Der Wurm

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  • July 2020
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  • Words: 620
  • Pages: 2
Der Wurm by Joanna Ravenhill Da war er. Der perfekte Zeitpunkt einen der vielen Neujahrsvorsätze zu verwirklichen. Auf Emmas Vorsatzliste stand an oberster Stelle "gesünder Leben, gesünder Essen, bewußter Essen". Mehr Obst und Gemüse statt Schokolade, Coca-Cola und Chips. Und hier stand nun besagte Gelegenheit. Ihre Kollegin Kelly verteilte ganz gesundheitsbewusst Äpfel an die komplette Abteilung. Ihr Mann Tom, so erzählte sie jedem, dem sie Obstschale hinhielt, hatte den gestrigen Nachmittag mit Äpfeln pflücken verbracht. "Na, komm schon, Emma. Du wirst schon nicht wie Schneewittchen tot umfallen, wenn Du in den Apfel beißt", zog sie Kelly auf. Emma verzog das Gesicht. Sehr lustig, dachte sie sich. Es war ja nicht so, dass sie allergisch auf Äpfel oder Obst allgemein war. Sie aß es nur sehr selten. "Nun gut", sagte Emma, während sie nach einem Apfel griff, "her mit Deiner Vitaminbombe". Demonstrativ und kraftvoll biß sie in den saftig, aber leicht säuerlichen Apfel und warf Kelly einen selbstzufriedenen Blick zu. Kelly dagegen belohnte sie mit einem triumphierenden Lächeln. So saß Emma auf ihrem Bürostuhl und aß genüsslich Ihren Apfel. Um diesen Höchstgenuss zu verstärken und ihren Kollegen den Eindruck zu vermitteln, sie habe noch nie etwas Köstlicheres gegessen, schloss sie theatralisch die Augen. Doch... was war das? Was knirschte denn da zwischen ihren Zähnen oder besser: was knirscht denn da schon wieder? Emma schlug schlartig die Augen auf und starrte den Apfel an. Die Kerne waren noch am Apfel, denn bis zur Mitte war sie noch gar gekommen, aber... Und da erblickte sie es! Ein Riesenloch tat sich in diesem ach so gesundem Apfel auf. Was aber noch schlimmer war: Der vollgefressene Wurm war verschwunden! Mit einem hysterischen Aufschrei sprang sie von ihrem Stuhl auf, rannte zum nächsten Waschbecken und spülte sich laut spuckend, jammernd und gurgelnd den Mund aus. Immer wieder entrang sich ihrer Kehle ein kümmerlicher Jammerton. Sie war zwischen Beherrschung und Wahnsinn hinund hergerissen. Sie eilte zurück an ihren Arbeitsplatz, griff sich die auf ihrem Tisch stehende Wasserflasche, setzt sie an und trank sie in einem Zuge aus. Ihre Kollegen, die sich bislang stark über Emma gewundert hatten, brachen in Gelächter aus. "Was gibt es da zu lachen?!", herrschte Emma sie an. "Oh Gott... Ich habe diesen ekligen Wurm mitgefressen! Und das schlimmste ist, morgen habe ich garantiert Lippenherpes! Ganz sicher!" Ihr Kollege, Jim, der sie offensichtlich von ihrer Hysterie losreißen wollte, trat an sie heran und tätschelte ihr den Rücken. "Jetzt beruhige Dich doch, Emma. Das war nur ein harmloser Wurm. Wenn er seinen Weg in den Apfel gefunden hat, dann heißt das nur, dass dieser ein wirklich guter Apfel gewesen sein muss". Emma warf ihm einen zweifelnden Blick zu. Dann fuhr Jim fort: "Weißt Du, einem meiner Freunde ist einmal etwas viel Widerlicheres passiert." "Ach ja?", fragte Emma abwesend. "Oh ja", antwortete Jim. "Mein Freund... Nennen wir ihn Jack. Also, Jack saß vor vielen Jahren im Bus auf den Weg zur Arbeit und der Typ, der ihm gegenübersaß, mußte plötzlich niesen und hat ihm einen fetten Popel auf die Backe gerotzt." Emma stöhnte angewidert auf. "Tut mir leid, das ist jetzt wirklich eklig", entschuldigte sich Jim. Aber er fuhr unbeirrt mit seiner Erzählung fort: "Jedenfalls... Seit dieser Sache kriegt er jedes Jahr, fast auf den Tag genau, dort einen fetten Pickel." Emma schaute ihn verdutzt an, brach dann aber gemeinsam mit Jim in lautes Gelächter aus. Als die letzte Lachträne versiegte, sagte Emma leise: "Da kann ich ja froh sein, dass ich keinen Bus benutze. In meinem Auto rotzt keiner rum - schon gar nicht auf meine Backe."

The Worm-End _______________________________________ An dieser Stelle möchte ich mich für so manchen widerlichen Ausdruck entschuldigen, der aber für eine lustige Erzählung - zumindest in meinen Augen unerlässlich war.

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