KULTUR ❚ FILM "Hollywood je t'aime"
"Wir zeigen nur noch das Beste" Das neue "Verzaubert Weekend" Kürzer, komprimiert auf ein verlängertes Wochenende, dafür zweimal jährlich und mit 12 bis 14 brandaktuellen Feel-Good-Movies bestückt: das neue Konzept des Verzaubert Filmfests geht im November in vier deutschen Städten an den Start. Wie sich "Verzaubert" damit den veränderten (Seh-)Gewohnheiten des Publikums anpasst, erklärt Rudi Fürstberger vom Filmfest-Team im Interview.
die Frauen-Matinée am Sonntag mit Kaffee und Croissants und die schwule Kurzfilmnacht "Gay Propaganda" bleiben natürlich bestehen. gab-Magazin: Und die lesbische Kurzfilmnacht? Rudi Fürstberger: Für den Herbst haben wir zu wenig gute Filme gefunden, aber vielleicht wird es im Frühjahr schon wieder eine lesbische Kurzfilmnacht geben.
gab-Magazin: Haben sich vielleicht auch die Ansprüche der Zuschauer an ein schwullesbisches Filmfestival geändert? Rudi Fürstberger: Heute gibt es viel mehr Medien-Angebote für Schwule und Lesben als vor 20 Jahren. Gerade bei jungen Leuten unter 30 beobachte ich, dass sie kaum noch gab-Magazin: "Verzaubert" komprimiert auf ein Bedürfnis haben, schwule Angebote ein Wochenende - warum das neue Konzept? wahrzunehmen. Die kommen bei Verzaubert Rudi Fürstberger: "Verzaubert" gibt es jetzt vielleicht noch zur Gay Propaganda Night. seit 19 Jahren und es ist das erfolgreichste Das Durchschnittsalter der Besucher ist 30 multiregionale Festival Deutschlands. Dieses plus. Vor 20 Jahren war das anders, da hatten Konzept hat sich bewährt. wir eine Bandbreite von 20 bis 60-jährigen. Das Feedback, das wir oft bekommen Dass das heute nicht mehr so angenommen haben, war, dass wir zu viele Filme gezeigt wird, fehlt mir schon ein bisschen. Für uns haben, und die Zuschauer gar nicht alles wäre es daher schön, wenn auch ein paar anschauen konnten. Am Wochenende haben mehr junge Leute das Festival für sich entdie Leute meist mehr Zeit fürs Kino. Der decken. Wir bemühen uns da schon lange Montag war zum Beispiel trotz eines guten drum. Und die, die es für sich entdecken, Filmangebots oft unser schlechtester Tag. finden es auch immer gut! Aber wir machen "Verzaubert" ja auch, weil wir das Festival mögen und unser Herzblut gab-Magazin: Ist diese Entwicklung nicht dran hängt. Und nicht nur wegen des Kom- auch eine Nebenerscheinung des in der merzes. In dieser Hinsicht ist "Verzaubert" "Mitte der Gesellschaft" Ankommens? schon immer der kleine Bruder unseres Rudi Fürstberger: Ja, meiner Meinung nach ist die sexuelle Orientierung zumindest in Fantasy Filmfests gewesen. den Großstädten weniger wichtig geworden. gab-Magazin: Die Themen der Filme sind Und damit auch das Interesse an reiner in den vergangenen Jahren immer breiter schwul-lesbischer Kultur. Junge Leute zeigen geworden, manchmal standen Homo-Charak- heute oft Desinteresse an schwulen Angeboten. tere nicht im Vordergrund. Das hat Besucher Sie unternehmen viel häufiger etwas mit ihren Heterofreunden und sind nicht nur oft irritiert. Rudi Fürstberger: Wir haben immer einen und nicht mehr so oft in der Szene unterstarken cineastischen Anspruch und haben wegs. Das ist mehr und mehr zu einer KonFilme gezeigt, die wir als Schwule oder sum- und Party-Generation geworden. Und Lesben toll fanden. Auch Filme, die von ohne jetzt zu politisch zu werden: in der einem schwulen Regisseur oder einer lesbi- Mitte der Gesellschaft ankommen ist ja schen Regisseurin mit dem gewissen schwu- schön und gut, aber man sollte dabei nicht len oder lesbischen Filter gedreht wurden. vergessen, dass Homo-Paare zum Beispiel Zu den Verzaubert Weekends wollen wir noch immer ungleich behandelt werden. jetzt nur noch die besten Filme zeigen, die Und wer weiß, ob es nicht auch wieder beim Publikum ankommen. Zwölf Filme, an Rückschritte geben kann. die wir fest glauben. Und da bringen wir ausschließlich die allerneuesten Filme. Die gab-Magazin: Als Reaktion auf die VerallgeVerzaubert-Klassiker wie Eröffnungsfilm, meinerung werdet ihr also jetzt spezieller?
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Rudi Fürstberger: Mit den "Verzaubert Weekends" werden wir insofern spezieller, dass wir Filme mit rein schwulen oder lesbischen Geschichten zeigen. Wir haben uns das nicht programmatisch so vorgenommen, aber es hat sich dahin entwickelt: es geht immer um Schwule und Lesben. Es gibt Thriller, Coming-Out Geschichten oder Liebesfilme - aber immer mit schwuler oder lesbischer Handlung. Alles andere haben andere Medien bereits - in fast jeder Fernsehsoap gibt ja inzwischen einen schwulen oder lesbischen Charakter. gab-Magazin: Für die "Verzaubert Weekends" arbeitet ihr auch mit dem Kinoverleih Pro Fun Media in Kooperation. Wie kam es dazu? Rudi Fürstberger: Pro Fun Media tritt als Sponsor beim Festival auf. Zusammengearbeitet haben wir mit denen schon in den vergangenen Jahren, weil uns deren Angebot gut gefällt und gut zu unserem Festival passt. Neu ist in diesem Jahr, dass sie als Sponsoren dabei sind, die das Festival auch finanziell unterstützen. gab-Magazin: Was ist dein persönlicher Film-Tipp für den Herbst 2009? Rudi Fürstberger: Auf gar keinen Fall darf man die Gay Propaganda Night verpassen und das Frauen-Frühstück ist sowieso ein Muss! (bjö)
Info Verzaubert Film Weekend Fr, 20.11. - So, 22.11. Ein kostenloses Programmheft mit ausführlichen Infos zu allen Filmen erscheint ca. zwei Wochen vor FestivalStart und ist im Kino und der Szene erhältlich. V V K startet ca. eine Woche vor Festivalbeginn. Fr, 20.11. - So, 22.11. im Cinestar Metropolis, Eschenheimer Anlage 40, Frankfurt. Checkt auch online unter verzaubertfilmfest.com oder der Facebook-Gruppe "Verzaubert Film Weekend"
Verzaubert Filmtipps "Feel Good" heißt das übergreifende Motto der Verzaubert Weekend-Filme, die fast alle aus den USA kommen. Das bedeutet aber nicht bloß "Sex Party und Lügen", auch wenn der gleichnamige spanische Film zu einem testosterongesteuerten, freizügigen gay-lesbian-bi-metrohetero-Reigen durch Discos, Betten und "Redwoods" Körper einlädt. Das romantische Drama "Redwoods" erzählt die Geschichte des schwulen Paares Everett und Miles, dessen Miteinander sich zum eingespielten Nebeneinander gewandelt hat. Als der Schriftsteller Chase in die Stadt kommt, entsteht eine prickelnde Spannung zwischen den beiden fremden Män"Eating Out 3" nern. Locker, leicht und luftig wird hingegen die dritte Folge der Gay-Komödie "Eating Out" - diesmal kreist die Story um den schüchternen Casey, der mit Hilfe seiner Freundin Tiffani van der Slut (Schenkelklopfer!) sein Onlineprofil aufmotzt, um den sexy Zak zu beeindrucken. Einen echten Psycho-Horror-Thriller verspricht der US-Streifen "Pornography": 14 Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden des schwulen Pornostars Mark Anton beginnt der New Yorker Journalist Michael den Fall erneut zu recherchieren und entdeckt einige Ungereimtheiten; wa"And then came Lola" ren wirklich übernatürliche Kräfte im Spiel? Und warum beginnen zur gleichen Zeit im Los Angeles die Dreharbeiten zu einem Film über den Ve rs c h w u n d e n e n ? Eine alptraumartige Geschichte entwickelt sich... Spannend klingt auch der US-LesbenStreifen "And then came Lola", ein sexy-atemloser Wettlauf in San Francisco in Stil von "Lola rennt" - wird diese Lola es rechtzeitig zu Job und Freundin schaffen? Rechtzeitig Plätze sichern sollte man sich für die schwule Kurzfilmnacht "Gay Propaganda" am Samstagabend (21:45Uhr) - die ist beliebt und deswegen schnell ausverkauft. Für die Damen empfiehlt sich die "Matinée am Sonnpetite tagmorgen": Frauenfrühstück mit Croissant, Kaffee um 11 Uhr und anschließendem Mittagsfilm "Dare" "And then came Lola". (bjö)
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Der HustlaBall König "The Good American" von Jochen Hick Jochen Hick hat sich mit zahllosen, zum Teil preisgekrönten Dokus einen Ruf als genauer Beobachter erworben, egal ob er über die Zustände in der schwäbischen Provinz oder im homophoben Russland berichtet. Schon in zwei Filmen nahm er sich die US-Pornobranche vor, mit allen ihren durch die Prüderie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten erzwungenen Widersprüchlichkeiten. Jetzt porträtiert er den einst aus Berlin auch wegen einer HIV-Infektion ausgewander-
ten Tom Weise. Der hilft in den Neunzigern dabei, eine Webplattform aufzubauen, die Escorts mit Freiern ("Hustlern") zusammenbringt und so den käuflichen Sex vom Schmuddel-Image befreit. Zehn Jahre lang organisiert der mittlerweile illegal in den USA lebende Weise dazu passende Partys. Zu seinen Schöpfungen zählt der später nach Berlin exportierte "HustlaBall". Vor zwei Jahren entschließt er sich, mit seinem neuen Lebenspartner zurück nach Deutschland zu gehen.
"The Good American" funktioniert vor allem als kühl gezeichnetes Sittengemälde, im Gegensatz zu anderen Produktionen fällt es allerdings schwer, so recht Sympathie mit Hicks Protagonisten zu entwickeln. (to) The Good American, D 2009, Buch und Regie: Jochen Hick. Am Sa, 14.11., 22:15 Caligari Filmbühne, Wiesbaden (im Rahmen des "Exground on Screen"- Festivals) + ab Mi, 25.11. 21:15 Uhr, Kino Orfeos Erben, Frankfurt. Bitte Termine checken: orfeos.de
Ein Höllenspektakel "Rosas Höllenfahrt" von Rosa von Praunheim Kurz vor seinem 67. Geburtstag kommt Rosa von Praunheims neuer Film, in dem er sich, auch im Hinblick auf sein fortschreitendes Alter, mit dem Tod und dem, was danach kommt, beschäftigt. Dazu hat er Wissenschaftler und Kulturhistoriker aus dem Christentum, dem Judentum, dem Islam
und dem Buddhismus zu ihren Vorstellungen über die Hölle befragt. Aber auch Menschen auf der Straße kommen zu Wort: so hört sich der streitbare Filmemacher auf dem Katholikentag in Osnabrück ebenso um wie auf dem Berliner Pornospektakel HustlaBall. Natürlich geht Praunheim auch der Frage nach, inwieweit sein homosexuelles Leben ihn für die Strafen der Hölle qualifiziert. Zwischen den Interviews mit den renommierten Gelehrten hat er Spielszenen eingeflochten, in denen er von einer Gruppe Berliner Schauspieler Zitate aus wegbereitenden Schriften der Weltliteratur rezitieren und szenisch darstellen lässt. Das Ergebnis ist ein informa-
&)&)0-7&%'/ „All In One“ - das neue Album der Bossa-Pop-Königin. Produziert von Mark Ronson (Amy Winehouse), Mario Caldato Jr. (Beastie Boys) u.a.
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tiver und vielschichtiger Dokumentarfilm, der auch die Verstrickung von Religionen mit Kriegen nicht ausspart und zu dem Schluss kommt, dass sich die Menschen das Leben auf Erden oftmals schon selbst zur Hölle machen. Insbesondere die pointierten Ansichten von Uta Ranke-Heinemann, die hier ebenfalls zu Wort kommt, entlarven die Doppelmoral fundamentaler Gläubiger. (fb) Rosas Höllenfahrt, Doku D 2009, 90 Min., Regie: Rosa von Praunheim, mit: Eva-Maria Kurz, Hamze Bytyci, Judith Evers, u.a. im Frankfurt ab Do, 12.11., 17:15 Uhr im Kino Orfeos Erben. Bitte Termine checken: orfeos.de
Sechs Freunde sollt ihr sein "66/67 - Fairplay war gestern" von Ludwig & Glaser Korb. Und der schwule Otto (Christoph Bach) hat sich auf ein Leben in Faulheit und Hartz IV eingerichtet. Das Regie-Duo Ludwig & Glaser will viel und kann auch recht viel. Obwohl der Film immer wieder schauspielerisch prägnante Momente hat, verzettelt er sich in seinen vielen Strängen und vermag die vielen Themen von der HooliganGewalt bis zur Angst vor Verantwortlichkeit nur an der Oberfläche zu berühren. Geradezu ärgerlich ist aber der Erzählstrang des schwulen Otto. An sich eine spannende Figur. Seine Prügeltruppe Wenn die Fans von Eintracht Braunschweig sich geht überraschend gelassen mit seiner Homosexuan große Stunden ihres Vereins zurückerinnern alität um. Aber dann hatten die Drehbuchautoren wollen, müssen sie schon sehr alt sein. In der wohl was von Poz-Partys gehört, bei denen Schwule Spielzeit 1966/67 war der heutige Drittligist tat- sich angeblich wissentlich mit HIV infizieren sächlich mal Deutscher Meister. Für die sechs Hel- lassen. Das hat eine abenteuerliche Fantasie ausden in Carsten Ludwigs und Jan-Christian Glasers gelöst: Otto wird von einem wildfremden Mann Generationenporträt "66/67 - Fairplay war gestern" verschwörerisch eine Türcode-Karte zugesteckt, hat die Ziffernfolge 66/67 denn auch geradezu die Zutritt zu einer düsteren High-Tech-Location Fetischcharakter. Und sie haben sich ewige Treue gewährt. Man könnte meinen, hier hätten Freigeschworen. Doch langsam beginnt der Zusammen- maurer und die "Matrix"-Schöpfer gemeinsam ein halt zu bröseln. An den sinnlosen Schlägereien Event geplant. Und das alles wohlgemerkt in mag sich nicht mehr jeder beteiligen. Irgendwo da Braunschweig, und nicht in New York oder meinetdraußen wartet das richtige Leben, aber die Alt- wegen Berlin. Soviel spekulativer Blödsinn macht Fans schaffen den Absprung nicht. Um nicht den den Film, der eh schon langweilig wie ein torloses Betrieb seines Vaters übernehmen zu müssen, Drittligisten-Spiel daherkommt, dann auch noch verheimlicht Florian (Fabian Hinrichs) seinen richtig ärgerlich. (as) längst absolvierten Studienabschluss. Der beleibte Christian (Christian Ahlers) plant sein Leben "66/67 - Fairplay war gestern". D 2008, Regie Ludwig & Glaser. schon mal detailgenau bis ins hohe Alter, aber Mit Fabian Hinrichs, Christoph Bach, Melika Foroutan, Maxim ausgerechnet beim öffentlich im Stadion zelebrier- Mehmet, Fahri Ogün Yardim, Christian Ahlers. 106 Minuten. ten Heiratsantrag gibt ihm seine Freundin einen Kinostart: Do, 19.11.
MEHR KINO! Watercolors
Emma & Marie
Danny, ein talentierter, aber schüchterner Künstler, ist befreundet mit Carter, dem aufstrebenden Star des örtlichen Schwimmteams. Aus einer eher zufällig gemeinsam verbrachten Nacht entwickelt sich eine tiefe Freundschaft und für Danny die Liebe seines Lebens. Als Erwachsener muss Danny sich eingestehen, dass er nie über seine erste Liebe hinweggekommen ist.... Sehnsuchtsvolles, romantisches Drama mit Karen Black und Olympia-Turmspringer Greg Louganis in den Nebenrollen.
Psychothriller oder Amour Fou? Als Marie für ihr Musikstudium nach Lyon zieht, lernt sie die geheimnisvolle Emma kennen. Marie lässt sich auf eine Affäre mit Emma ein - und verliert die Kontrolle.
Zwischen Anziehung and Abstoßung entbrennt zwischen den Frauen ein Zweikampf, der für eine der beiden in einer Katastrophe endet. L-Filmnacht im Cinemaxx: Fr, 20.11., 20:15 Uhr, Mannheim (N7, 17), So, 22.11., 20 Uhr, Offenbach (Berliner Str. 210), Sa, 21.11., 20 Uhr, Stuttgart Liederhalle (Robert-Bosch-Platz 1). Gay-Filmnacht im Cinemaxx: So, 15.11. Offenbach (Berliner Str. 210), Fr, 20.11. Stuttgart Liederhalle (Robert-Bosch-Platz 1), Fr, 27.11. Mannheim (N7 17), jeweils 20 Uhr
Antique In seiner frisch eröffneten Patisserie "Antique" versammelt Chef Ju Jin-Hun
illustre Gehilfen: den schwulen Patissier Sun-Woo, dessen Ex-Freund Jean-Baptiste Evan, Lehrling Yu Ain (der sich nicht zwischen Sun-Woo und seinen Torten entscheiden kann) und den Kellner Su-Young. Obwohl alles harmlos scheint, verbergen alle Beteiligten eine dunkle Vergangenheit, die nach und nach zum Vorschein kommt... Aus einem der erfolgreichsten japanischen Comics der Zeichnerin Fumi Yoshinaga (sie veröffentlichte die Story zuerst als Fortsetzungs-Comic in einem schwulen Magazin) hat der koreanische Regisseur Min Kyu-Dong diese turbulente Komödie erstellt. (bjö) Im Rahmen des "Exground on Screen"-Festivals am So, 15.11., 22:15 Uhr, Apollo Kino Center (Kino Alpha), Moritzstraße 6, Wiesbaden. exground.com