A. Geschichte, Moral, Metaphorik, Ontologie Zwischen Philosophie Und Theologie

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07/II/2c Wolfgang Cernoch

GESCHICHTE, MORAL, METAPHORIK, ONTOLOGIE ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND THEOLOGIE: AUF DER SUCHE NACH DEN BEDINGUNGEN EINER SACHLICHEN DISKUSSION ZWISCHEN THEOLOGIE UND NATURWISSENSCHAFT

1. Die mindestens dreifache Metaphorik: Kulturgeschichte, ästhetischer Ausdruck, das Spekulative an der Theologie selbst Die Spekulationen in theologischen Fragen sind »metaphorisch« aus verschiedenen Gründen; die Überschreitung des Metaphorischen mit der Existenzfrage wird nur dann in aller Deutlichkeit notwendig, wenn der Hochgott selbst auch als Demiurg (Schöpfer) auftritt. Der erste Grund von der metaphorischen Rede ergibt sich aus der historisch-kultursoziologischen Fragestellung, die Religion als Kulturfaktor zur Kenntnis zu nehmen hat. Dabei ergeben sich verschiedene Phasen, wo kulturfördernde und kulturhindernde Momente überwiegen. So ist zu konstatieren, daß das katholisch werdende Christentum, abgesehen von der Urbarmachung (Benedikt von Nursia, karolingische Renaissance, irische Mönche im Babenbergerösterreich), im Hochmittelalter mit Hilfe der maurischen Renaissance die griechische Philosophie gepflogen hat; Bildung war klösterlich. Nicht nur die Übersetzung vom Altgriechischen ins Latein hat die Substanzphilosophie begünstigt, die Einprägung der christlichen Spekulation im Zuge der thomistisch-aristotelischen ontologischen Gottesbeweise haben in vertikaler Transzendenz der causa prima den Ursachebegriff im konsequenzfreien Raum einüben lassen, noch ohne in der horizontalen Wechselwirkung mehr als eine Störung und Auswirkung materieller Unvollkommenheit erblicken zu wollen. Ohne die thomistisch-aristotelischen vier causae (efficiens, materia, forma, finalis) kein expermimentum crucis von Francis Bacon in der Erfahrunswissenschaft. Ohne Totalitätsspekulation im Zuge der Vermengung philosophischer und theologischer Spekulation keine Unendlichkeitsmathematik, keine Formalwissenschaft nach Prinzipien, kein Systemdenken in den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften, kein naturphilosophisches Interesse. Das europäische Prinzipiendenken findet nicht zuletzt aus der Einübung anhand theologischer Spekulationen zu der Präzisierung gegenüber dem griechischen Prinzipiendenken, die einerseits auch die philosophische Spekulation in Aporien treibt, die in der griechischen Philosophie so nicht nötig waren, andererseits gerade in der Verklammerung des Christentums mit der griechischen Philosophie in der scholastischen Ontologie und Metaphysik eine Vorübung für den Aufbruch des naturwissenschaftlichen und insbesondere des logischen Denkens gewesen sind, die weit in die Neuzeit hinein philosophisch wie bis in die Fortsetzung

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des Ablöseprozesses der mathematischen Naturwissenschaften von der allgemeinen Philosophie eine gewisse Fruchtbarkeit bewiesen hat. — Zur historischen Kritik an der katholischen Kirche brauche ich nichts auszuführen, weil das ist ja soweit bekannt und unbestreitbar. Der zweiter Grund für die metaphorische Rede ist dem Thema bereits eingeschrieben, und läßt sich am ehesten mit Poesie, Literatur oder Theater vergleichen, deren Wirklichkeit, obgleich bloß Schein des Lebens, in der Präzision des Ausdrucks das wirkliche Leben symbolisch zu überhohen imstande ist. Hier bleibt zumindest historisch-genetisch auch eine Erweiterung der Reflexionsformen über das Menschenbild zu vermerken, selbst betrachtet man dergleichen konsequent als bloße Projektion wie etwa Feuerbach. Insbesondere zeichnet sich die Endzeit als Thema der Endlichkeit von Geschichte auch in einer nicht theologischen Kultursziologie durch. Der dritte Grund ist der Spekulation über dieses Thema eingeschrieben, insofern Theo-logie methodisch philosophische Spekulation mit »außergewöhnlichen« Prämissen und eigentümlichen Relationsformen genannt werden kann. Das kann zwar zu lokalen rationalen Diskursen führen, zieht aber damit auch eine Reflexion auf die Vorläufigkeit der Vermutungen in den Prämissen, in Folge auf die Vorläufigkeit der philosophemischen Erörterungen nach sich. Freilich ist hier die Erhabenheit der spekulativen Ideen für Adepten schwer oder gar nicht von der Erhabenheit des Gegenstandes der spekulativen Auslegung des Fragekreises zu unterscheiden. Daraus ergibt sich eine Assymmetrie im Diskurs mit den atheistischen Positionen, die sich in ihrem Weltbild auf mathematische Naturwissenschaft stützen, da, um den rationalen Diskurs überhaupt beginnen zu können, aus logischen Gründen eine hypothetische Einräumung der Existenz Gottes, zumindest seiner Wirkungen, abverlangt werden muß. Allerdings liegt die Hauptschwierigkeit meiner Erfahrung nach darin, daß die Vertreter eines rein naturwissenschaftlichen Weltbildes selten dem Umstand ins Auge sehen können, daß eine Diskussion zwischen Theologie und Naturwissenschaft zuerst als eine Diskussion zwischen Weltbilder aufzufassen ist, und insofern als philosophische Angelegenheit beginnen muß. Meiner Auffassung nach zeigt sich in der Diskussion des philosophischen Gottesbegriffes bei Leibniz zwischen Bayle und Spinoza (kontinentale rationale Metaphysik ab Descartes), daß eine philosophisch geregelte Spekulation über ein Urwesen als Schöpfergott immer zu einem Demiurgen verfällt, der handeln muß, und mit dieser Charakterisierung gar nichts bis

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wenig mit der Idee eines Hochgottes zu tun hat. Ich bin auch überzeugt davon, daß man die meisten ontologischen Gottesbeweise allein schon wegen dieser Unangemessenheit (und sei sie nur eine Unangemessenheit im Rahmen dieser Spekulation) für Hochreligionen eigentlich als nicht geeignet betrachten kann. Leibniz ontologischer Gottesbeweis aber ist inklusive der mathematischen Form von Gödel auch im eigenen Geltungsrahmen mit Hilfe von Kant (aber deutlicher als auf die bekannte Weise aus der Dialektik der reinen Vernunft) widerlegbar. Gerade der ontologischen Argumentationsgang, der der geforderten Diskussion physikalischer Existenz Gottes einigermaßen zu entsprechen scheint, kann erstens seine eigenen Voraussetzungen (die ganze Existenz als Qualität und Ausdehnung, nicht als modallogisches Prädikat der Vorstellungen von etwas behandelbar zu machen) nicht beibringen, und beweist zweitens bestenfalls ein Zerrbild eines willenlosen Demiurgen. Die Vorstellung eines Hochgottes entzieht sich hier zum ersten Mal.

2. Die zwei Gründe für die Doppeldeutigkeit der theologischen Vorbedingungen zur Diskussion der Existenz: Die ontotheologische und die anthropologische Spekulation Das bestehende Problem der Diskussion zwischen Naturwissenschaft und Theologie scheint mir über die Besonderheit des Themas und seiner zwiespältigen Stellung in der Kulturgeschichte hinausgehend darin zu liegen, daß hinter den skizzierten Gründen der Metaphorik eine weitere Doppeldeutigkeit liegt, da mit der Frage nach der Existenz nicht ausschließlich die als physikalisch charakterisierbare Existenz als Seinsweise gemeint ist, obgleich Anselm wie Thomas von einer erfahrbaren Wirklichkeit der Natur ausgehen. Bemerkenswert, daß selbst bei Anselm die Prämissen nicht völlig mit der reinen Intelligibiltät Gottes übereinstimmen, weil der erste Satz des zweigliedrigen disjunktiven Obersatzes im Anselmschen Beweis, der das Dasein Gottes als reine Intelligibiltät exponiert (das andere, auch für die Philosophie der rationalen Metaphysik der Neuzeit interessantere Glied ist einfach Intelligibilität und Wirklichkeit), sich als die bloße gedachte Idee der Totalität Gottes herausstellt. Die Wirklichkeit, die im zweiten Glied dieses Beweises der Idee Gottes hinzukommt, ist dann schon wieder die nämliche, die wir heute als physikalisch charakterisieren; m. a. W., die besondere Seinsweise Gottes als Intelligibilität, ob rein, nicht-rein, in notwendigen (!) Zusammenhang mit der Schöpfung (unklar wie) oder auch gleich häretisch als eine besondere Art von Substanz (Spinoza) oder Urmaterie (Jakob Böhme), wird unterschlagen.

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Insofern verstehe ich, weshalb manche Theologen in diesem Zusammenhang von einer Unsachlichkeit sprechen, wenn allein mit dem Argument, Gottes Existenz müsse nach physikalischen Argumentationsvoraussetzungen diskutiert werden, man sich nur auf die angebliche Folge Gottes — eben die empirisch erfahrbare Wirklichkeit und deren Natur und Seinsweise, nicht aber auf eine eventuelle besondere Seinsweise Gottes beziehen will (Dawkin). Doch aber müßte eine Art von Einwirkung prinzipiell naturwissenschaftlich, wenngleich zuerst nur spekulativ gedacht werden können, auch dann, wenn Gottes Seinsweise nicht selbst primär im Sinne physikalischer Gesichtspunkte zu denken sein soll. Damit entsteht eine zweite assymmetrische Situation, die an Newtons Vorgangsweise erinnert, anders als Einstein nicht den Grund der Graviation erfassen zu wollen, sondern nur die Gesetzmäßigkeit der Folgen; allerdings mit den Nachteil, daß wir keine spezifischen Folgen Gottes erkennen können, schon gar nicht regelmäßig, es sei denn, wir sehen alles als Folge Gottes: die Gesetzmäßigkeit der Welt als Ganzes können wir abermals nicht beobachten, nur die Gesetzmäßigkeit der Teile der Welt. Hier entzieht sich die Idee Gottes einer genauen Argumentation inmitten des Versuches eines Beweises ein zweites Mal. Das versieht aber wiederum den nur für die Theologie nachvollziehbaren Standpunkt mit dem Gewicht, daß es ersten nicht nur um den Schöpfergott der physikalischen Wirklichkeit geht: Bei Bonaventura versinkt der ungeschlachte Kerl einfach, taucht aber doch wiederum nach der Geburt des innergöttlichen logos (Christus) gewandelt als Gott der Liebe auf, der »ein freundliches Gesicht« zeigt, und die Schöpfung über seinen Sohn als Kosmotheoros (orthodox) oder ordo naturalis (scholastisch) als sein Werk beansprucht (Zeus, der Vatermörder und Ursupator und Zeus, der durch seine Herrschaft allererst Ordnung zeugt, war offenbar noch nicht so zivilisiert, um gleich nach der Sohneszeugung abzudanken). Zweitens soll das Wirken Gottes auf den Menschen in den Vordergrund gestellt werden, wobei allerdings nur in einigen Bereichen eine Überprüfung unklarer Qualität möglich ist, und noch schwieriger der Unterschied zwischen einer besonderen Art der Beschäftigung mit der Idee Gottes von einer Einwirkung, Einstrahlung und dergleichen zu unterscheiden ist. Ich möchte hier nicht die Extrempositionen dazu diskutieren, auch neurologische Befunde (halte diese für hinreichend seriös) lassen mich in dieser Frage eher ratlos zurück: haben nun die einen eine Unterfunktion, die mehr oder weniger bedeutsam ist (Musikalität ist schön, mangelnde Musikalität behindert selten) oder doch (in welchen Situationen genau) entscheidend sein kann, auf welche nähere Weise auch immer, oder haben die anderen eine Überfunktion, und nur nicht die Bildung und

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Disziplin, das ins Schöpferische zu wenden? Und was daran ist Disposition und was Einübung? Es ist die Beschränkung auf das Physikalische, daß hier noch größere Schwierigkeiten macht, die von beiden Seiten akzeptierbaren Regeln einer Diskussion aus dem naturwissenschaftlichen und aus dem theologischen Standpunkt heraus festzulegen. Doch ist mit der auch nur hypothetischen Akzeptanz der Fragestellung, die Existenz Gottes zu diskutieren, das Argument einer anderen Seinsweise grundsätzlich legitim und in sich folgerichtig, diese mit der zweiten Art der Wirkung auf den Menschen, die als göttliche allenfalls zur Diskussion gestellt werden kann, in die Diskussion der Seinsweisen mit einzubeziehen, bevor die Bedingungen der Diskussion der Existenzfrage überhaupt als hinreichend geklärt bezeichnet werden könnten. Ich habe darzustellen versucht, in welcher Weise die historisch verfolgbare philosophisch-theologische Diskussion seit der Hochscholastik selbst Doppeldeutigkeiten zwischen Intelligibilität und Materialität entwickelt, die nicht auf rethorische Taktik beruhen, sondern teilweise als Problemstellen der inneren theoretischen Erörterung, teilweise als dem Thema innewohnende Schwierigkeiten anzusehen wären, somit die willkürliche Beschränkung der Diskussion auf physikalische Argumente zu Recht als unsachliche Vorbedingung angesehen werden darf. Ebenso gibt es eine von der Themenstellung mitgebrachte Doppeldeutigkeit der Seinsweise möglicher göttlicher Wirkungen, die sich nicht aus der unabweislichen Verbindung zur physikalischen Seinsweise der Schöpfung ergeben, sondern als moralische Wirkungen im Menschen, aber eben auch als körperliche Wirkungen im medizinischen Bereich behauptet werden. Dazu kommen noch global die erkenntlichen Unterschiede der Fragestellung, wenn nach dem Ursprung des Seins, der Existenz etc. gefragt wird, die bei einem weiteren Schritt der vorläufigen, immer noch hypothetischen Akzeptanz der Fragestellung wieder imstand ist, die in der Frage der Seinsweisen zerfallene Position des philosophischen Spekulierens unter theologischer Flagge noch einmal zusammenzufassen, ohne damit das Eigenrecht der Physik etc. grundsätzlich anzutasten. Das kann genau genommen willentlich jederzeit zur bloßen literaischen Präzision erklärt werden, nur muß nach der ersten hypothetischen Akzeptanz der Fragestellung, die andere, zusammenfassende, somit die Theologie stärkende Funktion ebenso als Möglichkeit gedacht werden. Das ist eine Folge der eingangs eingestandenen Assymmetrie, die allerdings ihre Rechtfertigung darin hat, daß es sich technisch gesehen nur um eine Weltbilddiskussion handeln kann, in der sich zumeist zwei philosophische Halbgebildete um philosophische Konsequenzen ihrer Kernaussagen, gleich

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vermischt mit ihren philosophemischen Weltbild, teils streiten, teils bemühen. Wenn sich die Lage schon so zuspitzen läßt, darf eigentlich die an die geregelte Nichtbeantwortung letzter Fragen schon gewöhnte Philosophie nicht fehlen, nur wo ist die? Und wo ist die Idee einer solchen Philosophie im Bewußtsein zweifellos Gebildeter? Es sieht Alles im Allen nicht günstig für das Vorhaben aus, einen Diskurs mit klaren Vorstellungen der angemessenen Ausgangsbedingungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft selbst auf philosophischen (vorläufig neutralen) Boden geregelt führen zu können; ich finde an der Nötigung, nur zwischen einer unsachlichen oder einer assymmetrischen Diskussion entscheiden zu können, selbst weder etwas Philosophisches noch etwas Wissenschaftliches. Trotzdem halte ich die Diskussion wegen ihrer nicht rethorischen, sondern aus der Argumentationsentwicklung logisch sich erweisenden Bewegung der Entziehung (nicht Widerlegung) noch nicht für abschließbar, oder aus einem ausreichenden Grund ein für alle Mal abbrechbar. Ich vermag nämlich an der Charakteristik des systematischen Sich-Entziehens der ontotheologischen Argumentationsweisen in dieser Hinsicht kein Artefakt aus Prämissen oder Methoden zu entdecken, sodaß ich genau überlegt nur von einer ungelösten Frage sprechen kann, von der noch nicht erwiesen worden ist, daß sie unlösbar ist, obgleich, inklusive der Figur der Entziehung, alles dafür spricht. Jedenfalls kann gerade die katholische Kirche sich auch dann nicht, wenn sie die Bedingungen eines solchen Diskurses bestimmen, und somit die hinter der Metaphorik von Existenz als Begriff versteckten hypothetischen Seinsweisen in Stellung bringen könnte, der physikalischen Fragestellung an seine Seinsweise, schon gar nicht an seine Wirkungsweise völlig entziehen. Auch im Falle eines Rückzuges auf die reine Zeichenhaftigkeit und reine Zweckmäßigkeit, durch die hindurch die reine Intelligibilität Gottes auf die Natur wirken würde, weshalb ein physikalischer Beschreibungsversuch auch nur seiner Wirkungsweise scheitern müßte, bleiben berechtigte naturwissenschaftliche Fragen zu beantworten.

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3. Die Doppeldeutigkeit der Frage nach dem Ursprung der Moral am Beginn der Vergesellschaftung des Menschen zum Kulturwesen entsteht unabhängig von einer expliziten Frage nach der Existenz Gottes. Die genetische Vorstellung von Rationalitätstypen (A. Comte) und deren Organisierbarkeit im Menschenbild als verschiedene erworbene Vermögen Die Frage der Moral und zuvor des Wertens kann ohne die unweigerliche Doppeltheit in der Frage nach der Existenz Gottes behandelt werden, doch aber werden alle sozialen und kognitiven Voraussetzung aus der Sippengesellschaft zwischen Gegend und bestimmender Naturgott da und Staat und Stadtgott hier überformt, und die Elemente der Vorstellungswelt umgestellt, ergänzt, ausgeschieden. Bei Gelegenheit (kulturelle, wirtschaftliche und politische Weiterentwicklung, Außenbeziehungen durch Handel, Krieg oder neue Konstitution durch Eroberung) wird diese Formation nochmals aufgestuft zum Hochgott und im Übergang zum bereits erinnerten Mythos und Ablösung der politischen Theologie von der Naturmystik mit ersten Momenten der Freiheit des Denkens kulturhistorisch aufweisbar. Wissenschaftshistorisch sind gemeinsame Entwicklungen wie der Mathematik in der Baustatik und der Astronomie anhand des Kanal- und Pyramidenbaus in der ägyptischen Steinzeitkultur herausragende Beispiele. Das soll zu keinem Beweis für die Richtigkeit einer bestimmten Moral oder gar gleich einer Religion führen, vielmehr als kulturhistorisch auch nachzeichenbare These eines Überganges von einer Form der Totalisierung der überwältigten Einbildungskraft zu einer anderen, die nicht nur differenzierter ist als die vorvergangene, sondern noch einen weiteren Standpunkt der Spekulation über den Zusammenhang in der Welt gibt, was in der Entwicklung von vorwissenschaftlichen Disziplinen ihren Niederschlag findet, und das eben eingespannt in Frühformen der Nationswerdung. Soziale Regeln, Frühformen von sanktionierte Gesetze für (fast) Alle, und deren Verdichtung lassen bei der einfachen Verklammerung von Gemeinwesen und Religion nach der Ablösung von einer Naturgottheit keine zusammenhängenden Reflexionen über die Verschiedenheit der Themen von Kultur und Religion erwarten, verschieben aber bereits das verwandschaftliche Regelbewußtsein der Sippe mit Naturgottheiten in Richtung eines Themenbestandes, der die abstrakt soziologisch zu konstatierende soziale Norm in einen symbolischen Begründungszusammenhang bringt, der nicht auf naturalistische Motive mehr reduzierbar ist, wie man eine spezifische Rationalität des Mythos noch für dechiffirierbar halten könnte. An diesem frühkulturellen Bestand knüpft das menschliche spekulative Denken, zuvor die freigesetzte Einbildungskraft immer wieder an, und bildet diesen Bestand zum Kulturwesen weiter.

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Zur Wertbildung, die eben nicht allein eine willkürliche und einfache abstrakte Überhöhung gefühlsmäßiger Bewertung zur Moral ist, scheint eine Hochreligion in jüdischer Folge nicht unbedingt Bedingung zu sein, doch ist selbst noch bei den antiken Griechen und ihrem ihrerseits eigentümlichen Verhältnis zur Götterwelt ein Übertritt ins Spekulative bis hin zu einem der sinnlichen Erfahrung gegenüber als überlegen gedachten Standpunkt unzweifelhaft, und gerade dort unbestritten als Kulturfortschritt anhand historischer, physischer, geometrischer und logischer systematischer Reflexion nach Prinzipien erkenntlich. Die Moral hat sich strukturell und in ihren Relevanzen von einer Sippengesellschaft in der politischen Idee der griechischen Polis eindeutig unterscheidbar gemacht. Unabhängig von der Ablösung bzw. Verselbstständigung der politischen Idee von der politischen Theologie kommt für jede politische Kulturidee durch nähere Kenntnis umgebender Hochkulturen ein protohermeneutisches, damit auch ein protophilosophisches Element in den erzählerischen, später literarischen Korpus des kulturellen Gedächtnisses. Das wiederum kann später, zuerst in interpretierender, dann kritischer Auseinandersetzung zu Textkritik, zusammenhängenden Denken in abstrakten Zusammenhängen, und gegenteiligen Auffassungen führen. Man könnte sagen, die Diskussion ist eröffnet, und damit die Differenzierung der Diskussion verschiedener Wertebereiche. Diese Diskussion führt demnach allmählich ähnlich zum Prinzipiendenken und zum Hervortreten der Verschiedenheit differierender Entwürfe wie später in der Entwicklung der Wissenschaften. Insgesamt ist eine gewisse Bedeutsamkeit der Einteilung der Epochen von August Comte in ein mythisch-magisches, ein hochreligiöses, und ein vernünftiges, wissenschaftliches Zeitalter empirisch-historisch nicht bestreitbar. Das beantwortet zwar die Frage nach dem Zusammenhang von Moral und Religion dahingehend, daß Religion in engeren Sinne eines Hochgottglaubens nicht die Quelle moralischer Empfindungen oder gewisser besonderer sozialer Regeln ist, aber kulturhistorisch ein wesentlicher Grund zur Ausdifferenzierung, nicht nur zur bloßen Überhöhung, einer eigenständigen und zusammenhängenden Moralvorstellung geworden ist, die sich von der engen inhaltlichen Umklammerung durch die politische Theologie zu lösen beginnt, und zwar ungeachtet dessen, daß diese politische Klammer nie ganz verlassen werden kann, und ein immerhin möglicher Moment der politischen Freiheit in der Flüchtigkeit des Bekenntnisses selbst wieder mit der Ausbildung einer geregelten Spekulation darüber in den Funktionskreis der politischen Theologie überführt werden wird. Damit ist aber mitnichten Gott

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beweisbar oder seine Existenzweise dargetan worden. Aus der gegebenen Darstellung darf auch keineswegs sofort daraus geschlossen werden, daß derart aus einem unbekannten Grund der Gottesglaube über eine absehbare Epoche hinaus für die innerkulturelle Entwicklung auf gleiche Weise von Bedeutung sein muß oder soll. Zwar denke ich das Comtsche Epochenmodell auch dahingehend weiter, daß der Mensch, als Kulturwesen mit Zivilisation, alle drei Epochen in sich aufbewahrt. Ohne Nivellierung ist hier im Rückblick auf die kulturelle Entwicklung der Ansatz für die Auffassung verschiedener grundlegender Rationalitätstypen zu sehen: Sippengesellschaft, frühe Nationenwerdung, Prinzipien gesellschaftlicher Organisation, die einander interpretieren (Hegel. Der Mythos wird zur Auslegung der Religion) und Plätze zuweisen. Doch aber ist eine Entwicklung zur Vernunft erkennbar, sodaß auch die Hochreligion nicht ohne Stellungsänderung in diese Entwicklung einrücken wird müssen. Eine Notwendigkeit zur Verdrängung oder völligen Zurückdrängung des Religiösen in den Mythos kann ich daraus nicht ableiten.

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