50 Zeitungen für 5 Mio. Russen zwischen Berlin, Wien und Zürich Über 50 russischsprachige Zeitungen und Zeitschriften werden hierzulande gedruckt für 5 Mio. russischsprachige Menschen in Deutschland, 18′000 in Österreich und 13′000 in der Schweiz. Wer sind die Leser der russischsprachigen Printmedien in der Diaspora? Eine Analyse von Sonja Margolina. Von Sonja Margolina 5 Mio. “Russen” in Deutschland, Österreich und der Schweiz Nirgendwo ausserhalb der ehemaligen Sowjetunion leben mehr russische Muttersprachler: In Deutschland ist Russisch mit rund 5 Millionen Sprechern (6,2 Prozent der Bevölkerung) noch vor Türkisch die am zweithäufigsten gesprochene Sprache. Dazu kommen 18′000 (0,22 Prozent der Bevölkerung) russische Muttersprachler in Österreich und 13′000 (0,17 Prozent) Russischsprachige in der Schweiz. Doch diese Pauschalzahlen sind ein zu grobes Instrument, um die unterschwelligen Kriechströme der Migration aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion zum Ausdruck zu bringen: Den russischsprachigen Expat am Zürichsee trennen Welten vom Spätaussiedler im Notaufnahmelager in Holzgerlingen bei Stuttgart – und nicht nur 200 Kilometer. Zudem gibt es mittlerweile auch in Deutschland arrivierte Einwanderer russischer Muttersprache – und neu auch den russischen Mittelstand, der in der Heimat lukrativen Geschäften nachgeht, teilweise aber in Deutschland lebt. Er will mit einem Bein ausserhalb des kriminalisierten und unsicheren Umfeldes in der Heimat stehen. Wenn man zu den Geschäftsleuten deren Familien dazurechnet, erholen sich schätzungsweise 1 Mio. russische Mittelständler in Deutschland von den Strapazen des russischen Kapitalismus. 50 russischsprachige Zeitungen zwischen Berlin, Wien und Zürich Die russischsprachigen Medien in Deutschland müssen sich deshalb an die Spätaussiedler und jüdischen Kontingentflüchtlinge ebenso anpassen, wie an russischsprachige Mittelständler im “Halb-Exil” oder hier lebende russischsprachige Studenten, Akademiker und Künstler. Die beiden russischsprachigen Zeitungen in Österreich und der Schweiz haben es da erheblich einfacher. Über 50 russischsprachige Zeitungen erscheinen heute zwischen Berlin, Wien und Zürich. Von der kleinen “Russkaja Schwejzarija” über die zweisprachige “Deutsch-Russische Zeitung” bis zum grossen “Evropa-Ekspress”. Die hohe Anzahl und beträchtliche Vielfalt der russischsprachigen Medienprodukte spiegelt eine wachsende Diversifizierung der russischen Diaspora wider.
Russischsprachige Zeitungen ohne politisches Profil Mit dem Aufkommen der kommerziellen russischsprachigen Zeitungen im Jahre 2001 wurde die Isolation und Sprachlosigkeit vieler Migranten aufgebrochen, in der sie sich nach der Auswanderung wiederfanden. Die Zeitung hat sie an die Hand genommen und durch das bürokratische Dickicht geführt, sie hat sie über Anzeige- und Interessenseiten mit den anderen Sprachgenossen zusammengebracht und ihnen kleine Jobs vermittelt. Dabei haben die meisten russischsprachigen Blätter kein politisches Profil und informieren oft nur aus zweiter Hand und eher zurückhaltend in der Kommentierung, besonders über die Ereignisse in Russland. Die deutsche respektive österreichische oder schweizerische Innenpolitik interessiert sie nur in dem Masse, wie sie die Existenzgrundlagen der Einwanderer betrifft: soziale Sicherheit steht dabei im Vordergrund. Umgekehrt sind sie ausgewogen, vertreten auch nicht die Sonderinteressen ihrer Herkunftsländer. Die russischsprachigen Printmedien sind an der erfolgreichen Integration der Landsleute interessiert und erfüllen damit eine wichtige Brückenfunktion. So kommt es, dass die spezifische Infrastruktur der Russischsprachigen - ihre Geschäfte, Restaurants, Bücherläden, Arztpraxen, Reparaturwerkstätten - vor allem in den Anzeigen transparent wird. Dort bieten auch Reisebüros Flüge in alle Ecken der ehemaligen Heimat an: von Minsk bis Bischkek, von Nowosibirsk bis Simferopol. Die Werbung wird zum Gradmesser der Interessen, Sehnsüchte und Bedürfnisse der Russischsprachigen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Über die Autorin: Sonja Margolina (1951 in Moskau) ist eine russisch-jüdische Autorin. Nach ihrem Studienabschluss in Biologie und Ökologie an der Moskauer Lomonossow-Universität zog Margolina nach Berlin, wo sie seit 1986 als freie Publizistin lebt. Bekannt wurde Margolina mit ihrem Buch "Das Ende der Lügen" zur Verstrickung russischer Juden in den Roten Terror nach der Oktoberrevolution 1917. Sie erhielt 1991 in Klagenfurt den Preis des Landes Kärnten für internationale Publizistik. Margolina schreibt sozio-politische Artikel für die Zeitschrift Internationale Politik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik DGAP, für die Neue Zürcher Zeitung NZZ und für maiak – The Newsroom of Eastern Europe. Aktuelles Buch: "Wodka: Trinken und Macht in Russland" Sonja Margolina Verlag Wjs ISBN 978-3-93-798903-7
Zur Creative Commons Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/2.5/ch/ Dieser Beitrag von www.maiak.info – The Newsroom of Eastern Europe steht allen Medien, Weblogs und anderen Autoren nutzergenerierter Inhalte zur Verfügung. Sie dürfen das Werk honorarfrei vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen unter der Bedingung der Namensnennung (Autor / maiak.info) und Verlinkung: Von Sonja Margolina / maiak.info Original-Beitrag: www.maiak.info/russischsprachige-zeitungen-fur-5-mio-leser