederkunft, es zu fressen. [[Anm. A 326>> Kein Tier aber, ausser dem Menschen (wie er jetzt ist), wird beim Geborenwerden seine Existenz laut a n k ü n d i g e n; welches von der Weisheit der Na[[B 324>>tur so angeordnet zu sein scheint, um die Art zu erhalten. Man muss also annehmen: dass in der frühen Epoche der Natur in Ansehung dieser Tierklasse (nämlich des Zeitlaufs der Rohigkeit) dieses Lautwerden des Kindes bei seiner Geburt noch nicht war; mithin nur späterhin eine zweite Epoche, wie beide Eltern schon zu derjenigen Kultur, die zum h ä u s l i c h e n Leben notwendig ist, gelangt waren, eingetreten ist; ohne dass wir wissen: wie die Natur und durch welche mitwirkende Ursachen sie eine solche Entwickelung veranstaltete. Diese Bemerkung führt weit, z. B. auf den Gedanken: ob nicht auf dieselbe zweite Epoche, bei grossen Naturrevolutionen, noch eine dritte folgen dürfte. Da ein OrangUtan, oder ein Schimpansen die Organe, die zum Gehen, zum Befühlen der Gegenstände und zum Sprechen dienen, sich zum Gliederbau eines Menschen ausbildete, deren Innerstes ein Organ für den Gebrauch des Verstandes enthielte und durch gesellschaftliche Kultur sich allmählich entwickelte.

zweckmässigen Kultur hinzuleiten strebt; welches unvermeidlich eine verkehrte, zweckwidrige Tendenz abgibt; z. B. wenn Religionsunterricht, der notwendig eine m o r a l i s c h e Kultur sein sollte, mit der h i s t o r i s c h e n, die bloss Gedächtniskultur ist, anhebt und daraus Moralität zu folgern vergeblich sucht. Die Erziehung des Menschengeschlechts im G a n z e n ihrer Gattung, d. i. k o l l e k t i v genommen (universorum) nicht aller einzelnen (singulorum), wo die [[A 327>> Menge nicht ein System, sondern nur ein zusammengelesenes Aggregat abgibt, das Hinstreben zu einer bürgerli[[B 325>>chen auf dem Freiheits- zugleich aber auch gesetzmässigen ZwangPrinzip zu gründenden Verfassung ins Auge gefasst, erwartet der Mensch doch nur von der V o r s e h u n g, d. i. von einer Weisheit, die nicht die s e i n e, aber doch die (durch seine eigene Schuld) ohnmächtige I d e e seiner eigenen Vernunft ist, – diese Erziehung von oben herab, sage ich, ist heilsam, aber rauh und strenge, durch viel Ungemach und bis nahe an die Zerstörung des ganzen Geschlechts reichende Bearbeitung der Natur, nämlich der Hervorbringung des vom Menschen nicht beabsichtigten, aber, wenn es einmal da ist, sich ferner erhaltenden G u t e n, aus dem innerlich mit sich selbst immer sich veruneinigenden B ö s e n. Vorsehung1 bedeutet eben dieselbe Weisheit, welche wir in der Erhaltung der Spezies organisierter an ihrer Zerstörung beständig arbeitender und dennoch sie immer schützender Naturwesen mit Bewunderung wahrnehmen, ohne darum ein höheres Prinzip in der Vorsorge 2 anzunehmen, als wir es für die Erhaltung der Gewächse und Tiere anzunehmen schon im Gebrauch haben. – Übrigens soll und k a n n die Menschengattung selbst Schöpferin ihres Glücks sein; nur dass sie es sein w i r d, lässt sich nicht a priori, aus den uns von ihr bekannten Naturanlagen, sondern nur aus der Erfahrung und Geschichte, mit so weit gegründeter Erwartung schliessen, als nötig ist, an diesem ibrem Fortschreiten zum Besseren nicht zu verzweifeln, sondern, mit aller Klugheit und moralischer Vorleuchtung, die Annäherung zu diesem Ziele (ein jeder, so viel an ihm ist) zu befördern3. [[A 328>> Man kann also sagen: der erste Charakter 4 der Menschengattung ist: das Vermögen, als5 vernünftigen We[[B 326>>sens, sich, für seine Person so wohl als für die Gesellschaft, worin ihn die Natur versetzt, einen Charakter überhaupt zu verschaffen; welches aber schon eine günstige1 Naturanlage und einen Hang zum Guten in ihm voraussetzt; weil das Böse (da es Widerstreit2 mit sich selbst bei sich führt und kein bleibendes Prinzip in sich selbst verstattet) eigentlich ohne Charakter ist.3 Der Charakter eines4 lebenden Wesens ist das, woraus sieh seine Bestimmung zum voraus erkennen lässt. – Man kann es aber für die Zwecke der Natur als Grundsatz annehmen: sie wolle, dass jedes Geschöpf seine Bestimmung erreiche; dadureh, daà alle Anlagen seiner Natur sich zweckmässig für dasselbe entwickeln, damit, wenn gleich nieht jedes I n d i v i d u u m, doch die Spezies die Absicht derselben erfülle. – Bei vernunftlosen Tieren geschieht dieses wirklich und5 ist Weisheit der Natur; beim Menschen aber erreicht es nur die Gattung, wovon wir unter vernünftigen Wesen auf Erden nur Eine, nämlich die Menschengattung, kennen6, und in dieser auch nur eine Tendenz der Natur 7 zu diesem Zwecke: nämlich durch ihre eigene Tätigkeit die Entwickelung des Guten aus dem Bösen dereinst zu Stande zu 1

H: „Diese Vorsehung“. H: „[Weltenordnung ] Vorsorge“. 3 H: „[einzuleiten] zu befördern“. 4 H: „Charakterzug“. 5 H: „Vermögen des Menschen als“. 1 H: „[achtungswürdige] günstige“. 2 H: „es den Widerstreit“. 3 Am Rand von H: „Es ist ganz was anderes um die Frage was zu tun sei um dem moralischen Gesetze Ü b e r z e u g u n g als um ihm E i n g a n g zu verschaffen.“ 4 H: „[der Menseheng] eines“. 5 H: „und [unmittelbar]“. 6 H: „kennen [und zwar in einer langen Reihe von Generationen bis sie zu1etzt auch obzwar im idealischen Prospekt auch jedes Individuum zu treffen verspricht]“. 7 H: „Natur vernünftiger Wesen“. 2

bringen: im Prospekt8, der, wenn nicht Naturrevolutionen ihn auf einmal abschneiden, mit moralischer9 (zur Pflicht der Hinwirkung zu jenem Zweck hinreichender) Gewissheit erwartet werden kann. – Denn es sind Menschen, d. i. zwar bösgeartete, aher doch mit erfindungsreicher, dabei auch zugleich mit einer moralischen Anlage begabte ver[[A 329>>nünftige Wesen; welche die Übel, die sie sich unter einander selbstsüchtig antun, bei Zunahme der Kultur nur [[B 327>> immer desto stärker fühlen und, indem sie kein anderes Mittel dagegen vor sich sehen, als den Privatsinn (einzelner) dem Gemeinsinn (aller vereinigt), obzwar ungern, einer Disziplin (des bürgerlichen Zwanges) zu unterwerfen, der sie sich aber nur nach von ihnen selbst gegebenen Gesetzen unterwerfen, durch dies Bewusstsein sich veredelt fühlen, nämlich zu einer Gattung zu gehören, die der Bestimmung des Menschen, so wie die Vernunft sie ihm im Ideal vorstellt, angemessen ist.1 GRUNDZÜGE DER SCHILDERUNG DES CHARAKTERS DER MENSCHENGATTUNG I.2 Der Mensch war nicht bestimmt, wie das Hausvieh, zu einer Herde, sondern, wie die Biene, zu einem Stock zu gehören. – N o t w e n d i g k e i t, ein Glied irgend einer bürgerlichen Gesellschaft zu sein. Die einfachste, am wenigsten gekünstelte Art, eine solche zu errichten, ist die Eines Weisers in diesem Korbe3 (die Monarchie). – Aber viele solcher Körbe4 neben einander befehden sich bald als Raubbienen (der Krieg), doch nicht, wie es Menschen tun, um den ihrigen durch Vereinigung mit dem anderen zu verstärken – denn hier hört das Gleichnis auf –; sondern bloss den Fleiss des a n d e r e n, mit List oder Gewalt, für sich zu benutzen. Ein jedes Volk sucht sich durch Un[[A 330>>terjochung benachbarter zu verstärken und, es sei Vergrösserungssucht oder Furcht, von dem anderen verschlun[[B 328>>gen zu werden, wenn man ihm nicht zuvorkommt: so ist der innere oder äussere Krieg in unserer Gattung, so ein grosses Übel er auch ist, doch zugleich die Triebfeder, aus dem rohen Naturzustande in den b ü r g e r l i c h e n überzugehen, als ein Maschinenwesen der Vorsehung, wo 1 die einander entgegenstrebende Kräfte zwar durch Reibung einander Abbruch tun, aber doch durch den Stoss oder Zug anderer Triebfedern lange Zeit im regelmässigen Gange erhalten werden. II. F r e i h e i t und 2 G e s e t z (durch welche 3 jene eingeschränkt wird) sind die zwei Angeln, um welche sich die bürgerliche Gesetzgebung dreht. – Aber, damit das letztere auch von Wirkung und nicht leere Anpreisung sei: so muss ein Mittleres * hinzu kommen, nämlich

8

Akad.-Ausg.: „bringen: ein Prospekt“. H: „m o r a l i s c h e r“. 1 Am Rand von H: „Der Charakter der Gattung kann nur aus der Geschichte gezogen werden. // Dass das menschl: Geschl: kollektiv genommen eine Bestrebung der Kunstgesehicklichkeit in sich enthalte durch die Selbstsüchtigkeit aller Einzelnen (singulorum) sich zur Glückseligkeit des Ganzen (universorum) vermittelst der moral. Anlage zu bearbeiten. // Der Charakter der Gattung ist dass das menschl. Geschlecht im ganzen eine natürliche Tendenz hat immer besser zu werden. // Die Gattung kann kollektiv als ein Ganzes oder distributiv als die logische Einheit des Begriffs vom Menschen betrachtet werden. // Der Charakter der Gattung kann nicht historisch durch Geschichte allein ausgemacht werden // Das ist nur von der Menschengattung als Tiergattung zu verstehen. – Er kann aus der Vernunft so fern sie subjektiv sich selbst einzeln und im Verhältnis gegen andere kennt und modifiziert geschlossen werden.“ 2 Cassirer: „§ 109. I.“ 3 H (Cassirer): „diesem Stock“. 4 H (Cassirer): “solcher Stöcke”. 1 H: „als einem Maschinenwesen wo“. 2 H: „F r e i h e i t [unter G e s e t z e n] und“. 3 Akad.-Ausg.: „durch welches“. * Analogisch dem medius terminus in einem Syllogism, welcher, mit Subjekt und Prädikat des Urteils verbunden, die 4 syllogistischen Figuren abgibt. 9

G e w a l t, welche, mit jenen verbunden, diesen Prinzipien 4 Erfolg verschafft. – Nun kann man sich aber viererlei Kombinationen der letzteren mit den beiden ersteren denken. A. Gesetz und Freiheit, ohne Gewalt (Anarchie). B. Gesetz und Gewalt, ohne Freiheit (Despotism). C. Gewalt, ohne Freiheit und Gesetz (Barbarei). D. Gewalt, mit Freiheit und Gesetz (Republik). [[A 331>> Man sieht, dass nur die letztere eine wahre bürgerliche Verfassung genannt zu werden verdiene; wobei man [[B 329>> aber nicht auf eine der drei Staatsformen (Demokratie) hinzielt, sondern unter R e p u b l i k nur einen Staat überhaupt versteht und das alte Brokardikon: Salus civitatis5 (nicht civium) suprema lex esto nicht bedeutet: Das Sinnenwohl6 des gemeinen Wesens (die G l ü c k s e l i g k e i t der Bürger) solle zum obersten Prinzip7 der Staatsverfassung dienen; denn dieses Wohlergehen, was ein jeder nach seiner Privatneigung8, so oder anders, sich vormalt, taugt gar nicht zu irgend einem objektiven Prinzip, als welches Allgemeinheit fordert; sondern jene Sentenz sagt nichts weiter, als: Das V e r s t a n d e s w o h l, die Erhaltung der einmal bestehenden S t a a t s v e r f a s s u n g, ist das höchste Gesetz einer bürgerlichen Gesellschaft überhaupt; denn diese besteht nur durch jene.1 Der Charakter der Gattung, so wie er aus der Erfahrung aller Zeiten und unter allen Völkern kundbar wird, ist dieser: Dass sie, kollektiv (als ein Ganzes des Menschengeschlechts) genommen, eine nach- und neben einander existierende Menge von Personen2 ist, die das friedliche Beisammensein nicht e n t b e h r e n und dabei dennoch einander beständig widerwärtig zu sein nicht v e r m e i d e n können; folglich eine durch 3 wechselseitigen Zwang, unter von ihnen selbst ausgehenden Gesetzen, zu einer, beständig mit Entzweiung bedrohten, aber4 allgemein fortschreitenden Koalition in eine w e l t b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t (cosmopolitismus) sich von der Natur bestimmt fühlen: welche an sich unerreichbare Idee aber kein konstitutives Prinzip (der Erwartung eines, [[A 332>> mitten in der lebhaftesten Wirkung und Gegenwirkung der Menschen bestehenden, Friedens), sondern nur ein [[B 330>> regulatives Prinzip ist: ihr, als der Bestimmung des Menschengeschlechts, nicht ohne gegründete Vermutung einer natürlichen Tendenz zu derselben, fleissig nachzugehen. Frägt man nun: ob die Menschengattung (welche, wenn man sie sich als eine Spezies vernünftiger E r d w e s e n 1, in Vergleichung mit denen auf anderen Planeten, als von Einem 4

H: „jenen Prinzipien“. H: „[rei publicae] civitatis“. 6 H: „S i n n e n w o h l“. 7 H: „[Gesetz des Staats] Prinzip“. 8 H: „seine[m]r Privat[gefühl] neigung“. 1 H: „jene. // [Was nun der Menschheit für ein Charakter zustehe ist nicht aus der Geschichte wie sich andere Menschen zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern gezeigt haben zu ersehen denn bei der Mischung des Guten und Bösen welches [sich] sie nach Verschiedenheit der Gelegenheitsursachen an sich zeigen würde das Resultat bald für sie günstig bald ungünstig ausfallen; mithin kann die ausgebreitetste und sorgfältigst [nach] gedeutete Geschichte hierin keine sichere Belehrung geben. Aber die innere Prüfung seiner selbst zusammengehalten wie er von [anderen] seinen Mitmenschen beurteilt zu werden sich bemüht v e r r ä t seinen Charakter der gerade darin besteht sich nicht zu v e r r a t e n. und in dem wenigstens negativen Schein andere in ihrer.Beurteilung über ihn zu seinem Vorteil zu täuschen. also in dem Hang zur Lüge die nicht [von] etwa bloss einen Mangel der Offenherzigkeit sondern der Aufrichtigkeit beweiset welches der erbliche Krebsschade des menschlichen Geschlechts ist. – Und so ist der Charakter der Gattung in der Bestrebung zu setzen seinen persönlichen Charakter nicht sichtbar werden zu lassen und jede diesen ausspähende Blicke oder Nachforschungen für Beleidigung aufzunehmen.] //“ 2 H: „eine nach- und neben einander existierender Personen“; Cassirer: „eine Menge nach- und nebeneinander existierender Personen“. 3 H: „folglich [dass ihre Bestimmung Koalition] eine durch“; Akad.- Ausg.: „folglich durch“. 4 H: „bedrohten [Koalitio] aber“. 1 H: „[Welt] Wesen“. 5

Demiurgus entsprungene Menge Geschöpfe denkt2, auch Rasse genannt werden kann) – ob, sage ich, sie als eine gute oder schlimme Rasse anzusehen sei: so muss ich gestehen, dass nicht viel damit zu prahlen sei. Doch wird niemand, der3 das4 Benehmen der Menschen, nicht bloss in der alten Geschichte, sondern in der Geschichte des Tages ins Auge nimmt, zwar oft versucht werden, misanthropisch den T i m o n, weit öfterer aber und treffender den M o m u s in seinem Urteile zu machen, und Torheit eher als Bosheit in dem Charakterzuge unserer Gattung hervorstechend finden. Weil aber Torheit, mit einem Lineamente von Bosheit verbunden (da sie alsdenn Narrheit heisst), in der moralischen Physiognomik an unserer Gattung nicht zu verkennen ist: so ist allein schon aus der Verheimlichung eines guten Teils seiner Gedanken, die ein jeder kluge Mensch nötig findet, 5 klar genug zu ersehen: dass in unserer Rasse jeder es geraten finde, auf seiner Hut zu sein und sich nicht g a n z erblicken zu lassen wie er ist; welches schon den Hang unserer Gattung, übel gegen einander gesinnt zu sein, verrät. [[A 333>> Es könnte wohl sein: dass auf irgend einem anderen Planeten vernünftige Wesen wären, die nicht anders als [[B 331>> laut denken könnten, d. i. im Wachen, wie im Träumen, sie möchten in Gesellschaft oder allein sein, keine Gedanken haben könnten, die sie nicht zugleich a u s s p r ä c h e n. Was würde das für ein von unserer Menschengattung verschiedenes1 Verhalten gegen einander, für eine Wirkung abgeben2? Wenn sie nicht alle e n g e l r e i n wären, so ist nicht abzusehen, wie sie nebeneinander auskommen, einer für den anderen nur einige Achtung haben und sich mit einander vertragen könnten. – Es gehört also schon zur ursprünglichen Zusammensetzung eines menschlichen Geschöpfs und zu seinem Gattungsbegriffe: zwar anderer Gedanken zu erkunden, die seinigen aber zurückzuhalten; welche saubere Eigenschaft denn so allmählich von V e r s t e l l u n g zur vorsetzlichen T ä u s c h u n g, bis endlich zur L ü g e fortzuschreiten nicht ermangelt. Dieses würde dann eine Karikaturzeichnung unserer Gattung abgeben; die nicht bloss zum gutmütigen B e l a c h e n derselben, sondern zur V e r a c h t u n g in dem, was ihren Charakter ausmacht, und zum Geständnisse, dass diese Rasse vernünftiger Weltwesen unter, den übrigen (uns unbekannten) keine ehrenwerte Stelle verdiene, berechtigte*5 – wenn nicht gerade eben dieses [[B 332, A 334>> verwerfende Urteil eine moralische Anlage in uns 3, eine angeborne Aufforderung der 2

H: „anderen Planeten denkt“. Akad.- Ausg.: „wird jemand, der“. 4 H: „[den Weltlauf] das“. 5 Am Rand von H: „[Wir können uns] Es könnte Wesen [denken] geben die nicht denken könnten ohne zugleich zu sprechen mithin nur laut denken könnten. Diese müssten einen ganz anderen Charakter haben als die Gattung“. 1 H: „ganz verschiedenes“. 2 H (Akad.-Ausg., Cassirer): „gegen einander abgeben“. * Friedrich II. fragte einmal den vortrefflichen S u l z e r, den er nach Verdiensten schätzte und dem er die Direktion der Schulanstalten in Schlesien aufgetragen hatte, wie es damit ginge. Sulzer antwortete: „seitdem dass man auf dem Grundsatz (des Rousseau), dass der Mensch von Natur gut sei, fortgebauet hat, fängt es an besser zu gehen“. „Ah (sagte der König), Mon cher Sulzer, vous ne con[[Anm. A 334>>naissez pas assez cette maudite race a laquelle nous appartenons 5“. – Zum Charakter unserer Gattung gehört [[Anm. B 332>> auch: dass sie, zur bürgerlichen Verfassung strebend, auch einer Disziplin durch Religion bedarf, damit, was durch ä u s s e r e n Zwang nicht erreicht werden kann, durch i n n e r n (des Gewissens) bewirkt werde; indem die moralische Anlage des Menschen von Gesetzgebern politisch benutzt wird; eine Tendenz, die zum Charakter der Gattung gehört. Wenn aber in dieser Disziplin des Volks die Moral nicht vor der Religion vorhergeht, so macht sich diese zum Meister über jene und statutarische Religion wird ein Instrument der Staatsgewalt (Politik) unter G l a u b e n s d e s p o t e n: ein Übel, was den Charakter unvermeidlich verstimmt und verleitet, mit B e t r u g (Staatsklugheit genannt) zu regieren; wovon jener grosse Monarch, indem er ö f f e n t l i c h bloss der oberste Diener des Staats zu sein bekannte, seufzend in sich das Gegenteil in seinem Privatgeständnis nicht bergen konnte, doch mit der Entschuldigung für seine Person, diese Verderbtheit der schlimmen R a s s e, welche Menschengattung heisst, zuzurechnen. 5 Übersetzung des Herausgebers: „Mein lieber Sulzer, Sie kennen diese verwünschte Rasse nicht genügend, zu der wir gehören“. 3 H: „in derselben“. 3

Vernunft verriete4, auch jenem Hange entgegen zu arbeiten, mithin die Menschengattung nicht als böse, sondern als eine aus dem Bösen zum Guten in beständigem Fortschreiten unter Hindernissen emporstrebende Gattung vernünftiger Wesen darzustellen; wobei dann ihr Wollen1, im allgemeinen, gut, das Vollbringen aber dadurch erschwert ist, dass die Erreichung des Zwecks nicht von der freien Zusammenstimmung der e i n z e l n e n, sondern nur durch fortschreitende Organisation der Erdbürger in und zu der Gattung als einem System 2, d. i. kosmopolitisch3 verbunden ist, erwartet werden kann.4 ÜBER PÄDAGOGIK T I T E L D E R O R I G I N A L A U S G A B E (A) Immanuel Kant über Pädagogik. Herausgegeben von D. Friedrich Theodor Rink. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius, 1803. [[A III>> VORREDE DES HERAUSGEBERS Nach einer älteren Verordnung musste ehedessen fortwährend auf der Universität Königsberg, und zwar abwechselnd jedes Mal, von einem Professor der Philosophie, den Studierenden die Pädagogik vorgetragen werden. So traf denn zuweilen auch die Reihe dieser Vorlesungen den Herrn Professor Kant, welcher dabei das von seinem ehemaligen Kollegen, dem Konsistorialrat D. Bock herausgegebene L e h r b u c h d e r E r z i e h u n g s k u n s t zum Grunde legte, ohne sich indessen, weder im Gange der Untersuchung, noch in den Grundsätzen, genau daran zu halten. Diesem Umstande verdanken folgende Bemerkungen über die Pädagogik ihr Entstehen. [[A IV>> Sie würden wahrscheinlich interessanter noch, und in mancher Hinsicht ausführlicher sein, wenn der Zeitumfang jener Vorlesungen nicht so enge wäre zugemessen 4

H: „verriete [einander als Menschen aus dieser aufzufordern und zu ermuntern die Annäherung [zur Besserung] [zum Besseren] [Guten] zum Besseren in der Denkungsart wozu die Triebfeder in uns liegt zu befördern]“. 1 H: „dann [der] ihr Wille“. 2 H: „System [in ihrer wechselseitigen Unterordnung]“. 3 Akad.-Ausg.: „System, das kosmopolitisch“. 4 Auf der folgenden sonst unbeschriebenen Seite am Rand von H: „Wenn die Moral nicht vor der Rel: vorher geht so macht sich diese zum Meister über jene und die Staatsgewalt ist in den Händen der Glaubenslehrer und Priester.“

gewesen, als er es würklich war, und Kant in der Art Veranlassung gefunden hätte, sich weiter über diesen Gegenstand auszubreiten, und schriftlich ausführlicher zu sein. Die Pädagogik hat neuerdings durch die Bemühungen mehrerer verdienter Männer, namentlich eines Pestalozzi und Olivier, eine neue interessante Richtung genommen, zu der wir dem kommenden Geschlechte, nicht minder, als zu den Schutzblattern Glück wünschen dürfen, ohngeachtet der mancherlei Einwendungen, die beide noch erfahren müssen, und die sich freilich bald sehr gelehrt, bald sehr vornehm ausgeben, ohne doch deshalb eben sonderlich solide zu sein. Dass Kant die neuen Ideen damaliger Zeit auch in dieser Hinsicht kannte, über sie nachdachte, und manchen Blick weiter hinaustat, als seine Zeitgenossen, das versteht sich freilich von selbst und ergibt sich auch aus [[A V>> diesen, wenn gleich nicht aus eigner Wahl, hingeworfenen Bemerkungen. Von meinen beiläufigen Anmerkungen habe ich nichts zu sagen; sie sprechen für sich. Nach den niedrigen Angriffen, die sich der Buchhändler Vollmer in Beziehung auf meine Ausgabe der Kantischen physischen Geographie erlaubt hat, kann die Herausgabe solcher Handschriften unmöglich mehr ein angenehmes Geschäfte für mich sein. Da ich ruhig, zufrieden und tätig in meinem ohnedies nicht engen Würkungskreise leben kann, warum soll ich mich unberufenen Anforderungen blossstellen, und unzeitigen Urteilen preisgeben ? Besser, ich widme die Augenblicke meiner Musse jenen Studien, in denen ich, mit dem Beifalle der Kenner, mir einige Verdienste erworben zu haben, und noch erwerben zu können, glauben darf. Die Literatur unsers Vaterlandes, mit Ausnahme ihrer eigentlich gelehrten Zweige, bietet ja eben kein reizendes Schauspiel dar, und das überall hervorspringende Parteimachen, verbunden mit den anzüglichen Fehden [[A VI>> und durchfallenden Klopffechtereien, worauf sich mitunter sogar unsre bessere Köpfe einlassen, ist nicht sonderlich einladend zur Teilnahme. Gar gerne überlasse ich andern das Vergnügen, sich Beulen zu holen, um sie ihren Gegnern mit Zinsen wieder abtragen zu können, und sich dadurch ein gewisses Dreifussrecht zu erwerben, unter dessen Gewaltstreichen sie sicli zur literarischen Diktatur zu erheben wähnen. Wehe dieser papiernen Herrlichkeit ! Aber wenn winl es anders, wenn besser werden? Zur Jubilatemesse 1803.

R i n k.

[[A 1>> Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss. Unter der Erziehung nämlich verstehen wir die Wartung (Verpflegung, Unterhaltung), Disziplin (Zucht) und Unterweisung nebst der Bildung. Dem zufolge ist der Mensch Säugling, – Zögling, – und Lehrling. Die Tiere gebrauchen ihre Kräfte, sobald sie deren nur welche haben, regelmässig, d. h. in der Art, dass sie ihnen selbst nicht schädlich werden. Es ist in der Tat bewundernswürdig, wenn man z. E. die jungen Schwalben wahrnimmt, die kaum aus den Eiern gekrochen, und noch blind sind, wie die es nichts desto weniger zu machen wissen, dass sie ihre Exkremente aus dem Neste fallen lassen. Tiere brauchen daher keine Wartung, höchstens Futter, Erwärmung und Anführung, oder einen gewissen Schutz. [[A 2>> Ernährung brauchen wohl die meisten Tiere, aber keine Wartung. Unter Wartung nämlich versteht man die Vorsorge der Eltern, dass die Kinder keinen schädlichen Gebrauch von ihren Kräften machen. Sollte ein Tier z. E., gleich wenn es auf die Welt kommt, schreien, wie die Kinder es tun: so würde es unfehlbar der Raub der Wölfe und anderer wilden Tiere werden, die es durch sein Geschrei herbeigelockt. Disziplin oder Zucht ändert die Tierheit in die Menschheit um. Ein Tier ist schon alles durch seinen Instinkt; eine fremde Vernunft hat bereits alles für dasselbe besorgt. Der Mensch aber braucht eigene Vernunft. Er hat keinen Instinkt, und muss sich selbst den Plan seines Verhaltens machen. Weil er aber nicht sogleich im Stande ist, dieses zu tun, sondern roh auf die Welt kommt: so müssen es andere für ihn tun.

Die Menschengattung soll die ganze Naturanlage der Menschheit, durch ihre eigne Bemühung, nach und nach von selbst herausbringen. Eine Generation erzieht die andere. Den ersten [[A 3>> Anfang kann man dabei in einem rohen, oder auch in einem vollkommnen, ausgebildeten Zustande suchen. Wenn dieser letztere als vorher und zuerst gewesen angenommen wird: so muss der Mensch doch nachmals wieder verwildert und in Rohigkeit verfallen sein. Disziplin verhütet, dass der Mensch nicht durch seine tierischen Antriebe von seiner Bestimmung, der Menschheit, abweiche. Sie muss ihn z. E. einschränken, dass er sich nicht wild und unbesonnen in Gefahren begebe. Zucht ist also bloss negativ, nämlich die Handlung, wodurch man dem Menschen die Wildheit benimmt, Unterweisung hingegen ist der positive Teil der Erziehung. Wildheit ist die Unabhängigkeit von Gesetzen. Disziplin unterwirft den Menschen den Gesetzen der Menschheit, und fängt an, ihm den Zwang der Gesetze fühlen zu lassen. Dieses muss aber frühe geschehen. So schickt man z. E. Kinder anfangs in die Schule, nicht schon in der Absicht, damit sie dort etwas lernen sollen, sondern damit sie sich daran gewöhnen mö[[A 4>>gen, still zu sitzen, und pünktlich das zu beobachten, was ihnen vorgeschrieben wird, damit sie nicht, in Zukunft, jeden ihrer Einfälle würklich auch und augenblicklich in Ausübung bringen mögen. Der Mensch hat aber von Natur einen so grossen Hang zur Freiheit, dass, wenn er erst eine Zeitlang an sie gewöhnt ist, er ihr alles aufopfert. Eben daher muss denn die Disziplin auch, wie gesagt, sehr frühe in Anwendung gebracht werden, denn wenn das nicht geschieht, so ist es schwer, den Menschen nachher zu ändern. Er folgt dann jeder Laune. Man sieht es auch an den wilden Nationen, dass, wenn sie gleich den Europäern längere Zeit hindurch Dienste tun, sie sich doch nie an ihre Lebensart gewöhnen. Bei ihnen ist dieses aber nicht ein edler Hang zur Freiheit, wie Rousseau und andere meinen, sondern eine gewisse Rohigkeit, indem das Tier hier gewissermassen die Menschheit noch nicht in sich entwickelt hat. Daher muss der Mensch frühe gewöhnt werden, sich den Vorschriften der Vernunft zu unterwerfen. [[A 5>> Wenn man ihm in der Jugend seinen Willen gelassen und ihm da nichts widerstanden hat: so behält er eine gewisse Wildheit durch sein ganzes Leben. Und es hilft denen auch nicht, die durch allzugrosse mütterliche Zärtlichkeit in der Jugend geschont werden, denn es wird ihnen weiterhin nur desto mehr, von allen Seiten her, widerstanden, und überall bekommen sie Stösse, sobald sie sich in die Geschäfte der Welt einlassen. Dieses ist ein gewöhnlicher Fehler bei der Erziehung der Grossen, dass man ihnen, weil sie zum Herrschen bestimmt sind, auch in der Jugend nie eigentlich widersteht. Bei dem Menschen ist, wegen seines Hanges zur Freiheit, eine Abschleifung seiner Rohigkeit nötig; bei dem Tiere hingegen wegen seines Instinktes nicht. Der Mensch braucht Wartung und Bildung. Bildung begreift unter sich Zucht und Unterweisung. Diese braucht, soviel man weiss, kein Tier. Denn keins derselben lernt etwas von den Alten, ausser die Vögel ihren Gesang. Hierin werden sie von den Alten unterrichtet, [[A 6>> und es ist rührend anzusehen, wenn, wie in einer Schule, die Alte ihren Jungen aus allen Kräften vorsingt, und diese sich bemühen, aus ihren kleinen Kehlen dieselben Töne herauszubringen. Um sich zu überzeugen, dass die Vögel nicht aus Instinkt singen, sondern es würklich lernen, lohnt es der Mühe, die Probe zu machen, und etwa die Hälfte von ihren Eiern den Kanarienvögeln wegzunehmen, und ihnen Sperlingseier unterzulegen, oder auch wohl die ganz jungen Sperlinge mit ihren Jungen zu vertauschen. Bringt man diese nun in eine Stube, wo sie die Sperlinge nicht draussen hören können: so lernen sie den Gesang der Kanarienvögel, und man bekommt singende Sperlinge. Es ist auch in der Tat sehr zu bewundern, dass jede Vogelgattung durch alle Generationen einen gewissen Hauptgesang behält, und die Tradition des Gesanges ist wohl die treueste in der Welt. [[A 7>> Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht. Es ist zu bemerken, dass der Menseh nur durch Menschen

erzogen wird, durch Menschen, die ebenfalls erzogen sind. Daher macht auch Mangel an Disziplin und Unterweisung bei einigen Menschen sie wieder zu schlechten Erziehern ihrer Zöglinge. Wenn einmal ein Wesen höherer Art sich unserer Erziehung annähme, so würde man doch sehen, was aus dem Menschen werden könne. Da die Er[[A 8>>ziehung aber teils den Menschen einiges lehrt, teils einiges auch nur bei ihm entwickelt: so kann man nicht wissen, wie weit bei ihm die Naturanlagen gehen. Würde hier wenigstens ein Experiment durch Unterstützung der Grossen, und durch die vereinigten Kräfte vieler gemacht: so würde auch das schon uns Aufschlüsse darüber geben, wie weit es der Mensch etwa zu bringen vermöge. Aber es ist für den spekulativen Kopf eine eben so wichtige, als für den Menschenfreund eine traurige Bemerkung, zu sehen, wie die Grossen meistens nur immer für sieh sorgen, und nicht an dem wichtigen Experimente der Erziehung in der Art Teil nehmen, dass die Natur einen Schritt näher zur Vollkommenheit tue. Es ist niemand, der nicht in seiner Jugend verwahrloset wäre, und es im reifern Alter nicht selbst einsehen sollte, worin, es sei in der Disziplin, oder in der Kultur (so kann man die Unterweisung nennen) er vernachlässigt worden. Derjenige, der nicht kultiviert ist, ist roh, wer nicht diszipliniert ist, ist wild. Verabsäumung [[A 9>> der Disziplin ist ein grösseres Übel, als Verabsäumung der Kultur, denn diese kann noch weiterhin nachgeholt werden; Wildheit aber lässt sich nicht wegbringen, und ein Versehen in der Disziplin kann nie ersetzt werden. Vielleicht, dass die Erziehung immer besser werden, und dass jede folgende Generation einen Schritt näher tun wird zur Vervollkommnung der Menschheit; denn hinter der Edukation steckt das grosse Geheimnis der Vollkommenheit der menschlichen Natur. Von jetzt an kann dieses geschehen. Denn nun erst fängt man an, richtig zu urteilen, und deutlich einzusehen, was eigentlich zu einer guten Erziehung gehöre. Es ist entzückend, sich vorzustellen, dass die menschliche Natur immer besser durch Erziehung werde entwickelt werden, und dass man diese in eine Form bringen kann, die der Menschheit angemessen ist. Dies eröffnet uns den Prospekt zu einem künftigen glücklichern Menschengeschlechte. – Ein Entwurf zu einer Theorie der Erziehung ist ein herrliches Ideal, und es schadet nichts, wenn wir auch nicht gleich im Stande sind, es [[A 10>> zu realisieren. Man muss nur nicht gleich die Idee für schimärisch halten, und sie als einen schönen Traum verrufen, wenn auch Hindernisse bei ihrer Ausführung eintreten. Eine Idee ist nichts anderes, als der Begriff von einer Vollkommenheit, die sich in der Erfahrung noch nicht vorfindet. Z. E. die Idee einer vollkommnen, nach Regeln der Gerechtigkeit regierten Republik ! Ist sie deswegen unmöglich ? Erst muss unsere Idee nur richtig sein, und dann ist sie bei allen Hindernissen, die ihrer Ausführung noch im Wege stehen, gar nicht unmöglich. Wenn z. E. ein jeder löge, wäre deshalb das Wahrreden eine blosse Grille ? Und die Idee einer Erziehung, die alle Naturanlagen im Menschen entwickelt, ist allerdings wahrhaft. Bei der jetzigen Erziehung erreicht der Mensch nicht ganz den Zweck seines Daseins. Denn wie verschieden leben die Menschen ! Eine Gleichförmigkeit unter ihnen kann nur Statt finden, wenn sie nach einerlei Grundsätzen handeln, und diese Grundsätze müssten ihnen zur andern Natur werden. Wir können an dem Pla[[A 11>>ne einer zweckmässigern Erziehung arbeiten, und eine Anweisung zu ihr der Nachkommenschaft überliefern, die sie nach und nach realisieren kann. Man sieht z. B. an den Aurikeln, dass, wenn man sie aus der Wurzel zieht, man sie alle nur von einer und derselben Farbe bekommt; wenn man dagegen aber ihren Samen aussäet: so bekommt man sie von ganz andern und den verschiedensten Farben. Die Natur hat also doch die Keime in sie gelegt, und es kömmt nur auf das gehörige Säen und Verpflanzen an, um diese in ihnen zu entwickeln. So auch bei dem Menschen ! Es liegen viele Keime in dcr Menschheit, und nun ist es unsere Sache, die Naturanlagen proportionierlich zu entwickeln, und die Menschheit aus ihren Keimen zu entfalten, und zu machen, dass der Mensch seine Bestimmung erreiche. Die Tiere erfüllen diese von selbst, und ohne dass sie sie kennen. Der Mensch muss erst suchen, sie zu erreichen, dieses kann aber nicht geschehen, wenn er nicht einmal einen Begriff von seiner Bestimmung hat. Bei dem Indi[[A 12>>viduo ist die Erreichung der Bestimmung auch

gänzlich unmöglich. Wenn wir ein wirklich ausgebildetes erstes Menschenpaar annehmen, so wollen wir doch sehen, wie es seine Zöglinge erzieht. Die ersten Eltern geben den Kindern schon ein Beispiel, die Kinder ahmen es nach, und so entwickeln sich einige Naturanlagen. Alle können nicht auf diese Art ausgebildet werden, denn es sind meistens alles nur Gelegenheitsumstände, bei denen die Kinder Beispiele sehen. Vormals hatten die Menschen keinen Begriff einmal von der Vollkommenheit, die die menschliche Natur erreichen kann. Wir selbst sind noch nicht einmal mit diesem Begriffe auf dem reinen. Soviel ist aber gewiss, dass nicht einzelne Menschen, bei aller Bildung ihrer Zöglinge, es dahin bringen können, dass dieselben ihre Bestimmung erreichen. Nicht einzelne Menschen, sondern die Menschengattung soll dahin gelangen. [[A 13>> Die Erziehung ist eine Kunst, deren Ausübung durch viele Generationen vervollkommnet werden muss. Jede Generation, versehen mit den Kenntnissen der vorhergehenden, kann immer mehr eine Erziehung zu Stande bringen, die alle Naturanlagen des Menschen proportionierlich und zweckmässig entwickelt, und so die ganze Menschengattung zu ihrer Bestimmung führt. – Die Vorsehung hat gewollt, dass der Mensch das Gute aus sich selbst herausbringen soll, und spricht, so zu sagen, zum Menschen: „Gehe in die Welt,” – so etwa könnte der Schöpfer den Menschen anreden! – „ich habe dich ausgerüstet mit allen Anlagen zum Guten. Dir kömmt es zu, sie zu entwickeln, und so hängt dein eignes Glück und Unglück von dir selbst ab.” [[A 14>> Der Mensch soll seine Anlagen zum Guten erst entwickeln; die Vorsehung hat sie nicht schon fertig in ihn gelegt; es sind blosse Anlagen und ohne den Unterschied der Moralität. Sich selbst besser machen, sich selbst kultivieren, und, wenn er böse ist, Moralität bei sich hervorbringen, das soll der Mensch. Wenn man das aber reiflich überdenkt, so findet man, dass dieses sehr schwer sei. Daher ist die Erziehung das grässeste Problem, und das schwerste, was dem Menschen kann aufgegeben werden. Denn Einsicht hängt von der Erziehung, und Erziehung hängt wieder von der Einsicht ab. Daher kann die Erziehung auch nur nach und nach einen Schritt vorwärts tun, und nur dadurch, dass eine Generation ihre Erfahrungen und Kenntnisse der folgenden überliefert, diese wieder etwas hinzu tut, und es so der folgenden übergibt, kann ein richtiger Begriff von der Erziehungsart entspringen. Welche grosse Kultur und Erfahrung setzt also nicht dieser Begriff voraus ? Er konnte demnach auch nur spät entstehen, und wir selbst haben ihn noch nicht ganz ins reine [[A 15>> gebracht. Ob die Erziehung im einzelnen wohl der Ausbildung der Menschheit im allgemeinen, durch ihre verschiedenen Generationen, nachahmen soll ? Zwei Erfindungen der Menschen kann man wohl als die schweresten ansehen: die der Regierungs- und die der Erziehungskunst nämlich, und doch ist man selbst in ihrer Idee noch streitig. Von wo fangen wir nun aber an, die menschlichen Anlagen zu entwickeln ? Sollen wir von dem rohen, oder von einem schon ausgebildeten Zustande anfangen ! Es ist schwer, sich eine Entwickelung aus der Roheit zu denken (daher ist auch der Begriff des ersten Menschen so schwer), und wir sehen, dass, bei einer Entwickelung aus einem solchen Zustande, man doch immer wieder in Rohigkeit zurück gefallen ist, und dann erst sich wieder aufs neue aus demselben emporgehoben hat. Auch bei sehr gesitteten Völkern finden wir in den frühesten Nachrichten, die sie uns aufgezeichnet hinterlassen haben, – und wie viele Kultur ge[[A 16>>hört nicht schon zum Schreiben ? so dass man, in Rücksicht auf gesittete Menschen, den Anfang der Schreibekunst den Anfang der Welt nennen könnte – ein starkes Angrenzen an Rohigkeit. Weil die Entwickelung der Naturanlagen bei dem Menschen nicht von selbst geschieht, so ist alle Erziehung – eine Kunst. – Die Natur hat dazu keinen Instinkt in ihn gelegt. – Der Ursprung sowohl, als der Fortgang dieser Kunst ist entweder m e c h a n i s c h, ohne Plan, nach gegebenen Umständen geordnet, oder j u d i z i ö s. Mechanisch entspringt die Erziehungskunst bloss bei vorkommenden Gelegenheiten, wo wir erfahren, ob etwas dem Menschen schädlich, oder nützlich sei. Alle Erziehungskunst, die bloss mechanisch

entspringt, muss sehr viele Fehler und Mängel an sich tragen, weil sie keinen Plan zum Grunde hat. Die Erziehungskunst oder Pädagogik muss also judiziös werden, wenn sie die menschliche Natur so entwickeln soll, dass sie ihre Bestimmung erreiche. Schon erzogene Eltern sind Beispiele, nach denen sich die Kin[[A 17>>der bilden, zur Nachachtung. Aber wenn diese besser werden sollen: so muss die Pädagogik ein Studium werden, sonst ist nichts von ihr zu hoffen, und ein in der Erziehung Verdorbener erzieht sonst den andern. Der Mechanismus in der Erziehungskunst muss in Wissenschaft verwandelt werden, sonst wird sie nie ein zusammenhängendes Bestreben werden, und eine Generation möchte niederreissen, was die andere schon aufgebaut hätte. Ein Prinzip der Erziehungskunst, das besonders solche Männer, die Pläne zur Erziehung machen, vor Augen haben sollten, ist: Kinder sollen nicht dem gegenwärtigen, sondern dem zukünftig möglich1 bessern Zustande des menschlichen Geschlechts, das ist: der Idee der Menschheit, und deren ganzer Bestimmung angemessen, erzogen werden. Dieses Prinzip ist von grosser Wichtigkeit. Eltern erziehen gemeiniglich ihre Kinder nur so, dass sie in die gegenwärtige Welt, sei sie auch verderbt, passen. Sie sollten sie aber besser erziehen, damit ein zukünftiger besse[[A 18>>rer Zustand dadurch hervorgebracht werde. Es finden sich hier aber zwei Hindernisse: 1) Die Eltern nämlich sorgen gemeiniglich nur dafür, dass ihre Kinder gut in der Welt fortkommen, und 2) die Fürsten betrachten ihre Untertanen nur wie Instrumente zu ihren Absichten. Eltern sorgen für das Haus, Fürsten für den Staat. Beide haben nicht das Weltbeste und die Vollkommenheit, dazu die Menschheit bestimmt ist, und wozu sie auch die Anlage hat, zum Endzwecke. Die Anlage zu einem Erziehungsplane muss aber kosmopolitisch gemacht werden. Und ist dann das Weltbeste eine Idee, die uns in unserm Privatbesten kann schädlich sein ? Niemals ! denn wenn es gleich scheint, dass man bei ihr etwas aufopfern müsse: so befördert man doch nichts desto weniger durch sie immer auch das Beste seines gegenwärtigen Zustandes. Und dann, welche herrliche Folgen begleiten sie ! Gute Erziehung gerade ist das, woraus alles Gute in der Welt entspringt. Die Keime, die im Menschen liegen, müssen nur im[[A 19>>mer mehr entwickelt werden. Denn die Gründe zum Bösen findet man nicht in den Naturanlagen des Menschen. Das nur ist die Ursache des Bösen, dass die Natur nicht unter Regeln gebracht wird. Im Menschen liegen nur Keime zum Guten. Wo soll der bessere Zustand der Welt nun aber herkommen ? Von den Fürsten, oder von den Untertanen ? dass diese nämlich sich erst selbst bessern, und einer guten Regierung auf dem halben Wege entgegen kommen ? Soll er von den Fürsten begründet werden: so muss erst die Erziehung der Prinzen besser werden, die geraume Zeit hindurch noch immer den grossen Fehler hatte, dass man ihnen in der Jugend nicht widerstand. Ein Baum aber, der auf dem Felde allein steht, wächst krumm, und breitet seine Äste weit aus; [[A 20>> ein Baum hingegen, der mitten im Walde stehet, wächst, weil die Blume neben ihm ihm widerstehen, gerade auf, und sucht Luft und Sonne über sich. So ist es auch mit den Fürsten. Doch ist es noch immer besser, dass sie von jemand aus der Zahl der Untertanen erzogen werden, als wenn sie von ihresgleichen erzogen würden: Das Gute dürfen wir also von oben her nur in dem Falle erwarten, dass die Erziehung dort die vorzüglichere ist ! Daher kommt es hier denn hauptsächlich auf Privatbemühungen an, und nicht sowohl auf das Zutun der Fürsten, wie Basedow und andere meinten, denn die Erfahrung lehrt es, dass sie zunächst nicht sowohl das Weltbeste, als vielmehr nur das Wohl ihres Staates zur Absicht haben, damit sie ihre Zwecke erreichen. Geben sie aber das Geld dazu her: so muss es ja ihnen auch anheimgestellt bleiben, dazu den Plan vorzuzeichnen. So ist es in allem, was die Ausbildung des menschlichen Geistes, die Erweiterung menschlicher Erkenntnisse betrifft. Macht und Geld schaffen es nicht, erleichtern es höchstens. Aber [[A 21>> sie könnten es schaffen, wenn die Staatsökonomie nicht für die Reichskasse nur im voraus die Zinsen berechnete. Auch 1

Akad.-Ausg.: „zukünftig möglichen”.

Akademien taten es bisher nicht, und daŕ sie es noch tun werden, dazu war der Anschein nie geringer, als jetzt. Demnach sollte auch die Einrichtung der Schulen bloss von dem Urteile der aufgeklärtesten Kenner abhängen. Alle Kultur fängt von dem Privatmanne an, und breitet von daher sich aus. Bloss durch die Bemühung der Personen von extendierteren Neigungen, die Anteil an dem Weltbesten nehmen, und der Idee eines zukünftigen bessern Zustandes fähig sind, ist die allmähliche Annäherung der menschlichen Natur zu ihrem Zwecke möglich. Siehet hin und wieder doch noch mancher Grosse sein Volk gleichsam nur für einen Teil des Naturreiches an, und richtet also auch nur darauf sein Augenmerk, dass es fortgepflanzt werde. Höchstens verlangt man dann auch noch Geschicklichkeit, aber bloss um die Untertanen desto besser als Werkzeug zu seinen Absichten gebrauchen zu können. Privatmänner müssen freilich auch zuerst den Naturzweck [[A 22>> vor Augen haben, aber dann auch besonders auf die Entwickelung der Menschheit und dahin sehn, dass sie nicht nur geschickt, sondern auch gesittet werde, und, welches das schwerste ist, dass sie suchen, die Nachkommenschaft weiter zu bringen, als sie selbst gekommen sind. Bei der Erziehung muss der Mensch also 1) d i s z i p l i n i e r t werden. Disziplinieren heisst suchen zu verhüten, dass die Tierheit nicht der Menschheit, in dem einzelnen sowohl, als gesellschaftlichen Menschen, zum Schaden gereiche. Disziplin ist also bloss Bezähmung der Wildheit. 2) Muss der Mensch k u l t i v i e r t werden. Kultur begreift unter sich die Belehrung und die Unterweisung. Sie ist die Verschaffung der Geschicklichkeit. Diese ist der Besitz eines Vermögens, welches zu allen beliebigen Zwecken zureichend ist. Sie bestimmt also gar keine Zwecke, sondern überlässt das nachher den Umständen. Einige Geschicklichkeiten sind in allen Fällen gut, z. E. das Lesen und Schreiben; andere nur zu einigen Zwecken, z. E. die Musik, um uns [[A 23>> beliebt zu machen. Wegen der Menge der Zwecke wird die Geschicklichkeit gewissermassen unendlich. 3) Muss man darauf sehen, dass der Mensch auch k l u g werde, in die menschliche Gesellschaft passe, dass er beliebt sei, und Einfluss habe. Hiezu gehört eine gewisse Art von Kultur, die man Z i v i l i s i e r u n g nennet. Zu derselben sind Manieren, Artigkeit und eine gewisse Klugheit erforderlich, der zufolge man alle Menschen zu seinen Endzwecken gebrauchen kann. Sie richtet sich nach dem wandelbaren Geschmacke jedes Zeitalters. So liebte man noch vor wenigen Jahrzehenden Zeremonien im Umgange. 4) Muss man auf die M o r a l i s i e r u n g sehen. Der Mensch soll nicht bloss zu allerlei Zwecken geschickt sein, sondern auch die Gesinnung bekommen, dass er nur lauter gute Zwecke erwähle. Gute Zwecke sind diejenigen, die notwendigerweise von jedermann gebilligt werden; und die auch zu gleicher Zeit jedermanns Zwecke sein können. __________ [[A 24>> Der Mensch kann entweder bloss dressiert, abgerichtet, mechanisch unterwiesen, oder würklich aufgeklärt werden. Man dressiert Hunde, Pferde, und man kann auch Menschen dressieren. (Dieses Wort kommt aus dem Englischen her, von to dress, k l e i d e n. Daher auch Dresskammer, der Ort, wo die Prediger sich umkleiden, und nicht Trostkammer.) Mit dem Dressieren aber ist es noch nicht ausgerichtet, sondern es kommt vorzüglich darauf an, dass Kinder d e n k e n lernen. Das geht auf die Prinzipien hinaus, aus denen alle Handlungen entspringen. Man sieht also, dass bei einer echten Erziehung sehr vieles zu tun ist. Gewöhnlich wird aber bei der Privaterziehung das vierte wichtigste Stück noch wenig in Ausübung gebracht, denn man erzieht die Kinder im wesentlichen so, dass man die Moralisierung dem Prediger überlässet. Wie unendlich wichtig ist es aber nicht, die Kinder von Jugend auf das Laster verabscheuen zu lehren, nicht gerade allein aus dem Grunde, weil Gott es verboten hat, sondern weil es in sich selbst verab[[A 25>>scheuungswürdig ist. Sonst nämlich kommen sie leicht auf die Gedanken, dass sie es wohl immer würden ausüben

können, und dass es übrigens wohl würde erlaubt sein, wenn Gott es nur nicht verboten hätte, und dass Gott daher wohl einmal eine Ausnahme machen könne. Gott ist das heiligste Wesen, und will nur das, was gut ist, und verlangt, dass wir die Tugend, ihres innern Wertes wegen, ausüben sollen, und nicht deswegen, weil er es verlangt. Wir leben im Zeitpunkte der Disziplinierung, Kultur und Zivilisierung, aber noch lange nicht in dem Zeitpunkte der Moralisierung. Bei dem jetzigen Zustande der Menschen kann man sagen, dass das Glück der Staaten zugleich mit dem Elende der Menschen wachse. Und es ist noch die Frage, ob wir im rohen Zustande, da alle diese Kultur bei uns nicht Statt fände, nicht glücklicher, als in unserm jetzigen Zustande sein würden ? Denn wie kann man Menschen glücklich machen, wenn man sie nicht sittlich und wei[[A 26>>se macht ? Die Quantität des Bösen wird dann nicht vermindert. Erst muss man Experimentalschulen errichten, ehe man Normalschulen errichten kann. Die Erziehung und Unterweisung muss nicht bloss mechanisch sein, sondern auf Prinzipien beruhen. Doch darf sie auch nicht bloss räsonierend, sondern gleich, in gewisser Weise, Mechanismus sein. In Österreich gab es meistens nur Normalschulen, die nach einem Plan errichtet waren, wider den vieles mit Grunde gesagt wurde, und dem man besonders blinden Mechanismus vorwerfen konnte. Nach diesen Normalschulen mussten sich denn alle andere richten, und man weigerte sich sogar, Leute zu befördern, die nicht in diesen Schulen gewesen waren. Solche Vorschriften zeigen, wie sehr die Regierung sich hiermit befasse, und bei einem dergleichen Zwange kann wohl unmöglich etwas Gutes gedeihen. Man bildet sich zwar insgemein ein, dass Experimente bei der Erziehung nicht nötig wären, und dass man schon aus der Vernunft urteilen könne, ob etwas gut, oder nicht gut sein [[A 27>> werde. Man irret hierin aber sehr, und die Erfahrung lehrt, dass sich oft bei unsern Versuchen ganz entgegengesetzte Würkungen zeigen von denen, die man erwartete. Man sieht also, dass, da es auf Experimente ankommt, kein Menschenalter einen völligen Erziehungsplan darstellen kann. Die einzige Experimentalschule, die hier gewissermassen den Anfang machte, die Bahn zu brechen, war das Dessauische Institut. Man muss ihm diesen Ruhm lassen, ohngeachtet der vielen Fehler, die man ihm zum Vorwurfe machen könnte; Fehler, die sich bei allen Schlüssen, die man aus Versuchen macht, vorfinden, dass nämlich noch immer neue Versuche dazu gehören. Es war in gewisser Weise die einzige Schule, bei der die Lehrer die Freiheit hatten, nach eigenen Methoden und Planen zu arbeiten, und wo sie unter sich sowohl, als auch mit allen Gelehrten in Deutschland in Verbindung standen. __________ Die Erziehung schliesst V e r s o r g u n g und B i l d u n g in sich. Diese ist 1) n e g a t i v, [[A 28>> die Disziplin, die bloss Fehler abhält; 2) p o s i t i v, die Unterweisung und Anführung, und gehört in so ferne zur Kultur. A n f ü h r u n g ist die Leitung in der Ausübung desjenigen, was man gelehrt hat. Daher entsteht der Unterschied zwischen I n f o r m a t o r, der bloss ein Lehrer, und H o f m e i s t e r, der ein Führer ist. Jener erzieht bloss für die Schule, dieser für das Leben. Die erste Epoche bei dem Zöglinge ist die, da er Unterwürfigkeit und einen passiven Gehorsam beweisen muss; die andere, da man ihm schon einen Gebrauch von der Überlegung und seiner Freiheit, doch unter Gesetzen, machen lässt. In der ersten ist ein mechanischer, in der andern ein moralischer Zwang. Die Erziehung ist entweder eine P r i v a t- oder eine ö f f e n t l i c h e Erziehung. Letztere betrifft nur die Information, und diese kann immer öffentlich bleiben. Die Ausübung der Vorschriften wird der erstern überlassen. Eine vollständige öffentliche Erziehung ist diejenige, die beides, Unterweisung und moralische Bildung, [[A 29>> vereiniget. Ihr Zweck ist: Beförderung einer guten Privaterziehung. Eine Schule, in der dieses geschieht, nennt man ein Erziehungsinstitut. Solcher Institute können nicht viele, und die Anzahl der Zöglinge in denselben kann nicht gross sein, weil sie sehr kostbar sind, und ihre blosse Einrichtung schon sehr vieles Geld erfordert. Es verhält sich mit ihnen, wie mit den Armenhäusern und

Hospitälern. Die Gebäude, die dazu erfordert werden, die Besoldung der Direktoren, Aufseher und Bedienten, nehmen schon die Hälfte von dem dazu ausgesetzten Gelde weg, und es ist ausgemacht, dass, wenn man dieses Geld den Armen in ihre Häuser schickte, sie viel besser verpflegt werden würden. Daher ist es auch schwer, dass andere, als bloss reicher Leute Kinder, an solchen Instituten Teil nehmen können. Der Zweck solcher öffentlicher Institute ist: die Vervollkommnung der häuslichen Erziehung. Wenn erst nur die Eltern, oder andere, die ihre Mitgehülfen in der Erziehung sind, gut erzogen wären: so könnte der Aufwand der öffentli[[A 30>>chen Institute wegfallen. In ihnen sollen Versuche gemacht, und Subjekte gebildet werden, und so soll aus ihnen dann eine gute häusliche Erziehung entspringen. Die Privaterziehung besorgen entweder die Eltern selbst, oder, da diese bisweilen nicht Zeit, Fähigkeit, oder auch wohl gar nicht Lust dazu haben, andere Personen, die besoldete Mitgehülfen sind. Bei der Erziehung durch diese Mitgehülfen findet sich aber der sehr schwierige Umstand, dass die Auktorität zwischen den Eltern und diesen Hofmeistern geteilt ist. Das Kind soll sich nach den Vorschriften der Hofmeister richten, und dann auch wieder den Grillen der Eltern folgen. Es ist bei einer solchen Erziehung notwendig, dass die Eltern ihre ganze Auktorität an die Hofmeister abtreten. In wie ferne dürfte aber die Privaterziehung vor der öffentlichen, oder diese vor jener, Vorzüge haben ? Im allgemeinen scheint doch, nicht bloss von seiten der Geschicklichkeit, sondern auch in betreff des Charakters eines Bürgers, die öffentliche Erziehung vorteilhafter, als [[A 31>> die häusliche zu sein. Die letztere bringt gar oft nicht nur Familienfehler hervor, sondern pflanzt dieselben auch fort. Wie lange aber soll die Erziehung denn dauern ? Bis zu der Zeit, da die Natur selbst den Menschen bestimmt hat, sich selbst zu führen; da der Instinkt zum Geschlechte sich bei ihm entwickelt; da er selbst Vater werden kann, und selbst erziehen soll, ohngefähr bis zu dem sechzehnten Jahre. Nach dieser Zeit kann man wohl noch Hülfsmittel der Kultur gebrauchen, und eine versteckte Disziplin ausüben, aber keine ordentliche Erziehung mehr. Die Unterwürfigkeit des Zöglinges ist entweder p o s i t i v, da er tun muss, was ihm vorgeschrieben wird, weil er nicht selbst urteilen kann, und die blosse Fähigkeit der Nachahmung noch in ihm fortdauert, oder n e g a t i v, da er tun muss, was andere wollen, wenn er will, dass andere ihm wieder etwas zu Gefallen tun sollen. Bei der ersten tritt Strafe ein, bei der andern dies, dass man nicht tut, was er will; [[A 32>> er ist hier, obwohl er bereits denken kann, dennoch in seinem Vergnügen abhängig. Eines der grössesten Probleme der Erziehung ist, wie man die Unterwerfung unter den gesetzlichen Zwang mit der Fähigkeit, sich seiner Freiheit zu bedienen, vereinigen könne. Denn Zwang ist nötig ! Wie kultiviere ich die Freiheit, bei dem Zwange ? Ich soll meinen Zögling gewöhnen, einen Zwang seiner Freiheit zu dulden, und soll ihn selbst zugleich anführen, seine Freiheit gut zu gebrauchen. Ohne dies ist alles blosser Mechanism, und der der Erziehung Entlassene weiss sich seiner Freiheit nicht zu bedienen. Er muss früh den unvermeidlichen Widerstand der Gesellschaft fühlen, um die Schwierigkeit, sich selbst zu erhalten, zu entbehren, und zu erwerben, um unabhängig zu sein, kennen zu lernen. Hier muss man folgendes beobachten: 1) dass man das Kind, von der ersten Kindheit an, in allen Stücken frei sein lasse (ausgenommen in den Dingen, wo es sich selbst schadet, z. E. wenn es nach einem blanken Messer greift), wenn es [[A 33>> nur nicht auf die Art geschieht, dass es anderer Freiheit im Wege ist, z. E. wenn es schreiet, oder auf eine allzulaute Art lustig ist, so beschwert es andere schon. 2) Muss man ihm zeigen, dass es seine Zwecke nicht anders erreichen könne, als nur dadurch, dass es andere ihre Zwecke auch erreichen lasse, z. E. dass man ihm kein Vergnügen mache, wenn es nicht tut, was man will, dass es lernen soll etc. 3) Muss man ihm beweisen, dass man ihm einen Zwang auflegt, der es zum Gebrauche seiner eigenen Freiheit führt, dass man es kultiviere, damit es einst frei sein könne, d. h. nicht von der Vorsorge anderer abhängen dürfe. Dieses letzte ist das späteste. Denn bei den Kindern kommt die Betrachtung erst spät, dass man sich z. E. nachher selbst um seinen

Unterhalt bekümmern müsse. Sie meinen, das werde immer so sein, wie in dem Hause der Eltern, dass sie Essen und Trinken bekommen, ohne dass sie dafür sorgen dürfen. Ohne jene Behandlung sind Kinder, besonders reicher Eltern, und Fürstensöhne, so wie die Einwohner von Otaheite, das ganze Leben hin[[A 34>>durch, Kinder. Hier hat die öffentliche Erziehung ihre augenscheinlichsten Vorzüge, denn bei ihr lernet man seine Kräfte messen, man lernet Einschränkung, durch das Recht anderer. Hier geniesst keiner Vorzüge, weil man überall Widerstand fühlt, weil man sich nur dadurch bemerklich macht, dass man sich durch Verdienst hervortut. Sie gibt das beste Vorbild des künftigen Bürgers. Aber noch einer Schwierigkeit muss hier gedacht werden, die darin besteht, die Geschlechtskenntnis zu antizipieren um, schon vor dem Eintritte der Mannbarkeit, Laster zu verhüten. Doch davon soll noch weiter unten gehandelt werden. [[A 35>> A b h a n d l u n g1 Die Pädagogik oder Erziehungslehre ist entweder p h y s i s c h oder p r a k t i s c h. Die p h y s i s c h e Erziehung ist diejenige, die der Mensch mit den Tieren gemein hat, oder die Verpflegung. Die p r a k t i s c h e oder m o r a l i s c h e ist diejenige, durch die der Mensch soll gebildet werden, damit er wie ein freihandelndes Wesen leben könne. (P r a k t i s c h nennt man alles dasjenige, was Beziehung auf Freiheit hat.) Sie ist Erziehung zur Persönlichkeit, Erziehung eines frei handelnden Wesens, das sich selbst erhalten, und in der Gesellschaft ein Glied ausmachen, für sich selbst aber einen innern Wert haben kann. Sie besteht demnach 1) aus der s c h o l a s t i s c h – m e c h a n i s c h e n Bildung, in Ansehung [[A 36>> der Geschicklichkeit; ist also d i d a k t i s c h (Informator), 2) aus der p r a g m a t i s c h e n, in Ansehung der Klugheit (Hofmeister), 3) aus der m o r a l i s c h e n, in Ansehung der Sittlichkeit. Der s c h o l a s t i s c h e n Bildung oder der Unterweisung bedarf der Mensch, um zur Erreichung aller seiner Zwecke geschickt zu werden. Sie gibt ihm einen Wert in Ansehung seiner selbst als Individuum. Durch die Bildung zur K l u g h e i t aber wird er zum Bürger gebildet, da bekommt er einen öffentlichen Wert. Da lernt er sowohl die bürgerliche Gesellschaft zu seiner Absicht lenken, als sich auch in die bürgerliche Gesellschaft schicken. Durch die m o r a l i s c h e Bildung endlich bekommt er einen Wert in Ansehung des ganzen menschlichen Geschlechts. Die scholastische Bildung ist die früheste und erste. Denn alle Klugheit setzt Geschicklichkeit voraus. Klugheit ist das Vermögen, seine Geschicklichkeit gut an den Mann zu bringen. Die moralische Bildung, in so ferne sie auf Grundsätzen beruhet, die der Mensch selbst einsehen soll, [[A 37>> ist die späteste; in so ferne sie aber nur auf dem gemeinen Menschenverstande beruht, muss sie gleich von Anfang, auch gleich bei der physischen Erziehung beobachtet werden, denn sonst wurzeln sich leicht Fehler ein, bei denen nachher alle Erziehungskunst vergebens arbeitet. In Ansehung der Geschicklichkeit und Klugheit muss alles nach den Jahren gehen. Kindisch geschickt, kindisch klug, und gutartig, nicht listig, auf männliche Art; das taugt eben so wenig, als eine kindische Sinnesart des Erwachsenen. Von der physischen Erziehung Ob auch gleich derjenige, der eine Erziehung als Hofmeister übernimmt, die Kinder nicht so früh unter seine Aufsicht bekommt, dass er auch für die physische Erziehung derselben Sorge tragen kann: so ist es doch nützlich zu wissen, was alles bei der Erziehung von ihrem Anfange ab, bis zu ihrem Ende zu beobachten nötig ist. Wenn man es auch, als 1

Bei dieser und den folgenden Überschriften handelt es sich vermutlich, wie auch die Akademie-Ausgabe bemerkt, um eine Zutat Rinks.

Hofmeister, nur mit grössern Kindern zu tun hat, so geschieht es [[A 38>> doch wohl, dass in dem Hause neue Kinder geboren werden, und, wenn man sich gut führt, so hat man immer Ansprüche darauf, der Vertraute der Eltern zu sein, und auch bei der physischen Erziehung von ihnen zu Rate gezogen zu werden, da man ohnedem oft nur der einzige Gelehrte im Hause ist. Daher sind einem Hofmeister auch Kenntnisse hievon nötig. Die physische Erziehung ist eigentlich nur Verpflegung, entweder durch Eltern, oder Ammen, oder Wärterinnen. Die Nahrung, die die Natur dem Kinde bestimmt hat, ist die Muttermilch. Dass das Kind mit ihr Gesinnungen einsauge, wie man oft sagen hört: du hast das schon mit der Muttermilch eingesogen ! ist ein blosses Vorurteil. Es ist der Mutter und [[A 39>> dem Kinde am zuträglichsten, wenn die Mutter selbst säuget. Doch finden auch hier im äussersten Falle, wegen kränklicher Umstände, Ausnahmen statt. Man glaubte vor Zeiten, dass die erste Milch, die sich nach der Geburt bei der Mutter findet und molkicht ist, dem Kinde schädlich sei, und dass die Mutter sie erst fortschaffen müsse, ehe sie das Kind säugen könne. R o u s s e a u machte aber zuerst die Ärzte aufmerksam darauf, ob diese erste Milch nicht auch dem Kinde zuträglich sein könne, indem doch die Natur nichts umsonst veranstaltet habe. Und, man hat auch würklich gefunden, dass diese Milch am besten den Unrat, der sich bei neugebornen Kindern vorfindet, und den die Ärzte Meconium nennen, fortschaffe, und also den Kindern höchst zuträglich sei. Man hat die Frage aufgeworfen: ob man nicht das Kind eben so wohl mit tierischer Milch nähren könne ? Menschenmilch ist sehr von der tierischen verschieden. Die Milch aller grasfressenden, von Vegetabilien lebenden Tiere gerinnet sehr bald, wenn man etwas Säure hin[[A 40>>zutut, z. E. Weinsäure, Zitronensäure, oder besonders die Säure im Kälbermagen, die man L a b oder L a f f nennet. Menschenmilch gerinnt aber gar nicht. Wenn aber die Mütter oder Ammen einige Tage hindurch nur vegetabilische Kost geniessen: so gerinnt ihre Milch so gut, wie die Kuhmilch etc., wenn sie dann aber nur einige Zeit hindurch wieder Fleisch essen: so ist die Milch auch wieder eben so gut, wie vorhin. Man hat hieraus geschlossen, dass es am besten, und dem Kinde am zuträglichsten sei, wenn Mütter oder Ammen unter der Zeit, dass sie säugen, Fleisch ässen. Denn wenn Kinder die Milch wieder von sich geben, so sieht man, dass sie geronnen ist. Die Säure im Kindermagen muss also noch mehr, als alle andere Säuren, das Gerinnen der Milch befördern, weil Menschenmilch sonst auf keine Weise zum Gerinnen gebracht werden kann. Wie viel schlimmer wäre es also, wenn man dem Kinde Milch gäbe, die schon von selbst gerinnet. Dass es aber auch nicht bloss hierauf ankomme, sieht man an andern Nationen. Die Waldtungusen [[A 41>> z. E. essen fast nichts als Fleisch, und sind starke und gesunde Leute. Alle solche Völker leben aber auch nicht lang, und man kann einen grossen erwachsenen Jungen, dem man es nicht ansehen sollte, dass er leicht sei, mit geringer Mühe aufheben. Die Schweden hingegen, vorzüglich aber die Nationen in Indien, essen fast gar kein Fleisch, und doch werden die Menschen bei ihnen ganz wohl aufgezogen. Es scheint also, dass es bloss auf das Gedeihen der Amme ankomme, und dass die Kost die beste sei, bei der sie sich am besten befindet. Es fragt sich hier, was man nachher habe, um das Kind zu ernähren, wenn die Muttermilch nun aufhört ? Man hat es seit einiger Zeit mit allerlei Mehlbreien versucht. Aber von Anfang an das Kind mit solchen Speisen zu ernähren, ist nicht gut. Besonders muss man merken, dass man den Kindern nichts Pikantes gebe, als Wein, Gewürz, Salz etc. Es ist aber doch sonderbar, dass Kinder eine so grosse Begierde nach dergleichen allem haben ! Die Ursache ist, weil es ihren noch stumpfen Empfin[[A 42>>dungen einen Reiz und eine Belebung verschafft, die ihnen angenehm sind. Die Kinder in Russland erhalten freilich von ihren Müttern, die selbst fleissig Branntwein trinken, auch dergleichen, und man bemerkt dabei, dass die Russen gesunde, starke Leute sind. Freilich müssen diejenigen, die das aushalten, von guter Leibeskonstitution sein; aber es sterben auch viele daran, die doch hätten erhalten werden können. Denn ein solcher früher Reiz der Nerven bringt viele Unordnungen hervor. Sogar schon für zu warme Speisen oder Getränke muss man die Kinder sorgfältig hüten, denn auch diese verursachen Schwäche.

Ferner ist zu bemerken, dass Kinder nicht sehr warm gehalten werden müssen, denn ihr Blut ist an sich schon viel wärmer, als das der Erwachsenen. Die Wärme des Blutes bei Kindern beträgt nach dem Fahrenheitischen Thermo[[A 43>>meter 1100, und das Blut der Erwachsenen nur 96 Grade. Das Kind erstickt in der Wärme, in der sich Ältere recht wohl befinden. Die kühle Gewöhnung macht überhaupt den Menschen stark. Und es ist auch bei Erwachsenen nicht gut, sieh zu warm zu kleiden, zu bedecken, und sich an zu warme Getränke zu gewöhnen. Daher bekomme denn das Kind auch ein kühles und hartes Lager. Auch kalte Bäder sind gut. Kein Reizmittel darf eintreten, um Hunger bei dem Kinde zu erregen, dieser vielmehr muss immer nur die Folge der Tätigkeit und Beschäftigung sein. Nichts indessen darf man das Kind sich angewöhnen lassen, so dass es ihm zum Bedürfnisse werde. Auch bei dem Guten sogar muss man ihm nicht alles durch die Kunst zur Angewohnheit machen. Das W i n d e l n findet bei rohen Völkern gar nicht statt. Die wilden Nationen in Ame[[A 44>>rika z. E. machen für ihre jungen Kinder Gruben in die Erde, streuen sie mit dem Staube von faulen Blumen aus, damit der Urin und die Unreinigkeiten der Kinder sich darein ziehen, und die Kinder also trocken liegen mögen, und bedecken sie mit Blättern; übrigens aber lassen sie ihnen den freien Gebrauch ihrer Glieder. Es ist auch bloss Bequemlichkeit von uns, dass wir die Kinder wie Mumien einwickeln, damit wir nur nicht Acht geben dürfen darauf, dass sich die Kinder nicht verbiegen, und oft geschieht es dennoch eben durch das Windeln. Auch ist es den Kindern selbst ängstlich, und sie geraten dabei in eine Art von Verzweiflung, da sie ihre Glieder gar nicht brauchen können. Da meint man denn ihr Schreien durch blosses Zurufen stillen zu können. Man wickle aber nur einmal einen grossen Mensehen ein, und sehe doch, ob er nicht auch schreien, und in Angst und Verzweiflung geraten werde. Überhaupt muss man merken, dass die erste Erziehung nur negativ sein müsse, d. h. dass man nicht, über die Vorsorge der Natur, noch [[A 45>> eine neue hinzutun müsse, sondern die Natur nur nicht stören dürfe. Ist je die Kunst in der Erziehung erlaubt, so ist es allein die der Abhärtung. – Auch daher ist denn das Windeln zu verwerfen. Wenn man indessen einige Vorsicht beobachten will, so ist eine Art von Schachtel, die oben mit Riemen bezogen ist, hiezu das zweckmässigste. Die Italiener gebrauchen sie, und nennen sie Arcuccio. Das Kind bleibt immer in dieser Schachtel, und wird auch in ihr zum Säugen angelegt. Dadurch wird selbst verhütet, dass die Mutter, wenn sie auch des Nachts, während des Säugens, einschläft, das Kind doch nicht tot drücken kann. Bei uns kommen aber auf diese Art viele Kinder ums Leben. Diese Vorsorge ist also besser, als das Windeln, denn die Kinder haben hier doch mehrere Freiheit, und das Verbiegen wird [[A 46>> verhütet; da hingegen die Kinder oft durch das Windeln selbst, schief werden. Eine andere Gewohnheit bei der ersten Erziehung ist das W i e g e n. Die leichteste Art desselben ist die, die einige Bauern haben. Sie hängen nämlich die Wiege an einem Seile an den Balken, dürfen also nur anstossen, so schaukelt die Wiege von selbst von einer Seite zur andern. Das Wiegen taugt aber überhaupt nicht. Denn das Hin- und Herschaukeln ist dem Kinde schädIich. Man sieht es ja selbst an grossen Leuten, dass das Schaukeln eine Bewegung zum Erbrechen und einen Schwindel hervorbringt. Man will das Kind dadurch betäuben, dass es nicht schreie. Das Schreien ist aber den Kindern heilsam. Sobald sie aus dem Mutterleibe kommen, wo sie keine Luft genossen haben, atmen sie die erste Luft ein. Der dadurch veränderte Gang des Blutes bringt in ihnen eine schmerzhafte Empfindung hervor. Durch das Schreien aber entfaltet das Kind die innern Bestandteile und Kanäle seines Körpers desto mehr. Dass man dem Kinde, wenn es schreit, [[A 47>> gleich zu Hülfe kommt, ihm etwas vorsingt, wie dies die Gewohnheit der Amme ist, oder dergl.: das ist sehr schädlich. Dies ist gewöhnlich das erste Verderben des Kindes, denn wenn es sieht, dass auf seinen Ruf alles herbeikommt: so wiederholt es sein Schreien öfter. Man kann wohl mit Wahrheit sagen, dass die Kinder der gemeinen Leute viel mehr verzogen werden, als die Kinder der Vornehmen. Denn die gemeinen Leute spielen mit ihren

Kindern, wie die Affen. Sie singen ihnen vor, herzen, küssen sie, tanzen mit ihnen. Sie denken also dem Kinde etwas zu gute zu tun, wenn sie, sobald es schreit, hinzulaufen, und mit ihm spielen u.s.w. Desto öfter schreien sie aber. Wenn man sich dagegen an ihr Schreien nicht kehrt, so hören sie zuletzt damit auf. Denn kein Geschöpf macht sich gerne eine vergebliche Arbeit. Man gewöhne sie aber nur daran, alle ihre Launen erfüllt zu sehn: so kömmt das Brechen des Willens nachher zu spät. Lässt man sie aber schreien, so werden sie selbst desselben überdrüssig. Wenn man ihnen aber in der ersten Jugend alle [[A 48>> Launen erfüllt, so verdirbt man dadurch ihr Herz und ihre Sitten. Das Kind hat freilich noch keinen Begriff von Sitten, es wird aber dadurch seine Naturanlage in der Art verdorben, dass man nachher sehr harte Strafen anwenden muss, um das Verdorbene wieder gut zu machen. Die Kinder äussern nachher, wenn man es ihnen abgewöhnen will, dass man immer auf ihr Verlangen hinzueile, bei ihrem Schreien eine so grosse Wut, als nur immer grosse Leute deren fähig sind, nur dass ihnen die Kräfte fehlen, sie in Tätigkeit zu setzen. So lange haben sie nur rufen dürfen, und alles kam herbei, sie herrschten also ganz despotisch. Wenn diese Herrschaft nun aufhört, so verdrüsst sie das ganz natürlich. Denn wenn auch grosse Menschen eine Zeitlang im Besitze einer Macht gewesen sind: so fällt es ihnen sehr schwer, sich geschwinde derselben zu entwöhnen. Kinder können in der ersten Zeit, ohngefähr in den ersten 3 Monaten, nicht recht sehen. Sie haben zwar die Empfindung vom Lichte, [[A 49>> können aber die Gegenstände nicht von einander unterscheiden. Man kann sich davon überzeugen, wenn man ihnen etwas Glänzendes vorhält, so verfolgen sie es nicht mit den Augen. Mit dem Gesichte findet sich auch das Vermögen, zu lachen und zu weinen. Wenn das Kind nun in diesem Zustande ist, so schreit es mit Reflexion, sie sei auch noch so dunkel, als sie wolle. Es meint dann immer, es sei ihm etwas zu Leide getan. R o u s s e a u sagt: wenn man einem Kinde, das nur ohngefähr sechs Monate [[A 50>> alt ist, auf die Hand schlägt: so schreit es in der Art, als wenn ihm ein Feuerbrand auf die Hand gefallen wäre. Es verbindet hier 1 schon würklich den Begriff einer Beleidigung. Die Eltern reden gemeiniglich sehr viel von dem Brechen des Willens bei den Kindern. Man darf ihren Willen nicht brechen, wenn man ihn nicht erst verdorben hat. Dies ist aber das erste Verderben, wenn man dem despotischen Willen der Kinder willfahret, indem sie durch ihr Schreien alles erzwingen können. Äusserst schwer ist es noch nachher, dies wieder gut zu machen, und es wird kaum je gelingen. Man kann wohl machen, dass das Kind stille sei, es frisst aber die Galle in sich, und hegt destomehr innerliche Wut. Man gewöhnt es dadurch zur Verstellung und innern Gemütsbewegungen. So ist es z. E. sehr sonderbar, wenn Eltern verlangen, dass die Kinder, nachdem sie sie mit der Rute geschlagen haben, ihnen die Hände küssen sollen. [[A 51>> Man gewöhnt sie dadurch zur Verstellung und Falschheit. Denn die Rute ist doch eben nicht so ein schönes Geschenk, für das man sich noch bedanken darf, und man kann leicht denken, mit welchem Herzen das Kind dann die Hand küsst. Man bedient sich gewöhnlich, um die Kinder gehen zu lehren, des L e i t b a n d e s und G ä n g e l w a g e n s. Es ist doch auffallend, dass man die Kinder das Gehen lehren will, als wenn irgend ein Mensch aus Mangel des Unterrichtes nicht hätte gehen können. Die Leitbänder sind besonders sehr schädlich. Ein Schriftsteller klagte einst über Engbrüstigkeit, die er bloss dem Leitbande zuschrieb. Denn da ein Kind nach allem greift, und alles von der Erde aufhebt, so legt es sich mit der Brust in das Leitband. Da die Brust aber noch weich ist, so wird sie platt gedruckt, und behält nachher auch diese Form. Die Kinder lernen bei dergleichen Hülfsmitteln auch nicht so sicher gehen, als wenn sie dies von selbst lernen. Am besten ist es, wenn man sie auf der Erde herumkriechen lässt, bis sie nach und nach von selbst anfangen zu ge[[A 52>>hen. Zur Vorsicht kann man die Stube mit wollenen Decken ausschlagen, damit sie sich nicht Splitter einreissen, auch nicht so hart fallen. Man sagt gemeinhin, dass Kinder sehr schwer fallen. Ausserdem aber, dass Kinder nicht einmal schwer fallen können, so schadet es ihnen auch nicht, wenn sie einmal fallen. Sie 1

Akad.-Ausg.: „hiermit”.

lernen nur, sich desto besser das Gleichgewicht geben, und sich so zu wenden, dass ihnen der Fall nicht schadet. Man setzt ihnen gewöhnlich die sogenannten Butzmützen auf, die so weit vorstehen, dass das Kind nie auf das Gesicht fallen kann. Das ist aber eben eine negative Erziehung, wenn man künstliche Instrumente anwendet, da, wo das Kind natürliche hat. Hier sind die natürlichen Werkzeuge die Hände, die sich das Kind bei dem Fallen schon vorhalten wird. Je mehrere künstliche Werkzeuge man gebraucht, desto abhängiger wird der Mensch von Instrumenten. Überhaupt wäre es besser, wenn man im Anfange weniger Instrumente gebrauchte, und [[A 53>> die Kinder mehr von selbst lernen liesse, sie möchten dann manches viel gründlicher lernen. So wäre es z. B. wohl möglich, dass das Kind von selbst schreiben lernte. Denn jemand hat es doch einmal erfunden, und die Erfindung ist auch nicht so sehr gross. Man dürfte nur, z. E. wenn das Kind Brot will, sagen: Kannst du es auch wohl malen ? Das Kind würde dann eine ovale Figur malen. Man dürfte ihm dann nur sagen, dass man nun doch nicht wisse, ob es Brot oder einen Stein vorstellen solle: so würde es nachher versuchen, das B zu bezeichnen, u.s.w. und so würde sich das Kind mit der Zeit sein eignes ABC erfinden, das es nachher nur mit andern Zeichen vertauschen dürfte. [[A 54>> Es gibt gewisse Gebrechen, mit denen einige Kinder auf die Welt kommen. Hat man denn nicht Mittel, diese fehlerhafte, gleichsam verpfuschte Gestalt wieder zu verbessern ? Es ist durch die Bemühung vieler und kenntnisreicher Schriftsteller ausgemacht, dass Schnürbrüste hier nichts helfen, sondern das Übel nur noch ärger machen, indem sie den Umlauf des Blutes und der Säfte, so wie die höchst nötige Ausdehnung der äussern und innerlichen Teile des Körpers hindern. Wenn das Kind frei gelassen wird, so exerziert e s n o c h s e i n e n L e i b, und ein Mensch, der eine Schnürbrust trägt, ist, wenn er sie ablegt, viel schwächer, als einer, der sie nie angelegt hat. Man könnte denen, die schief geboren sind, vielleicht helfen, wenn man auf die Seite, wo die Muskeln stärker sind, mehr Gewicht legte. Dies ist aber auch sehr gefährlich: denn welcher Mensch kann das [[A 55>> Gleichgewicht ausmachen ? Am besten ist, dass das Kind sich selbst übe, und eine Stellung annehme, wenn sie ihm gleich beschwerlich wird, denn alle Maschinen richten hier nichts aus. Alle dergleichen künstliche Vorrichtungen sind um so nachteiliger, da sie dem Zwecke der Natur, in einem organisierten, vernünftigen Wesen, gerade zuwider laufen, dem zufolge ihm die Freiheit bleiben muss, seine Kräfte brauchen zu lernen. Man soll bei der Erziehung nur verhindern, dass Kinder nicht weichlich werden. Abhärtung aber ist das Gegenteil von Weichlichkeit. Man wagt zu viel, wenn man Kinder an alles gewöhnen will. Die Erziehung der Russen geht hierin sehr weit. Es stirbt dabei aber auch eine unglaubliche Zahl von Kindern. Die Angewohnheit ist ein durch öftere Wiederholung desselben Genusses, oder derselben Handlung, zur Notwendigkeit gewordener Genuss, oder Handlung. Nichts können sich Kinder leichter angewöhnen, und nichts muss man ihnen also weniger geben, als pikante Sachen, z. E. Tobak, Branntwein, und warme Getränke. [[A 56>> Die Entwöhnung dessen ist nachher sehr schwer, und anfänglich mit Beschwerden verbunden, weil durch den öftern Genuss eine Veränderung in den Funktionen unsers Körpers vorgegangen ist. Je mehr aber der Angewohnheiten sind, die ein Mensch hat, desto weniger ist er frei und unabhängig. Bei dem Menschen ist es, wie bei allen andern Tieren: wie es frühe gewöhnt wird, so bleibt auch nachher ein gewisser Hang hei ihm. Man muss also verhindern, dass sich das Kind an nichts gewöhne; man muŕ keine Angewohnheit bei ihm entstehen lassen. Viele Eltern wollen ihre Kinder an alles gewöhnen. Dieses taugt aber nicht. Denn die menschliche Natur überhaupt, teils auch die Natur der einzelnen Subjekte, lässt sich nicht an alles gewöhnen, und es bleiben viele Kinder in der Lehre. So wollen sie z. E., dass die Kinder zu aller Zeit sollen schlafen gehen und aufstehen können, oder dass sie essen sollen, wenn sie es verlangen. Es gehört aber eine besondere Lebensart dazu, wenn man dieses aushalten soll, A 57>> eine Lebensart, die den Leib roboriert, und das also wieder gut macht, was jenes verdorben hat. Finden wir doch auch in der Natur manches Periodische. Die Tiere haben auch ihre bestimmte Zeit zum Schlafen. Der Mensch sollte sich auch an eine gewisse Zeit

gewöhnen, damit der Körper nicht in seinen Funktionen gestört werde. Was das andere anbetrifft, dass die Kinder zu allen Zeiten sollen essen können, so kann man hier wohl nicht die Tiere zum Beispiele anführen. Denn, weil z. E. alle Gras fressende Tiere wenig Nahrhaftes zu sich nehmen, so ist das Fressen bei ihnen ein ordentliches Geschäft. Es ist aber dem Menschen sehr zuträglich, wenn [[A 58>> er immer zu einer bestimmten Zeit isset. So wollen manche Eltern, dass ihre Kinder grosse Kälte, Gestank, alles und jedes Geräusche und dergl. sollen ertragen können. Dies ist aber gar nicht nötig, wenn sie sich nur nichts angewöhnen. Und dazu ist es sehr dienlich, dass man die Kinder in verschiedene Zustände versetze. Ein hartes Lager ist viel gesünder, als ein weiches. Überhaupt dient eine harte Erziehung sehr zur Stärkung des Körpers. Durch harte Erziehung verstehen wir aber bloss Verhinderung der Gemächlichkeit. An merkwürdigen Beispielen zur Bestätigung dieser Behauptung mangelt es nicht, nur dass man sie nicht beachtet, oder, richtiger gesagt, nicht beachten will. Was die Gemütsbildung betrifft, die man würklich auch in gewisser Weise physisch nennen kann, so ist hauptsächlich zu merken, dass die Disziplin nicht sklavisch sei, sondern das Kind muss immer seine Freiheit fühlen, doch so, dass es nicht die Freiheit anderer hindere; es muss daher Widerstand finden. Manche Eltern schlagen ihren Kindern alles ab, um dadurch [[A 59>> die Geduld der Kinder zu exerzieren, und fordern demnach mehr Geduld von den Kindern, als sie deren selbst haben. Dies ist aber grausam. Man gebe dem Kinde, soviel ihm dienet, und nachher sage man ihm: du hast genug ! Aber, dass dies dann auch unwiderruflich sei, ist schlechterdings nötig. Man merke nur nicht auf das Schreien der Kinder, und willfahre ihnen nur nicht, wenn sie etwas durch Geschrei erzwingen wollen: was sie aber mit Freundlichkeit bitten, das gebe man ihnen, wenn es ihnen dient. Das Kind wird dadurch auch gewöhnt, freimütig zu sein, und da es keinem durch sein Schreien lästig fällt, so ist auch hinwieder gegen dasselbe jeder freundlich. Die Vorsehung scheint wahrlich den Kindern freundliche Mienen gegeben zu haben, damit sie die Leute zu ihrem Vorteile einnehmen möchten. Nichts ist schädlicher, als eine neckende, sklavische Disziplin, um den Eigenwillen zu brechen. Gemeinhin ruft man den Kindern ein: Pfui, schäme dich, wie schickt sich das! u.s.w. zu. Dergleichen sollte aber bei der ersten Er[[A 60>>ziehung gar nicht vorkommen. Das Kind hat noch keine Begriffe von Scham und vom Schicklichen, es hat sich nicht zu schämen, soll sich nicht schämen, und wird dadurch nur schüchtern. Es wird verlegen bei dem Anblicke anderer, und verbirgt sich gerne vor andern Leuten. Dadurch entsteht Zurückhaltung, und ein nachteiliges Verheimlichen. Es wagt nichts mehr zu bitten, und sollte doch um alles bitten können; es verheimlicht seine Gesinnung, und scheint immer anders, als es ist, statt dass es freimütig alles müsste sagen dürfen. Statt immer um die Eltern zu sein, meidet es sie, und wirft sich dem willfährigern Hausgesinde in die Arme. Um nichts besser aber, als jene neckende Erziehung, ist das Vertändeln und ununterbrochene Liebkosen. Dieses bestärkt das Kind im eigenen Willen, macht es falsch, und indem es ihm eine Schwachheit der Eltern verrät, raubt es ihnen die nötige Achtung in den Augen des Kindes. Wenn man es aber so erzieht, dass es nichts durch Schreien ausrichten kann, so [[A 61>> wird es frei, ohne dummdreist, und bescheiden, ohne schüchtern zu sein. D r e i s t sollte man eigentlich d r ä u s t schreiben, denn es kömmt von d r ä u e n, d r o h e n her. Einen dräusten Menschen kann man nicht wohl leiden. Manche Menschen haben solche dreiste Gesichter, dass man sich immer vor einer Grobheit von ihnen fürchten muss, so wie man andern Gesichtern es gleich ansehen kann, dass sie nicht im Stande sind, jemanden eine Grobheit zu sagen. Man kann immer freimütig aussehen, wenn es nur mit einer gewissen Güte verbunden ist. Die Leute sagen oft von vornehmen Männern, sie sähen recht königlich aus. Dies ist aber weiter nichts, als ein gewisser dreister Blick, den sie sich von Jugend auf angewöhnt haben, weil man ihnen da nicht widerstanden hat.

Alles dieses kann man noch zur negativen Bildung rechnen. Denn viele Schwächen des Menschen kommen oft nicht davon her, weil man ihn nichts gelehrt, sondern weil ihm noch falsche Eindrücke beigebracht sind. So z. E. bringen die Ammen den Kindern eine Furcht vor [[A 62>> Spinnen, Kröten u.s.w. bei. Die Kinder möchten gewiss nach den Spinnen eben so, wie nach andern Dingen greifen. Weil aber die Ammen, sobald sie eine Spinne sehen, ihren Abscheu durch Mienen bezeigen: so würkt dies durch eine gewisse Sympathie auf das Kind. Viele behalten diese Furcht ihr ganzes Leben hindurch, und bleiben darin immer kindisch. Denn Spinnen sind zwar den Fliegen gefährlich, und ihr Biss ist für sie giftig, dem Menschen schaden sie aber nicht. Und eine Kröte ist ein eben so unschuldiges Tier, als ein schöner grüner Frosch, oder irgend ein anderes Tier. __________ Der positive Teil der physischen Erziehung ist die K u l t u r. Der Mensch ist, in Beziehung auf dieselbe, von dem Tiere verschieden. Sie besteht vorzüglich in der Übung seiner Gemütskräfte. Deswegen müssen Eltern ihrem Kinde dazu Gelegenheit geben. Die erste und vornehmste Regel hiebei ist, dass man, so viel als möglich, aller Werkzeuge entbehre. So [[A 63>> entbehrt man gleich anfänglich des Leitbandes und Gängelwagens, und lässt das Kind auf der Erde herumkriechen, bis es von selbst gehen lernet, und dann wird es desto sicherer gehen. Werkzeuge nämlich ruinieren nur die natürliche Fertigkeit. So braucht man eine Schnur, um eine Weite zu messen, man kann dies aber eben so gut durch das Augenmass bewerkstelligen; eine Uhr, um die Zeit zu bestimmen, man kann es durch den Stand der Sonne; einen Kompass, um im Walde die Gegend zu wissen, man kann es auch aus dem Stande der Sonne am Tage, und aus dem Stande der Sterne in der Nacht. Ja man kann sogar sagen, anstatt ein Kahn zu brauchen, um auf dem Wasser fortzukommen, kann man schwimmen. Der berühmte Franklin wundert sich, dass nicht jedermann dieses lernt, da es doch so angenehm und nützlich ist. Er führt auch eine leichte Art an, wie man es von selbst lernen kann. Man lasse in einen Bach, wo, wenn man auf dem Grunde steht, der Kopf wenigstens ausser dem Wasser ist, ein Ei herunter. Nun suche man das Ei zu greifen. [[A 64>> Indem man sich bückt, kommen die Füsse in die Höhe, und, damit das Wasser nicht in den Mund komme, wird man den Kopf schon in den Nacken legen, und so hat man die rechte Stellung, die zum Schwimmen nötig ist. Nun darf man nur mit den Händen arbeiten, so schwimmt man. – Es kommt nur darauf an, dass die natürliche Geschicklichkeit kultiviert werde. Oft gehört Information dazu, oft ist das Kind selbst erfindungsreich genug, oder erfindet sich selbst Instrumente. Was bei der physischen Erziehung, also in Absicht des Körpers, zu beobachten ist, bezieht sich entweder auf den Gebrauch der willkürlichen Bewegung, oder der Organe der Sinne. Bei dem erstern kommt es darauf an, dass sich das Kind immer selbst helfe. Dazu gehört Stärke, Geschicklichkeit, Hurtigkeit, Sicherheit; z. E. dass man auf schmalen Stegen, auf steilen Höhen, wo man eine Tiefe vor sich sieht, auf einer schwankenden Unterlage, gehen könne. Wenn ein Mensch das nicht kann, so ist er auch nicht völlig das, was er sein könnte. Seit [[A 65>> das Dessauische Philanthropin hierin mit seinem Muster voranging, werden nun auch in andern Instituten mit den Kindern viele Versuche der Art gemacht. Es ist sehr bewunderungswürdig, wenn man lieset, wie die Schweizer sich schon von Jugend auf gewöhnen, auf den Gebürgen zu gehen, und zu welcher Fertigkeit sie es darin bringen, so dass sie auf den schmalsten Stegen mit völliger Sicherheit gehen, und über Klüfte springen, bei denen sie es schon nach dem Augenmasse wissen, dass sie gut darüber wegkommen werden. Die meisten Menschen aber fürchten sich vor einem eingebildeten Falle, und diese Furcht lähmt ihnen gleichsam die Glieder, so dass alsdann ein solches Gehen für sie mit Gefahr verknüpft ist. Diese Furcht nimmt gemeiniglich mit dem Alter zu, und man findet, dass sie vorzüglich bei Männern gewöhnlich ist, die viel mit dem Kopfe arbeiten. Solche Versuche mit Kindern sind würklich nicht sehr gefährlich. Denn Kinder haben ein im Verhältnisse zu ihrer Stärke weit geringeres Gewicht, als andere Menschen, und fallen

also [[A 66>> auch nicht so schwer. Überdies sind die Knochen bei ihnen auch nicht so spröde und brüchig, als sie es im Alter werden. Die Kinder versuchen auch selbst ihre Kräfte. So sieht man sie z. E. oft klettern, ohne dass sie dabei irgend eine Absicht haben. Das Laufen ist eine gesunde Bewegung, und roboriert den Körper. Das Springen, Heben, Tragen, die Schleuder, das Werfen nach dem Ziele, das Ringen, der Wettlauf, und alle dergleichen Übungen sind sehr gut. Das Tanzen, in so ferne es kunstmässig ist, scheint für eigentliche Kinder noch zu früh zu sein. Die Übung im Werfen, teils weit zu werfen, teils auch zu treffen, hat auch die Übung der Sinne, besonders des Augenmaàes, mit zur Absicht. Das Ballspiel ist eines der besten Kinderspiele, weil auch noch das gesunde Laufen dazu kömmt. Überhaupt sind diejenigen Spiele die besten, bei welchen, neben den Exerzitien der Geschicklichkeit, auch Übungen der Sinne hinzukommen, z. E. die Übung des Augenmasses, über Weite, Grösse und Proportion richtig zu [[A 67>> urteilen, die Lage der Örter nach den Weltgegenden zu finden, wozu die Sonne behülflich sein muss, u.s.w. das alles sind gute Übungen. So ist auch die lokale Einbildungskraft, unter der man die Fertigkeit versteht, sich alles an den Örtern vorzustellen, an denen man es würklich gesehen hat, etwas sehr Vorteilhaftes, z. E. das Vergnügen, sich aus einem Walde herauszufinden, und zwar dadurch, dass man sich die Blume merket, an denen man vorher vorbeigegangen ist. So auch die memoria localis, dass man z. E. nicht nur wisse, in welchem Buche man etwas gelesen habe, sondern auch, wo es in demselben stehe. So hat der Musiker die Tasten im Kopfe, dass er nicht mehr erst nach ihnen sehen darf. Die Kultur des Gehörs der Kinder ist eben so erforderlich, um durch dasselbe zu wissen, ob etwas weit oder nahe, und auf welcher Seite es sei. Das Blindekuhspiel der Kinder war schon bei den Griechen bekannt, sie nannten esµντνδα. Überhaupt sind Kinderspiele sehr allgemein. Diejenigen, die man in Deutschland [[A 68>> hat, findet man auch in Engelland, Frankreich u.s.w. Es liegt bei ihnen ein gewisser Naturtrieb der Kinder zum Grunde; bei dem Blindekuhspiele z.E. zu sehen, wie sie sich helfen könnten, wenn sie eines Sinnes entbehren müssten. Der Kreisel ist ein besonderes Spiel; doch geben solche Kinderspiele Männern Stoff zum weitern Nachdenken, und bisweilen auch Anlass zu wichtigen Erfindungen. So hat Segner eine Disputation vom Kreisel geschrieben, und einem englischen Schiffskapitän hat der Kreisel Gelegenheit gegeben, einen Spiegel zu erfinden, durch den man auf dem Schiffe die Höhe der Sterne messen kann. Kinder haben gerne Instrumente, die Lärm machen, z. E. Trompetchen, Trommelchen und dergl. Solche taugen aber nichts, weil sie andern dadurch lästig werden. Dergleichen wäre indessen schon besser, wenn sie sich selbst ein Rohr so schneiden lernten, dass sie darauf blasen könnten. – Die Schaukel ist auch eine gute Bewegung; selbst Erwachsene brauchen sie zur Gesundheit, nur [[A 69>> bedürfen die Kinder dabei der Aufsicht, weil die Bewegung sehr geschwinde werden kann. Der Papierdrache ist ebenfalls ein tadelloses Spiel. Es kultiviert die Gcschicklichkeit, indem es auf eine gewisse Stellung dabei in Absicht des Windes ankömmt, wenn er recht hoch steigen soll. Diesen Spielen zu gut versagt sich der Knabe andere Bedürfnisse, und lernet so allmählich auch etwas anderes und mehr entbehren. Zudem wird er dadurch an fortdauernde Beschäftigung gewöhnt, aber eben daher darf es hier auch nicht blosses Spiel, sondern es muss Spiel mit Absicht und Endzweck sein. Denn, jemehr auf diese Weise sein Körper gestärkt und abgehärtet wird, um so sicherer ist er vor den verderblichen Folgen der Verzärtelung, Auch die Gymnastik soll die Natur nur lenken, darf also nicht gezwungene Zierlichkeit veranlassen. Disziplin muss zuerst eintreten nicht aber Information. Hier ist nun aber darauf zu sehen, dass man die Kinder, bei der Kultur ihres Körpers, auch für die Gesellschaft bilde. R o u s s e a u sagt: „Ihr werdet niemals einen tüchti[[A 70>>gen Mann bilden, wenn ihr nicht vorher einen Gassenjungen habt !” Es kann eher aus einem muntern Knaben ein guter Mann werden, als aus einem naseweisen, klug tuenden Burschen. Das Kind

muss in Gesellschaften nur nicht lästig sein, es muss sich aber auch nicht einschmeicheln. Es muss auf die Einladung anderer zutraulich sein, ohne Zudringlichkeit; freimütig, ohne Dummdreistigkeit. Das Mittel dazu ist: man verderbe nur nichts, man bringe ihm nicht Begriffe von Anstand bei, durch die es nur schüchtern und menschenscheu gemacht, oder, auf der andern Seite, auf die Idee gebracht wird, sich geltend machen zu wollen. Nichts ist lächerlicher, als altkluge Sittsamkeit, oder naseweiser Eigendünkel des Kindes. Im letztern Falle müssen wir um so mehr das Kind seine Schwächen, aber doch auch nicht zu sehr unsre Überlegenheit und Herrschaft empfinden lassen, damit es sich zwar aus sich selbst ausbilde, aber nur als in der Gesellschaft, wo die Welt zwar gross genug für dasselbe, aber auch für andre sein muss. [[A 71>> T o b y sagt im T r i s t r a m S h a n d y zu einer Fliege, die ihn lange beunruhiget hatte, indem er sie zum Fenster hinauslässt: „Gehe, du böses Tier, die Welt ist gross genug für mich und dich !” Und dies könnte jeder zu seinem Wahlspruche machen. Wir dürfen uns nicht einander lästig werden; die Welt ist gross genug für uns alle. __________ Wir kommen jetzt zur Kultur der Seele, die man gewissermassen auch physisch nennen kann. Man muss aber Natur und Freiheit von einander unterscheiden. Der Freiheit Gesetze geben ist ganz etwas anderes, als die Natur bilden. Die Natur des Körpers und der Seele kommt doch darin überein, dass man ein Verderbnis bei ihrer beiderseitigen Bildung abzuhalten sucht, und dass die Kunst dann noch etwas bei jenem, wie bei dieser hinzusetzt. Man kann die Bildung der Seele also gewissermassen eben so gut physisch nennen, als die Bildung des Körpers. [[A 72>> Diese physische Bildung des Geistes unterscheidet sich aber von der moralischen darin, dass diese nur auf die Freiheit, jene nur auf die Natur abzielt. Ein Mensch kann physisch sehr kultiviert sein; er kann einen sehr ausgebildeten Geist haben, aber dabei schlecht moralisch kultiviert, doch dabei1 ein böses Geschöpf sein. Die p h y s i s c h e Kultur aber muss von der p r a k t i s c h e n unterschieden werden, welche letztere p r a g m a t i s c h oder m o r a l i s c h ist. Im letztern Falle ist es die M o r a l i s i e r u n g, nicht K u l t i v i e r u n g. Die p h y s i s c h e Kultur des Geistes teilen wir ein in die f r e i e und die s c h o l a s t i s c h e. Die freie ist gleichsam nur ein Spiel, die s c h o l a s t i s c h e dagegen macht ein Geschäfte aus; die f r e i e ist die, die immer bei dem Zöglinge beobachtet werden muss; bei der s c h o l a s t i s c h e n aber wird der Zögling wie unter dem Zwange betrachtet. Man kann beschäftigt sein im Spiele, das nennt man in der Musse beschäftiget sein; aber man kann auch beschäftiget sein im Zwange, und das nennet man arbeiten. [[A 73>> Die scholastische Bildung soll für das Kind Arbeit, die freie soll Spiel sein. Man hat verschiedene Erziehungsplane entworfen, um, welches auch sehr löblich ist, zu versuchen, welche Methode bei der Erziehung die beste sei. Man ist unter andern 2 auch darauf verfallen, die Kinder alles, wie im Spiele, lernen zu lassen. L i c h t e n b e r g hält sich in einem Stücke des Göttingischen Magazins über den Wahn auf, nach welchem man aus den Knaben, die doch schon frühzeitig zu Geschäften gewöhnt werden sollten, weil sie einmal in ein geschäftiges Leben eintreten müssen, alles spielweise zu machen sucht. Dies tut eine ganz verkehrte Würkung. Das Kind soll spielen, es soll Erholungsstunden haben, aber es muss auch arbeiten lernen. Die Kultur seiner Geschicklichkeit ist freilich aber auch gut, wie die Kultur des Geistes, aber beide Arten der Kultur müssen zu verschiedenen Zeiten ausgeübt werden. Es ist ohnedies schon ein besonderes Unglück für den Menschen, dass er so sehr zur Untätigkeit geneigt ist. Jemehr ein Mensch gefaulenzt [[A 74>> hat, desto schwerer entschliesst er sich dazu, zu arbeiten. 1 2

Akad.-Ausg. erwägt: „also doch dabei”. ’Akad.-Ausg.: „unter anderm”.

Bei der Arbeit ist die Beschäftigung nicht an sich selbst angenehm, sondern man unternimmt sie einer andern Absicht wegen. Die Beschäftigung bei dem Spiele dagegen ist an sich angenehm, ohne weiter irgend einen Zweck dabei zu beabsichtigen. Wenn man spazieren geht: so ist das Spazierengehen selbst die Absicht, und je länger also der Gang ist, desto angenehmer ist er uns. Wenn wir aber irgend wohin gehen, so ist die Gesellschaft, die sich an dem Orte befindet, oder sonst etwas, die Absicht unsers Ganges, und wir wählen gerne den kürzesten Weg. So ist es auch mit dem Kartenspiele. Es ist würklich besonders, wenn man sieht, wie vernünftige Männer oft stundenlang zu sitzen, und Karten zu mischen im Stande sind. Da ergibt es sich, dass die Menschen nicht so leicht aufhören Kinder zu sein. Denn was ist jenes Spiel besser, als das Ballspiel der Kinder ? Nicht, dass die Erwachsenen gerade auf dem [[A 75>> Stocke reiten, aber sie reiten doch auf andern Steckenpferden. Es ist von der grössesten Wichtigkeit, dass Kinder arbeiten lernen. Der Mensch ist das einzige Tier, das arbeiten muss. Durch viele Vorbereitungen muŕ er erst dahin kommen, dass er etwas zu seinem Unterhalte geniessen kann. Die Frage: ob der Himmel nicht gütiger für uns würde gesorgt haben, wenn er uns alles, schon bereitet, hätte vorfinden lassen, so, dass wir gar nicht arbeiten dürften ? ist gewiss mit Nein zu beantworten: denn der Mensch verlangt Geschäfte, auch solche, die einen gewissen Zwang mit sich führen. Eben so falsch ist die Vor[[A 76>>stellung, dass, wenn Adam und Eva nur im Paradiese geblieben wären, sie da nichts würden getan, als zusammengesessen, arkadische Lieder gesungen, und die Schönheit der Natur betrachtet haben. Die Langeweile würde sie gewiss eben so gut, als andere Menschen, in einer ähnlichen Lage gemartert haben. [[A 77>> Der Mensch muss auf eine solche Weise okkupieret sein, dass er mit dem Zwecke, den er vor Augen hat, in der Art erfüllt ist, dass er sich gar nicht fühlt, und die beste Ruhe für ihn ist die nach der Arbeit. Das Kind muss also zum Arbeiten gewöhnt werden. Und wo anders soll die Neigung zur Arbeit kultiviert werden, als in der Schule ? Die Schule ist eine zwangmässige Kultur. Es ist äusserst schädlich, wenn man das Kind dazu gewöhnt, alles als Spiel zu betrachten. Es muss Zeit haben, sich zu erholen, aber es muss auch eine Zeit für dasselbe sein, in der es arbeitet. Wenn auch das Kind es nicht gleich einsieht, wozu dieser Zwang nütze: so wird es doch in Zukunft den grossen Nutzen davon gewahr werden. Es würde überhaupt nur den Vorwitz der Kinder sehr verwöhnen, wenn man ihre Frage: Wozu ist das ? und wozu das? immer beantworten wollte. Zwangmässig muss die Erziehung sein, aber sklavisch darf sie deshalb nicht sein. Was die freie Kultur der Gemütskräfte anbetrifft, so ist zu bemerken, dass sie immer [[A 78>> fortgeht. Sie muss eigentlich die obern Kräfte betreffen. Die untern werden immer nebenbei kultivieret, aber nur in Rücksicht auf die obern; der Witz z. E. in Rücksicht auf den Verstand. Die Hauptregel hiebei ist, dass keine Gemütskraft einzeln für sich, sondern jede nur in Beziehung auf die andere müsse kultiviert werden; z. E. die Einbildungskraft nur zum Vorteile des Verstandes. Die untern Kräfte haben für sich allein keinen Wert, z. E. ein Mensch, der viel Gedächtnis, aber keine Beurteilungskraft hat. Ein solcher ist dann ein lebendiges Lexikon. Auch solche Lastesel des Parnasses sind nötig, die, wenn sie gleich selbst nichts Gescheutes leisten können, doch Materialien herbeischleppen, damit andere etwas Gutes daraus zu Stande bringen können. – Witz gibt lauter Albernheiten, wenn die Urteilskraft nicht hinzu kömmt. Verstand ist die Erkenntnis des Allgemeinen. Urteilskraft ist die Anwendung des Allgemeinen auf das Besondere. Vernunft ist das Vermögen, die Verknüpfung des Allgemeinen mit dem [[A 79>> Besondern einzusehen. Diese freie Kultur geht ihren Gang fort von Kindheit auf, bis zu der Zeit, da der Jüngling aller Erziehung entlassen wird. Wenn ein Jüngling z. E. eine allgemeine Regel anführt, so kann man ihm Fälle 3 aus der Geschichte, Fabeln, in die diese Regel verkleidet ist, Stellen aus Dichtern, wo sie schon ausgedrückt ist, anführen lassen, und so ihm Anlass geben, seinen Witz, sein Gedächtnis u.s.w. zu üben. 3

Akad.-Ausg.: „ihn Fälle”.

Der Ausspruch tantum scimus, quantum memoria tenemus 4, hat freilich seine Richtigkeit, und daher ist die Kultur des Gedächtnisses sehr notwendig. Alle Dinge sind so beschaffen, dass der Verstand erst den sinnlichen Eindrücken folgt, und das Gedächtnis diese aufbehalten muss. So z. E. verhält es sich bei den Sprachen. Man kann sie entweder durch förmliches Memorieren, oder durch den Umgang lernen, und diese letztere ist bei lebenden Sprachen die beste Methode. Das Vokabelnlernen ist würklich nötig, aber am besten tut man wohl, wenn man diejenigen Wörter lernen lässt, [[A 80>> die bei dem Autor, den man mit der Jugend gerade lieset, vorkommen. Die Jugend muss ihr gewisses und bestimmtes Pensum haben. So lernt man auch die Geographie durch einen gewissen Mechanism am besten. Das Gedächtnis vorzüglich liebt diesen Mechanism und in einer Menge von Fällen ist er auch sehr nützlich. Fur die Geschichte ist bis jetzt noch kein recht geschickter Mechanism erfunden worden; man hat es zwar mit Tabellen versucht, doch scheint es auch mit denen nicht recht gehen zu wollen. Geschichte aber ist ein treffliches Mittel, den Verstand in der Beurteilung zu üben. Das Memorieren ist sehr nötig, aber das zur blossen Übung taugt gar nichts, z. E. dass man Reden auswendig lernen lässt. Allenfalls hilft es bloss zur Beförderung der Dreistigkeit, und das Deklamieren ist überdem nur eine Sache für Männer. [[A 81>> Hieher gehören auch alle Dinge, die man bloss zu einem künftigen Examen oder in Rücksicht auf die futuram oblivionem lernt. Man muss das Gedächtnis nur mit solchen Dingen beschäftigen, an denen uns gelegen ist, dass wir sie behalten, und die auf das würkliche Leben Bezichung haben. Am schädlichsten ist das Romanenlesen der Kinder, da sie nämlich weiter keinen Gebrauch davon machen, als dass sie ihnen in dem Augenblicke, indem sie sie lesen, zur Unterhaltung dienen. Das Romanenlesen schwächt das Gedächtnis. Denn es wäre lächerlich, Romane behalten und sie andern wieder erzählen zu wollen. Man muss daher Kindern alle Roma[[A 82>>ne aus den Händen nehmen. Indem sie sie lesen, bilden sie sich in dem Romane wieder einen neuen Roman, da sie die Umstände sich selbst anders ausbilden, herumschwärmen, und gedankenlos da sitzen. Zerstreuungen müssen nie, am wenigsten in der Schule gelitten werden, denn sie bringen endlich einen gewissen Hang dazu, eine gewisse Gewohnheit hervor. Auch die schönsten Talente gehen bei einem, der der Zerstreuung ergeben ist, zu Grunde. Wenn Kinder sich gleich bei Vergnügungen zerstreuen: so sammeln sie sich doch bald wieder; man sieht sie aber am meisten zerstreut, wenn sie schlimme Streiche im Kopfe haben, denn da sinnen sie, wie sie sie verbergen, oder wieder gut machen können. Sie hören dann alles nur halb, antworten verkehrt, wissen nicht was sie lesen, u.s.w. Das Gedächtnis muss man frühe, aber auch nebenher sogleich den Verstand kultivieren. Das Gedächtnis wird kultiviert 1) durch das Behalten der Namen in Erzählungen; 2) durch das Lesen und Schreiben; jenes aber muss aus [[A 83>> dem Kopfe geübt werden und nicht durch das Buchstabieren; 3) durch Sprachen, die den Kindern zuerst durchs Hören, bevor sie noch etwas lesen, müssen beigebracht werden. Dann tut ein zweckmässig eingerichteter, sogenannter Orbis pictus seine guten Dienste, und man kann mit dem Botanisieren, mit der Mineralogie, und der Naturbeschreibung überhaupt den Anfang machen. Von diesen Gegenständen einen Abriss zu machen, das gibt dann Veranlassung zum Zeichnen und Modellieren, wozu es der Mathematik bedarf. Der erste wissenschaftliche Unterricht bezieht sich am vorteilhaftesten auf die Geographie, die mathematische sowohl, als die physikalische. Reiseerzählungen, durch Kupfer und Karten erläutert, führen dann zu der politischen Geographie. Von dem gegenwärtigen Zustande der Erdoberfläche geht man dann auf den ehemaligen zurück, gelangt zur alten Erdbeschreibung, alten Geschichte, u.s.w. Bei dem Kinde aber muss man im Unterrichte allmählich das Wissen und Können zu verbinden suchen. Unter allen Wissenschaften [[A 84>> scheint die Mathematik die einzige der Art zu sein, die diesen Endzweck am besten befriedigt. Ferner muss das Wissen und 4

Übersetzung des Herausgebers: „wir wissen so viel, wie wir im Gedächtnis haben”.

Sprechen verbunden werden (Beredtheit, Wohlredenheit und Beredsamkeit). Aber es muss auch das Kind das Wissen sehr wohl vom blossen Meinen und Glauben unterscheiden lernen. In der Art bereitet man einen richtigen Verstand vor, und einen r i c h t i g e n, nicht f e i n e n oder z a r t e n Geschmack. Dieser muss zuerst Geschmack der Sinne, namentlich der Augen, zuletzt aber Geschmack der Ideen sein. – Regeln müssen in alle dem vorkommen, was den Verstand kultivieren soll. Es ist sehr nützlich, die Regeln auch zu abstrahieren, damit der Verstand nicht bloss mechanisch, sondern mit dem Bewusstsein einer Regel verfahre. Es ist auch sehr gut, die Regeln in eine gewisse Formel zu bringen, und so dem Gedächtnisse anzuvertrauen. Haben wir die Regel im Gedächtnisse, und vergessen auch den Gebrauch: so finden svir uns doch bald wieder zurecht. Es ist hier die Frage: sollen die Regeln erst in ab[[A 85>>stracto vorangehn, und sollen Regeln erst nachher gelernt werden, wenn man den Gebrauch vollendet hat ? oder soll Regel und Gebrauch gleichen Schrittes gehn ? Dies letzte ist allein ratsam. In dem andern Falle ist der Gebrauch so lange, bis man zu den Regeln gelangt, sehr unsicher. Die Regeln müssen gelegentlich aber auch in Klassen gebracht werden, denn man behält sie nicht, wenn sie nicht in Verbindung mit sich selbst stehen. Die Grammatik muss also bei Sprachen immer in etwas vorausgehen. __________ Wir müssen nun aber auch einen systematischen Begriff von dem ganzen Zwecke der Erziehung, und der Art, wie er zu erreichen ist, geben. 1) D i e a l l g e m e i n e K u l t u r d e r G e m ü t s k r ä f t e, unterschieden von der besondern. Sie geht auf Geschicklichkeit und Vervollkommnung, nicht dass man den Zögling besonders worin informiere, sondern seine Gemütskräfte stärke. Sie ist [[A 86>> a) entweder p h y s i s c h. Hier beruht alles auf Übung und Disziplin, ohne dass die Kinder Maximen kennen dürfen. Sie ist p a s s i v für den Lehrling, er muss der Leitung eines midern folgsam sein. Andere denken für ihn. b) oder m o r a l i s c h. Sie beruht dann nicht auf Disziplin, sondern auf Maximen. Alles wird verdorben, wenn man sie auf Exempel, Drohungen, Strafen u.s.w. gründen will. Sie wäre dann bloss Disziplin. Man muss dahin sehen, dass der Zögling aus eignen Maximen, nicht aus Gewohnheit, gut handle, dass er nicht bloss das Gute tue, sondern es darum tue, weil es gut ist. Denn der ganze moralische Wert der Handlungen besteht in den Maximen des Guten. Die physische Erziehung unterscheidet sich darin von der moralischen, dass jene passiv für den Zögling, diese aber tätig ist. Er muss jederzeit den Grund und die Ableitung der Handlung von den Begriffen der Pflicht einsehen. 2) D i e b e s o n d e r e K u l t u r d e r G e m ü t s k r ä f t e. Hier kommt vor: die Kul[[A 87>>tur des Erkenntnisvermögens, der Sinne, der Einbildungskraft, des Gedächtnisses, der Stärke der Aufmerksamkeit, und des Witzes, was also die u n t e r n K r ä f t e des Verstandes betrisst. Von der Kultur der Sinne, z. E. des Augenmasses, ist schon oben geredet worden. Was die Kultur der Einbildungskraft anlangt: so ist folgendes zu merken. Kinder haben eine ungemein starke Einbildungskraft, und sie braucht gar nicht erst durch Märchen mehr gespannt, und extendiert zu werden. Sie muss vielmehr gezügelt, und unter Regeln gebracht werden, aber doch muss man sie auch nicht ganz unbeschäftigt lassen. Landkarten haben etwas an sich, das alle, auch die kleinsten Kinder reizet. Wenn sie alles andere überdrüssig sind, so lernen sie doch noch etwas, wobei man Landkarten braucht. Und dieses ist eine gute Unterhaltung für Kinder, wobei ihre Einbildungskraft nicht schwärmen kann, sondern sich gleichsam an eine gewisse Figur halten muss. Man könnte bei den Kindern würklich mit der Geographie den Anfang machen. Figu[[A 88>>ren von Tieren, Gewächsen u.s.w. können damit zu gleicher Zeit verbunden werden; diese müssen die Geographie beleben. Die Geschichte aber müsste wohl erst später eintreten. Was die Stärkung der Aufmerksamkeit anbetrifft: so ist zu bemerken, dass diese allgemein gestärkt werden muss. Eine starre Anheftung unserer Gedanken an ein Objekt ist

nicht sowohl ein Talent, als vielmehr eine Schwäche unsers innern Sinnes, da er in diesem Falle unbiegsam ist, und sich nicht nach Gefallen anwenden lässt. Zerstreuung ist der Feind aller Erziehung. Das Gedächtnis aber beruht auf der Aufmerksamkeit. Was aber die o b e r n V e r s t a n d e s k r ä f t e betrifft: so kommt hier vor: die Kultur des Verstandes, der Urteilskraft und der Vernunft. Den Verstand kann man im Anfange gewissermassen auch passiv bilden: durch Anführung von Beispielen für die Regel, oder umgekehrt: durch Auffindung der Regel für die einzelnen Fälle. Die Urteilskraft zeigt, welcher Gebrauch von dem Verstande zu machen ist. Er 1 ist erforderlich, um, was man lernt, oder spricht, zu verstehen, [[A 89>> und um nichts, ohne es zu verstehen, nachzusagen. Wie mancher lieset und hört etwas, ohne es, wenn er es auch glaubt, zu verstehen. Dazu gehören Bilder und Sachen. Durch die Vernunft sieht man die Gründe ein. Aber man muss bedenken, dass hier von einer Vernunft die Rede ist, die noch geleitet wird. Sie muss also nicht immer räsonieren wollen, aber es muss auch ihr, über das, was die Begriffe übersteigt, nicht viel vorräsoniert werden. Noch gilt es hier nicht die spekulative Vernunft, sondern die Reflexion über das, was vorgeht, nach seinen Ursachen und Würkungen. Es ist eine in ihrer Wirtschaft und Einrichtung praktische Vernunft. Die Gemütskräfte werden am besten dadurch kultiviert, wenn man das alles selbst tut, was man leisten will, z. E. wenn man die grammatische Regel, die man gelernt hat, gleich in Ausübung bringt. Man versteht eine Landkarte am besten, wenn man sie selbst verfertigen kann. Das Verstehen hat zum grössesten Hülfsmittel das Hervorbringen. Man lernt das am [[A 90>> gründlichsten, und behält das am besten, was man gleichsam aus sich selbst lernet. Nur wenige Menschen indessen sind das im Stande. Man nennt sie (αυτοδιδαχτοι) Autodidakten. Bei derAusbildung der Vernunft muss man sokratisch verfahren. Sokrates nämlich, der sich die Hebamme der Kenntnisse seiner Zuhörer nannte, gibt in seinen Dialogen, die uns Plato gewissermassen aufbehalten hat, Beispiele, wie man, selbst bei alten Leuten, manches aus ihrer eigenen Vernunft hervorziehen kann. Vernunft braucht in vielen Stücken nicht von Kindern ausgeübt zu werden. Sie müssen nicht über alles vernünfteln. Von dem, was sie wohlgezogen machen soll, brauchen sie nicht die Gründe zu wissen, sobald es aber die Pflicht betrifft, so müssen ihnen dieselben bekannt gemacht werden. Doch muss man überhaupt dahin sehen, dass man nicht Vernunfterkenntnisse in sie hineintrage, sondern dieselben aus ihnen heraushole. Die sokratische Methode sollte bei der katechetischen die Regel ausmachen. Sie ist freilich etwas langsam, und es ist schwer, es [[A 91>> so einzurichten, dass, indem man aus dem einen die Erkenntnisse herausholt, die andern auch etwas dabei lernen. Die mechanisch-katechetische Methode ist bei manchen Wissenschaften auch gut; z. E. bei dem Vortrage der geoffenbarten Religion. Bei der allgemeinen Religion hingegen muss man die sokratische Methode benutzen. In Ansehung dessen nĺmlich, was historisch gelernt werden muss, empfiehlt sich die mechanisch-katechetische Methode vorzüglich. Es gehöret hieher auch die Bildung des Gefühls der Lust oder Unlust. Sie muss negativ sein, das Gefühl selbst aber nicht verzärtelt werden. Hang zur Gemächlichkeit ist für den Menschen schlimmer, als alle Übel des Lebens. Es ist daher äusserst wichtig, dass Kinder von Jugend auf arbeiten lernen. Kinder, wenn sie nur nicht schon verzärtelt sind, lieben würklich Vergnügungen, die mit Strapazen verknüpft, Beschäftigungen, zu denen Kräfte erforderlich sind. In Ansehung dessen, was sie geniessen, muss man sie nicht leckerhaft machen, und sie nicht wählen lassen. Gemeinhin verziehen die [[A 92>> Mütter ihre Kinder hierin, und verzärteln sie überhaupt. Und doch bemerkt man, dass die Kinder, vorzüglich die Söhne, die Väter mehr, als die Mütter lieben. Dies kömmt wohl daher, die Mütter lassen sie gar nicht herumspringen, herumlaufen, und dergl., aus Furcht, dass sie Schaden nehmen möchten. Der Vater, der sie schilt, auch wohl schlägt, wenn sie ungezogen gewesen sind, 1

Akad.-Ausg. erwägt: „Sie”.

führt sie dagegen auch bisweilen ins Feld, und lässt sie da recht jungenmässig herumlaufen, spielen und fröhlich sein. Man glaubt, die Geduld der Kinder dadurch zu üben, dass man sie lange auf etwas [[A 93>> warten lässt. Dies dürfte indessen eben nicht nötig sein. Wohl aber brauchen sie Geduld in Krankheiten u. dergl. Die Geduld ist zwiefach. Sie besteht entweder darin, dass man alle Hoffnung aufgibt, oder darin, dass man neuen Mut fasset. Das erstere ist nicht nötig, wenn man immer nur das Mögliche verlangt, und das letztere darf man immer, wenn man nur, was recht ist, begehrt. In Krankheiten aber verschlimmert die Hoffnungslosigkeit eben so viel, als der gute Mut zu verbessern im Stande ist. Wer diesen aber, in Beziehung auf seinen pyhsischen oder moralischen Zustand noch zu fassen vermag, der gibt auch die Hoffnung nicht auf. Kinder müssen auch nicht schüchtern gemacht werden. Das geschieht vornehmlich dadurch, wenn man gegen sie mit Scheltworten ausfährt, und sie öfter beschämet. Hierher gehört besonders der Zuruf vieler Eltern: Pfui, schäme dich! Es ist gar nicht abzusehen, worüber die Kinder sich eigentlich sollten zu schämen haben, [[A 94>> wenn sie z. E. den Finger in den Mund stecken und dergl. Es ist nicht Gebrauch, nicht Sitte ! das kann man ihnen sagen, aber nie muss man ihnen ein „Pfui, schäme dich!” zurufen, als nur in dem Falle, dass sie lügen. Die Natur hat dem Menschen die Schamhaftigkeit gegeben, damit er sich, sobald er lügt, verrate. Reden daher Eltern nie den Kindern von Scham vor, als wenn sie lügen, so behalten sie diese Schamröte in betreff des Lügens für ihre Lebenszeit. Wenn sie aber ohne Aufhören beschämt werden: so gründet das eine Schüchternheit, die ihnen weiterhin unabänderlich anklebt. Der Wille der Kinder muss, wie schon oben gesagt, nicht gebrochen, sondern nur in der Art gelenkt werden, dass er den natürlichen Hindernissen nachgebe. Im Anfange muss das Kind freilich blindlings gehorchen. Es ist unnatürlich, dass das Kind durch sein Geschrei kommandiere, und der Starke einem Schwachen gehorche. Man muss daher nie den Kindern, auch in der ersten Jugend, auf ihr Geschrei willfah[[A 95>>ren, und sie dadurch etwas erzwingen lassen. Gemeinhin versehen es die Eltern hierin, und wollen es dadurch nachher wieder gut machen, dass sie den Kindern in späterer Zeit wieder alles, um das sie bitten, abschlagen. Dies ist aber sehr verkehrt, ihnen ohne Ursache abzuschlagen, was sie von der Güte der Eltern erwarten, bloss um ihnen Widerstand zu tun, und sie, die Schwächeren, die Übermacht der Älteren fühlen zu lassen. Kinder werden verzogen, wenn man ihren,Willen erfüllt, und ganz falsch erzogen, wenn man ihrem Willen und ihren Wünschen gerade entgegen handelt. Jenes geschieht gemeinhin so lange, als sie ein Spielwerk der Eltern sind, vornehmlich in der Zeit, wenn sie zu sprechen beginnen. Aus dem Verziehen aber entspringt ein gar grosser Schade für das ganze Leben. Bei dem Entgegenhandeln gegen den Willen der Kinder verhindert man sie zugleich zwar daran, ihren Unwillen zu zeigen, was freilich geschehen muss, destomehr aber toben sie innerlich. Die [[A 96>> Art, nach der sie sich jetzt verhalten sollen, haben sie noch nicht kennen gelernt. – Die Regel, die man also bei Kindern von Jugend auf beobachten muss, ist diese, dass man, wenn sie schreien, und man glaubt, dass ihnen etwas schade, ihnen zu Hülfe komme, dass man aber, wenn sie es aus blossem Unwillen tun, sie liegen lasse. Und ein gleiches Verfahren muŕ auch nachher unablässig eintreten. Der Widerstand, den das Kind in diesem Falle findet, ist ganz natürlich, und ist eigentlich negativ, indem man ihm nur nicht willfahrt. Manche Kinder erhalten dagegen wieder alles von den Eltern, was sie nur verlangen, wenn sie sich aufs Bitten legen. Wenn man die Kinder alles durch Schreien erhalten lässt, so werden sie boshaft, erhalten sie aber alles durch Bitten, so werden sie weichlich. Findet daher keine erhebliche Ursache des Gegenteils statt: so muss man die Bitte des Kindes erfüllen. Findet man aber Ursache, sie nicht zu erfüllen: so muss man sich auch nicht durch vieles Bitten bewegen lassen. Eine jede abschlägige Antwort muss unwiderruf[[A 97>>lich sein. Sie hat dann zunächst den Effekt, dass man nicht öfter abschlagen darf.

Gesetzt es wäre, was man doch nur äusserst selten annehmen kann, bei dem Kinde natürliche Anlage zum Eigensinne vorhanden: so ist es am besten, in der Art zu verfahren, dass, wenn es uns nichts zu Gefallen tut, wir auch ihm wieder nichts zu Gefallen tun. – Brechung des Willens bringt eine sklavische Denkungsart, natürlicher Widerstand dagegen Lenksamkeit zuwege. [[A 98>> Die moralische Kultur muss sich gründen auf Maximen, nicht auf Disziplin. Diese verhindert die Unarten, jene bildet die Denkungsart. Man muss dahin sehen, dass das Kind sich gewöhne, nach Maximen, und nicht nach gewissen Triebfedern zu handeln. Durch Disziplin bleibt nur eine Angewohnheit übrig, die doch auch mit den Jahren verlöscht. Nach Maximen soll das Kind handeln lernen, deren Billigkeit es selbst einsieht. Dass dies bei jungen Kindern schwer zu bewürken, und die moralische Bildung daher auch die meisten Einsichten von seiten der Eltern und der Lehrer erfordern1, sieht man leicht ein. [[A 99>> Wenn das Kind z. E. lügt, muss man es nicht bestrafen, sondern ihm mit Verachtung begegnen, ihm sagen, dass man ihm in Zukunft nicht glauben werde, und dergl. Bestraft man das Kind aber, wenn es Böses tut, und belohnt es, wenn es Gutes tut, so tut es Gutes, um es gut zu haben. Kommt es nachher in die Welt, wo es nicht so zugeht, wo es Gutes tun kann, ohne eine Belohnung, und Böses, ohne Strafe zu empfangen: so wird aus ihm ein Mensch, der nur sieht, wie er gut in der Welt fortkommen kann, und gut oder böse ist, je nachdem er es am zuträglichsten findet. – Die Maximen müssen aus dem Menschen selbst entstehen. Bei der moralischen Kultur soll man schon frühe den Kindern Begriffe beizubringen suchen von dem, was gut oder böse ist. [[A 100>> Wenn man Moralität gründen will: so muss man nicht strafen. Moralität ist etwas so Heiliges und Erhabenes, dass man sie nicht so wegwerfen und mit Disziplin in einen Rang setzen darf. Die erste Bemühung bei der moralischen Erziehung ist, einen Charakter zu gründen. Der Charakter besteht in der Fertigkeit, nach Maximen zu handeln. Im Anfange sind es Schulmaximen, und nachher Maximen der Menschheit. Im Anfange gehorcht das Kind Gesetzen. Maximen sind auch Gesetze, aber subjektive; sie entspringen aus dem eignen Verstande des Menschen. Keine Übertretung des Schulgesetzes aber muss ungestraft hingehen, obwohl die Strafe immer der Übertretung angemessen sein muss. Wenn man bei Kindern einen Charakter bilden will, so kömmt es viel darauf an, dass man ihnen in allen Dingen einen gewissen Plan, gewisse Gesetze bemerkbar mache, die auf das genaueste befolgt werden müssen. So setzt man ihnen z. E. eine Zeit zum Schlafe, zur Arbeit, zur Ergötzung fest, und diese muss man dann auch [[A 101>> nicht verlängern oder verkürzen. Bei gleichgültigen Dingen kann man Kindern die Wahl lassen, nur müssen sie das, was sie sich einmal zum Gesetze gemacht haben, nachher immer befolgen. – Man muss bei Kindern aber nicht den Charakter eines Bürgers, sondern den Charakter eines Kindes bilden. Menschen, die sich nicht gewisse Regeln vorgesetzt haben, sind unzuverlässig, man weiss sich oft nicht in sie zu finden, und man kann nie recht wissen, wie man mit ihnen dran ist. Zwar tadelt man Leute häufig, die immer nach Regeln handeln, z. E. den Mann, der, nach der Uhr, jeder Handlung eine gewisse Zeit festgesetzt hat, aber oft ist dieser Tadel unbillig, und diese Abgemessenheit, ob sie gleich nach Peinlichkeit aussieht, eine Disposition zum Charakter. Zum Charakter eines Kindes, besonders eines Schülers, gehört vor allen Dingen Gehorsam. Dieser ist zwiefach, erstens: ein Gehorsam gegen den a b s o l u t e n, dann zweitens aber auch gegen den f ü r v e r n ü n f t i g u n d g u t e r k a n n t e n W i l l e n eines Führers. Der [[A 102>> Gehorsam kann abgeleitet werden aus dem Zwange, und dann ist er a b s o l u t, oder aus dem Zutrauen, und dann ist er von der andern Art. Dieser f r e i w i l l i g e Gehorsam ist sehr wichtig; jener aber auch äusserst notwendig, indem er das Kind zur Erfüllung solcher Gesetze vorbereitet, die es künftighin, als Bürger, erfüllen muss, wenn sie ihm auch gleich nicht gefallen. 1

Akad.-Ausg.: „erfordere”.

Kinder müssen daher unter einem gewissen Gesetze der Notwendigkeit stehen. Dieses Gesetz aber muss ein allgemeines sein, worauf man besonders in Schulen zu sehen hat. Der Lehrer muss unter mehreren Kindern keine Prädilektion, keine Liebe des Vorzuges gegen ein Kind besonders zeigen. Denn das Gesetz hört sonst auf, allgemein zu sein. Sobald das Kind sieht, dass sich nicht alle übrige auch demselben Gesetze unterwerfen müssen, so wird es aufsetzig. Man redet immer so viel davon, alles müsse den Kindern in der Art vorgestellt werden, dass sie es aus Neigung täten. In manchen Fällen ist das freilich gut, aber vieles muss [[A 103>> man ihnen auch als Pflicht vorschreiben. Dieses hat nachher grossen Nutzen für das ganze Leben. Denn bei öffentlichen Abgaben, bei Arbeiten des Amtes, und in vielen andern Fällen kann uns nur die Pflicht, nicht die Neigung leiten. Gesetzt das Kind sähe die Pflicht auch nicht ein, so ist es doch so besser, und, dass etwas seine Pflicht als Kind sei, sieht es doch wohl ein, schwerer aber, dass etwas seine Pflicht als Mensch sei. Könnte es dieses auch einsehen, welches aber erst bei zunehmenden Jahren möglich ist: so wäre der Gehorsam noch vollkommner. Alle Übertretung eines Gebotes bei einem Kinde ist eine Ermangelung des Gehorsams, und diese zieht Strafe nach sich. Auch bei einer unachtsamen Übertretung des Gebotes ist Strafe nicht unnötig. Diese Strafe ist entweder p h y s i s c h oder m o r a l i s c h. M o r a l i s c h straft man, wenn man der Neigung, geehrt und geliebt zu werden, die Hülfsmittel der Moralität sind, Abbruch tut, z. E. wenn man das Kind beschämt, ihm frostig [[A 104>> und kalt begegnet. Diese Neigungen müssen so viel als möglich erhalten werden. Daher ist diese Art zu strafen die beste; weil sie der Moralität zu Hülfe kommt, z. E. wenn ein Kind lügt, so ist ein Blick der Verachtung Strafe genug, und die zweckmässigste Strafe. P h y s i s c h e Strafen bestehen entweder in Verweigerungen des Begehrten, oder in Zufügung der Strafen. Die erstere Art derselben ist mit der moralischen verwandt, und ist negativ, Die andern Strafen müssen mit Behutsamkeit ausgeübt werden, damit nicht eine indoles servilis entspringe. Dass man Kindern Belohnungen erteilt, taugt nicht, sie werden dadurch eigennützig, und es entspringt daraus eine indoles mercenaria. Der Gehorsam ist ferner: entweder Gehorsam des Kindes, oder des a n g e h e n d e n J ü n g l i n g e s. Bei der Übertretung desselben erfolgt Strafe. Diese ist entweder eine würklich n a t ü r l i c h e Strafe, die sich der Mensch selbst durch sein Betragen zuzieht, z. E. dass das Kind, wenn es zu viel isset, krank wird, und diese Stra[[A 105>>fen sind die besten, denn der Mensch erfährt sie sein ganzes Leben hindurch, und nicht bloss als Kind; oder aber die Strafe ist k ü n s t l i c h. Die Neigung, geachtet und geliebt zu werden, ist ein sicheres Mittel, die Züchtigungen in der Art einzurichten, dass sie dauerhaft sind. Physische Strafen müssen bloss Ergänzungen der Unzulänglichkeit der moralischen sein. Wenn moralische Strafen gar nicht mehr helfen, und man schreitet dann zu physischen fort, so wird durch diese doch kein guter Charakter mehr gebildet werden. Anfänglich aber muss der physische Zwang den Mangel der Überlegung der Kinder ersetzen. Strafen, die mit dem Merkmale des Zornes verrichtet werden, würken falsch. Kinder sehen sie dann nur als Folgen, sich selbst aber als Gegenstände des Affektes eines andern an. Überhaupt müssen Strafen den Kindern immer mit der Behutsamkeit zugefügt werden, dass sie sehen, dass bloss ihre Besserung der Endzweck derselben sei. Die Kinder, wenn sie gestraft sind, sich bedanken, sie die Hände küssen lassen, u. dergl. ist töricht, und macht die Kinder skla[[A 106>>visch. Wenn physische Strafen oft wiederholt werden, bilden sie einen Starrkopf, und strafen Eltern ihre Kinder des Eigensinnes wegen, so machen sie sie nur noch immer eigensinniger. – Das sind auch nicht immer die schlechtesten Menschen, die störrisch sind, sondern sie geben gütigen Vorstellungen öfters leicht nach. Der Gehorsam des angehenden Jünglinges ist unterschieden von dem Gehorsam des Kindes. Er besteht in der Unterwerfung unter die Regeln der Pflicht. Aus Pflicht etwas tun heisst: der Vernunft gehorchen. Kindern etwas von Pflicht zu sagen, ist vergebliche Arbeit. Zuletzt sehen sie dieselbe als etwas an, auf dessen Übertretung die Rute folgt. Das Kind

könnte [[A 107>> durch blosse Instinkte geleitet werden, sobald es aber erwächst, muss der Begriff der Pflicht dazutreten. Auch die Scham muss nicht gebraucht werden bei Kindern, sondern erst in den Jünglingsjahren. Sie kann nämlich nur dann erst Statt finden, wenn der Ehrbegriff bereits Wurzel gefasst hat. Ein zweiter Hauptzug in der Gründung des Charakters der Kinder ist Wahrhaftigkeit. Sie ist der Grundzug und das Wesentliche eines Charakters. Ein Mensch, der lügt, hat gar keinen Charakter, und hat er etwas Gutes an [[A 108>> sich, so rührt dies bloss von seinem Temperamente her. Manche Kinder haben einen Hang zum Lügen, der gar oft von einer lebhaften Einbildungskraft muss hergeleitet werden. Des Vaters Sache ist es, darauf zu sehen, dass sich die Kinder dessen entwöhnen; denn die Mütter achten es gemeiniglich für eine Sache von keiner, oder doch nur geringen1 Bedeutung; ja sie finden darin oft einen, ihnen selbst schmeichelhaften Beweis der vorzüglichen Anlagen und Fähigkeiten ihrer Kinder. Hier nun ist der Ort, von der Scham Gebrauch zu machen, denn hier begreift es das Kind wohl. Die Schamröte verrät uns, wenn wir lügen, aber ist nicht immer ein Beweis davon. Oft errötet man über die Unverschämtheit eines andern, uns einer Schuld zu zeihen. Unter keiner Bedingung muss man durch Strafen die Wahrheit von Kindern zu erzwingen suchen, ihre Lüge müsste denn gleich Nachteil nach sich ziehen, und dann werden sie des Nachteils wegen gestraft. Entziehung der Achtung ist die einzig zweckmässige Strafe der Lüge. [[A 109>> Auch lassen sich die Strafen in n e g a t i v e und p o s i t i v e Strafen abteilen, deren erstere bei Faulheit oder Unsittlichkeit eintreten würden, z. E. bei der Lüge, bei Unwillfährigkeit und Unvertragsamkeit. Die positiven Strafen aber gelten für boshaften Unwillen. Vor allen Dingen aber muss man sich hüten, ja den Kindern nichts nachzutragen. Ein dritter Zug im Charakter eines Kindes muss G e s e l l i g k e i t sein. Es muss auch mit andern Freundschaft halten, und nicht immer für sich alleine sein. Manche Lehrer sind zwar in Schulen dawider; das aber ist sehr unrecht. Kinder sollen sich vorbereiten zu dem süssesten Genusse des Lebens. Lehrer müssen aber keines derselben seiner Talente, sondern nur seines Charakters wegen vorziehen, denn sonst entsteht eine Missgunst, die der Freundschaft zuwider ist. Kinder müssen auch offenherzig sein, und so heiter in ihren Blicken, wie die Sonne. Das fröhliche Herz allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu empfinden. Eine Religion, die den Menschen finster macht, ist falsch; denn er muss [[A 110>> Gott mit frohem Herzen, und nicht aus Zwang dienen. Das fröhliche Herz muss nicht immer strenge im Schulzwange gehalten werden, denn in diesem Falle wird es bald niedergeschlagen. Wenn es Freiheit hat, so erholt es sich wieder. Dazu dienen gewisse Spiele, bei denen es Freiheit hat, und wo das Kind sich bemüht, immer dem andern etwas zuvor zu tun. Alsdann wird die Seele wieder heiter. Viele Leute denken, ihre Jugendjahre seien die besten, und die angenehmsten ihres Lebens gewesen. Aber dem ist wohl nicht so. Es sind die beschwerlichsten Jahre, weil man da sehr unter der Zucht ist, selten einen eigentlichen Freund, und noch seltener Freiheit haben kann. Schon Horaz sagt: Multa tulit, fecitque puer, sudavit et alsit.1 – __________ Kinder müssen nur in solchen Dingen unterrichtet werden, die sich für ihr Alter schicken. Manche Eltern freuen sich, wenn ihre Kinder frühzeitig altklug reden können. Aus solchen [[A 111>> Kindern wird aber gemeiniglich nichts. Ein Kind muss nur klug sein, wie ein Kind. Es muss kein blinder Nachäffer werden. Ein Kind aber, das mit altklugen Sittensprüchen versehen ist, ist ganz ausser der Bestimmung seiner Jahre, und es äffet nach. Es soll nur den Verstand eines Kindes haben, und sich nicht zu frühe sehen lassen. Ein solches Kind wird nie ein Mann von Einsichten, und von aufgeheitertem Verstande werden. 1 1

Akad.-Ausg.: „geringer”. Übersetzung des Herausgebers: „Der Knabe hat viel ertragen und getan, er hat geschwitzt und gefroren”.

Eben so unausstehlich ist es, wenn ein Kind schon alle Moden mitmachen will, z. E. wenn es frisiert sein, Handkrausen, auch wohl gar eine Tabaksdose bei sich tragen will. Es bekommt dadurch ein affektiertes Wesen, das einem Kinde nicht ansteht. Eine gesittete Gesellschaft ist ihm eine Last, und das Wackere eines Mannes fehlt ihm am Ende gänzlich. Eben daher muss man denn aber auch der Eitelkeit frühzeitig in ihm entgegenarbeiten, oder, richtiger gesagt, ihm nicht Veranlassung geben, eitel zu werden. Das geschieht aber, wenn man Kindern schon frühe davon vorschwatzt, wie schön sie sind, wie allerliebst ihnen dieser oder jener [[A 112>> Putz stehe, oder wenn man ihnen diesen als Belohnung verspricht und erteilt. Putz taugt für Kinder nicht. Ihre reinliche und schlechte Bekleidung müssen sie nur als Notdurft erhalten. Aber auch die Eltern müssen für sich keinen Wert darauf setzen, sich nicht spiegeln, denn hier, wie überall, ist das Beispiel allmächtig, und befestigt oder vernichtet die gute Lehre. Von der praktischen Erziehung Zu der praktischen Erziehung gehört 1) Geschicklichkeit, 2) Weltklugheit, 3) Sittlichkeit. Was die G e s c h i c k l i c h k e i t anbetrifft, so muss man darauf sehen, dass sie gründlich, und nicht flüchtig sei. Man muss nicht den Schein annehmen, als hätte man Kenntnisse von Dingen, die man doch nachher nicht zu Stande bringen kann. Die Gründlichkeit muss in der Geschicklichkeit Statt finden, und allmählich zur Gewohnheit in der Denkungsart werden. Sie ist das Wesentliche zu dem Charakter eines Mannes. Geschicklichkeit gehört für das Talent. [[A 113>> Was die W e l t k l u g h e i t betrifft: so besteht sie in der Kunst, unsere Geschicklichkeit an den Mann zu bringen, d. h. wieman die Menschen zu seiner Absicht gebrauchen kann. Dazu ist mancherlei nötig. Eigentlich ist es das Letzte am Menschen; dem Werte nach aber nimmt es die zweite Stelle ein. Wenn das Kind der Weltklugheit überlassen werden soll: so muss es sich verhehlen und undurchdringlich machen, den andern aber durchforschen können. Vorzüglich muss es sich in Ansehung seines Charakters verhehlen. Die Kunst des äussern Scheines ist der Anstand. Und diese Kunst muss man besitzen. Andere zu durchforschen ist schwer, aber man muss diese Kunst notwendig verstehen, sich selbst dagegen undurchdringlich machen. Dazu gehört das Dissimulieren, d. h. die Zurückhaltung seiner Fehler, und jener äussere Schein. Das Dissimulieren ist nicht allemal Verstellung, und kann bisweilen erlaubt sein, aber es grenzt doch nahe an Unlauterkeit. Die Verhehlung ist ein trostloses Mittel. Zur Weltklugheit gehört, dass man nicht [[A 114>> gleich auffahre; man muss aber auch nicht gar zu lässig sein. Man muss also nicht heftig, aber doch wacker sein. Wacker ist noch unterschieden von heftig. Ein W a c k e r e r (strenuus) ist der, der Lust zum Wollen hat. Dieses gehört zur Mässigung des Affektes. Die Weltklugheit ist für das Temperament. S i t t l i c h k e i t ist für den Charakter. Sustine et abstine 1 ist die Vorbereitung zu einer weisen Mässigkeit. Wenn man einen guten Charakter bilden will: so muss man erst die Leidenschaften wegräumen. Der Mensch muss sich in betreff seiner Neigungen so gewöhnen, dass sie nicht zu Leidenschaften werden, sondern er muss lernen, etwas zu entbehren, wenn es ihm abgeschlagen wird. Sustine heisst: erdulde, und gewöhne dich zu ertragen ! Es wird Mut und Neigung erfordert, wenn man etwas entbehren lernen will. Man muss abschlägige Antworten, Widerstand, u.s.w. gewohnt werden. Zum Temperamente gehört Sympathie. Eine sehnsuchtvolle, schmachtende Teilnehmung [[A 115>> muss bei Kindern verhütet werden. Teilnehmung ist würklich Empfindsamkeit; sie stimmt nur mit einem solchen Charakter überein, der empfindsam ist. Sie ist noch vom Mitleiden unterschieden, und ein Übel, das darin besteht, eine Sache bloss zu bejammern. Man sollte den Kindern ein Taschengeld geben, von dem sie Notleidenden

1

Übersetzung des Herausgebers: „Ertrage und sei enthaltsam“.

Gutes tun könnten, da würde man sehen, ob sie mitleidig sind, oder nicht; wenn sie aber immer nur von dem Gelde ihrer Eltern freigebig sind, so fällt dies weg. Der Ausspruch: festina lente1 deutet eine immerwährende Tätigkeit an, bei der man sehr eilen muss, damit man viel lerne, d. h. festina. Man muss aber auch mit Grund lernen, und also Zeit bei jedem gebrauchen, d. h. lente. Es ist nun die Frage, welches vorzuziehen sei, ob man einen grossen Umfang von Kenntnissen haben soll, oder nur einen kleineren, der aber gründlich ist ? Es ist besser, wenig, aber dieses Wenige gründlich zu wissen, als viel und obenhin, denn endlich wird man doch das Seichte in diesem letztern Falle gewahr. Aber das Kind [[A 116>> weiss ja nicht, in welche Umstände es kommen kann, um diese oder jene Kenntnisse zu brauchen, und daher ist es wohl am besten, dass es von allem etwas Gründliches wisse, denn sonst betrügt und verblendet es andere mit seinen obenhin gelernten Kenntnissen. Das letzte ist die Gründung des Charakters. Dieser besteht in dem festen Vorsatze, etwas tun zu wollen, und dann auch in der würklichen Ausübung desselben. Vir propositi tenax2, sagt Horaz, und das ist ein guter Charakter! z. E. wenn ich jemanden etwas versprochen habe, so muss ich es auch halten, gesetzt gleich, dass es mir Schaden brächte. Denn ein Mann, der sich etwas vorsetzt, es aber nicht tut, kann sich selbst nicht mehr trauen, z. E. wenn jemand es sich vornimmt, immer frühe aufzustehn, um zu studieren, oder dies oder jenes zu tun, oder um einen Spaziergang zu machen, und sich im Frühlinge nun damit entschuldiget, dass es noch des Morgens zu kalt sei, und es ihm schaden könne; im Sommer aber, dass es sich so gut schlafen lasse, und der Schlaf ihm angenehm [[A 117>> sei, und so seinen Vorsatz immer von einem Tage zum andern verschiebt: so traut n sich am Ende selbst nicht mehr. Das, was wider die Moral ist, wird von solchen Vorsätzen ausgenommen. Bei einem bösen Menschen ist der Charakter sehr schlimm, aber hier heisst er auch schon Hartnäckigkeit, obgleich es doch gefällt, wenn er seine Vorsätze ausführt, und standhaft ist, wenn es gleich besser wäre, dass er sich so im Guten zeigte. Von jemand, der die Ausübung seiner Vorsätze immer verschiebt, ist nicht viel zu halten. Die sogenannte künftige Bekehrung ist von der Art. Denn der Mensch, der immer lasterhaft gelebt hat, und in einem Augenblicke bekehrt werden will, kann unmöglich dahin gelangen, indem doch nicht sogleich ein Wunder geschehen kann, dass er auf einmal das werde, was jener ist, der sein ganzes Leben gut angewandt, und immer rechtschaffen gedacht hat. Eben daher ist denn auch nichts von Wallfahrten, Kasteiungen und Fasten zu erwarten; denn es lässt sich nicht absehen, was Wallfahrten und andere Gebräu[[A 118>>che dazu beitragen können, um aus einem lasterhaften, auf der Stelle einen edeln Menschen zu machen. Was soll es zur Rechtschaffenheit und Besserung, wenn man am Tage fastet, und in der Nacht noch einmal soviel dafür geniesset, oder, seinem Körper eine Büssung auflegt, die zur Veränderung der Seele nichts beitragen kann. Um in den Kindern einen moralischen Charakter zu begründen, müssen wir folgendes merken: Man muss ihnen die Pflichten, die sie zu erfüllen haben, so viel als möglich, durch Beispiele und Anordnungen beibringen. Die Pflichten, die das Kind zu tun hat, sind doch nur gewöhnliche Pflichten, gegen sich selbst, und gegen andere. Diese Pflichten müssen also aus der Natur der Sache gezogen werden. Wir haben hier daher näher zu betrachten: a) die Pflichten gegen sich selbst. Diese bestehen nicht darin, dass man sich eine herrliche Kleidung anschaffe, prächtige Mahlzeiten halte, u.s.w. obgleich alles reinlich sein muss. Nicht [[A 119>> darin, dass man seine Begierden und Neigungen zu befriedigen suche, denn man muss im Gegenteile sehr mässig und enthaltsam sein, sondern, dass der Mensch in seinem Innern eine gewisse Würde habe, die ihn vor allen Geschöpfen adelt, und seine Pflicht ist es, diese Würde der Menschheit in seiner eignen Person nicht zu verleugnen. 1 2

Übersetzung des Herauspebers: „eile mit Weile“. Übersetzung des Herausgebers: „Ein Mann, beharrlich in seinem Vorsatz“.

Die Würde der Menschheit aber verleugnen wir, wenn wir z. E. uns dem Trunke ergeben, unnatürliche Sünden begehen, alle Arten von Unmässigkeit ausüben, u.s.w. welches alles den Menschen weit unter die Tiere erniedriget. Ferner, wenn ein Mensch sich kriechend gegen andere beträgt, immer Komplimente macht, um sich durch ein so unwürdiges Benehmen, wie er wähnt, einzuschmeicheln, so ist auch dieses wider die Würde der Menschheit. Die Würde des Menschen würde sich auch dem Kinde schon an ihm selbst bemerkbar machen lassen, z. E. im Falle der Unreinlichkeit, die wenigstens doch der Menschheit unanständig ist. Das Kind kann sich aber würklich auch unter die [[A 120>> Würde der Menschheit durch die Lüge erniedrigen, indem es doch schon zu denken, und seine Gedanken andern mitzuteilen vermag. Das Lügen macht den Menschen zum Gegenstande der allgemeinen Verachtung, und ist ein Mittel, ihm bei sich selbst die Achtung und Glaubwürdigkeit zu rauben, die jeder für sich haben sollte. b) Die Pflichten gegen andere. Die Ehrfurcht und Achtung für das Recht der Menschen muss dem Kinde schon sehr frühe beigebracht werden, und man muss sehr darauf sehen, dass es dieselben in Ausübung bringe; z. E. wenn ein Kind einem andern ärmeren Kinde begegnet, und es dieses stolz aus dem Wege, oder von sich stösset, ihm einen Schlag gibt, u.s.w. so muss man nicht sagen: Tue das nicht, es tut dem andern wehe; sei doch mitleidig ! es ist ja ein armes Kind u.s.w. sondern man muss ihm selbst wieder eben so stolz und fühlbar begegnen, weil sein Benehmen dem Rechte der Menschheit zuwider war. Grossmut aber haben die Kinder eigentlich noch gar nicht. Das kann man z. E. daraus ersehen, dass, wenn Eltern ihrem [[A 121>> Kinde befehlen, es solle von seinem Butterbrote einem andern die Hälfte abgeben, ohne dass es aber deshalb nachher um so mehr wieder von ihnen erhält: so tut es dieses entweder gar nicht, oder doch sehr selten und ungerne. Auch kann man ja dem Kinde ohnedem nicht viel von Grossmut vorsagen, weil es noch nichts in seiner Gewalt hat. Viele haben den Abschnitt der Moral, der die Lehre von den Pflichten gegen sich selbst enthält, ganz übersehen, oder falsch erklärt, wie Crugott. Die Pflicht gegen sich selbst aber besteht, wie gesagt, darin, dass der Mensch die Würde der Menschheit in seiner eignen Person bewahre. Er tadelt sich, wenn er die Idee der Menschheit vor Augen hat. Er hat ein Original in seiner Idee, mit dem er sich vergleicht. Wenn die Zahl der Jahre anwächset, wenn die Neigung zum Geschlechte sich zu regen beginnt, dann ist der kritische Zeitpunkt, in dem die Würde des Menschen allein im Stande ist, den Jüngling in Schranken zu halten. Frühe muss man [[A 122>> aber dem Jünglinge Winke geben, wie er sich, vor diesem oder jenem zu bewahren habe. Unsern Schulen fehlet fast durchgängig etwas, was doch sehr die Bildung der Kinder zur Rechtschaffenheit befördern würde, nämlich ein Katechismus des Rechts. Er müsste Fälle enthalten, die populär wären, sich im gemeinen Leben zutragen, und bei denen immer die Frage ungesucht einträte: ob etwas recht sei oder nicht ? z. E. wenn jemand, der heute seinem Kreditor bezahlen soll, durch den Anblick eines Notleidenden gerührt wird, und ihm die Summe, die er schuldig ist, und nun bezahlen sollte, hingibt: ist das recht oder nicht ? Nein ! es ist unrecht, denn ich muss frei sein, wenn ich Wohltaten tun will. Und, wenn ich das Geld dem Armen gebe, so tue ich ein verdienstliches Werk; bezahle ich aber meine Schuld, so tue ich ein schuldiges Werk. Ferner, ob wohl eine Notlü[[A 123>>ge erlaubt sei ? Nein ! es ist kein einziger Fall gedenkbar, in dem sie Entschuldigung verdiente, am wenigsten vor Kindern, die sonst jede Kleinigkeit für eine Not ansehen, und sich öfters Lügen erlauben würden. Gäbe es nun ein solches Buch schon, so könnte man, mit vielem Nutzen, täglich eine Stunde dazu aussetzen, die Kinder das Recht der Menschen, diesen Augapfel Gottes auf Erden, kennen, und zu Herzen nehmen zu lehren. – Was die Verbindlichkeit zum Wohltun betrifft: so ist sie nur eine unvollkommene Verbindlichkeit. Man muss nicht sowohl das Herz der Kinder weich machen, dass es von dem Schicksale des andern affiziert werde, als vielmehr wacker. Es sei nicht voll Gefühl, sondern

voll von der Idee der Pflicht. Viele Per[[A 124>>sonen wurden in der Tat hartherzig, weil sie, da sie vorher mitleidig gewesen waren, sich oft betrogen sahen. Einem Kinde das Verdienstliche der Handlungen begreiflich machen zu wollen, ist umsonst. Geistliche fehlen sehr oft darin, dass sie die Werke des Wohltuns als etwas Verdienstliches vorstellen. Ohne daran zu denken, dass wir in Rücksicht auf Gott nie mehr, als unsere Schuldigkeit tun können, so ist es auch nur unsere Pflicht, dem Armen Gutes zu tun. Denn die Ungleichheit des Wohlstandes der Menschen kommt doch nur von gelegentlichen Umständen her. Besitze ich also ein Vermögen, so habe ich es auch nur dem Ergreifen dieser Umstände, das entweder mir selbst oder meinem Vorgänger geglückt ist, zu danken, und die Rücksicht auf das Ganze bleibt doch immer dieselbe. Der Neid wird erregt, wenn man ein Kind aufmerksam darauf macht, sich nach dem [[A 125>> Werte anderer zu schätzen. Es soll sich vielmehr nach den Begriffen seiner Vernunft schätzen. Daher ist die Demut eigentlich nichts anders, als eine Vergleichung seines Wertes mit der moralischen Vollkommenheit. So lehrt z. E. die christliche Religion nicht sowohl die Demut, als sie vielmehr den Menschen demütig macht, weil er sich, ihr zufolge, mit dem höchsten Muster der Vollkommenheit vergleichen muss. Sehr verkehrt ist es, die Demut darein zu setzen, dass man sich geringer schätze, als andre. – Sieh, wie das und das Kind sich aufführt ! u. dergl. Ein Zuruf der Art bringt eine nur sehr unedle Denkungsart hervor. Wenn der Mensch seinen Wert nach andern schätzt, so sucht er, entweder sich über den andern zu erheben, oder den Wert des andern zu verringern. Dieses letztere aber ist Neid. Man sucht dann immer nur dem andern eine Vergehung anzudichten; denn wäre der nicht da, so könnte man auch nicht mit ihm verglichen werden, so wäre man der Beste. Durch den übel angebrachten Geist der Ämulation wird nur [[A 126>> Neid erregt. Der Fall, in dem die Ämulation noch zu etwas dienen könnte, wäre der, jemand von der Tunlichkeit einer Sache zu überzeugen, z. E. wenn ich von dem Kinde ein gewisses Pensum gelernt fordre, und ihm zeige, dass andre es leisten können. Man muss auf keine Weise ein Kind das andre beschämen lassen. Allen Stolz, der sich auf Vorzüge des Glückes gründet, muss man zu vermeiden suchen. Zu gleicher Zeit muss man aber suchen, Freimütigkeit bei den Kindern zu begründen. Sie ist ein bescheidenes Zutrauen zu sich selbst. Durch sie wird der Mensch in den Stand gesetzt, alle seine Talente geziemend zu zeigen. Sie ist wohl zu unterscheiden von der Dummdreistigkeit, die in der Gleichgültigkeit gegen das Urteil anderer besteht. Alle Begierden des Menschen sind entweder formal (Freiheit und Vermögen) oder material (auf ein Objekt bezogen), Begierden des Wahnes oder des Genusses, oder endlich sie beziehen sich auf die blosse Fortdauer von beiden, als Elemente der Glückseligkeit. [[A 127>> Begierden der ersten Art sind Ehrsucht, Herrschsucht und Habsucht. Die der zweiten: Genuss des Geschlechtes (Wollust), der Sache (Wohlleben), oder der Gesellschaft (Geschmack an Unterhaltung). Begierden der dritten Art endlich sind: Liebe zum Leben, zur Gesundheit, zur Gemächlichkeit (in der Zukunft: Sorgenfreiheit). Laster aber sind entweder: die der Bosheit, oder der Niederträchtigkeit, oder der Eingeschränktheit. Zu den erstern gehören: Neid, Undankbarkeit und Schadenfreude; zu denen der zweiten Art: Ungerechtigkeit, Untreue (Falschheit), Lüderlichkeit, sowohl im Verschwenden der Güter, als der Gesundheit (Unmässigkeit), und der Ehre. Laster der dritten Art sind: Lieblosigkeit, Kargheit, Trägheit (Weichlichkeit). Die Tugenden sind entweder Tugenden des V e r d i e n s t e s, oder bloss der S c h u l d i g k e i t, oder der U n s c h u l d. Zu den erstern gehört: Grossmut (in Selbstüberwindung, sowohl der Rache, als der Gemächlichkeit und der Habsucht), Wohltätigkeit, Selbstbeherrschung; zu den [[A 128>> zweiten: Redlichkeit, Anständigkeit und Friedfertigkeit; zu den dritten endlich: Ehrlichkeit, Sittsamkeit und Genügsamkeit. Ob aber der Mensch nun von Natur moralisch gut oder böse ist ? Keines von beiden, denn er ist von Natur gar kein moralisches Wesen; er wird dieses nur, wenn seine Vernunft sich bis zu den Begriffen der Pflicht und des Gesetzes erhebt. Man kann indessen sagen, dass

er ursprünglich Anreize zu allen Lastern in sich habe, denn er hat Neigungen und Instinkte, die ihn anregen, ob ihn gleich die Vernunft zum Gegenteile treibt. Er kann daher nur moralisch gut werden durch Tugend, also aus Selbstzwang, ob er gleich ohne Anreize unschuldig sein kann. Laster entspringen meistens daraus, dass der gesittete Zustand der Natur Gewalt tut, und unsre Bestimmung als Menschen ist doch, aus dem rohen Naturstande als Tier herauszutreten. Vollkommne Kunst wird wieder zur Natur. Es beruht alles bei der Erziehung darauf, dass man überall die richtigen Gründe aufstelle, [[A 129>> und den Kindern begreiflich und annehmlich mache. Sie müssen lernen, die Verabscheuung des Ekels und der Ungereimtheit an die Stelle der des Hasses zu setzen; innern Abscheu, statt des äussern vor Menschen und der göttlichen Strafen 1, Selbstschätzung und innere Würde, statt der Meinung der Menschen, – innern Wert der Handlung und des Tun2, statt der Worte, und Gemütsbewegung, – Verstand, statt des Gefühles, – und Fröhlichkeit und Frömmigkeit bei guter Laune, statt der grämischen, schüchternen und finstern Andacht eintreten zu lassen. Vor allen Dingen aber muss man sie auch dafür bewahren, dass sie die merita fortunae nie zu hoch anschlagen. __________ Was die Erziehung der Kinder in Absicht der Religion anbetrifft, so ist zuerst die Frage: ob es tunlich sei, frühe den Kindern Religionsbegriffe beizubringen ? Hierüber ist sehr viel in der Pädagogik gestritten worden. Religionsbe[[A 130>>griffe setzen allemal einige Theologie voraus. Sollte nun der Jugend, die die Welt, die sich selbst noch nicht kennt, wohl eine Theologie können beigebracht werden ? Sollte die Jugend, die die Pflicht noch nicht kennt, eine unmittelbare Pflichtgegen Gott zu begreifen im Stande sein ? So viel ist gewiss, dass, wenn es tunlich wäre, dass Kinder keine Handlungen der Verehrung des höchsten Wesens mit ansähen, selbst nicht einmal den Namen Gottes hörten, es der Ordnung der Dinge angemessen wäre, sie erst auf die Zwecke, und auf das, was dem Menschen ziemt, zu führen, ihre Beurteilungskraft zu schärfen, sie von der Ordnung und Schönheit der Naturwerke zu unterrichten, dann noch eine erweiterte Kenntnis des Weltgebäudes hinzuzufügen, und hierauf erst den Begriff eines höchsten Wesens, eines Gesetzgebers, ihnen zu eröffnen. Weil dies aber nach unserer jetzigen Lage nicht möglich ist, so würde, wenn man ihnen erst spät von Gott etwas beibringen wollte, sie ihn aber doch nennen hörten, und sogenannte Diensterweisungen gegen ihn mit ansähen, dieses [[A 131>> entweder Gleichgültigkeit, oder verkehrte Begriffe bei ihnen hervorbringen, z. E. eine Furcht vor der Macht desselben. Da es nun aber zu besorgen ist, dass sich diese in die Phantasie der Kinder einnisten möchte: so muss man, um sie zu vermeiden, ihnen frühe Religionsbegriffe beizubringen suchen. Doch muss dies nicht Gedächtniswerk, blosse Nachahmung und alleiniges Affenwerk sein, sondern der Weg, den man wählt, muss immer der Natur angemessen sein. Kinder werden, auch ohne abstrakte Begriffe von Pflicht, von Verbindlichkeiten, von Wohl- oder Übelverhalten zu haben, einsehen, dass ein Gesetz der Pflicht vorhanden sei, dass nicht die Behaglichkeit, der Nutzen und dergl. sie bestimmen solle, sondern etwas Allgemeines, das sich nicht nach den Launen der Menschen richtet. Der Lehrer selbst aber muss sich diesen Begriff machen. Zuvörderst muss man alles der Natur, nachher diese selbst aber Gott zuschreiben, wie z. E. erstlich alles auf Erhaltung der Arten und deren Gleichgewicht angelegt worden, aber von wei[[A 132>>tem zugleich auch auf den Menschen, damit er sich selbst glücklich mache. Der Begrift von Gott dürfte am besten zuerst analogisch mit dem des Vaters, unter dessen Pflege wir sind, deutlich gemacht werden, wobei sich dann sehr vorteilhaft auf die Einigkeit der Menschen, als in einer Familie, hinweisen lässt. 1 2

Akad.-Ausg. erwägt: „und Furcht der göttlichen Strafen“. Akad.- Ausg.: „des Thuns“; Akad.-Ausg. erwägt: „das Thun“.

Was ist denn aber Religion ? Religion ist das Gesetz in uns, in so ferne es durch einen Gesetzgeber und Richter über uns Nachdruck erhält; sie ist eine auf die Erkenntnis Gottes angewandte Moral. Verbindet man Religion nicht mit Moralität, so wird Religion bloss zur Gunstbewerbung. Lobpreisungen, Gebete, Kirchengehen sollen nur dem Menschen neue Stärke, neuen Mut zur Besserung geben, oder der Ausdruck eines von der Pflichtvorstellung beseelten Herzens sein. Sie sind nur Vorbereitungen zu guten Werken, nicht aber selbst gute Werke, und man kann dem höchsten Wesen nicht anders gefällig werden, als dadurch, dass man ein besserer Mensch werde. [[A 133>> Zuerst muss man bei dem Kinde von dem Gesetze, das es in sich hat, anfangen. Der Mensch ist sich selbst verachtenswürdig, wenn er lasterhaft ist. Dieses ist in ihm selbst gegründet, und er ist es nicht deswegen erst, weil Gott das Böse verboten hat. Denn es ist nicht nötig, dass der Gesetzgeber zugleich auch der Urheber des Gesetzes sei. So kann ein Fürst in seinem Lande das Stehlen verbieten, obne deswegen der Urheber des Verbotes des Diebstahles genannt werden zu können. Hieraus lernt der Mensch einsehen, dass sein Wohlverhalten allein ihn der Glückseligkeit würdig mache. Das göttliche Gesetz muss zugleich als Naturgesetz erscheinen, denn es ist nicht willkürlich. Daher gehört Religion zu aller Moralität. Man muss aber nicht von der Theologie anfangen. Die Religion, die bloss auf Theologie gebaut ist, kann niemals etwas Moralisches enthalten. Man wird bei ihr nur Furcht auf der einen, und lohnsüchtige Absichten und Gesinnungen auf der andern Seite haben, und dies gibt dann bloss einen abergläubischen Kultus ab. [[A 134>> Moralität muss also vorhergehen, die Theologie ihr dann folgen, und das heisst Religion. Das Gesetz in uns heisst Gewissen. Das Gewissen ist eigentlich die Applikation unserer Handlungen auf dieses Gesetz. Die Vorwürfe desselben werden ohne Effekt sein, wenn man es sich nicht als den Repräsentanten Gottes denkt, der seinen erhabenen Stuhl über uns, aber auch in uns einen Richterstuhl aufgeschlagen hat. Wenn die Religion nicht zur moralischen Gewissenhaftigkeit hinzukommt: so ist sie ohne Wirkung. Religion, ohne moralische Gewissenhaftigkeit, ist ein abergläubischer Dienst. Man will Gott dienen, wenn man z. E. ihn lobt, seine Macht, seine Weisheit preiset, ohne darauf zu denken, wie man die göttlichen Gesetze erfülle, ja, ohne einmal seine Macht, Weisheit, u.s.w. zu kennen, und denselben nachzuspüren. Diese Lobpreisungen sind ein Opiat für das Gewissen solcher Leute, und ein Polster, auf dem es ruhig schlafen soll. Kinder können nicht alle Religionsbegriffe fassen, einige aber muss man ihnen demohnge[[A 135>>achtet beibringen; nur müssen diese mehr negativ als positiv sein. – Formeln von Kindern herbeten zu lassen, das dient zu nichts, und bringt nur einen verkehrten Begriff von Frömmigkeit hervor. Die wahre Gottesverehrung besteht darin, dass man nach Gottes Willen handelt, und dies muss man den Kindern beibringen. Man muss bei Kindern, wie auch bei sich selbst, darauf sehen, dass der Name Gottes nicht so oft gemissbraucht werde. Wenn man ihn bei Glückwünschungen, ja selbst in frommer Absicht braucht: so ist dies eben auch ein Missbrauch. Der Begriff von Gott sollte den Menschen, bei dem jedesmaligen Aussprechen seines Namens, mit Ehrfurcht durchdringen, und er sollte ihn daher selten, und nie leichtsinnig gebrauchen. Das Kind muss Ehrfurcht vor Gott empfinden lernen, als vor dem Herrn des Lebens und der ganzen Welt; ferner, als vor dem Vorsorger der Menschen, und drittens endlich, als vor dem Richter derselben. Man sagt, dass N e w t o n immer, wenn er den Namen Gottes ausgesprochen, eine [[A 136>> Weile inne gehalten, und nachgedacht habe. Durch eine vereinigte Deutlichmachung des Begriffes von Gott und der Pflicht lernt das Kind um so besser die göttliche Vorsorge für die Geschöpfe respektieren, und wird dadurch vor dem Hange zur Zerstörung und Grausamkeit bewahrt, der sich so vielfach in der Marter kleiner Tiere äussert. Zugleich sollte man die Jugend auch anweisen, das Gute in dem Bösen zu entdecken, z. E. Raubtiere, Insekten sind Muster der Reinlichkeit und des Fleisses.

Böse Menschen ermuntern zum Gesetze. Vögel, die den Würmern nachstellen, sind Beschützer des Gartens u.s.w. Man muss den Kindern also einige Begriffe von dem höchsten Wesen beibringen, damit sie, wenn sie andre beten sehen u.s.w., wissen mögen, gegen wen und warum dieses geschieht. Diese Begriffe müssen aber nur wenige an der Zahl, und, wie gesagt, nur negativ sein. Man muss sie ihnen aber schon von früher Jugend an beizubringen anfangen, dabei aber ja dahin sehen, [[A 137>> dass sie die Menschen nicht nach ihrer Religionsobservanz schätzen, denn, ohngeachtet der Verschiedenheit der Religionen, gibt es doch überall Einheit der Religion. __________ Wir wollen hiernun noch zum Schlusse einige Bemerkungen beibringen, die vorzüglich von der Jugend, bei ihrem Eintritte in die Jünglingsjahre, sollten beobachtet werden. Der Jüngling fängt um diese Zeit an, gewisse Unterschiede zu machen, die er vorher nicht machte. Nämlich e r s t e n s den Unterschied des Geschlechtes. Die Naturhat hierüber eine gewisse Decke des Geheimnisses verbreitet, als wäre diese Sache etwas, das dem Menschen nicht ganz anständig, und bloss Bedürfnis der Tierheit in dem Menschen ist. Die Natur hat aber gesucht, diese Angelegenheit mit aller Art von Sittlichkeit zu verbinden, die nur möglich ist. Selbst [[A 138>> die wilden Nationen betragen sich dabei mit einer Art von Scham und Zurückhaltung. Kinder legen den Erwachsenen bisweilen hierüber vorwitzige Fragen vor, z. E. wo die Kinder herkämen ? sie lassen sich aber leicht befriedigen, wenn man ihnen entweder unvernünftige Antworten, die nichts bedeuten, gibt, oder sie mit der Antwort, daà dieses Kinderfrage sei, abweiset. Die Entwickelung dieser Neigungen bei dem Jünglinge ist mechanisch, und es verhält sich dabei, wie bei allen Instinkten, dass sie sich entwickeln, auch ohne einen Gegenstand zu kennen. [[A 139>> Es ist also unmöglich, den Jüngling hier in der Unwissenheit, und in der Unschuld, die mit ihr verbunden ist, zu bewahren. Durch Schweigen macht man das Übel aber nur noch ärger. Dieses sieht man an der Erziehung unserer Vorfahren. Bei der Erziehung in neuern Zeiten nimmt man richtig an, dass man unverhohlen, deutlich und bestimmt mit dem Jünglinge davon reden müsse. Es ist dies freilich ein delikater Punkt, weil man ihn nicht gern als den Gegenstand eines öffentlichen Gespräches ansieht. Alles wird aber dadurch gut gemacht, dass man mit würdigem Ernste davon redet, und dass man in seine Neigungen entriert. Das 13te oder 14te Jahr ist gewöhnlich der Zeitpunkt, in dem sich bei dem Jünglinge die Neigung zu dem Geschlechte entwickelt (es müssten denn Kinder verführt und durch böse Beispiele verdorben sein, wenn es früher geschähe). [[A 140>> Ihre Urteilskraft ist dann auch schon ausgebildet, und die Natur hat sie um die Zeit bereits präpariert, dass man mit ihnen davon reden kann. Nichts schwächet den Geist wie den Leib des Menschen mehr, als die Art der Wollust, die auf sich selbst gerichtet ist, und sie streitet ganz wider die Natur des Menschen. Aber auch diese muss man dem Jünglinge nicht verhehlen. Man muss sie ihm in ihrer ganzen Abscheulichkeit darstellen, ihm sagen, dass er sich dadurch für die Fortpflanzung des Geschlechtes unnütz mache, dass die Leibeskräfte dadurch am allermeisten zu Grunde gerichtet werden, dass er sich dadurch ein frühes Alter zuziehe, und sein Geist sehr dabei leide, u.s.w. Man kann den Anreizen dazu entgehen: durch anhaltende Beschäftigung, dadurch, dass [[A 141>> man dem Bette und Schlafe nicht mehr Zeit widmet, als nötig ist. Die Gedanken daran muss man sich durch jene Beschäftigungen aus dem Sinne schlagen, denn, wenn der Gegenstand auch nur bloss in der Imagination bleibt, so nagt er doch an der Lebenskraft. Richtet man seine Neigung auf das andere Geschlecht, so findet man doch noch immer einigen Widerstand, richtet man sie aber auf sich selbst, so kann man sie zu jeder Zeit befriedigen. Der physische Effekt ist überaus schädlich, aber die Folgen, in Absicht der

Moralität, sind noch weit übler. Man überschreitet hier die Grenzen der Natur, und die Neigung wütet ohne Aufhalt fort, weil keine würkliche Befriedigung Statt findet. Lehrer, bei erwachsenen Jünglingen, haben die Frage aufgeworfen: ob es erlaubt sei, dass ein Jüngling sich mit dem andern Geschlechte einlasse ? Wenn eines von beiden gewählt werden muss: so ist dies allerdings besser. Bei jenem handelt er wider die Natur, hier aber nicht. Die Natur hat ihn zum Manne berufen, sobald er mündig wird, und also auch, seine Art fortzu[[A 142>>pflanzen; die Bedürfnisse aber, die der Mensch in einem kultivierten Staate notwendig hat, machen, dass er dann noch nicht immer seine Kinder erziehen kann. Er fehlt hier also wider die bürgerliche Ordnung. Am besten ist es also, ja, es ist Pflicht, dass der Jüngling warte, bis er im Stande ist, sich ordentlich zu verheiraten. Er handelt dann nicht nur wie ein guter Mensch, sondern auch wie ein guter Bürger. Der Jüngling lerne frühzeitig, eine anständige Achtung vor dem andern Geschlechte hegen, sich dagegen, durch lasterfreie Tätigkeit, dessel[[A 143>>ben Achtung erwerben, und so dem hohen Preise einer glücklichen Ehe entgegenstreben. Ein zweiter Unterschied, den der Jüngling um die Zeit, da er in die Gesellschaft eintritt, zu machen anfängt, besteht in der Kenntnis von dem Unterschiede der Stände und der Ungleichheit der Menschen. Als Kind muss man ihm diese gar nicht merken lassen. Man muss es ihm selbst nicht einmal zugeben, dem Gesinde zu befehlen. Sieht es, dass die Eltern dem Gesinde befehlen: so kann man ihm allenfalls sagen: wir geben ihnen Brot, und dafür gehorchen sie uns, du tust das nicht, und also dürfen sie dir auch nicht gehorchen. Kinder wissen davon auch nichts, wenn Eltern ihnen nur nicht selbst diesen Wahn beibringen. Dem Jünglinge muss man zeigen, dass die Ungleichheit der Menschen eine Einrichtung sei, welche entstanden ist, da ein Mensch Vorteile vor dem andern zu erhalten gesucht hat. Das Bewusstsein der Gleichheit der Menschen, bei der bürgerlichen Ungleichheit kann ihm nach und nach beigebracht werden. [[A 144>> Man muss bei dem Jünglinge darauf sehen, dass er sich absolut und nicht nach andern schätze. Die Hochschätzung anderer in dem, was den Wert des Menschen gar nicht ausmacht, ist Eitelkeit. Ferner muss man ihn auch auf Gewissenhaftigkeit in allen Dingen hinweisen, und dass er auch darin nicht bloss scheine, sondern alles zu sein sich bestrebe. Man muss ihn darauf aufmerksam machen, dass er in keinem Stücke, wo er einen Vorsatz wohl überlegt hat, ihn zum leeren Vorsatze werden lasse. Lieber muss man keinen Vorsatz fassen, und die Sache im Zweifel lassen; – auf Genügsamkeit mit äussern Umständen, und Duldsamkeit in Arbeiten: Sustine et abstine1; – auf Genügsamkeit in Vergnügungen. Wenn man nicht bloss Vergnügungen verlangt, sondern auch geduldig im Arbeiten sein will, so wird man ein brauchbares Glied des gemeinen Wesens, und bewahrt sich vor Langeweile. Auf Fröhlichkeit ferner und gute Laune muss man den Jüngling hinweisen. Die Fröhlichkeit [[A 145>> des Herzens entspringt daraus, dass man sich nichts vorzuwerfen hat; – auf Gleichheit der Laune. Man kann sich durch Übung dahin bringen, dass man sich immer zum aufgeräumten Teilnehmer der Gesellschaft disponieren kann. – Darauf, dass man vieles immer wie Pflicht ansieht. Eine Handlung muss mir wert sein, nicht, weil sie mit meiner Neigung stimmt, sondern, weil ich dadurch meine Pflicht erfülle. – Auf Menschenliebe gegen andere, und dann auch auf weltbürgerliche Gesinnungen. In unserer Seele ist etwas, dass wir Interesse nehmen 1) an unserm Selbst, 2) an andern, mit denen wir aufgewachsen sind, und dann muss 3) noch ein Interesse am Weltbesten Statt finden. Man muss Kinder mit diesem Interesse bekannt machen, damit sie ihre Seelen daran erwärmen mögen. Sie müssen sich freuen über das Weltbeste, wenn es auch nicht der Vorteil ihres Vaterlandes, oder ihr eigner Gewinn ist. – [[A 146>> Darauf, dass er einen geringen Wert setze in den Genuss der Ergötzlichkeiten des Lebens. Die kindische Furcht vor dem Tode wird dann wegfallen. Man muss dem Jünglinge zeigen, dass der Genuss nicht liefert, was der Prospekt versprach. – 1

Übersetzung des Herausgebers: „Ertrage und sei enthaltsam“.

Auf die Notwendigkeit endlich der Abrechnung mit sich selbst an jedem Tage, damit man am Ende des Lebens einen Überschlag machen könne, in betreff des Wertes seines Lebens. REZENSIONEN Z U P E T E R M O S C A T I: VON DEM KÖRPERLICHEN WESENTLICHEN UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DER STRUKTUR DER TIERE UND MENSCHEN [[A 265>> Von dem körperlichen wesentlichen Unterschiede zwischen der Struktur der Tiere und Menschen. Eine akademische Rede, gehalten auf dem anatomischen Theater zu Pavia, von D. Peter Moscati, Prof. der Anat. Aus dem Italienischen übersetzt, von Johann Beckmann, Prof. in Göttingen.

Da haben wir wiederum den natürlichen Menschen auf allen Vieren, worauf ihn ein scharfsinniger Zergliederer zurückbringt, da es dem einsehenden R o u s s e a u hiemit als Philosophen nicht hat gelingen wollen. Der D. M o s c a t i beweiset, dass der aufrechte Gang des Menschen gezwungen, und widernatürlich sei, dass er zwar so gebauet sei, um in dieser Stellung sich erhalten und bewegen zu können; dass aber, wenn er sich solches zur Notwendigkeit und beständigen Gewohnheit macht, ihm Ungemächlichkeiten und Krankheiten daraus entspringen, die gnugsam beweisen, er sei durch Vernunft und Nachahmung verleitet worden, von der ersten tierischen Einrichtung abzuweichen. Der Mensch ist in seinem Inwendigen nicht anders gebauet, als alle Tiere, die auf vier Füssen stehen. Wenn er sich nun aufrichtet: so bekommen seine Eingeweide, vornehmlich die Leibesfrucht der schwangern Personen, eine herabhängende Lage und eine halbumgekehrte Stellung, die, wenn sie mit der liegenden, oder auf Vieren gestellten, oft abwechselt, nicht eben sonderlich üble Folgen erzeugen kann, aber dadurch, dass sie beständig fortgesetzt wird, Missgestaltungen und eine Menge Krankheiten verursacht. So verlängert z. E. das Herz, da es genötigt wird zu hängen, die Blutgefässe an die es geknüpft ist, nimmt eine schiefe Lage an, indem es sich auf das Zwerchfell stützt und mit seiner Spitze gegen die linke Seite glitschet, eine Lage, darin der Mensch, und zwar der erwachsene, sich von allen andern Tieren unterscheidet, und dadurch er zu Aneurismen, Herzklopfen, Engbrüstigkeit, Brustwassersucht etc. etc. einen unvermeidlichen Hang bekömmt. Bei dieser geraden Stellung des Menschen sinkt das Gekröse (mesenterium), von der Last der Eingeweide gezogen, senkrecht herunter, wird verlängert und geschwächt, und zu einer Menge Brüche vorbereitet. In der Pfortader, die keine Klappen hat, wird sich das Blut dadurch, dass es in ihr wider die Richtung der Schwere steigen muss, langsamer und schwerer bewegen, als bei der waagrechten Lage des Rumpfs geschehen würde; woraus Hypochondrie, Hämorrhoiden etc. etc. entspringen; zu geschweigen: dass die Schwierigkeit, welche der Umlauf des Bluts, das durch die Blutadern der Beine bis zum Herzen gerade in die Höhe steigen muss, erleidet, Geschwülste, Aderkröpfe etc. etc. nicht selten nach sich ziehet. Vornehmlich ist der Nachteil aus dieser senkrechten Stellung bei Schwangern, sowohl in Ansehung der Frucht, als auch der Mutter sehr sichtbar. Das Kind, das hiedurch auf den Kopf gestellt wird, empfĺngt das Blut in sehr ungleichem Verhältnisse; [[A 266>> indem solches in weit grösserer Menge nach den obern Teilen, den Kopf1 und die Arme getrieben wird, wodurch beide in ganz andere Verhältnisse 1

Akad.-Ausg.: „in den Kopf”.

ausgedehnt werden und wachsen, als bei allen übrigen Tieren. Aus dem erstern Zuflusse entspringen erbliche Neigungen zum Schwindel, zum Schlage, zu Kopfschmerzen und Wahnwitz; aus dem Zudrange des Bluts zu den Armen und Ableitung von den Beinen die merkwürdige und sonst bei keinem Tier wahrgenommene Disproportion: dass die Arme der Frucht, über ihr geziemendes Verhältnis, länger, und die Beine kürzer werden, welches sich zwar nach der Geburt durch die beständig senkrechte Stellung wiederum verbessert, aber doch beweiset: dass der Frucht vorhero Gewalt geschehen sein müsse. Die Schaden der zweifüssigen Mutter sind Hervorschiessung der Gebärmutter, unzeitige Geburten etc. etc., welche mit einer Iliade von andern Übeln aus ihrer aufrechten Stellung entspringen und wovon die vierfüssige Geschöpfe frei sind. Man könnte diese Beweisgründe: dass unsere tierische Natur eigentlich vierfüssig sei, noch durch andre vermehren. Unter allen vierfüssigen Tieren ist nicht ein einziges, welches nicht schwimmen könnte, wenn es durch Zufälle ins Wasser gerät. Der Mensch allein ersäuft, wo er das Schwimmen nicht besonders gelernet hat. Die Ursache ist: weil er die Gewohnheit abgelegt hat, auf Vieren zu gehen; denn diese Bewegung ist es, durch die er sich auf dem Wasser ohne alle Kunst erhalten würde, und wodurch alle vierfüssige Geschöpfe schwimmen, die sonst das Wasser verabscheuen. So paradox auch dieser Satz unseres italienischen Doktors scheinen mag, so erhält er doch in den Händen eines so scharfsinnigen und philosophischen Zergliederers beinahe eine völlige Gewissheit. Man siehet daraus: die erste Vorsorge der Natur sei gewesen, dass der Mensch, als ein Tier, v o r s i c h u n d s e i n e A r t erhalten werde; und hiezu war diejenige Stellung, welche seinem inwendigen Bau, der Lage der Frucht und der Erhaltung in Gefahren am gemüssesten ist, die v i e r f ü s s i g e; dass in ihm aber auch ein Keim von Vernunft gelegt sei, wodurch er, wenn sich solcher entwickelt, v o r d i e G e s e l l s c h a f t bestimmt ist, und vermittelst deren er vor beständig die hiezu geschickteste Stellung, nämlich die z w e i f ü s s i g e annimmt, wodurch er auf einer Seite unendlich viel über die Tiere gewinnt, aber auch mit den Ungemächlichkeiten vorlieb nehmen muss, die ihm daraus entspringen, dass er sein Haupt über seine alte Kameraden so stolz erhoben hat. Kostet 25 gr. Z U J O H A N N H E I N R I C H S C H U L Z: VERSUCH EINER ANLEITUNG ZUR SITTENLEHRE F Ü R A L L E M E N S C H E N, O H N E U N T E R S C H I E D DER RELIGIONEN Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre für alle Menschen, ohne Unterschied der Religion 1, nebst einem Anhange von den Todesstrafen. Erster Teil. Berlin, 1783. bey Stahlbaum. 1 fl. 24 gl.

Dieser erste Teil soll nur als Einleitung zu einem neuen moralischen System die psychologische Grundsätze, auf die in der Folge gebauet werden soll, von der Stelle, die der Mensch in der Stufenleiter der Wesen einnimmt, von seiner empfindenden, denkenden und durch Willen tätigen Natur, von Freiheit und Notwendigkeit, vom Leben, dem Tode und einem künftigen Leben vor Augen stellen; ein Werk, das durch seine Freimütigkeit und noch mehr durch die aus den vielen sehr auffallenden Paradoxen dennoch hervorleuchtende gute Absicht des selbstdenkenden Hrn. Verfassers bei jedem Leser ungeduldige Erwartungen erregen muss, wie doch eine auf dergleichen Prämissen gegründete Sittenlehre ausfallen werde. Rezensent wird erstlich den Gang der Gedanken des Hrn. V. kürzlich verfolgen und zum Schlusse sein Urteil über das Ganze beifügen.

1

Schulz: „Religionen”.

Gleich zu Anfange wird der Begriff der Lebenskraft so erweitert, dass er auf alle Geschöpfe ohne Unterschied gehet, nämlich bloss a l s d e r I n b e g r i f f a l l e r i n e i n em Geschöpfe vorhandenen und zu seiner Natur gehörigen Krä f t e. Daraus folgt denn ein Gesetz der S t e t i g k e i t aller Wesen, wo auf der grossen Stufenleiter ein jedes seinen Nebenmann über sich und unter sich hat, doch so, dass jede Gattung von Geschöpfen zwischen Grenzen steht, die diese nicht überschreiten können, solange sie Mitglieder derselben Gattung bleiben. Daher gibt es eigentlich nichts Lebloses, sondern nur ein kleineres Leben, und die Gattungen unterscheiden sich nur durch Grade der Lebenskraft. Seele, als ein vom Körper unterschiedenes Wesen, ist ein blosses Geschöpf der Einbildung; der erhabenste Seraph und der Baum sind beide künstliche Maschinen. So viel von der Natur der Seele. Ein ähnlicher stufenartiger Zusammenhang findet sich in allem Erkenntnisse. Irrtum und Wahrheit sind nicht der Spezies nach unterschieden, sondern nur wie das Kleinere vom Grösseren; kein absoluter Irrtum findet statt, sondern jedes Erkenntnis, zu der Zeit, da es beim Menschen entsteht, ist v o r i h n wahr. Zurechtweisung ist nur Hinzutuung der Vorstellungen, die vordem noch fehleten, und vormalige Wahrheit wird in der Folge durch den blossen Fortgang der Erkenntnis in Irrtum verwandelt. Unsere Erkenntnis ist gegen die eines Engels lauter Irrtum. Die Vernunft kann nicht irren; jeder Kraft ist ihr Gleis vorgezeichnet. Die Verurteilung der Vernunft durch sich selbst geschieht auch nicht alsdann, wenn man urteilt, sondern hinterher, wenn man schon auf einer andern Stelle ist und mehr Kenntnisse erworben hat. Ich soll nicht sagen, ein Kind irret, sondern es verstehts noch nicht so gut, als ers künftig verstehen wird; es ist ein kleineres Urteil. Weisheit und Torheit, Wissenschaft und Umvissenheit verdienen also nicht Lob, nicht Tadel; sie sind bloss als allmähliche Fortschritte der Natur anzusehen, in Ansehung deren ich nicht frei bin. Was den Willen betrifft, so sind alle Neigungen und Triebe in einem einzigen, nämlich der S e l b s t l i e b e enthalten, in Ansehung deren aber jeder Mensch seine besondere S t i m m u n g hat, die doch auch von einer allgemeinen Stimmung niemals abweichen kann. Die Selbstliebe wird jedesmal durch alle Empfindungen zusammen bestimmt, doch so, dass entweder die dunkleren oder die deutlicheren daran den grössten Anteil haben. E s g i b t a l s o k e i n e n f r e i e n W i l l e n, sondern dieser steht unter dem strengen Gesetze der Notwendigkeit; doch wenn die Selbstliebe durch gar keine deutlichen Vorstellungen, sondern bloss durch Empfindung bestimmt wird, so nennt man dieses u n f r e i e Handlungen. Alle R e u e ist nichtig und ungereimt; denn der Verbrecher beurteilt seine Tat nicht aus seiner vorigen, sondern gegenwärtigen Stimmung, die zwar freilich, wenn sie damals stattgefunden hätte, die Tat würde verhindert haben, wovon aber fälschlich vorausgesetzt wird, dass sie solche auch hätte verhindern sollen, da sie im vorigen Zustande wirklich nicht anzutreffen war. Die Reue ist bloss eine missverstandene Vorstellung, wie man k ü n f t i g b e s s e r h a n d e l n könne, und in der Tat hat die Natur hiebei keine andere Absicht, als den Zweck der Besserung. Auflösung der Schwierigkeit, wie Gott der Urheber der Sünde sein könne. T u g e n d u n d L a s t e r s i n d n i c h t w e s e n t l i c h u n t e r s c h i e d e n. (Hier ist also wiederum der sonst angenommene s p e z i f i s c h e Unterschied in blossen U n t e r s c h i e d d e n G r a d e n n a c h verwandelt.) Tugend ohne Laster kann nicht bestehen, und diese sind nur Gelegenheitsgründe, besser zu werden, (also eine Stufe höher zu kommen.) Die Menschen können sich über das, was sie Tugend nennen, nicht vergleichen, ausser über die, ohne welche keine menschliche Wohlfahrt möglich ist, d. i. die a l l g e m e i n e T u g e n d; aber von dieser abzuweichen, ist dem Menschen schlechterdings unmöglich, und der, so davon abweicht, ist nicht lasterhaft, sondern aberwitzig. Der Mensch, der ein a l l g e m e i n e s Laster beginge, würde wider die Selbstliebe handeln, welches unmöglich ist. Folglich ist die Bahn der allgemeinen Tugend so eben, so gerade und an beiden Seiten so verzäunt, dass alle Menschen schlechterdings drauf bleiben müssen. Es ist nichts als die besondre Stimmung jedes Menschen, welche unter ihnen hierin einen Unterschied macht; wenn sie ihre Standorte verwechselten, so würde einer ebenso handeln wie der andere. Moralisch gut und böse bedeuten nichts weiter als einen höhern oder niedrigern Grad von Vollkommenheit.

Menschen sind in Vergleichung gegen Engel und diese gegen Gott lasterhaft. Daher, weil keine Freiheit ist, alle rächende Strafen ungerecht sind, vornehmlich Todesstrafen, an deren Stelle nichts als Erstattung und Besserung, keinesweges aber blosse Warnung die Absicht der Strafgesetze ausmachen müsse. L o b wegen einer erspriesslichen Tat erteilen, zeigt wenig Menschenkenntnis an; der Mensch war ebensogut dazu gestimmt und aufgezogen, als der Mordbrenner ein Haus anzuzünden. Lob hat nur die Absicht, um den Urheber und andre zu ähnlichen guten Taten aufzumuntern. Diese Lehre von der Notwendigkeit nennt der Herr Verf. eine s e l i g e L e h r e und behauptet, dass durch sie die Sittenlehre allererst ihren eigentlichen Wert erhalte, wobei er gelegentlich anmerkt, dass bei Verbrechen gewisse Lehrer, die es so leicht vormalen, s i c h m i t G o t t z u v e r s ö h n e n, in Anspruch genommen werden sollten. Man kann die gute Absicht unseres Verfassers hiebei nicht verkennen. Er will die bloss büssende und fruchtlose Reue, die doch so oft als an sich versöhnend empfohlen wird, weggeschafft wissen und an deren Statt feste Entschliessungen zum besseren Lebenswandel eingeführt haben; er sucht die Weisheit und Gütigkeit Gottes durch den Fortschritt aller seiner Geschöpfe zur Vollkommenheit und ewigen Glückseligkeit, obgleich auf verschiedenen Wegen zu verteidigen, die Religion vom müssigen Glauben zur Tat zurückzuführen, endlich auch die bürgerliche Strafen menschlicher und vor das besondere sowohl als gemeine Beste erspriesslicher zu machen. Auch wird die Kühnheit seiner spekulativen Behauptungen demjenigen nicht so schreckhaft auffallen, dem bekannt ist, was P r i e s t l e y, ein ebenso sehr wegen seiner Frömmigkeit als Einsicht hochgeachteter englischer Gottesgelehrte, mit unserem Verfasser einstimmig behauptet, ja noch mit mehr Kühnheit ausgedrückt hat, und was nun schon mehrere Geistliche dieses Landes, obgleich weit unter ihm an Talenten, ihm ohne Zurückhaltung nachsprechen; ja was nur neuerlich Herr Prof. E h l e r s von der Freiheit des Willens vor einen Begriff gab, nämlich als einem Vermögen des denkenden Wesens, s e i n e r j e d e s m a l i g e n I d e e n l a g e gemäss zu handeln. Gleichwohl wird jeder unbefangene und vornehmlich in dieser Art von Spekulation genugsam geübte Leser nicht unbemerkt lassen, dass der a l l g e m e i n e F a t a l i s m, der in diesem Werke das vornehmste, alle Moral affizierende, gewaltsame Prinzip ist, da er alles menschliche Tun und Lassen in blosses Marionettenspiel verwandelt, den Begriff von Verbindlichkeit gänzlich aufhebe, dass dagegen das Sollen oder der Imperativ, der das praktische Gesetz vom Naturgesetz unterscheidet, uns auch in der Idee gänzlich ausserhalb der Naturkette setze, indem er, ohne unseren Willen als frei zu denken, unmöglich und ungereimt ist, vielmehr uns alsdenn nichts übrigbleibt, als abzuwarten und zu beobachten, was Gott vermittelst der Naturursachen in uns vor Entschliessungen wirken werde, nicht aber was wir v o n s e l b s t als Urheber tun können und sollen; woraus denn die gröbste Schwärmerei entspringen muss, die allen Einfluss der gesunden Vernunft aufhebt, deren Rechte gleichwohl der Herr V. aufrecht zu erhalten bemüht gewesen. Der praktische Begriff der Freiheit hat in der Tat mit dem spekulativen, der den Metaphysikern gänzlich überlassen bleibt, gar nichts zu tun. Denn woher mir ursprünglich der Zustand, in welchem ich jetzt handeln soll, gekommen sei, kann mir ganz gleichgültig sein; ich frage nur, was ich nun zu tun habe, und da ist die Freiheit eine notwendige praktische Voraussetzung und eine Idee, unter der ich allein Gebote der Vernunft als gültig ansehen kann. Selbst der hartnäckigste Skeptiker gesteht, dass, wenn es zum Handeln kömmt, alle sophistische Bedenklichkeiten wegen eines allgemein täuschenden Scheins wegfallen müssen. Ebenso muss der entschlossenste Fatalist, der es ist, solange er sich der blossen Spekulation ergibt, dennoch, sobald es ihm um Weisheit und Pflicht zu tun ist, jederzeit so handeln, a l s o b e r f r e i w ä r e, und diese Idee bringt auch wirklich die damit einstimmige Tat hervor, und kann sie auch allein hervorbringen. Es ist schwer, den Menschen ganz abzulegen. Der Herr Verf., nachdem er jedes Menschen Handlung, so abgeschmackt sie auch anderen erscheinen mag, aus dem Grunde seiner besonderen Stimmung gerechtfertigt hatte, sagt S. 137: „Ich will alles schlechterdings und ohne Ausnahme, alles, was mich zeitlich und ewig glücklich machen kann, verloren haben,

[ein vermessener Ausdruck!] wenn du nicht ebenso abgeschmackt gehandelt hättest als der andere, wenn du nur in seinem Standorte gewesen wärest.“ Allein da doch nach seinen eigenen Behauptungen die grösste Überzeugung in einem Zeitpunkte davor nicht sichern kann, dass nicht in einem anderen Zeitpunkte, wenn das Erkenntnis weiter fortgerückt ist, die vorige Wahrheit hintennach Irrtum werde: wie würde es da mit jener äusserst gewagten Beteurung aussehen ? Er hat aber im Grunde seiner Seele, obgleich er es sich selbst nicht gestehen wollte, vorausgesetzt, dass der Verstand nach objektiven Gründen, die jederzeit gültig sind, sein Urteil zu bestimmen das Vermögen habe, und nicht unter dem Mechanism der bloss subjektiv bestimmenden Ursachen, die sich in der Folge ändern können, stehe, mithin nahm er immer Freiheit zu denken an, ohne welche es keine Vemunft gibt. Ebenso muss er auch Freiheit des Willens im Handeln voraussetzen, ohne welche es keine Sitten gibt, wenn er in seinem, wie ich nicht zweifle, rechtschaffenen Lebenswandel den ewigen Gesetzen der Pflicht gemäss verfahren und nicht ein Spiel seiner Instinkte und Neigungen sein will, ob er schon zu gleicher Zeit sich selbst diese Freiheit abspricht, weil er seine praktische Grundsätze mit den spekulativen sonst nicht in Einstimmung zu bringen vermag, woran aber, wenn es auch niemanden gelänge, in der Tat nicht viel verloren sein würde. Z U J O H A N N G O T T F R I E D H E R D E R: IDEEN ZUR PHILOSOPHIE DER GESCHICHTE DER MENSCHHEIT [[A 17>> Riga und Leipzig, bei Hartknoch: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit von Johann Gottfried Herder. Quem te Deus esse iussit et humana qua parte locatus es, in re disce – Erster Teil. 318 S. 4. 1784. (1 Rthl. 12 gr.)

Der Geist unsers sinnreichen und beredten Verfassers zeigt in dieser Schrift seine schon anerkannte Eigentümlichkeit. Sie dürfte also wohl eben so wenig, als manche andere aus seiner Feder geflossene, nach dem gewöhnlichen Massstabe beurteilt werden können. Es ist, als ob sein Genie nicht etwa bloss die Ideen aus dem weiten Felde der Wissenschaften und Künste sammelte, um sie mit andern der Mitteilung fähigen zu vermehren, sondern als verwandelte er sie (um ihm den Ausdruck abzuborgen) nach einem gewissen Gesetze der A s s i m i l a t i o n, auf eine ihm eigene Weise, in seine spezifische Denkungsart, wodurch sie von denjenigen, dadurch sich andere Seelen nähren und wachsen (S. 292), merklich unterschieden, und der Mitteilung weniger fähig werden. Daher möchte wohl, was ihm Philosophie der Geschichte der Menschheit heisst, etwas ganz anderes sein, als was man gewöhnlich unter diesem Namen versteht: nicht etwa eine logische Pünktlichkeit in Bestimmung der Begriffe, oder sorgfältige Unterscheidung und Bewährung der Grundsätze, sondern ein sich nicht lange verweilender viel umfassender Blick, eine in Auffindung von Analogien fertige Sagazität, im Gebrauche derselben aber kühne Einbildungskraft, verbunden mit der Geschicklichkeit, für seinen immer in dunkeler Ferne gehaltenen Gegenstand durch Gefühle und Empfindungen einzunehmen, die, als Wirkungen von einem grossen Gehalte der Gedanken, oder als vielbedeutende Winke, mehr von sich vermuten lassen, als kalte Beurteilung wohl gerade zu in denselben antreffen würde. Da indessen Freiheit im Denken (die hier in grossem Masse angetroffen wird), von einem fruchtbaren Kopfe ausgeübt, immer Stoff zum Denken gibt, so wollen wir von den Ideen desselben, soweit es uns glücken will, die wichtigsten und ihm eigentümlichsten auszuheben suchen, und in seinem eigenen Ausdrucke darstellen, zuletzt aber einige Anmerkungen über das Ganze hinzufügen. Unser Verfasser hebt damit an, die Aussicht zu erweitern, um dem Menschen seine Stelle unter den übrigen Planetenbewohnern unserer Sonnenwelt anzuweisen, und schliesst aus dem mittleren nicht unvorteilhaften Stande des Weltkörpers, den er bewohnt, auf einen

bloss „mittelmässigen Erdverstand und eine noch viel zweideutigere Menschentugend, darauf er hier zu rechnen habe, die aber doch – da unsere Gedanken und Kräfte offenbar nur aus unserer Erdorganisation kommen1, und sich so lange zu verändern und verwandeln streben, bis sie etwa zur Reinigkeit und Feinheit gediehen sind, die diese unsere Schöpfung gewähren kann, und, wenn Analogie unsere Führerin sein darf, es auf anderen Sternen nicht anders sein werde: – vermuten lassen, dass der Mensch mit den Bewohnern der letzteren Ein Ziel haben werde, um endlich nicht allein einen Wandelgang auf mehr als einen Stern anzutreten, sondern vielleicht gar zum Umgange mit allen zur Reife gekommenen Geschöpfen so vieler und verschiedener Schwesterwelten zu gelangen“. Von da geht die Betrachtung zu den Revolutionen, welche vor Erzeugung2 der Menschen vorher gingen. „Ehe unsere Luft, unser Wasser, unsere Erde hervorgebracht werden konnte, waren mancherlei einander auflösende niederschlagende Stamina nötig; und die vielfachen Gattungen der Erde, der Gesteine, der Kristallisationen, so gar der Organisation,in Muscheln, Pflanzen, Tieren, zuletzt im Menschen, wie viel Auflösungen und Revolutionen des einen in das andere setzten die nicht voraus ? Er, der Sohn aller Elemente und Wesen, ihr auserlesenster Inbegriff und gleichsam die Blüte der Erdschöpfung, konnte nichts anders als das letzte Schosskind der Natur sein, zu dessen Bildung und Empfang viel Entwickelungen und Revolutionen vorhergehen mussten.” In der Kugelgestalt der Erde findet er einen Gegenstand des Erstaunens über die Einheit, die sie bei aller erdenklichen Mannigfaltigkeit veranlasst. „Wer, der diese Figur je beherziget hätte, wäre hingegangen, zu einem Wortglauben in Philosophie und Religion zu bekehren, oder dafür mit dumpfem aber heiligem Eifer zu morden ?” Eben so gibt ihm die Schiefe der Ekliptik Anlass zur Betrachtung der Menschenbestimmung: „Unter unserer schräge gehenden Sonne ist alles Tun der Menschen Jahresperiode”. Die nähere Kenntnis [[A 18>> des Luftkreises, selbst der Einfluss der Himmelskörper auf denselben, wenn er näher gekannt sein wird, scheint ihm auf die Geschichte der Menschheit einen grossen Einfluss zu versprechen. In dem Abschnitt von der Verteilung des Landes und der Meere wird der Erdbau als ein Erklärungsgrund der Verschiedenheit der Völkergeschichte aufgeführet. „Asien ist so zusammenhängend an Sitten und Gebräuchen, als es dem Boden nach in einem fortgestreckt ist; das kleine Rote Meer scheidet dagegen schon die Sitten, der kleine Persische Meerbusen noch mehr; aber die vielen Seen, Gebirge und Flüsse von Amerika und das feste Land hatten nicht ohne Grund so grosse Ausbreitung im gemässigten Himmelsstriche, und das Bauwerk des alten Kontinents ist mit Absicht auf den ersten Wohnsitz der Menschen anders, als in der neuen Welt von der Natur eingerichtet worden.” Das zweite Buch beschäftigt sich mit den Organisationen auf der Erde und fängt von dem Granit an, auf den Licht, Wärme, eine grobe Luft und Wasser wirkten und vielleicht den Kiesel zur Kalkerde beförderten, in der sich die ersten Lebendigen des Meeres, die Schalengeschöpfe bildeten. Die Vegetation nimmt ferner ihren Anfang. – Vergleichung der Ausbildung des Menschen mit der der Pflanzen, und der Geschlechtsliebe des erstern mit dem Blühen der letztern. Nutzen des Pflanzenreichs in Ansehung des Menschen. Tierreich. Veränderung der Tiere und des Menschen nach den Klimaten. Die der alten Welt sind unvollkommen. „Die Klassen der Geschöpfe erweitern sich, je mehr sie sich vom Menschen entfernen, je näher ihnen1, desto weniger werden ihrer. – In allen ist eine Hauptform, ein ähnlicher Knochenbau. – Diese Übergänge machen es nicht unwahrscheinlich, dass in den Seen Geschöpfe2, Pflanzen, ja vielleicht gar in den t o t g e n a n n t e n Wesen eine und dieselbe Anlage der Organisation, nur unendlich roher und verworrner, herrschen möge. Im Blick des ewigen Wesens, der alles in einem Zusammenhange sieht, hat vielleicht die Gestalt des Eisteilchens, wie es sich erzeugt, und der Schneeflocke, die sich in ihr bildet, noch immer ein analoges Verhältnis mit der Bildung des Embryo im Mutterleibe. – Der Mensch ist ein Nittelgeschöpf unter den Tieren, das ist, die 1

Herder: „keimen”. Akad.-Ausg.: „welche der Erzeugung”. 1 Herder: „näher ihm”. 2 Herder: „Seegeschöpfen”. 2

ausgebreiteteste Form, in der sich a l l e Z ü g e a l l e r G a t t u n g e n um ihn her im feinsten Inbegriff sammeln. – Aus Luft und Wasser sehe ich gleichsam die Tiere aus Höhen und Tiefen zu Menschen kommen, und Schritt vor Schritt sich seiner Gestalt nähern.” Dieses Buch schliesst: „Freue dich deines Standes, o Mensch, und studiere dich edles Mittelgeschöpf in allem, was um dich lebet”. Das dritte Buch vergleicht den Bau der Pflanzen und Tiere mit der Organisation der Menschen. Wir können ihm hier, da er die Betrachtungen der Naturbeschreiber zu seiner Absicht nutzt, nicht folgen; nur einige Resultate: „Durch solche und solche Organen erzeugt sich das Geschöpf aus dem toten Pflanzenleben lebendigen Reiz, und aus der Summe dieses, durch feine Kanäle geläutert, das Medium der Empfindung. Das Resultat der Reize wird T r i e b, das Resultat der Empfindung G e d a n k e: ein ewiger Fortgang von organischer Schöpfung, d e r i n j e d e s l e b e n d i g e G e s c h ö p f g e l e g t w a r d.” Der Verfasser rechnet nicht auf Keime, sondern eine organische Kraft, so bei Pflanzen als Tieren. Er sagt „so wie die Pflanze selbst organisch Leben ist, ist auch der Polyp organisch Leben. Es sind daher viele organische Kräfte, die der Vegetation, der Muskelreize, der Empfindung. Je mehr und feinere Nerven, je grösser das Gehirn, desto verständiger wird die Gattung. T i e r s e e l e ist die Summe aller in einer Organisation wirkenden Kräfte”, und der Instinkt nicht eine besondere Naturkraft, sondern die Richtung, die die Natur jenen sĺmtlichen Kräften durch ihre Temperatur gab. Je mehr das eine organische Principium der Natur, das wir jetzt b i l d e n d (im Stein), jetzt t r e i b e n d (in Pflanzen), jetzt e m p f i n d e n d, jetzt k ü n s t l i c h b a u e n d nennen, und im Grunde nur eine und dieselbe organische Kraft ist, in mehr Werkzeuge und verschiedentliche Glieder verteilt ist, je mehr es in denselben eine eigene Welt hat – desto mehr verschwindet der Instinkt, und ein eigner freier Gebrauch der Sinne und Glieder (wie etwa beim Menschen) fängt an. Endlich kommt der Autor zu dem wesentlichen Naturunterschiede des Menschen. „Der aufrechte Gang des Menschen ist ihm e i n z i g natürlich, ja er ist die Organisation zum ganzen Beruf seiner Gattung, und sein unterscheidender Charakter.” Nicht weil er zur Vernunft bestimmt war, ward ihm, zurn Gebrauch seiner Gliedmassen nach der Vernunft, die aufrechte Stellung angewiesen, sondern er bekam Vernunft, durch die aufrechte Stellung, als die natürliche Wirkung eben derselben Anstalt, die nötig war, um ihn bloss aufrecht gehen zu lassen. „Lasset uns bei diesem heiligen Kunstwerk, der Wohltat, durch die unser Geschlecht ein Menschengeschlecht ward, mit dankbaren Blicken verweilen, mit Verwunderung, weil wir sehen, welche neue Organisation von Kräften in der aufrechten Gestalt der Menschheit anfange, und wie allein durch sie der Mensch ein Mensch ward.” Im vierten Buch führet der Herr Verf. diesen Punkt weiter aus. „Was fehlet dem menschenähnlichen Geschöpfe (dem Affen), dass er kein Mensch ward” – und wodurch ward dieser es ? Durch die Formung des Kopfs z u r a u f r e c h t e n G e s t a l t, durch innere und äussere Organisation zum perpendikularen Schwerpunkt; – der Affe hat alle Teile des Gehirns, die der Mensch hat; er hat sie aber nach der Gestalt seines Schädels in einer zurückgedrückten Lage, und diese hatte er, weil sein Kopf unter einem andern Winkel geformt, und er nicht zum aufrechten Gange gemacht war. Sofort wirkten [[A 19>> alle organische Kräfte anders. – „Blick also gen Himmel, o Mensch, und erfreue dich schaudernd deines unermesslichen Vorzugs, den der Schöpfer der Welt an ein so einfaches Principium, deine aufrechte Gestalt knüpfte. – Über die Erde und Kräuter erhoben herrscht der Geruch nicht mehr, sondern das Auge. – Mit dem aufgerichteten Gange wurde der Mensch ein Kunstgeschöpf, er bekam freie und künstliche Hände – nur im aufrechten Gange findet wahre menschliche Sprache statt. Theoretisch und praktisch ist Vemunft nichts, als etwas V e r n o m m e n e s, gelernte Proportion und Richtung der Ideen und Kräfte, zu welcher der Mensch nach seiner Organisation und Lebensweise gebildet worden.” Und nun Freiheit. „Der Mensch ist der erste Freigelassene der Schöpfung, er steht aufrecht.” Die Scham: „sie musste sich bei aufrechter Gestalt bald entwickeln”. Seine Natur ist keiner sonderlichen Varietät unterworfen.

„Wodurch dieses ? durch seine aufrechte Gestalt, durch nichts anders. – Er ist zur Humanität gebildet; Friedlichkeit, Geschlechtsliebe, Sympathie, Mutterliebe, eine Sprosse der Humanität seiner aufgerichteten Bildung – die Regel der Gerechtigkeit und Wahrheit gründet sich auf die aufrechte Gestalt des Menschen selbst, diese bildet ihn auch zur Wohlanständigkeit: Religion ist die höchste Humanität. Das gebückte Tier empfindet dunkel; den Menschen erhob Gott, dass er, selbst ohne dass er es weiss und will, Ursachen der Dinge nachspähe, und dich finde, du grosser Zusammenhang aller Dinge. Religion aber bringt Hoffnung und Glaube an Unsterblichkeit hervor.” Von dieser letztern redet das 5te Buch. „Vom Stein zu Kristallen, von diesen zu Metallen, von diesen zur Pflanzenschöpfung, von da zum Tier, endlich zum Menschen sahen wir die Form der Organisation steigen, mit ihr auch die Kräfte und Triebe des Geschöpfs vielartiger werden, und sich endlich alle in der Gestalt des Menschen, so fern diese sie fassen konnte, vereinigen. –„ „Durch diese Reihe1 von Wesen bemerkten wir eine Ähnlichkeit der Hauptformen, die sich immer mehr der Menschengestalt naheten 2, – eben so sahen wir auch die Kräfte und Triebe sich ihm nähern. – Bei jedem Geschöpf war nach dem Zweck der Natur, den es zu befördern hatte, auch seine Lebensdauer eingerichtet. – Je organisierter ein Geschöpf ist, desto mehr ist sein Bau zusammengesetzt aus den niedrigen Reichen. Der Mensch ist ein Kompendium der Welt: Kalk, Erde, Salze, Säure3, Ö1 und Wasser, Kräfte der Vegetation, der Reize, der Empfindung5 sind in ihm organisch vereinigt. – Hierdurch werden wir darauf gestossen, auch ein u n s i c h t b a r e s R e i c h d e r K r ä f t e anzunehmen, das in eben demselben genauen Zusammenhange, und Übergange steht, und eine aufsteigende Reihe von unsichtbaren Kräften, wie im sichtbaren Reiche der Schöpfung. – Dieses tut a l l e s für die Unsterblichkeit der Seele, und nicht diese allein, sondern für die Fortdauer aller wirkenden und lebendigen Kräfte der Weltschöpfung. Kraft kann nicht untergehen, das Werkzeug kann wohl zerrüttet werden. Was der Allbelebende ins Leben rief, das lebet; was wirkt, wirkt in seinem ewigen Zusammenhange ewig.” Diese Prinzipien werden nicht auseinander gesetzt, „weil hie dazu der Ort nicht ist”. Indessen „sehen wir in der Materie so viel geistähnliche Kräfte, dass ein völliger Gegensatz und Widerspruch dieser beiden allerdings sehr verschiedenen Wesen, des Geistes und der Materie, wo nicht selbst widersprechend, doch wenigstens ganz unerwiesen scheint”.– „Präformierte Keime hat kein Auge gesehen. Wenn man von einer Epigenesis redet, so spricht man uneigentlich, als ob die Glieder v o n a u s s e n zuwüchsen. Bildung (genesis) ist’s, eine Wirkung i n n e r e r K r ä f t e, denen die Natur eine Masse vorbereitet hatte, die sie sich z u b i l d e n, in der sie sich sichtbar machen sollten. Nicht unsere vernünftige Seele ist’s, die den Leib bildete, sondern der Finger der Gottheit, organische Kraft.” Nun heisst es: „1. Kraft und Organ sind zwar innigst verbunden, nicht aber eins und eben dasselbe. 2. Jede Kraft wirkt ihrem Organ harmonisch, denn sie hat sich dasselbe zur Offenbarung ihres Wesens nur zugebildet und sich assimiliert. 3. Wenn die Hülle wegfällt, so bleibt die Kraft, die voraus, obwohl in einem niedrigen Zustande, und ebenfalls organisch, dennoch vor dieser Hülle schon existierte.” Darauf sagt der Verfasser zu den Materialisten: „Lasset es sein, dass unsere Seele mit allen Kräften der Materie, des Reizes, der Bewegung, des Lebens ursprünglich einerlei sei, und nur auf einer höhern Stufe, in einer ausgebildetern feinern Organisation wirke; hat man denn je auch nur eine Kraft der Bewegung des Reizes1 untergehen sehen, und sind diese mindern Kräfte2 mit ihren Organen eins und dasselbe ?“ Von dem Zusammenhange desselben heisst es, dass er nur Fortschreitung sein könne. „Das Menschengeschlecht kann man als den grossen Zusammenfluss niederer organischen Kräfte ansehen, die in ihm zur Bildung der Humanität keimen sollten.“ 1

Herder: „Reihen”. Herder: „H a u p t f o r m,... nahte”. 3 Herder: „Kalk und Erde, Salze und Säuren”. 5 Herder: „Empfindungen”. 1 Herder: „Bewegung und des Reizes”. 2 Herder: „diese niedern Kräfte”. 2

Dass die Menschen-Organisation in einem Reiche geistiger Kräfte geschehe, wird so gezeigt: „Der Gedanke ist ganz ein ander Ding, als was ihr der Sinn zuführet 1; alle Erfahrungen über ihren Ursprung sind Belege von Wirkung 2 eines zwar organischen, aber dennoch eigenmächtigen, nach Gesetzen geistiger Verbindung wirkenden Wesens. 2. Wie der Leib durch Speise zunimmt, so der Geist durch Ideen; ja wir bemerken bei ihm eben die Gesetze der Assimilation, des Wachstums und der Hervorbringung. Kurz es wird in uns ein innerer geistiger Mensch gebildet, der seiner eigenen Natur ist und den Körper nur als Werkzeug brauchet. Das hellere Bewusstsein, dieser grosse Vorzug der menschlichen Seele, ist derselbe3 auf eine geistige Weise durch die Humanität erst zugebildet worden u.s.w.“, mit einem Worte, wenn wir es recht verstehen: Die Seele ist aus geisti[[A 20>>gen nach und nach hinzu kommenden Kräften allererst geworden. – „Unsere Humanität ist nur Vorübung, die Knospe zu einer zukünftigen Blume. Die Natur wirft Schritt vor Schritt das Unedle weg, bauet dagegen das Geistige an, führet das Feine noch feiner aus, und so können wir von ihrer Künstlerhand hoffen, dass auch unsere Knospe der Humanität in jenem Dasein in ihrer eigentlichen wahren göttlichen Menschengestalt erscheinen werde.“ Den Beschluss macht der Satz: „Der jetzige Zustand des Menschen ist wahrscheinlich das verbindende Mittelglied zwoer Welten. – Wenn der Mensch die Kette der Erdorganisationen, als ihr höchstes und letztes Glied, schliesst, so fängt er auch eben dadurch die Kette einer höhern Gattung von Geschöpfen, als ihr niedrigstes Glied, an, und so ist er wahrscheinlich der Mittelring zwischen zwei in einander greifenden Systemen der Schöpfung. – Er stellet uns zwei Welten auf einmal dar, und das macht die anscheinende Duplizität seines Wesens; – Das Leben ist ein Kampf und die Blume der reinen unsterblichen Humanität eine schwer errungene Krone. – Unsere Brüder der höhern Stufe lieben uns daher gewiss mehr, als wir sie suchen und lieben konnten 1; denn sie sehen unsern Zustand klärer – und sie erziehen an uns vielleicht ihres Glücks Teilnehmer. – Es lässt sich nicht wohl vorstellen: dass der künftige Zustand dem jetzigen so ganz unmitteilbar sein sollte, als das Tier vom 2 Menschen gern glauben möchte, – so scheint ohne höhere Anleitung die Sprache und erste Wissenschaft unerklärlich. – Auch in spätern Zeiten sind die grössten Wirkungen auf der Erde durch unerklärliche Umstände entstanden – selbst Krankheiten waren oft Werkzeuge dazu, wenn das Organ für den gewöhnlichen Kreis des Erdlebens unbrauchbar geworden; so dass es natürlich scheint, dass die innere rastlose Kraft vielleicht Eindrücke empfange, deren eine ungestörte Organisation nicht fähig war. – Doch soll der Mensch sich nicht in seinen künftigen Zustand hineinschauen, sondern sich hineinglauben.“ (Wie aber, wenn er einmal glaubt, dass er sich hineinschauen könne, kann man ihm verwehren, dass er nicht bisweilen von diesem Vermögen Gebrauch zu machen suche ?) – „So viel ist gewiss, dass, in jedem 3 seiner Kräfte eine Unendlichkeit liegt, auch die Kräfte des Weltalls scheinen in der Seele verborgen, und sie bedarf nur einer Organisation, oder einer Reihe von Organisationen, diese in Tätigkeit und Übung setzen zu dürfen. – Wie also die Blume da stand, und in a u f g e r i c h t e t e r G e s t a l t das Reich der unterirdischen noch unbelebten Schöpfung schloss, – so steht über allen zur Erde Gebückten (Tieren) der Mensch wieder a u f r e c h t da. Mit erhabenem Blick und aufgehobenen Händen stehet er da, als ein Sohn des Hauses, den Ruf seines Vaters erwartend.“ [[A 21>> Beschluss der in Numero 4 abgebrochenen Rezension von Herders Ideen einer Philosophie der Geschichte der Menschheit.

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Herder: „1. unleugbar, dass der G e d a n k e, ja die erste Wahrnehmung, damit sich die Seele einen äussern Gegenstand vorstellt, ganz e i n a n d r e s D i n g s e i, a l s w a s i h r d e r S i n n z u f ü h r e t“. 2 Herder: „Wirkungen“. 3 Herder: „derselben“. 1 Herder: „können“. 2 Herder: „im“. 3 Herder: „jeder“.

Die Idee und Endabsicht dieses ersten Teils (eines, wie es der Anschein gibt, auf viele Bände angelegten Werks) besteht in folgendem. Es soll, mit Vermeidung aller metaphysischen Untersuchungen, die geistige Natur der menschlichen Seele, ihre Beharrlichkeit und Fortschritte in der Vollkommenheit, aus der Analogie mit den Naturbildungen der Materie, vornehmlich in ihrer Organisation, bewiesen werden. Zu diesem Behuf werden geistige Kräfte, zu welchen Materie nur den Bauzeug ausmacht, ein gewisses unsichtbares Reich der Schöpfung, angenommen, welches die belebende Kraft enthalte, die alles organisiert, und zwar so, dass das Schema der Vollkommenheit dieser Organisation der Mensch sei, welchem sich alle Erdgeschöpfe von der niedrigsten Stufe an nähern, bis endlich durch nichts als diese vollendete Organisation, deren Bedingung vornehmlich der aufrechte Gang des Tiers sei, der Mensch ward, dessen Tod nimmermehr den schon vorher umständlich an allen Arten von Geschöpfen gezeigten Fortgang und Steigerung der Organisationen endigen könne, sondern vielmehr einen Überschritt der Natur zu noch mehr verfeinerten Operationen erwarten lasse, um ihn dadurch zu künftigen noch höhern Stufen des Lebens und so fortan ins Unendliche zu fördern und zu erheben. Rezensent muss gestehen: dass er diese Schlussfolge aus der Analogie der Natur, wenn er gleich jene kontinuierliche Gradation ihrer Geschöpfe, samt der Regel derselben, nämlich der Annäherung zum Menschen, einräumen wollte, doch nicht einsehe. Denn es sind da v e r s c h i e d e n e Wesen, welche die mancherlei Stufen der immer vollkommneren Organisation besetzen. Also würde nach einer solchen Analogie nur geschlossen werden können: dass irgend a n d e r s w o etwa in einem andern Planeten wiederum Geschöpfe sein dürften, die die nächst höhere Stufe der Organisation über den Menschen behaupteten, nicht aber: dass d a s s e l b e I n d i v i d u u m hiezu gelange. Bei den aus Maden oder Raupen sich entwickelnden fliegenden Tierchen ist hier eine ganz eigene und von dem gewöhnlichen Verfahren der Natur verschiedene Anstalt, und doch auch da folgt die Palingenesie nicht auf den T o d, sondern nur auf den P u p p e n z u s t a n d. Dagegen hier gewiesen werden müsste: dass die Natur Tiere, selbst nach ihrer Verwesung oder Verbrennung, aus ihrer Asche in spezifisch vollkommnerer Organisation aufsteigen lasse, damit man nach der Analogie dieses auch vom Menschen, der hier in Asche verwandelt wird, schliessen könne. Es ist also zwischen der Stufenerhebung eben desselben Menschen, zu einer vollkommneren Organisation in einem andern Leben, und der Stufenleiter, welche man sich unter ganz verschiedenen Arten und Individuen eines Naturreichs denken mag, nicht die mindeste Ähnlichkeit. Hier lässt uns die Natur nichts anders sehen, als dass sie die Individuen der völligen Zerstörung überlasse, und nur die Art erhalte; dort aber verlangt man zu wissen, ob auch das Individuum vom Menschen seine Zerstörung hier auf Erden überleben werde, welches vielleicht aus moralischen, oder, wenn man will, metaphysischen Gründen, niemals aber nach irgend einer Analogie der sichtbaren Erzeugung geschlossen werden kann. Was nun aber jenes unsichtbare Reich wirksamer und selbständiger Kräfte anlangt, so ist nicht wohl abzusehen, warum der Verfasser, nachdem er geglaubt hat, aus den organischen Erzeugungen auf dessen Existenz sicher schliessen zu können, nicht lieber das denkende Prinzip im Menschen dahin unmittelbar, als bloss geistige Natur, übergehen liess, ohne solches durch das Bauwerk der Organisation aus dem Chaos herauszuheben; es müsste denn sein, dass er diese geistigen Kräfte für ganz etwas anders als die menschliche Seele hielt, und diese nicht als besondere Substanz, sondern bloss als Effekt einer auf Materie einwirkenden und sie belebenden unsichtbaren allgemeinen Natur ansähe, welche Meinung wir doch ihm beizulegen billig Bedenken tragen. Allein was soll man überhaupt von der Hypothese unsichtbarer die Organisation bewirkender Kräfte, mithin von dem Anschlage, das, w a s m a n n i c h t b e g r e i f t, aus demjenigen erklären zu wollen, w a s m a n n o c h w e n i g e r b e g r e i f t, denken ? Von jenem können wir doch wenigstens die Gesetze durch Erfahrung kennen lernen, obgleich freilich die Ursachen derselben unbekannt bleiben; von diesem ist uns sogar alle Erfahrung benommen, und, was kann der Philosoph nun hier zur Rechtfertigung seines Vorgebens anführen, als die blosse Verzweifelung, den Aufschluss in

irgend einer Kenntnis der Natur zu finden, und den abgedrungenen Entschluss, sie im fruchtbaren Felde der Dichtungs[[A 22>>kraft zu suchen. Auch ist dieses immer Metaphysik, ja sogar sehr dogmatische, so sehr sie auch unser Schriftsteller, weil es die Mode so will, von sich ablehnt. Was indessen die Stufenleiter der Organisationen betrifft, so darf man es ihm nicht so sehr zum Vorwurf anrechnen, wenn sie zu seiner weit über diese Welt hinausreichenden Absicht nicht hat zulangen wollen; denn ihr Gebrauch in Ansehung der Naturreiche hier auf Erden führt eben sowohl auf nichts. Die Kleinheit der Unterschiede, wenn man die Gattungen ihrer Ä h n l i c h k e i t nach an einander passt, ist bei so grosser Mannigfaltigkeit eine notwendige Folge eben dieser Mannigfaltigkeit. Nur eine V e r w a n d t s c h a f t unter ihnen, da entweder eine Gattung aus der andern, und alle aus einer einzigen Originalgattung oder etwa aus einem einzigen erzeugenden Mutterschosse entsprungen wären, würde auf I d e e n führen, die aber so ungeheuer sind, dass die Vernunft vor ihnen zurückbebt, dergleichen man unserm Vf., ohne ungerecht zu sein, nicht beimessen darf. Was den Beitrag desselben zur vergleichenden Anatomie durchalle Tiergattungen bis herab zur Pflanze betrifft, so mögen die, so die Naturbeschreibung bearbeiten, selbst urteilen, wiefern die Anweisung, die er hier zu neuen Beobachtungen gibt, ihnen nutzen könne, und ob sie wohl überhaupt einigen Grund habe. Aber die Einheit der organischen Kraft (S. 141), die als selbstbildend in Ansehung der Mannigfaltigkeit aller organischen Geschöpfe, und nachher, nach Verschiedenheit dieser Organen, durch sie auf verschiedene Art wirkend, den ganzen Unterschied ihrer mancherlei Gattungen und Arten ausmache, ist eine Idee, die ganz ausser dem Felde der beobachtenden Naturlehre liegt, und zur bloss spekulativen Philosophie gehört, darin sie denn auch, wenn sie Eingang fände, grosse Verwüstungen unter den angenommenen Begriffen anrichten würde. Allein bestimmen zu wollen, welche Organisierung des Kopfs, äusserlich in seiner Figur und innerlich in Ansehung seines Gehirns, mit der Anlage zum aufrechten Gange notwendig verbunden sei, noch mehr aber, wie eine bloss auf diesen Zweck gerichtete Organisation den Grund des Vernunftvermögens enthalte, dessen das Tier dadurch teilhaftig wird, das übersteigt offenbar alle menschliche Vernunft, sie mag nun am physiologischen Leitfaden tappen, oder am metaphysischen fliegen wollen. Durch diese Erinnerungen soll indessen diesem so gedankenvollen Werke nicht alles Verdienst benommen werden. Ein vorzügliches darin ist (um hier nicht so mancher eben so schön gesagten, als edel und wahr gedachten Reflexionen zu gedenken) der Mut, mit welchem sein Verfasser die alle Philosophie so oft verengenden Bedenklichkeiten seines Standes, in Ansehung blosser Versuche der Vernunft, wieweit sie für sich selbst wohl gelangen könne, zu überwinden gewusst hat, worin wir ihm viele Nachfolger wünschen. Überdem trägt die geheimnisvolle Dunkelheit, in welche die Natur selbst ihre Geschäfte der Organisationen, und die Klassenverteilung1 ihrer Geschöpfe einhüllete, einen Teil der Schuld wegen der Dunkelheit und Ungewissheit, die diesem ersten Teile einer philosophischen Menschengeschichte anhängen, der dazu angelegt war, um die äussersten Enden derselben, den Punkt, von dem sie anhob, und den, da sie sich über die Erdgeschichte hinaus im Unendlichen verliert, wo möglich an einander zu knüpfen; welcher Versuch zwar kühn, aber doch dem Forschungstriebe unserer Vernunft natürlich, und, selbst bei nicht völlig gelingender Ausführung, nicht unrühmlich ist. Desto mehr aber ist zu wünschen, dass unser geistvoller Verfasser in der Fortsetzung des Werks, da er einen festen Boden vor sich finden wird, seinem lebhaften Genie einigen Zwang auflege, und dass Philosophie, deren Besorgung mehr im Beschneiden als Treiben üppiger Schösslinge besteht, ihn nicht durch Winke, sondern bestimmte Begriffe, nicht durch gemutmasste, sondern beobachtete Gesetze, nicht vermittelst einer, es sei durch Metaphysik oder durch Gefühle beflügelten Einbildungskraft, sondern durch eine im Entwurfe ausgebreitete, aber in der Ausübung behutsame Vernunft zur Vollendung seines Unternehmens leiten möge. 1

Akad.-Ausg.: „Organisation und der Classenvertheilung”.

[[A 309>> Erinnerungen des Rezensenten der Herderschen Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit (Nro. 4 u. Beil. der Allg. Lit. Zeit.) über ein im Februar des deutschen Merkur gegen diese Rezension gerichtetes Schreiben.

Im Februar des T. M. Seite 148 tritt, unter dem Namen eines Pfarrers, ein Verteidiger des Buchs des Herrn Herder gegen den vermeintlichen Angriff in unserer Allgem. Lit. Zeit. auf. Es wäre unbillig, den Namen eines geachteten Autors in den Streit zwischen Rezensenten und Antirezensenten mit zu verwickeln; daher wollen wir hier nur unsere Verfahrungsart in Bekanntmachung und Beurteilung gedachten Werks, als denen Maximen der Sorgfalt, Unparteilichkeit und Mässigung, die diese Zeitung sich zur Richtschnur genommen hat, gemäss, rechtfertigen. Der Pfarrer zankt in seinem Schreiben viel mit einem Metaphysiker, den er in Gedanken hat, und der, wie er ihn sich vorstellt, für alle Belehrung durch Erfahrungswege, oder, wo diese die Sache nicht vollenden, für Schlüsse nach der Analogie der Natur gänzlich verdorben ist, und alles seinem Leisten scholastischer unfruchtbarer Abstraktionen anpassen will. Der Rezensent kann sich diesen Zank recht wohl gefallen lassen, denn er ist hierin mit dem Pfarrer völlig einerlei Eleinung, und die Rezension ist selbst der beste Beweis davon. Da er aber die Materialien zu einer Anthropologie ziemlich zu kennen glaubt, imgleichen auch etwas von der Methode ihres Gebrauchs, um eine Geschichte der Menschheit im Garzen ihrer Bestimmung zu versuchen: so ist er überzeugt, dass sie weder in der Metaphysik, noch im Naturalienkabinett, durch Vergleichung des Skeletts des Menschen mit dem von andern Tiergattungen, aufgesucht werden müssen; am wenigsten aber die letztere gar auf seine Bestimmung für eine andere Welt führe; sondern dass sie allein in seinen H a n d l u n g e n gefunden werden können, dadurch er seinen Charakter offenbart; auch ist er überredet, dass Hr. Herder nicht einmal die Absicht gehabt habe, im ersten Teile seines Werks (der nur eine Aufstellung des Menschen als Tiers im allgemeinen Natursystem und also einen Prodromus der künftigen Ideen enthält) die wirklichen Materialien zur Menschengeschichte zu liefern, sondern nur Gedanken, die den Physiologen aufmerksam machen können, seine Nachforschungen, die er gemeiniglich nur auf die mechanische Absicht des tierischen Baues richtet, wo möglich weiter, und bis zu der für den Gebrauch der Vernunft an diesem Geschöpfe zweckmässigen Organisation, auszudehnen; wiewohl er ihnen hierinnen mehr Gewicht, als sie je bekommen können, beigelegt hat. Auch ist nicht nötig, dass der, so der letzteren Meinung ist, (wie der Pfarrer S. 161 fodert) beweise: dass die menschliche Vernunft bei e i n e r a n d e r n F o r m der Organisation auch nur möglich wäre, denn das kann eben so wenig jemals eingesehen werden, als dass sie bei der gegenwärtigen Form a l l e i n möglich sei. Der vernünftige Gebrauch der Erfahrung hat auch seine Grenzen. Diese kann zwar lehren, dass etwas so oder so beschaffen sei, niemals aber, dass es g a r n i c h t a n d e r s sein k ö n n e; auch kann keine Analogie diese unermessliche Kluft zwischen dem Zufälligen und Notwendigen ausfüllen. In der Rezension wurde gesagt: „Die Kleinheit der Unterschiede, wenn man die Gattungen ihrer Ä h n l i c h k e i t nach an einander passt, ist bei so grosser Mannigfaltigkeit eine notwendige Folge eben dieser Mannigfaltigkeit. Nur eine V e r w a n d t s c h a f t unter ihnen, da entweder eine Gattung aus der andern oder alle aus einer einzigen Originalgattung und etwa aus einem einzigen erzeugenden Mutterschosse entsprungen wären, würde auf I d e e n führen, die aber so ungeheuer sind, dass d i e V e r n u n f t vor ihnen z u r ü c k bebt, dergleichen man unserm Verf., ohne ungerecht zu sein, nicht beimessen darf.” Diese Worte verführten den Pfarrer zu glauben, als sei in der Rezension des Werks m e t a p h y s i s c h e O r t h o d o x i e, mithin Intoleranz anzutreffen; und er setzt hinzu: „d i e g e s u n g e i h r e r F r e i h e i t ü b e r l a s s e n e V e r n u n f t bebt a u c h v o r k e i n e r I d e e z u r ü c k”. Es ist aber nichts von allem dem zu fürchten, was er wähnt. Es ist bloss der horror vacui der allgemeinen Menschenvernunft, nämlich, da z u r ü c k z u b e b e n, wo man auf eine Idee stösst, bei der sich g a r n i c h t s d e n k e n l ä s s t, und in dieser Absicht möchte wohl der ontologische Kodex dem theologischen, und zwar gerade der Toleranz wegen zum Kanon dienen. Der Pfarrer findet überdem das dem Buche beigelegte Verdienst der F r e i h e i t i m D e n k e n viel zu gemein für einen so berühmten

Verfasser. Ohne Zweifel meint er, es sei daselbst von der ä u s s e r e n Freiheit die Rede, die, weil sie von Ort und Zeit abhängt, in der Tat gar kein Verdienst ist. Allein die Rezension hatte jene i n n e r e Freiheit, nämlich die von den Fesseln gewohnter und durch die allgemeine Meinung bestärkter Begriffe und [[A 310>> Denkungsarten vor Augen; eine Freiheit, die s o g a r n i c h t gemein ist, dass selbst die, so sich bloss zur Philosophie bekennen, nur selten sich zu ihr haben empor arbeiten können. Was er an der Rezension tadelt „d a s s s i e S t e l l e n, w e l c h e d i e R e s u l t a t e a u s d r ü c k e n, n i c h t a b e r z u g l e i c h d i e, s o s i e v o r b e r e i t e n, a u s h e b t”, möchte wohl ein unvermeidliches Übel für die ganze Autorschaft sein, welches bei allem dem immer doch noch erträglicher ist, als mit Aushebung einer oder andern Stelle bloss überhaupt zu rühmen, oder zu verurteilen. Es bleibt also bei dem mit aller billigen Achtung und selbst mit Teilnehmung an dem R u h m e, noch mehr aber an dem N a c h r u h m e des Verfassers gefälleten Urteile über das gedachte Werk, welches mithin ganz anders lautet als das, was der Pfarrer ihm S. 161 (nicht sehr gewissenhaft) unterschiebt, d a s s d a s B u c h n i c h t g e l e i s t e t h a b e, w a s s e i n T i t e l v e r s p r a c h. Denn der Titel versprach gar nicht, schon im ersten Bande, der nur allgemeine physiologische Vorübungen enthält, das zu leisten, was von den folgenden (die, so viel man urteilen kann, die eigentliche Anthropologie enthalten werden) erwartet wird, und die Erinnerung war nicht überflüssig: in dieser die Freiheit einzuschränken, die in jenen wohl Nachsicht verdienen möchte. Übrigens kommt es jetzt nur auf den Verfasser selbst an, dasjenige zu leisten, was der Titel versprach, welches man denn auch von seinen Talenten und seiner Gelehrsamkeit zu hoffen Ursach hat. [[A 153>> Riga und Leipxig, bei J. T. Hartknoch: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, von Johann Gottfried Herder. Zweiter Teil. 344 S. 8. 1785.

Dieser Teil, der bis zum zehnten Buche fortrückt, beschreibt zuerst in sechs Abschnitten des sechsten Buchs die Organisation der Völker in der Nähe des Nordpols, und um den asiatischen Rücken der Erde, des Erdstrichs schön gebildeter Völker und der afrikanischen Nationen, der Menschen in den Inseln des heissen Erdstrichs und der Amerikaner. Der Verfasser beschliesst die Beschreibung mit dem Wunsche einer Sammlung von neuen Abbildungen der Nationen, wozu Niebuhr, Parkinson, Cook, Höst, Georgi, u. a. schon Anfänge geliefert haben. „Es wäre ein schönes Geschenk, wenn jemand, der es kann, die hie und da zerstreueten treuen Gemälde der Verschiedenheit unsers Geschlechts sammlete, und damit den Grund zu einer s p r e c h e n d e n N a t u r l e h r e u n d P h y s i o g n o m i k d e r M e n s c h h e i t l e g t e. Philosophischer könnte die Kunst schwerlich angewendet werden, und eine anthropologische Karte, wie Z i m m e r m a n n eine zoologische versucht hat, auf der nichts angedeutet werden müsste, als was Diversität der Menschheit ist, diese aber auch in allen Erscheinungen und Rücksichten, eine solche würde das philanthropische Werk krönen.” Das s i e b e n t e Buch betrachtet vorerst die Sätze, dass bei so verschiedenen Formen dennoch das Menschengeschlecht überall nur eine Gattung sei: und dass dies eine Geschlecht sich überall auf der Erde klimatisieret habe. Hiernächst werden die Wirkungen des Klima an Bildung1 des Menschen an Körper und Seele beleuchtet. Der Verf. bemerkt scharfsinnig, dass noch viele Vorarbeiten fehlen, ehe wir an eine physiologische, pathologische 2, geschweige an eine Klimatologie aller menschlichen Denk- und Empfindungskräfte kommen können, und dass es unmöglich sei, das Chaos von Ursachen und Folgen, welches hier Höhe und Tiefe des Erdstrichs, Beschaffenheit desselben und seiner Produkte, Speisen und Getränke, Lebensweise, Arbeiten, Kleidung, gewohnte Stellungen sogar, Vergnügen und Künste nebst andern Umständen zusammen ausmachen, zu einer Welt zu ordnen, in der jedem Dinge, jeder einzelnen Gegend sein Recht geschehe, und keines zu viel oder zu wenig erhalte. Mit 1 2

Herder: „auf die Bildung”. Herder: „physiologisch-pathologische”.

rühmlicher Bescheidenheit kündigt er daher auch die S. 99 folgenden allgemeinen Anmerkungen S. 92 nur als Probleme an. Sie sind unter folgenden Hauptsätzen enthalten. 1. Durch allerlei Ursachen wird auf der Erde eine klimatische Gemeinschaft befördert, die zum Leben der Lebendigen gehört. 2. Das bewohnbare Land unsrer Erde ist in Gegenden zusammengedrängt, wo die meisten lebendigen Wesen, in der ihnen genügsamsten Form, wirken; diese Lage der Weltteile hat Einfluss auf ihrer aller Klima. 3. Durch den Bau der Erde an die Gebürge ward nicht nur für das grosse Mancherlei der Lebendigen das Klima derselben zahllos verändert, sondern auch die Ausbreitung1 des Menschengeschlechts verhütet, wie sie verhütet werden kann2. Im 4ten Abschnitt dieses Buchs behauptet der Verf., die genetische Kraft sei die Mutter aller Bildungen auf der Erde, der das Klima nur freundlich oder feindlich zuwirke, und beschliesst mit einigen Anmerkungen über den Z w i s t d e r G e n e s i s und d e s K l i m a, wo er unter andern auch eine p h y s i s c h g e o g r a p h i s c h e G e s c h i c h t e d e r A b s t a m m u n g und V e r a r t u n g u n s e r s G e s c h l e c h t s n a c h K l i m a t e n und Z e i t e n wünscht. Im a c h t e n Buche verfolgt Hr. H. den Gebrauch der menschlichen Sinne, die Einbildungskraft des Menschen, seinen praktischen Verstand, seine Triebe und Glückseligkeit, und erläutert den Einfluss der Tradition, der Meinungen, der Übung und Gewohnheit durch Beispiele verschiedener Nationen. Das n e u n t e beschäftigt sich mit der Abhängigkeit des Menschen von andern, in der Entwickelung seiner Fähigkeiten, mit der Sprache als Mittel zur Bildung der Menschen, mit der Erfindung der Künste und Wissenschaften durch Nachahmung, Vernunft und Sprache; mit den Regierungen, als festgestellten Ordnungen unter den Menschen meistens aus ererbten Traditionen: und schliesset mit Bemerkungen über die Religion und die älteste Tradition. Das z e h n t e enthält grösstenteils das Resultat der Gedanken, die der Verf. schon anderwärts vorgetragen; indem es ausser den Betrachtungen über [[A 154>> den ersten Wohnsitz der Menschen, und die asiatischen Traditionen über die Schöpfung der Erde und des Menschengeschlechts, das Wesentlichste der Hypothese über die mosaische Schöpfungsgeschichte aus der Schrift ä l t e s t e U r k u n d e d e s M e n s c h e n g e s c h l e c h t s wiederholet. Diese trockene Anzeige soll auch bei diesem Teile nur Ankündigung des Inhalts, nicht Darstellung des Geistes von diesem Werke sein; sie soll einladen, es zu lesen, nicht die Lektüre desselben ersetzen oder unnötig machen. Das s e c h s t e und s i e b e n t e Buch enthalten selbst grösstenteils nur Auszüge aus Völkerbeschreibungen; freilich mit geschickter Wahl ausgesucht, meisterhaft disponiert, und allerwärts mit eignen sinnreichen Beurteilungen begleitet; aber eben darum desto weniger eines ausführlichen Auszugs fähig. Es gehört auch hier nicht zu unsrer Absicht, so manche schöne Stellen voll dichterischer Beredsamkeit auszuheben, oder zu zergliedern, die jedem Leser von Empfindung sich selbst anpreisen werden. Aber eben so wenig wollen wir hier untersuchen, ob nicht der poetische Geist, der den Ausdruck belebt, auch zuweilen in die Philosophie des Vf. eingedrungen; ob nicht hier und da Synonymen für Erklärungen, und Allegorien für Wahrheiten gelten; ob nicht, statt nachbarlicher Übergänge aus dem Gebiete der philosophischen in den Bezirk der poetischen Sprache, zuweilen die Grenzen und Besitzungen von beiden völlig verrückt sein; und ob an manchen Orten das Gewebe von kühnen Metaphern, poetischen Bildern, mythologischen Anspielungen nicht eher dazu diene, den Körper der Gedanken wie unter einer V e r t ü g a d e zu verstecken, als ihn wie unter einem durchscheinenden Gewande angenehm hervorschimmern zu lassen. Wir überlassen es Kritikern der schönen philosophischen Schreibart, oder der letzten Hand des Verf. selbst, z. B. zu untersuchen, ob’s nicht etwa besser gesagt sei: n i c h t n u r T a g u n d N a c h t, u n d W e c h s e l d e r J a h r s z e i t e n v e r ä n d e r n d a s K l i m a, als S. 99: „Nicht nur Tag und Nacht und der Reihentanz abwechselnder Jahrszeiten verändern das Klima“; ob S. 1 2

Herder: „A u s a r t u n g”. Herder: „k o n n t e”.

100 an eine naturhistorische Beschreibung dieser Veränderungen folgendes in einer dithyrambischen Ode ungezweifelt schöne Bild sich passend anschliesse: „Um den Thron Jupiters tanzen ihre (der Erde) Horen einen Reihentanz, und was sich unter ihren Füssen bildet, ist zwar nur eine unvollkommne Vollkommenheit, weil alles auf die Vereinigung verschiedenartiger Dinge gebauet ist, aber durch eine innere Liebe und Vermählung mit einander wird allenthalben das Kind der Natur geboren, sinnliche Regelmässigkeit und Schönheit“; oder ob nicht für den Übergang von Bemerkungen der Reisebeschreiber über die Organisation verschiedner Völker und über das Klima zu einer Sammlung daraus abgezogner Gemeinsätze folgende Wendung, mit der das achte Buch anhebt, zu e p i s c h sei: „Wie einem, der von den Wellen des Meeres eine Schiffahrt in die Luft tun soll, so ist mir, da ich itzt nach den Bildungen und Naturkräften der Menschheit auf ihren Geist komme, und die veränderlichen Eigenschaften desselben, auf unserm weiten Erdenrunde aus fremden, mangelhaften und zum Teil unsichern Nachrichten zu erforschen wage“. Auch untersuchen wir nicht, ob nicht der Strom seiner Beredsamkeit ihn hie oder da in Widersprüche verwickele, ob z. B., wenn S. 248 angeführt wird, dass Erfinder oft mehr den Nutzen ihres Fundes der Nachwelt überlassen mussten, als für sich selbst erfanden, nicht hier ein neues Beispiel zur Bestätigung des Satzes liege, dass die Naturanlagen des Menschen, die sich auf den Gebrauch seiner Vernunft beziehn, nur in der Gattung, nicht aber im Individuum vollständig entwickelt werden sollten, welchem Satze er doch mit einigen daraus fliessenden, wiewohl nicht ganz richtig gefassten, S. 206 beinahe eine B e l e i d i g u n g d e r N a t u r m a j e s t ä t (welches andere in Prosa Gotteslästerung nennen) schuld zu geben geneigt ist: dies alles müssen wir hier, der Schranken, die uns gesetzt sind, eingedenk, unberührt lassen. Eines hätte Rezensent sowohl unserm Verf., als jedem andern philosophischen Unternehmer einer allgemeinen Naturgeschichte des Menschen gewünscht, nämlich dass ein historisch-kritischer Kopf ihnen insgesamt vorgearbeitet hätte, der aus der unermesslichen Menge von Völkerbeschreibungen oder Reiseerzählungen und allen ihren mutmasslich zur menschlichen Natur gehörigen Nachrichten vornehmlich diejenigen ausgehoben hätte, darin sie einander widersprechen, und sie (doch mit beigefügten Erinnerungen wegen der Glaubwürdigkeit jedes Erzählers) neben einander gestellt hätte; denn so würde niemand so 1 dreist auf einseitige Nachrichten fussen, ohne vorher die Berichte anderer genau abgewogen zu haben. Jetzt aber kann man aus einer Menge von Länderbeschreibungen, wenn man will, beweisen, dass Amerikaner, Tibetaner und andere echte mongolische Völker keinen Bart haben, aber auch, wem es besser gefällt, dass sie insgesamt von Natur bärtig sind und sich diesen nur ausrupfen; dass Amerikaner und Neger eine in Geistesanlagen unter die übrigen Glieder der Menschengattung gesunkene Rasse sind, andererseits aber, nach eben so scheinbaren Nachrichten, dass sie hierin, was ihre Naturanlage betrifft, jedem andern Weltbewohner gleich zu schätzen sind, mithin dem Philosophen die Wahl bleibe, ob er Naturverschiedenheiten annehmen, oder alles nach dem Grundsatze tout comme chez nous beurteilen will, dadurch denn alle seine über eine so wankende Grundlage errichtete Systeme den Anschein baufälliger Hypothesen bekommen müssen. Der Einteilung der Menschengattung in R a s s e n ist unser Verf. nicht günstig, vornehmlich derjenigen nicht, welche sich auf anerbende Farben gründet, vermutlich weil [[A 155>> der Begriff einer Rasse ihm noch nicht deutlich bestimmt ist. In des siebenten Buches dritter Nummer nennt er die Ursache der klimatischen Verschiedenheit der Menschen eine g e n e t i s c h e Kraft. Rez. macht sich von der Bedeutung dieses Ausdrucks im Sinne des Verf. diesen Begriff. Er will einerseits das Evolutionssystem, andererseits aber auch den bloss mechanischen Einfluss äusserer Ursachen, als untaugliche Erläuterungsgründe abweisen, und nimmt ein innerlich nach Verschiedenheit der äussern Umstände s i c h s e l b s t, diesen angemessen, modifizierendes Lebensprinzip als die Ursache derselben an, worin ihm Rez. völlig beitritt, nur mit dem Vorbehalt, dass, wenn die v o n i n n e n organisierende Ursache durch ihre Natur etwa nur auf eine gewisse Zahl und Grad von Verschiedenheiten der Ausbildung ihres 1

Akad.-Ausg.: „niemand sich so“.

Geschöpfs eingeschränkt wäre (nach deren Ausrichtung sie nicht weiter frei wäre, um bei veränderten Umständen nach einen1 andern Typus zu bilden), man diese Naturbestimmung der bildenden Natur auch wohl Keime oder ursprüngliche Anlagen nennen könnte, ohne darum die ersten als uranfänglich eingelegte und sich nur gelegentlich auseinander faltende Maschinen und Knospen (wie im Evolutionssystem) anzusehen, sondern wie blosse weiter nicht erklärliche Einschränkungen eines sich selbst bildenden Vermögens, welche letztere 2 wir eben so wenig erklären oder begreiflich machen können. Mit dem a c h t e n B u c h e fängt ein neuer Gedankengang an, der bis zum Schlusse dieses Teils fortwährt, und den Ursprung der Bildung des Menschen als eines vernünftigen und sittlichen Geschöpfs, mithin den Anfang aller Kultur enthält, welcher nach dem Sinn des Verfassers nicht in dem eigenen Vermögen der Menschengattung, sondern gänzlich ausser ihm in einer Belehrung und Unterweisung von andern Naturen zu suchen sei, von da anhebend alles Fortschreiten in der Kultur nichts als weitere Mitteilung und zufälliges Wuchern mit einer ursprünglichen Tradition sei, welcher, und nicht ihm selbst der Mensch alle seine Annäherung zur Weisheit zuzuschreiben habe. Da Rezensent, wenn er einen Fuss ausserhalb der Natur und dem Erkenntnisweg der Vernunft setzt, sich nicht weiter zu helfen weiss, da er in gelehrter Sprachforschung und Kenntnis oder Beurteilung alter Urkunden gar nicht bewandert ist, mithin die daselbst erzählten und dadurch zugleich bewährten Facta philosophisch zu nutzen gar nicht versteht: so bescheidet er sich von selbst, dass er hier kein Urteil habe. Indessen lässt sich von der weitläuftigen Belesenheit und von der besondern Gabe des Verf., zerstreute Data unter einen Gesichtspunkt zu fassen, wahrscheinlich zum voraus vermuten, dass wir wenigstens über den Gang menschlicher Dinge, so fern er dazu dienen kann, den Charakter der Gattung und, wo möglich, selbst gewisse klassische Verschiedenheiten derselben näher kennen zu lernen, viel Schönes werden zu lesen bekommen, welches auch für denjenigen, der über den ersten Anfang aller menschlichen Kultur anderer Meinung wäre, belehrend sein kann. Der Verf. drückt die Grundlage der seinigen (S. 338-339 samt der Anmerkung) kürzlich so aus: „diese (mosaische) lehrende Geschichte erzählt: dass die ersten geschaffenen Menschen mit den unterweisenden Elohim im Umgange gewesen, dass sie unter Anleitung derselben durch Kenntnis der Tiere sich Sprache und herrschende Vernunft erworben und da der Mensch ihnen auch auf eine verbotene Art in Erkenntnis des Bösen gleich werden wollen, er diese mit seinem Schaden erlangt und von nun an einen andern Ort eingenommen, eine neue künstlichere Lebensart angefangen habe. Wollte die Gottheit also, dass der Mensch Vernunft und Vorsicht übte: so musste sie sich seiner auch mit Vernunft und Vorsicht annehmen. – Wie nun aber die Elohim sich der Menschen angenommen, d. i. sie gelehrt, gewarnt und unterrichtet haben ? Wenn es nicht eben so kühn ist, hierüber zu fragen, als zu antworten: so soll uns an einem anderen Ort die Tradition selbst darüber Aufschluss geben.“ In einer unbefahrnen Wüste muss einem Denker gleich Reisenden frei stehen, seinen Weg nach Gutdünken zu wählen; man muss abwarten, wie es ihm gelingt und ob er, nachdem er sein Ziel erreicht hat, wohlbehalten wieder zu Hause, d. i. im Sitze der Vernunft zur rechten Zeit eintreffe und sich also auch Nachfolger versprechen könne. Um deswillen hat Rezensent über den eigenen von dem Verfasser eingeschlagenen Gedankenweg nichts zu sagen, nur glaubt er berechtigt zu sein, einige auf diesem Wege von ihm angefochtenen Sätze in Schutz zu nehmen, weil ihm jene Freiheit, sich seine Bahn selbst vorzuzeichnen, auch zustehen muss. Es heisst nämlich S. 1601: „Ein zwar l e i c h t e r, aber b ö s e r Grundsatz wäre es zur Philosophie der Menschengeschichte: der Mensch sei ein Tier, das einen Herrn nötig habe und von diesem Herren, oder der Verbindung derselben, das Glück seiner Endbestimmung erwarte“. Leicht mag er immer sein, darum weil ihn die Erfahrung aller Zeiten und an allen Völkern bestätigt, aber böse ? S. 205 wird gesagt: „Gütig dachte die Vorsehung, dass sie den 1

Akad.-Ausg.: „nach einem“. Akad.-Ausg.: „welches letztere“. 1 Herder: „260”. 2

Kunstendzwecken grosser Gesellschaften die leichtere Glückseligkeit einzelner Menschen vorzog und jene kostbare Staatsmaschinen, so viel sie konnte, für die Zeit sparete 2”. Ganz recht, aber allererst die Glückseligkeit eines Tiers, dann die eines Kindes, eines Jünglings, endlich die eines Mannes. In allen Epochen der Menschheit, so wie auch zu derselben Zeit in allen Stĺnden, findet eine Glückseligkeit statt, die gerade den Begriffen und der Gewohnheit des Geschöpfs an die Umstände, darin er 3 geboren und erwachsen ist, angemessen ist, ja es ist so gar, was diesen Punkt betrifft, nicht einmal eine Vergleichung des [[A 156>> Grades derselben und ein Vorzug einer Menschenklasse oder einer Generation vor der andern anzugeben möglich. Wie, wenn aber nicht dieses Schattenbild der Glückseligkeit, welches sich ein jeder selbst macht, sondern die dadurch ins Spiel gesetzte immer fortgehende und wachsende Tätigkeit und Kultur, deren grösstmöglicher Grad nur das Produkt einer nach Begriffen des Menschenrechts geordneten Staatsverfassung, folglich ein Werk der Menschen selbst sein kann, der eigentliche Zweck der Vorsehung wäre, so würde nach S. 206 „jeder einzelne Mensch das Mass seiner Glückseligkeit in sich haben”, ohne im Genusse derselben irgend einen4 der nachfolgenden Glieder nachzustehen; was aber den Wert nicht ihres Zustandes, wenn sie existieren, sondern ihrer Existenz selber, d. i. warum sie eigentlich dasein, betrifft, so würde sich nur hier allein eine weise Absicht im ganzen offenbaren. Meint der Herr Verfasser wohl: dass, wenn die glücklichen Einwohner von Otaheite, niemals von gesittetern Nationen besucht, in ihrer ruhigen Indolenz auch Tausende von Jahrhunderten durch zu leben bestimmt wären, man eine befriedigende Antwort auf die Frage geben könnte, warum sie denn gar existieren, und ob es nicht eben so gut gewesen wäre, dass diese Insel mit glücklichen Schafen und Rindern, als mit im blossen Genusse glücklichen Menschen besetzt gewesen wäre. Jener Grundsatz ist also nicht so b ö s e, als der Hr. Vf. meint. – Es mag ihn wohl ein b ö s e r Mann gesagt haben. – Ein zweiter in Schutz zu nehmender Satz wäre dieser. S. 212 heisst es: „Wenn jemand sagte: dass nicht der einzelne Mensch, sondern das Geschlecht erzogen werde, so spräche er für mich unverständlich, da Geschlecht und Gattung nur allgemeine Begriffe sind, ausser, in so fern sie in einzelnen Wesen existieren. – Als wenn ich von der Tierheit, der Steinheit, der Metallheit im allgemeinen spräche und sie mit den herrlichsten, aber in einzelnen Individuen einander widersprechenden Attributen auszierete. – Auf diesem Wege der Averroischen Philosophie soll unsere Philosophie der Geschichte nicht wandeln.” Freilich, wer da sagte: Kein einziges Pferd hat Hörner, aber die Pferdegattung ist doch gehörnt, der würde eine platte Ungereimtheit sagen. Denn Gattung bedeutet alsdenn nichts weiter, als das Merkmal, worin gerade alle Individuen unter einander übereinstimmen müssen. Wenn aber Menschengattung das G a n z e einer ins Unendliche (Unbestimmbare) gehenden Reihe von Zeugungen bedeutet (wie dieser Sinn denn ganz gewöhnlich ist), und es wird angenommen, dass diese Reihe der Linie ihrer Bestimmung, die ihr zur Seite läuft, sich unaufhörlich nähere, so ist es kein Widerspruch zu sagen: dass sie in allen ihren Teilen dieser asymptotisch sei, und doch im ganzen mit ihr zusammen komme, mit anderen Worten, dass kein Glied aller Zeugungen des Menschengeschlechts, sondern nur die Gattung ihre Bestimmung völlig erreiche. Der Mathematiker kann hierüber Erläuterung geben; der Philosoph würde sagen: die Bestimmung des merschlichen Geschlechts im ganzen ist u n a u f h ö r l i c h e s F o r t s c h r e i t e n und die Vollendung derselben ist eine blosse, aber in aller Absicht sehr nützliche Idee von dem Ziele, worauf wir, der Absicht der Vorsehung gemäss, unsere Bestrebungen zu richten haben. Doch diese Irrung in der angeführten polemischen Stelle ist nur eine Kleinigkeit. Wichtiger ist der Schluss derselben: „Auf diesem Wege der Averroischen Philosophie (heisst es) soll unsere Philosophie der Geschichte nicht wandeln”. Daraus lässt sich schliessen, dass unser Verfasser, dem so oft alles, was man bisher für Philosophie ausgegeben, missfällig gewesen, nun einmal, nicht in einer unfruchtbaren 2

Herder: „konnte, den Zeiten ersparte”. Akad.- Ausg.: „darin es”. 4 Akad.-Ausg.: „irgend einem”. 3

Worterklärung, sondern durch Tat und Beispiel in diesem ausführlichen Werke ein Muster der echten Art zu philosophieren der Welt darlegen werde. Z U G O T T L I E B H U F E L A N D: VERSUCH ÜBER DEN GRUNDSATZ DES NATURRECHTS [[A 113>> Leipzig, bei G. J. Göschen: Versuch über den Grundsatz des Naturrechts. – Nebst einem Anhange, von Gottlieb Hufeland, d. W. W. u. B. R. D1. – 1785. (12 gr.)

In Wissenschaften, deren Gegenstand durch lauter Vernunftbegriffe gedacht werden muss, wie die es sind, welche die praktische Weltweisheit ausmachen, nicht bloss zu den ersten Grundbegriffen und Grundsĺtzen zurückgehen, sondern, weil es diesen leicht an Zulässigkeit und objektiver Realität fehlen könnte, die selbst durch ihre Zulänglichkeit für einzelne vorkommende Fälle noch nicht hinreichend bewiesen ist, ihre Quellen in dem Vernunftvermögen selbst aufsuchen, ist ein rühmliches Unternehmen, welchem sich, Hr. Hufeland hier in Ansehung des Naturrechts unterzogen hat. Er stellt in zehn Abschnitten den Gegenstand des Naturrechts, die Entwickelung des Begriffs vom Recht, die notwendigen Eigenschaften des Grundsatzes desselben, dann die verschiedenen Systeme hierüber und die Prüfung derselben, jene mit historischer Ausführlichkeit, diese mit kritischer Genauigkeit dar, wo man die Grundsätze eines Grotius, Hobbes, Pufendorf, Thomasius, Heinrich und Sam. v. Cocceji, Wolff, Gundling, Beyer, Treuer, Köhler, Claproth, Schmauss, Achenwall, Sulzer, Feder, Eberhard, Platner, Mendelssohn, Garve, Höpfner, Ulrich, Zöllner, Hamann, Selle, Flatt, Schlettwein antrifft und nicht leicht einen vermissen wird, welches dem, welcher gerne das Ganze alles bisher in diesem Fache Geschehenen übersehen und die allgemeine Musterung desselben anstellen möchte, eine angenehme Erleichterung ist. Er sucht die Ursachen dieser V e r s c h i e d e n h e i t i n G r u n d s ä t z e n auf; setzt darauf die formalen Bedingungen des Naturrechts fest, leitet den Grundsatz desselben in einer von ihm selbst ausgedachten Theorie ab, bestimmt die Verbindlichkeit im Naturrecht näher und vollendet dieses Werk durch die daraus gezogenen Folgerungen; dem im Anhange noch einige besondere Anwendungen jener Begriffe und Grundsätze beigefügt sind. In einer so grossen Mannigfaltigkeit der Materien über einzelne Punkte Anmerkungen zu ma[[A 114>>chen, würde eben so weitschweifig, als unzweckmässig sein. Es mag also genug sein, den Grundsatz der Errichtung eines eigenen Systems, der dieses Werk charakterisiert, vom achten Abschnitte an auszuheben und seine Quelle sowohl als die Bestimmung anzuzeigen. Der Vf. hält nämlich Prinzipien, die bloss die Form des freien Willens, unangesehen alles Objekts, bestimmen, nicht für hinreichend zum praktischen Gesetze und also, um Verbindlichkeit davon abzuleiten. Daher sucht er zu jenen formalen Regeln eine Materie, d. i. ein Objekt, welches, als der höchste Zweck eines vernünftigen Wesens, den ihm die Natur der Dinge vorschreibt, als ein Postulat angenommen werden könne, und setzt es in der Vervollkommnung d e s s e l b e n. Daher der oberste praktische Grundsatz: befördere die Vollkommenheit aller empfindenden, vorzüglich der vernünftigen Wesen – also auch deine eigene; woraus denn der Satz: verhindere die Verminderung derselben an andern – vorzüglich an dir selbst (so fern andere davon die Ursache sein möchten), welches letztere einen Widerstand, mithin einen Zwang offenbar in sich schliesst. Das Eigentümliche des Systems unsers Vf. besteht nun darin, dass er den Grund alles Naturrechts und aller Befugnis in einer vorhergehenden natürlichen Verbindlichkeit setzt, und dass der Mensch darum befugt sei, andere zu zwingen, weil er hiezu (nach dem letzten Teile 1

Akad.-Ansg.: „der Weltweisheit u. beider Rechte Doctor”.

des Grundsatzes) verbunden ist; anders, glaubt er, könne die Befugnis zum Zwange nicht erklärt werden. Ob er nun gleieh die ganze Wissenschaft natürlicher Rechte auf Verbindlichkeiten gründet, so warnt er doch, darunter nicht die Verbindlichkeit anderer, unserm Recht eine Gnüge1 zu leisten, zu verstehen (Hobbes merkt schon an, dass, wo der Zwang unsere Ansprüche begleitet, keine Verbindlichkeit anderer, sich diesem Zwange zu unterwerfen, mehr gedacht werden könne). Hieraus schliesst er, dass die Lehre von den Verbindlichkeiten im Naturrecht überflüssig sei und oft missleiten könne. Hierin tritt Rez. dem Vf. gerne bei. Denn die Frage ist hier nur, unter welchen Bedingungen ich den Zwang ausüben könne, ohne den allgemeinen Grundsätzen des Rechts zu widerstreiten; ob der [[A 115>> andere nach eben denselben Grundsätzen sich passiv verhalten oder reagieren dürfe, ist seine Sache zu untersuchen, so lange nämlich alles im Naturzustande betrachtet wird, denn im bürgerlichen ist dem Richterspruche, der das Recht dem einen Teil zuerkennt, jederzeit eine Verbindlichkeit des Gegners korrespondierend. Auch hat diese Bemerkung im Naturrecht ihren grossen Nutzen, um den eigentlichen Rechtsgrund nicht durch Einmengung ethischer Fragen zu vdrwirren. Allein, dass die Befugnis zu zwingen so gar eine Verbindlichkeit dazu, welche uns von der Natur selbst auferlegt sei, durchaus zum Grunde haben müsse, das scheint Rezensenten nicht klar zu, sein; vornehmlich, weil der Grund mehr enthält, als zu jener Folge nötig ist. Denn daraus scheint zu folgen, dass man von seinem Rechte sogar n i c h t s n a c h l a s s e n könne, wozu uns ein Zwang erlaubt ist, weil diese Erlaubnis auf einer innern Verbindlichkeit beruht, sich durchaus, und mithin allenfalls mit Gewalt, die uns gestrittene Vollkommenheit zu erringen. Es scheint auch: dass, nach dem angenommenen Richtmasse der Befugnis, die Beurteilung dessen, wozu ich ein Recht habe, selbst in den gemeinsten Fällen des Lebens so künstlich ausfallen müsse, dass selbst der geübteste Verstand sich in kontinuierlicher Verlegenheit, wo nicht gar in der Unmöglichkeit befinden würde, mit Gewissheit auszumachen, wie weit sich sein Recht erstrecke. – Von dem Rechte zum E r s a t z behauptet der Verf., dass es im blossen Naturzustande als Zwangsrecht nicht Statt finde, doch gesteht er, dass er es bloss darum aufgebe, weil er es nicht beweisen zu können glaubt. In eben demselben Zustande räumt er auch keine Z u r e c h n u n g ein, weil da kein Richter angetroffen wird. – Einige Fingerzeige zur Anwendung gibt der Hr. Vf. im Anhange: wo er von der ersten Erwerbung, von der durch Verträge, dem Staats- und Völkerrechte handelt, und zuletzt eine neue notwendige Wissenschaft vorschlägt, welche die Lücke zwischen dem Natur- und positiven Rechte ausfüllen könne. Man kann nicht in Abrede ziehen, dass in diesem Werke viel Neues, Tiefgedachtes und zugleich Wahres enthalten sei, überall aber etwas, das zur Entdeckung des Criterii der Wahrheit in Sätzen des Naturrechts und der Grenzbestimmung des eigentümlichen Bodens desselben vorbereitet und Anleitung gibt. Doch rechnet R. noch sehr auf deri fortgesetzten Gebrauch, den der Hr. Verf. noch künftig in seinen Lehrstunden von seinem Grundsatze machen wird. Denn diese Art von Experiment ist in keiner Art von Erkenntnis aus blossen Begriffen nötiger und dabei doch zugleich so tunlich, als in Fragen über das Recht, das auf blosser Vernunft beruht; niemand aber kann dergleichen Versuch mannigfaltiger und ausführlicher anstellen, als der, welcher sein angenommenes Prinzip an so viel Folgerungen, als ihm das ganze System, das er öfters durchgehen muss, darbietet, zu prüfen Gelegenheit hat. Es [[A 116>> wäre unschicklich, Einwürfe wider eine Schrift aufzustellen, die sich auf das besondere System gründen, das sich der Rezensent über eben denselben Gegenstand gemacht hat; seine Befugnis erstreckt sich nicht weiter, als nur auf die Prüfung der Zusammenstimmung der vorgetragenen Sätze unter einander, oder mit solchen Wahrheiten, die er als vom Verf. zugestanden annehmen kann. Daher können wir nichts weiter hinzufügen, als dass gegenwärtige Schrift den lebhaften und forschenden Geist des Vf., von welchem sich in der Folge viel erwarten lässt, beweise, und eine ähnliche Bearbeitung, in dieser sowohl, als in andern Vernunftwissenschaften die

1

Cassirer: „Rechte ein Genüge”.

Prinzipien sorgfältig zu berichtigen, dem Geschmacke, und vielleicht auch dem Berufe dieses Zeitalters angemessen und daher allgemein anzupreisen sei. NACHWORT DES HERAUSGEBERS BERICHTIGUNGEN INHALTSVERZEICHNISSE ZUM ELFTEN UND ZWÖLFTEN BAND Die vorliegenden Bände der Neuausgabe der Werke Immanuel Kants fassen dessen Schriften aus dem Umkreis der Anthropologie, Geschichtsphilosophie und Politik seitdem Jahre 1775 in chronologischer Reihenfolge zusammen. Sie enthalten ferner die von Rink herausgegebenen Vorlesungen über Pädagogik, Kants Rezensionen aus dem genannten Zeitraum sowie die beiden Aufsätze „Über das Misslingen aller philosophischenVersuche in der Theodizee“ und „Das Ende aller Dinge“, die zusammen mit dem ersten Abschnitt des „Streits der Fakultäten“ eine wichtige Ergänzung der philosophischen Religionslehre bilden, wie Kant sie in der „Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft“ entwickelt hat. Für den Aufsatz „Von den verschiedenen Rassen der Menschen“ wurden Kants Vorlesungsankündigung für das Sommerhalbjahr 1775 (zitiert als A) und deren Neubearbeitung, erschienen in: „Der Philosoph für die Welt. Herausgegeben von J.J.Engel. Zweyter Theil. Leipzig 1777. Zu finden in der Dyckischen Buchhandlung“ (22stes Stück, S. 125 – 164; zitiert als B), durchgängig verglichen. Dabei wurde die stark überarbeitete und erweiterte zweite Fassung, auf die Kant später mehrfach Bezug genommen hat (vgl. Akad.Ausg. X 227 ff.; 254 ff.), dem Abdruck zugrundegelegt. Die Abweichungen der ersten Fassung wurden, kursiv gesetzt, unter dem Text angemerkt. Für die Aufsätze „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“, „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“, „Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse“, „Mutmasslicher Anfang der Menschengeschichte“, „Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee“, „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis“ und „Das Ende aller Dinge“ mussten die Erstdrucke in der Berlinischen Monatsschrift (November 1784, S. 385-411, Dezember 1784, S. 481 – 494 November 1785 S. 390-417 Januar 1786, S. I bis 27, September 1791, S.194-225, September 1793 S. 201 bis 284 und Juni 1794, S.495-522; zitiert als A) zugrundegelegt werden, wenngleich Kant bei ihrer Korrektur schwerlich selbst mitgewirkt haben dürfte. Für Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ wurden die beiden Drucke der ersten Auflage (1795; zitiert als A1 und A2 ) und die zweite Auflage (1796; zitiert als B) durchgängig verglichen. Die zweite „vermehrte“ Auflage wurde dem Abdruck zugrundegelegt. Die Abweichungen der ersten Auflage erscheinen in den Anmerkungen; desgleichen diejenigen, die die beiden Drucke der ersten Auflage untereinander aufweisen, sofern sie von sachlichem Interesse sind. In den Anmerkungen finden sich auch, soweit sie zu einem besseren Verständnis des Textes beitragen können, die Abweichungen der beiden Reinschriftfragmente (umfassend die Seiten B 52-66 und B 71-84; zitiert als H 1) und der Abschrift, die als Druckvorlage gedient hatte (zitiert als H2). Da diese (mit Ausnahme des zweiten Reinschriftfragments) bei Kriegsende verlorengegangen sind, wurden in diesem Falle die Angaben der Akademie-Ausgabe (Bd. VIII und XXIII) und der Ausgabe von Cassirer (Bd. VI) zugrundegelegt; daneben wurde das Faksimile des zweiten Reinschriftfragments, das sich in den Sitzungsberichten der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Jg. 1955, Nr. 2 (G. Lehmann, Ein Reinschriftfragment zu Kants Abhandlung vom ewigen Frieden) findet, für die Textherstellung benutzt.

Für Kants Bemerkungen zu Samuel Thomas Sömmerings Schrift „Über das Organ der Seele” wurde der Erstdruck (S. Th. Sömmerring [!] über das Organ der Seele. Mit Kupfern. Königsberg, 1796. bey Friedrich Nicolovius, S.81 – 86) als Textgrundlage benutzt. Für die Schrift vom „Streit der Fakultäten”, die „drei, in verschiedener Absicht, auch zu verschiedenen Zeiten ... abgefasste... Abhandlungen” (A XXVI f.) vereinigt, wurde die erste und einzige zu Lebzeiten Kants erschienene Originalauflage (1798; zitiert als A) zugrundegelegt. Daneben wurden für den zweiten Abschnitt dessen Abdruck in Johann Heinrich Tieftrunks Ausgabe von „Immanuel Kant’s vermischte Schriften” (Bd. III, S. 429456) – derselbe war „schon in der Druckerei, ehe die Nicoloviussche Sammlung”, d. h. die Originalausgabe, erschien (Tieftrunk an Kant vom 7. Juni 1800) –, für den dritten Abschnitt dessen gesonderte Veröffentlichung im 5. Bande von Christoph Wilhelm Hufelands „Journal der practischen Arzneykunde und Wundarzneykunst” (1798, S. 701-751) verglichen und deren gelegentliche Abweichungen unter dem Text angemerkt. In den Anmerkungen erscheinen ferner nach den Angaben der Akademie-Ausgabe (Bd. VII) die Textabweichungen eines handschriftlichen Fragments (zitiert als H), das von einem unbekannten Schreiber herrührt und die Seiten A 69-97 des ersten Abschnitts umfasst. Hingewiesen sei schliesslich auf das neuerdings in Krakau aufgefundene und in den Kantstudien (LI/1959 – 6o, S. 3-13) veröffentlichte Handschriftfragment zum zweiten Abschnitt. Da es sich bei diesem Fragment jedoch, trotz gelegentlicher Übereinstimmungen, um eine vom endgültigen Text noch weit entfernte Vorarbeit handelt, ist es für die Feststellung des Textes selber nicht von Nutzen gewesen. Was die Kantische „Anthropologie” angeht, so wurden zunächst die erste Auflage (1798; zitiert als A) sowie die vorliegenden drei Drucke der zweiten Auflage (1800; zitiert – nach der bei Arthur Warda, Die Druckschriften Immanuel Kants, Wiesbaden 1919 S. 47 Nr. 197-199 angegebenen Reihenfolge – als B1, B2 und B3) für die Textherstellung verglichen. Dabei wurde der erste Druck der zweiten, an zahlreichen Stellen überarbeiteten und stilistisch glatteren Auflage - die letzte Korrektur derselben besorgte Christian Gottfried Schütz (vgl. Akad.-Ausg. XII 307), doch scheint die eigentliche „Revision” nach einer Angabe Schuberts (Rosenkranz-Schubert Bd. XI/2, S. 157) auf Kant selbst zurückzugehen – als Textgrundlage benutzt. Die Abweichungen der ersten Auflage erscheinen, kursiv gesetzt, in den Anmerkungen, ebenso, in gewöhnlicher Type, die der beiden späteren Drucke der zweiten (B 2 weicht nur auf den Bogen L bis T von B1 ab), sofern sie von sachlichem Interesse sind. – Daneben wurde die vermutlich 1796/97 entstandene Rostocker Anthropologiehandschrift (zitiert als H), die von Kant selber stammt und aller Wahrscheinlichkeit nach als Vorlage für das endgültige Druckmanuskript diente, durchgängig verglichen. Ihre Textabweichungen, Randnotizen und Durchstreichungen wurden, soweit sie zum Verständnis des Inhalts oder der Kantischen Arbeitsweise beitragen konnten, unter dem Text angemerkt, und zwar gleichfalls ohne Kursivsatz. Dabei wurde die Kantische Rechtschreibung, den Grundsätzen der vorliegenden Ausgabe folgend, modernisiert, in die nur bruchstückhaft vorhandene Interpunktion jedoch in keiner Weise eingegriffen. Wo die Akademie-Ausgabe oder die Ausgabe von Cassirer der Handschrift folgen, wurde dies bei der Zitierung angegeben. Doppelte schräge Striche bezeichnen Absätze bzw. Zeilenanfänge, gerade Klammern Durchstreichungen der Handschrift, spitze Klammern enthalten Zusätze des Herausgebers. Für Aussehen und Charakter der Handschrift sei auf die der Insel-Ausgabe beigegebenen Faksimiles verwiesen. Bei den von Friedrich Theodor Rink im Auftrage oder mit Erlaubnis Kants herausgegebenen Vorlesungen „über Pädagogik” (die dieser erstmals im W.-S. 1776/77 gehalten hat) wurde die erste und einzige Originalauflage (1803; zitiert als A) zugrundegelegt. Die gelegentlichen Anmerkungen Rinks, oweil sie nicht Kants fragmentarisch dargebotene Papiere aus Kant selbst ergĺnzt, sondern nur obenhin einige literärische Notizen hinzugefügt haben” (Rosenkranz- Schubert Bd. IX, S. XVI), wurden nicht mitabgedruckt.

Bei der Rezension zu Peter Moscati: „Von dem körperlichen wesentlichen Unterschiede zwischen der Struktur der Tiere und Menschen” wurde die erste und einzige Veröffentlichung zu Lebzeiten Kants – sie erschien anonym in: „Königsbergische Gelehrte und Politische Zeitungen” (67tes Stück, 23. August 1771, S. 265 – 266; zitiert als A) – als Textgrundlage benutzt. Bei der Rezension zu Johann Heinrich Schulz: „Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre für alle Menschen, ohne Unterschied der Religionen”, erschienen in: „Raisonnirendes Verzeichniss neuer Bücher” (No. VII, April 1783), war der Originaldruck trotz umfangreicher Nachforschungen nicht mehr zu beschaffen. Die vorliegende Ausgabe folgt daher wie bei einigen Texten der ersten beiden Bände der Ausgabe von Cassirer (1922; IV 141-147). Für die gleichfalls anonym erschienenen beiden Rezensionen zu dem Werk seines ehemaligen Schülers Johann Gottfried Herder: „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit” Erster und Zweiter Teil, und die diesbezüglichen „Erinnerungen des Rezensenten der Herderschen Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit über ein im Februar des teutschen Merkur gegen diese Resension gerichtetes Schreiben” – der Verfasser des letzteren war Karl Leonhard Reinhold – wurden die Erstveröffentlichungen in der Jenaer „Allgemeinen Literatur-Zeitung” (No. 4, 6. Januar 1785, S. 17-20 und Beilage zu No. 4, S. 21, 22; Anhang zum Märzmonat; No. 271, 15. November 1785, S. 153-156; zitiert als A) zugrundegelegt, ebenso für die Rezension der Erstlingsschrift Gottlieb Hufelands: „Versuch über den Grundsatz des Naturrechts” (No. 92, 18. April 1786, Sp. 113 – 116). Für die „Erinnerungen des Rezensenten” musste auf die zweite Auflage der „Allgemeinen Literatur-Zeitung” (1786) zurückgegriffen werden. Bei den gelegentlichen Anmerkungen aus Herders Ideen – Kants Zitate bringen auch hier nicht immer den genauen Wortlaut – wurde die Originalauflage zugrundegelegt. ZUR GESAMTAUSGABE Die vorliegende Ausgabe der Werke Immanuel Kants legt erneut die Originaldrucke zugrunde, mit Ausnahme der wenigen, die nicht mehr zu beschaffen waren. Wie fast alle bisherigen Gesamtausgaben macht sie den Versuch, zwischen urkundlichem Abdruck der Texte auf der einen und deren uneingeschränkter Modernisierung oder Ausgleichung untereinander auf der anderen Seite einen gangbaren Mittelweg zu finden: während sie in bezug auf die Sprache Kants (Lautstand, Flexion, Wortbildung usw.) auf alle grundsätzlichen Eingriffe verzichtet, versucht sie, mit wenigen im folgenden zu kennzeichnenden Ausnahmen, seine Orthographie der heutigen Schreibweise, wie sie durch den Duden fixiert ist, anzugleichen. Hinsichtlich der Interpunktion bemüht sie sich um eine vorsichtig modernisierende Ausgleichung des in den Originalen selbst anzutreffenden Gebrauchs. Für dieses Vorgehen gaben vornehmlich die folgenden Gründe den Ausschlag: Was den Verzicht auf sprachliche Änderungen angeht, so war es das Ziel unserer Ausgabe, Klang und Rhythmus der Sprache Kants unverändert zu bewahren. Überdies hat schon Cassirer darauf aufmerksam gemacht, dass „die Schwierigkeiten, die in Kants Sprachform liegen,... durch eine leichte Modernisierung nicht zu heben” sind; „jeder stärkere Eingriff aber gerät in Gefahr, durch die Änderung der Sprachform auch den eigentümlichen Bau des Gedankens zu treffen”. Die in der Mehrzahl der Ausgaben vorgenommenen sprachlichen Änderungen sind nicht selten Interpretationen und daher bei einer gewissenhaften Darbietung des Kantischen Textes zu vermeiden. Darüber hinaus konnten durch den Verzicht auf derartige Änderungen die sprachlichen Unterschiede der den verschiedenen Schaffensperioden Kants zugehörigen Werke weitgehend erhalten werden – es hat etwas Widersinniges, wenn etwa die „Gedanken von der wahren Schĺtzung der lebendigen Kräfte” (1746), die Kant selbst kein zweites Mal hat auflegen lassen, in der Akademie-Ausgabe im Kantischen Altersstil der „neunziger Jahre” erscheinen. Auf der anderen Seite schien es den Aufgaben einer Studienausgabe zu

entsprechen, jene Schwierigkeiten, die sich aus den Schwankungen und Willkürlichkeiten der Orthographie der Originale ergeben und die zu einem guten Teil auf den jeweiligen Setzer zurückgehen dürften, soweit als möglich zu beseitigen. Die Angleichung an die heutige Rechtschreibung war hier, wo weder Sinn noch Sprachgestalt in Gefahr sind, die glatteste und den heutigen Leser am meisten zufriedenstellende Lösung. Was schliesslich die Interpunktion der Originaldrucke angeht – die Akademie-Ausgabe hat sie etwas souverän auf „Setzerschlendrian” zurückgeführt –, so wird man Kants Eigentümlichkeit, die Satzzeichen erst nach der Niederschrift (und oft erst in die Abschrift) einzufügen, im Auge behalten müssen: jedenfalls geht die Zeichensetzung weit stärker auf Kant selbst zurück, als die Herausgeber der Akademie-Ausgabe angenommen haben. Sie trägt auch nicht selten dazu bei, die Kantischen Perioden überraschend einsichtig zu gliedern. Eine vorsichtige Vereinheitlichung der Originale unter tunlicher Berücksichtigung der gegenwärtigen Interpunktionsregeln schien daher in diesem Punkt den Erfordernissen einer Studienausgabe am ehesten gerecht zu werden. Einige der im folgenden angeführten Verfahrensregeln haben sich erst im Fortgang der Arbeiten gefestigt. – Bei den nachfolgenden, mehr oder minder willkürlich herausgegriffenen Belegen bezeichnet die römische Zahl die Bandnummer, die beiden arabischen Zahlen bezeichnen Seite und Zeile der Insel-Ausgabe. Im einzelnen wurde aufgrund der genannten Gesichtspunkte im Hinblick auf Sprache (A), Orthographie (B) und Interpunktion (C) folgendermassen verfahren: A. S p r a c h e Beibehalten wurden neben anderem: altertümliche und vom Dialekt beeinflusste Stammvokale:befünde (I 78,28), Ausfündig (II 615, 13); bestünde (II 80, 18), bevorstünde (I 383, 5); betrigen (I 117, 20; II 311, 10; III 116, 6), untrieglich (I 251, 4; 636, 20) usw.; dörfen (I 24, 19; 104, 23), dörfe (I 16, 2), bedörfen (I 109, 9) usw.; dreust (III 123, 31; IV 864, 29) statt dreist; Gulfstrom (VI 218, 30); Hülfe (I 120, 26), Nothülfe (VI 157, 37), Selbsthülfe (VI 293, 23) usw.; Küssen (II 237, 6) statt Kissen; Schwürigkeit (I 104, 22; 108, 3); sprüchwörtlich (VI 241, 24); Unterscheid (I 17, 14); schlüsslich (I 242, 36; II 86, 16), unschliessig (II 17, 2), Unschliessigkeit (II 527, 12); verdringen (I 207, 21); verdrüsst (VI 718, 21), verdrüsslich (I 17, 15; 22, 3); würken (I 26, 13), Würkung (II 77, 34), würklich usw. Neben wirken usw. umlautlose Formen: drucket (I 27, 9), druckte (I 45,10), Druckung usw. Neben denselben Formen mit ü; aber auch Drücke (I 119, 33) neben Drucke usw.; abhangen (II 172, 19), abhangende (II 80, 24), zusammenhangende (V 141, 34) usw.; Raumen (I 56, 16; 142, 7) neben Räumen; oftermals (I 104, 34; 118, 7); Umlaufe (I 298, 20) neben Umläufe. ungelautete Formen: klärer (I 633, 6; III 500, 2), klärsten (II 605, 12); kömmt (I 47, 16; II 288, 2; VI 240, 36), ankömmt (I 127, 23; II 495, 9), bekömmt (II 221, 33), vorkömmt (I 34, 3) usw. neben kommt usw. noch nicht völlig eingedeutschte Suffixformen: Formul (I 44, 26; 46, IV.u.); Kalkul (I 794, 15; VI 356, 32); Zirkul (I 59, 13). an die Kanzleisprache angelehnte Adverbbildungen: dahero (I 31, 9; 311, 25; II 70, 2), vorhero (I 79, 31; 358, IV. u); fortmehro (VI 324, 34), nunmehro (I 15, 13; 174, 1; 198, 2; VI 320, 19); hinfüro (I 13, 27; 171, 29; 174, 20); jetzto(I 48, 9; 207, 17), vorjetzo (I 927, 6); itzo (I 19, 28; 115, 31), voritzo (I 175, 6) usw.

das e der Ableitungssilben, vor allem beim Superlativ: allerrealsten (II 34, 18); ehrfurchtsvolleste (I 225, 17); gemeineste (II 523, 23); grösseste (I 233, 3), grössesten (I 16, 14; II 442, 15); kleinesten (I 53, 34; II 444, 19); reineste (II 164, 18); schnellesten (I 311, 36); subtileste (II 88, 12); ~ beim Indikativ und Konjunktiv des Imperfekts: angeklageten (II 459, 9); auflösete (I 123, 36); bedieneten (I 16, 12); beruhete (II 438, 20; 485, 33); entzweiete (II 477, 29); erlaubete (II 482, 34); fasseten (I 53, 2); gehörete (II 459, 21; 488, 33); vorstelleten (II 485, 25). – bekennete (II 449, 31); darstellete (II 475, 27); gehörete (II 434, 22; 507, 5); lebete (I 230, 25); ~ beim Partizip des Perfekts: angeführet (I 138, 10), ausgefUhret (I 108, 2); erblicket (I 23, 11); erfüllet (I 927, 15); erschöpfet (I 104, 12); erzeiget (I 13, 9); geglaubet (I 159, 11); gehemmet (I 968, 20); geirret (I 98, 14); gewarnet (I 981, 14); vermeinet (I 159, 11); verwirret (II 433, 24). das Flexions-e in der 3.Person Singular des Präsens: beweiset (II 440, 8); drohet (I 864, 25); erhellet (I 601, 28; 644, 3); führet (I 682, 15; 989, 18); gehöret (II 424, 2); kennet (I 636, 28; 927, 22); scheinet (I 925, 9; 971, 27); schicket (I 853, 3); setzet (I 965, 32); zeiget (I 659, 4; 680, 4); ~ in der 2. Person Plural des Präsens: beweiset (I 925, 28); erkennet (I 640, 24); sorget (II 457, 33); müsset (II 454, 25); wollet (II 474, 11); ~ beim Imperativ Plural: nehmet (I 926, 13; II 454, 30); setzet (I 926, 14; II 457, 18); sorget (I 925, 29); ziehet (II 474, 7). das Schluss-e bei Kollektiva und anderen Neutra (im Singular): Gebiete (I 138, 21; II 441, 8); Gefechte (II 641, 1 v.u.); Gemische (II 702, 35); Gerüste (I 186, 5); Geschäfte (I 985, 26; II 11, 13); Geschlechte (I 155, 32); Geschöpfe (I 115, 28); Gesetze (I 155, 25; 251, 9); Gewächse (III 243, 12); Gewichte (I 73, 31); ~ bei Adverbien und Konjunktionen: alleine (I 68, 3); zurücke (I 71, 37); dreiste (I 936, 4); frühe (VI 382, 24); woferne (I 330, 37). das bei der 1. und 3. Person Singular des Imperfekts starker Verben in falscher Analogie zu den schwachen Praeterita zugesetzte e:geschahe (I 703, 31; V 32, 6); hielte (I 168, 15;364, 17;IV 244, 16), ansahe (III 665, 34); schiene (II 604, 17); schnitte (III 132, 16). die Synkope und Apokope des e: beteurt (I 965, 15), Beteurungen (I 923, 26); entferntsten (I 391, 11); gneigten (I 242, 1);gnug (I 933, 10), gnugsam (I 938, 1 v.u.), Gnüge (II 17, 1; III 117, 25) usw.; gringere (I 578, 8); reuvolle (VI 273, 22); Ursache (I 237, 32; 667, 19); Verbreitung (VI 280, 2). konsonantische Eigentümlichkeiten: einsmals (I 16, 5); fodern (I 243, 8; II 16, 35), herausfodern (I 132, 29), Foderung (I 623, 18; II 36, 26), Auffoderung (II 13, 6), erfoderlich (I 622, 29; II 122, 23) usw. neben den gleichen Formen mit r; gepropft (I 858, 1), Propfreis (III 260, 8) usw.; geschicht (I 141, 18; 351, 20; 379, 24); belächeln (VI 378, 22); beteuren (IV 864, 22); dauernden (III 113, 28), bedauren (VI 335, 18), fortdauren (VI 230, 25); edlen (VI 226, 21); handlender (I 676, 1); sammlen (I 276, 33; 294, 31), versammlet (I 274, 29) usw.; steuren (VI 392, 33); vorurteilfreier (I 635, 21); darzwischen (I 46, 9); hie (I 177, 31; 267, 27), hiebei (I 949, 21), hievon (I 930, 13) usw.

die schwache Flexion des Substantivs im Dativ Singular: Doktorn (I 11, 4); Professorn (I 11, 5); ~ im Genitiv Plural: Lehrgebäuden (I 23, 23); Fixsternen (I 257, 25); ~ im Akkusativ Plural: Atomen (I 634, 26); Problemen (II 441, 3). die schwache Flexion des Adjektivs und Pronomens nach Präpositionen: unser planetische Weltbau (I 345, 17); unser äussere Sinn (II 368, 27); von seltsamen Genie (III 452, 18); von gesundem und derben Geschmacke (I 876, 25); von an sich grösseren Gewichte (I 961, 19); auf so schlechten und einfachen Grunde (I 232, 26); aus so krummen Holze (IV 760, 1); in schlimmen Wetter (VI 376, 30); in viel besseren Ansehen (I 242, 3); mit jeden Augenblicke (I 828, 30); mit nichts Fremdartigen (II 62, 4 v.u.); welchem allen (I 285, 1 v.u.); aus allen diesen (I 301, 11), von allem diesen (I 859, 33) usw. die starke Flexion des Adjektivs: ein jeder endlicher Priodus (I 333, 33); ein jeglicher weicher Körper (I 578, 23); ein jegliches zur Vollkommenheit gebrauchtes Weltgebäude (I 338, 10); ein jeder allgemeiner Satz (II 312, 30); unserer dialektischer Schlüsse (II 384, 27); ~ vor allem im Nominativ und Akkusativ Plural: die eigentliche Kenner (II 17, 13); jene vorgebliche Indifferentisten (II 12, 32); alle ihre einfache Handlungen (II 15, 1); alle grundlose Anmassungen (II 13, 10). die Pronominalflexion: derjenigen (I 63, 27; 153, 3; 634, 18); denenjenigen (I 17, 16; 76, 3; 241, 14); denenselben (I 13, 20; 359, 32). die an die Kanzleisprache angelehnte Formerweiterung des Artikels: denen (I 282, 33; 842, 19); derer (I 145, 3); ebenso: derer in der Bedeutung von deren (I 9, 6; 54, 23; 140, 18). die alten Flexionsformen des Zahlworts: zweene Körper (I 40, 15); zweene Urteile (II 113, 29); zweener gleicher und unelastischer Körper (I 91, 30); zweener, oder mehrerer Sätze (II 114, 2); zweer Ausdrücke (II 473, 29); dieser zween Stücke (II 415, 1 v.u.); zwischen zween Augenblicken (II 240, 12); zwischen zween Arten (II 391, 5); aller dreien Analogien (II 217, 7); aus dreien geraden Linien (II 91, 3); ebenso als alte Femininum: zwo Seiten (I 273, 11). altertümliche Adverbbildungen: darinnen (I 52, 25; II 71, 23), worinnen (I 35, 29; II 52, 7); dorten (I 119, 34); sonsten (I 27, 8; 371, 1); selbsten (I 94, 12; II 78, 26); mehrmalen (I 229, 33; 939, 36; II 424, 14), niemalen (I 81, 33), zumalen (II 370, 24); ohnfehlbar (I 19, 33; 120, 32); ohngeachtet (I 16, 4; 215, 10), ohnerachtet (I 143, 27; 233, 10). altertümliche Konjunktionen: deshalber (I 212, 1); hergegen (I 214, 4); jedennoch (I 196, 26). das vom heutigen Gebrauch abweichende Geschlecht: der Wachstum (I 908, 10); die Bedürfnis (I 938, 35; II 128, 11); die Eräugnis (II 233, 1 v.u.; 432, 23); die Hindernis (I 932, 8); die Verhältnis (I 249, 13; 940, 18), Zahlverhältnis (II 206, 21), Zeitverhältnis (II 233, 24) usw.; das Erkenntnis (III 542, 20); das Kahn (VI 725, 2); das Skandal (VI 199, 18); in gewisser Masse (I 965, 13); dem persischen Rasse (I 862, 12). Hingewiesen sei ferner auf den häufigen Gebrauch von “vor” mit dem Akkusativ im Sinne von “für”, ebenso “davor” usw. und auf das entsprechende, vereinzelt auftretende “für” im

Sinne von “vor” (VI 256, 9; 378, 17) sowie auf den Gebrauch von “über” in der Bedeutung “über hinaus” (I 269, 19; II 416, 17; VI 790, 35). B. O r t h o g r a p h i e An die heutige Rechtschreibung angeglichen Wurden neben anderem:1 die Vokalverdoppelung als Dehnungszeichen: Maass (II 499, 14; III 114, 9), Maasstab (III 263, 21), Anmaasungen (III 137, 19) usw.; Saamen (III 453, 36), besaamenden (IV 786, 28) usw.; Schaale (III 472, 25), Schaalengeschöpfe (VI 783, 24) usw.; Schweere (I 780, 34); Schoosse (III 115, 27), Mutterschoosse (VI 792, 22) usw.; schaalste (III 118, 3). die Schreibung von ey statt ei im In- und Auslaut: Beyfall (III 113, 29), Beyhülfe (I 621, 7) usw.; Freyheit (VI 796, 9), frey (III 118, 29), freylich (VI 792, 1) usw.; Meynung (VI 796, 14); Barbarey (II 263, 14), Schwärmerei (III 261, 3), Sophisterey (III 263, 14),Tyranney (III 453, 3), Wüsteney (IV 655, 4), Ziererey (IV 844, 24) usw.; meynen (III 495, 14); zwey (I 624, 16; III 124, 32), zweytens (IV 844, 1), zweyerlei (III 188, 22); beyde (I 624, 12; III 118, 23); drey (I 626, 7; III 147, 10); seyn (III 114, 1), sey (III 113, 23), Bewussteyn (III 114, 28) usw.; einerley (I 632, 26; III 114, 32), mancherley (III 113, 18); bey (III 115, 19), dabey (III 118, 3), hiebey (IV 791, 31) usw.; Pfuy (VI 738, 22). die Schreibung von e bzw. ä: Aufzehlung (III 200, 12); Erwegung (II 442, 30); erwehnen (I 621, 25); nemlich (I 629, 5; III 132, 18); ohngefehr (V 95, 29); allerwerts (V 76, 28), anderwerts (III 129, 19; V 30, 17), rückwerts (V 31, 28), vorwerts (V 31, 28) usw. – Ältern (VI 533, 9; 704, 17); Gränzen (III 450, 9); ächten (IV 844, 25); unstät (V 23, 28); vornämlich (III 135, 19). die Schreibung von ie bzw. i: wieder im Sinne von gegen, Wiederlegung (I 624, 10; 635, 20), Wiederspruch (I 635, 17; 637, 9), Wiederstreit (I 637, 10), wiedersinnig (I 630, 29) usw.; anhienge (IV 792, 10); giebt (I 621, 19; III 113, 6), vorgiebt (III 115, 27) usw.; gienge (III 511, 19), hinausgieng (IV 791, 35) usw. – abstrahiren (IV 650, 3), demonstriren (I 622, 23; III 113, 33), existiren (I 630, 34) usw.; isolirt (III 121, 14), necessitirt (II 489, 27), organisirt (VI 790, 13). das konsonantische i und v: Maiestät (II 13,37); obiective (II 16, 7), subjective (II 16, 26) usw.; iede (II 15, 20), iederzeit (II 11, 13) usw.; iene (II 12, 8), dieienige (II 12, 1 v.u.) usw.Anevrismen (VI 767, 32); Avtodidakten (VI 736, 1 v.u.); Pnevmatismus (II 400, 18); Propädevtik (III 160, 3; 434, 25); Tavtologie (III 521, 18); hevristisch (III 533, 19). der Gebrauch des Dehnungs-h: Nahmen (I 625, 17; VI 794, 10); Persohnen (I 624, 14); Seeströhme (I 622, 3); Willkühr (II 489, 24; VI 360, 25), willkührlich (III 181, 5; IV 844, 5); gebohren (VI 682, 24), angebohren (III 200, 24); verliehren (II 445, 2), verlohren (IV 844, 10; V 32, 23); nähmlich (III 624, 26).- allmälig (III 244, 31); unvernemlich (I 634, 13);vornemlich (I 623, 22; III 189, 21); wol (III 142, 28; VI 703, 6), gleichwol (III 159, 35), sowol (III 113, 7; VI 703, 30), wiewol (III 155, 23) usw. der Gebrauch des th: Eintheilung (VI 801, 31); Heiligthum (VI 360, 29), Irrthum (I 630, 25) usw.; That (III 113, 15), thut (III 113, 31) usw.; Their (I 632, 3), thierischen (VI 767, 17) 1

Eine Ausnahme machen die Titel dar Originalausgaben, deren Orthographie und Interpunktion zur genauen Feststellung der verschiedenen Auflagen bzw. Drucke unverändert wiedergegeben wurden.

usw.; Urtheil (I 623, 8; III 114, 8), Vortheil (IV 844, 7) usw.; vermuthen (VI 782, 13), vermuthlich (VI 801, 33) usw.; nöthig (I 632, 16; IV 792, 4), nothwendig (III 113, 23) usw.; werth (III 113, 21), belachenswerth (III 113, 37) usw. die Schreibung von k und ck: Methematick (I 782, 21); Metaphysick (I 631, 17; 634, 5); Geschmak (I 634, 21). die Schreibung von tz statt z und umgekehrt: Existentz (I 631, 22); Reitz (III 261, 15; 463, 8), Anreitze (II 499, 10) usw.; gantz (I 633, 18), gantzen (I 629, 21), gäntzlich (I 634, 23) usw.leztere (II 16, 18); jezt (II 11, 29; 12, 22). die Schreibung von ss, s, ß: Fusse (III 113, 36), Füssen (VI 767, 19) usw.; Mässigung (III 116, 33); heissen (III 124, 30); liesse (III 114, 36); vergrössert (III 115, 22); äussere (I 630, 5); grosse (III 117, 30), grössere (I 630, 23); blosse (III 116, 14).- Gewisheit (I 629, 9), gewis (I 630, 10) usw.; Meskünstler (I 629, 8); Misdeutung (I 781, 11; III 154, 7); Mishandlung (III 133, 2); Mistrauen (I 622, 24); mistrauisch (III 134, 26); Misverstand (I 629, 7; III 162, 28); müste (I 633, 29); bewust (I 796, 28; III 127, 4); blos (I 629, 6; III 114, 1 v.u.).- Schlüsse (I 621, 11), Vernunftschlüsse (I 621, 22) usw.; Unterlassung (I 622, 37);Vernachlässigung (I 622, 36); wissen (I 622, 14), gewisse (I 623, 24); indessen (I 624, 6).- Bedürfniss (IV 649, 9); Erkenntniss (I 621, 26), Erkentniss (III 115, 19), Kentniss (I 625, 28; III 121, 11); Verhältniss (III 220, 6); Kreyss (I 655, 25); Preiss (II 15, 18). die Doppelkonsonanz: Geschäffte (II 446, 5), beschäfftigt (II 447, 39) usw.; begreiffen (I 630, 33); unterworffen (I 633, 20); Buhlerinn (III 473, 3); darinn (VI 767, 30), hierinn (III 443, 31), worinn (I 794, 15) usw. die Konsonantenvereinfachung im Wortlaut: Begrifs (I 629, 11); Programs (II 14, 28); kan (I 629, 26; III 113, 18); wil (I 635, 25); ~ im Stammesauslaut vor Konsonanten: Vortreflichkeit (I 623, 1); trift (III 135, 22), antrift (I 625, 34), betrift (III 124, 17) usw.; bestimte (I 629, 36), unbestimte (I 635, 28), Unbestimtheit (I 636, 16) usw.; komt (I 631, 29), ankomt (II 17, 33), vorkomt (I 629, 22) usw.; konte (I 630, 1 v.u.; III 119, 22), könte (I 621, 30; III 130, 25) usw.; solten (I 621, 11); wolte (I 622, 37), wolt (I 630, 30) usw.; almächtiges (I 633, 22); vorgestelten (I 633, 23). die Schreibung von c statt k oder z bzw. kz bei Wörtern griechischer Herkunft: Categorie (II 402, 7); Character (III 444, 21); Cosmologie (II 401, 22); Critik (II 28, 35; III 120, 1), critisch (II 456, 24) usw.; Dialectik (II 308, 3), dialectisch (III 199, 33); Eccentricität (I 243, 23); practisch (II 442, 14); ~ und Wörter lateinischer Herkunft: Causalität (II 488, 27), Causalverknüpfung (II 489, 15) usw.; Censur (IV 653, 11); Consequens (III 213, 2; 536, 17); Context (II 492, 4); Cörper (III 180, 9); Deduction (III 119, 13); Demarcation (III 468, 11); Function (III 171, 7; IV 654, 13); Punct (II 444, 26; III 117, 3); Prädicat (I 630, 27); Recension (III 257, 10; VI 795, 24); Specificirung (III 200, 12), specifisch (III 177, 3) usw.; Succession (II 461, 14), succesiv (II 467, 5) usw. Beibehalten dagegen wurde: das c in Wörtern, die ihre ursprüngliche lateinische Gestalt bewahrt haben: Actus (III 330, 21) neben Akt; Centro (I 278, 26) neben Zentrum; Correlatum (II 415, 21) neben Korrelat;

Principium (I 663, 17) neben Prinzip; des Criterii (VI 812, 1); den Consequentibus (II 403, 35); in concreto (II 615, 6). Belassen wurden des weiteren, da eine Angleichung an die heutige Rechtschreibung nicht selten eine Veränderung des Sinnes mit sich bringt: die Trennung oder Zusammenschreibung in adverbialen, verbalen und adjektivischen Verbindungen und zwar unter Beibehaltung der Kantischen Gross- bzw. Kleinschreibungen: gewöhnlicher massen (I 948, 21; II 130, 31) und gewöhnlicher Massen (II 50, 14); gewÖhnlicher Weise (I 949, 15); anderer Seits (I 935, 21; II 488, 1); an statt (I 297, 31); bisdaher (I 779, 6; 801, 19); zu Folge (I 945, 5) neben zufolge (I 945, 15) und zu folge (III 464, 15); zu Teil (I 628, 31); so gar (I 928, 24; IV 14, 30); so wohl (II 63, 5); eben so wohl (I 924, 6) und eben sowohl (III 208, 12); in so fern (I 923, 15); nichts destoweniger (I 925, 10); entgegen stehen (I 930, 17); statt finden (I 631, 10; IV 650, 20) uns Statt finden (I 795, 14); zu statten kommt (I 934, 3); dauerhaftangenehm (V 284, 17)l empirischunbedingten (II 487, 36); das Duechgängigbedingte (II 487, 34); mathematischtranszendentalen (II 486, 26). die Wortverbindung mit Hilfe des Bindestrichs: Äusserst-bösen (VI 442, 22); GedankenWesen (III 223, 4); Menschen-Organisation (VI 788, 6); Raumes-Art (I 35, 27); SeelenErscheinungen (V 16, 5); Sinnen-Scheines (III 464, 11); metaphysisch-grosse (III 252, 27); methodisch-gebrauchten (V 84, 6). C. I n t e r p u n k t i o n a) Belassen wurde neben anderem das Komma: ~ vor und, oder, sowie, wie u. ä. In der Verbindung gleichartiger Satzteile oder zusammengehöriger Haupt- und Nebensätze: Wenn ich es unternehme, die gedanken eines Herrn von Leibniz … zu verwerfen, und denen mainigen den Vorzug einzuräumen (I 15, 22 ff.); geschenkt, und vorausgesetzt (II 102, 24); Vom Dienst und Afterdienst unter der Herrschaft des guten Prinzips, oder von Religion und Pfaffentum (IV 819, 2 ff.); um zu wissen: ob ich vor Gericht in meinem Zeugnisse wahrhaft, oder bei Abforderung eines mir anvertrauten fremden Guts treu sein soll (IV 650, 4 ff.); - vor als, wie u. ä., vor allem in Verbindung mit einer Apposition: Er hätte nicht eine würkliche Bewegung allein, als das Kennzeichen der lebendigen Kraft angeben sollen (I 45, 16 f.); deren Vorstellung... doch, als Folge von ihrer Bestimmung durchs Gesetz zu einem Zwecke muss aufgenommen werden können (IV 650, 21 ff.); - zwischen entweder – oder, weder – noch: sich entweder einer skeptischen Hoffnungslosigkeit zu überlassen, oder einen dogmatischen Trotz anzunehmen (II 400, 34 ff.); ohne dass weder erweiterte Naturkenntnisse, noch richtige und zuverlässige transzendentale Einsichten ... dazu beitrugen (II 686, 8 ff.); mithin auch nicht ihrer Grösse nach, weder als unendlich, noch als endlich gegeben sein sollte (II 469, 18 ff.); - vor und nach adjektivischen Attributen: die in der Kritik vorgetragene, jener Hypothese analogische, Umänderung der Denkart (II 28, 35 f.);

eine andere, der bisherigen ganz entgegengesetzte, Behandlung(II 62, 7); – vor und nach adverbiellen Bestimmungen, und zwar auch dann, wenn auf diesen die eigentliche Betonung des Satzes liegt: Wir werden die Freiheit, unter der zweckmässigen Einheit nach Prinzipien der Vernunft, studieren (II 687, 4 ff.); Ich mache mir diesem ungeachtet, vermittelst des vollkommenen Begriffes, den ich von Dero Gütigkeit gefasset habe, die Hoffnung (I 13, 22 ff.); sondern, vermöge der reinen praktischen Vernunft, ist sie sich selbst genug (IV 649, 16 f.); – vor und nach mit aber, als auch, folglich, mithin, noch, und nicht, und zwar, und zugleich usw. eingeleiteten Einschüben: dass sie nämlich nur auf Erscheinungen gehe, die Sache an sich selbst dagegen zwar als für sich wirklich, aber von uns unerkannt, liegen lasse (II 27, 15 ff.); in welchem Falle freilich von ihnen a priori gar nichts, mithin auch nicht durch reine Begriffe vom Raume, synthetisch erkannt werden könnte (II 207 35 ff.); Die vollkommene Einheit dieser Art Erkenntnisse, und zwar aus lauter reinen Begriffen, ohne dass irgend etwas von Erfahrung... auf sie einigen Einfluss haben kann,... machen diese unbedingte Vollständigkeit... tunlich (II 18, 13 ff.); – nach einleitenden oder überleitenden Partikeln: Denn, nehmet an (II 420, S); Denn, sind Erscheinungei Dinge an sich selbst, so ist Freiheit nicht zu retten (II 491, 17 ff.); – und zwar vornehndich in Verbindungen wie: aber, wenn (IV 842, 13); aber, wie (II 241, 11); allein, was (IV 799, 25); denn, einmal (II 647, 37); denn, ob (II 526, 22; IV 842, 9); denn, obgleich (II 534 31); denn, so (II 547, 33); denn, weil (II 457 20); denn, wenn (II 342, 2; 526, 11); denn, wie (II 549, 1); indessen, dass (IV 806, 12); nämlich, ob (II 529, 28); nur, da (II 343, 2); so, dass (II 530, 1); zwar, wenn (II 446, 12). b) Unsgewandelt wurde1 – in Übereiestimmung mit zahlreichen Parallelen der Kantischen Texte und zwar so, dass bei schwankendem Gebrauch das dem heutigen Leser näherliegende Zeichen gewählt wurde neben anderem das Semikolon, dessen Funktion sich bei Kant häufig mit der des Doppelpunktes berührt oder überschneidet: - in einen Doppelpunkt, wenn es, namentlich vor so, nach einem oder mehreren untergeordneten Sätzen den übergeordneten Satz anzeigt: Wenn ich es unternehme, die Gedanken eines Herrn von Leibniz ... zu verwerfen, und denen meinigen den Vorzug einzuräumen: so wollte ich auch nicht gerne schlechtere Richter... haben (I 15, 22 ff.); Wenn ich sage: durch drei Linien, deren zwei zusammen genommen grösser sind, als die dritte, lässt sich ein Triangel zeichnen: so habe ich hier die blosse Funktion (II 206, 35 ff.); Weil ich glaube, dass es etwas zu der Absicht beitragen kann, welche ich habe, die Lehre von den lebendigen Kräften einmal gewiss und entscheidend zu machen, wenn ich vorher einige 1

Die nachstehenden Änderungen wurden jedoch nur im Text selber vorgenommen; das in den Anmerkungen des Herausgebers erscheinende Sondergut abweichender Auflagen (wie auch die Inhaltsverzeichnisse des Herausgebers) bringen demgegenüber zum Vergleich die unveränderte Interpunktion der Originale.

metaphysische Begriffe von der Kraft der Körper überhaupt festgesetzet habe: so werde ich hievon den Anfang machen (I 26, 4 ff.); - in ein Komma, ohne dass dabei völlige Einheitlichkeit zu erreichen war, wenn es die Gliederung des Satzes empfindlich störte: Er ist also ... kein Grundsatz des Verstandes, [;] denn jede Erfahrung ist in ihren Grenzen ... eingeschlossen, auch kein konstitutives Prinzip der Vernunft (II 472 21 ff.); Er ist wie ein Rausch, den man ausschläft, obgleich Kopfweh darauf folgt, [;] die Leidenschaft aber wie eine Krankheit... anzusehen (VI 581, 18 ff.). c) Ergänzt wurde neben anderem das Komma: - vor und nach erweiterten Nebensätzen: der Beweise, derer sich Herr von Leibniz und andere Mechaniker in dieser Streitsache bedienet haben (I 7, 3 ff.); Würde aber sogar dieser Glaube selbst so vorgestellt, nis ob er eine so besondere Kraft... habe (IV 784, 18 ff.); dass in der Vorstellung, die das höchste Wesen von ihnen hat, nicht eine einzige ermangele (I 631, 6 ff.); aber nicht vor unerweiterten Nebensätzen: nach allen Prädikaten, die sie enthalten würden wenn sie existierten (I 631, 5 f.); – vor erweiterten Infinitivsätzen: Wenn es möglich wäre, durch irgend eine Erfahrung auszumachen (II 691, 17 f.); Naturmitteln, sie zu befriedigen (II 678, 12 f.); - vor Infinitivsätzen mit um zu, ohne zu, anstatt zu: von einem Buche zu urteilen, ohne es gelesen zu hahen (I 16, 26 f.); – vor nachgestellten genaueren Bestimmungee mit d. h., d. i., z. E., nämlich, und zwar usw.: unbedingt notwendig, d. i. apodiktisch (II 203 1 f.); ein Triangel, imgleichen etwas Viereckichtes (I 637, 23 f.); – vor Appositionen, adverbiellen Bestimmungen, usw., hinter denen sich im Original ein Komma findet: das, seinen Ratschluss ausgenommen, nicht existiert (I 636, 2 f.); Denn so könnte, an manchen bestimmten Orten, mancher Mensch zu einer gewissen Zeit existieren (I 636, 24 ff.); Eine jede menschliche Sprache hat, von den Zufälligkeiten ihres Ursprungs, einige nicht zu ändernde Unrichtigkeiten (I 632 9 ff.); - bei Aufzählungen: übertreiben, abziehen und verfeinern (I 634, 19 f.). d) Gelöscht wurde neben anderem das Komma: - nach adjektivischen Attributen, sofern esneicht hinter dem Attribut selber, sondere hinter dem nachfolgenden Beziekungswort steht: da sie hingegen im theoretischen, aber reinen Gebrauch, ganz und gar dialektisch ist (IV 16, 8 f.);

- in der Verschränkung von Infinitiv und übergeordnetem Satz: dass dasjenige schon eingeräumet werde, was man sich anheischig macht, durch ein taugliches Merkmal von selber kenntlich zu machen (I 636, 35 ff.); - wenn es funktionslos vor, hinter oder in einer Klammer steht: Ich getraue mir sogar in Vorschlag zu bringen: ob es nicht wohlgetan sein würde, ... eine besondere Vorlesung über die reine philosophische Religionslehre, (die sich alles, auch die Bibel, zu Nutze macht), nach einem Leitfaden, wie etwa dieses Buch, (oder auch ein anderes, wenn man ein besseres von derselben Art haben kann), als zur vollständigen Ausrüstung des Kandidaten erforderlich, zum Beschlusse hinzuzufügen (IV 657, 20 ff.); in einem Existierenden wird nichts mehr gesetzt als in einem bloss Möglichen, (denn alsdenn ist die Rede von den Prädikaten desselben,) allein durch etwas Existierendes wird mehr gesetzt (I 635, 10 ff.). Nach Abschluss der über mehrere Jahre sich erstreckenden Arbeiten an dieser Ausgabe ist es dem Herausgeber ein Bedürfnis, allen zu danken, die mitgeholfen haben, dass die Aufgabe zuendegeführt werden konnte. Dieser Dank gilt insbesondere meiner Frau, Dr. Käte Weischedel, die ihre Kraft von Anfang an in den Dienst dieser Ausgabe gesetzt hat. Ein besonderes Verdienst hat sich der Assistent am Philosophischen Seminar der Freien Universität, Dr. Norbert Hinske, erworben, der im Laufe der Zeit so selbständig mitgewirkt hat, dass ich mich bei den zuletzt erschienenen Bänden fast ausschliesslich auf Beratung und Entscheidung grundsätzlicher Fragen beschränken konnte. Mein Dank gilt ferner den andern Mitarbeitern, wie sie jeweils im Nachwort der einzelnen Bände erwähnt sind, darunter an erster Stelle Fräulein Monika Bock. Des weiteren habe ich den dort ebenfalls erwähnten Bibliotheken für bereitwillige Unterstützung der Aibeiten zu danken; nennen möchte ich noch einmal die Deutsche Staatsbibliothek, die die Arbeit am Rostocker Anthropologiemanuskript möglich machte, die Wormser Stadtbibliothek sowie vor allem die Bibliothek der Freien Universität Berlin. Schliesslich danke ich dem Verlag für die Geduld und Sorgfalt, mit der er sich der schwierigen Druckvorlagen angenommen hat. Berlin, im September 1963 Wilhelm Weischedel

Register zur Werkausgabe VORMERKUNG Unter den verschiedenen Gesichtspunkten, die die Herstellung eines Registers leiten können, ist ein legitimer der, nicht so sehr auf die numerische Vollständigkeit als auf die „Gewichtigkeit“ der angeführten Stellen zu achten, wobei der Terminus Gewichtigkeit hier nur einen bestimmten Informationsgehalt der jeweiligen Angabe charakterisieren, keineswegs Wichtigkeit präjudizieren soll. Diesem Gesichtspunkt verpflichtet stellt dieses Register den Versuch dar, eine möglichst signifikante Auswahl aller Kantischen Begriffe zu indizieren. Dass dabei manches dem jeweiligen Benutzer Wichtige unberücksichtigt bleiben muss, lässt sich bei der natürlichen Mannigfaltigkeit der verschiedenen Interessen nur bedauern, nicht aber vermeiden. Zur Benutzung des Registers sind folgende Hinweise zu beachten: a) In das Namenregister, das Vollständigkeit anstrebt, sind auch die Namen mythologischer und dichterischer Figuren aufgenommen.

b) Die Begriffe, die Kant in der Schreibweise seiner Zeit fixiert, werden ohne Verweis der gegenwärtigen Rechtschreibung angepasst (es steht z. B. Wirkung für Würkung, Pluralismus für Pluralism, Bilfinger für Bülfinger usw.). c) Zur Indizierung der lateinisch abgefassten Abhandlungen Kants wird nur die deutsche Übersetzung berücksichtigt. d) Die Angaben beziehen sich auf die ganze Seite, d. h. zwischen Text und Anmerkung wird nicht unterschieden. e) f. oder ff. verweisen nicht unbedingt auf eine zusammenhängende Behandlung des angegebenen Terminus durch Kant, sondern bedeuten zunächst nur, dass der Begriff auch auf den folgenden Seiten anzutreffen ist. f) Die Verbindung zweier Stellenangaben durch einen Bindestrich bedeutet, dass der indizierte Begriff oder Name in dieser Passage entweder so häufig vorkommt, dass von einer detaillierten Aufzählung abgesehen werden konnte (so vor allem bei Namen, wo z. B. Bilfinger I, 15-218 anzeigt, dass Kant sich in diesem Textstück eingehender mit Bilfinger befasst), oder dass er von Kant unter einem Titel zusammenhängend abgehandelt wird (so z. B. Raum III, 71 – 78). g) Die bei einer grösseren Menge von Angaben durch Kursivdruck hervorgehobenen Stellen verweisen auf besonders klare Darstellungen und Bestimmungen der angegebenen Begriffe durch Kant. Dem Philosophischen Seminar A der Universität Bonn bin ich für die Erlaubnis verpflichtet, den Namenindex 1. Stufe der Akademie Ausgabe einsehen zu dürfen. R. P. H.

NAMENSREGISTER Abaelard, P XXI, 410. Abicht, J.H.VI, 587. Abraham VIII, 861.X,I 331 ff.336. Achenwall, G. VIIII, 400. 423.XI, 157 f,XII, 809. Achilles I, 113. II, 831.IV,364. Adam VIII, 735. XII, 730. Addison, J.I. 345. XII, 423. Adrast II, 841. Aepinus, F.U.T. II, 799f. Äsop I.415. Abasverus II, 636. Alcides II, 890. d’Alembert, J.L. II, 873. VI, 469. Alexander der Grosse II, 587.890. IV, 610. Algarotii, F. II, 852. Alkest II, 841. d’Allais, V, XI, 366. Anaxagros VII, 274. X, 309. Anaxarchus I, 168. Anna von Boleyn VII, 292.

Antonin (der Philosoph) VI, 455. Apollonius von Perga V, 301f. Apollonius von Tyane II, 970. Archenholz, J.W. von XII, 640. Archimedes V, 326. VI, 393. 643. XII, 679. Ariost, L. II, 973. XII, 485. Aristides von Athen II, 896. Aristoteles I, 26. II, 691. 952. III, 20. 118f. 291. 322. IV, 710f. V, 192. 246. VI, 382f. 397. 427. 442f. 451. 453ff. 590. 593. 603. 658. 665. VII, 259. VIII, 535. 566f. 609. XII, 444. Arkesilaos IV, 711. VI, 454. Arouet XII, 525. Artemidor II, 970. Augustinos II, 753. XI, 217. Augustus, Caesar Octavianus XI, 201. Bacon, F.III, 7. 23. VI, 455. XII, 538. 542. Bahrdt, K.F. VIII, 737.

Balmerino, Lord VIII, 455. Baratier, J.P. XII, 547. Bardili, C.G. VI. 430f. Baretti, G.XII, 541. Basedow, J.B. XII, 795. Batteux, C.X, 214. Baumeister, F.C.II, 581. Baumgarten, A.G.I, 443. 483. II, 549. 635. 911. 914. III, 79. V, 129. 196. 308. 350. 356f. VI. 437. 443. XI, 269. Bayard, P du Terrail XII, 591. Bayle, P. II, 826. Beattie, J.V, 117f. Beccaria, C.B. de VIII, 457. Bel, M. II, 799. Bendavid, L. XI, 320. Bender XII, 586. Bengel, J. A. XI, 332. Berkeley, G. III, 94. 254. V, 157. 253f. Bernoulli, Jakob V, 363. Bernoulli, Johan I, 15. 24. 71ff. 89. 125. 163f. 182f. Bernoulli, Nikolaus (oder Daniel?), I, 24. 184. Beyer XII, 809. Bilfinger, G.B.I, 15-218. 43. 97ff. 121f. Blair, H. Xii, 576. Blumauer, J.A.XII, 459. Blumenbach, J.F. IX, 164. X, 381. XI, 362. XII, 643. Bock, F.S. XII, 695. Boerhave, H.I, 417. II, 799. 938f. 993. Bohlius, J.C. I,II. Bonnet, C. de II, 997. IV, 581. IX, 164. Borchard, C.A.I, 403. Borelli, G.A.II, 997. V, 301ff. Borowski, L.E. II, 513, Bossuet, J.B. XI, 331. Boswell, J. XII, 541. 669. Bourignom, A. XII, 415. 457. Bouterwerk, F. X, 225. Bradley, J.I, 239. 263. 319. II, 571. Breitkopf, J.G. XI, 392. Brockes, B.H.I, 340. XII, 426. Brawn, J. VIII, 311. XII, 585. Brucker, J.J. III, 323. Bruyère, J. de II, 830. Buache, P. XI, 25. 29. Büsch, J.G. XII, 663. Büsching, A.F. VIII, 477. IX, 163. X, 202.

Buffon, G.L.L. Graf von I, 246. 292. 371. II, 680. 713. 861. 993. IX, 150. XI, 11. XII, 539. Bugge I, 399. Bull, J. XII, 647. Burke, E.X, 52. 204. Burnet, T. II, 695. Butler, S. XII, 549. 558. Cäsar II, 639. Camper, P. X, 238. XI, 362. XII, 643. 674. Candide II, 989. Carazan II, 827f. Carteret, P. IX, 162. XI, 67. Cartesius (Descartes) I, 24-218. 43. 53ff. 96f. 114. 138. 180. 213. 235. 425. 437. II, 569. 852. 933. 956. III, 254. IV, 356. 366. 374. V, 157. 254. VI, 456. XI, 96. X, 430. XI, 256. XII, 399. 478. Casini, G.D. I, 315. 319. Catelan, Abbè de I, 123. Cato II, 846. VIII, 561. XII, 471. Cavalerius, B.I, 146. Charlevoix, P.F.de VIII, 734. Chastelet, Marquise du I, 57-168. 69f. 84. 113. 152. 159ff. II, 852. Chesterfield, P.D.S. Earl of VIII, 561. XII, 617. Chrisina von Schweden XII, 508. Chrysippus I, 449. VI. 495. 454. Cicero IV, 596. V, 334. V. 334. VI, 455. 473. VIII> 347. X, 267. XI, 139. 302. 383. Cineas II, 891. Claproth XII, 809. Clavius, C. II, 888. XII, 516. Cocceji, H. von XII, 809. Cocceji, S. von XII, 809. Cochius, L. VIII, 513. Columbus, G. XII, 543. Commodus, Lucian Aclius Aurelius XI, 208. Constant, B. VIII, 637. 639. Cook, J. XII, 650. 797. Corregio, A. XII, 441. Coyer, Abt G.F. XI, 355. Cranz, D.XI, 20. Cromwell, O.II, 829. XI, 366. Crugott, M. XII, 750. Crusius, C.A. I, 427. 439ff. 445ff. 471. 497. II. 607f. 636f. 764ff. 781. 818. 952. V, 188. 367. VI, 443. VII, 153. Curtius VIII, 555.

Curtius VIII, 555. Dacier, A. II, 852. Daries, J.G.I, 417. 445. Danton, G. XI, 159. David VIII, 874. Demanet, Abbé XI, 66. Demetrius von Phaleron XII, 614. Demokrit von Abdera I, 233. II, 690. 721. 983. VI, 617. IX, 96. X, 342. Derham, W.I, 240. II, 734. Descartes s.Cartesius Diogenes von Sinope II, 983. XII, 634. Diogenes Laertius III, 22. Domitian II, 826. XII, 208. Dschingiskhan XI, 110. Eaton XI, 24. Eberhard, J.A. V, 297-373. XII, 809. Eberhard, J.P. II, 581. Eblers, M. XII, 776. Engel, J.J. XI, 65. Epiktet II, 847. 896. VI, 455. Epikur I, 228. 233. 357. II, 690. 721. 971. III, 209. IV, 447. 710. V, 39. 103. VI, 454. 630. VII, 131. 153. 244f. 250. 275. VIII, 341. 626. X, 205. 270. 275. 342f. XII, 557. Erhard, J.B. XI, 360. Ernesti, J.A. II, 973. Erxleben, J.C.P. I, 399. d´Este, Cardinal XII, 485. Euklid II, 909. V, 130. 253. 307. Euler, L. II, 780. 994. V, 93. 107. IX, 78. X, 140. XI, 257. Eva XII, 730. Feder, J.G.H. XII, 809. Fielding, H. XII, 459. 461. 552. Fischer, J.E. XI, 215. Flammsteed, J.I, 239. Flatt, J.G. XII, 809. Fontana, Abt F. XI, 80. Fontenelle, B. le Bovier de II, 852. 396. 510. VII, 197. Forrester, T. IX. 161. Forster, J.G.A. IX, 1441f. 150ff. Frank, J.G.XI, 332. Franklin, B. XII, 725. Franz I., König von Frankreich VII, 137. Friedrich II. König von Preussen I, 223. V, 11. XI, 59. 207. XII, 689.

Friedrich Wilhelm II., König von Preussen XI, 267f. Galilei, G. II, 801. III, 23. VIII, 654. Garve, C. VIII, 310. XI, 130ff. 138f. 141. 239. XII, 809. Gellert, C.RF> I, 242. Gensichen, J.F. I, 397. Georgi, J.G. XII, 797. Georgius, Frater A.A. VIII, 797. XI, 215. Girtanner, C. XII, 671. Gottsched, J.C. I, 145. Gottsched, L.A. I, 345. Grandison II, 846. s'Gravesande, W.J. van I, 25. 212. Groeben, W.L. von der II, 515. Grotius, H. XI, 210. XII, 809. Grube, J.R. I, 403. Guerike, O. II, 801. Guignes, J. de XI, 21. Grundling, XII, 809. Hales, S. I, 348. 479. Haller, A. von I, 336. 344. 394. II, 829. IV, 543. VIII, 528. 585. 599. 718. XI, 175. 259. XII, 415. Halley, E.I, 240. Haumann, J.G. XI, 324. XII, 809. Hamberger, G.E. I, 36. 76. Hanway, J. II, 831. Harrington, J. XI, 366. Hasselquist, F. II, 828. Hausen, C.A. VIII, 312. XII, 528. Hearne, S. VIII, 681. XII, 649. Heidegger XII, 643f. Heinecke, C.H. XII, 547. Heinrich VIII., König von England VII, 292. Hektor I, 126. Hekuba III, II. Helmont, J.B. van XII, 532. Helvetius, C.A. XII, 441. 482. Heraklit von Ephesus II, 835. Herder, J.G. XII, 781. 794f. Herkules VIII, 509. Hermann, J. I, 15-218. 24. 55ff. 125. 168. 184. Herodot XI, 21. Herschel, F.W. I, 400. Herz, M. V, 9. Hesychius XI, 215. Hill, J. II, 683.

Hippokrates v.Kos XI, 94. 163. Hire, G.P. de la I, 263. Hissmann, M. V, 339. Hobbes, T. IV, 640. VIII, 756.XI, 143. 161f. XII, 809f. Höpfner XII, 809. Höst XII, 797. Hoffmann, F. II, 939. Hofstede XII, 444. Hogarth, W. II, 833. Holberg, L. II, 892. Home, H.Lord Kames VI, 437. Homer II, 826. 831. 834. VI, 382. X, 244. XII, 498. Horatius, Pater F. XI, 215f. Horay I, 131. II, 970. V, 115. 138. VI, 473. VIII, 541. 561. 567. 631. 665. 680. XI, 181. XII, 574. 745. 748. Hudibras II, 959. Hufeland, C.W. XI, 371. 373. 375. Hufeland, G. XII, 809. Hume, D. II, 880. 914. III, 47. 59. 133. IV, 635f. 645. 648. 712. V, 115f. 121. 130. 132. 138. 178f. 181. 225. 231. 234. 236. 289. VI, 473. 596. VII, 118f. 166ff. 170. 172. IX, 21. X, 215. 257. 376. XI, 48. 367. XII, 471. 474. 517. 592. 643. 656. 658. Hutcheson, F. II, 773. 914. VII, 77. 153. Huygens, C. I, 63. 240. 257. 262f. II, 724. 801. Isokrates II, 917. Ives, E. XI, 24. Jacobi, F.H. V, 268. 278. Jacobi, J.F. II, 799. Jakob, L.H. VI, 426. JakobI., König von England XII, 643. Jason II, 881. Johann II., König von England XI, 81. Jahann von Leyden II, 896. Johnson, S. XII, 541f. Julian Apostata VI, 383. Juno II, 951. VII, 57. Jupiter VIII, 631. XI, 229. XII, 800. Jurin, J. I, 70. 150ff. 203. Juvenal VII, 296. XII, 506. Kain VIII, 564. Kästner, A.G. II< 698. 782. V, 51. VI, 409. Karl I., König von England VIII, 440. Karl I.I, König von England XII, 508.

Karl V., Kaiser von Deutschland VII, 137. Karl XII., König von Schweden II, 847. XII, 586. 635. Karneades aus Kyrene VI, 454. Keill, J. II, 549. 557. V, 314. Kepler, J. II, 826. IX, 116. XI, 34. Kleanthes von Assos VI, 454. Klopstock, F.G. II, 834. Köhler XII, 809. Kopernikus, N. III, 25. 28. 283. XI, 355. Krusemarck, L.J. II, 513. Labat, J.B. II, 882. La Coste XI, 331. La Croze, M.V. de XI, 215. Lambert, J.H. I, 399. II, 625. IV, 453. VI, 443. IX, 49. Landriani, M. XI, 80. Laokiun (Lao – tszé) XI, 185. Lavater, J.C. VIII, 742. XII, 640. 646. Lavoisier, A.L. VII, 311. XII, 679. Lehwald, J. von I, 405. Leibniz, G.W. von I, 7-218. 15. 19. 23. 40. 43ff. 53ff. 73ff. 96. 115. 123. 138. 150. 180. 206. 415. 590. 745. 814. 834f. 948. 993. III, 88. 266. 288ff. 292ff. 300. IV, 424. 536f. 581. 682. 710. V, 51ff. 61. 115. 297. 299. 306. 315f. 337. 339. 361. 369ff. VI, 443. 456. 593. 595f. 614ff. 619f. 640. 655. 657. VII, 222. 298. IX, 62. XII, 425. 546. Lenclos, N.II, 857. Leonardi da Vinci XII, 544. Less XII, 415. Lessing, G.E. V, 267. X, 214. XI, 165. Leukipos von Milet I, 233. Lichtenberg, G.C. I, 299f.XI, 387. XII, 729. Lichtscheid I, 59. Lind, J. IX, 152. XI, 79. Linné, C. von IX, 142. X, 28. 384. XII, 488. 674f.

Liscow, C.L. II, 973. Livius XI, 189. Locke, J. III, 12. 127. 132. 293. IV, 710f. V, 115. 129. 152. 297. 325. 356. 367. VI, 443. 456. X, 296. XII, 417. Luc, J.A. de XI, 123. Lucretia II, 857. Ludwig XVI., König von Frankreich VIII, 440. Lukrez I, 233. 358. II, 621. VI, 394. XII, 484. 562. 603.

Lykurg II, 881. Lysius, F.H.S. I, 403. Magliabecchi, A. XII, 489. Mahomed s. Mahommed Mairan, J.J. d’Ortons de I, 58-168. 69f. 84. 113f. 121. 159ff. 323. II, 715. IV, 439. Malebranch, N.I, 507. V, 81. VI, 443. VIII, 728. Mallet du Pan, J. XI, 208. Mandeville, B. de VII, 153. Mariotte, E. I, 203. II< 997. IX, 81. Mark Aurel VI, 383. XI, 208. Marmontel, J. F. XII, 444. Marsden VIII, 420. Ix, 158. X, 162. Marteville, Madame de II, 967. Maupertius, P. L. M. de I, 240. 265f. II, 661. 680. 794. XI, 14. Meier, G.F. II, 581. 594. 913. VI, 423. 443. Mendelssohn, M. IV, 350. V, 121. 267f. 273f. 276. 278. 287f.290. VII, 227. VIII, 385. 836. IX, 167. XI, 61. 165. 168. 320. XII, 809. Mengs, B.XII, 440. Michaelis, C.F. XII, 482. Michaelis, J. D. VIII, 637. 660. 771. XI, 270. Milton, J. II, 720. 826. 830. 854. XII, 567. 654. Mirandola, P. von XII, 489. Möller, J.G. I, 403. Mohammed II, 896. VII, 251. Moliére XII, 401. Momus XII, 688. Montaigne, M. de VII, 153. XII, 465. Montesquieu, C. de II, 873. Moore, F. VIII, 723. Mordaunt, Lord XII, 554. Morus, T. XI, 366. Moscati, P. XII, 674. 767. Mühlenkampf, G. L. II, 5413. Musschenbroeck, P. von I, 25. 145ff. 207f. 212. II, 798. Myron X, 153. Nero II, 891. VIII, 556. XII, 591. Newton, I. I, 15. 74. 188. 242. 248. 260. 274. 284ff. 288. 313. 315. 339. 363f. 367. 369. 385. 387. 505. II, 545. 557. 675. 687f. 709. 712. 714f. 743. 756. 758. 801. 852. 944. III, 28. 283. V, 53. 318. VI, 456. VIII, 319. 805. IX, 20. 24. 71. 81. 89. 116. 126.

131. X, 243f. 352. XI, 34. XII, 546. 679. 757. Nicolai, C. F. VIII, 313. XI, 326. XII, 647. Niebuhr, C. XI, 14. XII, 797. Nieuwentyt, B. II, 754. Olivier, L.H.F. XII, 695. Orbilius Puppilus II, 888. Orest VIII, 609. Orpheus XII, 498. Ossian XII, 498. Oswald, J.V. 117. Ovid I, 149. II, 834. III, 11. Palagonia, Prinz XII, 476. Pallas, P.S. XI, 76. Papin, D.I, 132ff. Parkinson XII, 797. Pascal, B.XII, 415. 457. Paulus XI, 306. 337. Pellison-Fontanier, P XII, 642. Peregrinus XI, 315. Persius III, 18. XII, 415. Pestalozzi, J.H. XII, 695. Petsu, Pater D. XI, 332. Pfenninger, J.C. VIII, 742. Paedrus VIII, 336. 844. Pherekydes von Athen VI, 451. Philipp von Makedonien I, 381. Philon V, 234. Philostrat II, 970. Pirithous VIII, 609. Platner, E. V, 223. XII, 809. Platon III, 51. 321ff. IV, 468. 513. 710. V, 41. 89. 254. 334. 370. VI, 379ff. 383. 387f. 391. 393. 396. 453f. 467. 593. 658. 665. VII, 218. 259. 275. X, 309. XI. 180. 366. XII, 617. 737. Plautus XII, 658. Plinius der Jüngere VI, 455. Poleni, Marquese G.I, 25. 212. Politanus, A. XII, 489. Polybius II, 909. Polyklet X, 153. Pompejus VI, 407. Pope, A.I, 255. 271. 340. 375. 387. 393. II, 707. XI, 208. XII, 426. 524. 602. 612. 650. Porta, B. XII, 639. Posidonius von Apamea VI, 407. Postellus, G. XI, 304. Pound, J. I, 315.

Priestley, J. IV, 635. V, 117. VII, 224. XII, 776. Prometheus VI, 396. Protagoras von Abdera VII, 627. Proteus II, 883. XI, 315. Pufendorf, S. XI, 210. XII, 809. Pyrrhon aus Elis II, 890. VI, 454. Pyrrhus II, 890. Pylades VIII, 609. Pythagoras von Samos VI, 380f. 452f. Quin, J. XII, 647. Quintilian V, 299. Ramsay, J. IX, 157. Ray, J. II, 668. Reid, T. V, 117. Reil, J.C. XI, 345. Reimarus, H. S. II, 736. 804. X, 445. Reimarus, J.A.H. VI, 401f. Reinhard, A.F. II, 589. Reinhold, K.L. VI, 587. IX, 170. Reland VIII, 772. Remus II, 569. Reusch,J.P.V, 367. VI, 445. Ricciolus, G.B. I, 212. 263. Richardson, S. XII, 401. Richter, G.F. I, 153f. 203. Rink, F.T. XII, 693. 696. Robertson, W. XII, 668. Robinson II, 846. Rochester, Graf J.W. XII, 508. Roland, J.M.XII, 590. Romulus XI, 286. Rousseau, J.J. II, 873. 896. VI, 383. VII, 437. 580. 666. X, 116. XI, 42. 44. 93. 95. 172. XII, 643. 666. 676. 681. 689. 689. 714. 718. 728. 767 . Sagramoso, graf Xii, 595. Saint-Pierre, Abbé de XI, 42. 172. Salmasius, C. XI. 279. Saussure, H.B. de X, 190. 204. Sauvage, F.B. de II, 761. Savary X, 174. Scalinger, J.C. XII, 489. 546. Schelling, F.W.J. VI. 428. Schiller, F. VIII, 669. Schlettwein, J.A. XII, 809. Schlosser, J.G. VI, 413. Schmauss XII, 809. Schott, D. IX, 152.

Schreiber, G.W. V, 9. Schröter, G.D. V, 9. Schulz, J.H. XII, 773. Schwab, J.C. VI, 587. Schwarz, B. XII, 543. Sdchwedenberg s.Swedenborg. Scioppius V, 334. Segner, J.A. von III, 56. V, 128. X, 253. XII, 727. Selle, C.G.XII, 809. Seneca I, 15. VI, 455. VIII, 556. 666. Sextus Empiricus VI, 455. Shaftesbury, A.C. Lord of II, 914. V, 41. VI, 473. VIII, 313. XI, 147. Shakespeare, W. XII, 483. Shandy, T. XII, 728. Sharp, S. XII, 664. Simonides II, 815. 867. Smith, A. VIII, 403. XII, 523. Sömmering, S.T. IX, 152. XI, 255-259. Sokrates II, 984. VI, 447. 453. 470. VII, 31. VIII, 517. XII, 424. 435. 444. 515. 582. 655. 737. Solon IV, 711. Sonnerat XI, 177. XII, 499. Spener, J.P. XI, 322. Speusippos VI, 454. Spinoza, B. de II, 633. V, 268. 279. 287. 340. X, 342. 345. 415. Sprengel, M.C. IX, 157. Stäudlin, C.F. XI, 265. Stahl, G.E. II, 939. III, 23. Stein, J.A.V, 9. Sterne, L. IX, 144. XII, 515. 558. Storr, G.C. VIII, 660. Süssmilch, J.P. II, 689. Sulzer, J.G.IV, 633. VII, 39. XII, 689. 809. Swedenborg, E. II, 966f. 970. 972ff. XI, 312. XII, 498. Swift, J. II, 901. XI, 172. 208. XII, 443f. 540. Sylla XII, 635. Terenz II, 917. VIII, 598. XI, 259. Terrasson, J. Abt II, 899. III, 17. XII, 598. Thales von Milet III, 22. VI, 451. Thersites XII, 567. Theseus VIII, 609. Thomasius, C. XII, 809. Thukydides XI, 48. Timoleon von Syrakus I, 16. Tiomon XII, 688.

Tiresius II, 951. Titus VIII, 499. XI, 208. Torricelli, E. II, 801. III, 23. Treuer XII, 809. Trublet, N.C.J. XII, 539. Tycho de Brahe I, 239. II, 951. VI, 517. Ulloa, A. de II, 997. IX, 159. Ulpianus, D. VIII, 344. Ulrich, J.A.H. IX, 19. XII, 809. Vattel, E. de XI, 210. Venus I, 457. II, 826. XII, 641. Veri, Graf XI, 110. XII, 552. Virgil I, 126. 138. II, 831. 834. 936. 965. 972. 982. V, 123. VI, 473. XI, 164. 175. 213. XII, 459. 576. Vogel, L.D. II, 513. Voltaire, F.M.A. II, 700. 989. VII, 199. X, 275. XI, 26. XII, 525. 540. 656. Voss, J.H. VI, 383. Waller, E. XII, 541. Wallis, J.I. 63. Warburton, W. II, 752. Weitenkampf, J.F. I, 330.

Whiston, W. II, 669. Wieland, C.M. X, 244. Wilmans, C.A. XI, 340. Windischgrätz, J.N. graf von XI, 202. Wizenmann,T. VII, 278. Wöllner, J.C. XI, 268. Wolff, C. I, 15. 39. 112. 125. 139ff. 165ff. 427. 443. II, 569. 581. 549. 635. 732. 745. 952. III, 36. 88. IV, 698. 712. V, 37. 77. 129. 255. 273. 297. 350. VI, 443. 456. 591. 593. 595f. 616. 620. 655. 657. VII, 14. 153. VIII, 312. XII, 809. Wright von Durham, T. I, 238. 240. 258. 352. Xenophanes VI, 451. Yuong, E. II, 830. XII, 540. Zedlitz, K.A. Freiherr von III, 9. Zenon von elea IV, 468. VI, 451. Zenon von Kition VI, 454. Zimmermann, E.A. von XII, 797. Zöllner, J.F. XI, 53. XII, 809. Zoroaster VI, 451. VIII, 803. 807. XI, 177.

SACHREGISTER Abartung IX, 144f. 147. XI, 12f. Abderitismus XI, 353f. Abendmahl XI, 395. Abenteuerliche, das II, 833f. Aberglaube III, 35. V, 281. VIII, 761. X. 390f. XI. 335f. XII, 514. -, religiöser VIII, 846. XI, 317. Aberwitz XII, 513. 531. Abgötterei X, 424. Abhängigkeit II, 674. 639. -, moralische II, 663. -, unmoralische II, 663. Abhandlung, mathematische I, 143. Ableitung, mechanische X, 363. -, physiologische II, 127. -, theologische X, 331. Abschreckung XII, 569. Absicht X, 349. -, moralische XI, 168. -, praktische X, 349. -, technischeXI, 168.

-, weise II, 688. -, weltbürgerliche XI, 59. Absolut III, 329f. Absolutnotwendige, das IV, 546. Absonderung II, 744. Abstammung XI, 145f. Abstrakt V, 35. Abstraktion II, 803. VI, 525f. Abstraktionsvermögen XII, 413. Achtung II, 837. VII, 26ff. 195ff. X, 123. 344. XI, 105. 187. 189. 246. VIII, 530. 534. 584f. 629f. X, 123. 344. XI, 105. 187. 189. - fürs Gesetz VII, 26. 74. 195ff. VIII, 701. 856. Ackerbau XI, 96. Adel VIII, 449. 495. Administration VIII, 820. Ästhetik II, 914. III, 70. 98. VI, 436. X, 63. - des Gefühles X, 35. - der Sitten VIII, 538.

der reinen praktischen Vernunft VII, 214. Ästhetik, transzedentale III, 60-96. 70f. 86. 146. 195. IV, 368. 460. 471. V, 187. X, 35f. Ästhetisch X, 115. Äther II, 563. 679. IX, 71f. 679. 134. X, 434. Äusseres III, 289. Affekt VIII, 539ff. 611. 676. X, 198. XI, 359. XII, 557. 580ff. Affektion III, 109. XII, 602. -

AFFEKTLOSIGKEIT X, 199. XII, 580. 630.

Affinität III< 171. 177f. -, transzedentale III, 172. Afterdienst VIII< 821. 835. 839. 842. Afterpolitik XI. 249. Aggregat I, 49. II, 645. III, 122. IV, 404f. V, 192. VI, 486. X, 180. Ahnung VI, 386. Aktion I, 167. Akzeleration IX, 119. Akzidenz III, 222. 224. VI, 405. V, 21 All, das IV, 455. 525. 554. Allegorie XI, 312.+Allgegenwart II< 769. X, 454. Allgemeine, das II, 747f. X, 359. Allgemeingültigkeit X, 210. 220. -, subjektive X, 129. Allgemeinheit III, 328. IV. 515. VI, 521. VIII, 777. -, ästhetische VI, 462. X, 128ff. -, disjunktive IX, 87. -, empirische III, 47. VI, 664. -, kollektive VIII, 827. IX, 87. -, komparative III, 46. 73. 131. -, logische IX, 27. X, 128. -, physische IX, 27. -, rationale VI, 664. -, strenge III< 46f. -, subjektive X, 125. 209. Allgenugsamkeit II, 726ff. Allheit III, 118. 122. 328. VI, 515. Alter, das XI, 373f. Altertum II, 609. VI, 509f. Amphibolie der Reflexionsbegriffe III, 285-307. - der moralischen Reflexionsbegriffe VIII, 577ff. Amphibolie, transzedentale III, 292. Amt, bürgerliches VIII< 449. XI, 55. Amtsadel XI, 205.

Analogie I, 266. II, 930. 946. 948. III, 218. V, 233ff. VI, 564f. 613f. VII, 173.X, 295ff. 430. - der Erfahrung III, 203. 2160248. 219. 246. V, 177. Analogie, arithmetische X, 332. -, geometrische X, 332. -physische I, 323. Analysis II, 761. III, 19. 27. 108. 135. VI, 492. Analytik III, 104. V, 137.VI, 438f. - der Begriffe III, 108. - des Erhabenenen X, 164-207. - des Schönen X, 115-164. - der praktischen Vernunft VII, 213. - der reinen praktischen Vernunft VII, 125- 234. 214. - der reinen theoretischen Vernunft VII, 213f. Analythik, transzendentale III, 106f. 274. 327. IV, 453. 671. VIII, 357. Anarchie III, 12. XI, 159. 299. XII, 686. Anbetung VIII, 874. Andacht VIII, 841.874. XI. 87. Andachtsübung X, 270. Andächtelei VIII, 859. Anfang I, 339. 379. IV, 415. 434. -, erster X, 381. Anfangsgrund, metaphysischer VIII, 309. Angenehme, das IV, 499.V,I 461. VII, 42. X, 117ff. 286ff. 355. XII, 565. Angewohnheit XII, 721. Angriffskrieg XI, 197. 358. Animalität IV, 344.+Anlage VIII, 672f. -, menschliche XII, 703. -, moralische VIII, 573. 700. 702. 738. 783. XI, 210. 309. 328. 55. XII, 677. -, natürliche XI, 17. -, physische VIII, 785. XI, 355. -, pragmatische XII, 676. -, sittliche XI, 181. -, technische XII, 674. Anlage, ursprüngliche VIII, 740.IX, 147. 156. 161. 164. XII, 802. Annehmlichkeit X, 43. 121. 123. 282. Anordnung, göttliche II, 715. -, zweckmässige X, 26. Anrede VIII, 871. 873. Anschauung II, 763. III, 16. 25. 50. 56f. 69ff. 71ff. 79ff. 87ff. 97f. 105. 109. 118f. 130ff. 136ff. 145. 157. 160ff. 73ff.204ff. 326. Iv, 395. V, 41. 89ff. 143ff. 267. 323.

VI, 460f. 521. 666f. VII, 158f. IX, 19f. X, 40f.94f. XII, 509. -, äussere III, 75. 265ff. IV, 391. -, a priori III, 73. VI, 958f. VIII, 312. 535. IX, 20. -, besondere III, 18. -, bestimmte III, 150. -, empirische III, 69ff. 87. 90. 100. 144f. 207. 270. IV, 415. V, 143ff. X, 525. XII, 416. -, formale V, 339. -, innere III, 81. 92f. IV, 346. IX, 16. XII. 456. -, intelektuelle III, 95. 153. 278. 298. V, 41ff. 254. 331. VI, 377. VII, 142. X, 363. -, nichtsinnliche III, 277. -, reine III, 70f. 73. 87. 97. 100.145. 207. 270. V, 43. 59. 142f. 145ff. 183. 362. VI, 597f. IX, 20. -, sinnliche III, 30. 70f. 95. 110. 143. 145. 178. 273. 281. V, 79ff. 145. VII, 155. X, 354. -, unmittelbare III, 79. -, unsere III, 82. V, 225. Anschauungsart III, 95. Anschauungsform (vgl.Form der Anschauung) III, 276. Anschauungsvermögen III, 25. 256. IV, 462. Antagonismus XI, 37. 300. Anthropologie IV, 500. 702. V, 239. VI, 621. 648. VII, 40. VIII. 537. X, 45. 426. XI. 26.XII, 399ff. 431. 794. -, moralische VII, 322. -, pragmatische XII, 573. -, praktische VII, 12. Anthropomorphismus IV, 562. 601. V, 223f. VII, 268. 270. VIII, 718f. 839. X, 297. Anthroponomie VIII, 537. Anthropophobie VIII, 586. X, 203. Antichrist XI, 190. Antinomie IV, 412. X, 287. 335. - des Geschmacks X, 278. - der ästhetischen Urteilskraft X, 283. - der reinen Vernunft III, 340. IV, 401. 410. 464. 470. 485. VI, 627f. VII, 140. 235. X, 286. - der reinen praktischen Vernunft VII, 243. - der Urteilskraft s. Antinomie der ästhetischenUrteilskraft

Antinomie, dynamische V, 216. VI, 629. 669. -, mathematische V, 213.VI, 669. Antithetik IV, 409f. 632. -, transzendentale IV, 410. Antizipation III. 209. - der Wahrnehmung III, 203. 208-215. Antrieb, sittlicher II, 943. Anwendung II, 752. -, mathematische I, 73. Anziehung I, 302. 326. 328f. 365. 505. II, 519. 549ff. 791. 944. 987. III, 28. IX, 63ff. 68.70ff. 83. 106. 119f. Anziehungskraft I, 242. 301. IX, 49f. 62ff. 166. Apathie XII, 582f. -, moralische VIII, 540. A posteriori II, 654f. 871f. 994. III, 45f. Apperzeption III, 93. 134. 149f. 173ff. 305. IV, 396ff. V, 187. IX, 108. XII, 428. -, diskursive XII, 427. -, empirische III, 136. 167. XII, 417. 428. -, intuitive XII, 427. -, reine III, 136. 173f. 178f. XII, 417. 428. -, transzendentale III, 167f. 172. -, ursprüngliche III, 136. 217. Aprehension III, 156. 176. 208ff. 216. 221ff. 227ff. 242f. XII, 416f. A priori I, 69. II, 654. 871f. III, 22. 26. 46f. 54. 87. 126. 163. IV, 433. 597f. XI, 106. Arabien, Araber II, 879. VI, 451. Arbeit X, 238. XII, 730. Archäologie der Natur X, 374. 385. Architekt, höchster X, 365. Architektonik IV, 695. VI, 475. Argument, kosmologisches IV, 436f. 538. 545. -, moralisches X, 413. 443. Aristokratie XI, 206. 208. Arithmetik II, 746. 751. V, 45. 145. X, 176. Art IV, 570ff. VI, 527 XI, 12. 75. Arzt XI, 288f. Asketik VIII, 544. -, ethische VIII, 625f. -, moralische VIII, 625. 702. Assiziation III, 171. 177f. -, empirische XII, 479. Asspziationsgesety XI, 256. XII, 477. Astronom I, 295. Astronomie XII, 495. Astroteologie I, 265.

Atheismus II, 690. III, 35. Athletik II, 610. Atom I, 233. II, 634. 971. IX, 96. Atomistik IX, 96. -, transyendentale IV, 424. Attention XII, 413. Attraktion I, 300. Attraktionstheorie XI, 72. Attribut V, 347. VI, 488. -, ästhetisches X, 251f. -, logisches X, 251. Auffassung X, 33f. 100. 103. 173f. Aufgabe der praktischen Vernunft VIII, 860. XI, 239. -, der reinen Vernunft III, 49. 58. Aufhebung II, 642. 804. Aufklärung V, 283. VIII, 709. X, 226. XI, 46. 53-61. XII, 498. -, WAHRE viii, 787. 852. AUFLöSUNG ix, 92FF. -, LOGISCHE ii, 730. -, METAPHYSISCHE I, 104. Aufmerksamkeit II, 803. III, 152. Aufrichtigkeit VIII, 563. 865. XI, 119. 122. Aufruhr XI, 157. 245f. Aufstand XI, 156. 160. Ausartung IX, 144. XI, 12. Ausdehnung I, 26. 33. II, 641. 994. III, 92. IV, 546. IX, 47f. Ausdehnungskraft IX, 51. 56. Ausdruck X, 258. Auslegung XI, 115. 336f. Ausrottungskrieg XI, 200. Aussicht X, 164. Autokratie VI, 632. XI, 206. Automat XI, 43. Autonomie VI, 632. VII, 69. 80f. X, 39. - der Staaten VIII, 437. - der Tugend X, 212. - der Urteilskraft X, 339. - der praktischen Vernunft VIII, 620. - des Willens VII, 66. 73f. 99. 144. Autorität VIII, 753. 827. XI, 188. Axiom III, 206. IV, 626f. V, 87ff. VI, 542. VIII, 641. - der Anschaung III, 203. 204-208. - der Geometrie II, 755. Axiom, geometrisches V, 63. -, mathemetisches III, 312. Bangigkeit XII, 585f.

Banknote VIII, 402. Barbarei XII, 686. Barmherzigkeit VIII, 594. Baukunst X, 141. 260. Bebung, die IX, 29. Bedeutung II, 629. 754. III, 193. 271. -, metaphysische I, 32. -, objektive III, 232f. -, transzendentale III, 276. Bedingte, das III, 318. IV, 402ff.434. 464ff. VI, 673. Bedingung IV, 402ff. - der Anschauung IV, 466. - der Erfahrung III, 248. - des Urteils III, 196. Bedingung a priori III, 132. -, empirische II, 99. -, formale der Sinnlichkeit III, 131. -, intelligible IV, 488. -, notwendige II, 954. -, subjektive III, 75. 82. 91. 129. X, 217. Bedürfnis VII, 256. - der Vernunft IV, 523. VI, 673. VII, 276. VIII. 806. Bedürfnis, moralisches XI, 133. Beerbung VIII, 408f. Befugnis XI, 204. Begattung II, 681. Begebenheit II, 670-672. 704. -, übernatürliches II, 672ff. Begehren, das IX, 110. XII, 490. Begehrungsvermögen VII, 114. 175. VIII, 315ff. 480. X, 18ff. 44. 60ff. 85ff. 108. XII, 579-622. -, natürliches I, 463. -, oberes VII, 129. -, unteres VII, 129. Begierde II, 613. 630. 652. 749. 753f. 815f. III, 65. VIII, 316. 480. IX, 110. X, 390. XI, 89. XII, 579. -, formale XII, 753. -, materiale XII, 753. -, sinnliche XII, 579. Begrenzung X, 165. Begriff I, 274. 381. 483. II, 633. 746. 748. 754. 814. 907ff. III, 16. 25f. 48. 69. 73f. 90. 97f. 107ff. 117ff. 126ff. 131f. 145. 158. 165f. 188. 249ff. 270ff. 326. IV, 459. 515ff. 532. V, 143. 267. VI, 460f. 485ff. 521-531. 666f. X, 40f. 217. 354. XII, 430. - eines Dinges III, 248. IV, 349. 618. V, 249.

Begriff der Freiheit (vgl. Freiheit) IV, 674. VI, 408.VII, 82. 107f. 112. 163f. 230. VIII, 326f. 538. 700f. XII, 605. 777. -

DER GRÖSSE III, 270. 272. IV, 614. X, 284.

der Kausalität IV, 588f. V, 216. VII, 81. 164. 168. 172. 213. 219. - eines Körpers III, 167. - der Kraft I, 31. III, 237. - der Metaphysik I, 40. - der Notwendigkeit III, 259.IV, 588f. - der Pflicht VII, 22. 33f. 152. 203. VIII, 515. 549. XI, 140. - des Raumes III, 128. V, 25. 57ff. - der Realität IV, 518. 588f. - des Rechts VIII, 347. - der Substanz III, 237. 265. 272. IV, 347. 367. 397. 588f. V, 174. 206f. 340f. IX, 55. - der Totalität IV, 414. 418. - des Triangel III, 189. IV, 615ff. - der Unendlichkeit IV, 418. - der Ursache III, 54. 159. 171. 28-72. IV, 499. 614. 619. V, 166. 180. VII, 164. 166ff. X, 284. - der reinen Vernunft III, 331. - eines Wesens IV, 524f. - der Zeit V, 25. 47ff. 95ff. Begriff, abgeleiteter III, 18. 119. -, allgemeiner I, 28. II, 744. III, 79. - a priori III, 26. 108. 132. 160. IV, 583 617f. V, 133. VI, 602ff. 657. 660. X, 81. -, betrüglicher II, 590. -, blosser III, 74. 90. 302. -, deutlicher II, 611ff. -, einfacher I, 419. -, empirischer III, 90. 107. 189.249. 326. IV, 492. 632. V, 33ff. VI, 522. 573. X, 33. -, erschlichener II, 926. -, gegebener VI, 574. -, geistiger II, 948. -, gemeiner II, 629. -, indemonstrabler X, 284f. -, intelektueller IV, 492. 541. X, 252. -, leerer III, 397. -, mathematischer I, 122. 131. III, 146. -, menschlicher I, 267. -, möglicher II, 631. -, moralischer IV, 513. V, 37. -, ontologischer X, 41. 441. -, praktischer IV, 674. -

-, problematischer III, 279. X, 355. -, psychologischer IV, 385. VII, 265. -, reiner III, 18. 50. 97. 107. 188. 249. 326. VI, 521. -, sinnlicher III, 189. -, sittlicher VII, 39. -, teleologischer VII, 265. -, transzendentaler IV, 528. Transzendenter IV, 654. VIII, 630. X, 283. -, unauflöslicher II, 633. -, vernünftelnder III, 320. IV, 565. -, vollständiger II, 611f. Beharrliche, das III, 92. 221f. 255ff. Beharrlichkeit II, 217. 225. V, 206f. Behauptung, metaphysische III, 12. -, transzendentale IV, 413. Beispiel II, 185. VII, 36. VIII, 620. IX, 23. X, 294. Beiwohnung, eheliche VIII, 392. Bejahung II, 765. -, transzendentale IV, 517. Belohnung VIII, 334. 831f. Beleidigung VIII, 411. Bemächtigung VIII, 369. 374. Beobachtung I, 266. II, 659. 697. X, 324. Bequemlichkeit I, 17. Beraubung II, 790. Beredsamkeit X, 252. 258. 266. XII, 571. 573. 575. Berührung II, 545ff. IX, 67f. 70. Berufung VIII, 810. Beschaffenheit, moralische I, 394. VIII, 689. -, physische I, 394. -, übersinnliche VIII, 718. Bescheidenheit VIII, 600. Beschleunigung IX, 119. Besitz VIII, 353. 482f. -, empirische VIII, 357f. -, intelligibler VIII, 353. 357f. 379f. -, peremptotischer VIII, 367. -, provisorischer VIII, 366. -, sinnlicher VIII, 353. Besondere, das X, 35. 359. Bestimmbarkeit IV, 515. Bestimmung der Willkür VIII, 530. Bestimmung, durchgängige IV, 515f. -, geometrische, I, 129. -, innere II, 635. -, moralische VII, 253. X, 235. -, notwendige II, 655. -, sittliche XI, 95.

-, transzendentale X, 134. -, übersinnliche X, 223. -, zufällige II, 768. Bestimmungsgrund der Maximen VII, 145. 159. des Willens VII, 138. 152. 155. 158. 164. 181ff. 192ff. 218. 287. - der Willkür VII, 128ff. VII, 323f. Bestimmungsgrund, empirischer VII, 137. 217. VIII, 785. -, formaler VIII, 510. 649. -, intelektueller VII, 243. -, materialer VII, 153. VIII, 510. 649. -, moralischer VII, 217. 246. -, objektiver VII, 153. 191. -, subjektiver VII, 153. 191. Betastung XII, 447. Beten, das VIII, 870. Betrachtung I, 22. 77. -, mathematischer I, 51. 75. 86. -, metaphysische I, 42. V, 195. -, philosophische I, 22. II, 747. Betrug XII, 440f. Beurteilung X, 213. 241. 246. -, ästhetische X, 47. 132. 170. 184. 312. -, logische X, 76. 170. -, moralische VII, 54. -, sittliche VII, 70. -, teleologische X, 48. 306. 326. 331. 370. Beurteilungsvermögen X, 24. -, ästhetisches X, 214. -, praktisches VII, 31. -, theoretisches VII, 31. Beweger, erster X, 453f. Bewegskraft II, 997. Beweglichkeit IX, 25. 27. Bewegung I, 27. 29. 37. 39. 78. 110. 171. 250. 359. 481. II, 569-581. 698. III, 80. 86. 92. 150f. IV, 387. V, 160. IX, 22. 25ff. 34ff. 70. 102. 115. 122. 127ff. -, absolute IX, 35. 123. 132. Bewegung, exzentrische I, 294. -, freie I, 40. 45. 180. II, 519. 938. VII, 221. IX, 43. -, immerwährende I, 130. -, mechanische I, 479. -, relative IX, 127. -, stetige, V, 51. -, wirkliche I, 23. 27. 46. 77. 155. -, zusammengesetyte I, 23. 97. IX, 34. Bewegungsgesetz (vgl. Gesetz der Bewegung) I, 206. II, 574. 179. 658-663.

Bewegungsgrund VII, 59. -, moralischer VII, 288. Bewegungslehre IX, 22. Bewegungsquelle I, 329. Beweis I, 24. 117. II, 601. IV, 661-670. X, 426. 428f. -, akroamatischer VI, 501. -, apagogischer IV, 666. VI, 500. -, a priori II, 653. -, direkter VI, 500. -, geometrischer I, 20. 64. -, indirekter VI, 500. -, kosmologischer IV, 436. -, mathematischer I, 120. -, mechanischer I, 208. -, metaphysischer II, 684. -, moralischer VIII, 534. X, 409. 416. 422. 447. -, ostensiver IV, 666f. -, physische-teleologischer s. teleologischer Gottesbeweis -, psychologischer IV, 366. -, spekulativer IV, 356. -, transzendentaler IV, 664f. Beweisart II, 622. IV, 665. X, 426. 429. 446f. Bewunderung II, 656. 725. X, 199. 311. XII, 569. Bewusstsein II, 760. 946. III, 165. 178. 256. IV, 344. 350f. 363. 377. VI, 457ff. VIII, 859f. IX, 107. XII, 429. - der Freiheit VII, 155. XII, 429. Bewusstsein, anschauendes XII, 417. -, diskursives XII, 430. -, einfaches IV, 370. -, empirisches III, 38. 137. 144. 173f. 208. -, inneres III, 267. -, intellektuelles III, 39. -, intuitives XII, 430. -, reflektierendes XII, 417. -, seiner selbst s. Selbstbewusstsein -, transzendentales III, 174. Bezeichnung XII, 497. Bezeichnungsvermögen XII, 497. Beziehung II, 632f. -, logische II, 633. 638. 642. Bibel VIII, 771. XI, 271. 285. 301. 310ff. 330ff. Bild II, 946. III, 189f. V, 318. 358. Bildhauerkunst X, 141. 248. 252. 260. Bildung X, 291. 699. 709. -, moralische VII, 247. VIII, 699. 713.

-, physische XII, 729. -, scholastische XII, 713. Bildungskraft X, 381. Bildunstrieb XI, 164. X, 381. Billigkeit VIII, 341f. Biographie XII, 401. Blödsinnigkeit XII, 526. Blume X, 120. 146. Boden VIII, 372. 443. XI, 197. Bösartigkeit VIII, 677. XI, 210. 237. Böse, das II, 587. VII, 174f. 177ff. VIII, 676. 679f. 683ff. 693. 710. 712. X, 412. XI, 107. 242. 354. XII, 684. Bosheit VIII, 686. 709. XI, 123. Branntwein VIII, 561. Buch VIII, 400. 404f. -, heiliges (vgl. Heilige Schrift) VIII, 772f. 803. XI, 287. Buchdrucker XI, 392. Büchernachdruck VIII, 404f. Bürger VIII, 754. 765. XI, 56. 150f. XII, 713. Busse XI, 323f. Chaos I, 232. 275. 328. III, 12. Charakter I, 16. IV, 492. VII, 18. 288. XI, 124. XII, 497. 625. 633ff. 684. 741. 744. -, empirischer IV, 493f. 497ff. -, guter IX, 122. -, intelligibler IV, 493f. 502. XII, 677. -, moralischer XI, 357. XII, 749. -, physischer XI, 74. Charakterismen X, 295. Charakterristik, anthropologische XII, 623. -, physiognomische XII, 639. Charakteristische, das X, 153. Chemie VII, 301. IX, 12. 15f. Chiliasmus VIII, 682. XI, 45. 353. Chimäre II, 893ff. China, Chinese II, 880. VI, 450. XI, 215f. Christentum VII, 258. VIII, 772. 792f. 795ff. 836. XI, 187ff. 301ff. 310f. 315. Dämonologie X, 406. 424. Dankbarkeit VIII, 591-593. 595. X, 407. Darstellung X, 33f. 103. Dasein I, 431ff. II, 629-636. 638ff. 642ff. 665. 730. III, 38. 119. 253. 273. IV, 532. VI, 667. - des Dinges II, 671. III, 253f. 258. VII, 51. - der Erscheinung IV, 511.

Gottes II, 621-738. 682. 729ff. 734. IV, 665. 672. 691. 693. VII, 254ff. 264. X, 413. - der Welt II, 817f. - eines Wesens IV, 542. Dasein, einfaches I, 503. -, göttliches I, 330. -, mein III, 255. -, notwendiges II, 642-649. IV, 435. Datum II, 963. Deduktion III, 125ff. VII, 160ff. VIII, 323. 357. X, 207ff. - der Begriffe III, 127. - der Geschmacksurteile X, 220. - der reinen ästhetischen Urteile X, 207277. - der reinen Verstandesbegriffe III, 16. IX, 19. Deduktion, empirische III, 126f. -, metaphysische III, 153. -, transzendentale III, 126f. 132. V, 147. X, 91. Definition II, 614. 622. 629f. 744ff. 750. 753ff. IV, 623ff. V, 350. VI, 572ff. -, analytische IV, 626. -, mathematische IV, 625f. -, philosophische IV, 625. -, transzendentale X, 44. 85. Deismus V, 231f. X, 297. Deist IV, 556f. Demokratie XI, 206ff. XII, 686. Deminstration II, 621ff. 909. IV, 627. VI, 501. X, 295. 312. -, geometrische I, 115. III, 22. Demütigung X, 407. Demut VIII, 570. XII, 752. -, falsche VIII, 552. Denken, das III, 110. 114. 144. 152. 275. IV, 349f. 359. 394. V, 171. VI, 485. 521. 666. IX, 184. 256. 385. XII, 465. 500. -, empirisches III, 100. XI, 258. -, reines III, 101. VII, 15. Denkfreiheit V, 280. Denkungsart II, 609. X, 201. XI, 357. -, erweiterte II, 226f. -, konsequente X, 226f. XI, 71. XII, 549. -, liberale XI, 188f. XII, 549. -, moralische X, 124. 408. 440. XI, 114. 339. -, patriotische XI, 146. -, vernünftige II, 959. -, vorurteilsfreie X, 226. -

-, zwangsfreie XII, 549. Denkungskraft I, 382f. Dependenz III, 118. Deportation VIII, 461. Depositum VII, 136. XI, 140. Despotismus XI, 98. 146. 207f. XII, 686. -, geistlicher VIII, 847. XI, 59. Determination II, 630. Determinismus VIII, 701. Deutlichkeit I, 25. 381. III, 15ff. VI, 458. 489ff. XII, 421. -, ästhetische VI, 464. X, 41. -, diskursive III, 16. -, intellektuelle VI, 460. -, intuitive III, 16. -, logische X, 41. -, sinnliche 459. Deutscher II, 869ff. 874f. XII, 667. Deutschland I, 19. II, 870. XII, 661. Diätetik VIII, 625. XI, 372f. 375. Dialektik II, 28. 104. 308. IV, 664. V, 137. 224. VI, 438f. 452. X, 278. 336. - des Gewissens VIII, 860. - der ästhetischen Urteilskraft X, 277. - der teleologischen Urteilskraft X, 334. - der reinen Vernunft III, 33. 311. IV, 410. V, 201. 226. - der reinen praktischen Vernunft VII, 237. Dialektik, logische III, 335. -, natürliche VII, 32. X, 335. -, transzendentale III, 106. 183. 311. 319. 335. IV, 471. 590. Diallele VI, 476. Dialog, sokratischer VI, 582. Dichter X, 259. Dichtigkeit XI, 86f. Dichtkunst X, 521f, 258. 265ff. XII, 571. 573. Dichtungsvermögen, sinnliches XII, 475ff. 479. Dictum de nullo II, 602. Dictum de omni II, 601. Dictum de oni et nullo III, 299. VI, 554f. Didaktik, anthropologische XII, 623. Dienst, moralischer VIII, 850. 852. 867. Ding (vgl. Begriff eines Dinges) I, 483. II, 589. 599. 630ff. 644. 666. 670. 674ff. 732f. 753. 768. III, 75. 87. 146. IV, 395. 515ff. V, 159. X, 40. Ding an sich III, 27. 31. 75. 78. 156. 181. 228. 296. IV, 462. 490f. 509. 518. V, 161f.

175. 191. 220. 225ff. 291. 320. 330. VII, 87. 168f. VIII, 497. IX, 30. - der Natur VII, 41. X, 366. - im Raum V, 315. IX, 69. -, äusseres IV, 375. -, erkennbares X, 433. -, existierendes I, 32. II, 631. 642. -, letztes XI, 176. -, materielles II, 926. -, mögliches II, 631. 634. 726. 734. -, transzendetales IV, 591. -, wirkliches II, 634. -, zufälliges I, 441. Disziplin II, 748. IV, 354. 610ff. 670f. XII, 697f. 700. 706. 740. - der Vernunft VII, 204. - der reinen Vernunft IV, 610-570. 612. Divinationsvermögen (vgl. Vorhersehungsvermögen) XII, 486. 493. Dogma IV, 629f. XI, 178. Dogmatik, moralische VIII, 702. Dogmatiker III, 12. Dogmatismus III, 12. 33. 36. IV, 443. V, 134. 236. 343ff. VI, 407. 515. Doktor XI, 279. Doktrin III, 62f. 100. IV, 354. VI, 436. X, 64. -, transzendentale Urteilskraft III, 186f. Domäne VIII, 444. Druck, toter I, 23. 41. Dualismus IV, 374. 380. 382. -, transzendentaler IV, 389. Dualist XI, 177f. Duell II, 834. VIII, 458f. XII, 591. Dummheit III, 185. XII, 516f. Durchdringung, chemische IX, 92ff. Dynamik I, 144. IX, 22. 47. 99. 71. -, wahre I, 180. Edle, das II, 827. Edukt X, 379. Effekt I, 167. Egoismus XII, 408ff. Ehe VIII, 390f. XI, 377. XII, 484. Ehrbarkeit VIII, 344. 602. Ehrbegierde VIII, 553. Ehre II, 838. VIII, 681. Ehrlichkeit II, 669. VIII, 563. XII, 516. Ehrliebe VIII, 553. 602. XII, 588. 609. Ehrsucht XII, 602. 605. 608f. Eid VIII, 420f. 820. XI, 121. Eigendünkel VII, 193f. VIII, 600.

Eigenliebe I, 17. VII, 193. VIII, 600. Eigennutz VIII, 831. Eigenschaft II, 649ff. 730. - der Materie I, 328. Eigenschaft, erhabene II, 829. -, geometrische X, 409. -, göttliche I, 329. VIII, 877. -, moralische I, 381. II, 834. X, 406. -, notwendige II, 657. -, schöne II, 829. -, transzendentale X, 406. -, wesentliche I, 357. Eigentum VIII, 381. Einbildung I, 17. III, 256. IX, 165. Einbildungskraft I, 33. 37. 326. II, 956. III, 117. 134. 148f. 155f. 173. 176ff. 189f. 199. 226. V, 185f. VIII, 561. 581. IX, 166. X, 33f. 100. 132f. 150. 152. 164. 172. 176. 180ff. 195. 217. 250ff. 257. 285. XI, 257. XII, 445. 466ff. 544. -, dichtende XII, 483. -, empirische III, 163f. -, freie X, 160. -, produktive III, 149. 178. 190. XII, 466. -, reine III, 179. 190. -, reproduktive III, 142. 149. 200. XII, 466. 507. -, transzendentale VII, 187. Einfache, das IV, 420f. 423. V,13. 322. Einfachheit IV, 662. Einerleiheit III, 287. Einfalt II, 889. X, 202. XII, 414. 524. Einfluss, physischer I, 29. 507. IV, 389ff. V, 73. -, übernatürlicher VIII, 742. Einheit II, 655ff. 693. 702. III, 118. 125. 134. IV, 577. VI, 464. - der Anschauung III, 143. - der Apperzeption III, 138. 167. 178. 180. 199. 217. 242. 247. IV, 353. - des Bewusstseins III, 139f. 166ff. IV, 346. 354f. 58. VI, 648. XII, 407. - der Erfahrung III, 259. 317. IV, 431. - der Ercsheinungen IV, 546. - im Mannigfaltigen II, 655-663. - der Natur II, 678. III, 181. X, 22. - des Raumes X, 363. - der Wahrnehmungen III, 170. - der Zwecke IV, 684. Einheit, absolute III, 109. 336. -, analytische der Apperzeption III, 137.

-, architektonische IV, 696. -, empirische der Apperzeption III, 141. -, gesetzliche X, 93. -, künstliche II, 670. -, moralische II, 943. -, notwendige II, 664. 670ff. 682. 685. 694. -, ontologische X, 344. -, qualitative II, 124. -, regulative IV, 523. -, sittliche II, 944. -, subjektive des Bewusstseins III, 141. -, synthetische II, 135. 155. X, 109. -, synthetische der Apperzeption III, 137. 247. -, synthetische a priori III, 117. -, synthetische des Bewusstseins III, 140. -, synthetische des Mannigfaltigen der Anschauung III, 118. 137f. 174. 201. V, 354. X, 218. -, synthetische der Wahrnehmung III, 222. Systematische IV, 546. 579. 586. 590f. 598. 695. -, technische IV, 696. -, transzendentale III, 175. -, transzendentale der Apperzeption III, 141f. 168. 174. -, transzendentale des Selbstbewusstseins III, 136. -, unbedingte IV, 398ff. -, ursprüngliche-synthetische der Apperzeption III, 138f. 143. 148. Einheit, vollkommene III, 14. 18. -, zufällige II, 670. 685. Einheit, zweckmässige IV, 684f. Einscränkung (vgl. Limitation) III, 122. Einsicht, menschliche VII, 161. Einstimmung III, 288. Einteilung, logische VIII, 481. -, metaphysische VIII, 481. Einwurf, dogmatischer IV, 388. -, kritischer IV, 388. -, skeptischer IV, 388. Eitelkeit I, 17. 18. 339. II, 625. 855. VI, 378. XII, 572. Ekel X, 247. XII, 451f. Ekliptik II, 712. Elastizität II, 800. Element I, 276f. II, 535. 561. 930. Elementarbegriff II, 749. III, 107. Elementarlehre VI, 440. -, ethische VIII, 544. 553f. -,transzendentale IV, 609.

Elementarlogik III, 98. Eleutheronomie VIII, 506. Emanatiossystem XI, 185. Empfänglichkeit, VIII, 730. XII, 416. -, moralische VIII, 814. 851. Empfindelei X, 199. Empfindsamkeit II, 997. XII, 452. Empfindung II, 854ff. 963. 989. III, 69ff. 87. 97. 191. 208ff. 215. 248. 251. 326. IV, 378f. V, 29ff. 69. 146. 177. VI, 609. X, 36ff. 118f. 134. XII, 565. -, moralische II, 896. X, 407. -, objektive X, 119. -, subjektive X, 119. -, teilnehmende VIII, 593-596. Empirische, das III, 101. Empirismus IV, 443ff. VI, 608. VII, 118f. 166ff. 190f. 219. - der Kritik des Geschmacks X, 289. Endansicht XI, 116. Ende XI, 182. - aller Dinge XI, 175-190. Endliche, das I, 499. II, 591. Endursache X, 48. 320f. Endzweck VI, 518. 631ff. 638f. VIII, 651ff. X, 107f. 383. 393. 401. 404ff. 436ff. XI, 132. - der Schöpfung X, 395. 436. Endzweck, moralischer VIII, 805. X, 439. XI, 132. England, Engländer II, 869f. 874. XII, 659. 661. Entelechie I, 26. Entgegensetzung II, 783ff. -, logische III, 114. -, mögliche II, 807. -, wirkliche II, 806f. Enthusiasmus II, 878. 896. VIII, 541. X, 198f. 202. XI, 359. XII, 604. Entstehen, das III, 224ff. Entstehungsgrund (vgl.Grund des Seins) I, 425. Epigenesis X, 379. Epikureer VI, 453f. VII, 212. 239ff. 257. Epikureismus IV, 447. Episyllogismus III, 334. VI, 565. Erbadel XI, 205 Erbauung VIII, 873. 875. Erde I, 250. 268. 285. 298. 301. 320ff. 367. 370f. IX, 69. Erdichtung II,968. III, 50.

Erfahrung I, 23. II, 517. 697. 907. 929. 959. 985. III, 11ff. 26f. 45ff. 54. 73. 132ff. 146. 157ff. 170ff. 178. 200. 216f. 222. 234ff. 245ff. 256. 260. 268. 325. IV, 365f. 522. 590. 649. 662. V, 33. 136. 165ff. 170ff. 187ff. 214f. 225f. 237. VI, 596f. 607ff. VII, 92. 139. 156. 166. IX, 17. 26. 122f. X, 16f. 49. XII, 408. 424. 427ff. 433. 465f. 795. -, äussere III, 72. 252. 254. 256f. V, 124. -, einfache II, 986. -, innere II, 756. III, 38f. 83. 254ff. IV, 342. V, 124. XI, 138. XII, 426. 430f. -, mögliche III, 193. 235. IV, 459. 463. 549. X, 29. 435. -, übernatürliche XI, 326. -, wirkliche III, 179. X, 435. Erfahrungsbegriff II, 631. 729. 732f. 928. IV, 512. VI, 523. IX, 129. X, 81. ERFAHRUNGSKENNTNIS III, 45. 85. X, 95.

Erfahrungsgebrauch III, 11. Erfahrungssatz III, 90. Erfahrungsurteil III, 53. V, 544. X, 25. 102. 218. Erfahrungswissentschaft, metaphysische II, 911. Erfindung, XII, 476. Erfüllung II, 929. IX, 54. Erhabene, das II, 749. 827ff. 850ff. X, 164ff. 171ff. 179ff. 190ff. 201ff. 208. 223. XII, 566ff. -, Dynamisch – X, 168. 184-191. -, Mathematisch – X, 168. 169-184. Erhabenheit X, 66. 142. 179. 189. Erinnerungsvermögen II, 897. XII, 399. 485. Erkenntnis I, 17f.f415.fII, 587. 621. 633. 652. 664. 752. 771. 971. III, 18. 21. 25. 45ff. 97f. 103ff. 116f. 124. 139f. 145f. 161f. 182. 193. 200. 283. 311ff. 326. IV, 444ff. 450ff. 474ff. 521. 596ff. 606f. X, 131f. 157. 284. 360. XII, 421f. 425. 429. 479. - der Dinge X, 96. - der Gegenstände IV, 380. - Gottes II, 625. VII, 270. X, 452. 455. - der Natur, (vgl.Naturerkenntnis) I, 76. - der Wahrheit I, 19. Erkenntnis, allgemeine I, 384. II, 749. III, 313. -, analytische III, 90. 197. -, anschauende V, 15ff.

-, a priori III, 15. 25. 27ff. 45ff. 55. 61. 65. 101. V, 124f. VII, 117. IX, 14f. -, diskursive VI, 666. XII, 497. -, dogmatische VI, 635. -, empirische III, 45f. 157. 179. 216. 235. 241. IV, 619. IX, 17. 181. XII, 427. -, gemeine VI, 450. -, geometrische III, 128. -, historische IV, 698. VI, 444f. VIII, 694. XI, 291. -, intellektuelle V, 29. -, intuitive VI, 666. XII, 497. Erkenntnis, mathematische II, 744-752. 763. IV, 613f. 699. V, 132. 142. Erkenntnis, menschliche I, 18. 24. 42. II, 614. 623. 655. 907. III, 64. 66. 138. IV, 604. VI, 485. -, metaphysische I, 401-509. II, 764. 769. V, 124f. -, mögliche X, 221. -, moralische VII, 30. -, philosophische II, 762. IV, 613f. 628f. 699. V, 124. VI, 450. 513. -, praktische II, 771. III, 21. 28. IV, 557. VI, 517f. VII, 125. VIII, 855. -, rationale IV, 698. V, 29. VI, 445. -, reine III, 15. 46. 105. IV, 704. -, sinnliche III, 87. V, 29. 33ff. 65. 85ff. 99. 154. -, spekulative VI, 450. 518. VII, 267. -, symbolische V, 41. X, 297. XII, 497. -, synthetische III, 84. 90. 313. IV, 536. 560. 647. -, theoretische III, 21. IV, 557f. VI, 518. 606f. 633. X, 82ff. -, transzendentale III, 63. 284. VI, 661. -, unsere I, 22. -, verworrene II, 759. -, wahre III, 114. Erkenntnisart II, 609. III, 26. Erkenntnisgrund (vgl. Grund des Erkennens) I, 425. 431. 445. VI, 526. Erkenntniskraft I, 421. 475. 481. V, 19. 31. 69. -, obere II, 612ff. Erkenntnisurteil X, 136. 145. 209f. Erkenntnisvermögen III, 45. 108f. X, 15. 18ff. 60ff. 82. 85f. 108. 287. XII, 425. -, intellektuelles XII, 425. 507. -, oberes III, 183. X, 85. XII, 425. 505ff. -, unteres XII, 425. 505. Erklärung II, 629. 750. 959. X, 367.

-, mathematische III, 272. -, metaphysische IX, 25. -, philosophische II, 746. 751. -, physische II, 936. -, pragmatische XII, 478. -, psychologische X, 51. 152. XI, 139. Erklärungsart, dynamische XI, 97. -, mechanische X, 363. 370. 373. -, teleologische X, 363. 366. Erläuterungsurteil III, 52. Erlaubnisgesetz VIII, 355. Xi, 201f. Erlaubte, das VII, 116. Erörterung III, 72. X, 367. -, metaphysische III, 72. -, transzendentale, Erscheinung II, 985. III, 27. 30. 69. 84. 93f. 130f. 156. 164. 166ff. 175ff. 187f. 204ff. 216ff. 245ff. 269ff. 278. 298. IV, 383. 386f. 407. 419. 455. 460ff. 470ff. 490ff. 560. 620. 632. 669. V, 33. 152. 154ff. 176. 216ff. 230f. 323. VI, 599ff. VII, 86. 168f. 234f. XI, 62. 122f. XII, 427f. 430. -, äussere III, 81. Iv, 377. 387. -, innere XII, 433. -, überhaupt III, 81. Erwägung, philosophische I, 123. Erwählung VIII, 811. Erweiterungsgrundsatz, III, 55. Erweiterungsurteil III, 52 Erwerbung VIII, 379. Erwerbung, äussere VIII, 368. 377f. -, erste VIII, 369. -, ideale VIII, 406. -, peremtorische VIII, 375. -, provisorische VIII, 375. 378f. -, ursprüngliche VIII, 368f. Erzählung I, 25. Erzeugung, mechanische I, 358. 371. X, 362ff. Erziehung XII, 697ff. 708ff. -, moralische XII, 740f. -, physische XII, 712ff. 725. -, praktische XII, 712. 746. Eziehungsbegriff II, 958. Ethik II, 594. 914. VII, 11f. VIII, 325f. 508ff. 519. 543ff. 629. 632. -, theologische X, 455. Ethikotheologie X, 403-409. 455. Eudämonie VIII, 506. Eudämonismus XII, 353f. Euthanasie IV, 401. VIII, 506.

Evangelium XI, 320f. Evidenz III, 219. V, 61. VI, 500. -, mathematische II, 729. -, philosophische II, 773. Evolutionstheorie X, 379. Ewigkeit I, 330. 335. V, 81. VIII, 723. X, 454. XI, 175ff. Exempel VIII, 620. Existenz II, 633. 731. III, 257. IV, 355f. 532ff. 561. - der Substanz VII, 226. Existenz, intelligible VII, 224. -, notwendige II, 631. 642. 768. IV, 470. Existenzialsatz IV, 533, VI, 674. VII, 272. Existierende, das II, 634f. 729. Experiment III, 23. 26f. - der Vernunft III, 27. Experimentallehre IX, 15f. Expiation VIII, 731. 858. Exposition IV, 624f. VI, 573ff. VII, 160. VIII, 357. Exzentrizität I, 268. 292. 295. Fähigkeit des Verstandes I, 18. Fähigkeit, geistige I, 384. 386. Faktum VII, 171. VIII, 497. - der Vernunft VII, 141. - der reinen Vernunft VII, 161. Fakultät XI, 279f. -, juristische s. Juristenfakultät -, medizinische XI, 283. 288. -, philosophische XI, 285.290f. 293. 299. 330. -,Theologische XI, 283. 285. 330. Fall II, 656. Falschheit I, 21. VI, 480. XII, 614. Familie VIII, 395f, 762. XI, 12. Fanatiyismus II, 878. VII, 268. Farbe III, 77. X, 140f. 236. 263. Farbenkunst X, 263. Fatalismus III, 35. V, 240. XII, 776. Fatalität X, 342. Faulheit XII, 614. Federkraft I, 81. 87. Fehler I, 21. Fehler I, 21. Feigheit XII, 586. 614. Feindseligkeit XI, 123. Feldherr X, 187. Fertigkeit VIII, 539.

Fetischdienst VIII, 852. Fetischglaube VIII, 853. 869. Feudalwesen XII, 412. Feuer I, 348ff. 384. Feuerstoff II, 563. Figur, geometrische IX, 11.X, 307. 317. -, syllogistische II, 599-615. 834. III, 142. Fixstern I, 238ff. 257ff. 260. 326ff. Flächenkraft IX, 73. 119. Flüssigkeit I, 203. Föderalismus XI, 208. Föderation XI, 170. Folge II, 658. 729. III, 217. -, logische II, 817. Form I, 220. II, 692. III, 15. 289. V, 21ff. XII, 565. - der Anschauung (vgl. Anschauungsform) III, 79. 84. 92. 307. VII, 184. - des Denkens III, 100. - der Erkenntnis VI, 457f. - der Erscheinung III, 69. 71. 271. - des Gegenstandes X, 141. 165. - des Gesetzes VII, 138. 141. 146. - der allgemeinen Gesetzmässigkeit VII, 138. 141. 146. - des äusseren Sinnes III, 74. - des inneren Sinnes III, 80. - der Sinnlichkeit III, 70. V, 144ff. XI, 61. - des reinen Willens VII, 184. Form, innere X, 327. -, logische III, 100. 103. -, schöne X, 141. Formel XI, 54. -, transzendentale des öffentlichen Rechts XI, 244. 250. Fortpflanzung VIII, 558. X, 546. XI, 11. Fortschritt XI, 169. 366. Frankreich XII, 659. 661. Franzose II, 868ff. 872f. Frauenzimmer II, 850-868. Freigeist I, 231. Freigeisterei V, 282. Freiheit (vgl. Begriff der Freiheit) I, 453ff.v459ff. II, 675f. III, 32f. 49. 322ff. 338. IV, 409. 427ff. 433. 488ff. 494ff. 500f. 503. 506f. 680. V, 216ff. VI, 411. 632f. VII, 81ff. 86. 88f. 92. 96. 108ff. 144. 160. 185. 199. 218ff. 247f. 264ff. VIII, 334. 345. 701. 757. 805. 812. 862f. 866. X,

9. 237. 356. 440. 442. XI, 39ff. 55. 144f. XII, 686. 777f. - der Einbildungskreft X, 298. - der Feder XI, 161. XII, 409. - des Verstandes I, 16. 109. - des Willens IV, 430. 672. VIII, 621. X, 298. XI, 33. XII, 778. - der Willkür VI, 628. VIII, 318f. 333. 670. Freiheit, äussere VIII, 755. XI, 204. XII, 796. -, bürgerliche XI, 46. 61. -, gesetzliche VIII, 432. -, gesetzlose XI, 43. -, innere VII, 299. VIII, 539. XII, 796. -, poetische XII, 576. -, praktische IV, 490. 675. V, 219. VII, 218. -, psychologische VII, 222. -, rechtliche XI, 204. -, transzendentale IV, 428f. 490. 675f. V, 219. VII, 107. 222. X, 285. Freiheitsbegriff X, 78ff. 106ff. XII, 427. Freiheitsgesetz XI, 205. Freiheitsneigung XII, 602f. Freiheitslehre, moralische VIII, 735. Freistaat VIII, 761. Freiwilligkeit I, 459. Freude XII, 584. Freundschaft II, 830.VII, 608-613. -, moralische VIII, 611f. -, pragmatische VIII, 473. X, 187. XI, 196. XII, 687. -, ewiger VIII, 474. 478f. 683. XI, 195251. Friedensbund XI, 211. Fridensvertrag XI, 211. Frömmigkeit VIII, 858. 878. Frohsein, das X, 185. Fronglaube VIII, 793. Fürst XII, 704f. Fürwahrhalten, das X, 429. Funktion III, 109. - der Seele III, 117. - der Urteilskraft III, 114. 275. - der Vernunft III, 114. 327. - des Verstandes III, 111. 114. Funktion, logische III, 111. 143. 274. V, 194. -, transzendentale III, 178f. Furcht X, 184. XII, 586f.

Galanterie VI, 472f. XI, 150. Ganze, das I, 34. II, 594. 664. V, 73. XI, 59. X, 50. 361. -, absolutes X, 178. -, ethisches VIII, 755. -, moralisches XI, 38. -, weltbürgerliches X, 391. Ganzheit V, 25ff. Garten X, 162. Gartenkunst X, 141. Gatung I, 276. IV, 570ff. VI, 527. X, 27. XI, 11f. 75. Gebet VIII, 577. 871f. XI, 324. -, öffentliches VIII, 873. Gebirge II, 695. Gebit, VII, 27. 41. 46. 202. VIII, 790. XI, 201. -, göttliches VIII, 758. 771. -, statuarisches VIII, 823. Gebrauch der Vernunft s. Vernunftgebrauch Gebrauch des Verstandes s. Verstandesgebrauch Gebrauch, dynamischer III, 203. -, immanenter V, 252. -, mathematischer III, 203. -, praktischer III, 30. -, transzendentaler III, 269. 275f. IV, 398. 477. -, transzendenter V, 184. 252. Gebrechen, moralisches II, 830. Gebrechlichkiet VIII, 676f. Geburt XI, 148. -, jungfräuliche VIII, 736. Gedächnis II, 468ff. 733. Gedanke II, 612. 631. IV, 364ff. Gedankending III, 307. IV, 511. Gedankenform III, 264. 276. IX, 24. Gedankenspiel X, 271. Gedankenwesen IV, 585. V, 203. Gedicht XII, 575ff. Geduld XII, 587. 738. Gefälligkeit II, 836ff. Gefrässigkeit VIII, 560. Gefühl II, 749. 722. 825. III, 65. VII, 196. 294. VIII, 315ff. 505. 585. 776. X, 119. XII, 510. - der Achtung VII, 201. 216. X, 137. Gefühl des Erhabenen II, 825-884. 869. X, 166. 180. Gefühl der Lust II, 772. VII, 130. 246. X, 65. 86. 97.

der Lust und Unlust VII, 175. IX, 110. X, 18ff. 37. 60ff. 85. 108. 115. XII, 445. 737. - des Schönen II, 825-884. 869. - der Unlust II, 815. X, 180. Gefühl, moralisches II, 773. VII, 77. 152. 195. 202. 208. 213. VIII, 327. 504f. 517. 530ff. X, 190ff. 301. XI, 137. -, pathologisches VIII, 530. -, religiöses X, 451f. -, sinnliches XII, 583. -, sittliches II, 944. X, 223. Gegend II, 993-1000. Gegenrevolution VIII, 443. Gegenstand III, 25f. 69. 97f. 131. 157. 166. 305. IV, 427. 534f. 583. V, 31. 151. VI, 521. X, 166. - der Anschauung III, 129. - der Erfahrung III, 30. IV, 461. V, 161f. VII, 110. XI, 122. 124. - der Natur, II, 963. - der reinen praktischen VernunftVII, 174ff. - der Willkür VIII, 354f. Gegenstand, äusserer III, 78. IV, 376. V, 150. -, intelligibler III, 282. 285. 303. IV, 511. VII, 189. -, moralischer VIII, 872. -, schöner X, 101. 117. 164. -, transzendentaler (vgl. Transzendentaler Objekt)III, 169. 228. 281. IV, 368. 391. 452. 492f. 601. -, überhaupt VIII, 323. -, übersinnlicher V, 278. VI, 411. 638. VIII, 846. Gegenwart II, 945. Gegenwirkung II, 574. IX, 118. Gehalt, moralischer VII, 23. Geheimnis VIII, 803ff. Gehirn II, 931ff. 949. 956. XI, 390. Gehör XII, 448. 454. Gehorsam X, 407. XI, 163. XII, 741. Geist II, 607. 649f. 805. 925. X, 238. 249. 254. 257. XII, 544f. 573. 576. - der Freiheit XI, 163. Geist, böser VIII, 711. 734. -, heiliger VIII, 807. 814. -, reiner II, 950. -, unsterblicher I, 344. 395. Geisterwelt I, 393. II, 940ff. 944ff. Geisteskraft VIII, 581. -

Geistliche, der XI, 56ff. 352. XII, 470. 510. Geistlichkeit VIII, 493. Geiz VIII, 552. 565ff. Geld VIII, 400-404. XII, 610. Geldmacht XI, 198. 226. Gelegenheitsursache I, 148. 507. Gelehrsamkeit II, 913. VII, 271. VIII, 835. Gelehrte, der XI, 55f. Gemälde I, 131. Gemeinde VIII, 760. 820. Gemeingültigkeit X, 128. Gemeinschaft I, 497. II, 945. III, 118. 122. 243ff. 248. 266. V, 73ff. -, dynamische III, 244. -, moralische VIII, 876. Gemeinsinn X, 157ff. 225. Gemeinwesen XI, 144ff. 154. 163. -, ethisches VIII, 752ff.f757ff. 819ff. -, juridisches VIII, 759. Gemeinwesen, politisches VIII, 760. Gemüt III, 69. XI, 256. XII, 429. Gemütsbeschaffenheit, cholerische II, 843. Gemütskraft X, 19. XII, 736. Gemütskrankheit XII, 457. 526. Gemütsverfassung, melancholische II, 839. 841f. -, sanguinische II, 843f. Gemütszustand X, 131ff. 157. Generation XI, 37. Genie V, 281. X, 141ff. 154. 249. 253. 286. XII, 422. 472. 494. 537f. 543ff. 566. 668. Genugtung VIII, 810. Genuss X, 121. 223. XII, 462. Geographie X, 436. -, moralische II, 915. -, physische II, 581. 594. 915. XI, 26. XII, 402. -, politische II, 915. Geometer I, 25. Geometrie I, 24. 33. 35. II, 517f. 657. 747. 751. 759. III, 74. 90f. 127. 206ff. V, 37. 59ff. 145. VII, 167. IX, 24. X, 12. -, höhere I, 250. -, reine III, 57. V, 149. VII, 141. Gerechtigkeit VIII, 412. 453. 630f. 877. X, 225. XI, 107f. 111f. 244. -, ewige VIII, 631. -, göttliche VIII, 630. XI, 108. -, öffentliche VIII, 423. Gericht VIII, 412.

-, jüngstes XI, 176. Gerichtshof VIII, 412ff. Geruch XII, 452f. 455. Gesamtbesitz VIII, 373. Gesamtheit V, 25. Gesang X, 163. 264. Geschichte II, 909. 916. IX, 143. X, 436. XI, 33f. 45. XII, 503. - der Freiheit XI, 93. Geschichte a priori XI, 351. -, griechische XI, 48. -, heilige VIII, 798. -, philosophische XI, 50. Geschichtsglaube VIII, 773. 794. 797. 834. 854f. XI, 331. 335. Geschicklichkeit II, 771. IV, 690. VII, 154. X, 390. XI, 131. 143. XII, 511. 746. Geschlecht, edles II, 850. -, menschliches VIII, 756. XI, 165. 167f. 351ff. 362. XII, 805. -, schönes II, 850. XI, 53. Geschlechterliebe II, 830. Geschlechtgemeinschaft VIII, 389f. Geschlechtsneigung VIII, 559. XII, 602. Geschlechtstrieb II, 859. Geschmack II, 859. 883. III, 77. VIII, 316. X, 60. 65. 101. 115. 124. 138. 149f. 159ff. 212ff. 227ff. 246. 248f. 257. 278. 282. 298. 301. XII, 450. 455. 563ff. -, geselliger XII, 619. -, sittlicher X, 124. Geschmacksurteil III, 70. X, 53. 59. 101ff. 115ff. 125. 127ff. 136ff. 144ff. 156ff. 206. 209ff. 215ff. 279ff. XII, 566. -, angewandtes X, 149. -,kontemplatives X, 122. -, reines X, 139. 142. 147ff. 220. 234. Geschöpf III, 325. VII, 206. Geschwindigkeit I, 23. 45. 52. 64. 150. 170. IX, 29ff. Geschwindigkeit, schlechte I, 51. 69. Geselligkeit X, 229. XI, 97. XII, 745. -, gesetzliche X, 300. -, ungesellige XI, 37. Gesellschaft VIII, 752. -, bürgerliche X, 391. XI, 39. 231. XII, 685. 687. -, ethischbürgerliche VIII, 752. -, ethische VIII, 752. -, geheime XI, 163. -, rechtbürgerliche VIII, 752. -, weltbürgerliche XI, 365. XII, 687.

Gesetz II, 661. III, 23. 127. 180. 246. VII, 27f. 46. VIII, 838. IX, 13. XI, 201. XII, 686. - der Bewegung (vgl. Bewegungsgesetz) I, 82. - der Freiheit II, 676. VII, 183. 188f. X, 15. - der Kausalität III, 258. - der Kontinuität I, 48. 128. 156. 218. II, 576ff. - der Mechanik I, 48. 130. Ix, 106. 109. - der Natur (vgl. Naturgesetz) II, 517. 674. IV, 426ff. V, 65. 172. VII, 125. X, 15. - der Sinnlichkeit V, 65. - der Sittlichkeit (vgl. Sittengesetz) VII, 148. - der Vernunft IV, 504. V, 83. X, 181. - des Verstandes (vgl. Verstandesgesetz) X, 96. - des Willens VII, 62. Gesetz, äusseres VIII, 331. XI, 144. -, allgemeines I, 380. II, 668. -, a priori III, 156f. -, bürgerliches VIII, 758. -, chemisches X, 293. -, dynamisches I, 186. IV, 579. IX, 100. 115. -, empirisches V, 33. X, 16. 21. 92. -, ethisches VIII, 757f. -, ewiges I, 356. -, formales VII, 182. X, 23. -, geistiges II, 943. -, generales XI, 202. -, göttliches II, 669. XII, 756. -, künstliches II, 706. -, juridisces VIII, 318. -, mechanisches I, 227. 241. XI, 100. 110. 115. X, 50. 336. 363. -, metaphysisches I, 132. VII, 162. IX, 121. -, moralisches IV, 357. 558f. 674. 678. V, 274. VI, 391. 395f. 497f. 523. VII, 13. 40. 76. 84f. 108. 139f. 143f. 148. 156f. 160ff. 180. 182f. 191ff. 199ff.237f. 252ff. 260f. 264ff. 277ff. 295. 297f. 300. VIII, 318. 649ff. 654f. 670f. 678. 684f. 700. 756. 763f. 812. 852f. X, 197. 201f. 223. 406. 411ff. 438f. XI, 133. 344. -, natürliches I, 231. II, 681. VIII, 331. 827. -, notwendiges III, 23.

-, öffentliches XI, 147. 150. 153. 169. -, pathologisches VII, 158. -, pneumatisches II, 944f. -, positives VIII, 331. -, pragmatisches IV, 673. -, praktisches IV, 558. 674f. VII, 27. 43. 50f. 59f. 125ff. 134ff. 145. 271. VIII, 327ff. 331. X, 125. XII, 776. Gesetz, sittliches III, 325. VII, 14. 39. X, 123. 451. Gesetz, statistisches I, 284. -, statutarisches VIII, 419. 759. 763ff. 821. 827. 851. -, subjektives V, 162. -, teleologisches X, 363. -, transzendentales III, 169. X, 16. 21. -, universales XI, 202. -, unwandelbares I, 358. Gesetzgeber VIII, 334. XI, 153. -, heiliger VIII, 806. -, moralischer VIII, 652. X, 419. -, oberster VIII, 758. Gesetzgebung III, 13. VIII, 323ff. 757. XI, 202. -, des Willens VII, 86. Gesetzgebung, äussere VIII, 325. -, allgemeine VII, 136f. 141. -, bürgerliche X, 410. XII, 686. -, ethische VIII, 324ff. -, göttliche VIII, 810. -, höchste XI, 162. -, innere VIII, 326. -, juridische VIII, 325f. -, moralische VIII, 760. 764. -, negative IV, 612. -, öffentliche VIII, 757. -, praktische VII, 63. -, statutarische VIII, 764f. -, transzendentale X, 22. Gesetzmässigkeit VII, 28. VIII, 332. X, 61f. -, freie X, 160f. Gesichtssinn XII, 449. 454. Gesinde VIII, 356. 396f. Gesinnung VIII, 671f. 718ff. 724ff. X, 405. -, gute VIII, 729. 731. -, moralische IV, 683. VI, 385. VII, 206f. 245. VIII, 729. 806. 859. XI, 142. -, sittliche VIII, 282. Gestalt V, 29ff. X, 141. 260. -, körperliche II, 997.

-, menschliche X, 154. Gesundheit VIII, 625. X, 121. 270ff. XI, 374. -, moralische VIII, 551. Gewalt X, 184. XI, 231. XII, 686. -, gesetzgebende VIII< 432. -, oberste VIII, 440. -, rechtsprechende VIII, 431. -, vollziehende VIII, 431. Gewissen VII, 223. VIII, 530ff. 573ff. 859ff. 864f. XII, 756. Gewissenhaftigkeit VIII, 564. XI, 120f. Gewissenlosigkeit VIII, 532. Gewissenszwang V, 280. VIII, 800. Gewissheit II, 761. III, 15. IV, 689. VI, 494. -, ästhetische VI, 464. -, apodiktische III, 15. 55. V, 79. 142. IX, 17. -, metaphysische II, 755. -, moralische II, 770. -, rationale VI, 499. Gewohnheit III, 133. V, 116. VII, 117. XII, 437. Glaube, der V, 276f. VI, 386f. 497ff. 636. VIII, 833f. X, 439. -, biblischer XI, 331. -, christlicher VIII, 833ff. 858. -, dogmatischer VIII, 704. -, doktrinaler IV, 691f. -, empirischer VIII, 771. -, freier VIII, 834. -, gelehrter VIII, 834. -, hinduischer VIII, 858. -, historischer V, 276f. VI, 497. VII, 762. 765. 776f. X, 436. -, jüdischer VIII, 789. 836. -, moralischer II, 989. IV, 693. VIII, 771. 778. X, 437. Glaube, negativer IV, 694. -, pragmatischer IV, 690f. -, praktischer VIII, 714. X, 433. -, rationaler VIII, 782. -, reflektierender VIII, 704. -, seligmachender VIII, 778f. -, statutarischer VIII, 827. 838. -, vernünftiger VII, 100. -, wundertuender VIII, 872. Glauben, das III, 33. IV, 689ff. 692. VI, 385. 494ff. 635f. VIII, 422. 779. XI, 307. Glaubensart VIII, 870. XI, 225. 301. 319. Glaubensartikel VIII, 861. X, 436.

Glaubensbekenntnis XI, 122. Glaubensfreiheit VIII, 800. 862. Glaubenslehre, biblische XI, 328. -, christliche VIII< 826. Glaubenssache X, 435ff. Glaubenssatz XI, 307. -, moralischer XI, 316. -, statutarischer XI, 316. Gleichgewicht II, 793. Gleicgültigkeit II, 793. Gleichheit I, 278. XI, 145ff. 294f. -, bürgerliche VIII, 432. Glück III, 125. Glückseligkeit I, 344. 395. II, 621. 684. IV, 673. 677f. 680ff. V, 274. VI, 631f.VII, 20ff. 45ff. 63. 129. 133f. 178f. 217. 238ff. 248f. 254f. 260ff. VIII, 505f. 517f. 621ff. 685. 697f. 710. 801. X, 121. 387ff. 395. 412ff. XI, 131ff. 136ff. 145. 250. XII, 680. 804. - der Menschen VIII, 630. 632. Glückseligkeit, allgemeine VII, 148. -, eigene VII, 77. 127f. 132. 145ff. VIII, 515. 653. -, fremde VIII, 515. 524. 649. -, gesittete XII, 616. -, moralische VIII, 505. 517. 721. 730. -, physische VIII, 517. 721. Glückseligkeitslehre VII, 216. 262. VIII, 320. Glückselegkeitsprinzip VII, 217f. Glücksspiel X, 271f. Gnade VIII, 730f. 845f. 865f. 877. XI, 286. 308f. Gnadenmittel VIII, 867. 869f. 875ff. XI, 324. Gnadenwirkung VIII, 870. XI, 324. Gold IV, 619. 623. GOTT I, 32. 78. 235. 340. 356. 372. 421. 431FF. 465FF. II, 587FF. 651. 663FF. 672FF. 690. 693. 724. III, 33. 49. 338. IV, 521. 557. 586. 594. V, 39FF. 277FF. 290. VI, 389FF. 411. 632F. VII, 36. 107FF. 226F. 256. 263. 266. 270FF. VIII, 574. 623. 758FF. 763FF. 792. 806FF. 822F. 839FF. X, 413FF. 437. 440FF. 445. XI, 107FF. 185. 205. 333. XII, 707. 755.

Gottesbeweis, Cartesianischer I, 433. II, 730. 733. 737. V, 272. -, kosmologischer II, 734ff. IV, 528. 536544. 555. VI, 644. X, 444. -, moralischer XI, 345. -, ontologischer II, 734ff. IV, 528. 529536. 539f. 555. 561. VI, 641. X, 443.

-, physikotheologischer IV, 528. 538. 548555 -, teleologischer X, 446. Gottesdienst VIII, 848. 808. Gotteserkenntnis, transzendentale III, 336. Gotteslehre X, 371. Gottheit I, 353. 358. 495. II, 653. 692. IV, 531. VIII, 764. X, 400. 409. 448. XI, 133. 304. Gottseligkeit VIII, 856. 878. Gottseligkeitslehre VIII, 856f. Grad III, 208ff. V, 176. Grammatik V, 83. 192. VI, 432f.XII, 734. Gravität I, 250. 525. Gravitation II, 709. 720. 944. IV, 578. IX, 75. Grenzbestimmung V, 232. IX, 21. Grenze II, 983f. IV, 414. 478. 480. V, 61. 227ff. VI, 535. Griechen, die VI, 450f. XII, 670. Grillenfänger II, 833. 842. XII, 527. Grösse (vgl. Begriff der Grösse) I, 50. 477. II, 590. 751. III, 250f. 252. 274. IV, 414. 416f. V, 95. 176. IX, 46. X, 169ff. 435. -, absolute X, 194. -, extensive II, 539. III, 204f. VI, 624. -, intensive III, 208ff. VI, 625. -, kontinuirliche III, 211f. 252. -, mathematische I, 53. -, negative II, 779-819. 786. 806. -, stetige V, 15. Grössenbestimmung X, 169. Grössenschätzung, ästhetische X, 172f. 178. 183. -, logische X, 172f. 183. -, mathematische X, 172f. 183. Gründlichkeit VII, 472. Grund I, 423ff. 475. II, 640. 658. 729. - des Bösen VIII, 667. - des Daseins I, 431. - des Erkennens (vgl. Erkenntnisgrund) I, 423. - der Möglichkeit II, 994. - der Natur X, 338. - des Seins (vgl. Entstehungsgrund) I, 423. Grund, allgemeiner I, 499. -, bestimmender I, 423-487. 439ff. 473. -, erster II, 752. -, formaler II, 767. 771. V, 41. -, identischer I, 423. -, logischer II, 640. 643. 649. 817.

-, materialer II, 767. -, metaphysischer I, 73. -, moralischer I, 445. II, 664. 689. X, 408. 419. -, natürlicher II, 668. -, oberster II, 601. 658. -, objektiver III, 177. -, positiver II, 788. 802f. -, subjektiver IV, 669. X, 193. -, teleologischer X, 306. -, vollständiger I, 34. -, zureichender I, 51. 427. Grundbegriff I, 120. II, 749. 1000. Grundfähigkeit II, 612. Grundkraft IV, 568ff. VII, 161. IX, 62f. 68. 84. 165ff. Grundmass X, 178. Grundmaterie I, 330. Grundsatz I, 114. II, 749. 836. III, 11. 26. 33. 201ff. IV, 560f. V, 172f. 181. VI, 541ff. VII, 142. 294. XI, 303. - der Kausalität III, 238. - der Modalität III, 262f. - der Sittlichkeit VII, 232. - der Vernunft II, 765. III, 318. IV, 472. 580. 664. Grundsatz des reinen Verstandes III, 107. 186. 267f. 274f. 313. - der Zusammenstimmung V, 103. Grundsatz, allgemeiner I, 112. 411. -, apodiktischer III, 78. -, a priori III, 195. 202. -, dynamischer I, 144. 204. -, einziger I, 409. -, empirischer V, 37. IX. 17. -, erster I, 407. 413. III, 48. -, geometrischer III, 72f. -, immanenter III, 309f. -, konstitutiver III, 218. -, materialer II, 771ff. -, mathematischer III, 195. 203f. 218. -, metaphysischer I, 122. -, moralischer VIII, 618. 860. XI, 181f. -, praktischer IV, 670. VII, 125. 248. VIII, 327. 642. -, regulativer III, 219. -, sittlicher VIII, 739. -, subjektiver IV, 580. -, synthetischer IV, 626. V, 181. VII, 156. -, teleologischer X, 325. -, transzendentaler X, 105. -, transzendenter III, 310. 318.

Grundstoff I, 276f. 290ff. Grundverhältnis II, 985. Grundvermögen II, 614. VII, 161. Grundwahrheit II, 765. Grundwesen I, 356. Gültigkeit, exemplarische X, 159. -, objektive III, 16. 31. 76. 82. 129. 132. 179. Güte II, 674. Gütigkeit XI, 107f. Gunst X, 123. Gut, heiliges VIII, 833. -, höchstes II, 591. V, 274. VI, 496ff. 631f. 634ff. VII, 22. 36. 108. 235ff. 241f. 244. 249. 252. 255ff. 276ff. X, 106. 132ff. -, moralisches XII, 615. -, oberstes VII, 238f. 249. -, physisches X, 413. XII, 613. -, praktisches VII, 242. -, sittliches VIII, 756. Gute, das II, 673f. 771f. IV, 499. VII, 174ff 179ff. VIII, 712. 740. X, 119f. 122f. 192. XI, 45. 242. 353f. -, negatives II, 794. Gutseigentümer XI, 152.154. Gymnastik, ethische VIII, 626. Habsucht VIII, 751. XII, 602. 605. 608. 610f. Hässlichkeit II, 794. Hand II, 998ff. Handelsgeist XI, 226. XII, 664. Handlung I, 453. II, 612. 675. 771. III, 237f. IV, 495ff. V, 218ff. VII, 26ff. 41ff. 54ff. 183. VIII, 331. 860. XI, 136. XII, 794f. - des Verstandes (vgl. Verstandeshandlung) III, 110. 143. Handlung, äussere II, 613. -, böse VIII, 690. -, erlaubte VII, 74. VIII, 328f. V ethische VIII, 324. -, freie I, 471ff. II, 676. IV, 505. VIII, 519. 689. 812. XI, 356. -, göttliche II, 681. -, juridische VIII, 324. -, menschliche XI, 33. Handlung, moralische I, 453. -, physikomechanische I, 453. -, physische I,453. -, unerlaubte VII, 74. -, willkürliche IV, 502. VI, 101.

Handwerk X, 238. Hang VIII, 675f. XII, 599. - zum Bösen VIII, 675-680. 683ff. Hang, moralischer VIII, 678. Harmonie I, 505. II, 655. 658. 674. 691. V, 77ff. -, prästabilierte IX, 615. -, vorherbestimmte I, 30. 495. III, 295. V, 79. 371f. V, 79. 371f. VI, 618. Hass II, 794. XII, 606. Hauptbegriff II, 600. 607f. Hausherrenrecht VIII, 395ff. Heautonomie X, 39. Hebel I, 55. Heer XI, 197. Heidentum XI, 316ff. Heilige, das VIII, 803. Heiligkeit III, 13. VII, 143. 252ff. VIII, 877. XI, 107f. - der Maximen VIII, 696. - der Pflicht VII, 296. - des Willens VII, 204. 263. Herrschaft, moralisch VIII, 739. Herrscher XI, 362. Herrschsucht VIII, 751. XII, 602. 605. 608. 610. Hervorbringung II, 714. -, absichtliche X, 363. -, mögliche II, 664. -, wirkliche II, 665. Herz, böses VIII, 676. 686. -, gutes VIII, 676. Heteronomie VII, 66. 79. - des Willens VII, 75. - der Willkür VII, 144. Hexe XII, 442. Hierarchie VIII, 761. 853. Himmel II, 940f. VII, 300. Himmelreich VIII, 800. Himmelskörper I, 236. 252f. 286. 303ff. II, 708. III, 28. Hirtenleben XI, 96. Historie XI, 49. Hochmut VIII, 604f. XII, 524. 609f. Hochverrat VIII, 439. Höchste, das VII, 238. Höflichkeit XII, 444. Hoffen, das IV, 677. Hoffnung II, 961. Holland, Holländer II, 869f. 875. Homogenität IV, 574f. Hospitalität XI, 213.

Humanität VI, 471. X, 229. 464. XII, 616. Hylozoismus II, 938. IX, 110. X, 323. 342. 346. Hypermetaphysiker IX, 165. Hyperphysik IV, 389. X, 380. Hypochondrie II, 895. XI, 378f. XII, 513. 527. Hypothese II, 986. III, 15. 28. 124. IV, 653ff. VI, 515ff. X, 345. 432. -, metaphysische II, 951. -, transzendentale IV, 654f. Hypothese X, 295. Ich II, 928. III, 138. 151. 174. 178. 256f. IV, 341. 344. 350. 356. 362f. 366f. 684. 394ff. 427. 665. V, 205. 209. VI, 599. 601f. IX, 108. XII, 407f. 417. 427f. 430. 432. Ich denke, das III, 136. 140f. 152. IV, 341f. 345ff. 353ff. 359f. 366. Ich, logisches VI, 601. -, reflektierendes XII, 417. -, subjektives IV, 365. Ideal IV, 512ff. 519. 555. 563. V, 41. VIII, 571. X, 150. XII, 641. - der Einbildungskraft X, 150. - des höchsten Guts IV, 681. - der Heiligkeit VII, 206. 295. VIII, 713. - des Schönen X, 150f. - der Sinnlichkeit IV, 514. - der reinen Vernunft III, 340. IV, 410. 516. 521. 544. V, 221f. XI, 132. - der moralischen Vollkommenheit VIII, 713. Ideal, Platonisches XI, 364. -, transzendentales IV, 518f. 543. VII, 265. Idealische, das XI, 359. Idealismus III, 35. 84. 254ff. 267. IV, 353. 374ff. 380. V, 152. 253f. - der Endursachen X, 399. - der Zweckmässigkeit X, 289. 294. 342. Idealismus, Cartesianischer V, 208. -, dogmatischer III, 254. IV, 381. V, 254. -, empirischer VI, 375ff. 380. 460. V, 157. -, formaler IV, 460. V, 209. -, kritischer V, 158. 254. -, materialer IV, 460. V, 208. -, problematischer III, 254. -, psychologischer III, 36. -, skeptischer IV, 381. V, 254. -, transzendentaler IV, 375ff. 460. V, 157. Idealist II, 979. VII, 119.

Idealität III, 92. IV, 374. - der Zweckmässigkeit X, 293. Idealität, transzendentale III, 76. 82. IV, 471. Idee I, 29. II, 949. III, 109. 321ff. 331f. IV, 452. 454. 512ff. 549. 583. 696f. V, 41. 199ff. 222ff. VI, 522. 660. VII, 259. IX, 127. X, 150. 193. 233. 283. 358. 436. XII, 498. 509. 700. - des Erhabenen X, 167. - der Freiheit IV, 430. 489. V, 217. VII, 83ff. 91. 98. 163. X, 202. 435. - des höchsten Guts V, 274. VI, 648. VIII, 651f. 806. IX, 139. XI, 133. - der Heiligkeit VII, 117. - der Menschheit VII, 61. XII, 704. - der Moralität XI, 44. - der Persönlichkeit VII, 211. - der Vernunft IV, 358. 500. 580. VII, 92. 269. VIII, 787. X, 166. XI, 153. - der reinen Vernunft III, 332. IV, 582f. 664. - der Weisheit VII, 116. - der Wissenschaft III, 64. IV, 703. VI, 523. Idee, ästhetische X, 151. 249. 251. 253f. 260f. 283ff. -, dynamische IV, 487. -, ewige I, 275. 391. -, göttliche I, 311. -, intellektuelle X, 250f. -, kosmologische IV, 401-409. 403. 440. 451f. 457. 459. 465. 510f. 593. V, 202. 209f. 223. 240. VII, 265. -, moralische VII, 259. Idee, moralische-transzendentale VIII, 704. -, philosophische II, 751. -, POLITISCHE VIII, 787.

-, praktische III, 332. VII, 143. VIII, 783. -, psychologische IV, 592. V, 204ff. 223. 239. -, sittliche X, 154. 190. 301. -, spekulative IV, 594. -, theologische V, 221ff. 240. -, theoretische VI, 523. -, transzendentale III, 320. 327. 331. 337ff. IV, 401ff.444ff. 549. 564f. V, 204. 224. 228f. 239f. -, transzendente IV, 511. V, 210. VI, 632. Identität I, 413. 485. II, 614. 985. III, 52. IV, 371ff. V, 23.

- der Apperzeption III, 138. - des Bewusstseins IV, 371. - des Ich IV, 372f. - der Person IV, 371. 373. - des Subjekts III, 137. IV, 372. Idol VIII, 571. 859. X, 124. Idolatrie VIII, 840. 859. X, 424. Illuminatismus VIII, 761. XI, 312. XII, 415. Illusion III, 311. Immaterialität IV, 343. Immoralität IV, 344. Imperativ IV, 498. 675. VI, 517f. VII, 41ff. 126f. 143. VIII, 327f. XII, 776. - der Geschicklichkeit VII, 44. 46. X, 14. - der Klugheit VII, 47f. - der Sittlichkeit VII, 49. Imperativ, hypothetischer VII, 43. 51. 64. 75. 126. -, kategorischer VI, 387. 408. VII, 43. 46. 49ff. 64f. 71. 90. 155. VIII, 327f. 331. 514f. 519. XI, 139. -, moralischer VII, 75. 102. VIII, 347. 508. 527. -, pragmatischer VII, 46. -, parktischer VII, 61. -, technischer VII, 46. VIII, 327f. X, 14. Inder VIII, 772. Indianer II, 879. VI, 450. XI, 24f. Indifferentismus III, 12. Induktion III, 46. 73. 131. VI, 564f. Inhärenz III, 118. 224. 246. Inhalt der Erkenntnis III, 100. 116. - des Urteils III, 114. Inhalt, transzendentaler III, 118. IV, 517. Inkoruptibilität IV, 344. Inneres II, 289. Instinkt VIII, 676. IX, 87. XII, 599. -, moralischer VIII, 736. Intellektualphilosoph III, 290. Intellektuelle, das V, 31. 35ff. Intellectus archetypus X, 362. Intelligenz II, 940. III, 152f. IV, 523. VII, 256. -, höchste IV, 583. VII, 257. -, moralische X, 407. -, oberste IV, 594. V, 240. Intelligible, das X, 297. Intension I, 171. Intensität I, 37. Intentionalität X, 343.

Interesse VII, 42. 97. 200f. 249ff. VIII, 316. X, 116. 120. 136. 138. 228f. - der Vernunft IV, 580f. 594. 677. X, 157. Interesse, empirisches X, 230. -, intellektuelles X, 232. -, moralisches VII, 28. 201. X, 423. -, pathologisches VII, 42. -, praktisches VII, 42. 251. -, unmittelbares X, 231ff. Introduktion, enzyklopädische X, 56. -, propädeutische X, 56. Inventarium III, 18. Intussuszeption IX, 93. Involutionstheorie X, 379. Irritabilität II, 939. Irrtum I, 21. 117. II, 763f. III, 308. VI, 480ff. Italien, Italiener II, 868ff. XII, 661. 666. Jägerleben XI, 96. 221. Japan XI, 215. Jesuitenkauistik XI, 196. Jesuitismus VIII, 377. Judaismus VIII, 858. Jude VIII, 803f. 808. X, 201. XII, 470. Judentum VIII, 772. 789ff. 837f. XI, 315. 321. Jugend II, 832. Jupiter I, 250. 268. 289. 301. 306. 320. 367. II, 700. Jurist XI, 227f. 287. Juristenfakultät XI, 283. 287. Kälte II, 797f. Kanada II, 882. Kanon III, 63. 104. IV, 671. VI, 435ff. - des Verstandes III, 99f. - der reinen Vernunft IV, 676. Karikatur X, 154. XII, 644. Kasuistik VIII, 544. 860. XI, 249. Kasualität X, 342. Katechetik VIII, 544. Katechismus, moralischer VIII, 618ff. Kategorie (vgl. Reiner Verstandesbegriff) III, 118ff. 132. 135. 143ff. 155ff. 161. 170. 175. 179. 187ff. 251. 263ff. 271. 273ff. 291. 306. 322. 327f. IV, 362. 395ff. 399. 512. 591. 600. V, 192ff. 200. 202f. 310. 330. VI, 603f. 606f. VII, 109ff. 169f.173. 269. 275. IX, 19ff. X, 218. 452. 455. XI, 341.

- der Freiheit VII, 184f. - der Kausalität VII, 183. 230. X, 453. - der Modalität III, 119. 248. - der Natur VII, 184. - der Qualität III, 118. - der Quantität II, 118. - der Relation III, 118. 263. - der Substanz IV, 343. 405. V, 339f. - der Ursache II, 156. - des Verstandes III, 129. Kategorie, dynamische III, 121. VII, 230. -, mathematische III, 121.VII, 230. Kausalität (vgl. Begriff der Kausalität) III, 31. 118. 237. IV, 405. 426. 429. 488ff. V, 178. VII, 162ff. X, 340. - der Natur X, 358. - der Ursache IV, 428. 488f. - der Vernunft IV, 501. 504. - der Zwecke X, 362. 365. Kausalität, göttliche X, 431. -, intellektuelle VII, 193. 231. Kausalität, mechanische VII, 221. -, physische VII, 187. -, psychologische VII, 221. Kausalverbindung X, 320. Kausalverhältnis III, 236. X, 137. Keim XI, 17. Ketzer VIII, 769. Kind VIII, 393ff3 XII, 407. 711ff. Kindesmord VIII, 458. Kirche VIII, 760ff. 765ff. 787. 819ff. 853. -, GRIECHISCHE VIII, 876.

-, katholische VIII, 770. XI, 331. -, protestantische VIII, 770. 835. XI, 331. -, sichtbare VIII, 760. 820. 827. -, streitende VIII, 777f. -, triumphierende VIII, 778. -, unsichtbare VIII, 760. 826. XI, 320. -, wahre VIII, 761. 777. 826. Kirchendienst VIII, 848. Kirchengehen, das VIII, 868. 874. Kirchengeschichte VIII, 792. 797. Kirchenglaube VIII, 762. 765ff. 769ff. 774. 777ff. 787ff. 847. XI, 286. 300f. 311. 313. 316ff. -, statutarischer VIII, 767. 769. Kirchenpflicht VIII, 828. Kirchenwesen VIII, 447f. Klarheit IV, 351. VI, 489f. XII, 421. Klassification X, 27f. Klerus VIII, 853. XI, 186. XII, 523.

Kloster II, 834. Klugheit VII, 45. VIII, 710. X, 14. 243. XII, 511. 713. Klugheitslehre VI, 636. XI, 229. Körper (vgl. Begriff eines Körpers) I, 20218. 44. 68. 80 104. 137. 150. 176. 179. 252. 278. 493. II, 517. 523ff. 531ff. 574ff. 640f. 747. 756ff. 791. 930ff. III, 48. IV, 341. 368. 387. 425. 483. IX, 85. 101. 114. - der Mathematik I, 169. - der Natur I, 169. Körper, elastischer I, 62f. 68. 206. IX, 116. -, flüssiger I, 203. -, mathematischer I, 170. -, menschlicher I, 18. II, 997. -, natürlicher I, 170. -, organisierter V, 122. -, unelastischer I, 84ff. Körperlehre IV, 383. IX, 11. 19. 135. Körperwelt II, 938. V, 322. Koexistenz I, 328. III, 248. Kolonie VIII, 472. Komet I, 250. 292-299. 311. 345. 362. II, 714. 719. IV, 578. Kommunion VIII, 869. 876. Komparation VI, 524. Komposition III, 246. X, 141. XII, 476. Kongruenz IX, 42. Konklusion I, 114. II, 608. Konkubinat VIII, 391f. Konkupiszenz VIII, 317. Konsequenz III, 246. Konstitution VIII, 820. XI, 160. 206. -, monarchische XI, 358. Konstruktion III, 22. V, 302. VI, 573. - des Begriffs IV, 613. V, 302. VI, 446. VIII, 340. 534. IX, 13. 34. 81. Konstruktion des Beweises I, 114. Konstruktion, empirisch V, 302. -, geometrische XI, 42. -, mathematische IV, 617. IX, 21. 44. -, metaphysische IX, 18. -, reine V, 302. Kontemplation X, 168. 181. Kontinuität III, 211. IV, 574. Kontrakt, ursprünglicher VIII, 434. XI, 153. 162. Kontraposition II, 606. Kontrast XII, 458. Kopf X, 243. XII, 422. 524. Korpuskularphilosophie IX, 96. Kosmogonie I, 234. 345. 385. II, 707-723.

Kosmologie II, 911. III, 336. VI, 401. -, rationale IV, 706. -, transzendentale IV, 384. VI, 615. 622. Kosmotheologie IV, 556. Kraft (vgl. Begriff der Kraft) I, 26-218. 36. 83. 104. 150. 171. 251. 493. II, 541ff. 576ff. 614. 614. 641. 708. 757. 942. 985. IV, 568. V, 99. 340. IX, 166. - der Körper I, 26-218. 51. 72. 101. 112. 147. 191. 198. - der Materie I, 30. - der Seele I, 162. - einer Substanz I, 27. Kraft, bewegende I, 27. 302. 360. II, 553ff. 63. 83f. 100. 105. X, 322. -, bildende X, 322. -, durchdringende IX, 73f. -, elastische I, 65. 70. II, 561ff. -, endliche II, 561. -, expansive IX, 51. 53. 83. -, innere II, 575. -, innerliche I, 41. -, lebendige I, 15-218. 45f. 92. 123. 137. 174. 179. 191. 212. XI, 103. -, magnetische II, 800. -, mechanische I, 126. X, 85. -, natürliche II, 575. -, repulsive IX, 63. 83. 98. -, schiessende I, 250. -, SUBSTANTIELLE I, 36.

-, tote I, 47. 174. IX, 103. -, unendliche I, 329. -, unsichtbare XII, 791. -, unvergängliche I, 39. -, ursprüngliche V, 99. XI, 53. -, wesentliche I, 26ff. 276. -, wirkende I, 27. III, 239. -, zusammendrückende IX, 51f. 63. Krankheit XI, 18. 374. - des Kopfes II, 887-901. Kreis I, 250. -, planetischer I, 369. Kreisbewegung IX, F, 129f. Kriecherei VIII, 568ff. Krieg VIII, 467ff. 478. X, 187. 391. XI, 42. 47. 99. 170f. 196f. 200. 205f. 211ff. 221ff. 300. 359. 364. 367. XII, 685f. Kriegsgefahr XI, 98. Kriegssteuer XI, 154. Kriegszustand VIII, 756. Kristallisation VIII, 578. Kriterium der Wahrheit III, 196f.

Kritik II, 912f. III, 36. IV, 669. 701. V, 243. 263. - des Geistesgefühls X, 67f. - des Gescmacks II, 914. III, 70. VI, 436. X, 67f. 131. 143. 216. - des dialektischen Scheins III, 105f. Kritik der Urteilskraft X, 64. 74. 104. 191. 219. 372. - der Vernunft II, 914. III, 35. 61. V, 122. 236. 242. - der praktischen Vernunft VII, 120. 159. 180. IX, 168. X, 15. 74. 137. 283. - der reinen Vernunft III, 13. 28. 62. 64f. IV, 639. V, 120. 134. VI, 594. 633. VII, 168. X, 9. 15. 21. 73f. 87. XI, 340. Kritik, transzendentale III, 63. IV, 641. X, 216. Kugel I, 27. Kultur IV, 610f. X, 190. 387. 390. XI, 38. 93. 97. 167. XII, 680. 706. 724. -, moralische XII, 729. 740. -, physische VIII, 522. 729. -, praktische XII, 729. Kultus VIII, 660. Kunst II, 679. VIII, 322. X, 61f. 67. 216. 237ff. XI, 106. -, ästhetische X, 239f. -, angenehme X, 239. -, bildende X, 141. 258f. 269f. XII, 571. -, characteristische I, 417. -, dialektische IV, 538. -, freie X, 238. 259. XII, 577. -, logische II, 623. -, mechanische X, 239. -, redende X, 150. 258. -, schöne X, 235. 239. XII, 573ff. -, systematische IX, 12. Kunstgeschmack XII, 573. Kunstschönheit X, 246f. Kunstverstand X, 401. Kunstweisheit XI, 106. 115. Kunstwerk V, 236. IX, 166. X, 237. 320. Kuriosität XII, 460. Lachen, das X, 273. Lage I, 501. II, 993. Landrecht XI, 285. Langeweile XII, 443. 553f. Laster II, 831. VIII, 521. 535f. 566. 603. 686. XII, 753f. Latitudinarier VIII, 669. Laune X, 277.

Leben, das II, 911. 934. 938f. 963. V, 206f. VII, 114. VIII, 315. 725. IX, 109f. X, 393. XII, 465. 501. - der Natur I, 277. Leben, künftiges IV, 356. 693. VIII, 631. 790f. X, 425. Lebensdauer XI, 95. Lebenswandel XI, 179. Leblose, das II, 911. Leblosigkeit IX, 109f. Leere, das III, 259. XI, 135. Legalität VII, 191. 203. 247. 287f. VIII, 318. 324. Lehnsatz X, 330. Lehnswesen VIII, 450. Lehrart s. Methode Lehrbegriff I, 267. 277. II, 963f. Lehre, dialektische IV, 411. Lehrgedisct X, 264. Lehrsatz I, 19. IV, 410. Lehrverfassung, mechanische I, 290. 355374. Leibeigenschaft VIII, 472. Leidenschaft II, 889f. VIII, 539f. 559. 676. 751. X, 198. XII, 557. 580ff. 599ff. Leihvertrag VIII, 415ff. Leistung VIII, 356. Leitfaden der Geometrie I, 121. Liberalität der denkungsart X, 194. Licht I, 328. II, 549. IX, 76ff. Liebe II, 830. 896. VIII, 530. 532ff. 584f. 629f. XI, 187ff. XII, 606. -, eheliche XII, 657. -, pathologische VII, 25f. 205. -, platonische II, 865. -, praktische VII, 25. 205. Liebespflicht VIII, 586. Limitation (vgl. Einschränkung) III, 118. Linie IX, 67. Literat, der XI, 280. Logik II, 594. 609. 912ff. III, 14. 20f. 29. 98. 103. 137. VIII, 581. X, 9. XII, 417. 426. - des Scheins III, 104f. 183. 308. VI, 438. - der Wahrheit III, 106. 183. V, 137. VI, 438. Logik, allgemeine III, 99ff. 116f. 183ff. IV, 609. 671. V, 267. VI, 524. VII, 15. -, angewandte III, 99f. VI, 440f. -, natürliche VI, 439. -, praktische IV, 609. VI, 439.

-, reine III, 99ff. VI, 440. -, transzendentale III, 102. 105. 107. 116f. 183. 185. IV, 671. V, 187. VI, 437. -, wissentschaftliche VI, 439. Logische, das II, 638. Lohnkunst X, 238. Lüge VI, 415. VII, 30. VIII, 346. 552. 562ff. 637ff. -, äussere VIII, 562. -, innere VIII, 562ff. Lügenhaftigkeit XI, 123. Lüsternheit XI, 88. Luft I, 348ff. IX, 92. Lust (vgl. Lust und Unlust ) II, 630. 749. III, 65. VII, 114. 128. 175. VIII, 315ff. 506. X, 40ff. 45. 102. 131ff. 135. 137f. 221. 223f. Lust und Unlust IV, 674. VIII, 531. X, 41. 99. XII, 563. Lust, intellektuelle VIII, 316f. XII, 549. -, moralische VI, 384. VIII, 521. -, negative X, 165. -, pathologische VI, 384. -, praktische VIII, 316. -, sinnliche XII, 549f. Lustgärtnerei X, 261. Lustspiel II, 830. Luxus X, 391. XII, 578. Macht X, 184. -, gesetzgebende XII, 156. -, unendliche I, 355. -, unsichtbare VIII, 849. Majestät III, 13. Malerei X, 141. 252. 259. XII, 575. Mangel II, 790. Manie XII, 513. Manier X, 256. 299. Mann XII, 648ff. 656. Mannigfaltifge, das II, 655ff. III, 116. 143f. - der Anschauung III, 577. Mannigfaltigkeit IV, 577, VI, 464. Mars I, 250. 268. 289. 301. Maschine IX, 96. X, 322. Mass X, 173. - der Kraft I, 112. 173. Masse I, 23. 52. 69. 288ff. II, 553ff. IX, 101. 104. Massstab V, 27f. X, 170. Materialismus II, 938. III, 35. IV, 354. 382. V, 240. VIII, 793. X, 426.

Materie I, 23. 29. 234. 274ff. 284ff. 353. 364. II, 661ff. 692. 805. 911. 928ff. 979. III, 15. 289. 297. IV, 369f. 386f. 389f. 405. 458. 545f. V, 217. IX, 25ff. 47ff. 83ff. 122f. 128. - des Begehrungsvermögens VII, 127. 194. - der Erscheinung III, 69. - der Maxime VIII, 684. - der Welt I, 232. - des Willens VIII, 505 - der Willkür VIII, 354. 519. Materie, flüssige IX, 87ff. 104. -, geistige I, 277. -, tote II, 936. Methema IV, 629. Mathematik I, 42. 51ff. 87. 131. 169. II, 581. 744-752. 753ff. 761ff. 779ff. 987. III, 12. 21f. 50. 270. IV, 412. 442. 612ff. 622ff. 668. V, 81. 227. 248f. 353. VI, 445f. VIII, 581. IX, 13ff. 58. X, 269. XI, 409. XII, 734. -, reine II, 594. III, 56. 59. IV, 453. V, 45. 135. 140ff. 197. VI, 394. 665. IX, 18. Maxime IV, 682. V, 275. VI, 447. VII, 27. 51. 69ff. 84. 125f. 136ff. 201. VIII, 351f. 519ff. 667. XII, 740f. - der Vernunft IV, 580. 584. V, 223. VIII, 742. X, 365. Maxime, politische XI, 237. 242. -, sittliche VIII, 542. Mechanik I, 29. 38. 64. 110. 391. IX, 22. 36. 100-121. 113. -, abstrakte I, 189. -, blinde I, 231. -, reine V, 145. Mechanismus I, 317. X, 238. - der Natur s. Naturmechanismus Medium II, 561. Meinen, das IV, 689. V, 276. VI, 494ff. X, 432. Melancholie XII, 629. Melancholische, das II, 840. Mensch I, 339. 379ff. 395. 453. II, 706. 825. 898. 914ff. 946ff. IV, 357. 497f. 500. VII, 32. 59. 61ff. 179. 263. VIII, 396. 509. 550. 569. 577ff. 611f. 649.666ff. 680. 694. 712ff. 738f. 751ff. 762ff. 806. 839f. X, 121. 123. 151. 229. 315. 386ff. 394f. 403ff. 411f. 430. XI, 11f. 34ff. 58ff. 91f. 105. 142. 149. 161. 203. 309. 327. 340ff. 362.

XII, 399. 407. 417. 433. 480. 674ff. 684f. 697ff. 730. 753. Menschenfeind VIII, 586 Menschefreund VIII, 586. 612. Menschengattung IX, 145. X, 390f. XII< 672. 683ff. 688. 697. 805. Menschengeschichte XI, 85-102. Menschenhass VIII, 533. Menschenkenntnis XII, 399. Menschenliebe VIII, 532f. 586f. XI, 165. 250. Menschenrasse XI, 65-82. Menschenrecht XI, 164. 207. 250. Menschenvernunft, allgemeine VIII, 835. -, gemeine V, 275. Menschenverstand, gemeiner III, 34. V, 117f. X, 225ff. -, gesunder V, 247. XII, 423. Menschheit I, 17. 21. IV, 513. VIII, 522. 600. 712. 857. XII, 701. Menschlichkeit VIII, 593. Merkmal II, 599ff. 622. VI, 485ff. -, mittelbares II, 599ff. Merkur I, 250. 268. 289. Messkünstler I, 629. 655. Messung X, 182. Metaphysik (vgl. Begriff der Metaphysik) I, 27. 29. 42. 76. 131. II, 517. 581. 594. 621f. 630. 748. 740. 752ff. 762ff. 762ff. 779. 910. 964. 971. 982f. III, 11ff. 24ff. 33. 49. 58ff. 338. IV, 702ff. 708ff. V, 37. 79. 83. 113. 115f. 119. 130ff. 137f. 197ff. 225. 228. 242ff. 258f. 262ff. VI, 394. 443. 589ff. 610ff. 638ff. 655ff. 664f. VII, 12. 40. 271ff. VIII, 321. 503ff. IX, 13f. 23f. 59. 75. 84. 139. X, 440. XI, 256. 391. 431. XII, 792. - der Natur III, 18. IV, 702. 704. 706. VI, 629. VII, 12. VIII, 581. IX, 13f. - des Rechts VIII, 309. 641. - der Sitten IV, 702.VI, 630. VII, 12. 14ff. 38. VIII, 309. 321f. Metaphysik, angewandte IX, 27. -, wahre IX, 17. 165. Metaphysiker VI, 382. Methode I, 114. 117f. 183. II, 625. 630. 659. 755f. 909.III, 26. 28. V, 81ff. 105ff. VI, 442. 580ff. VII< 287. VIII, 543. X, 256. 299. -, akroamatische VI, 582. VIII, 619. -, analytische V, 137. VI, 581. -, dialogische VIII, 544. 618f.

-, dogmatische IV, 630. VIII, 619. -, erotematische VI, 582. VIII, 544. 618. -, heuristische V, 267. -, katechetische VIII, 544. 618f. XII, 737. -, mathematische I, 275. IX, 24. -, philosophische II, 939. -, physikotheologische II, 683ff. -, populare VI, 580. -, scholastische V, 273. VI, 455. 580. -, skeptische IV, 412. 471. VI, 515. -, sokratische XII, 737. -, synthetische V, 137. VI, 581. -, systematische VI, 580. Methodenlehre VI, 440. 571. VII, 287. -, ethische VIII, 544. 617ff. -, physiologische V, 175. -, transzendentale IV, 609. Milchstrasse I, 238. 258f. 262. 327f. Mimik X, 141. Misanthropie VIII, 533. X, 367. XII, 517. Misologie IV, 711. VI, 449. VII, 21. Missvergnügen XII, 584. Mitleid VIII, 593ff. Mitteilbarkeit X, 228. Mittel II, 673. 770f. VII, 59ff. VIII, 867. Mittelpunkt I, 327. 337. Mittlere, das VIII, 535. 566f. Modalität I, 129. - der Urteile III, 111. 114f. VI, 539. Mode XII, 572. Moderatismus VI, 408. Modus ponens IV, 667. VI, 537. - tollens IV, 667. VI, 537. Mögliche, das II, 635ff. 729f. IV, 534. Möglichkeit I, 433. II, 637ff. 643ff. 659. 662ff. 682. 693. 726f. 731. 928. III, 31. 119. 259ff. 273. IX, 14. - des Begriffs III, 273. - des Dinges II, 654. 724. III, 249. 252. 278. IV, 519. V, 272. X, 354f. - der Erfahrung III, 200f. 247. 267f. V, 168. - des Gegenstandes V, 89ff. Möglichkeit, absolute II, 640. 731. III, 261. -, innere II, 637-641. 645. 663f. 677. 731. 734. 737. IX, 66. -, logische III, 115. 273. IV, 541. VI, 667. -, moralische VII, 174. -, physische VII, 174. X, 413. -, reale VI, 667. -, transzendentale IV, 541. Mohammedaner VIII, 772.

Mohammedanismus VIII, 858. X, 201. Moment III, 210. 240. Monade I, 36. II, 523. 535ff. 745. 948. III, 289. 301. V, 370. VI, 612. 619f. IX, 104. -, physische II, 523-563. Monadologie III, 295. IV, 424. VI, 619f. IX, 62. 80. Monarch VIII, 440. 461. XI, 59. 363. Moanrchie XII, 685. Mond I, 250. 285. 299-307. II, 700. IV, 439. IX, 69. Monogamie VIII, 391. Monotheismus IV, 528. Monotonie XII, 460. Moral II, 743-773. III, 32. IV, 412. 701. 709. VI, 639. VII, 12. 40. 70. 261f. 272. 301. VIII, 649ff. IX, 131. 228ff. 240. 242ff. 247ff. 301. XII, 510. 689. -, christliche VII, 259. VIII, 712. -, reine III, 100. IV, 453. -, theologische IV, 557. Moralische, das XII, 510. Moralisierung XII, 680. 707f. Moralist, politischer XI, 233. 230. -, theologischer VII, 153. Moralität II, 944f. III, 65. IV, 702. VI, 646f. VII, 67f. 73. 191 203. 247. 287f. VIII, 318. 324. 523. X, 395. XI, 132. 342. XII, 682. 740. 756. - der Handlung IV, 501. VIII< 757. Moralität, menschliche VIII, 513. Moralphilosophie V, 39. VII, 13f. VIII, 711. X, 78. Moraltheologie IV, 557. 683. 687. X, 396. Moravianismus XI, 323. Motion X, 200. Motiv XI, 137. Mündigkeit XI, 53. Münze VIII, 403. Musik VI, 381. X, 263f. 269. 272. XII, 571. Mut XII, 586ff. Mystik XI, 184. 312. Mystiker XI, 346. Mystizismus VII, 190. XI, 328. 330. Nachahmung II, 752. VII, 36. X, 211. Nachfolge X, 213. Nacht III, 12. Nächstenliebe VIII, 586. 595. Naivität II, 845. X, 276f. XII, 414.

Name XI, 87. Namenerklärung (vgl. Nominaldefinition; Nominalerklärung) VIII, 357. Narrheit II, 890f. VIII, 604. XII, 524. Nation XII, 658. Nationalreichtum VIII, 401. Natur I, 78. 131. 229. 235. 253. 275ff. 292. 311. 334ff. 356ff. 363. 374. 380. 393. II, 658. 673ff. 679. 693. 723. III, 23. 27. 156f. 172. 180. 246f. 325. IV, 408. 429. 433. 450. 489ff. 494f. 506. 593. 634. 705. V, 65. 159ff. 186ff. VII, 51. 156ff. VIII, 845. 865f. IX, 11f. 139. X, 21. 26ff. 61f. 81. 167. 184. 194. 234ff. 241ff. 305ff. 322. 327. 332f. 349. 394. XI, 36ff. 217. 219ff. XII, 755. - der Dinge I, 357. 392. III, 63. IV, 571. V, 162. - der Erkenntnis III, 15. - als Kunst X, 17f. - des Menschen (vgl. menschliche Natur) II, 915. VIII, 667. XI, 171. - der Seele II, 933. IV, 367. - der Vernunft III, 11. 340. IV, 634. - des Verstandes V, 205. Natur, ausgedehnte IX, 11. -, denkende I, 377. 382. 386. II, 943. IV, 385. 390f. 705. IX, 11. -, einfache IV, 370. -, geistige II, 926f. 929. 940ff. 963. -, göttliche II, 726. V, 217. Natur, immaterielle II, 934. 940f. 962. -, intelligble VII, 189. -, körperliche II, 911. IV, 705. IX, 17. -, menschliche (vgl. Natur des Menschen) I, 386. II, 832. 837ff. III, 12. VII, 246. 281. XI, 46. 58. 169. 210. 309. -, moralische II, 849. -, nachgebildete VII, 157. -, organische II, 672. 685. XI, 71. -, schöne X, 235f. 257. -, sinnliche VII, 156. -, tierische II, 613. -, übersinnliche VII, 156ff. X, 202. -, unorganische II, 671. 685. VIII, 747. -, urbildliche VII, 157. -, vernünftige VII, 61. Naturabsicht X, 48. XI, 34. Naturalismus V, 240. Naturalist I, 229. V, 182. VIII, 822f. Naturanlage III, 60. V. 141. VII, 20. X, 388. XI, 35.

Naturbegriff VIII, 715. X, 25. 78ff. 106. 443f. -, metaphysischer X, 443f. -, transzendenter IV, 409. Naturbeschreibung II, 909. IX, 12. 142ff. X, 372. XI. 18. 30. 75. Natureinheit IV, 599. X, 92. Natureinteilung XI, 11. Naturell, das XII, 625f. Naturerkenntnis (vgl. Erkenntnis der Natur) IV, 558. IX, 12. Naturforschung I, 236. IV, 599. 684. IX, 139. X, 402. Naturgeschichte I, 219-400. IX, 12. 142ff. X, 385. XI, 18. 30. 75. 78. 93. Naturgesetz (vgl. Gesetz der Natur) I, 242. 358. 377. 505. II, 669f. III, 201. 258. IV, 675. V, 218ff. VII, 188ff.. VIII, 745. IX, 114. X, 29. XI, 106. XII, 776. -, allgemeines V, 160. 181. 188f. X, 88. 93. -, transzendentales III, 247. Naturlehre I, 29. 199. III, 13. VII, 11. IX, 11ff. 15. X, 371. -, besondere IX, 14. -, empirische IX, 18. -, historische IX, 12. 16. -, rationale IX, 12. -, reine IX, 15. -, teleologische XI, 35. Naturmechanismus III, 31f. VII, 140. 222. X, 306. 325. 327. 337ff. 364. 368. 373f. 378. XI, 217. Naturnotwendigkeit IV, 408f. 494f. V, 216ff. VII, 81. 219ff. X, 344. Naturordnung (vgl. Ordnung der Natur; natürliche Ordnung) II, 676. 678-681. Naturphilosophie IV, 456. IX, 96. X, 78. Naturplan I, 77. 11. 45. 47. 49. Naturprodukt X, 55. 347. 371. 378. Naturrecht VIII, 345. 350. 366. 412. XI, 233. XII, 810f. Naturschönheit X, 104. 166. 233. 246f. 329. Naturstand s. Naturzustand Natursystem V, 173. XI, 11. Naturtrieb VIII, 667. Naturursache IV, 409. XI, 26. Naturvolllkommenheit X, 323. Naturwissenschaft (vgl. Physik) II, 517. 625. 707. 756. III, 23f. 57. IV, 668. V, 81. 227. VI, 661. IX, 11ff. 22. 163. X, 372. XII, 538.

-, eigentliche IX, 12ff. 110. -, historische IX, 11. -, metaphysische VIII, 319. IX, 14. -, rationale IX, 11. -, reine III, 59f. V, 135. 140f. 159ff.197. Naturwunder II, 656. VIII, 746. Naturzustand VIII, 350. 367. 474. XI, 200. 203. -, ethischer VIII, 753ff. -, juridischer VIII, 753. 755. Naturzweck VIII, 557. IX, 139. X, 34. 46ff. 51. 104. 290. 313ff. 318ff. 347f. 358. 387ff. 396. 407. 423f. XII, 684. Negation II, 648. III, 118. 191. 210. 224. 272. 307. VI, 641. Neger II, 880. IX, 150ff. XI, 12. 16. 22f. 79. Neid VIII, 596. 751. XII, 752. Neigung III, 65.VII, 23ff. 42. 60. 192f. 248. VIII, 316ff. 621. X, 123. XI, 295. XII, 579. 599. -, natürliche VIII, 710. -, sinnenfreie VIII, 317. Neuigkeit XII, 459. Nichts, das I, 275. II, 783. III, 306f. Nichtsein, das III, 119. Nichtswürdigkeit XI, 123. Nötigung VIII, 41f. -, moralische VIII, 628. -, praktische VII, 202. Nominaldefinition (vgl. Namenerklärung; Nominalerklärung) VI, 575ff. Nominalerklärung (vgl. Namenerklärung; Nominaldefinition) II, 642. Nomothetik IV, 412. X, 410. Norm VI, 436. Normalidee, ästhetische X, 151. Notio III, 326. VI, 523. Notrecht VIII, 341. 343. XI, 156. Notwendigkeit (vgl. Begriff der Notwendigkeit) I, 33. II, 645. 670f. 733. III, 47. 56ff. 119. 122. 167. 258. 262. 273. IV, 524. 545. V, 127. VI, 642. 672. VII, 166. VIII, 777. - der Mittel II, 770. - der Zwecke II, 770. Notwendigkeit, absolute II, 732. III, 329f. IV, 524. 539f. 546. V, 142. -, exemplarische X, 156. -, hypothetische I, 449ff. -, innere II, 642. III, 330. -, logische II, 643. 663. 732.

-, moralische I, 451. VII, 203. -, objektive IX, 21. X, 91. 155. -, praktische VII, 67. X, 155. 577. XII, 437. -, subjektive III, 47. V, 116. VII, 117. -, unabhängige I, 357. -, unbedingte I, 435. 451. IV, 537. 543. V, 240. Noumenon (vgl. Verstandeswesen) III, 267-285. 292. 302ff. IV, 356. 494. V, 29. 39ff. 180. 185. 203f. 230. VI, 628. 648. VI, 156. Nützlichkeit X, 67. 143. XI, 290. Oberhaupt XI, 162. 206. -, allgemeines VIII, 434. -, gesetzgebendes VIII, 439. X, 495. -, höchstes XI, 41. -, moralisches VIII, 807. Objekt II, 750. III, 106. 139f. 227f. -, mathematisches II, 702. -, transzendentales (vgl. transzendentaler Gegenstand) III, 90. 280. 297. IV, 382. 543. Obrigkeit XI, 203. -, bürgerliche VIII, 823. Offenbarung VIII, 659. 764f. 825. 861. XI, 271. -, göttliche VIII, 774. XI, 312. 314. -, übernatürliche VIII, 741. Offenbarungsglaube VIII, 762. 768ff. 833. Offenbarungslehre, christliche VIII, 834. Offizier XI, 56. Ohnmacht XII, 645. Okkasionalismus V, 79. X, 178f. Ontologie II, 911. III, 275. IV, 705. V, 39. 590f. 655. VIII, 323. Ontotheologie IV, 556. Oper X, 264. Opium VIII, 561. Opposition II, 783. -, analytische IV, 469. -, dialektische IV, 469. Optimismus II, 587-594. Oratorium X, 264. Ordnung I, 33. 380. II, 650. 655ff. 691ff. 721. - der Natur (vgl. Naturordnung; natürliche Ordnung) I, 242. II, 667672. 673ff. 682. 706. V, 103ff. 191. X, 94. - der Zwecke VII, 263.

Ordnung, moralische VIII, 835. -, natürliche (vgl. Ordnung der Natur; Naturordnung) II, 673. 726. -, synthetische II, 607. -, wesentliche II, 682. Organ II, 949. X, 321. Organempfindung XII, 446. Organisation VIII, 820. IX, 164. X, 323. 334. 373. 381. XI, 78. 257. XII, 792f. - der Natur X, 323. Organon II, 913. III, 62f. 90. 98. 104f. VI, 434. Orient II, 882. Originalität X, 242. XII, 537. 543. Ort I, 30. 501. II, 954. -, logischer III, 291. -, transzendentaler III, 291. Orthodoxie VIII, 770. -, biblische XI, 329. -, despotische VIII, 770. -, liberale VIII, 270. -, metaphysische XII, 795. Orthodoxismus XI, 328f. Pädagogik XII, 703f. 712. Pantheismus X, 377. 400. XI, 185. Paradoxie XII, 410. Paralogismus der reine Vernunft IV, 341399. 401. Paralogismus, logischer IV, 341. -, transzendentaler III, 340. IV, 341. 400. Partei I, 19. 24. Pedanterie VI, 472f. Persien, Perser II, 879. VI, 451. Persönlichkeit VII, 210. 300. VIII, 555. 675. -, moralische VIII, 329. Person II. 940. 947. VII, 60ff. 72. VIII, 329. 569. XII, 407. 677. -, moralische II, 867. VIII, 386. Personalität IV, 344. Perzeption III, 326. Pfaffentum VIII, 847-859. 852. 877. XI, 318. 329. Pflanze II, 938. Pflanzenreich VIII, 747. Pflicht (vgl. Begriff der Pflicht) III, 65. VI, 392. VII, 22ff. 33ff. 56f. 67. 74. 116. 143. 202ff. 207ff. 256. VIII, 323ff. 510ff. 622. 637. 756. 758. 821. 830. X, 414. XI, 131ff. 135f. - gegen Andere VII, 52. XII, 750.

gegen sich selbst VII, 52. VIII, 549ff. 583. XII, 749f. Pflicht, bedingte XI, 156f. 250. -, enge VIII, 520. -, ethische VIII, 536. 542. -, vollkommene VII, 52. VIII. 553-580. -, unbedingte XI, 156f. 250. -, unvollkommene VII, 52. VIII, 520. 580583. -, weite VIII, 520. Pflichtbegriff VIII, 508f. 512. 572. XI, 129. 205. Pflichtenlehre VIII, 508. Pflichtgesetz VIII, 542. Pflichtwidrige, das VII, 116 Phänomenologie IX, 22. 122-135. Phänomenon (vgl. Sinnenwesen) I, 27. III, 267-285. 292. V, 25. 29. 33. 43ff. Phantasie X, 164. XI, 312. XII, 466. 476. 483. Phantast II, 833. 842. 894. Philosoph I, 24. 42. 363. IV, 700f. XI, 227f. 362. XII, 619. -, praktischer VIII, 503. Philosophie (vgl.Weltweissheit) I, 85. II, 517. 691. 704. 750. 752ff. 908ff. 965. 985. III, 186. IV, 441. 622ff. 630. 670. 699ff. 708. V, 142. IV, 377ff. 397. 445. 672. VII, 11. 236. 302. VIII, 310ff. 503. 581. X, 9. 18. 81. XI, 45. 228. 340. 372. 377. 391. XII, 400. 793. - der Natur XII, 15. X, 9. - der Sitten X, 9. Philosophie, dogmatische IV, 647. X, 59. -, empirische VII, 11. -, faule XI, 939. -, griechische VI, 451. 453. VII, 11. -, kritische V, 264. VI, 408. VIII, 311. -, praktische VII, 33. 58. VIII, 321. 503. X, 9. 78ff. X, 239. -, reine IV, 621. 674. VII, 11. IX, 13. 16. X, 284. -, spekulative VII, 93. X, 418. 442. -, theoretische X, 9. 78ff. Phlegma XII, 580. 583. 630f. Phoronomie I, 73. IX, 22. 25-46. 34. 37. 103. 113. Physik (vgl. Naturwissenschaft) I, 77. III, 21. 23. IV, 705. V, 43. 124. VI, 655. 11f. 274. IX, 14. 22. 139. X, 12. 332. -, rationale IV, 705. 621. -, theologische X, 455. -

Physikotheologie II, 682-707. 693ff. IV, 557. 597. 685. X, 396-403. XI, 106. 115. Physiognomik XII, 638ff. Physiologie III, 12. IV, 345. 705. -, immanente IV, 705. -, rationale IV, 706. -, transzendente IV, 705. Pietismus XI, 323. Pinsel X, 243. XII, 422. 524. Plagiat VIII, 411. Plan der Natur s. Naturplan - des Weltgebäudes I, 76. Planet I, 106. 250ff. 257. 268f. 280ff. 283323. 299. 308ff. 320. 345. 370ff. 381. II, 710. 712ff. 719. IV, 578. Planetenbewohner I, 377-394. 385. Plastik X, 259ff. Platonismus IV, 447. Pluralismus XII, 411. Pneumatismus IV, 382. 400. Pneumatologie II, 964. X, 426. 441. 449. Pöbel XII, 658. Poesie XII, 573. 575ff. Polemik der Vernunft IV, 639. Polen XII, 661. 670. Politik VIII, 642. XI, 229. 232. 242ff. 247ff. Politiker XI, 352. -, moralischer XI, 233. 239. -, moralisierender XI, 234. Polizei VIII, 445f. XI, 289. Poligamie VIII, 391. Popularität IV, 444. 447f. VI, 473. VIII, 310. Position II, 632ff. 808. -, absolute II, 632ff. Postprädikamnet III, 119. Postulat III, 261f. VI, 411. 543. VIII, 641 - des empirischen Denkens III, 203. 219. 248-254. 257-263. Postulat der reinen praktischen Vernunft VII, 252ff. 264ff. Potenz I, 33. Prächtige, das II, 827. Prädeterminismus VIII, 701. Prädikabilien III, 120. V, 194f. Pädikament III, 119f. V, 192. VI, 603f. Prädikat I, 413. II, 599ff. 603ff. IV, 516. -, analytisches VI, 643. -, logisches IV, 533. -, ontologisches VII, 271. -, reales IV, 533.

-, transzendentales III, 123f. VII, 270. Präformation X, 379f. Prästabilismus X, 378f. Pragmatische, das XI, 26. Praktisch XII, 712. Praktische, das III, 65. IV, 673. VII, 233. VIII, 322. X, 118. 422. XI, 313. Praxis VIII, 309. XI, 127ff. 143. Preis VII, 68f. VIII, 403. 569. Priester VIII, 767. Priesterreligion VIII, 665. Primat VIII, 249ff. - der reinen praktischen Vernunft VII, 249ff. Prinzip II, 663. 963. III, 18. 23. 29. 64. 312ff. VI, 541. - der Erkenntnis III, 62. 71. V, 304. VI, 676. - des Geschmacks X, 215f. 282. 289. - der Glückseligkeit XI, 158f. - der Handlung VII, 57. - aller Möglichkeit II, 654. - der Moral VII, 75. - der Reflexion X, 24ff. 334ff. - der Selbstliebe VII, 128f. 134. - der Sinnlichkeit III, 70. - der Sittlichkeit VII, 57. 81. 142. 144. 180. - der Synthesis III, 63. - der Teleologie X, 376. - der Urteilskraft X, 22. 26. 29. 104. - der Vernunft III, 318. IV, 508. 579. X, 328. - des Willens VII, 26. 50. - der Wissenschaft X, 330. Prinzip a priori III, 99. -, auswärtiges X, 330. -, böses VIII, 734-740. 739. 819. -, einheimisches X, 330. -, empirisches III, 100. VII, 76. -, gutes VIII, 712-733. 729. 738. 752. 788. 819ff. -, heuristisches X, 18. 365. -, immaterielles II, 939. -, inneres IX, 11, 109. -, intellektuelles VIII, 841. -, komparatives III, 313. -, konstitutives IV, 472f. VI, 522. VIII, 725. X, 307. -, logisches IV, 515. V, 305. -, materiales VII, 154.

-, metaphysisches IX, 17. X, 90. -, moralisches IV, 680. VIII, 504. XI, 243. -, moralisch-praktisches X, 79. -, oberstes II, 662. 682. X, 410. -, onthologisches V, 201. -, praktisches IV, 593. V, 239. VII, 59. 127ff. IX, 168. -, praktisches regulatives VIII, 787. -, regulatives III, 218. IV, 472. 547f. 587. VI, 522. VIII, 725. X, 307. -, selbständiges I, 356. -, sittliches VII, 38. -, subjektives X, 157. Prinzip, technisch-praktisches X, 79. -, teleologisches IX, 139-170. 167f. X, 51. 366. 373. 396. -,transzendentales III, 174. V, 305. IX, 14. X, 88. 90f. -, transzendentes V, 225. X, 368. -, übersinnliches X, 330. Privatbesitz VIII, 359f. Privatgebet VIII, 868. Privatrecht VIII, 350. 353-425. 423. XI, 249. Privatwille II, 944f. XI, 153. Probalismus VIII, 860. XI, 249. Problem VI, 543. VIII, 641. XI, 322. Produkt X, 379. Produkt der Natur s. Naturprodukt Produkt, transzendentales III, 190. Professor XI, 279. Progressus IV, 474. Prolegemena V, 113. 120. 135. 260f. Propädeutik III, 21. 62. 98. IV, 701. VI, 434. X, 106. 300f. Prosyllogismus III, 318. 334. VI, 565f. Prototypon transzendentale IV, 515. Psychologie I, 382. III, 336. IV, 341. 634. 705. VI, 435. 440. 648. IX, 14. X, 13. 449. XII, 417. 426. 428. -, dialektische IV, 401. -, empirische (vgl. empirische Seelenlehre) II, 911. IV, 345. 707. V, 43. 124. VI, 621. X, 426. -,rationale (vgl. rationale Seelenlehre) II, 912. IV, 345. 348. 352. 354f. 358. 366. 370. 384f. 705f. V, 39. VI, 621. X, 426. Psychologie, transzendentale IV, 394. Publikum XI, 48. 54ff. Publizität XI, 244ff. 250. 363. Punkt IX, 28. Purismus VIII, 559.

Quadrat I, 23. 33. - der Geschwindigkeit I, 44f. 69. 98. 179. Qualität II, 752. 948. III, 215. IV, 614. - der Urteile III, 111. VI, 534. Qualität, sittliche II, 834. Quantität III, 215. - einer Kraft I, 82. - der Materie IX, 100ff. - der Urteile III, 111. VI, 532. - Quantum III, 220. Rachbegierde XII, 606. Rache VIII, 598. Rasse IX, 144ff. XI, 12. 75. XII, 688. Rationalismus VII, 119. 190. - der Kritik des Geschmacks X, 289. Rationalist VIII. 822f. Raum (vgl. Begriff des Raumes; Raum und Zeit) I, 33f. 273. 290f. 501. 505. II, 519. 525ff. 531ff. 630. 655-658. 703. 747ff. 757. 948. 993-1000. III, 30. 71-78. 81. 84. 128. 151. 190. 200. 252. IV, 379ff. 403f. 415. 417. 421ff. 483. 547. V, 45ff. 67ff. 79. 93. 149ff. 191. 253f. VI, 624ff. VIII, 312. IX, 25ff. 30. 60ff. 83. 127f. X, 310f. Raum und Zeit III, 71. 87. 96. 116. 129. 139. 146. 154. 170. 195. 199. 211. 232. 290. 296f. IV, 378. 460ff. 481. 618. V, 41ff. 71. 91. 145ff. 155ff. 214. 315. 360. VI, 598ff. 622f. 668. VII, 227f. Raum, absoluter II, 994. 1000. IV, 415. IX, 25ff. 35. 124. 128f. -, empirischer IX, 26. -, körperlicher II, 994. -, leerer I, 40. II, 519. 758. III, 245. IV, 415. 417. 419. 457. IX, 47. 133ff. -, relativer IX, 25ff. Realdefinition (vgl. Relerklärung; Sacherklärung) III, 271. VI, 575ff. Reale, das II, 638. IX, 82. Realentgegensetzung (vgl. Realrepugnanz) II, 788ff. 819. Realerklärung (vgl. Realdefinition; Sacherklärung) II, 600. 642. Realgrund II, 640. 643f. 649. 803. 811. 817ff. IV, 506. Realismus der Zweckmässigkeit X, 289f. 342. Realismus, transzendentaler IV, 375ff.

Realität (vgl. Begriff der Realität) II, 589ff. 649. 732f. 811. 994. III, 76. 118. 191. 209f. 251. 272. 274. VI, 640f. -, absolute III, 82ff. -, empirische III, 76. 82f. IV, 586. -, höchste II, 646ff. IV, 520f. 534. -, objektive III, 94. 250f. V, 320. VI, 613. 676. IX, 23. X, 233. -, praktische VII, 173. -, subjektive III, 83. -, transzendentale III, 339. -, unbegrenzte IV, 537. -, wahre V, 290. Realnotwendigkeit II, 643. Realrepugnanz (vgl. Realentgegensetzung) II, 647. 784. 788. Rebellion XI, 156. Recht, das (vgl. Begriff des Rechts) III, 88. VIII, 337ff. 358. 637. XI, 144. 148. 150. 164. 244. - des Menschen s. Menschenrecht Recht, äusseres VIII, 339. 641. 757. XI. 144. -, angeborenes XI, 148 -, bürgerliches VIII, 350. XI, 95. -, dingliches VIII, 481ff. -, natürliches VIII, 350. -, öffentliches VIII, 350. 424. 429. XI, 144. 148. 223. 231. 246. 251. -, persönliches VIII, 382-388. 481ff. -, positives II, 909. VIII, 336. 345. Rechtsanspruch XI, 244. Rechtsbegriff VIII, 362. XII, 606. Rechtsgesetz VIII, 338. 753. Rechtslehre VIII, 309. 325. 356. 508f. -, metaphysische VIII, 396f. Rechtslehrer XI, 285. Rechtspflicht VIII, 344f. 347. 361. XI, 242. Rechtsprinzip VIII, 527. Rechtssatz VIII, 358. Rechtswissenschaft VIII, 336. Redlichkeit II, 829. VIII, 563. Redner X, 258f. Rednerkunst X, 267. Reduktion III, 27. Reflexion (vgl. Űberlegung) VI, 524. XII, 416f. -, logische III, 287. -, transzendentale III, 287. Reflexionsbegriff V, 196. Reflexionsgeschmack X, 127f.

Reflexionsurteil, ästhetisches X, 34. 38. 44ff. 53f. Reflexionsvermögen, ästhetisches X, 43. Reform VIII, 441. 698. XI, 234. Regel III, 172. V, 172. XII, 734. - des Denkens III, 103. - des Willens II, 943. Regel, allgemeine I, 326. II, 698. III, 45. 130. 333. -, a priori V, 172. -, empirische III, 131. -, generelle VII, 148. -, herrschende II, 661. -, mechanische I, 82. -, notwendige III, 246. VI, 433. -, phoronomische I, 82. -, praktische VII, 13. 126. 141. 186. VIII, 324. -, universelle VII, 148. -, zufällige VI, 433. Regelmässigkeit II, 682. 691. X, 162. -, mathematische X, 163. Regent VIII, 435f. Regierung VIII, 435. XI, 281. 287. 329. 360. -, aristokratische VIII, 759. -, despotische VIII, 435. -, göttliche XI, 108. 338. -, patriotische VIII, 435. -, politische XI, 338. -, väterliche XII, 145f. -, vaterländische VIII, 435. XI, 146. Regierungsart XI, 206. 208. Regressus IV, 466. 474ff. -, dynamischer IV, 507. -, empirischer IV, 476ff. 481ff. -, mathematischer IV, 597. -, sukzessiver IV, 467. Reich des Bösen VIII, 735. - der Freiheit VIII, 738. - Gottes VII, 260. VIII, 751. 761. 777. 800f. 819f. - der Natur VII, 72f. 280. - der Sitten VII, 205. 280. - der Tugend VIII, 753. - der Zwecke VII, 66ff. X, 405. Reihe IV 403f. VI, 486. - der Bedingungen III, 318. IV, 464ff. 470ff. - der Dinge I, 28. - der Ursachen IV, 470.

Reiz X, 138ff. Rekognition III, 165. Relation der Urteile III, 111. VI, 535. Relation, ässerliche I, 31. Religion I, 227. II, 876. III, 13. VII, 261f. VIII, 628f. 659f. 703. 763f. 769. 774. 790. 822ff. 833f. X, 188f. 212. 424f. 451f. XI, 108. 226. 267. 271. 300ff. 307. 310f. 315f. 338. XII, 510. 689. 755f. -, ägyptische VIII, 808. -, christliche VIII, 703. 804. 826-838. -, gelehrte VIII, 824ff. -, geoffenbarte VIII, 822ff. -, gothische VIII, 808. -, gottesdienstliche VIII, 763. 766. 778. -, hinduische VIII, 807. -, innere VIII, 865. -, mohammedanische VIII, 804. -, moralische VIII, 703. 740. 773f. 787. 809. Religion, natürliche II, 768. VIII, 822ff. XI, 310f. -, öffentliche VIII, 810. -, statutarische VIII, 838. XII, 690. -, wahre VIII, 768. 799. 838. Religionsbegriff VIII, 857. XII, 754f. Religiosgesinnung, wahre VIII, 878. Religiosglaube VIII, 802. 861. XI, 300f. 311. 313. 316ff. -, allgemeine VIII, 789. -, gottesdienstlivhe VIII, 788. -, moralischer VIII, 788. -, öffentlicher VIII, 820. -, reiner VIII, 762. 767. 770. 777ff. 781. 855. Religionslehre VIII, 627. XI, 337. -, philosophische VIII, 757. Religionspflicht VIII, 579. Religiossekte XI, 315. Religionsstreitigkeit VIII, 769. Religionswahn VIII, 839-841. 842. 847. Reproduktion III, 173. 178. Republik VIII, 464. XII, 686. -, despotische XI, 366. Republikanismus XI, 206f. 360. Repugnanz II, 637. -, logische II, 784. Reue VII, 224. Revolution I, 302. VII, 441ff. 698f. 737. 786. XI, 49. 55. 230. 234. 358ff. Rezeptivität III, 69. 75. 97. 110. XII, 416. Rhetorik X, 167.

Richter VIII, 334. Richtigkeit II, 624. Richtung IX, 29. Römer VI, 455. Roman X, 200. XII, 401. Rührung II, 829. X, 138. 142. 199. Ruhe II, 569-581. IX, 31ff. 128ff. Russland XII, 661. 670. Sache VII, 60. VIII, 330. XII, 407. Sachenrecht VIII, 370-382. Sacherklärung (vgl.Realdefinition; Realerklärung) VIII, 357. Sagazität XII, 537. 542. Saturn I, 250. 268. 289. 301. 307-323. 367. 370f. II, 721ff. Satz I, 419. - der Folge I, 483. - des zureichenden Grundes I, 407. 423487. 439. II, 733. III, 235. 248. IV, 662. V, 129. 307. VI, 478f. 616f. - der Identität I, 413ff. II, 765. - des Widerspruchs I, 407. 409-421. II, 635. 639ff. 765. 818f. III, 55ff. 196ff. IV, 515. V, 55. 125ff. 248. 304ff. VI, 478f. 611. 664. X, 433. Satz, allgemeiner III, 312f. -, analytischer V, 136. 350. VI, 542. -, apodiktischer III, 115. IV, 629. -, a priori III, 46. VI, 660. -, arithmetischer III, 56. V, 128. -, assertorischer III, 115. -, bejahender I, 411ff. -, einfacher I, 409. -, empirischer XI, 232. -, generaler IV, 533. -, geometrischer III, 74. -, hypothetischer III, 113. -, logischer V, 328. -, mathematischer III, 56. VI, 591. Satz, paradoxer I, 30. -, praktischer II, 772. VI, 541. X, 10ff. -, problematischer III, 115. -, synthetischer III, 56. 247. IV, 617. 657. V, 127f. 134. 350. VI, 542. VII, 272. -, synthetischer a posteriori V, 136. -, synthetischer a priori III, 200. 267. IV, 348. V, 360. VI, 664f. -, tautologischer VI, 542. -, technischer X, 13. -, theoretischer VI, 541. X, 10f. -, transzendentaler IV, 618f. 664f. V, 328.

-, unerweislicher II, 750. 766. -, universaler VI, 533. -, verneinender I, 411ff. -, wahrer I, 429. Satzung XI, 54. Schadenfreude VIII, 597f. Scham II, 838. XII, 585. Schamhaftigkeit II, 857. Scharfsinnigkeit XII, 512. Schauspiel X, 200. 264. XI, 401. XII, 552. Scheidung IX, 92. Schein III, 308. IV, 410. V, 155ff. 198. VI, 481. 483f. IX, 125. XII, 430. -, blosser III, 93f. -, dialektischer IV, 358. 393. 544. 668. V, 213. 222. -, logischer III, 310f. -, transzendentaler III, 309f. IV, 385. 394. 399. 467. 538. Schema III, 198ff. 274f. IV, 696f. VII, 188. VIII, 719. X, 294ff. - der Einbildungskraft III, 190. - der Gemeinschaft III, 192. - der Grösse III, 191. - der Kategorie III, 192. - der Modalität III, 192. - der Möglichkeit III, 192. - der Notwendigkeit III, 192. - der Qualität III, 192. - der Realität III, 191. - der Relation III, 192. - der Substanz III, 191. - der Ursache III, 192. - der Wirklichkeit III, 192. Schema, logisches IV, 399. -, transzendentales III, 188. Schematismus VI, 613. 676. - des Verstandes III, 186. 189f. 193. Schenkungsvertrag VIII, 413f. Scherz II, 829. VIII, 606. X, 272. Schicksal III, 125. XI, 217. Schicklichkeit X, 225. Schlaf II, 760f. 893. 947. XI, 380f. XII, 463f. 476f. Schluss III, 315. VI, 545. -, dialektischer IV, 394. 399. -, mittelbarer VI, 545f. -, unmittelbarer II, 602. III, 315. VI, 545f. Schlussart II, 609. -, apagogische VI, 479. -, direkte I, 411ff. VI, 479.

-, indirekte I, 411ff. Schlusskraft II, 603. 611. Sclussrede, philosophische I, 120. Schmerz XI, 107. XII, 550f. Schmuck X, 142. Schöne, das II, 749. 827ff. 850ff. III, 70. VI, 461ff. VIII, 578. X, 122f. 124. 126f. 134. 143. 155. 164ff. 192f. 224. 236. 297f. XII, 565. Schönheit I, 330. II, 650. 837. VI, 461. X, 43. 65f. 117. 120. 123. 130. 133. 139ff. 148f. 155. 161. 171. 208. 211. 225. 256f. 293. 312. XII, 566. 641. -, anhängende X, 146f. -, freie X, 146ff. -, intellektuelle X, 197. 312. -, zufällige II, 657. Schöpfung I, 266. 329. 333ff. III, 239. VII, 228f. VIII, 874. X, 405. 412. 417. 419. Schöpfungsgeschichte I, 240. Schöpfungstheorie VII, 228. Schranke V, 227. 229. Schreck XII, 584. Schrift VIII, 767. -, heilige (vgl. Heiliges Buch) VIII, 734. 762. 773ff. XII, 498. Schriftauslegung XI, 303. 311. 314. -, philosophische XI, 310. Schriftgelehrsamkeit VIII, 774ff. 836. XI, 302. Schriftsteller I, 20 Schüchternheit XII, 586f. Schulbegriff IV, 700. Schule VIII, 775. XII, 731. Schullehrer I, 26. Schwärmerei III, 35. 133. V, 263. VII, 191. 208. VIII, 761. 776. 846. X, 202. XII, 435. 472. 498. 514. -, moralische VII, 207ff. -, religiöse VIII, 846. Schwere I, 23. VIII, 805. IX, 75. Schwerkraft I, 505. Seele I, 29. 35. 343. 381. 384. 483ff. II, 764. 814. 893. 931ff. 945ff. III, 112f. IV, 341. 343f. 350f. 358f. 362ff. 367f. 384ff. 396ff. 591f. V, 107. 206ff. 290. VI, 381. VIII, 514. 551. X, 323. 421. 441. XI, 259. XII, 457. -, menschliche II, 927. 940f. -, unsterbliche I, 395. Seelenkraft VIII, 581. Seelenlehre IV, 383. IX, 11. X, 425.

-, empirische (vgl. empirische Psyhologie) IV, 342. VII, 58. IX, 15. -, rationale (vgl.rationale Psychologie) IV, 341ff. 353. 367. -, transzendentale III, 336. IV, 344. 452. Seelenwissenschaft IX, 16. Sehnsucht X, 86. XII, 579. Sein, das II, 632. IV, 533. Selbst, das III, 137. 182. XI, 259. -, denkendes IV, 384f. -, identisches IV, 372. Selbständigkeit IX, 118. XI, 145. 150. -, bürgerliche VIII, 432. Selbstanschauung III, 152. Selbstbewusstsein III, 153. 172. 174. IV, 345ff. 355. 382. 397. 427. VI, 406. 601. X, 444. XI, 259. XII, 416f. 427f. Selbsterheltung VIII, 553. -, moralische VIII, 551. Selbsterkenntnis III, 153. 267. IV, 355. -, empirische XII, 427. -, moralische VIII, 576f. Selbstliebe VII, 52f. 148. 193ff. VIII, 649. 695f. -, mechanische VIII, 673. -, moralische VIII, 697. -, physische VIII, 673. -, vergleichende VIII, 673. Selbstmord VIII, 552. 554f. XII, 589f. Selbstpeinigung VIII, 140. Selbstschätzung VIII, 530. 569. Selbstsucht VII, 193. VIII, 568. Selbsttätigkeit IV, 408. Selbstzufriedenheit VII, 247. Senkungskraft I, 251. Sensation XII, 446. Sensorium II, 949. Sensus communis X, 224f. Sentenz XI, 297. Setzung II, 632. Sicherheit, bürgerliche XI, 97. -, moralische VIII, 864. Sicherheitsmaxime VIII, 863. Sinn III, 134. 173. 284f. VIII, 315. IX, 205. XII, 445. 3 -, äusserer II, 954. 956. III, 39. 71. 92. XII, 445. 450. -, gemeinschaftlicher X, 225. 227. -, innerer III, 71. 92f. 141. 149ff. 167. 189ff. 199. 217. 241. IV, 360. XII, 416f. 428. 445. 456f. -, moralischer VII, 151. VIII, 531.

Sinnenempfindung X, 222. 240. XII, 458. 465. Sinnengeschmack X, 127f. 157. Sinnenlehre, transzendentale III, 66. Sinnenvermögen XII, 462. Sinnenwelt (mundus phänomenon) III, 51. 279. 283. IV, 419. 423. 434. 436f. 508ff. 669. V, 45. 57. 65. 214. 228ff. 236ff. VII, 87ff. 156f. Sinnenwesen (vgl. Phänomenon) III, 276. V, 183. VIII, 550. 841. Sinnesart XII, 633. Sinneserkenntnis V, 31. Sinnesurteil, ästhetisches X, 38. 40. 43. Sinnesvikariat s. Vikariat der Sinne Sinnliche, das V, 35ff. VI, 590. 656. Sinnlichkeit III, 30. 66. 69ff. 75. 87f. 93. 97f. 109. 180. 188f. 194. 234. 280. IV, 472. V, 29. 150ff. 333ff. VI, 432. 460ff. VIII, 315. XII, 425. 432ff. 445. 479. 505. Sitte X, 62. XII, 778. Sittengesetz (vgl. Gesetz der Sittlichkeit) IV, 678. 687. VII, 13. 140. 142f. 188. VIII, 319. XI, 106. Sittenlehre VII, 11. 216. VIII, 320. 668. -, christliche VII, 260. Sittenvorschrift X, 200. Sittliche, das II, 945. III, 324. Sittlichkeit II, 773. IV, 681. 685. 600. V, 274. VI, 518. VII, 34ff. 68. 82. 149. 241. 248f. 254ff. 262. 292. VIII, 332. 555. 655. X, 194. 202. 294. 298. 413f. X, 194. 202. 294. 298. 413f. XI, 309. XII, 680. 746f. Sittsamkeit XI, 89. XII, 444. Sitz der Seele XI, 255f. 259. Skandal VIII, 602. 614. Skeptiker III, 12. VI, 504. Skeptizismus III, 35f. 61. 133. IV, 412. 471. 646. 651. V, 121. 131. 134. 225. 236. 343ff. VI, 408. 514f. 668. 671. VII, 119. 166ff. X, 157. Sklave VIII, 396. Sohn Gottes VIII, 713f. 720. 729. 808. Solidität IX, 64. Sollen, das II. 770. IV, 498f. VII, 42f. XI, 242. XII, 776. -, moralisches VII, 91. Sollizitation IX, 119. Sonne I, 238. 250. 260. 273. 279. 299. 323ff. 345-355. 371. II, 718. Sonnensystem (vgl. System der Sonne) I, 299.

Sonnenwelt I, 259. Sophisterei VIII, 746. Sozialkontrakt VIII, 457. XI, 159. Spanien, Spanier II, 869. 871. XII, 661. 665. Spekulation II, 985. III, 51. VII, 267. Spezifikation IV, 572ff. X, 27. 95. Spiel X, 141. XII, 552. 616. - der Empfindungen X, 258. 262. 271. Spiel, freies X, 132. Spielart XI, 12f. Spinozimus V, 279. VI, 641. VII, 228. X, 344. 377. 400. XI, 185. Spion XI, 200. Spiritualismus IV, 554. VIII, 793. Spiritualität IV, 344. Spontaneität III, 97. 136. 155. VIII, 811. X, 109. XII, 416. 427. - der Anschauung X, 360. - der Begriffe III, 97. - des Denkens III, 110. 116. 152. - der Handlung IV, 430. - der Ursachen IV, 428. X, 366. - der Vorstellungskraft III, 135. - der Willkür VIII, 670. Sprache II, 949. XII, 500. 732. -, menschliche II, 632. Sparchkunde II, 909. Stadt VIII, 429. 431ff. 466ff. 682. 775. 853. XI, 41ff. 155. 170ff. 196ff. 210ff. 329. -, despotischer X, 296. -, ethischer VIII, 753. 786. -, göttlicher VIII, 765. 801f. -, monarchischer X, 296. Staatenkongress VIII, 474f. Staatenverbindung, XI, 44. Staatenverein VIII, 474. 682. Staatsbankrott XI, 199. Staatsbürger VIII, 432f. Staatsbürgerrecht XI, 203. Staatsform VIII, 461. XI, 206. 208. 364. Staatsmann X, 187. Staatsoberhaupt VIII, 461. XI, 146f. 156ff. 160ff. 233. 366. Staatsrecht VIII, 429-465. XI, 164. 245. Staatsschulden XI, 170. 198. Staatsverfassung VIII, 441. 464. 487. 498f. XI, 163. XII, 687. -, vollkommene XI, 45. Stammbegriff III, 64. 119. Statut VIII, 838. XI, 284. 296. 301.

Sterben, das XII, 465. Sterblichkeit XI, 374. Stern I, 258ff. 264. -, neblicher I, 240. 265ff. Stetigkeit V, 49. IX, 120. Stiftung VIII, 492. Stimmrecht IX, 152. Stimmung X, 158. Stoff I, 385. 505. II, 692. 717. V, 19. 105. Stoiker VI, 453. VII, 153. 177. 209. 239ff. 244f. 258. VIII, 554. 617. 709. 711. Stoizismus XI, 375. Stoss II, 578f. Strafe II, 797. VII, 150. VIII, 453. XI, 105f. -, moralische XII, 742f. -, physische XII, 742f. Strafgesetz VIII, 453. Strafrecht VIII, 452ff. Strafwürdigkeit VII, 150. Streit, mathematischer I, 121. Strom II, 696ff. Subjekt I, 413. II, 599ff. 633f. 947. III, 74. -, absolutes V, 205. -, denkendes III, 336f. IV, 368. 385ff. 391f. 633. V, 205. -, transzendentales IV, 363. 366. 452. 461. 497. Subreption X, 180. Subsistenz III, 118. 224. V, 73. 178. Substanz (vgl. Begriff der Substanz) I, 28. 34. 501f. II, 537ff. 930. 935. 948. III, 48. 192. 220ff. 237ff. 242ff. 263. 274. IV, 362f. 405. 484. V, 19ff. 75ff. IX, 65. 107ff. -, einfache I, 489. II, 525. 649. 747. 756. 928. IV, 351f. X, 377. -, endliche I, 497. IX, 109. -, existierende I, 31. -, geistige II, 927. 930. 945. -, materielle IX, 55f. 110. -, zusammengesetzte IV, 364. 420. Substantialität II, 531. Substrat, intelligibles X, 62. 286. -, sinnliches X, 62. -, übersinnliches X, 62. X, 281f. 285ff. 370. 378. Subtraktion II, 785f. Sünde I, 393. II, 796. VIII, 691. 727. XI, 107. 309. Sukzession III, 151. Supernaturalist VIII, 823. Supernaturalismus XI, 322.

Superstition VII, 268. VIII, 421. 844. X, 188. X, 316. Syllogismus XII, 686. Syllogistik II, 610. Symbol II, 948. VI, 613. X, 296f. XII, 497f. Sympathie, moralische II, 838. Synopsis III, 134. Synthesis II, 744. 761. III, 18. 54. 116f. 135. 249. VI, 492. X, 16. - der Anschauungen IV, 619. - der Apperzeption III, 155. - der Apprehension III, 154f. 157. 161ff. 165. 229. - des Bedingten IV, 466. - der Bedingungen III, 330. IV, 393f. - nach Begriffen III, 171. - der Einbildungskraft III, 164. 173ff. 178f. 243. - der Erscheinungen III, 233. - des Gleichartigen III, 155. 204. VII, 230. - des Mannigfaltigen III, 116f. 134. 163. 175. 205. - der Rekognition III, 161. 165. - der Reproduktion III, 161. 163ff. - des Verstandes III, 141. - der Vorstellungen III, 199. Synthesis, empirische IV, 466f. X, 25. -, figürliche III, 148ff. -, objektive IV, 400. -, produktive III, 174f. -, progressive IV, 403. -, regressive IV, 403. -, reproduktive III, 175. -, reine III, 117. 190. -, sukzessive IV, 407. 141. -, transzendentale der Einbildungskraft III, 148ff. System I, 243. 253. 260. 327. II, 623. III, 107. Iv, 630. 695ff. V, 192. VI, 475. 501. 651. IX, 11. X, 9. 16. 57. 65. XI, 128. - der Fixsterne I, 261. - der Natur I, 332. - der Philosophie III, 63. X, 9. - der Sittlichkeit IV, 680. - der Sonnen I, 250. - der Vernunft VIII, 308. - der reinen Vernunft III, 18. 62. 237. - der Wissenschaft III, 28.

der Zwecke V, 224. VIII, 510. X, 326. 330. System, dualistisches XI, 178f. -, empirisches X, 22. -, logisches X, 27. -, metaphysisches IX, 19. -, planetisches I, 238. 364. -, repräsentatives XI, 208. -, teleologisches X, 389. -

Tadel II, 794. Tätigkeit, innere II, 814. 935. Täuschung XII, 440. Tafelmusik X, 240. Tagelöhner VIII, 451. Takt, logischer XII, 424. Talent VII, 154. X, 241f. XII, 537. Tanz X, 141. 264. Tapferkeit VIII, 509. 537. XII, 591. Tat VIII, 329. Tatsache X, 435. 443. Taufe VIII, 868. 876. Tauglichkeit II, 664. X, 390. Tautologie s. tautologischer Satz Technik X, 14. 341. - der Natur X, 17f. 26. 32. 34. 46. 341ff. 366. Technik, organische X, 48. Technizismus, teleologischer X, 368. Teilbarkeit IX, 56. -, unendliche IX, 58ff. Teilung IX, 55f. XI, 258. Teleologie IV, 598. VII, 70. X, 307. 324. 332f. 350f. 368. 371f. XI, 106. - der Natur (vgl. Zweckmässigkeit der Natur) VI, 631. Teleologie, moralische X, 406. 409. 450. -, natürliche X, 168. -, physische X, 397f. 401f. 405f. 409f. 417f. -, praktische IX, 168. Tempel VIII, 767. Tempeldienst VIII, 848. Temperament XII, 626ff. -, cholerisches XII, 627. 629f. -, melancholisches XII, 627. 629. -, phlegmatisches XII, 627. 630. -, sanguinisches XII, 627f. Terrorismus XII, 415. -, moralischer XI, 353. Testament VIII, 410. -, neues VIII, 826.

Teufel VIII, 734. Theismus V, 231f. X, 342. 346. Theist IV, 556f. Theodizee I, 33. 184. XI, 105-124. 116. Theokratie, jüdische VIII, 735. Theologie III, 356. IV, 556-563. 709. VI, 391. 644ff. X, 350. 371. 406. 419. 424ff. 441. 450. 452. XI, 228. 300. Theologie, biblische VIII, 655ff. -, natürliche II, 743-773. III, 95. IV, 556f. V, 237. X, 436. -, philosophische VIII, 655f. -, physische X, 455. -, rationale IV, 706. -, reine IV, 634. -, spekulative IV, 684. -, transzendentale IV, 394. 521. 556. 562f. 685. V, 222. VI, 673. Theorem IV, 543. Theorie VIII, 322. XI, 127ff. 143. -, wahre I, 233. Theosophie VI, 645. X, 424. 448. Therapeutik XI, 373. Thetik IV, 409. Theurige X, 424. Tibet XI, 215f. Tiefsinnigkeit XII, 528. Tier II, 613f. 938. X, 430. XII, 407. 697. Tiergattung X, 374. XI, 12. Tierkreis I, 264. Tierreich VIII, 747. XI, 11. Tod I, 390. II, 945. VII, 738. XI, 371. Todesstrafe VIII, 457. Ton X, 140f. 263. Tonkunst X, 267f. Tonspiel X, 271. Topik VIII, 481. XII, 488. -, logischer III, 291. -, transzendentale III, 291f. Torheit II, 889f. 969. VIII, 604. XI, 185. XII, 524. 572. 688. Totalität (vgl.Begriff der Totalität) III, 122. IV, 645. - der Bedingungen III, 328ff. VII, 234. - der Synthesis IV, 454. 467. Totalität, absolute IV, 402ff. 452. 457. 470. 554. Trägheit II, 809.. V, 160. IX, 88. 109f. 118f. Trägheitskraft II, 553ff. 569. 574ff. IX, 116. 118. Transzendental V, 252.

Transzendentale, das III, 101. Transzendentalphilosophie II, 519. III, 63ff. 108f. 137. 186. 306. IV, 412. 451. 453. 674. 704f. V, 140. VI, 604. 607f. VII, 15. IX, 168. X, 219. Trauerspiel II, 830. X, 264. Traum II, 893. 947. V, 154. X, 329. XI, 381. XII, 476f. 495ff. Traurigkeit XII, 584. Trennung IX, 55. Triangel (vgl. Begriff des Triangls) III, 22. 166. 178. 206. 252. IV, 530f. 613. V, 148. X, 308. Trichotomie X, 109. Trieb II, 837. 889. Triebfeder II, 749. III, 65. VII, 59. 191f. 196f. 200f. VIII, 323ff. 684f. XI, 135. - der reinen praktischen Vernunft VII, 211. Triebfeder, moralische VII, 199. VIII, 761. Trunkenheit XII, 463f. Türkei XII, 661. 670. Tugend I, 393. II, 837. 887. III, 323. IV, 513. VII, 35. 58. 143. 207. 238ff. 259. VIII, 509. 513. 520f. 525f. 528. 535ff. 566. 617. 670. 697. 709. 859. 878f. X, 285. XI, 137. 286. XII, 437. -, adoptierte II, 837. 854. -, echte II, 837ff. -, edle II, 854. Tugend, schöne II, 854. -, wahre II, 834. 836f. Tugendbegriff VIII, 857. Tugendgesetz VIII, 753. Tugendgesinnung VIII, 754. 845. 857. Tugendlehre II, 914. III, 100. VIII, 325. 340. 503ff. 508ff. 525ff. 617ff. 856. Tugendpflicht VIII, 347. 503f. 512. 520. 523ff. 542f. 754. Tugendschimmer II, 838. Tugendstolz VIII, 570. Tugendwahn VIII, 845. Typik VII, 190. Typus VII, 188ff. Űbel VII, 177ff. X, 184. XI, 99. 107. Űbereinstimmung I, 131. II, 657. 674. -, zweckmässige X, 102. Űbergewicht II, 794. Űberlegung (vgl. Reflexion) III, 285f. -, transzendentale III, 286f. 309.

Űbernatürliche, das II, 667ff. 672ff. VIII, 851. 866. 870. Űberredung IV, 687f. VI, 592f. 634. Űbersinnliche, das VI, 593ff. 637ff. 659ff. VIII, 841. X, 81. 83. 280. 288. 367. 425. 433. 442. XI, 176. 312. Űbertretung VIII, 330. 521. Űberzeugung II, 768. IV, 687ff. VI, 501ff. -, moralische X, 429. Űppigkeit XI, 88. XII, 578f. Umganstugend VIII, 613. Umkehrung, logische II, 603. Umlaufszeit I, 251. Unbedingte, das III, 27f. 318. 328f. IV, 402ff. 407ff. VI, 622ff. 630f. 668f. VII, 107. 234f. X, 287. Unbegrenztheit X, 165. Undankbarkeit VIII, 596f. Unding III, 307. Undurchdringlichkeit II, 541ff. 641. 757ff. 791. 929. IV, 546f. V, 160. IX, 53f. 62ff. 85f. Unendliche, das I, 326. 329. 380. II, 727f. V, 15ff. X, 177f. -, mathematisches V, 17. Unendlichkeit (vgl. Begriff der Unendlichkeit) I, 330. II, 733. IV, 414. V, 25. -, mathematische II, 591. Unerlaubte, das VII, 116. Ungeheure, das XII, 569. Ungereimtheit, metaphysische I, 38. Ungeselligkeit XI, 40f. Unglaube III, 35. V, 282. -, dogmatischer X, 440. -, moralischer VIII, 715. 740. -, naturalistischer VIII, 782. Ungleichheit XI, 95. 97. 147. Unitarier XI, 177f. Universalenzyklopedie VI, 468. Universalhistorie VIII, 788. Universalmonarchie VIII, 682. 787. XI, 225. Universität VIII, 654. XI, 279. Universum I, 331. 355. II, 673. 811. Unlauterkeit VIII, 677. Unlust (vgl. Lust und Unlust) II, 749. 792ff. III, 65. VII, 175. VIII, 315ff. X, 135. Unmöglichkeit II, 637. III, 119. V, 213. Unmüdigkeit XI, 53f. XII, 522f. Unrecht XI, 161. Unredlichkeit VIII, 863.

Unschuld VII, 32. VIII, 691. Unsinnigkeit XII, 530. Unsterblichkeit III, 33. 49. 338. VI, 411. 632f. VII, 107ff. 264. 266. X, 437. 442. - der Seele IV, 672. VII, 252ff. X, 440. Untergang I, 379. Unterlassung II, 805. Unterscheidung, metaphysische I, 121. Unterscheidungsgrund, subjektiver V, 269f. Untersuchung II, 286. -, mechanische I, 69. -, metaphysische I, 75. 121. II, 621. V, 245. Untertan VIII, 460. XI, 146ff. 153f. Unterweisung XII, 698. Untugend II, 795. VIII, 520. 603. Unvernunft XII, 534. -, positive XII, 531. Unwissenheit IV, 644. V, 271. VI, 469f. XII, 516. Unzufriedenheit, moralische XI, 137. Urbild IV, 513. 519. Urheber II, 694. 721. -, göttlicher II, 690. Ursache (vgl. Begriff der Ursache) I, 311. 431. II, 694. 735. 985. III, 47. 237. IV, 375. 409. - der Bewegung I, 27. - der Dinge II, 912. - der Welt V, 75. - und Wirkung III, 226f. 236. V, 115. Ursache, äussere II, 805. IX, 109. -, bestimmende V, 220. -, erste I, 365. 370. II, 517. 653. 665. 729. 768. V, 75. -, gemeinsame I, 503. -, hervorbringende I, 127. -, höchste IV, 527f. 550. -, innere II, 805. -, intelligible IV, 491. -, materiallistische I, 273f. -, mechanische I, 127. 237. II, 519. 716. -, natürliche I, 364. -, notwendige V, 75ff. -, oberste I, 503. X, 423. 448. -, physikalische I, 70. -, transzendentale IV, 390. -, unabhängige II, 729. -, verständige X, 352. -, wirkende I, 148. 507. II, 667. IV, 493. V, 216. X, 320f. 378. XI, 354.

Ursprung I, 339. 356. II, 692. VIII, 688. - der Begriffe VI, 523f. - der bösen VIII, 688. - 694. - der Erkenntnis III, 117. - der Irrtümer I, 118. - des Welsystems I, 236. Ursprung, mechanischer I, 359. II, 688. Urteil I, 25. II, 600. 611f. 907. III, 46. 110ff. 141ff. 290. 308f. IV, 346. 530. V, 171f. VI, 531-544. 603. IX, 20. X, 157ff. -, ästhetisches X, 35ff. 59. 62. 100. 103. 108. 116. 136. 139. 144. 207. 214. 218f. -, allgemeines II, 659. III, 112. 286. VI, 532. X, 215. -, alternatives IX, 124. 128f. -, analytisches III, 52ff. 196ff. IV, 629. V, 125f. 134. 345f. 364ff. VI, 596. 611. 603f. Urteil, apodiktisches III, 114. VI, 539f. -, a priori III, 46f. 96. V, 126f. 346ff. VI, 364. X, 211. 219. 432. -, assertorisches III, 114. V, 304f. VI, 539f. -, bedingtes V, 180. -, bejahendes II, 599. 614. III, 112. 286. VI, 534. -, besonderes III, 286. VI, 532ff. -, bestimmendes VI, 504. X, 37. -, einzelnes III, 112. VI, 532. -, disjunktives III, 114f. 122. V, 201. VI, 535ff. XI, 124. 128f. -, distributives IX, 129. -, empirisches III, 235f. V, 163. 194. 384. -, exponibles VI, 540f. -, gemeingültiges III, 112. -, hypothetisches III, 115. VI, 535ff. -, idetisches IV, 530. -, kategorisches III, 135. 142. V, 195. VI, 535f. -, logisches X, 116. 145. 216. -, mathematisches III, 55. V, 127. -, metaphysisches V, 129. 133. -, moralisches X, 117. 234. 298. XII, 509. -, objektives III, 286. X, 36. -, praktisches X, 39. 62. -, problematisches III, 114f. IV, 660. V, 305. VI, 359f. -, reflektierendes X, 33. 37. 102. -, reines III, 309. -, synthetisches III, 52f. 198ff. IV, 649. V, 125ff. 167. 345. 361ff. VI, 596. 663. -, synthetisches a priori III, 54f. 59. 201. X, 219.

-, teleologisches X, 34. 42. 46. 48. 50. 54ff. 59f. 208. 315. 329. -, theoretisches X, 39. 62. 170. -, unendliches III, 112f. VI, 534. -, unerweissliches II, 614. -, verneinendes II, 599. 613f. III, 113. 286. IV, 610. VI, 534f. -, vernünftelndes X, 278. -, wahres II, 765. Urteilskraft I, 22. III, 13. 183ff. 315. VIII, 572. X, 15ff. 20ff. 47f. 60ff. 74ff. 85ff. 95. 107. 217. 220. 257. 296f. 358ff. XI, 127. XII, 506ff. 511f. 539f. 547. 731. 736. -, ästhetische X, 63. 65f. 268ff. X, 178. 221. 227. 233. 293. XII, 565. -, bestimmendes VI, 563. X, 24. 33. 67. 87f. 334. -, dialektische X, 277. -, freie X, 197. -, intellektuelle X, 192. -, logische X, 65. 221. -, menschliche X, 358. -, moralische VIII, 860. -, praktische VII, 186ff. -, reflektierende VI, 563. X, 24ff. 64ff. 87ff. 93. 100. 239. 334. 362. 369. -, reine X, 219. -, subjektive X, 217. -, technische X, 14. 51. -, teleologische X, 67. 104ff. -, transzendentale X, 87. 91. 278. 334. -, vernünftelnde X, 277. Urwesen II, 662. III, 95. IV, 520. 547. V, 272. VI, 673. X, 405. 427. 443. 449. -, verständiges X, 351. 450. Varietät IX, 146ff. XI, 12f. Vaterland VIII, 460. Venus I, 250. 268. 289. Verabscheuung II, 794. Veränderung I, 491. II, 675. 808ff. III, 47. 80. 83. 224ff. 239f. 265f. IV, 424. 434. 440. V, 21ff. 49. 81. 356. IX, 109. XI, 182f. Vebindlichkeit II, 770ff. IV, 450. VII, 74. 143. 203. VIII, 327ff. X, 61f. XII, 751. 810f. Verbindung II, 692. III, 134ff. 204. V, 13ff. -, äusserliche I, 31. -, reale VII, 239. -, wesentliche VIII, 789.

-, willkürliche II, 744. -, wirkliche I, 32. Verbindungsbegriff II, 632. Verblendung I, 21. Verbot II, 797. XI, 201. Verbrechen, das VII, 150. VIII, 330. XI, 107. 156. Verdienst II, 625. VIII, 814. Verdruss II, 825. Verfahren II, 911. -, dogmatisches III, 36. X, 347. -, kritisches VI, 515. X, 347. -, skeptisches IV, 652. -, synthetisches III, 27. Verfassung VIII, 429. -, allgemeine I, 275. -, aristokratische VIII, 762. -, bürgerliche II, 887. 899. 907. VII, 292. VIII, 366. 374. 453. XI, 39. 41. 94. 143f. 153. 203. 364. XII, 681. 686. -, demokratische VIII, 762. XI, 206. -, hierarchische VIII, 735. -, kirchliche XI, 162. -, monarchische VIII, 762. -, naturrechtliche XI, 360. -, politische VIII, 790. -, rechtliche VIII, 497f. XI, 203. 234. -, republikanische XI, 204ff. 223. 358. 361. -, staatsbürgerliche XI, 169. -, systematische I, 253. 258. 296. 307. 327. 335. II, 943. XI, 46. -, weltbürgerliche XI, 165. 169. Vergehen, das III, 224ff. Vergleichung I, 433. II, 599. 985. Vergleichungsbegriff III, 287. Vergnügen II, 825f. X, 270f. 439. XII, 550ff. 584. Verhältnis I, 497. - des Denkens III, 113. Verhältnis, objektives X, 134. Verhalten, moralisches II, 668f. Verhöhnung VIII, 605. Verknüpfung II, 670. III, 216. 226. 248. -, dynamische V, 215. -, logische VII, 239. -, mathematische V, 215. Verleumdung VIII, 604. Vermögen II, 612. 614. IV, 351. - des innern Sinnes II, 614. Vermögen, inneres II, 934. -, intellektuelles X, 108. -, moralischea XI, 286.

-, physisches VIII, 851. -, sittliches VIII, 536. -, transzendentales der Einbildungskraft III, 165. Verneinung II, 590. 648. 765. 790. IV, 517ff. Verneinung, transzendentale IV, 517. Vernünftelei XII, 510. Vernunft II, 612. 887. 907. 985. III, 21. 23f. 49. 62. 183. 261. 310ff. 314ff. 333f. IV, 357. 399. 401ff. 410ff. 441f. 498ff. 504ff. 509f. 514. 562ff. 574. 586f. 628ff. 666. 671.f 698. V, 198ff. 218ff. 234ff. 271ff. VI, 622ff. 668ff. VII, 20ff. 41f. 88. 171. 179. 249ff. VIII, 621. 724. 743f. 842. IX, 13. 146. X, 15. 20. 47f. 61f. 74. 82. 106. 172. 182. 193. 287. 317. 353. 409. XI, 35. 92. 113f. 211. 282. 290. 343. XII, 506ff. 547. 600. 605. 682. 731. 736. 778. -, boshafte VIII, 683. -, faule IV, 594. 654. -, gemeine VII, 33. -, gesetzgebende IV, 600. VIII, 537. 587. XI, 145. -, kritische IV, 664. V, 118. -, menschliche I, 26. 44. 180. II, 707. 983. III, 11. 51. 60. IV, 449. 513. 564. 640. V, 114. 211. 282. VIII, 311. 718. 773. 784. X, 427. XI, 219. XII, 795. -, moralischgesetzgebende VIII, 752. -, moralisch-praktische VIII, 517. X, 419. XI, 172. -, ibjektiv-praktische VII, 287. -, pasive VIII, 845. X, 226f. -, praktische IV, 686. VI, 496ff. VII, 36. 41. 83. 95. 107f. 110f. 139f. 212f. 250ff. 267. VIII, 675. 725. X, 417f. XII, 429. -, reine (vgl. Begriff der reinen Vernunft) III, 14. 18. 26. 62. 317ff. 330ff. 336ff. IV, 393f. 501. 590. 604. 686. V, 119. 122. 202. VI, 661. 666. VII, 99f. 107. 120f. 132f. 155. 213ff. 234. X, 73. 416f. -, reine praktische VI, 636. 647. VII, 107. 158. 163. 171. 269. VIII, 354. 526. -, spekulative III, 28ff. 33. IV, 538. 559. 658. V, 279. VII, 107. 156. 212f. 250ff. VIII, 624. X, 438. -, subjektiv-praktische VIII, 287. VIII, 860. -, technische X, 49. -, technisch-praktische VIII, 517. X, 419. XII. 607. -, theoretische VII, 267ff. X, 353.

-, transzendentale IV, 413. -, verkehrte IV, 598. Vernunftbedürfnis VIII, 764. Vernunftbegriff III, 320. 326. 329. 339. IV, 653. V, 198. VIII, 659. X, 347. -, dynamischer IV, 490. -, notwendiger IX, 127. -, praktischer VIII, 358. 826. X, 223. -, reine V, 195. 197. 223. -, transzendentaler III, 328. 330ff. V, 196. X, 280. Vernunfteinheit III, 314. 317. 330. IV, 567ff. 590. Vernunfterkenntnis III, 24. IV, 621. 699. VI, 444ff. VII, 117. -, formale VII, 11. -, materiale VII, 11. -, mathematische IX, 15. -, reine V, 136. IX, 13. XI, 291. -, transzendente V, 199. Vernunftgebrauch IV, 519. VIII, 744. XII, 511. Vernunftgebrauch, apodiktischer IV, 567. -, dialektischer V, 221 VI, 449. -, diskursiver IV, 617. -, empirischer IV, 510f. 611. -, gesetzloser V, 281. -, hypothetischer IV, 567. -, immanenter X, 49. -, intuitiver IV, 617. -, moralischer IV, 678. VII, 109. VIII, 746. X, 452. -, natürlicher IV, 559. -, öffentlicher XI, 55. -, polemischer IV, 631. -, praktischer IV, 657. V, 274. VII, 101. 120. -, reiner III, 29. 59. V, 228. IX, 20. -, skeptischer IV, 643. -, spekulativer IV, 559. 630. 670f. 673. V, 224. 267f. VII, 101. IX, 19. -, systematischer IV, 593. -, technischer X, 333. -, theoretischer IV, 557. 680. VII, 120. 168. 269. -, transzendentaler III, 183. 326. IV, 611. 672. 689. -, transzendenter X, 49. Vernunftglaube IV, 694. V, 276ff. VI, 498. VII, 257. VIII, 762. -, moralischer VI, 502. -, praktischer VII, 278. 280.

-, reiner VIII, 795. 833f. XI, 271. Vernunfthypothese V, 277. Vernunftidee II, 962. VI, 473. X, 151. 250. 283ff. 442. -, moralische VIII, 782. Vernunftinteresse VIII, 316f. Vernunftlehre II, 581. III, 99. VIII, 828. Vernunftliebe VIII, 697. Vernunftmaxime XI, 71. Vernunftprinzip IV, 679. Vernunftregel II, 985. Vernunftreligion VIII, 659. 771. 773. 775f. 785ff. 820f. 826f. 836. Vernunftschluss II, 600ff. 611f. III, 313. 317. 327. 339f. V, 200. VI, 551-563. VII, 214. -, bejahender II, 601. 614. -, disjunktiver III, 315. IV, 518f. VI, 552f. 561f. -, hypothetischer III, 115. 315. IV, 400. VI, 552f. 560. -, kategorischer III, 315. IV, 400. VI, 552ff. -, kosmologischer IV, 466. -, reiner II, 602ff. -, vermischter II, 602ff. -, verneinender II, 601. 614. Vernunftunglaube V, 282. Vernunftursprung VIII, 688. Vernunfturteil X, 178. Vernunftvermögen III, 13. -, praktisches VIII, 654. -, reines III, 60. VII, 214. Vernunftwesen IV, 590f. VIII, 550 X, 434. Vernunftwissentschaft IV, 453. VII, 271. Verpflichtung VIII, 608. Verrückung II, 892ff. 956. XII, 530ff. Verschiedenheit III, 287f. Verschuldung VIII, 330. Versoffenheit VIII, 560. Versorgung XII, 709. Verstand I, 18. 22f. 32. 42. 117. 326. 357. II, 612. 649ff. 829. 888f. 907ff. 969. III, 21. 26. 48f. 63. 66. 69. 97f. 105f. 107ff. 118. 135ff. 149ff. 161. 175. 180f. 183ff. 202. 234. 242. 259ff. 269. 274. 282ff. 304. 312ff. 330ff. IV, 401f. 411. 488. 498. 574 V, 67. 79. 151. 154f. 159. 185ff. 203. 230f. 332. VI, 432ff. 460ff. 603. VII, 88. 129. 188. VIII, 315. 516. 860. IX, 20. 123. 166. X, 15. 20. 33f. 47f. 61f. 73f. 82. 94. 100. 106. 132f. 145. 160. 176. 182. 215.

257. 285. 353f. 389. XI, 120. 341ff. XII, 407. 422. 426. 432ff. 479. 505ff. 547. 566. 731. 736. -, anschauender (vgl. intuitiver Verstand) VII, 270. X, 41. 354. 360. -, architektonischer X, 338. 376. -, diskursiver V, 225. VI, 377. X, 559. -, endlicher I, 35. -, feiner II, 899. -, gemeiner IV, 444. V, 247f. VI, 441. X, 157. -, gesunder II, 621. 899. 912. V, 118. X, 75. XII, 506f. -, göttlicher I, 275. 391. 471. 497. 501. III, 144. VI, 379f. -, höchster I, 234. 356. X, 445. -, intuitiver (vgl. anschauender Verstand ) X, 360f. -, kontemplativer X, 193. -, menschlicher I, 15. 19. 77. II, 610. 761. 943. 969. III, 140. V, 17. 99. 113. X, 356. -, natürlicher XII, 508. -, oberster X, 454. -, produktiver X, 394. -, reiner III, 16. 107. 119. 175. 181. 201. IV, 671. V, 231. VII, 171. -, richtiger XII, 506f. -, spekulativer V, 118. 247f. -, unendlicher I, 232. 358. -, unser III, 145. VI, 379. X, 359ff. -, urbildlicher X, 361. -, verkehrter I, 233. Verstandesbegriff II, 729. III, 30. 303. 319f. 339. V, 27. 35. 85ff. X, 280. 283. XI, 127. XII, 430. -, reiner (vgl, Kategorie) III, 116ff. 128. 145ff. 160. 171. 175. 182. 187ff. 227. 274. IV, 512f. V, 133. 166ff. 171. 180f. 183ff. 193ff. 198. VI, 603. 606. VII, 183 .269. IX, 119ff. X, 86. -, transzendentaler V, 339. Verstandeseinheit III, 317. 330. Verstandeserkenntnis III, 107. 139. 194. 280. 314. IV, 566ff. V, 39. 199. Verstandesgebrauch III, 98. V, 31. -, logischer V, 31ff. 83. -, notwendiger VI, 435. -, physiologischer V, 195. -, realer V, 31ff. 83. Verstandesgesetz (vgl. Gesetz des Verstandes) IV, 639. X, 58.

Verstandeshandlung (vgl. Handlung des Verstandes) III, 135. V, 193. Verstandeskraft, obere XII, 736. Verstandesschluss III, 315. VI, 545-551. Verstandesurteil II, 623. Verstandesverbindung III, 148. Verstandesvermögen III, 108. Verstandeswelt III, 279. 283. V, 45. 71. 183. VII, 87ff. 95. 156f. Verstandeswesen (vgl. Noumenon) III, 277. IV, 509. V, 185. 203. 237. Vertrag VIII, 383ff. 398f. -, ursprünglicher XI, 151. 158. 197. 205. Verwandtschaft IV, 577. XII, 479. Verwunderung X, 199. 311. XII, 442. 569. 563. Vielheit II, 591. III, 118. -, qualitative III, 124. Vikariat der Sinne XII, 454. Vitalempfindung XII, 446. Vivifikation I, 177. Völkerbund XI, 42. 209. Völkerrecht VIII, 429. 466-475. XI, 165. 170f. 203. 208. 225. 246. 249. Völkerstaat XI, 212. Volk VIII, 429.464f. 807. X, 300. XI, 160ff. 208. 293ff. XII, 658. - Gottes VIII, 757ff. Volkaufklärung XI, 362. Volksglaube VIII, 772ff. Volkswille VIII, 432. Vollkommenheit I, 330. II, 588ff. 650. 652. 671. 674. 685. 704ff. 726f. 732. 771. 812. III, 125. IV, 599. V, 39ff. VII, 77ff. 154. VIII, 516. 583. X, 40ff. 143f. 148. 247. 282. 312. - der Erkenntnis VI, 491. - des menschlichen Verstandes I, 17. Vollkommenheit, absolute II, 588f. -, ästhetische VI, 461ff. -, eigene VIII, 515. 649. -, formale VIII, 516. -, innere XII, 433. -, logische VI, 461ff. -, materiale VIII, 516. -, moralische V, 39. VIII, 523. 582. 714. 813. -, physische VIII, 581f. -, qualitative X, 143. -, relative X, 312. -, sittliche VIII, 517. -, transzendentale X, 344.

Vollständigkeit III, 107. -, qualitative III, 124. Vorbereitung, metaphysische I, 38. Vorhersehen, das VIII, 785. Vorhersehungsvermögen (vgl. Divinationsvermögen) III, 486. 490. Vorschrift II, 912f. -, praktische VII, 126f. 145. 180. -, sittliche II, 988. Vorsehung I, 340. XI, 99. 102. 169. 217ff. 356. XII, 491. 683. Vorstellung I, 29. 381. 481. II, 612ff. 629ff. 749. 896. 947. 956. 985. III, 25. 38. 69. 110. 131. 136f. 162. 169. 174. 232. 326. IV, 379ff. 462f. V, 337ff. X, 19. 131f. 134. 205. - des Gegenstandes II, 772. - des Ich III, 93. - des Raumes III, 72. Vorstellung, ästhetische X, 100. -, a priori III, 72. -, bildliche V, 267. -, deutliche III, 88. XII, 418. 421. -, dunkle II, 760. XII, 418ff. -, einfache VI, 459. -, empirische III, 234. IV, 472. IX, 17. -, geistige II, 948. -, inexponible X, 284f. -, intellektuelle III, 257. Vorstellung, mathematische I, 119. II, 834. -,meine III, 138. -, notwendige III, 72. 78. -, reine III, 70. 232. V, 35. -, schöne X, 246. -, sinnliche V, 149. X, 40. XII, 434. -, subjektive III, 76. -, symbolische VIII, 76. -, symbolische VIII, 800, 843. XII, 473. -, transzendentale III, 101. -, transzendente VI, 672. -, undeutliche III, 88. VI, 459. XII, 421. -, zusammengesetzte VI, 459. Vorstellungsart X, 132. -, ästhetische X, 34f. 41. 197. -, anthropomorphistische X, 424. -, diskursive XII, 571. -, intuitive X, 295. XII, 570. Vorstellungskraft II, 814. 935. Vorurteil I, 17. 24. VI, 595ff. X, 226. Wärme II, 800. Wahn VIII, 839. XII, 612.

-, abergläubischer VIII, 847. -, praktischer VIII, 839. -, schwärmischer VIII, 847. 870. Wahnglaube VIII, 870. Wahnsinn II, 892f. 897. 956. VIII, 859. X, 202. XII, 513f. 530. Wahnwitz II, 893. 898. X, 202. XII, 513f. 530. Wahre, das II, 771f. Wahrhaftigkeit II, 829. VIII, 637ff. 642. XI, 121f. XII, 637. 744. Wahrheit (vgl. Kriterium der Wahrheit) I, 18. 20. 409ff. 419. 425. 429ff. 441. 517. III, 102ff. 115. 125. 179. 201. 228. 268. 308. IV, 564. 567. 665. 688. V, 43. 140. 154ff. 276. VI, 442. 476ff. 494f. VIII, 637. X, 225. 299. XI, 290. XII, 409. 506. 544. -, ästhetische VI, 464. -, bejahende I, 413. -, empirische IV, 433. -, formale VI, 477. -, logische VI, 478. -, materiale VI, 477. -, physische I, 323. -, transzendentale III, 193. 250. -, verneinende I, 413. Wahrnehmung II, 662. III, 72. 146. 154f. 176f. 208ff. 216ff. 234ff. 242ff. 253. IV, 342. 356. 379. 462f. V, 166ff. 332. VI, 609. XII, 416. 433. -, äussere III, 257. V, 207. -, innere III, 93. -, mögliche III, 157. 178. Wahrnehmungsurteil V, 163. 165ff. VI, 544. Wahrsagergabe XII, 493. Wahrscheinligkeit III, 308. VI, 512f. 637. X. 432. Wasser II, 701. Wasserfall II, 699. Wechsel III, 225. Wechselbegriff VI, 528. Wechselwirkung I, 279. 356. II, 945. III, 242f. IX, 111. Weib XII, 648ff. 656. Wein VIII, 561. Weisheit II, 574. 693. 724. VI, 410f. VII, 32. 262. VIII, 710. X, 401. 406. XI, 106. 185. XII, 511. Weisheit Gottes I, 131. Weisheit, ägypthische VI, 451. -, göttliche XI, 186.

-, höchste I, 355. 372. VIII, 735. 843. XI, 106f. -, menschliche IV, 513. VIII, 576. XI, 185f. 296. -, moralische XI, 106. 114f. -, negative XI, 114. -, praktische XI, 232. Weisheitslehre VII, 236. 302. Welt I, 32. 242. 328. 340. 358. 503. II, 587f. 653. 808. 811. III, 114f. 259. IV, 408. 412ff. 457. 468ff. 482. 538. 550. 600. V, 13. 19ff. 75ff. 220. 271. VIII, 665. XI, 116. -, bessere II, 588. -, existierende I, 34. II, 817. -, immaterielle II, 937f. 940. 944f. -, intellektuelle VII, 87. -, intelligible IV, 361. V, 185. VII, 94. 96. IX, 62. X, 357. -, künftige II, 989. VIII, 831f. -, moralische IV, 679ff. 684. VIII, 585. -, übersinnliche XI, 115. -, unendliche IV, 416. 418. -, vollkommenste II, 590. Weltall IV, 455. 468. Weltanfang IV, 408. Weltbau I, 74. 228. 241. -, planetarischer I, 250. 264. 273-282. 326. 345. 370. Weltbaumeister IV, 553. V, 75. Weltbegebenheit, natürliche II, 667. Weltbegriff IV, 401. 409. 457. 593. 700f. Weltbestes X, 414. 416. XI, 47. Weltbetrachtung VII, 301. -, teleologische X, 397. Weltbürgerrecht VIII, 429. 475ff. XI, 203. 213. 216. Weltganze, das IV, 588f. IX, 132. Weltgebäude I, 326. 330. 338. Weltgeschichte XI, 47. XII, 401. Weltgrenze IV, 408. Weltgrösse IV, 457. 479f. V, 214. Weltherrscher VIII, 655. -, moralischer VIII, 758. 806. Weltidee IV, 459. Weltkenntnis XII, 399f. Weltklugheit XII, 746f. Weltkörper II, 695. Weltkugel I, 351. Weltordnung I, 350. Weltraum I, 331. Weltregierer XI, 47.

Weltregierung, moralische VIII, 760. Weltreligion VIII, 826. Weltrepublik XI, 213. Weltrichter VIII, 807. Weltschöpfer IV, 553. Weltsystem I, 260. 340. Welturheber IV, 556f. 601. X, 450. -, moralischer VI, 632. X, 416. 429. 437. Weltursache IV, 556. -, moralische X, 413. -, oberste X. 421. -, verständige X, 339. Weltverfassung I, 331. Weltweisheit (vgl. Philosophie) I, 32. 36. 236. II, 592. 682. 746ff. 762ff. 779. 908f. 913. -, allgemeine praktische II, 914. -, faule I, 358. -, höhere II, 662. -, moralische II, 914. Weltweisheit, natürliche VII, 11. -, praktische II, 652. 770. 773. XII, 809. -, sittliche VII, 11. Weltwissenschaft, metaphysische IX, 95. -, transzendentale III, 336. Werk X, 237. Werkzeug X, 321ff. Wert II, 673. -, absoluter X, 121. 403f. -, ästhetischer X, 265-270. -, moralischer II, 815. VII, 24ff. 33. 203. VIII, 678. X, 438. XII, 735. -, sittlicher VII, 191. 218. 289. Wesen (vgl. Begriff eines Wesens) I, 32. 311. 356. II, 726. IX, 11. - der Dinge II, 659. - aller Wesen I, 358. II, 337. IV, 520. Wesen, absolut notwendiges IV, 529. 531. -, allerrealstes II, 647. IV, 523. 531. 538ff. 548. V, 357. X, 444. -, denkendes IV, 345. 348. 362. 365. 368f. -, einfaches II, 928. IV, 350. V, 318. -, endliches VII, 143. 201. 253. -, ethisches gemeines s. ethisches Gemeinwesen -, geistiges I, 353. 392. II, 911. 925. 928. 958. 961. 963. -, gemeines s. Gemeinwesen -, göttliches IV, 587. -, handelndes VII, 243.

-, höchstes I, 357. II, 631. 723. 815. IV, 520. 535. 542. 549. 560. 563. 633. V, 230ff. 278. VII, 273. VIII, 575. -, immaterielles II, 928ff. 937. V, 230. -, intelligibles IV, 508. 654. -, juridisches gemeines s. juridisches Gemeinwesen -, logisches VI, 489. -, materielles II, 911f. X, 363. -, moralisches VIII, 553. 563. 757. X, 404f. 419. -, notwendiges II, 644-649. 650ff. 768. IV, 434ff. 458. 506ff. 525f. 536ff. 545. V, 93. 220. VI, 642f. 667. 674f. VII, 232. 276. VIII, 701. -, oberstes II, 727. -, orgenisiertes IX, 163. 165ff. X, 322. 324f. 378. -, selbstständiges I, 31. -, übersinnliches X, 453. -, vernünftelndes X, 434. -, vernünftiges I, 354. II, 614. VII, 39ff. 60. 63ff. 156ff. XII, 480. -, verständiges X, 353. Widerlegung II, 795. Widerspruch II, 985.V, 99. VI, 643 - der Vernunft III, 61. Widerspruch, innerer II, 638. Widerstand I, 29. 41. 135. II, 698. 757. 929. Widerstreit II, 614. 637. III, 288. Wiedervergeltungsrecht VIII, 454f. Wilde, der II, 880f. Wille I, 453ff. II, 649ff. 653. 663ff. 674f. 889. 943. IV, 671. VI, 390. VII, 26ff. 41. 59f. 81ff. 96ff. 120. 141ff. 171. 175. 180f. 213. 252. 256. VIII, 317. 332. 539. IX, 110. 166. X, 79. 135. 317. XI, 132. Wille, allgemeiner II, 944f. XI, 159. 240. -, freier VII, 82. 138. 192. -, gesetzgebender VII, 63ff. VIII, 763. -, göttlicher II, 817. 946. VII, 42f. 191. VIII, 765. XI, 205. -, guter VII, 18f. 21. 42. 70f. 80. X, 404. -, heiliger VII, 43. 74. 143. VIII, 717. -, menschlicher I, 473. VII, 42f. -, oberster IV, 684. -, öffentlicher XI, 150. 153. -, reiner VII, 139. 143. 171f. 237. -, vereinigter XI, 42. Willensbestimmung VII, 130. 159. VIII, 650.

Willkür II, 665. 670. 934. VI, 489f. 502. 675. VII, 317. 332f. -, freie IV, 675. VIII, 318f. -, göttliche II, 700. -, menschliche IV, 489. VIII, 318. -, sinnliche IV, 489. -, tierische IV, 489. VIII, 318. Wind I, 230. II, 660f. Wirkliche, das II, 638f. III, 259f. IV, 379. 534. V, 81. Wirklichkeit II, 634. 643. 725ff. III, 262f. - der Dinge III, 253. X, 354f. Wirklichkeit, logische III, 115. Wirksamkeit II, 539. 929. 935. Wirkung (vgl. Ursache und Wirkung) I, 30. 83. II, 574. 577. 735. III, 237f. IV, 375. X, 237. XI, 354. -, äussere II, 930. -, übernatürliche II, 677. -, unschädliche I, 140. Wissen, das III, 33. IV, 689. V, 276. VI, 494f. 499. -, histotisches VI, 471. -, spekulatives IV, 446. Wissenschaft I, 18. II, 622. 907. III, 20f. 36f. 59ff. 107. IV, 450. 645. 695ff. V, 113f. 124. 257. VI, 410. 501. 571. VII, 302. VIII, 657. IX, 11ff. X, 216. 254. 330. 392. XII, 577. 809. -, historische II, 908. VII, 271. -, mathematische II, 908. -, mechanische II, 594. -, philosophische X, 371. -, rationale IX, 12. -, schöne X, 239. Witz II, 829. 888. XII, 511f. 537. 539ff. Wohl, das VII, 177ff. Wohlfahrt XI, 360. Wohlgefallen, das VII, 298. X, 116ff. 123f. 220. 223. 271. XII, 570. -, ästhetisches X, 148. -, freies X, 123. -, intellektuelles X, 148. 197. -, moralisches X, 197. XII, 560. -, negatives X, 195. 198. -, notwendiges X, 160. -, objektives X, 312. -, positives X, 195. 198. -, unmittelbares X, 143. Wohlgewogenheit II, 835. Wohlhabenheit, moralische VIII, 552. Wohltätigkeit VIII, 588-591.

Wohlwollen VIII, 587ff. Wollust II, 669. VIII, 557. Wort II, 747. 754. 762. Würde II, 837. VI, 446. VII, 68f. VIII, 569. 600. Würdigkeit VII, 262. VIII, 801. 814. XI, 131. Wunder I, 356. II, 672-678. 682. V, 105. VIII, 715. 740ff. -, dämonisches VIII, 743f. -, theistisches VIII, 743f. Wunderglaube VIII, 745. Wunsch VIII, 317. 871. XI, 108. XII, 579. -, moralischer VII, 244. Zahl I, 33. II, 590f. III, 191. V, 95. Zahlbegriff X, 172f. Zaubern, das VIII, 850. Zeichen II, 746ff. 762f. 933. 949. XII, 497. 499ff. Zeichnung X, 141. Zeit (vgl. Begriff der Zeit; Raum und Zeit) I, 46. 50. 388. II, 749. 753. 948. III, 78-86. 92. 151. 162. 188. 190ff. 199. 216f. 220ff. 240ff. IV, 383. 403f. 424. 434. 493. V, 45ff. 81. 93. 253f. VI, 624ff. IX, 16. X, 52. XII, 429. -, absolute III, 234. 246. -, endliche I, 155. -, künftige IV, 403. -, leere IV, 415. 417. 419. -, unendliche I, 40. Zeitalter III, 13. V, 283. -, aufgeklärtes XI, 59. -, goldenes XI, 101. -, synkretistisches VII, 132. Zeitbestimmung III, 192. 255f. -, transzendentale III, 188. Zeitfolge III, 237. Zeitinbegriff III, 193. Zeitinhalt III, 192. Zeitordnung III, 192f. 234. Zeitreihe III, 192. Zeitursprung VIII, 688. Zeitverhältnis III, 221. Zensur VIII, 653. - des Geschmacks X, 206. - der Vernunft IV, 646. Zentralbewegung I, 279. 320. Zentralgesetz III, 28. Zentralkörper I, 252f. 278f. 286ff. 332. 352. 368.

Zentralkraft I, 252. II, 720. Zentripetalkraft I, 250. Zeremonialglaube VIII, 737. Zergliederung I, 421. II, 744. 748f. III, 51. V, 15. 246. Zerstreuung XII, 518. Zeugung, natürliche VIII, 736. Zeugungskraft XI, 72ff. Zierat X, 142. Zirkel I, 108. X, 308. Zirkelbewegung I, 279. 294. Zirkelschluss I, 33. Zivilisierung X, 229f. XI, 44. XII, 680. 707. Zodiallicht I, 323-325. II, 719. Zoologie II, 911. Zorn XII, 585. Zucht XII, 698. Zufällige, das IV, 524. Zufälligkeit II, 644. 662. 675. III, 119. 265. IV, 437ff. 545. V, 101. - der naturformen X, 344. Zufriedenheit XII, 553. 556. -, ästhetische VII, 247. -, intellektuelle VII, 247. Zugleichsein, das III, 217. 243ff. V, 27. 53. Zukunft II, 945. 661. VIII, 931. Zuneigung VIII, 653. Zurechnung VIII, 334. Zurückstossung I, 326. IX, 64ff. Zurückstossungskraft I, 242. 277. II, 547ff. IX, 49f. 73. 166. Zusammendrückung IX, 52ff. Zusammenfassung X, 33. 173f. 182. Zusammengesetzte, das II, 529f. IX, 62. Zusammenhang II, 662. 673. IX, 76. 86ff. Zusammensetzung II, 523. IV, 420f. V, 13ff. VI, 608. Zusammenstimmung II, 666. 691. Zustand der Natur I, 233. 275. - der Ruhe I, 29. - der Seele I, 30. Zustand, bürgerlicher VIII, 350. 366. 375. 423. 429ff. XI, 145. 148. -, erster I, 271. -, ethischbürgerlicher VIII, 753. -, föderativer XI, 249. -, gesellschaftlicher VIII, 423. XII, 565. -, gesetzlicher XI, 203. -, gesetzloser XI, 42. -, innerer I, 28. III, 71. 81. -, moralischer XI, 179.

-, natürlicher VIII, 423. -, rechtlichbürgerlicher VIII, 753. -, rechtlicher VIII, 422. XI, 148. 156. 246f. 249. -, weltbürgerlicher XI, 44. 47. Zwang VIII, 338. XI, 144. -, sittlicher VIII, 537. Zwangsrecht XI, 146. 149. 160. Zweck II, 673. 770f. VII, 59ff. 266. VIII, 505. 510ff. 514ff. 650f. 653ff. IX, 167. X, 46. 50. 89. 134ff. 143. 362. 383. XI, 239. - der Natur s. Naturzweck Zweck, göttlicher VIII, 629. -, innerer X, 143. -, letzter VII, 262. X, 383. 387. -, materialer VII, 59. -, moralischer XI, 167. -, objektiver VII, 60. VIII, 653. X, 136. -, subjektiver VII, 60. Zwecklehre VIII, 515. Zweckbestimmung, moralische X, 409. Zweckeinheit X, 344. Zweckmässige, das XI, 78f. Zweckmässigkeit X, 30ff. 61f. 89. 99f. 135. 207. 309. 357. - der Natur(vgl. Teleologie der Natur) VI, 630. VIII, 651. X, 16f. 29ff. 48f. 58. 89. 93. 108. 345f. - ohne Zweck X, 135. 143. 161. 235. Zweckmässigkeit, absolute X, 30. -, ästhetische X, 197. 260. 286. -, äussere X, 381f. -, figürliche X, 48. -, formale X, 38. 104. -, innere X, 65. 146. 313. 324f. 381f. -, intellektuelle X, 197. 309. -, logische X, 29f. -, materiale X, 38. 246. 313. -, objektive X, 66f. 142ff. 208. 306f. 312f. 384. -, praktische X, 89f. -, reale X, 30. 104. -, relative X, 65. 313ff. -, subjektive X, 42f. 66. 104. 136. 144. 175. 221. 281. 305. -, teleologische X, 47. -, transzendentale X, 95. Zweckverbindung X, 314. Zweckwidrige, das XI, 106f. Zweifel I, 20. VI, 513f. Zweifelglaube X, 440. Zwischenmerkmal II, 599.

1) 2) 3) 4)

INHALTSVERZEICHNIS VON DEN VERSCHIEDENEN RASSEN DER WELT Von der Verschiedenheit der Rassen überhaupt …..………………………………….11 Einteilung der Menschengattung in ihre verschiedenen Rassen ……………………...14 Von der unmittelbaren Ursachen des Ursprungs dieser verschiedenen Rassen ………17 Von den Gelegenheitsursachen der Gründung verschiedener Rassen ………………..28

IDEE ZU EINER ALLGEMEINEN GESCHICHTE IN DER WELTBŰRGERLICHEN ABSICHT ……………………………………………………………………………………………..33 Erster Satz …………………………………………………………………………………35 Zweiter Satz ……………………………………………………………………………….35 Dritter Satz ………………………………………………………………………………..36 Vierter Satz ………………………………………………………………………………..37 Fünfter Satz ……………………………………………………………………………….39 Sechster Satz ………………………………………………………………………………40 Siebenter Satz ……………………………………………………………………………...41 Achter Satz ………………………………………………………………………………...45 Neunter Satz ……………………………………………………………………………….46 BEANTWORTUNG DER FRAGE : WAS IST AUFLÄRUNG ………………………………………………………………………………………………53 BESTIMMUNG DES BEGRIFFS EINER MENSCHENKLASSE ………………………………………………………………………………………………65 1. Nur das, was in einer tiergattung anerbt, kann zu einem Klassenunterschiede in derselben berechtigen …………………………………………………………………………66 2. Man kann in Ansehung der Hautfarbe vier Klassenunterschiede der Menschen annehmen ……………………………………………………………………………….67 3. In der Klasse der Weissen ist, ausser dem, was dem, was zur Menschengattung überhaupt gehört, keine andere charakteristische Eigenschaft notwendig erblich; und so auch in den übrigen …………………………………………………………….68 4. In der Vermischung jener genannten vier Klassen mit einander artet der Charakter einer jeden unausbleiblich an …………………………………………………………..69 5. Betrachtung über das Gesetz der notwendig halbschlächtigen Zeugung ……………...70 6. Nur das, was in dem Klassenunterschiede der Menschengattung unausbleiblich anerbt, kann zu der Benennung einer besonderen Menschenrasse berechtigen ………….74 Anmerkung …………………………………………………………………………………77 MUTMASSLICHER ANFANG DER MENSCHENGESCHICHTE ………………………………………………………………………………………………85 Beschluss de Geschichte ……………………………………………………………………95 Schluss-Anmerkung ………………………………………………………………………...98 ŰBER DAS MISSLINGEN ALLER PHILOSOPHISCHEN

VERSUCHE IN DER THEODIZEE ……………………………………………………………………………………………...105 Schlussanmerkung …………………………………………………………………………119 ŰBER DEN GEMEINSPRUCH : DAS MAG IN DER THEORIE RICHTIG SEIN, TAUGT ABER NICHT FŰR DIE PRAXIS ………………………………………………………………………………………………127 I. Von dem Verhältnis der Theorie zur Praxis in der Moral überhaupt ( Zur Beantwortung einiger Einwürfe des Hrn. Prof. Garve ) ………………………………..130 II. Vom Verhälnis der Theorie zur Praxis im Staatsrecht (Gegen Hobbes) ………...143 III. Vom Verhälnis der Theorie zur Praxis im Völkerrecht. In allgemein - philanthropischer, d.i. kosmopolitischer Absicht betrachtet ( Gegen Moses Mendelssohn) ……………………………………………………………………………..165 DAS ENDE ALLER DINGE ………………………………………………………………………………………………175 ZUM EWIGEN FRIEDEN. EIN PHILOSOPHISCHER ENTWURF Zum ewigen Frieden ……………………………………………………………………….195 Erster Abschnitt, welcher die Präliminarartikel zum ewigen Frieden unter Staaten enthält 1. Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden …………………………..196 2. Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder gross, das gilt hier gleichviel) von einem andern Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung, erworben werden können …………………………………………………………………………………196 3. Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören …………………197 4. Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äussere Staatshändel gemacht werden ……………………………………………………………………………………...198 5. Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen ……………………………………………………………………………..199 6. Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der Meuchelmörder (percussores), Giftmischer (venefici), Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats (perduellio), in dem bekriegten Staat etc………………………………………………………………………………..200 Zweiter Abschnitt, welcher die Definitivartikel zum ewigen Frieden unter Staaten enthält …………………………………………………………………………………….203 Erster Definitivartikel zum ewigen Frieden. Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein …………………………………………………………204 Zweiter Definitivartikel zum ewigen Frieden. Das Völkerrecht soll auf einem Föderalismus freier Staaten gegründet sein…………………………………………….208 Dritter Definitivartikel zum ewigen Frieden. Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein ………………………………….213 Erster Zusatz. Von der Garantie des ewigen Friedens ………………………………..217 Zweiter Zusatz. Geheimer Artikel zum ewigen Frieden ………………………………227

Anhang I. Űber die Misshelligkeit zwischen der Moral und der Politik, in Absicht auf den ewigen Frieden ……………………………………………………………228 II. Von der Einhelligkeit der Politik mit der Moral nach dem transzendentalen Begriffe des öffentlichen Rechts ………………………………………………244 AUS SÖMMERING ŰBER DAS ORGAN DER SEELE …………………………………………………………………………………………….255 DER STREIT DER FAKULTÄTEN Zueignung ………………………………………………………………………………..265 Vorrede …………………………………………………………………………………...267 Inhalt ……………………………………………………………………………………...275 Erster Abschnitt. Der Streit der philosophischen Fakultät mit der theologischen Einleitung …………………………………………………………………………….. 279 Einleitung der Fakultäten überhaupt ………………………………………………280 I. Vom Verhältnisse der Fakultäten Erster Abschnitt. Begriff und Einleitung der oberen Fakultäten ……………….282 A. Eigentümlichkeit der theologische Fakultät ……………………………..285 B. Eigentümlichkeit der Juristenfakultät ……………………………………287 C. Eigentümlichkeit der medizinischen Fakultät …………………………...288 Zweiter Abschnitt. Begriff und Einteilung der untern Fakultät ………………...289 Dritter Abschnitt. Vom gesetzwidrigen Streit der oberen Fakultäten mit der unteren ……………………………………………………………………...292 Vierter Abschnitt. Vom gesetzmässigen Streit der oberen Fakultäten mit der unteren ………………………………………………………………………….296 Resultat………………………………………………………………………….300 II. Anhang einer Erläuterung des Streits der Fakultäten durch das Beispiel desjenigen zwischen der theologischen und philosophischen. I. Materie des Streits …………………………………………………..300 II. Philosophische Grundsätze der Schriftauslegung zu Beilegung des Streits …………………………………………………………...303 III. Einwürfe und Beantwortung derselben, die Grundsätze der Schriftauslegung betreffend ………………………………………………..304 Allgemeine Anmerkung. Von Religionssekten …………………………….315 Friedens-Abscluss und Beilegung des Streits der Fakultäten……………….330 Anhang biblisch-historischer Fragen, über die praktische Benutzung und mutmassliche Zeit der Fortdauer dieses heiligen Buchs ……………………338 Anhang von einer reinen Mystik in der Religion …………………………...340 Zweiter Abschnitt. Der Streit der philosophischen Fakultät mit der juristischen Erneuerte Frage: Ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei ? 1. Was will man hier wissen ? ……………………………………………351 2. Wie kann man es wissen ?……………………………………………...351 3. Einteilung des Begriffs von dem, was man für die Zukunft vorherwissen will …………………………………………………………….352

a. Von der terroristischen Vorstellungsart der Menschengeschichte………………………………………………………...353 b. Von der eudämonistischen Vorstellungsart der Menschengeschichte ……………………………………………………...353 c. Von der Hypothese des Abderitisms des Menschengeschlechts zur Vorherbestimmung seiner Geschichte …………………….354 4. Durch Erfahrung unmittelbar ist die Aufgabe des Fortschreitens nicht aufzulösen……………………………………………………………...355 5. An irgendeiner Erfahrung muss doch die wahrsagende Geschichte des Menschengeschlechts angeknüpft werden…………………………….356 6. Von einer Begebenheit unserer Zeit, welche diese moralische Tendez des Menschengeschlechts beweiset …………………………………..357 7. Wahrsagende Geschichte der Menschheit …………………………….360 8. Von der Schwierigkeit der auf das Fortschreiten zum Weltbessten angelegten Maximen, in Ansehung ihrer Publizität…………………...362 9. Welchen Ertrag wird der Fortschritt zum Besseren dem Menschengeschlecht abwerfen ?…………………………………………………365 10 In welcher Ordnung allein kann der Fortschritt zum Besseren erwartet werden ? …………………………………………………………...366 Bescluss ……………………………………………………………………….367 Dritter Abschnitt. Der Streit der philosophischen Fakultät mit der medizinischen Von der Macht des Gemüts durch den blossen Versatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein. - Ein Antwortschreiben an Herrn Hofrat und Professor Hufeland …………………………………………………………………………..371 Grundsatz der Diätetik ……………………………………………………………375 1. Von der Hypochondrie ……………………………………………….378 2. Vom Schlafe ………………………………………………………….380 3. Vom Essen und Trinken ………………………………………………383 4. Von dem krankhaften Gefühl aus der Unzeit im Denken …………….385 5. Von der Hebung und VerHütung krankhafter Zufälle durch den Vorsatz im Atemziehen……………………………………………………386 6. Von den Folgen dieser Angewohnheit des Atemziehens mit geschlossenen Lippen ………………………………………………………….388 Beschluss ………………………………………………………………………………….389 Nachschrift ………………………………………………………………………………..392 ANTHROPOLOGIE IN PRAGMATISCHER HINSICHT Vorrede…………………………………………………………………………………….399 Inhalt ………………………………………………………………………………………493 Erster Teil. Anthropologische Didaktik. Von der Art, das Innere sowohl als das Äussere des Menschen zu erkennen Vom Bewusstsein seiner selbst ……………………………………………………407 Vom Egoism …………………………………………………………………….408 Anmerkung. Űber dir Förmlichkeit der egoistischen Sprache …………….411 Von dem willkürlichen Bewusstsein seiner Vorstellungen ……………………..412 Von dem Beobachten seiner selbst ……………………………………………..413 Von den Vorstellungen die wir haben, ohne uns ihrer bewusst zu sein ………...417 Von der Deutlichkeit und Undeutlichkeit im Bewusstsein seiner Vorstellungen..421 Von der Sinnlichkeit im Gegensatz mit dem Verstande …………………………...424 Apologie für die Sinnlichkeit …………………………………………………....432

Rechtfertigung der Sinnlichkeit gegen die erste Anklage …………………433 Rechtfertigung der Sinnlichkeit gegen die zweite Anklage………………...434 Rechtfertigung der Sinnlichkeit gegen die dritte Anklage……………….…435 Vom Können in Ansehnung des Erkenntnisvermögens überhaupt ………….….436 Von dem erlaubten moralischen Schein ………………………………………...442 Von den fünf Sinnen …………………………………………………………….445 Vom Sinne der Belastung …………………………………………………..447 Vom Gehör ………………………………………………………………....448 Von dem Sinn des Sehens………………………………………………….449 Von den Sinnen des Geschmacks und des Riechens……………………….450 Allgemeine Anmerkung über die äusseren Sinne ………………………….451 Fragen ………………………………………………………………………453 Vom inneren Sinn ………………………………………………………………..456 Von den Ursachen der Vermehrung oder Verminderung der Sinnenempfindungen dem Grade nach……………………………………………………………..458 a. Der Kontrast …………………………………………………………...458 b. Die Neuigkeit ………………………………………………………….459 c. Der Wechsel……………………………………………………………460 d. Die Steigerung bis zur Vollendung ……………………………………461 Von der Hemmung, Schwächung und dem gänzlichen Verlust des Sinnesvermögens ………………………………………………………………………….462 Von der Einbildungskraft ………………………………………………………….466 Von den sinnlichen Dichtungsvermögen nach seinen verschiedenen Arten …..475 Von dem künstlichen Spiel mit dem Sinnenschein ……………………………..440 A. Von dem sinnlichen Dichtungsvermögen der Bildung……..………….476 B. Von dem sinnlichen Dichtungsvermögen der Beigesellung …………..477 C. Das sinnliche Dischtungsvermögen der Verwandtschaft ……………..479 Von dem Vermögen der Vergegenwärtigung des Vergangenen und Künftigen durch Einbildungskraft……………………………………………………485 A. Vom Gedächtnis ………………………………………………………486 B. Von dem Vorhersehungsvermögen (praevisio)………………………..490 C. Von der Wahrsagergabe (facultas divinatrix)………………………….493 Von der willkürlichen Dichtung im gesunden Zustande, d.i. vom Traume ……495 Von dem Bezeichnungsvermögen (facultas signatrix) …………………………497 Anhang …………………………………………………………………………502 Vom Erkenntnisvermögen so fern es auf Verstand gegründet wird Einteilung……………………………………………………………………….505 Anthropologische Vergleichung dre drei oberen Erkenntnisvermögen mit einander …………………………………………………………………………506 Von den Schwächen und Krankheiten der Seele in Ansehung ihrer Erkenntnisvermögens A. Allgemeine Einteilung …………………………………………………512 B. Von den Gemütsschwächen im Erkenntnisvermögen………………….515 C. Von den Gemütskrankheiten …………………………………………..526 Zerstreute Anmerkungen …………………………………………………..533 Von den Talenten im Erkenntnisvermögen ……………………………………….537 Von dem spezifischen Unterschiede des vergleichenden und des vernünftelnden Witzes A. Von dem produktiven Witze …………………………………………..539 B. Von der Sagazität oder Nachforschungsgabe ………………………….542 C. Von der Originalität des Erkenntnisvermögens oder dem Genie ……...543

Zweites Buch. Das Gefühl der Lust und Unlust . Einteilung…………………………………………………………………………...549 Von der sinnlichen Lust A. Vom Gefühl für das Angenehme oder der sinnlichen Lust in der Empfindung eines Gegenstandes……………………………………………………………..550 Erläuterung durch Beispiele ……………………………………………………552 Von der langen Weile oder Kurzweile………………………………………….554 B. Vom Gfühl für das Schöne d.i. der teils sinnlichen teils intellektuellen Lust in der reflektierenten Anschauung oder dem Geschmack……………………………..563 Der Geschmack enthält eine Tendenz zur äusseren Beförderung der Moralität .569 Anthropologische Bemerkungen über den Geschmack A. Vom Modegeschmack…………...………………………………………571 B. Vom Kunstgeschmack ………………………………………………….573 Von der Űppigkeit ………………………………………………………….578 Drittes Buch. Vom Begehrungsvermögen ………………………………………………….579 Von den Affekten in Gegeneinander derselben mit der Leidenschaft ……………..580 Von den Affekten insbesondere A. Von der Regierung des Gemüts in Ansehung der Affekten .…………..582 B. Von den verschiedenen Affekten selbst ……………………………….584 Von der Furchtsamkeit und der Tapferkeit …………………………….586 Von Affekten, die sich selbst in Ansehung ihres Zwecksschwächen (impotentes animi motus)……………………………………………….591 Von den Affekten, durch welche die Natur die Gesundheit mechanisch befördert…………………………………………………………………594 Allegmeine Anmerkung……………………………………………………..599 Von den Leidenschaften…………………………………………………………….599 Einteilung der Leidenschaften……………………………………………………602 A. Von der Freiheitsneigung als Leidenschaft ……………………………..603 B. Von der Rachbegierde als Leidenschaft…………………………………606 C. Von d er Neigung zum Vermögen, Einfluss überhaupt auf andere Menschen zu haben …………………………………………………….607 a. Ehrsucht ……………………………………………………………609 b. Herrschsucht ……………………………………………………….610 c. Habsucht ………………………………………………………...…610 Von der Neigung des Wahnes als Leidenschaft ………………………….612 Von dem höchsten physischen Gut ………………………………………………..613 Von dem höchsten moralisch-physischen Gut …………………………………….615 Zweiter Teil. Die anthropologische Charakteristik. Von der Art, das Innere des Menschen aus dem Äusseren zu erkennen Einteilung …………………………………………………………………………..625 I A. Der Charakter der Person ..……………………………………………………..625 II I. Von dem Naturell ……………………………………………………………......… 625 III II. Vom Temperament ..………..…………………………………………..... ……….626 I. Tempermanente des Gefühls A. Das sanguinische Temperament des Leichtblütigen…………………………….628 B. Das melancholische Temperament des Schwerblütigen ………………………..629 II. Temperamente der Tätigkeit C. Das cholerische Temperament des Warmblütigen ……………………………..629 D. Das phlegmatische Temperament des Kaltblütigen ……………………………630

III.

Vom Charakter als der Denkungsart ..………………………………………..633 Von den Eigenschaften, die bloss daraus folgen, dass der Mensch einen Charakter hat oder ohne Charakter ist ……………………………………………………635 Von der Physiognomik …………….………………………………………………..638 Von der Leitung der Natur zur Physiognomik ……………………………………639 Einteilung der Physiognomik ……………………………………………………640 A. Von der Gesichtsbildung………………………………………………...640 B. Von dem Charakteristischen in den Gesichtszügen……………………..643 C. Von dem Charakteristischen der Mienen………………………………..644 Zerstreute Anmerkungen…………………………………………………….646 B. Der Charakter des Geschlechts .………………………………………………….648 Zerstreute Anmerkungen …….…………………………………………………..652 Pragmatische Folgerungen ………………………………………………………655 C.Der Charakter des Volks………………………………………………………….658 D.Der Charakter der Rasse …………………………………………………………671 E.Der Charakter der Gattung ……………………………………………………….672 Grundzüge der Schilderung des Charakters der Menschengattung ……………..685

ŰBER PÄDAGOGIK Vorrede des Herausgebers …………………………………………………………………695 ………………………………………………………………………………………………697 Abhandlung………………………………………………………………………………….712 Von der physischen Erziehung………….…………………………………………………..713 Von der praktischen Erziehung ….………………………………………………………….746 REZENSIONEN ZU PETER MOSCATI VON DEM KÖRPERLICHEN WESENTLICHEN UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DER STRUKTUR DER TIEFE UND MENSCHEN ……………………………………………………………………………………………….767 ZU JAHANN HEINRICH SCHULZ: VERSUCH EINER ANLEITUNG ZUR SITTENLEHRE FŰR ALLE MENSCHEN, OHEN UNTERSCHIED DER RELIGIONEN …………………………………………………………………………………………....….773 ZU JOHANN GOTTFRIED HERDER: IDEEN ZUR PHILOSOPHIE DER GESCHICHTE DER MENSCHEIT Erster Teil ………………………………………………………………………………...…781 Erinnerungen des rezensenten der Herderschen Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit über ein im Februar des deutschen Merkur gegen diese Rezension gerichtetes Schreiben …………………………………………………………………...….794 Zu Johann Gottfried Herder : Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Zweiter Teil .…………………………………………………………………………...…..797 ZU GOTTFRIED HUFELAND:

VERSUCH ŰBER DEN GRUNDSATZ DES NATURRECHTS ………………………………………………………………………………………...…….809 Nachwort des Herausgebers Zu Band XI u. XII …………………………………………………………………....….815 Zur Gesamtausgabe …………………………..……………………………………...…..819 Register ………………………………………………………………………………...…..837 INHALTSVERZEICHNIS BAND I-XII BAND I/II Gedanken von der wahren schätzung der lebendigen Kräfte 7 Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels 219 Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidato/ Neue Erhellung der ersten Grundsätze mataphysischer Erkenntnis 401 Metaphysicae cum geometria iunctae usus in philosophia naturali, cuius specimen I. continet monadologiam physicam / Der Gebrauch der Metaphysik, sofern sie mit der Geometrie verbunden ist, in der Naturphilosophie, dessen erste Probe die physische Monadologie enthält 511 Neuer Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe 565 Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus 583 Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren 595 Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes 617 Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral 739 Versuch, den Begriff der negativen Grössen in die Weltweisheit einzuführen 775 Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen 821 Versuch über die Krankheit des Kopfes 885 Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbenjahre von 1765.1766 903 Traume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik 919 Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raume 991 BAND III/IV Kritik der Vernunft BAND V/VI De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis / Von der Form der Sinnenund Verstandeswelt und ihren Gründen 7 Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können 109 Was heisst : sich im Denken orientieren? 265 Einige Bemerkungen von Herrn Professor Kant ( aus Ludwig Heinrich Jakobs Prüfung der Mendelssohnschen Morgenstunden) 285 Űber eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll 293

Von einem neuerdings erhobenen Ton in der Philosophie 375 Ausgleichung eines auf Missverstand beruhenden mathematischen Streits 399 Verkündigung des nahen Abschlusses eines Traktats zum ewigen Frieden in der Philosophie 403 Logik 417 Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat? 583 BAND VII/VIII Grundlegung zur Metaphysik der Sitten Kritik der praktischen Vernunft Die Metaphysik der Sitten Űber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen Die religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft

7 103 303 635 645

BAND VII/VIII Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft Űber den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie Erste Fassung der Einleitung in die Kritik der Urteilskraft Kritik der Urteilskraft

7 137 7 113

BAND XI/XII Von den verschiedenen Rassen der Menschen 7 Idee zu einer allgemeinene Geschichte in weltbürgerlicher Absicht 31 Beanwortung der Frage : Was ist Aufklärung? 51 Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse 63 Mutmasslicher Anfang der Menschengeschichte 83 Űber das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee 103 Űber den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis 125 Das Ende aller Dinge 173 Zum ewigen Frieden 191 Aus Sömmering, über das Organ der Seele 253 Der Streit der Fakultäten 261 Anthropologie in pragmatischer Hinsicht 395 Űber Pädagogik 691 Reszensionen zu Peter Moscati : Von dem körperlichen wesentlichen Unterschiede zwischen der Struktur der Tiere und Menschen 765 Johann Heinrich Schulz : Versuch einer Anleitung zur Sittenlehre für alle Menschen 771 Johann Gottfried Herder : Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit 779 Gottlieb Hufeland : Versuch über den Grundsatz des Naturrechts Register 837

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