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Wolfgang Cernoch
Zwei Grundprobleme in der Analytischen Philosophie: Freges Identifikation von Beobachtung und Bedeutung und Quines Ersetzung der Axiomatisierung durch Übersetzung 1. Bedeutung und Beobachtung Der Unterschied zwischen Beobachtungsaussage und Bedeutungsaussage erscheint mir die Minimalbedingung für jede Semantik zu sein. Die Identsetzung von Beobachtungsaussage und Bedeutungsaussage kann den Sinn haben, daß damit Wahrheit ausgedrückt werden soll. Die Generalisierung der Identifizierung von Beobachtungssatz und Bedeutungssatz nach dem Vorbild der externalistischen Definition der Bedeutung von Gottlieb Frege beinhaltet aber einen Grundwiderspruch, da derart jede (passende) Theorie gegen Erfahrung immunisiert werden kann. Man kann im Falle der Zustimmung zur Aussage die Beobachtung als Erfüllbarkeit der Bedeutung entsprechender Terme einer Aussage sehen. Es wird also die Aussage zweier Sätze identgesetzt, deren logische und sprachliche Gestalt völlig gleich sein kann (Carnap), aber in verschiedenen Kontexten gebraucht werden. Diese Differenz kann nicht übersprungen werden, da die Bedeutung durch die Terme bestimmt, durch die Beobachtung aber erfüllt wird. Die Erfüllbarkeit ist nun auch der Sinn der Aussage, aber nunmehr indem mit der Zusammennehmung von bedeutungsvollen Termen auch eine Art von einschränkender Bedingung der Erfüllbarkeit der Terme festgelegt wird, was den Sinn der Aussage ausmacht. Die Unterscheidbarkeit der Kontexte des Gebrauches von Beobachtungsaussagen, die auch Bedeutungsaussagen sind, ist demnach konstituierende Voraussetzung für sinnvolles Aussagen. Der Entwurf einer Semantik der Logik von W. Q. Quine beinhaltet jedoch noch einen eigenen Generalwiderspruch, indem das zur Bestimmung der Beobachtungsaussage geforderte Set von Sätzen genau die strikte Unterscheidbarkeit der jeweiligen Sätze des Sets vom zu entscheidenden Beobachtungssatz fordert (nach Carnap). Woher diese Sätze auch jeweils ihre Bedeutung her nehmen, für diesen fraglichen Beobachtungssatz, der selbst in Bedeutung, Sinn und logischer Regelgerechtigkeit zerfällt, treten die Sätze des semantischen Sets nur als Bedeutungsaussagen auf. — Es handelt sich bei dieser Unterscheidung nicht um die Unterscheidung in konkrete und abstrakte Objekte, die Quine inkonsequenterweise zuläßt.
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Diese Schwierigkeit führe ich letztendendes auf den Mißverstand Freges zurück (1) in der Bestimmung der Bedeutung der Terme nicht kontextuell zwischen (1.1) Aussagen über die Bedeutungen der Terme, z. B. in wissenschaftshistorischer Untersuchung des historisch sich wandelnden Gebrauchs in der Wissenschaft und deren jeweiligen verschiedenen philosophischen Implikationen (inferentialistisch), und (1.2) Aussagen über den Gebrauch der Bedeutungen der Terme in der empirischen Praxis unter den raum-zeitlichen Bedingungen der Erfahrung (referentialistisch); (2) und in der Bestimmung des Sinnes der Aussage nicht zwischen (2.1) innersprachlichen Bezug zu anderen Aussagen (inferentialistisch) und (2.2) der Auffassung der Proposition im Sinne Russells als Tatsachenaussage, die über eine Relation in der Welt aussagt, und nicht nur die Bedeutung eines Terms identifizieren läßt (referentialistisch), unterscheiden zu können.
2. Die Bestimmung des Sets von Sätzen zur Bestimmung von Bedeutung und Sinn der Aussage Allerding behaupte ich nicht die völlige Trennung von Beobachtungsaussagen und Bedeutungsaussagen, es besteht ja eine Beziehung, die mit anderen Sätzen vervollständigt werden soll. Ich halte das kommunikationstheoretisch im Moment des Einpassungsversuches einer nicht eindeutigen Problemklassifikation für eine logisch unterbestimmte Relation, die aus einer Reihe von Vermutungen bestehen könnte. Das kann als eine Reihe von als alternativ möglich oder als so und so wahrscheinlich geltenden Sätzen eingeschätzt werden. Weitere Sätze sind notwendig, um die Möglichkeiten einzuschränken (später vielleicht auch die Wahrscheinlichkeiten näher zu bestimmen). Alle diese Sätze sind in einem behavioristischem Sinne Beobachtungen von Handlungen, aber nicht alle Sätze sind Ergebnisse von Handlungen an physikalischen Objekten und deren Umstände in Form von Wahrnehmungen und sinnlich-empirische Beobachtungen. Einige Sätze sind Ergebnisse von Handlungen gegenüber streng normierten
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Bedeutungen, die selbst als Produkte von anderen Sets von Sätzen gedacht werden müssen (abstrakte Objekte). Das sind Regelsätze der Logik und der Mathematik, weiters aneinander durchbestimmte Modellbegriffe. Diese können nur durch sprachliche, schriftliche und bildnerische Mittel auf eine Weise ausgedrückt werden, damit sie beobachtbar werden. Nur die Beobachtung der direkt beobachtbaren Verhaltensformen wird nicht ausreichen, die Bedeutung von Abstraktionen und deren Regelwerk zu verstehen, noch weniger deren Bedeutung für wichtige Teile unserer Praxis. Mimikry ebenfalls nicht. Nur von genau umrissenen gesicherten Verknüpfungen von Beobachtungen und Modell kann die von AP geforderte Identität von Beobachtungsaussage und Bedeutungsaussage behauptet werden. Im betrachteten Fall der Einpassung eines fraglichen, unterbestimmten Beobachtungssatzes in ein vermutetes, aber als solches gut bekanntes, spezifisches Set von Sätzen ist das nicht möglich, hier ist diese Identitätsbehauptung als Behauptung einer aktuell bereits vollzogenen Identifizierung offensichtlich überhaupt nicht nur zu diesem Zeitpunkt falsch, sondern unmöglich. Ebenso unmöglich ist die Identitätsbehauptung in diesem Sinne aktuellen Vollzuges aber auch, sollte sie durch die deduktive oder ausschließlich konstruktivistische Herstellung eines Beobachtungssatzes aus einem System von Bedeutungsaussagen als Erfüllung der Wahrheitsbedingungen angesehen werden. Das ist der Moment der Dialektik der Vernunft inmitten der Erfahrung, die von Kant mit der Position des transzendentalen Realisten gekennzeichnet worden ist. Hier ist aber zunächst der Hinweis auf die zweidimensionale Semantik entscheidend. Einfacher: Wenn die Bedeutung der Beobachtung mit einer Erwartung in unmittelbarer Zukunft verknüpft war, und diese sich erfüllt hat, muß die Beobachtung, die im vergangenen Zeitpunkt gemacht wurde, zum späteren Zeitpunkt der Erfüllung der mit dieser Beobachtung verknüpften Bedeutung nicht mehr aktuell zutreffen. Insofern ist die Metaphorik der Bedeutung geeignet, die Bedeutung mit der gemachten Beobachtung (und nur implizit mit deren deskriptiven Bedeutung) und einer Aussage über die Zukunft zu verbinden, ohne daß das Zutreffen der Beobachtung zum Zeitpunkt des Eintritts der Geltung der Bedeutung erforderlich sein muß. Beobachtung und Bedeutung kann in einem Beobachtungssatz zusammenhängend gemacht werden, wenn bekannt genug ist, was
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beobachtet werden soll. Für diese Semantik ist ein Mindestmodell zur Normierung der Modellbegriffe erforderlich. Antizipative Bedeutungen (Erwartungshaltungen) können ebenfalls in einem sinnvollen und logisch entscheidbaren Satz ausgesagt werden, können aber auch eine uneigentliche, metaphorische Verwendung finden, die auf sinnvolle, logische Sätze zurückführbar (nicht unbedingt zerlegbar) sind, und die Kenntnis der Regeln der verschobenen Sprachverwendung zum Verständnis voraussetzt. Der metaphorische Gebrauch der Bedeutungen der Sprache muß aber auch keine reelle Korrelation besitzen, um sozial bedeutungsvoll und sinnvoll sein zu können.
3. Arten von Sets und die zugrundeliegende Struktur der Semantik Ich denke die Vorstellung dieser Sets von Sätzen in zwei Richtungen weiter: (1) In Sets von verschiedenen Arten von Theorie (1.1) innerhalb des Sets einer Theorie (1.2) außerhalb des Sets einer Theorie als Tableau von Sets von Theorien einer Perspektive (1.2.1) deontologisch (die Idee der Welt als die Idee der Natur und die Idee des Kosmos umfassend) (1.2.2) ontologisch und regionalontologisch Kosmos, Natur und Welt umfassend (2) In Sets von Sätzen, die keine durchgehend logischen Verhältnisse, schließlich auch nicht sprachliche Ausdrücke allein umfassen, aber durch assoziative Gewöhnung verschiedene Erwartungen in Verbindung bringen kann, die ihrerseits an Teile des Minimalkonzepts der Natur (Raum, Zeit, Entenität) angepaßt werden können müssen. Das liegt einerseits an den Anschauungsteilen, die mit diesen Sets verbunden sein können, daß diese Verbindung zu Teilen des Minimalkonzepts zu diesen unklaren Sets entsteht, andererseits aber weiters auch unabhängig davon daran, daß interne Bedeutungen (uneigentliche Bedeutungen, Vorbedeutungen?) aus anderen Bedeutungen als bevorzugte Anlagerungsstellen durch wiederholte Assoziation gebildet werden. Dazu ergeben sich unklare Relationen, um Vermutungen um die wahrscheinlichere assoziative Verbindung anzustellen. Erst die Vorstellung der Verschiedenheit verschiedener Vorbedeutungen, die als
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bevorzugte Anlagerungsstellen aus einem Netz möglicher Assoziationen sich ausbilden, führt ab einer gewissen Komplexität notwendigerweise auch zur Vorstellung eines Auseinanderseins. Das Auseinandersein muß nicht als Entfernung (oder Abstraktion) verstanden werden, es kann eher als Widerstandspotential ausgedrückt werden, das überwunden werden muß, um Elemente der einen Vorbedeutung zu Elementen der anderen Vorbedeutung zu machen. Dies schätze ich als Ähnlichkeitspotential mit der motorischen Einbildungskraft ein, in welcher die Überwindung einer Entfernung Kraftaufwendung erfordert. So oder ähnlich wären die Verhältnisse dergleichen mentaler Repräsentationen zu denken, die selbst nicht (vielleicht noch nicht) zusammenhängend in sprachlicher oder bildnerischer Form zu einer zeitlichen und räumlichen Ordnung der Vorstellungen gelangen konnten. Das liegt daran, daß die mentalen Repräsentationen nicht selbst im Gehirn, oder auschließlich nur im jeweiligen Bewußtsein verankert sind, sondern Personen, Instrumente, Texte und Bilder mit zur Sphäre abstrakter mentaler Repräsentationen gehören.
4. Quines Irrtum: Übersetzung ist keine Selektion und keine Normierung Die daraus entstandenen Systeme von Bedeutungen, die artikulierbar sind, ersetzen aber nicht etwa das gestaltetete und grob in Gegenden aufgliederbare unklare Set der sich assoziativ anlagernden Vorbedeutungen in jeder Hinsicht. Übersetzbarkeit ist nicht die adequate Bezeichnung für das Verhältnis vom Set-System der Vorbedeutungen zum Set-System der artikulierbaren Bedeutung. So fällt im Set-System der Vorbedeutung die Wichtigkeit einfach mit der Anlagerungsdichte zusammen, nicht aber regelmäßig im artikulierbaren Set-System der Bedeutungen. Während aber im Zusammenhang von assoziativer Einbildungskraft und schwach und zufällig geordneter Empirie die zusammenhängende Artikulation bereits einen Raster schafft, in welchem sich Artikulation, damit verbundene Modellvorstellungen und empirische Handlung soweit funktional einspielen, ohne das damit ein Erklärungswert (eine Vorstellung über die tatsächlichen Verhältnisse, nicht nur als Mittel gedacht) verbunden wäre, ist die logische Axiomatisierung der Sprache, erst recht einer erfahrungswissenschaftlichen mathematischen Theorie selbst konstruktiv und absichtsvoll.
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Empirische Sprachen, die kontingente Inhaltsreihen mit kontingenten pragmatischen Regeln artikulieren können, sind nur in Sprachen übersetzbar, die ebenfalls eine Variante kontingenter Inhaltsreihen mit kontingenten pragmatischen Regeln ausdrücken können müssen. Tritt eine abstraktere Regel, oder eine Regel aus einem anderen Kontext in der »Übersetzung« auf, ist das entweder ein Artefakt der Übersetzung, das für den Gebrauch der mitgeteilten Modellbegriffe im gegebenen Kontext der Entstehung bedeutungslos bleibt, oder aber das Hinzutreten einer neuen Art von Netz von Bedeutungen, die die Bedeutungen und deren Relationen des zu übersetzenden Textes sinnstörend verfremden, auch widersprechen. Das ist keine Übersetzung, vielmehr absichtliche oder unabsichtliche Verschiebung und Platzzuweisung. Das passende Genre wäre die Diskussion um Grundsätze der Modellsprache, diese aber soll in einer Übersetzung gerade keine Rolle spielen. Auch die Reinigung der Sprache gemäß formalen Aspekten (Grammatik) im Zuge der Normierung der Alltagssprache geschieht nach Regeln, die als allgemeinstes Prinzip auftreten. Die Behauptung, bei der Beziehung von empirischer Sprache und logisch normierter Sprache (Quine: Quantorenlogik) handele es sich um eine Übersetzung, unterschlägt die Gezieltheit der Absicht dieser Operation, die nicht Übersetzung genannt werden kann, weil gezielt und mit voller Absicht eine formale Ebene von Bedeutungen in das Set der die Stellung der Bedeutungen in der Artikulation bestimmenden Sätze eingeführt worden ist, die den ontologischen Aspekt des Wahrheitsproblems zum ersten Mal explizit macht. Das kann Quine auch nicht mit der Darstellung der Logik ohne ontologische Implikation (Sheffield-Funktor, Klammerregel) verhindern, wenn er doch wieder zur Quantorenlogik mit dem nämlichen Problem ontologischer Implikation der logischen Allgemeinheit gelangt. Der erste Schritt ist die Selektion der semantischen Relationen, die nicht eindeutig sind, und der Ersetzung durch ein normierbares System von Relationen im Wege stehen. Allein die Einführung eines solchen massiven Selektionsprinzipes verhindert die Verwendung des Begriffs »Übersetzung« für die Interpretation der logischen Theorie zu einer spezifischen Semantik dieser Theorie. Ziel der Untersuchung ist, für formale Qualitäten in der Semantik und in der Verbindung von Aussagezeitpunkt und Geltungsbereich auch in zeitlicher Dimension die geeignete Beschreibung zu finden. Die Beschreibung linearer Zeitlichkeit soll kollektiv schon vor der Linearität des sprachlichen und schriftlichen
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Ausdrucks notwendig sein, um diejenigen Sätze ausfindig zu machen, welche die Einpassung von einer Reihe von Beobachtungsaussagen (die selbst allerdings empirisch bereits wie auch immer geordnet sind, weil sie zugleich eine zusammenhängende empirische Erfahrung beschreiben soll) in das von der Theorie nunmehr vorbestimmte Set von Sätzen regeln sollen. Im Formenkreis der Übersetzung kann das nicht gelingen, denn die Bestimmung der gesuchten Operation soll dem die Entscheidbarkeit herbeiführenden Set der Sätze einen weiteren Abschnitt hinzufügen. Dieser weitere Abschnitt enthält die Raum- und Zeitbedingung der Beobachtungsaussage in der Objektsprache; und damit auch einen möglichen Funktionsbegriff in der Metasprache der Theorie.
5. Die Erfahrung wird durch Veränderungen der Semantik und der Universalien beschrieben, nicht durch Veränderung logischer Axiomatik. Die Bifurkation die Semantik in der Erfahrung Ein Logiker macht das beste aus der »elenden Diallele der Logiker« Kantens, wenn er das Wahrheitsproblem von der Formalität der Logik auseinander hält. Das ist auch die Stärke der auf die stoischen Implikation aufruhenden Aussagenlogik, die Aussage auf den Wahrheitswert zu reduzieren. Damit ist aber auch formal erkenntlich das Problem des formal richtigen Schließens und das Wahrheitsproblem auseinander gehalten worden. Ich denke, daß der Wahrheitswert gegenüber jeder in Frage kommenden Semantik normierenden, aber nicht selbst konstitutiven Charakter besitzt. Es ist nun Aufgabe der Untersuchungen des Wahrheitsproblems, die Bedingungen in der Semantik herzustellen, um den Wahrheitswert geregelt nach wahr und falsch entscheiden zu können. Natürlich läßt sich jede mögliche (nicht beliebige) Semantik konventionalistisch zu einem gegebenen axiomatischen Satzsystem konstruieren. Das einzugrenzen ist die Aufgabe einer jeden Untersuchung der jeweils historisch-empirisch gegebenen Strukturen des semantischen Raumes. Dazu nur die Semantik der Logik heranzuziehen, wäre wenigstens noch Teil einer logischen Theorie, aber die Semantik (welche, die der Rechtsphilosophie, die des physikalischen Mindeskonzeptes, oder gleich einer jeden mathematisch-naturwissenschaftlichen Theorie in konkreter Bedeutung=Denotation?) als selbst mit der Logik gleich
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abstrakte Interpretation des Tarskischen Wahrheitswertes auszugeben, macht den Zweck der Differenz von Semantik und Logik (das Wahrheitsproblem) im Nachhinein mit einer erst erzwungenen Tautologie gezielt zunichte. Damit wird die elende Diallele der Wahrheit der formalen Logiker (Kant) anhand der einseitigen Formalisierungsversuche der Semantik von Seiten der formalen Logik nur auf die Semantik übertragen und dupliziert, nicht gelöst. Diese Indifferenz als kriterienlose Identifizierbarkeit nochmals in die formale, uninterpretierte Diffferenz von Semantik und Logik einsetzen zu wollen, ergibt m. E. eine tautologische Scheinlösung des Wahrheitsproblems. Unter »historisch-empirische Erfahrung« verstehe ich die Erfahrungen, die man mit Theorien in der theoretischen Diskussion im Vergleich mit anderen Theorien und anderen Wissenschaft gemacht hat (inferentiell), nicht die Erfahrungen, die man mit einer Theorie gemacht hat (referentiell). »Historisch-empirische Erfahrung« bildet die Grundlage für Strategien und Zweckvorstellungen betreffs der Anwendung von Theorien. Die letzte Differenz ist die im Erfahrungmachen ursprünglich eingeschriebene, selbst inferientiell bleibenden Bifurkation in der Semantik, und kann insofern auch als analytisch gewiß geltend gemacht werden. Darüberhinaus gibt es Konstrukte des reinen Denkens, deren Inhalte anhand den Formen des Erfahrungsmachens entstanden sind oder ursprunglich aus der Erfahrung stammen, aber durch Abstraktion aus dem Zusammenhang der Formen der empirischen Erfahrungen und deren technisch-praktisches Regelwerk genommen sind. Diese daraus entstandenen abstrakten Konstruktionen sind Mathematik, Logik, alle kohärenten Formalwissenschaften. Diese sind durch empirische Erfahrung nicht zu widerlegen und nicht zu bestätigen, können aber auch falsch in Hinblick auf die innere Zweckmäßigkeit der Theorie oder falsch in Hinblick auf die Abzweckung in Hinblick technisch-praktischer Maximen angewendet werden. Derart sind die abstrakten Ideen als solche, wie in ihrer Anwendungsgeschichte auch Teil der historisch-empirischen Erfahrung. Es gibt also auch in der reinen Spekulation (reine Logik, reine Mathematik, reine Systemtheorie etc.) Erfahrungen zu machen.
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Wird ein solcher Formalismus auf ein semantisches Netz von schon näher spezifizierbarer Erfahrung angewandt, entsteht die Situation, die schon im regulativen Gebrauch von Verunft- oder Theoriebegriffen Kants (Vernunftprinzip a parte priori) Verwirrung gestiftet hat: Der erkenntnistheoretische Idealismus (wie der realistische Idealismus) geht von einem Axiom aus und betrachtet alle anderen Sätze als abgeleitet. Woher aber werden die Randbedingungen genommen, und woran werden diese zu solchen qualifiziert? Ich finde hingegen ein empirisches oder spekulatives Satzsystem vor, in welchem zum Teil unklare logische Beziehungen bestehen. Dann wird nach meiner Überlegung erstens nach logischen Regeln das gegebene Satzsystem zu axiomatisieren versucht, und zwar zweitens gemäß den allgemeinen Regelsätzen derjenigen empirischen Theorie, die zunächst gemäß des topologischen Netzes im semantischen Feld der gesammelten Erfahrung passend erscheint. Zumeist geschieht die Logifizierung und Axiomatisierung empirischer Satzsysteme durch die allgemeinen Regelsätze einer empirischen Theorie. Nach Identifizierung wird die passende Regel deduktiv-normierend »angewandt«. In der Fragestellung nach der richtigen Formulierung der Fragestellung oder bei Teilerfüllung der zu erwartenden Antwort (abgeleitete Hypothese) funktioniert dieser Mechanismus der geregelten Anwendbarkeit nicht auf eine Weise, die für ein geregeltes Set von Sätzen sorgt, die zur geregelten Erfüllbarkeit eines Erfahrungssatzes kommt. Ab diesen Punkt des Zustandes des Satzsystems hinsichtlich seiner nicht eindeutigen Entscheidbarkeit erzeugt dieser Mechanismus nur unvollständig analysierbare Varianten, und die Untersuchung muß fortschreiten zum Kohärenzproblem des Tableaus von relevanten Bedeutungsausagen (1) des Sets aller für die inferentielle Folgerichtigkeit der performativ ausgesagten Sätze, wie (2) des Sets aller für die referentielle Adequanz der performativ ausgesagten Sätze.
6. Empirismus und Idealismus Die Beziehung von Idealismus und Empirismus ist im historischen Rückblick in verschiedenen Versionen von Relevanz. Verknüpft sind bei beiden Perspektiven Vorstellungen über die Welt der Dinge, Vorstellungen über Bewußtseinsinhalte und was Bewußtsein innerhalb
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und außerhalb der Erkenntnisfrage ist (bedeutet). Diese Fragen sind verbunden mit der Frage des Erfahrungmachens, und das nicht nur in naturwissenschaftlich relevante Weise. Trotzdem geht die Frage nach Erkenntnis immer auch von der Frage nach der Natur aus, und führt auch darauf immer wieder zurück. Die mit der Differenz von Episteme und doxa gekennzeichnete Grenze wurde durch die spekulative Interpretation der Episteme als rein bewußtseinsimmanente Bedeutungen zu einer sich verselbstständigenden Ideenwelt umgedeutet. Die spekulative Auffüllung dieser Stelle, die in einer hinreichend komplexen Semantik der Erfahrung den leeren Ort unseres Bewußtseins bezeichnet, setzt sich fort in der Mindestforderung »mentaler Repräsentationen« ohne Erörterung deren Ursprungs (vgl. Husserls »Einklammerung«). Diese Mindestforderung bezieht sich aber sowohl auf Episteme wie auf die doxa, um mit Verständnis des Gemeintens kommunizieren zu können. Die Unzugänglichkeit aller Gründe der unmittelbar erscheindenden äußerlichen Beobachtung ist ein Motiv für den Ausschluß mentaler Repräsentationen für behavouiristische Ansätze. Nur enthält die Konstruierbarkeit von Kommunikationstheorien ohne mentale Repräsentationen unabhängig davon, welche Fragestellung damit verfolgt werden soll, ein performativer Selbstwiderspruch. Das beweist aber mitnichten die Fiktionalität (wessen Fiktion?) des Bewußtseins, vielmehr ist das Bewußtsein Grund und Zielpunkt jeder philosophischen und wissenschaftlichen, ja letztlich jeder verbindlichen Kommunikation und Welterkundung. Ohne zum Abschluß alle möglichen Positionen als Topologie oder Entwicklungslinie skizzieren zu wollen, läßt sich eine abstrakte, aber doch notwendige Beziehung zwischen Idealismus und Empirismus behaupten: Ohne Idealismus keine systematische Erfahrung, ohne Empirismus keine Erfahrung.