Studie: Nutzungsmotive Von Schallplattenkonsumenten, Autor: Robert Arndt

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Analog ist besser? Eine empirische Untersuchung der Konsumenten von Vinyl-Schallplatten unter besonderer Berücksichtigung ihrer Nutzungsmotive von Robert Arndt

Analog ist besser? Eine empirische Untersuchung der Konsumenten von Vinyl-Schallplatten unter besonderer Berücksichtigung ihrer Nutzungsmotive Qualifikationsarbeit zur Erlangung des Hochschulgrades „Bachelor of Arts in Medienmanagement“ Eingereicht von Robert Arndt Hannover, 09. September 2005 Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung Hochschule für Musik und Theater Hannover Erstgutachter: Prof. Dr. Helmut Scherer Zweitgutachterin: Dr. Wiebke Möhring

„Is it so wrong, wanting to be at home with your record collection? It´s not like collecting records is like collecting stamps, or beermats, or antique thimbles. There´s a whole world in here, a nicer, dirtier, more violent, more peaceful, more colourful, sleazier, more dangerous, more loving world than the world I live in.” Nick Hornby, Autor und Plattensammler

„People buy products not only for what they can do, but also for what they mean.“ Sidney J. Levy, Professor für Marketing an der University of Arizona

ABSTRACT Ziel dieser Studie war es, Nutzungsmotive zu ermitteln, die heute aus Rezipientensicht beim Kauf von Vinyl-Schallplatten eine Rolle spielen. Zu diesem Zweck wurde eine standardisierte, schriftliche Befragung von Vinyl-Käufern durchgeführt, die eine nicht-repräsentative Stichprobe von 217 Befragten generierte. Es konnte herausgefunden werden, dass Schallplatten über den Musikkonsum hinaus, weitere ästhetische, sozialpsychologische und praktische Nutzen ausüben. In der Gesamtbetrachtung werden vor allem ästhetische Qualitäten (Optik, Klang), die große Angebotsvielfalt sowie die Möglichkeit, Schallplatten zum „Mixen und Scratchen“ zu benutzen als wesentliche Vorteile wahrgenommen. Bei einer detaillierten Analyse der Stichprobe konnten weiterhin sechs ganz unterschiedliche „MotivTypen“ identifiziert werden, die wie folgt bezeichnet wurden: 1. Die eingeschworenen Sammler 2. Die desinteressierten Klangliebhaber 3. Die systemkritischen Secondhand-Käufer 4. Die nostalgischen Traditionalisten 5. Die aufgeschlossenen Audiophilen 6. Die modernen Querdenker Die Verschiedenartigkeit der unterschiedlichen Nutzergruppen hat gezeigt, dass Schallplattenkonsumenten nicht als homogene Masse zu verstehen sind. Stattdessen verfolgen sie mit dem Kauf von Vinyl zum Teil sehr unterschiedliche Motive. Diese stehen wiederum in einem engen wechselseitigen Zusammenhang mit weiteren Merkmalen wie zum Beispiel dem Kauf- und Nutzungsverhalten oder der Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Innovationen.

INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

1. PROBLEMSTELLUNG UND RELEVANZ ......................................................................................1 2. FORSCHUNGSHINTERGRUND.....................................................................................................5 2.1. Die Schallplatte ist tot - es lebe die Schallplatte! ...................................................................5 2.2. Die digitale Revolution und ihre Folgen für den Tonträgermarkt… … … … … … … … … … … … .7 3. THEORETISCHER ANSATZ ..........................................................................................................10 3.1. Theoretische Überlegungen zum Medienwandel ..................................................................10 3.2. Der Uses-and-Gratifications-Ansatz ......................................................................................12 3.3. Vorstellung der relevanten Motivdimensionen.......................................................................14 3.4. Einbeziehung konsumentenspezifischer Merkmale ..............................................................21 3.5. Zusammenfassung und Modell .............................................................................................22 3.6. Konkretisierung der Forschungsfragen .................................................................................23 4. METHODISCHES VORGEHEN .....................................................................................................24 4.1. Wahl der Methode .................................................................................................................24 4.2. Operationalisierung ...............................................................................................................25 4.2.1 Operationalisierung der Nutzungsmotive......................................................................25 4.2.1 Operationalisierung der konsumentenspezifischen Merkmale .....................................26 4.3. Entwicklung und Aufbau des Fragebogens ...........................................................................28 4.4. Pretest ...................................................................................................................................29 4.5. Durchführung der Erhebung..................................................................................................29 5. ERGEBNISSE UND INTERPRETATION........................................................................................32 5.1. Beschreibung der Stichprobe ...............................................................................................32 5.2. Ermittlung der Hauptmotive für die Nutzung von Vinyl-Schallplatten ....................................36 5.2.1. Deskriptive Darstellung der Nutzungsmotive...............................................................36 5.2.2. Faktorenanalyse zur Verdichtung der Nutzungsmotive ...............................................40 5.3. Typologisierung der Schallplattenkonsumenten....................................................................44 5.3.1. Vorgehen.....................................................................................................................44 5.3.2. Beschreibung und Interpretation der Cluster ...............................................................45 5.3.3. Beschreibung und Interpretation der Nutzertypen anhand zusätzlicher Variablen ......53 5.3.4. Zusammenfassende Darstellung der Nutzertypen ......................................................65

6. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ......................................................................................71 6.1. Zusammenfassung der Forschungsergebnisse ...................................................................71 6.2. Ausblick ................................................................................................................................72

Literaturverzeichnis .............................................................................................................................76 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis..................................................................................................82 Anhang ................................................................................................................................................83

1. PROBLEMSTELLUNG UND RELEVANZ Schon im Jahre 1935 beschäftigte sich der deutsche Philosoph und Soziologe Walter Benjamin mit dem Wesen von massenhaft verbreiteten Kulturgütern und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. In seinem berühmt gewordenen medientheoretischen Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ bedauert Benjamin (1963) den Verlust der Einmaligkeit eines Kunstwerks durch moderne Vervielfältigungstechniken. Der Vorwurf lautet, dass das Werk durch dieses Verfahren seine Aura verliere. Benjamin scheint sich geirrt zu haben – zumindest im Falle von Musik, die auf Schallplatten gepresst wird. Denn spätestens seit Anfang der 90er Jahre, also seitdem die rausch- und knackfreie Compact Disc (CD) den Tonträgermarkt beherrscht und das Schicksal analoger Wiedergabemedien zu einem Nischenprodukt degradiert hat1, umgibt die Vinyl-Schallplatte stets eine Aura des Besonderen. Trotz der vielen Vorteile, die die digitalen Abspielmedien mit sich bringen, gilt die „gute, alte Schallplatte“ für ein kleines audiophiles Publikum als der bessere Tonträger, dessen Vorzüge und kulturelle Bedeutung nicht selten mit emotionaler Inbrunst verteidigt werden. Der Begriff „schwarzes Gold“, oft als Synonym für Vinyl gebraucht, verdeutlicht den Stellenwert, den die schwarzen, gerillten Scheiben für viele Sammler einnehmen. Auch der Blick in die Feuilletons deutscher Tages- und Wochenzeitungen lässt erkennen, mit wie viel Emotion die Diskussion um die „richtige“ Tonwiedergabe geführt wird. Hier wimmelt es nur so von Legenden, Mythen und Klischees, die sich um das Phänomen Vinyl ranken. Schallplatten, so heißt es dort, „erzählen eine Geschichte, […] sie haben ein Gesicht“ und vor allem „Charakter“ (Farkas, 1998, S.11). Der Klang? Selbstverständlich viel „sinnlicher, […] dringlicher und persönlicher“ als der einer CD (Stock, 2005, S.64), nicht zu vergessen das „lagerfeuerhafte Knistern des Staubs in den Rillen.“ (Dworschak, 2003, S.180). Die Käufer? Ein „Haufen anonymer Melancholiker, die die Schallplatte als Kultobjekt verehren“ (Platzen, 2003, S.38), „Fortschrittsverweigerer, welche die CD-Technologie trotzig ablehnen“, kurzum: „hoffnungslose Nostalgiker“ („Vinyl-Zeitalter adieu?“, 1994, S.15). Interessanterweise hat die überschaubare Gegenbewegung der Vinyl-Käufer in der jüngsten Vergangenheit wieder an Zuwachs gewonnen. Seit Mitte der 90er Jahre hat sich die Zahl der jährlich verkauften Langspielplatten in Deutschland von 400.000 auf zuletzt rund 800.000 verdoppelt (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, 2005, S.26). Wie sich an diesen Verkaufszahlen sowie an den aufgeführten Zitaten erkennen lässt, scheint es eine Fülle von Gründen zu geben, Der Vinyl-Anteil am gesamten Umsatz der Tonträgerindustrie betrug in den vergangenen 10 Jahren durchschnittlich 0,7% (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, 2005, S.26). Eine ausführliche Darstellung des Substitutionsprozesses der Schallplatte durch die CD erfolgt in Kapitel 2.

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PROBLEMSTELLUNG UND RELEVANZ warum Musikkonsumenten sich nach wie vor für eine Schallplatte entscheiden. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, gelangt schnell zu einer Vielzahl möglicher Erklärungsansätze. Für den einen mag der Klang eine besondere Rolle spielen, einem anderen dient die Schallplatte als unverzichtbares Handwerkszeug für seine Tätigkeit als HipHop-DJ und ein Dritter sieht im Kauf von Schallplatten einen bewussten Protest gegen die rasant fortschreitende Technisierung und Digitalisierung unserer modernen Lebenswelt. Dem Kauf von Vinyl-Schallplatten liegen also offenbar ganz unterschiedliche Motive zugrunde. Wissenschaftliche Untersuchungen, die die gängigen Klischees über Wesen und Beweggründe der Vinyl-Anhänger empirisch überprüft hätten, liegen jedoch bis heute nicht vor. Daher möchte ich mich in dieser Arbeit systematisch und möglichst unvoreingenommen mit den Nutzungsmotiven von Schallplattenkäufern auseinandersetzen, wobei die Einbeziehung psychologischer und soziologischer Erkenntnisse eine gewichtige Rolle spielen soll. Den Mittelpunkt meiner Untersuchung bildet daher die Frage: Warum entscheiden sich Musikkonsumenten heute noch für den Kauf von Vinyl-Schallplatten? Allerdings erscheint mir die isolierte Betrachtung individueller Nutzungsmotive nicht aussagekräftig genug, um die Komplexität des Forschungsgegenstandes bzw. die Befindlichkeiten der bisher nicht erforschten Käuferschaft von Schallplatten hinreichend abzubilden. Deswegen halte ich es für sinnvoll, weitere Aspekte in Einstellung und Verhalten der Vinyl-Konsumenten zu untersuchen und anschließend zu überprüfen, ob sich innerhalb der Gruppe der Schallplattenkäufer unterschiedliche Nutzungstypen entdecken lassen. Meine zweite forschungsleitende Frage lautet daher: Können anhand ihrer Hauptnutzungsmotive unterschiedliche Typen innerhalb der Gruppe der Vinyl-Schallplatten-Käufer identifiziert werden? Wenn ja, welche „Motiv-Typen“ gibt es und hinsichtlich welcher konsumentenspezifischen Merkmale unterscheiden sie sich? Die Beantwortung dieser Fragen scheint aus mehreren Gründen relevant: Ein großes Interesse liegt zunächst in der Schließung einer Forschungslücke. Denn obwohl die Literatur über Musik und Medien bemerkenswert umfassend und vielfältig ist, bleibt der Vergleich zwischen analoger und digitaler Musikrezeption bislang weitgehend unerforscht (Behne, 2003, S.28). Zudem kann das Forschungsvorhaben unter einem kommunikationswissenschaftlichen Gesichtspunkt einen Beitrag 2

PROBLEMSTELLUNG UND RELEVANZ zur Beantwortung der Frage leisten, welche Bedeutung die Entwicklung und Etablierung neuer Medien für die Nutzung und Verbreitung traditioneller Angebote hat. Denn der Wettbewerb unterschiedlicher Medienangebote untereinander war wohl nie so stark ausgeprägt wie im zurückliegenden Jahrzehnt, welches von einem umfassenden Digitalisierungsprozess der Mediensysteme und dem damit einhergehenden Aufkommen so genannter neuer Medien geprägt war (vgl. Abschnitt 2.2.). Die wissenschaftlichen Diskurse, die diesen Wandel begleitet haben, wurden jedoch meist einseitig von der technischen Machbarkeit und selten aus der Perspektive des Nutzers geführt (vgl. Rademacher, 1997, S.140). Diesem wird immer wieder dieselbe Entscheidung abverlangt: Soll er den vertrauten, aber scheinbar veralteten Medienangeboten die Treue halten? Oder doch lieber auf der Welle der neuen, zukunftsweisenden Medien mitschwimmen, um den Anschluss nicht zu verpassen? Die Ergebnisse dieser Studie können somit auch Aufschluss über die Überlebensfähigkeit anderer Medienformate geben, deren Verdrängung vom Markt durch neue, technisch innovative Alternativen abzusehen ist. In einer Zeit, in der der Vertrieb physischer Tonträger aufgrund neuer Technologien generell in Frage gestellt wird (vgl. Renner, 2004), gewinnt die Studie auch an ökonomischer Relevanz. Informationen über das Nutzungsverhalten der Musikkonsumenten und deren Bedürfnisse bilden die Grundlage für die Optimierung dezentraler Marketing-Strategien. Vor dem Hintergrund einer zunehmend individualisierten Gesellschaft (vgl. Zombik, 1995, S.502) kann dieses Wissen bei Werbemaßnahmen von wesentlicher Bedeutung sein. Im besten Fall führt dies zu einer verbesserten Abstimmung der Händler auf die Wünsche der Kunden und zu einer Vergrößerung des Käuferstamms. Schließlich ist der Käufermarkt von Vinyl-Schallplatten zumindest theoretisch noch stark ausbaufähig. Nach einer Studie der Freien Universität Berlin verfügen 30 Prozent aller deutschen Haushalte nach wie vor über einen Plattenspieler (cmr.fu-berlin.de, 2004), der in vielen Fällen jedoch überhaupt nicht mehr benutzt wird. Persönliche Gespräche im Freundes- und Bekanntenkreis bringen mich im Übrigen zu der Annahme, dass sich viele Menschen überhaupt nicht darüber bewusst sind, dass Schallplatten überhaupt noch hergestellt und vertrieben werden. Nicht zuletzt dürfte es sich aus Sicht der Musikindustrie bei Vinyl-Käufern um ein sehr dankbares Teilsegment von Musikkonsumenten handeln, gerade weil Vinyl sich nicht bzw. nur sehr schwer illegal vervielfältigen lässt. Abschließend soll noch auf die gesellschaftliche Relevanz der Arbeit hingewiesen werden. Diese ergibt sich aus der aus der Untersuchung der Überlebenschancen eines Kulturguts, das die Menschen seit über hundert Jahren begleitet hat und das nunmehr vom Aussterben bedroht zu sein scheint. Hinzu kommt, dass angesichts der verwirrenden Vielfalt an technischen Plattformen bei 3

PROBLEMSTELLUNG UND RELEVANZ Teilen der Bevölkerung der Wunsch nach vertrauten und „begreifbaren“ Tonträgern wächst (Illinger, 1999, S.13). Definition des Begriffs „Schallplatte“ Aufgrund der wichtigen Rolle des Begriffs „Schallplatte“ im Rahmen dieser Arbeit, soll dieser zur besseren Verständlichkeit noch einmal näher erläutert werden. Im Großen Brockhaus-Lexikon wird die Schallplatte wie folgt definiert: „Kreisrunde Scheibe für die Speicherung von Schallsignalen. Bei der analogen Schallplatte sind die Schallsignale in spiralförmigen, zum Mittelpunkt der Schallplatte verlaufenden Ringrillen gespeichert. Die Rillenauslenkung schwingt analog [sprich zeitgleich] zur Schallamplitude und kann mit Hilfe des Tonabnehmers eines Plattenspielers in elektrische Spannung und später wieder in Signale umgewandelt werden. Die analoge Schallplatte ist beidseitig abspielbar.“ (brockhaus.de, 2005a).

Obwohl es sich bei der Definition zweifellos um die Beschreibung einer klassischen Vinyl-Schallplatte handelt, wird der Begriff im alltäglichen Sprachgebrauch häufig auch für CDs verwendet. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist hiermit jedoch gemäß der Definition ausschließlich die analoge Vinyl- bzw. Schellackplatte gemeint. Weiterhin möchte ich darauf hinweisen, dass die Begriffe „Schallplatte“ und „Vinyl“2 synonym verwendet. Aufbau der Arbeit Das folgende Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit dem Stellenwert, den die Vinyl-Schallplatte im heutigen Tonträgermarkt einnimmt. Dies geschieht vor dem Hintergrund ihrer historischen Absatzentwicklung sowie unter besonderer Berücksichtigung der Etablierung neuer, digitaler Wiedergabetechnologien. Im Anschluss daran werde ich im dritten Kapitel den theoretischen Ansatz des Forschungsvorhabens erläutern. Unter Zuhilfenahme bisheriger Studien zur Mediennutzungs- und Musikforschung werde ich hier die relevanten Motivdimensionen sowie mögliche Einflussfaktoren konsumentenspezifischer Merkmale erarbeiten und näher beschreiben. Die Wahl einer angemessenen Forschungsmethode sowie die Entwicklung des entsprechenden Erhebungsinstruments werden im vierten Kaptitel thematisiert. In Kapitel fünf folgt die Darstellung der Ergebnisse mit anschließender Interpretation, bevor ich im sechsten Kapitel mit einem Fazit und einem Ausblick abschließen werde.

„Vinyl“ ist ein verknappter Hinweis auf die beiden wesentlichen Bestandteile der Pressmasse: Vinylchlorid und Vinylacetat. Seit den 90er Jahren dient der Begriff allerdings als eine übliche „Kurzbezeichnung für Schallplatten im Nadeltonverfahren“ (Wonneberger, 2000, S.417).

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2. FORSCHUNGSHINTERGRUND Um einen allgemeinen Zugang zum Forschungsfeld zu schaffen, werde ich in diesem Kapitel zunächst die technische und ökonomische Entwicklung der Vinyl-Schallplatte in groben Zügen zusammenfassen. Die anschließende Auseinandersetzung mit dem Digitalisierungsprozess innerhalb der Tonträger- bzw. Unterhaltungsindustrie beschreibt das Wettbewerbsumfeld, in dem sich die analoge Vinyl-Schallplatte heute befindet.

2.1. Die Schallplatte ist tot – es lebe die Schallplatte! Aus heutiger Sicht ist die Erfindung und Verbreitung der Schallplatte nicht nur als eine technische, sondern im kulturhistorischen Sinne auch als eine „höchst demokratische“ Errungenschaft zu betrachten (Rudorf, 1998, S. 9). Erst mit ihrer Erfindung im Jahre 1877 wurde Musik zu einem „Ding“, einer Ware, die sich einfach nach Haus tragen und selbstverständlich konsumieren ließ (vgl. Eisenberg, 1990). Dadurch hatten Millionen Menschen erstmals die Möglichkeit, Musikkultur von der Oper bis zum Schlager überhaupt kennen zu lernen. Nachdem mehr als ein halbes Jahrhundert lang mit verschiedenen Durchmessern und Materialien experimentiert worden war, brachte die US-amerikanische Plattenfirma Columbia im Jahre 1948 die LP auf den Markt. Diese ermöglichte eine deutliche Steigerung der bisherigen Tonqualität als auch der Spieldauer3 und gilt noch bis heute als der technische Standard der Schallplattenproduktion (vgl. Große, 1989). Ihren Absatzhöhepunkt erlebte die Vinyl-Langspielplatte Ende der 70er Jahre. Zu dieser Zeit wurden jährlich weltweit mehr als eine Milliarde Exemplare verkauft (Zombik, 1995, S. 497). Die schwarze Kunststoffscheibe beherrschte über vier Jahrzehnte den Musikmarkt, bis 1982 die Compact Disc (CD) in Erscheinung trat. Das neue Medium zeichnet sich vor allem durch seine technisch innovative Aufnahme- und Wiedergabetechnik aus und bietet eine Vielzahl neuer Vorteile gegenüber der Schallplatte: Die CD ist handlich (12 Zentimeter Durchmesser), bedienungsfreundlich (einzelne Lieder lassen sich leichter direkt anwählen), relativ unempfindlich und liefert dem Hörer eine weit bessere Klangqualität als die Vinyl-Schallplatte. Anfangs noch von vielen Konsumenten als reine Modewelle abgetan (Gruber, 1995, S.239), entwickelte sich die Compact Disc binnen weniger als einem Jahrzehnt zum wichtigsten Tonträgerformat (Abbildung 1). 1989 wurden erstmals mehr CDs als Platten verkauft. Der entscheidende Umschwung vollzog sich jedoch erst Anfang der 1990er 3

Daher auch der Name: LP steht für Longplay bzw. Langspielplatte.

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FORSCHUNGSHINTERGRUND Jahre, als die Verkaufszahlen bei Compact Disc explodierten und im Vinyl-Bereich schlagartig zusammenbrachen (Zombik, 1995, S.497). Auch eine Initiative renommierter DJs zur Rettung der Schallplatte („Save the vinyl“) konnte diesen Trend nicht mehr umkehren. Gruber (1995) stellt fest, dass es sich bei dem plötzlichen Aus der Vinyl-LP keinesfalls um einen „natürlichen Tod“ handelte, sondern „um eine von Teilen des Handels und insbesondere von den großen Plattenfirmen aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen4 herbeigeführte Situation“ (S.236). Diese Strategie führte dazu, dass im Jahr 1997 auf etwa 500 verkaufte CDs lediglich noch eine LP umgesetzt werden konnte (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, 2005, S.26). Abbildung 1: Absatz von Langspielplatten und Compact Discs in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitverlauf 180 160

Umsatz in Mio. Stück

140 120 100

LP

80

CD

Quelle: Eigene Darstellung.

60

Daten: Zombik, 1995, S. 497.

40 20 0 1 1970

5 1974

9 1978

13 1982

17 1986

21 1990

25 1994

Jahr

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Schallplatte in Bezug auf die Verkaufszahlen ihren absoluten Tiefpunkt erreicht. Seither verzeichnet der Markt wieder Zuwächse, wenn auch auf niedrigem Niveau. 2004 wurden nach Angaben des Bundesverbands für Phonographische Wirtschaft 800.000 Vinyl-LPs sowie eine halbe Million Vinyl-Maxis umgesetzt (Tabelle 1). Marktkenner gehen von weit höheren Verkaufszahlen aus, da vor allem kleine spezialisierte Plattenläden Vinyl im Regal stehen haben, dabei jedoch kaum von der offiziellen Verbandsstatistik erfasst werden. Dasselbe gilt für kleine und konzernunabhängige Plattenfirmen, so genannte Independents, die ebenfalls noch vielfach ihre Musik auf Schallplatte pressen lassen, ohne in einer Statistik aufzutauchen (vgl. Horn, 2004) sowie für den gesamten Secondhandbereich.

Gruber (1996) zufolge beruht dieses Vorgehen vor allem aus folgenden Gründen: Einsparungseffekte in Verwaltung und Management, niedrigere Produktionskosten, größere Gewinnmargen und Wiederbelebung des Geschäfts mit bereits existenten musikalischen Altmaterial (S.236ff).

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FORSCHUNGSHINTERGRUND Tabelle 1: Absatz von Vinyl und Compact Discs in der Bundesrepublik Deutschland 1995-2004 In Mio. Stück

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

Vinyl-LP

0,4

0,4

0,4

0,6

0,6

0,8

1,0

1,0

1,0

0,8

CD

176,9

184,5

196,9

196,5

198

195,1

173,3

166,8

133,6

133,1

Vinyl-Maxi

0,7

0,7

0,8

1,0

1,2

1,4

1,1

0,8

0,6

0,5

CD-Maxi

42,7

46,3

50,7

52,1

51,2

48,9

43,5

34,9

22,2

19,6

Quelle: Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, 2005, S.26/28

Mitverantwortlich für die Wiederbelebung des Vinylmarktes war unter anderem das Aufleben bestimmter musikalischer Stilrichtungen (Techno, HipHop, Ragga etc.), in deren Kontext die Schallplatte eine völlig neue Bedeutung erfuhr. Fortan galt sie als substantieller Bestandteil der DJ-Kultur (Raml, 1997, S.36) und als „eigentliche Ausgangsbasis für neue Strömungen und experimentelle Musik“ (Rudorf, 1998, S.22). Im Mainstream hingegen, sprich der von der großen Mehrheit bevorzugten Musik, tendiert der Vinyl-Anteil gegen null (Gruber, 1995, S.239). Dementsprechend bleibt auch der Anteil der Schallplatte am Gesamtumsatz der Tonträgerindustrie marginal. Die Branche spricht von einem „sunset business“, einem „untergehenden Markt, groß genug ein paar Nischenanbieter zu nähren.“ (Bruckmaier, 2001, S.17). Auch wenn ein enthusiastischer Freundeskreis aus DJs und Vinyl-Freaks dieses Segment weiterhin aktiv hält (Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, 2005, S.26), so bleibt die Schallplatte für die Mehrheit der Bevölkerung wohl nicht mehr als eine „nostalgische Erinnerung“ (Zombik, 1995, S.498).

2.2. Die digitale Revolution und ihre Folgen für den Tonträgermarkt Der Übergang von der LP zur CD war der Beginn einer weitreichenden Entwicklung – der Digitalisierung medialer Inhalte und unseres kulturellen Alltags. Unter Digitalisierung versteht man „die Umwandlung von analogen in digitale Signale, um sie mit einem Computer weiterverarbeiten zu können5.“ (brockhaus.de, 2005b). Heute sind digitale Medienanbieter und -produkte aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Egal ob Musik, Filme, Fernsehen oder Kameras – all diese Produkte arbeiten heute mit der neuen Technologie. Und zwar erfolgreich. Im Jahr 2003 wurden weltweit erstmals mehr digitale als analoge Geräte verkauft (Anderson, 2002, S.135). Die Erfolgsgeschichte der Digital Versatile Disc (DVD), dem Nachfolger der VHS-Kassette, verdeutlicht außerdem, dass dieser Substitutionsprozess immer schneller voranschreitet. Nur sechs Jahre nach ihrer Einführung hatte die DVD bereits 92% des Am Beispiel von CDs bedeutet das, dass die Klänge eines Musikstücks 44.100mal pro Sekunde berührungsfrei abgetastet und als Kette einzelner Zahlen als Datenpaket aufgezeichnet werden. Bei der Wiedergabe werden die Daten wieder ausgepackt und zu Tönen gebracht (Rudorf, 1998, S.16).

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FORSCHUNGSHINTERGRUND Heimvideomarkts in ihrer Hand. Die Compact Disc benötigte etwa doppelt so lange, um sich gegen die tradierte Vinyl-Nutzung der Konsumenten durchzusetzen (Gesellschaft für Konsumforschung, 2005). Diese rasante Entwicklung ist nicht besonders verwunderlich. Schließlich bieten digitale Datenträger und Vertriebsformen viele Vorteile. Insbesondere der 1995 eingeführte Kompressionsstandard für Audiodateien, MP3, eröffnet seinen Nutzern völlig neue Anwendungsmöglichkeiten, die den klassischen physischen Tonträger für die Wiedergabe von Musik überflüssig machen. Musik befindet sich oftmals ausschließlich nur noch „auf dem Rechner“ oder sie wird direkt ins Handy, auf den USB-Stick oder MP3-Player eingespeist. Laut der Studie „Portable Media Players in Europe“ von JupiterResearch sind bereits 27% der Konsumenten ausschließlich an portabler Musik interessiert (mediaundmarketing.de, 2004). Multifunktionsfähigen Mobiltelefonen, die Videos und eben auch Musik abspielen können, wird ein enormer Zuwachs vorausgesagt. Experten betonen jedoch, dass der physische Vertrieb von Tonträgern auch in Zukunft seinen Platz im Markt behaupten könne. Zwar werde dieser Bereich als wichtigstes wirtschaftliches Standbein der Musikindustrie an Bedeutung verlieren, der „Einkauf als individuelles und soziales Erlebnis sowie tradierte Gewohnheiten“ machten aber die Fortexistenz bespielter Träger „technisch wie wirtschaftlich weiterhin sinnvoll und notwendig“ (Zombik, 1995, S. 509). Neue Musikspeichermedien kündigen sich bereits an (DVD Audio, SACD, Dual Disc), von denen noch niemand sagen kann, ob sie sich am Markt durchzusetzen werden (Stock, 2003, S.65). Es stellt sich daher die Frage, welchen Platz die Schallplatte in dieser „schönen, neuen Medienwelt“ einnehmen wird. Hat sie das Potential sich dauerhaft am Markt zu behaupten? Zu den modernen Tonträgern steht die Schallplatte in einem ähnlichen Verhältnis wie die Schubkarre zum Lastkraftwagen. Allerdings macht dieser Vergleich auch deutlich: Obwohl der LKW unumstritten leistungsstärker und effizienter arbeitet, hat er die Schubkarren bis heute nicht gänzlich von den Baustellen verdrängen können. Zusammenfassung Die in diesem Kapitel in groben Zügen umrissene Entwicklung der Schallplatte beschreibt die Geschichte eines Kulturguts, welches die Entstehung der Musikindustrie überhaupt erst möglich machte. Dennoch gilt ihre Existenz seit der Einführung der digitalen Compact Disc als vom Aussterben bedroht. Und obwohl in regelmäßigen Abständen die Wiedergeburt der schwarzen Scheibe ausgerufen wird, eines bleibt eines wohl unumstritten: Als analoges Tonträgermedium wird die Schallplatte in einer digitalen wie vom technischen Wandel geprägten Medienwelt auf ewig einen Sonderstatus einnehmen. 8

FORSCHUNGSHINTERGRUND Obwohl physische und insbesondere analoge Tonträger im vergangenen Jahrzehnt durch neue Distributionsformen an Bedeutung verloren haben, entscheidet sich eine kleine Gruppe von Konsumenten nach wie vor für den vermeintlichen „Dinosaurier“ unter den Tonträgern und sichert somit dessen Bestehen am Markt. Um einer Erklärung für dieses Phänomen näher zu kommen, werde ich mich im folgenden Kapitel mit verschiedenen theoretischen Ansätzen zum Medienwandel sowie zur Mediennutzungsforschung beschäftigen.

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3. THEORETISCHER ANSATZ Sinn und Zweck dieses Kapitels ist es zu erläutern, welche Theorien und wissenschaftlichen Konzepte zur Untersuchung meines Forschungsgegenstandes angemessen sind. Zunächst möchte ich einige Ansätze vorstellen, die dazu dienen, die Auswirkungen neuer Medientechnologien auf die Verbreitung und Nutzung traditioneller Medien zu erklären. Da ich mich bei meiner Untersuchung für eine nutzerorientierte Herangehensweise entschieden habe, halte ich weiterhin die Verwendung des Uses-and-Gratification-Ansatzes für sinnvoll. Dieser von Blumler und Katz (1974) entwickelte Ansatz rückt den aktiven Rezipienten mitsamt seinen Dispositionen, Motiven und Verhaltensweisen in den Vordergrund des Forschungsinteresses.

3.1. Theoretische Überlegungen zum Medienwandel Die Frage, inwieweit die Entwicklung und Etablierung neuer Medientechnologien das Nutzungsverhalten der traditionellen Medien beeinflussen, gehört spätestens seit Mitte der 1990er Jahre zu den Dauerthemen kommunikationswissenschaftlicher Fachdiskussionen (vgl. Stipp, 2000). Im Rahmen dieser Diskussionen haben sich verschiedene theoretische Ansätze etabliert, von denen im Folgenden das Gesetz der Komplementärfunktion, das „principle of leisure displacement“ sowie die Nischentheorie vorgestellt werden sollen. Wolfgang Riepl stellte 1913 ein bis heute viel zitiertes Grundgesetz der Entwicklung des Nachrichtenwesens auf, das sich problemlos auch auf Unterhaltungsmedien übertragen lässt. Nach diesem Gesetz können „die einfachsten Mittel, Formen und Methoden, wenn sie nur einmal eingebürgert und brauchbar befunden worden sind, auch von den vollkommensten und höchst entwickelten niemals wieder gänzlich und dauernd verdrängt und außer Gebrauch gesetzt werden […], sondern sich neben diesen erhalten, nur daß [sic!] sie genötigt werden, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen.“ (S.5). Dieses so genannte Gesetz der Komplementärfunktion geht also davon aus, dass verschiedene Medientypen unterschiedliche Leistungsprofile besitzen und dadurch die Neutralisierung der intermediären Beziehungen sowie das eigene Überleben sichern. Obwohl sich das „Rieplsche Gesetz“ auf einige Entwicklungen der Medienevolution geradezu prototypisch anwenden lässt6, bleibt es in vielen Punkten außerordentlich streitbar. Neuberger (2003) kritisiert unter anderem, dass das Gesetz Scherer und Schlütz (2004) nennen in diesem Zusammenhang die Entwicklung des Hörfunks in den 1960er und 1970er Jahren. In Gefahr vom Fernsehen verdrängt zu werden, „hat man beim Hörfunk auf die spezifischen medialen Vorteile gesetzt, […] und damit eine großartige Renaissance dieses Mediums als Begleitung im Alltag eingeleitet.“ (S.7).

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THEORETISCHER ANSATZ wörtlich genommen „kaum widerlegbar und damit recht banal“ sei, da das Überleben eines einzigen Anbieters genügen würde, damit ein Medium im Rieplschen Sinne nicht „gänzlich und dauernd verdrängt“ würde (S.34). Des Weiteren bleibt unklar, ob sich das Gesetz auf die technische Basis, auf die Organisationsform oder auf bestimmte Angebotsweisen bezieht (Scherer & Schlütz, 2004, S.7). Wenn zum Beispiel die Compact Disc die Schallplatte weitgehend abgelöst hat, wurde dann ein Kommunikationsmittel (analoge LP) durch ein anderes (digitale CD) verdrängt oder hat sich ein Medium (Tonträger) gewandelt? Die anderen genannten Ansätze betrachten das Wettbewerbsverhältnis alter und neuer Medien auf eine differenziertere Art und Weise. Sie heben stärker hervor, dass die einzelnen Angebote um die Aufmerksamkeit des Publikums konkurrieren und verweisen dabei auf die große Rolle der individuellen Funktion der Mediennutzung. Das „principle of leisure displacement“ besagt, dass durch die zeitliche Aufwendung, die die Menschen für neue Medientypen aufbringen, die Ausübung anderer Aktivitäten eingeschränkt (Kompensation) oder ganz aufgegeben werden kann (Substitution). Es ist davon auszugehen, dass in diesem Zusammenhang vorwiegend funktional ähnliche Aktivitäten ersetzt werden, woraus folgt, dass die verschiedenen Medienangebote vor allem dann miteinander konkurrieren, sofern sie aus Rezipientensicht gleiche oder ähnliche Funktionen erfüllen (Himmelweit et al., 1958; nach Scherer & Schlütz, 2004; vgl. auch Berg, 1981). Die Frage, ob digitale Tonträger als funktionaler Ersatz für Vinyl-Schallplatten dienen können, muss eindeutig bejaht werden, da beiden Tonträgerformen die Wiedergabe von Musik als wesentlicher Nutzen gemein ist. Dass die beiden Formate trotzdem nebeneinander existieren, lässt sich anhand der Nischentheorie von Dimmick (1993) erklären. Scherer und Schlütz (2004) fassen dieses Konzept wie folgt zusammen: „Jedes Medium besetzt eine Nische, das heißt, es deckt gewisse Gratifikationen7 ab, erfüllt bestimmte Funktionen besser als andere Medien. Die Nischen verschiedener Medien überschneiden sich. Durch neue Medien und deren spezifisches Gratifikationsprofil verändert sich die Breite der Nischen etablierter Medien. Sind die neuen Medien aus Sicht der Nutzer in der Lage, Funktionen der alten Medien zu übernehmen, müssen sich auf lange Sicht neue Gleichgewichtsverhältnisse zwischen den Medien einstellen. Dann kann die Nutzung der alten Medien nicht unberührt bleiben von der Nutzung der neuen.“ (S. 8). Laut Dimmick können Überschneidungen der Gratifikationsprofile einzelner Medien zu Substitutionsprozessen zwischen den jeweiligen Angeboten führen, eine gänzliche Überschneidung könne sogar

Unter Gratifikationen versteht man den Nutzen, der sich aus Sicht des Rezipienten aus der Mediennutzung ergibt. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Begriff erfolgt in Abschnitt 3.2.

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THEORETISCHER ANSATZ das völlige Ausscheiden eines Wettbewerbers zu Folge haben8 (1993, S.137). Wie in Kapitel 2 beschrieben worden ist, hält die Compact Disc eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber der Schallplatte bereit (handlich, bedienungsfreundlich, unempfindlich, mobil). Gemäß der Nischentheorie wäre die Fortexistenz der Schallplatte ungerechtfertigt, es sei denn, es gäbe noch andere Aspekte, in denen die Schallplatte den digitalen Tonträgern überlegen ist. Die Tatsache, dass die Schallplatte bis zum heutigen Tag nicht vom Markt verschwunden ist, spricht für die Existenz Vinyl-spezifischer Gratifikationen. Meiner Ansicht nach bietet vor allem die Nischentheorie für die dieser Arbeit zugrunde liegende Fragestellung eine sinnvolle wissenschaftliche Grundlage. Sie betont den Zusammenhang zwischen der Überlebensfähigkeit eines Mediums und dessen individuell wahrgenommenen Funktionsleistung. Damit befindet sie sich in unmittelbarer Nähe zum Uses-and-Gratifications-Ansatz, der die theoretische Grundlage meiner Arbeit vervollständigen soll.

3.2. Der Uses-and-Gratifications-Ansatz Der Uses-and-Gratfications-Ansatz ist eine publikumszentrierte Perspektive der Medienwirkungsforschung. Im Mittelpunkt der Forschung steht die Frage, warum Menschen bestimmte Medieninhalte auswählen und nutzen (vgl. Rubin, 2000). Bevor ich auf die Einzelheiten dieses Ansatzes eingehen werde, sollen zunächst einige grundlegende Begriffe erklärt werden, die in der spezifischen Literatur zum Uses-and-Gratifications-Ansatz eine wichtige Rolle spielen: Bedürfnis, Problem, Motiv und Gratifikation. Da diese Begriffe in den verschiedenen Studien „teilweise uneindeutig, teilweise unterschiedlich und teilweise ganz ohne Definition verwendet werden“ (Scherer, 1997, S.44), können die folgenden Erklärungen notgedrungen nur den ungefähren Bedeutungsrahmen widerspiegeln. Unter einem Bedürfnis versteht man einen „ungerichteten Zustand psychischer Spannung“ bzw. ein „Gefühl des Mangels“ (Drabczinsky, 1982, S.36). Werden Bedürfnisse individuell und konkret wahrgenommen, ergeben sich daraus Probleme (Rosengren, 1974, S.276). Probleme sind also Ausprägungen von Bedürfnissen, die erst durch deren Interaktion mit der Umwelt des Individuums entstehen. Aus den Vorstellungen darüber, wie sich ein Problem lösen lässt, ergibt sich ein Motiv. Motive sind der eigentliche Antrieb zu konkreten Handlungen. Gratifikationen schließlich sind der Nutzen und

Dimmick betont jedoch zugleich, dass in der Unterhaltungsindustrie die vollständige Verdrängung einzelner Anbieter ausgesprochen selten vorkomme. Der Einfluss von Radio und Film auf das Varieté ist seiner Auffassung nach der einzige Fall, in dem ein solcher Ausschluss stattgefunden hätte.

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THEORETISCHER ANSATZ somit das Ergebnis, das sich für den Rezipienten aus der Mediennutzung ergibt (Drabczynski, ebd., S.6). Katz et al. (1974) fassen die zentralen Erkenntnisse des Uses-and-Gratifications-Ansatzes wie folgt zusammen: Studien mit diesem theoretischen Konzept sehen das Publikum als aktiv an, die Mediennutzung verläuft zielorientiert und dient dem Publikum zur Befriedigung von Bedürfnissen, zur Lösung von Problemen und somit letztlich zum Erhalt von Gratifikationen durch den Gebrauch von Medien. Es ist zu beachten, dass Medien nicht die einzige Möglichkeit zur Befriedigung von Bedürfnissen darstellen. Sie konkurrieren daher mit anderen nichtmedialen Quellen der Bedürfnisbefriedigung. Der Ansatz beinhaltet außerdem, dass die Menschen sich ihrer Motive bewusst sind und deshalb darüber Auskunft geben können, sofern sie in verständlicher und gewohnter Sprache vorformuliert werden (S.21f). „Dies hat vor allem methodologische Implikationen, da man unter dieser Voraussetzung durch direktes Fragen die Bedürfnisse erheben kann“ (Scherer, 1997, S.48). In Bezug auf die vorliegende Arbeit spielt dieser Aspekt eine entscheidende Rolle. Der Uses-and-Gratifications-Ansatz geht also davon aus, dass die bedürfnis- bzw. motivgeleitete Suche nach bestimmten (Medien-) Gratifikationen auf Rezipientenseite die entscheidende Determinante für deren Mediennutzung darstellt. Medien werden nicht „automatisch“ oder „aus Versehen“ genutzt, sondern erst dann, wenn der Rezipient ihren Gebrauch für sich als lohnend einschätzt (Bonfadelli, 1999, S.160). Stets beachtet werden sollte hierbei, dass die Gratifikationen individuell unterschiedlich wahrgenommen werden. Dementsprechend kann die Nutzung desselben Angebots bei verschiedenen Rezipienten unterschiedlich motiviert sein. Dies kann sogar dazu führen, dass offensichtliche Vorteile eines Medienangebots von Seiten des Publikums gar nicht wahrgenommen werden bzw. dass ein Nutzen wahrgenommen wird, der intersubjektiv nur schwer nachvollzogen werden kann. Die Voraussetzung des Ansatzes, das Publikum handle in großen Teilen seiner Mediennutzung absichtsvoll, wird teilweise in Zweifel gezogen, was den Ansatz insgesamt in Frage stellt (Drabczynski, 1982, S.22). Mehrere Gründe sprechen meiner Ansicht nach jedoch dafür, dass – um auf den Untersuchungsgegenstand zurückzukommen – der Kauf von Schallplatten in der Regel nicht „zufällig“, sondern zielgerichtet und wohlüberlegt abläuft. Schließlich stellen Schallplatten in der herrschenden Vielfalt an verschiedenen Tonträgersystemen lediglich eine Option unter vielen dar. Dieser Aspekt wiegt umso schwerer, wenn man berücksichtigt, dass Plattenfirmen und Musikhändler ihren Schwerpunkt eindeutig auf den Vertrieb von CDs legen und die Verfügbarkeit von Schallplatten somit deutlich niedriger liegt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zahlungsbereitschaft der Musikkonsumenten in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen hat, sollte auch der monetäre Aspekt nicht unterschätzt werden: Schallplatten kosten Geld und sind in der Regel sogar ein wenig teurer als CDs. 13

THEORETISCHER ANSATZ Der Kauf erfordert folglich ein gewisses Maß an Aufwand und Abwägung, ob die Platte ihren Preis wert ist. Zwischenfazit Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, warum ich die Anwendung des Uses-andGratifications-Ansatzes besonderer Berücksichtigung der Nischentheorie als theoretischen Rahmen meiner Untersuchung als sinnvoll erachte. Beide Ansätze greifen optimal ineinander, wenn es darum geht, die fortwährende Nutzung von Schallplatten aus der Perspektive des Rezipienten zu erklären. Denn die Integration dieser beiden Ansätze führt zu folgender Erkenntnis: Die Wahl des geeigneten Tonträgers verläuft zielorientiert. Konsumenten von Musik verfolgen mit der Wahl ihres Tonträgers bestimmte Motive, von denen sie sich einen Nutzen erwarten. Solange die Nutzung von Schallplatten aus Sicht des Rezipienten Gratifikationen enthält, die andere Tonträgersysteme nicht bieten können, ist eine vollständige Verdrängung der Schallplatte auszuschließen. Die Frage, welche spezifischen Motive und Bedürfnisse mit dem Kauf von Schallplatten in Verbindung gebracht werden könnten, soll im folgenden Abschnitt ausführlich diskutiert werden.

3.3. Vorstellung der relevanten Motivdimensionen Bei der Darstellung des Uses-and-Gratifications-Ansatzes wurde beschrieben, dass Motive sich aus Problemen ergeben, welche wiederum Ausprägungen von Bedürfnissen sind. Um herauszufinden, welche Motive beim Schallplattenkauf eine Rolle spielen, muss also zunächst geklärt werden, welche Bedürfnisse hierdurch befriedigt werden könnten. Es liegt auf der Hand, dass der wesentliche Nutzen einer Schallplatte in der Befriedigung des Bedürfnisses nach Musikkonsum liegt. Dieses gilt allerdings auch für den Gebrauch jedes anderen Tonträgermediums und ist dementsprechend nicht schallplattenspezifisch. Es liegt also nahe, dass sich über den Musikkonsum hinaus weitere Nutzungsmotive etabliert haben. Folgt man der Systematik der Mediennutzungsmotive nach McQuail (1983), so lassen sich vor allem Motive, die dem Bedürfnis nach persönlicher Identität, dem Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion und dem Unterhaltungsbedürfnis zugeordnet werden, auf die Verwendung von Vinyl-Schallplatten übertragen (McQuail übersetzt nach Schulz, 2002, S.177f). Gemäß der Logik der Nischentheorie werden dabei nur jene Aspekte untersucht, bei denen funktionale Besonderheiten der Schallplatte vermutet werden. Die zentrale Frage bei der Herleitung der relevanten Motivdimensionen lautet dementsprechend: Wo liegen die exklusiven, durch andere Tonträgermedien nicht ersetzbaren Stärken der Schallplatte? D.h. Bedürfnisse, die in gleicher Weise durch andere Tonträgerformen befriedigt werden können, sollen nicht berücksichtigt werden. Bezo14

THEORETISCHER ANSATZ gen auf den Forschungsgegenstand erscheint mir eine Unterteilung in folgende Motiv-Dimensionen sinnvoll: Ästhetische Qualitäten, Bedienung, Angebot und Ablehnung alternativer Tonträgermedien. Ästhetische Qualitäten Bereits Gruber (1995) fand heraus, dass die Vorliebe für Vinyl oftmals durch rein äußerlichästhetische Kriterien bedingt ist9 (S.244f). Tatsächlich spricht vieles dafür, dass die Schallplatte optisch weit mehr zu bieten hat, als ihr digitaler Konkurrent: Das Cover ist größer; Details sind deutlich besser zu erkennen. Gruber konnte weiterhin feststellen, dass das haptische Erleben, also das Gefühl, eine Schallplatte in den Händen zu halten, eine große Rolle spielt (ebd.). Auch die Bewertung des Klangs spielt in der Diskussion um die Wahl des „richtigen“ Tonträgermediums seit jeher eine zentrale Rolle. Die Meinungen zu diesem Thema gehen weit auseinander. Anhänger der Schallplatte lobpreisen den angeblich „wärmeren, direkteren“ Klang der gerillten Kunststoffscheibe (Goebel, 1999, S.20), auch das „Knistern“ und „Rauschen“ bei der Wiedergabe gilt für viele der Nutzer als unverzichtbarer Nebeneffekt. Der Klang digitaler Alternativen hingegen wird oft als „spitz, gläsern, nicht natürlich“ empfunden (Tsakiridou, 1999, S.9). Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass immer, wenn der Sound mithilfe von Messgeräten untersucht worden ist, sich die CD von Anfang an als überlegen erwiesen hat (vgl. „Stimme aus dem Nichts“, 1995). Es bleibt die Erkenntnis, dass das subjektive Klangerleben gleich viel zählt, wie der in Messkurven ermittelte Frequenzgang und daher in eine nutzerorientierte Betrachtung miteinbezogen werden sollte. Bedienung Die meisten Menschen, die an den Gebrauch von CDs gewohnt sind, würden die Handhabung eines Plattenspielers als schlichtweg unpraktisch empfinden. Platten-Säubern, Tonarm-Justieren und Seiten-Umdrehen verlangen vergleichsweise viel Geduld und Konzentration. Doch gerade in dieser umständlichen Prozedur sehen einige Plattenbesitzer ein selbstverständliches Ritual, das sich aus ihrem Alltag nicht mehr wegdenken lässt. Ihrer Auffassung nach macht das Musik-Hören nach dem „meditativen Staubentfernen und dem präzisen Aufsetzen der Tonnadel […] einfach mehr Spaß als das Abhören einer Digitalkonserve.“ ( „Schwarze Magie“, 1997). Die spezielle Handhabung von Schallplatten macht einen weiteren relevanten Aspekt der Schallplattennutzung überhaupt erst möglich: Die Instrumentalität. Für die DJ-Szene sind Platten mehr als nur eine Option zur Wiedergabe von Musik, sondern auch unverzichtbares Handwerkszeug zur AusGruber untersucht allerdings ausschließlich das Konsumentenverhalten bei Independent-Tonträgern. Seine Ergebnisse beziehen sich auf die Auswertung qualitativer Interviews und wurden bislang nicht auf einer breiten empirischen Basis geprüft.

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THEORETISCHER ANSATZ übung ihrer Tätigkeit (vgl. Abschnitt 2.1.). Mit der Entwicklung von Scratch10- und Cuttechniken11, Mitte der 1970er Jahre, gelang der entscheidende Durchbruch hin zu einem künstlerischen Umgang mit Turntables und Platten (Poschhardt, 1997, S.33). Dadurch hat sich auch die Sichtweise auf den Plattenspieler verändert. Er ist nicht länger nur Reproduktionsgerät, sondern auch Instrument, „ein verschmähtes, einfaches Gerät, mit dem man […] sehr viel herstellen kann.“ (ebd., S.368). Seitdem vor wenigen Jahren die ersten „scratchbaren“ CD-Spieler auf den Markt kamen, handelt es sich bei diesem Aspekt nur noch bedingt um eine vinyl-spezifische Gratifikation. Ob sich die neue Technologie allerdings durchsetzen kann ist fraglich, da ihr Gebrauch unter den meisten DJs (noch) als „unauthentisch“ gilt („Goodbye Vinyl“, 2003, S.59). Vorstellbar ist, dass der Gebrauch von Plattenspielern in DJ-Kreisen sich zukünftig auf bestimmte musikalische Nischen beschränken wird. Angebot Für die Nutzung von Schallplatten spricht weiterhin die außergewöhnliche Angebotsvielfalt der verfügbaren Titel, vor allem, wenn man die stilistisch breite Secondhand-Landschaft mitsamt den spezialisierten Antiquariaten und regelmäßig stattfindenden Plattenbörsen berücksichtigt. Rob Aberamson, Eigentümer von Mooncurser Records, dem größten Plattenladen in den USA, bringt es auf den Punkt: „About 90 percent of what´s been made is not available on CD. You get a group like the Chi-Lites that made 42 albums, two of them are on CD. The other 40, we have.” (Partlow, 2002). Hinzu kommt, dass viele Schallplattenfirmen als Reaktion auf die steigenden Verkaufszahlen im Vinyl-Sektor immer neue, kunstvoll gestaltete Editionen aus ihrem Back-Katalog in den Handel bringen. Die große Angebotsvielfalt begünstigt einen weiteren Aspekt der Schallplattennutzung: Das Sammeln von Vinyl um seiner selbst willen. Die enthusiastische „Jagd“ nach seltenen Exemplaren ist für manchen Nutzer von Schallplatten ein Hobby wie für andere Menschen das Sammeln von Briefmarken. Obwohl bereits nachgewiesen worden ist, dass sich auch der Kauf von CDs dazu eignet, dem Sammelbedürfnis gerecht zu werden (vgl. Piltz, 2004; Trepte, 2004), wird vermutet, dass dieser Aspekt bei Schallplatten eine wesentlich größere Rolle spielen dürfte. Denn „eine CD kann man [in der Regel] bestellen. Eine Platte muss man erobern.“ (Farkas, 1998, S.11). Während es bei der Suche nach einer bestimmten CD meistens schon genügt, am Infoschalter vom Großhändler nachzu-

Unter Scratchen versteht man eine „Technik des DJing, bei der eine Schallplatte an einer markanten Stelle mit der Hand hin und her bewegt wird, so dass ein kratzendes Geräusch entsteht. Durch geschickten Einsatz des Crossfaders werden Teile des Geräuschs unhörbar gemacht und dem Rhythmus eines anderen Beats angepasst.“ (Krekow, 2003, S.469). 11 Als Cut bezeichnet man eine „Form des Übergangs von einem Stück bzw. Beat zum nächsten, wobei hier im wahrsten Sinne des Wortes der alte Beat abgeschnitten und im Takt durch einen Neuen ersetzt wird.“ (ebd., S.167). 10

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THEORETISCHER ANSATZ fragen, ob der gewünschte Titel verfügbar ist, muss man sich bei der Suche nach einer bestimmten Platte oft erst durch Berge von Schallplattenstapeln „wühlen“. Und genau darin besteht für viele Anhänger der Schallplatte der eigentliche Reiz. „Die Beute selbst wird gegenüber dem Streben [danach] sekundär.“ (Eisenberg, 1987, S.27). Für den Außenstehenden trägt das leidenschaftliche Sammeln von Schallplatten mitunter seltsame Blüten: Im Extremfall reisen die „Vinyl-Junkies“ um die ganze Welt und zahlen bis zu mehreren tausend Euro für eine Platte, um ihre „Sucht“ zu befriedigen. Dabei entscheidet oft nur ein winziger Schriftzug in der Ecke eines ansonsten identischen Covers, der besagt, dass die Platte in Afrika anstatt in Deutschland gepresst wurde, ob eine LP fünf oder 500 Euro wert ist (Schallenberg, 2000, S.25). Eine umfangreiche Sammlung wird somit zu einer Art Status-Symbol, zumindest im Kreis derer, die sich den damit verbundenen Kosten und Mühen bewusst sind. Daher muss das Sammelbedürfnis bzw. Status-Denken als mögliches Motiv der Schallplattennutzung auf jeden Fall in der Untersuchung berücksichtigt werden. Neben den besonders kostspieligen Raritäten auf der einen Seite bietet der Schallplattenmarkt allerdings auch ein reichhaltiges Angebot an günstigen Artikeln aus zweiter Hand. Hier ergibt sich für den Konsumenten ein weiterer, ein monetärer Nutzen. Angesicht der derzeitigen allgemeinen Kaufzurückhaltung sowie der nachlassenden Bereitschaft für musikalische Inhalte zu bezahlen, dürfte der Preisvorteil bei Secondhand-Artikeln für viele Käufer eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Aus den obigen Ausführungen über mögliche Vorteile der Schallplatte gegenüber anderen Tonträgern ergeben sich also folgende Aspekte: Optische Qualitäten, haptisches Erleben, Klang, Handhabung, Instrumentalität, Angebotsvielfalt, Preisvorteil und Sammelbedürfnis/Status. Einige dieser dargestellten Gratifikationen sind durchaus streitbar und erfordern eine kritische Auseinandersetzung. So ließe sich zum Beispiel argumentieren, dass digitale Produkte besser klängen als VinylSchallplatten oder dass die LP hinsichtlich optischer Qualitäten aufgrund des fehlenden Booklets im Nachteil stünde. An dieser Stelle soll daher noch einmal betont werden, dass es sich bei meiner Arbeit um eine nutzerorientierte Studie handelt, deren Schwerpunkt auf der Ermittlung individuell wahrgenommener Gratifikationen beruht, auch wenn diese rational gesehen widerlegbar erscheinen. Dennoch lässt sich aufgrund der vorgenommenen Relativierung der schallplattenspezifischen Vorteile vermuten, dass sich deren Nutzung anhand der bisher genannten Aspekte nur teilweise erklären lässt. Vieles spricht dafür, dass die Vinyl-LP über den offensichtlichen Produktnutzen hinaus einen nicht zu unterschätzenden immateriellen, symbolischen Wert besitzt, worauf im Folgenden näher eingegangen werden soll.

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THEORETISCHER ANSATZ Ablehnung alternativer Tonträgermedien In Bezug auf die klassischen Mediennutzungsmotive nach McQuail wird vermutet, dass das Bedürfnis nach persönlicher Identität beim Kauf von Vinyl-Schallplatten eine besondere Rolle spielt. Menschen vergleichen sich ständig mit anderen Menschen, um sich selbst zu definieren und in einer hoch differenzierten Gesellschaft verorten zu können. Der Wunsch nach Distinktion, d.h. etwas Besonderes zu sein und die Frage nach einem persönlichen Lebensstil werden in diesem Kontext zu Schlüsselbedürfnissen der postmodernen Gesellschaft, deren Motto lauten könnte: „Distinguo ergo sum – ich unterscheide, also bin ich.“ (Bolz, zit. n. Kurp et al., 2002, S.21). Kurp et al. (2002) verweisen auf den ambivalenten Charakter von Stilbildung: „Einerseits dient sie der Distinktion, der Abgrenzung von bestimmten Gesellschaftsteilen und dem individuellen Ausdruck, andererseits wird die Einbindung in soziale Gefüge gesucht.“ (S. 25; Hervorhebung R.A.). Die Unterscheidung dieser sozialen Gefüge untereinander manifestiert sich in einem umfangreichen Bedeutungs- und Zeichensystem, das seinen Ausdruck auch im Kauf- und Medienverhalten findet. Der Konsument versucht dementsprechend sein Nutzungsverhalten hinsichtlich seiner individuellen Persönlichkeit bzw. den Verhaltensregeln seiner „peer group“ gerecht zu werden. Vor allem die Herausbildung bestimmter Geschmackspräferenzen in Kunst und Kultur eignet sich „bestens zur Legitimierung sozialer Unterschiede […], d.h. zur Akkumulation von symbolischem Kapital“ (Fröhlich, 1994, S.46). Zahlreiche soziologische Studien von Lazarsfeld (1932) über Bourdieu (1979) bis Schulze (1992) haben belegt, dass insbesondere der Musikgeschmack einen besonderen Stellenwert als soziokulturelles Unterscheidungskriterium einnimmt (vgl. Müller et al., 2002; Schramm, 2005). Die Frage, ob die individuell bevorzugte Art der Wiedergabe von Musik ein ebenso geeignetes Kriterium ist, sich von anderen abzugrenzen, wurde bislang allerdings nicht untersucht. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Schallplatte genau das verkörpert, was die Basis einer jeden Subkultur darstellt, nämlich den „feinen Unterschied“, das „Besondere“. Groß (2000) beispielsweise schreibt, es handele sich beim Sammeln von Schallplatten, um eine „männlich geprägte Hochkultur“, deren „komplizierte Ordnungen des Wissens um rotierendes Vinyl“ ihren Anhänger als eine Art „Schutzwall“ diene (S.55). Persönliche Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Teile der vinylen Subkultur, sofern eine solche existiert, die Wahl zwischen analog oder digital zu einer regelrechten Glaubensfrage erheben und dazu neigen, ihre Ablehnung gegenüber alternativen Wiedergabetechniken offen zu artikulieren. Somit liegt die Vermutung nahe, dass die Bedeutung der Schallplatte über ihren eigentlichen Gebrauchswert hinausgewachsen und in einen neuen Kontext gerückt ist: War sie früher eher Mittel zum Zweck, gilt sie heutzutage als Erkennungszeichen des „wahren“ Musikfreundes. Es ist daher anzunehmen, dass der Kauf von Schallplatten zumindest bei Teilen der Nutzerschaft über das

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THEORETISCHER ANSATZ Musikhören hinaus durch das Bedürfnis nach Distinktion (Abgrenzung von der breiten Masse der CDHörer) sowie dem Wunsch nach Einbindung in ein soziales Gefüge (vinyle Subkultur) begründet ist. Die fortwährende Nutzung von Schallplatten ist also offenbar auch schlichtweg auf die Ablehnung anderer Tonträgermedien zurückzuführen. Eine ablehnende Haltung gegenüber neuen Medien kann allerdings auch noch andere Ursachen haben, als den Wunsch sich von der Masse zu unterscheiden. Laut Rademacher (1997) existiert in Deutschland neben der Begeisterung für die neuen technischen Möglichkeiten, „eine tief verwurzelte Angst vor Neuem wie sie in kaum einem anderen europäischen Land […] vorhanden zu sein scheint“ (S.142). Seiner Auffassung nach werden Kaufentscheidungen und Nutzungsverhalten einiger Menschen, die er als die „Gruppe der Beharrlichen“ bezeichnet (ebd.), weniger von rationalen Entscheidungstatbeständen geleitet, sondern von „Indifferenz, emotionalnostalgischen Bindungen und Trotzreaktionen“ (ebd., S.143). Die Vinyl-Schallplatte dürfte sich hervorragend dazu eignen, den Bedürfnissen dieser Gruppe gerecht zu werden. Musik allgemein ist ohnehin ein sehr weit verbreitetes Mittel, um nostalgische Bedürfnisse zu wecken (und zu befriedigen). Laut Schramm (2005) liegt dies an ihrer Omnipräsenz sowie ihrem häufigen Einsatz bei besonderen Anlässen. Musik fungiert als eine Art Zeitzeuge, „ähnlich wie ein guter Freund, mit dem man sich zusammen an vergangene Tage und Erlebnisse erinnert. Durch das Erinnern an Vergangenes werden die damals durchlebten Gefühle wieder aktualisiert“ (S.69). Dieses Phänomen gilt vermutlich nicht nur in Bezug auf die musikalischen Inhalte, sondern auch für deren Form. Die Schallplatte steht geradezu prototypisch für ein Relikt aus „alten Zeiten“, in denen alles besser und vor allem weniger kompliziert zu sein schien. Denn angesichts des rasanten technischen Wandels in der Unterhaltungsindustrie und einer verwirrenden Vielfalt technischer Plattformen fühlt sich mancher Konsument stark verunsichert. Gestern noch CD, heute MP3, morgen Audio-DVD – und dann? Das ständige Gefühl, die neueste technische Innovation verpasst zu haben, rückt den Kreislauf der technischen Erneuerung und die dafür Verantwortlichen in ein negatives Licht. Dies wiederum kann zu einer Art Abwehrhaltung seitens der Konsumenten führen (Reaktanz) und das Bedürfnis wecken, „es ´denen da oben´ auf irgendeine Art und Weise ´zeigen zu wollen´ - und sei es nur durch Kaufverweigerung“ (Rademacher, 1997, S.143). Die diffuse, aber weit verbreitete Einstellung, dass die Musikindustrie „von seelenlosen Geschäftemachern beherrscht wird“ („Was ist Musik?“, 2000, S.140) dürfte diese Haltung zusätzlich verstärken. Die Folge ist keine völlige Abkehr vom Konsum an sich, sondern vielmehr der krampfhafte Versuch auf irgendeine Weise „gegen das System“ zu konsumieren, in diesem Zusammenhang also gegen 19

THEORETISCHER ANSATZ konsensuell vereinbarte technologische Normen. Daraus ergibt sich die Annahme, dass der Kauf von Schallplatten auch als Mittel zum Ausdruck von Protest gegenüber der Musik- bzw. Elektronikindustrie verstanden werden kann. Aus der Ablehnung alternativer Tonträger heraus ergeben sich nach den obigen Ausführungen folgende Motive für die Schallplattennutzung: Distinktion, Einbindung in soziales Gefüge, Nostalgie und Ausdruck von Protest. Zusammenfassung Es konnte herausgestellt werden, dass mit dem Kauf von Schallplatten eine Vielzahl verschiedener Motive verfolgt werden kann. Diese lassen sich durch spezifische Produkteigenschaften, bestimmte Angebotsweisen und der Ablehnung der Käufer gegenüber alternativen Tonträgermedien erklären. Die folgende Abbildung fasst noch einmal die in Bezug auf den Forschungsgegenstand relevanten Nutzungsmotive sowie deren Herleitung anhand der klassischen Mediennutzungsmotive nach McQuail zusammen. Tabelle 2: Herleitung der relevanten Motiv-Dimensionen anhand der klassischen Mediennutzungsmotive nach McQuail Zentrale Motive der Medienrezeption

Motive der Schallplattennutzung

Bedürfnis nach persönlicher Identität (McQuail): • Suche nach Verhaltensmodellen, Selbstfindung • Bestärkung persönlicher Werte

Distinktion Ausdruck von Protest

Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion (McQuail): • Zugehörigkeitsgefühl, Gesprächsstoff, Kontaktsuche

Einbindung in soziales Gefüge

Unterhaltungsbedürfnis (McQuail): • kulturelle und ästhetische Erbauung • Entspannung, Zeitfüller • Wirklichkeitsflucht

Optische Qualitäten, haptisches Erleben, Klang Sammelbedürfnis Nostalgie

Weitere Motive der Schallplattennutzung: Herleitung argumentativ

Handhabung Instrumentalität Preisvorteil Angebotsvielfalt McQuails zentrale Motive der Medienrezeption zit. nach Schulz, 2002, S.177f.

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THEORETISCHER ANSATZ 3.4. Einbeziehung konsumentenspezifischer Merkmale Im vergangenen Kapitel habe ich mich mit der Frage beschäftigt, welche besonderen Gratifikationen beim Schallplattenkauf eine Rolle spielen könnten. Wie bereits in meiner Einleitung erwähnt, halte ich eine isolierte Betrachtung der Nutzungsmotive jedoch für wenig aussagekräftig. Erst durch die Ermittlung weiterer konsumentenspezifischer Merkmale ergibt sich ein vollständiges Bild, welches das Wesen und Handeln der Schallplatten-Käufer beschreibt und überzeugende Interpretationen zulässt. Denn die Selektion von Medien und Medieninhalten wird zu einem nicht unbedeutenden Teil auch von personenspezifischen Merkmalen wie der Soziodemografie oder psychischen Prädispositionen erklärt (Drabczynski, 1982, S.21). Im Zusammenhang mit dem Forschungsgegenstand erscheint eine Untersuchung folgender Aspekte sinnvoll: Musikkonsum, Musikengagement und Musikinteresse, selbst wahrgenommene Musikkompetenz, soziale Bezugsgruppen, Tätigkeit als DJ, Aufgeschlossenheit sowie soziodemografische Merkmale. Die Untersuchungsdimensionen wurden so gewählt, dass sie später in der Auswertung zur Erklärung der Nutzungsmotive mit herangezogen werden können. Auf die Bildung von Hypothesen sowie auf Spekulationen über mögliche Zusammenhänge wird aufgrund der Komplexität des Forschungsdesigns sowie aufgrund des explorativen Charakters der Untersuchung verzichtet. Im Folgenden sollen die einzelnen Dimensionen kurz vorgestellt werden. Ein besonderes Interesse gilt dem Nutzungsverhalten, dem Musikkonsum, denn „der einzelne Rezipient bestimmt in Abhängigkeit seiner Bedürfnisse, Probleme und Erwartungen, [nicht nur] ob, […] [sondern auch] wie er ein bestimmtes Medium nutzt“ (Bonfadelli, 1999, S.160, Hervorhebung R.A.). Die Untersuchung dieses Aspekts liefert unter anderem auch Aufschluss über den Anteil der Schallplattennutzung im Rahmen des gesamten Musikkonsums. Die Dimension Musikengagement und Musikinteresse beschreibt im Wesentlichen die persönliche Relevanz des Themas „Musik“ im Leben der Rezipienten. Dies bezieht sich einerseits auf die Affinität zu Musik im Allgemeinen sowie auf die Bereitschaft, kognitive oder andere Anstrengungen auf sich zu nehmen, um sich über bestimmte Künstler, Musiktitel etc. zu informieren. In diesem Zusammenhang spielt auch die selbst wahrgenommene Musikkompetenz eine wichtige Rolle. Durch die Dimension soziale Bezugsgruppen soll schließlich der mögliche Einfluss von Schallplattenkäufern im sozialen Umfeld auf die eigene Tonträgerwahl mit einbezogen werden. Bereits im letzten Kapitel wurde erläutert, dass vor allem die Tätigkeit als DJ zu einer besonders hohen Bindung zum Tonträger Vinyl führen kann. Für Diskjockeys ist der Gebrauch von Schallplatten nämlich nicht (nur) eine Frage persönlicher Vorlieben. Viel mehr lässt sich ihr Nutzungsverhalten auf

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THEORETISCHER ANSATZ eine Art pragmatisch bedingtes Involvement12 zurückführen – sei es, weil sie die Schallplatten zum Scratchen und Mixen benötigen oder weil sie sich in einer Szene bewegen, in der der Gebrauch von CDs verpönt ist. Insofern ist dieser Aspekt bei der Untersuchung konsumentenspezifischer Merkmale von besonderem Interesse. Das Konstrukt Aufgeschlossenheit wurde in zwei Bereiche eingeteilt. Zum einen soll hiermit die Einstellung gegenüber modernen Technologien im Allgemeinen sowie gegenüber alternativen bzw. digitalen Tonträgermedien im Speziellen ermittelt werden. Schließlich dürften soziodemografische Merkmale, insbesondere das Alter, einen erheblichen Einfluss auf die Art der Nutzungsmotive ausüben, die sich der Konsument vom Kauf einer Schallplatte verspricht.

3.5. Zusammenfassung und Modell Der Logik der Nischentheorie und des Uses-and-Gratifications-Ansatzes folgend werden in Bezug auf den Kauf von Vinyl-Schallplatten spezifische Nutzungsmotive der Rezipienten vermutet. Diese wiederum dürften im wechselseitigen Verhältnis zu bestimmten konsumentenspezifischen Merkmalen stehen. Abbildung 2 fasst die relevanten Aspekte noch einmal grafisch zusammen: Abbildung 2: Grafische Darstellung über den Zusammenhang der Untersuchungsdimensionen

Musikkonsument I. Nutzungsmotive:

II. Personenspezifische Merkmale:

Ästhetische Qualitäten

Musikkonsum

Bedienung

Musikengagement und Musikinteresse

Angebot

Selbst wahrgenommene Musikkompetenz

Ablehnung alternativer Tonträger

Soziale Bezugsgruppen Tätigkeit als DJ Aufgeschlossenheit Soziodemografie

Kauf von Schallplatten Quelle: Eigene Darstellung Der Begriff Involvement wird weder in der amerikanischen noch in der deutschen Literatur einheitlich gebraucht. In vorliegendem Fall lässt er sich am besten mit Betroffenheit und/oder Anteilnahme übersetzen. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Involvement-Konzept findet sich bei Donnerstag (1996).

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THEORETISCHER ANSATZ 3.6. Konkretisierung der Forschungsfragen Auf Basis der erläuterten theoretischen Erkenntnisse möchte ich an dieser Stelle meine in der Einleitung dieser Arbeit aufgestellten Fragen konkretisieren. Im Vordergrund steht dabei weiterhin die Frage nach den besonderen Gratifikationen der Schallplatte gegenüber alternativen Tonträgermedien aus Nutzersicht: Welche Bedürfnisse und Nutzungsmotive kann die Schallplatte bei ihren Käufern erfüllen? Welche Hauptnutzungsmotive lassen sich ausmachen? Eine allgemeine Beschreibung der Nutzungsmotive reicht meines Erachtens jedoch nicht aus, um die Komplexität des Forschungsgegenstandes bzw. die Befindlichkeiten der bisher noch kaum erforschten Nutzerschaft von Schallplatten hinreichend abzubilden. Daher möchte ich die Käufer von Schallplatten auch in Bezug auf verschiedene konsumentenspezifische Merkmale genauer untersuchen und mithilfe einer explorativen Herangehensweise herausfinden, ob es mögliche Strukturen innerhalb der Nutzerschaft gibt. Ein weiteres Forschungsziel ist also die Identifikation unterschiedlicher Nutzungstypen innerhalb der Gruppe der Schallplattenkonsumenten. Deren Nutzungsmotive bilden eine geeignete Ausgangsbasis für die angestrebte Typenbildung. Die zweite forschungsleitende Frage lautet dementsprechend: Wie lassen sich bestimmte, auf Grundlage ihrer Nutzungsmotive identifizierte Typen innerhalb der Schallplattenkäufer hinsichtlich konsumentenspezifischer Merkmale charakterisieren? Im nachfolgenden Kapitel wird das methodische Vorgehen zur Beantwortung der Forschungsfragen näher beschrieben. Dazu gehören eine begründete Auswahl der Untersuchungsmethode, die Operationalisierung der in diesem Kapitel vorgestellten Untersuchungsdimensionen, eine genaue Beschreibung des Erhebungsinstruments sowie eine knappe Dokumentation des Ablaufs der Erhebung selbst.

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4. METHODISCHES VORGEHEN 4.1. Wahl der Methode Die Untersuchung stützt sich auf die zentrale Annahme, dass die Konsumenten von Schallplatten mit ihrem Kauf bestimmte Motive verfolgen. Diese beruhen auf individuellen Dispositionen, über die – wenn überhaupt – nur die Nutzer selbst Auskunft geben können. Aus diesem Grund bietet sich die Befragung als einzige sinnvolle Methode für die empirische Beantwortung meiner Forschungsfrage an. Sie gilt als das verlässlichste Instrument zur Ermittlung von Einstellungen, Meinungen und Verhaltensaspekten (Friedrichs, 1990, S.208). Zwar ist nicht uneingeschränkt davon auszugehen, dass den Rezipienten ihre Motive und Bedürfnisse in Bezug auf ihre individuelle Mediennutzung jederzeit bewusst sind. Dennoch ist die Befragung die in der Gratifikationsforschung mit Abstand am häufigsten eingesetzte und in zahlreichen Studien mit Erfolg erprobte Methode. Obwohl bislang kaum Untersuchungen zu Nutzungsmotiven von Schallplattenkonsumenten vorliegen, wurde auf eine vorgeschaltete qualitative Untersuchung verzichtet. Die intensive Beschäftigung mit dem Forschungsgegenstand sowie Gratifikationsforschungen mit verwandten Medien bzw. mit Musikrezeption im Allgemeinen bieten ausreichend Anhaltspunkte für die Entwicklung eines standardisierten Erhebungsinstrumentes. Da postalische, telefonische oder Face-to-Face-Befragungen aus forschungspragmatischen Gründen nicht realisierbar sind, soll die Erhebung in schriftlicher und standardisierter Form als „Selbstausfüller“-Fragebogen erfolgen. Diese Form der Befragung liefert darüber hinaus den entscheidenden Vorteil, dass ein unerwünschter Einfluss durch den Interviewer auf den Befragten weitgehend vermieden wird. Zudem ist die angestrebte Zielgruppe der Plattenkäufer vermutlich durch eine VorOrt-Befragung am besten zu erreichen. Dabei sollen die möglichen Nachteile nicht geleugnet werden, die eine solche Form der Befragung mit sich bringt: Es kann beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass die Teilnehmer bei der Bearbeitung des Fragebogens „Absprachen“ mit anderen (Untersuchungs-) Personen treffen. Zudem können die Probanden bei Verständnisschwierigkeiten keine Nachfragen stellen (Friedrichs, 1990, S.237). Weiterhin ist zu beachten, dass aufgrund der stark strukturierten Form eines standardisierten Fragebogens die Teilnehmer nur dann befriedigende Auskünfte zu Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmalen geben können, wenn ihnen ein erschöpfender, alle Merkmalsausprägungen umfassender Antwort-Katalog vorgelegt wird. Aus diesem Grund müssen die in eine standardisierte Studie eingehenden Antwort-Alternativen sorgfältig aus der Theorie oder dem Forschungsgegenstand abgeleitet werden (Atteslander, 2000, S.142). 24

METHODISCHES VORGEHEN 4.2. Operationalisierung Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden insgesamt neun Dimensionen entwickelt (vgl. Abschnitt 3.3. und 3.4.). Die Operationalisierung, also die Übersetzung der wissenschaftlichen Überlegungen in empirisch messbare Variablen, ist in Tabelle 3 nachzuvollziehen. Neben den Dimensionen sind auch die dazugehörigen Kategorien und Nummern im Fragebogen aufgeführt. Tabelle 3: Operationalisierung der Untersuchungsdimensionen im Überblick Dimension I. Nutzungsmotive: Ästhetische Qualitäten Bedienung Angebot Ablehnung alternativer Tonträger

Kategorien

Frage

Optische Qualitäten Haptisches Erleben Klang Handhabung Instrumentalität Angebotsvielfalt Sammelbedürfnis/Status Preisvorteil Distinktion Einbindung in soziales Gefüge Ausdruck von Protest Nostalgie

7,8 7,8 7,8 8 17 7,8 7,15 7 7, 15 15 15 7

Kaufverhalten Erfahrung mit Schallplatten Nutzungsdauer Kombination verschiedener Tonträger Technische Ausstattung Genre

10, 11, 12, 13, 14, 1 5 3, 4, 8 16 6 15 9, 15 2 18, 19 15 15 20 21 22 23 24

II. Personenspezifische Merkmale: Musikkonsum

Musikengagement/Musikinteresse Selbst wahrg. Musikkompetenz Soziale Bezugsgruppen Tätigkeit als DJ Aufgeschlossenheit Soziodemografie

Aufgeschlossenheit gg. anderen Tonträgerformen Aufgeschlossenheit gg. neuen Technologien Alter Geschlecht Bildung Tätigkeit Einkommen

4.2.1 Operationalisierung der Nutzungsmotive (Fragen 7, 8, 15, 17) Die Herleitung, der im Bereich der Nutzungsmotive relevanten Untersuchungsdimensionen wurde in Abschnitt 3.3. ausführlich dokumentiert. Ihre Operationalisierung erfolgte weitgehend über die Bildung von insgesamt 28 Items, die die möglichen Vorteile von Schallplatten thematisieren. Nur bei der Kategorie Instrumentalität erschien eine dichotome Alternativfrage sinnvoll (Frage 17). Bei den 25

METHODISCHES VORGEHEN Items hingegen konnten die Befragten ihre Einstellung gegenüber den jeweiligen Statements auf einer fünfstufigen Skala mit verbalisierten Mittel- und Endpunkten abstufen (von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“). Die Statements wurden vorab als entweder sehr positive oder sehr negative Position auf dem Messkontinuum klassifiziert. Methodentests haben gezeigt, dass 5-stufige Skalen sich am besten zur Ermittlung valider Antworten eignen, auch wenn gegebenenfalls die „Tendenz zur mittleren Antwortalternative“ in Kauf genommen werden muss (Bortz & Döhring, 2002, S.179). In der späteren Auswertung sollen die Daten dieser Ratingskalen metrisch behandelt werden. Die einzelnen Nutzungsdimensionen wurden mit jeweils zwei bis vier Items abgefragt, um möglichst die gesamte Bandbreite der jeweiligen Dimension zu gewährleisten. Eine Ausnahme bildet die Motivdimension Preisvorteil, bei der ein Item genügte, um die Bewertung dieses Aspekts zu erfassen. Aus forschungspragmatischen Gründen musste leider auf den direkten Vergleich der Nutzungsmotive von digitalen Tonträgern bzw. CDs verzichtet werden. Eine solche Erweiterung hätte den ohnehin schon vier Seiten langen Fragebogen (plus Deckblatt) vollends überfrachtet und die Teilnahmebereitschaft der Probanden ernsthaft gefährdet. Dafür konnten jedoch teilweise Items formuliert werden, die direkt auf andere Tonträgerformen Bezug nehmen (z.B. „Schallplattenkäufer sind mir in der Regel sympathischer als Leute, die ihre Musik auf CD kaufen oder aus dem Netz laden.“). Tabelle 4 bildet das beschriebene Vorgehen ab und zeigt für jede Motiv-Dimension ein Beispiel-Item. Eine vollständige Darstellung der Operationalisierung der Nutzungsmotive befindet sich im Anhang. Tabelle 4: Operationalisierung der Motiv-Dimensionen Untersuchungsdimension Ästhetische Qualitäten Bedienung Angebot Ablehnung alternativer Tonträger

Antwortvorgaben (Beispiele) An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders das große Plattencover. (visuelle Qualitäten) Ohne Staub-Entfernen, Seiten-Umdrehen und Nadel-Aufsetzen macht Musikhören einfach nicht soviel Spaß. (Handhabung) Einige der Titel, die ich mir kaufe, sind ausschließlich auf Vinyl erhältlich (Angebotsvielfalt). Schallplatten sind nicht unbedingt was für jedermann. (Distinktion)

4.2.2. Operationalisierung der konsumentenspezifischen Merkmale Als personenspezifische Merkmale wurden Musikkonsum, Musikengagement und Musikinteresse, selbst wahrgenommene Musikkompetenz, soziale Bezugsgruppen, Tätigkeit als DJ, Aufgeschlossenheit sowie die Soziodemografie untersucht. Meinungen und Einstellungen der Probanden wurden auch hier anhand von Items getestet. Für die Ermittlung von Tatsachen wurden offene Fragen, Auswahlfragen und Skalen verwendet. 26

METHODISCHES VORGEHEN Musikkonsum (Fragen 1-6, 8, 10-14, 16) Um das Kauf- und Nutzungsverhalten der Probanden möglichst genau zu erfassen, wurden in der Dimension Musikkonsum folgende relevante Aspekte untersucht: Kaufverhalten, Nutzungsdauer, technische Ausstattung, Kombination verschiedener Tonträger, Genre sowie Erfahrung mit Schallplatten. Das Kaufverhalten wurde anhand von mehreren offenen Fragen ermittelt. Gefragt wurde nach der Anzahl der in den letzten drei Monaten erworbenen Tonträger, respektive Schallplatten, nach dem durchschnittlichen Betrag, der pro Monat für Tonträger ausgegeben wird sowie nach dem Maximal-Betrag, den der Befragte für eine Schallplatte bezahlen würde. Außerdem wurde innerhalb dieser Kategorie noch die Art des Einkaufs erhoben. Dieser Aspekt wurde anhand diverser Antwortvorgaben abgefragt (Plattenladen, Schallplattenbörse, Internet, Flohmarkt), deren Nutzungsintensität mittels einer verbalisierten fünfstufigen Skala von 1 (nie) bis 5 (sehr oft) gemessen wurde. Die technische Ausstattung der Probanden bezüglich verschiedener Endgeräte zur Wiedergabe von Musik sowie die präferierten musikalischen Genres13 wurden mittels Auswahlfragen erhoben. Ebenso wurde die Kombination verschiedener Tonträger anhand einer Auswahlfrage abgefragt („Welche anderen Tonträgerformen nutzen Sie außer Schallplatten?“). Diese Kategorie wurde noch ergänzt durch eine offene Frage nach dem prozentualen Anteil, den die Schallplattennutzung am gesamten Musikkonsum ausmacht, sowie einem Item, welchem die Befragten auf einer Skala von 1 („trifft überhaupt nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) zustimmen sollten („Das Hören von Schallplatten ist für mich ein Genuss, den ich mir für besondere musikalische Erlebnisse vorbehalte.“). Als Indikator für die Erfahrung mit Schallplatten gilt die Anzahl der Jahre, seit denen die Probanden schon Schallplatten nutzen. Musikengagement und Musikinteresse (Frage 15) Zum Musikengagement und Musikinteresse wurden einerseits Items gebildet, die Aufschluss darüber liefern sollen, welchen Stellenwert Musik im Leben der Probanden einnimmt (z.B. „Musik ist eine feine Sache, aber es gibt Wichtigeres im Leben“), andererseits wurden Items zum Informationsverhalten der Probanden getestet. Der Schwerpunkt lag hierbei auf dem Aufwand, den die Befragten für die Informationssuche aufbringen (z.B. „Ich verbringe oft viel Zeit damit, aufmerksam nach Informationen über Musik zu suchen und scheue dabei keine Mühe“).

13 Die Aufstellung der verschiedenen Genres (Frage 6) und sowie Teile der Dimension Musikengagement und Musikinteresse (Frage 15) erfolgte in Anlehnung an Piltz (2004).

27

METHODISCHES VORGEHEN Selbst wahrgenommene Musikkompetenz (Fragen 9, 15) Die selbst wahrgenommene Musikkompetenz wurde im Sinne einer Meinungsführerschaft in Sachen „Musik“ erhoben (Ratingskala) sowie anhand zweier Items, denen die Befragten wieder von 1 bis 5 zustimmen sollten (z.B. „Was Musik angeht, macht mir so schnell keiner was vor.“). Soziale Bezugsgruppen (Frage 2) Um die Schallplattennutzung im sozialen Umfeld der Probanden zu messen, wurde mittels einer ordinalen Ratingskala der Anteil der Personen abgefragt, die im eigenen Freundeskreis sonst noch Schallplatten kaufen. Tätigkeit als DJ (Fragen 18, 19) Innerhalb dieser Dimension sollten die Probanden lediglich die Frage beantworten, ob sie als DJ aktiv sind. Für den Fall, dass diese Frage bejaht wurde, sollten sie weiterhin angeben, ob sie damit auch ihren Lebensunterhalt verdienen (Antwortvorgaben: Ja/Teils-Teils/Nein). Aufgeschlossenheit (Frage 15) Um die Aufgeschlossenheit der Schallplattenkonsumenten erfassen zu können, wurden den Befragten wiederum Items vorgelegt, denen auf einer Skala von 1 bis 5 zugestimmt werden musste. Die Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Tonträgerformen wurde überwiegend mit Items zur Einstellung gegenüber den digitalen Konkurrenten erhoben (z.B. „Digitale Tonträger haben durchaus ihre Vorteile.“). Die Items bezüglich der Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien wurden etwas globaler formuliert und zielen somit auf die allgemeine Fortschrittshaltung der Probanden ab (z.B. „Manchmal bin ich beängstigt von dem rasanten Tempo der technologischen Entwicklung heutzutage.“). Soziodemografie (Fragen 20-24) Als soziodemografische Merkmale wurden Alter, Geschlecht, Bildung, Tätigkeit und Haushaltsnettoeinkommen erhoben. Als Indikator für die Bildung gilt der bislang höchste Schulabschluss.

4.3. Entwicklung und Aufbau des Fragebogens Der Erfolg einer schriftlichen Befragung hängt insbesondere von einer gelungenen Konstruktion des Fragebogens ab. Die selbstständige Bearbeitung und die möglicherweise knapp bemessene Zeit der Befragten erfordern ein hoch standardisiertes, leicht verständliches Instrument. 28

METHODISCHES VORGEHEN Der Fragebogen beginnt mit einem Deckblatt, der die Probanden über den Hintergrund der Untersuchung aufklärt und Vertrauen schaffen soll (Sinn und Zweck der Untersuchung, ungefähre Dauer, Betonung des nicht-kommerziellen Charakters der Studie, Zusicherung der Anonymität). Vor allem in einem selbst auszufüllenden Fragebogen ist die Überzeugungskraft der Einleitung besonders wichtig. Sie soll den Teilnehmer motivieren an der Befragung teilzunehmen (Möhring & Schlütz, 2003, S.121). Beim dramaturgischen Verlauf der Befragung wurde vor allem darauf geachtet, dass sich Sach- bzw. Faktfragen mit Einstellungs- und Meinungsfragen abwechseln, um Ermüdung und Monotonie vorzubeugen. Die Abbruchsgefahr wird allerdings ohnehin als relativ niedrig eingeschätzt, da die Probanden zu einem Themenkomplex befragt werden, der ihnen vertraut sein dürfte und für den sie sich interessieren. Trotzdem wurde darauf geachtet, dass die Belastungskurve bezüglich des kognitiven Anspruchs erst in der Mitte des Fragebogens (Fragen 10-13) ihren Höhepunkt erreicht, da man zu diesem Zeitpunkt eine Gewöhnung der Teilnehmer an die Befragungssituation sowie maximale Konzentration voraussetzen kann (Schnell et al., S. 320ff).

4.4. Pretest Der Fragebogen wurde vor der Hauptuntersuchung einem Pretest unterzogen. Dieser dient der Überprüfung der Verständlichkeit der Fragen, der Dauer der Befragung, der Kontinuität des Befragungsablaufs und möglicher Effekte der Reihenfolge der Fragen, kurzum der Funktionsfähigkeit des Erhebungsinstruments (Möhring & Schlütz, 2003, S.185). Zu diesem Zweck wurde der vorläufige Fragebogen von vier Personen aus meinem Bekanntenkreis, die mindestens gelegentlich VinylSchallplatten kaufen, mit Blick auf Verständlichkeit und Vollständigkeit hin bearbeitet. Sprachliche oder inhaltliche Fehlinterpretationen traten dabei kaum auf. Lediglich die Gesamtlänge wurde von einigen Testpersonen als nicht optimal bewertet. Dieser Kritik wurde mit geringfügigen Umformulierungen und Eliminierung einiger Items begegnet, so dass der Fragebogen schlussendlich mit einem Umfang von vier DIN A4-Seiten und insgesamt 24 Fragen sowie einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von zehn Minuten ins Feld ging. Die komplette Endfassung des Fragebogens, wie sie in den Abschnitten 4.2. und 4.3. beschrieben ist, befindet sich im Anhang dieser Arbeit.

4.5. Durchführung der Erhebung Als Grundgesamtheit für die geplante Untersuchung wurden zunächst alle Personen betrachtet, die zumindest gelegentlich noch Schallplatten kaufen. Nicht in die Untersuchung einbezogen wurden Personen, die zwar nach wie vor ihre alten Platten von früher nutzen, inzwischen aber auf andere 29

METHODISCHES VORGEHEN Tonträger umgestiegen sind. Insofern erschien es sinnvoll, dass die Erhebung zum großen Teil am „point of sale“, also in der direkten Kaufsituation erfolgte. So konnte sichergestellt werden, dass ausschließlich Menschen an der Befragung teilnehmen, die nach wie vor Geld für Schallplatten ausgeben, obwohl ihnen alternative Angebote zur Verfügung stehen. Scherer und Schlütz (2004) haben zwar herausgefunden, dass die Abfrage von Gratifikationen, die nicht an eine konkrete Nutzungssituation gebunden ist, eher Medienimages erhebt, als etwas über den faktischen Gebrauch des Mediums auszusagen (S.20). Ich halte diese Vorgehensweise dennoch für angemessen, gerade weil sich einige der Motiv-Dimensionen ohnehin eher auf das Image von Schallplatten beziehen. Aus forschungsökonomischen Gründen musste ich mich bei der Erhebung auf die Städte Hannover, Hamburg und Münster beschränken. Befragt wurde auf zwei Schallplattenbörsen, in insgesamt fünfzehn Schallplattenläden, auf einem HipHop-Konzert, in einer Mensa sowie im eigenen Freundesund Bekanntenkreis. Dort, wo eine persönliche Ansprache der Probanden möglich war, wurde darauf geachtet, dass die Stichprobe hinsichtlich Alter und Geschlecht möglichst breit gestreut ist. Gerade letzteres erwies sich allerdings als schwierig, da sich vor allem auf den Börsen überwiegend männliches Publikum aufhielt. Die Daten wurden im Zeitraum vom 04.06.2005 bis zum 23.06.2005 erhoben. Die Erhebung startete am 04. Juni beim DJ-Flohmarkt in Münster. In der darauf folgenden Woche wurden insgesamt 256 Fragebögen in fünfzehn Plattenläden in Hannover und Hamburg verteilt. Bei der Auswahl der Läden wurde darauf geachtet, ein möglichst breites Angebotsspektrum abzudecken, da ein Einfluss der bevorzugten musikalischen Genres auf die Bewertung unterschiedlicher Nutzungsmotive vermutet wird. Die Anzahl der jeweils hinterlegten Fragebögen variierte bei den einzelnen Läden und wurde anhand der Größe des Geschäfts sowie der eingeschätzten Kooperationsbereitschaft bzw. Zuverlässigkeit der Besitzer und dessen Angestellten bemessen. Die Angestellten wurden darum gebeten, die Bögen hinter bzw. auf der Verkaufstheke auszulegen und ihre Kunden auf die Untersuchung aufmerksam zu machen. Um den Aufwand bei der Rückgabe gering zu halten und den Rücklauf zu optimieren, wurden die Probanden darum gebeten, den Fragebogen vor Ort auszufüllen. Genau zwei Wochen später wurden die ausgefüllten Bögen wieder eingesammelt. Am 12. Juni fand in Hannover eine weitere Schallplattenbörse statt. Die Befragung bei einem HipHop-Konzert im Musikzentrum in Hannover am 23. Juni bildete den Abschluss der Erhebung. Vor allem auf den Schallplattenbörsen sowie beim Konzert konnte ein guter Rücklauf an ausgefüllten Fragebögen erzielt werden (Börsen: 67,1%; Konzert: 90%). Dies lässt sich meines Erachtens vor 30

METHODISCHES VORGEHEN allem auf die Tatsache zurückführen, dass den befragten Personen mehr Zeit zur Bearbeitung der Bögen zur Verfügung stand. Der Rücklauf der in den Plattenläden verteilten Bögen fiel sehr unterschiedlich aus (von 8,3% bis 100%). Dies lag unter anderem daran, dass die Befragung in manchen Läden im Laufe der zwei Wochen schlichtweg vergessen worden ist. In einigen anderen Geschäften wiederum schienen die Beteiligten hochgradig motiviert, mir sämtliche Fragebögen ausgefüllt zurückzugeben. Dadurch ergab sich im Durchschnitt doch noch eine durchaus akzeptable Rücklaufquote von 46,1% bei den Plattenläden. Insgesamt, also über sämtliche Erhebungsorte hinweg, wurden 54,3% der verteilten Fragebögen ausgefüllt zurückgegeben. Eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Orte der Erhebung sowie der jeweiligen Rücklaufquoten befindet sich im Anhang. Tabelle 5: Die Befragung im Überblick Grundgesamtheit

Alle Personen, die zumindest gelegentlich Schallplatten kaufen

Befragte*

Besucher von Schallplattenbörsen in Hannover und Münster (33%) Kunden von insgesamt 15 verschiedenen Plattenläden in Hannover und Hamburg (53%) Besucher eines HipHop-Konzerts in Hannover (4%) Freunde und Bekannte (8%) Gäste der Mensa des Kurt-Schwitters-Forums (1%)

Methode

Schriftliche, standardisierte Selbstausfüller-Befragung

Zeitraum

04. bis 23. Juni 2005

Stichprobe

217 gültige Fälle

* Abweichungen von 100% sind rundungsbedingt.

31

5. ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Gemäß den Forschungsfragen sollen die erhobenen Daten nun vor allem darüber Aufschluss geben, welche Motive beim Kauf von Vinyl-Schallplatten eine Rolle spielen und ob sich verschiedene Nutzertypen innerhalb der Stichprobe identifizieren lassen. Zunächst wird im Folgenden jedoch die Teilnehmerschaft hinsichtlich ihrer Soziodemografie sowie einiger weiterer personenspezifischer Merkmale beschrieben werden. Bei allen angegebenen Prozentwerten handelt es sich um gültige Prozente, also die Werte, die unter Ausschluss von fehlenden Werten berechnet wurden. Der Anteil fehlender Werte lag stets unter 8 Prozent, meist sogar deutlich niedriger. Abweichungen von 100 Prozent sind rundungsbedingt.

5.1. Beschreibung der Stichprobe Insgesamt gingen die Daten von 217 Befragten in die Stichprobe ein. Bei der Datenbereinigung wurden lediglich zwei Fälle ausgeschlossen, da die Befragten den Fragebogen nach der Hälfte abgebrochen haben. Wie sich im Laufe der Auswertung zeigen wird, handelt es sich bei den befragten Personen um eine sehr heterogene Stichprobe. Das heißt, dass ein außerordentlich breites Spektrum unterschiedlicher Schallplattenkäufertypen erreicht wurde. Dennoch sollte bei den folgenden Betrachtungen grundsätzlich bedacht werden, dass die Ergebnisse nur bedingt Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit – also auf alle Personen, die zumindest gelegentlich Schallplatten kaufen – zulassen. Die Stichprobe kann nicht als repräsentativ angesehen werden, denn es handelt sich bei der Form der Befragung um eine selbst-selektive Stichprobe. Da der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit jedoch darin liegt, verschiedene Typen von Schallplattenkäufern zu identifizieren und somit ohnehin eher explorativen Charakter besitzt, stellt die Repräsentativität der Stichprobe keine notwendige Bedingung zur Beantwortung der Forschungsfragen dar. Wenn also in der Ergebnisauswertung von den „Schallplattenkäufern“ die Rede ist, muss dabei immer die eingeschränkte Generalisierungsleistung der Aussagen im Gedächtnis behalten werden.

32

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Soziodemografie Die Stichprobe umfasst Personen zwischen 15 und 63 Jahren. Der Altersdurchschnitt lag bei 32 Jahren. Die Hälfte der Probanden ist zwischen 25 und 40 Jahren alt, jeweils ein Viertel ist älter bzw. jünger. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass die Schallplatte zunehmend jüngere Zielgruppen anspricht (vgl. Abschnitt 2.1.). Vor allem junge Erwachsene zwischen 20 und 29 Jahren (46 Prozent der Stichprobe) greifen vermehrt zu Vinyl. Deutlich unterrepräsentiert hingegen sind Jugendliche bis 20 Jahre (3%) und die Generation ab 50 Jahren aufwärts (6%). Letzteres ist erstaunlich, da man hätte annehmen können, dass gerade ältere Personen nach wie vor ein Faible für die schwarzen Scheiben besitzen. Die weiblichen Probanden bilden innerhalb der Stichprobe eine deutliche Minderheit. Lediglich 10 Prozent der Fragebögen wurden von Frauen ausgefüllt. Obwohl Frauen tendenziell eher seltener an Befragungen teilnehmen (Möhring & Schlütz, 2003, S.47), lässt sich aufgrund der vorliegenden Daten darauf schließen, dass der Kauf von Vinyl-Schallplatten eine vornehmlich männliche „Obsession“ darstellt. Den Daten lässt sich weiterhin entnehmen, dass die Schallplattenkäufer in der Stichprobe überdurchschnittlich hoch gebildet sind. Mehr als die Hälfte (53%) gaben als höchsten Bildungsabschluss die (Fach-) Hochschulreife an, weitere 15 Prozent haben sogar ein Studium absolviert. Lediglich 4 Prozent der Befragten nannten den Haupt- bzw. Volksschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss. Der Hang zu höherer Bildung spiegelt sich auch in der beruflichen Tätigkeit wider. Etwa jeder fünfte Befragte ist Student (21%). Den größten Teil der Stichprobe machen jedoch die Vollberufstätigen (49%) aus. Zusammen mit den Halbtagstätigen gehen 55 Prozent der befragten Personen einem Beschäftigungsverhältnis nach. Trotz der vergleichsweise hohen formalen Bildung lässt sich feststellen, dass die befragten Personen verglichen mit der deutschen Gesamtbevölkerung eher wenig verdienen. Der hohe Anteil an Schülern, Auszubildenden und Studenten (insgesamt 34%) dürfte die hohe Fallzahl derjenigen erklären, die angaben, monatlich weniger als 1000 € netto zu verdienen (42%). Am stärksten in der Stichprobe vertreten ist die Einkommensklasse 1000 bis unter 1500 € (32%). Lediglich 14 Prozent zählen zu der Gruppe der „Besser-Verdienenden“, denen monatlich 2000 Euro oder mehr zur freien Verfügung stehen. 33

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Musikkonsum Obwohl die Befragungsteilnehmer im Vergleich zur bundesdeutschen Gesamtbevölkerung verhältnismäßig wenig verdienen, zeigen sie sich erstaunlich konsumfreudig, was den Kauf von Tonträgern angeht. Im Sinne der Kategorisierung des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft gehören 96 Prozent der Stichprobe der Gruppe der so genannten „Intensivkäufer“ an. Das heißt, sie kaufen durchschnittlich mehr als 9 Tonträger pro Jahr14. In der gesamtdeutschen Bevölkerung hingegen beträgt der Anteil der Intensivkäufer lediglich 4 Prozent (38% bei den Käufern von Tonträgern). Über die Hälfte aller Befragten (61%) haben sich nach eigener Angabe allein in den vergangenen drei Monaten mindestens 30 Tonträger zugelegt, ein Viertel von ihnen sogar mehr als 50 Stück. Insgesamt waren 92 Prozent der in den vergangenen drei Monaten erworbenen Tonträger VinylSchallplatten. Entsprechend der hohen Stückzahlen an gekauften Tonträgern, liegen auch die Ausgaben für Musikspeichermedien weit über dem Durchschnitt. Diese betragen bei der Hälfte der Probanden mindestens 85 Euro im Monat. Ein Viertel von ihnen zahlt sogar 150 Euro monatlich oder mehr15. Die monatlichen Ausgaben hängen in starkem Maße mit den hohen Beträgen zusammen, die VinylKäufer bereit sind für einzelne Tonträger zu bezahlen16. Reguläre Tonträger kosten im Handel zwischen 15 und 20 Euro. 89 Prozent der Befragungsteilnehmer würden „für eine Schallplatte, die sie unbedingt haben wollen“, jedoch sogar noch weit mehr auf den Tisch legen. Jeder zweite Proband wäre sogar bereit, 50 Euro oder mehr für eine Platte zu zahlen, ein Fünftel mehr als 80 Euro. Nach oben hin sind die Grenzen beinahe offen: Drei Personen gaben an, 1.000 Euro für eine einzige Schallplatte aufzubringen; bei einer Person wird die „Schmerzgrenze“ sogar erst bei 1.500 Euro erreicht. Wenn man das verhältnismäßig niedrige Nettoeinkommen der Plattenkäufer mit den enormen Summen vergleicht, die diese bereit sind, für Tonträger auszugeben, wird deutlich, welchen hohen Stellenwert Musik in deren Leben einnimmt. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass einige der Befragungsteilnehmer aus „Prestigegründen“ bei ihren Angaben bezüglich ihres Kaufverhaltens etwas übertrieben haben. Mit Abstand am häufigsten erwerben die Mitglieder der Stichprobe ihre Schallplatten „ganz klassisch“ im Plattenladen. 80 Prozent der Probanden gaben an, oft bzw. sehr oft dort ihre Einkäufe zu tätigen. Nur 5 Prozent nutzen diese Beschaffungsart überhaupt nicht. Knapp drei Viertel (73%) aller Befrag-

Für diese Aussage wurde die Antwort auf die Frage nach den in den vergangenen drei Monaten gekauften Tonträgern mit dem Faktor 4 multipliziert. 15 Zum Vergleich: Der durchschnittliche deutsche Bundesbürger gab im Jahr 2004 gerade mal 19,26 € für (Bild-) Tonträger aus, wohlgemerkt über das ganze Jahr hinweg. 16 Der Korrelationskoeffizient r zwischen den monatlichen Ausgaben und dem maximalen Preis für eine Schallplatte beträgt .27. Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 signifikant. 14

34

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION ten gaben weiterhin an, sich zumindest gelegentlich eine Schallplatte im Internet zu bestellen, gut ein Drittel (36%) sogar oft bis sehr oft. Flohmärkte und Schallplattenbörsen sind am wenigsten attraktiv, obwohl auch hier 76 Prozent bzw. 67 Prozent zumindest gelegentlich eine Schallplatte erwerben. Der tägliche Musikkonsum der befragten Personen beläuft sich auf 4,8 Stunden (SD = 3,2). Es lässt sich feststellen, dass die Mitglieder der Stichprobe Musikmedien weit intensiver nutzen als die bundesdeutsche Gesamtbevölkerung. Deren tägliche Nutzungsdauer beläuft sich auf 24 Minuten für Tonträger sowie auf 196 Minuten für Hörfunk (ard.de, 2005). Am gesamten Musikkonsum der befragten Personen beträgt der Anteil von Vinyl-Schallplatten etwa 62 Prozent. Die hohe Standardabweichung von 30,4 Prozent macht deutlich, dass es auch hier wieder erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Nutzern gibt. Lediglich 6 Personen (3%) an, dass sie ausschließlich Musik vom Plattenspieler hören. Bei den Tonträgeralternativen erfährt die CD mit Abstand am meisten Zuspruch (91%). Etwa gleichviel genutzt werden Kassetten (44%) und MP3 (43%). MiniDiscs (22%) und Audio-DVDs (14%) hingegen werden deutlich seltener in Anspruch verwendet. Aus diesen Zahlen lässt sich ableiten, dass die Nutzung von Vinyl kein Zeichen mangelnder technischer Kompetenz oder mangelnden Zugangs zu alternativen Musikspeichermedien darstellt. Stattdessen scheinen die meisten Nutzer von Schallplatten modernen Tonträgern gegenüber durchaus aufgeschlossen zu sein. Dies spiegelt sich auch im Gerätebesitz der Probanden wieder: 90 Prozent der Befragten nennen neben einem Plattenspieler auch einen CD-Player ihr Eigen. Auch Computer (88%) mit Internetzugang (78%), DVD-Player (76%) und Kassettenrecorder (74%) sind unter Schallplattenkäufern weit verbreitet. Immerhin 38 Prozent besitzen weiterhin einen MP3-Player, 34 Prozent einen MD-Player. Bei der Betrachtung der Genrepräferenzen der Schallplattennutzer fällt auf, dass Schallplattenkäufer tendenziell eher progressive Stilrichtungen bevorzugen. Der größten Beliebtheit erfreut sich Rock/Alternative/Independent (50%). Mit etwas Abstand folgen HipHop/Rap (41%); Trance/House/Techno und Soul/R´n B/Funk (beide 39%). Das Interesse an Pop-Musik ist auffallend schwach ausgeprägt (34%). Tätigkeit als DJ Abschließend bleibt festzustellen, dass sich ein Großteil der Stichprobe aus Personen rekrutiert, die Schallplatten nicht allein zum privaten Vergnügen erwerben: 54 Prozent der Befragten gaben an, als DJ aktiv zu sein. Knapp die Hälfte davon (49%) verdienen damit sogar zumindest teilweise ihren Lebensunterhalt, doch nur 3% der DJs (1% der Gesamtstichprobe) können ausschließlich von dieser Tätigkeit leben. 35

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Zusammenfassung Die Erkenntnisse dieses Kapitels lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Anhänger der Schallplatte legen ein ausgesprochen intensives Kauf- und Nutzungsverhalten an den Tag, was den Umgang mit Musiktonträgern angeht. Obwohl sie tendenziell eher niedrige Einkommen beziehen, geben viele von ihnen hohe Summen aus, um ihrem Bedürfnis nach musikalischer Unterhaltung Genüge zu tun. Viele von ihnen sind auch als DJ aktiv und spielen ihre Platten vor einem öffentlichen Publikum, allerdings können nur wenige von den Einkünften, die aus dieser Tätigkeit resultieren, ihren Lebensunterhalt bestreiten. Neben der Schallplatte nutzen fast alle Befragte auch andere technische Möglichkeiten zur Wiedergabe von Musik. Die Schallplatte dient somit nur als Ergänzung des musikalischen Angebots. Der „reine“ Schallplattenkäufer scheint tatsächlich „auszusterben“. Bei der späteren Betrachtung einzelner Nutzertypen werden sich noch differenziertere Aussagen treffen lassen. Nach diesem ersten Einblick in die soziodemografische Struktur und das allgemeine Nutzungsverhalten der Stichprobe, werden in den in den folgenden Kapiteln die Nutzungsmotive der Konsumenten, die den Schwerpunkt meiner Arbeit darstellen, ausführlich dargestellt.

5.2. Ermittlung der Hauptmotive für die Nutzung von Vinyl-Schallplatten Zunächst werde ich die abgefragten Motiv-Items anhand der Rangfolge ihrer Mittelwerte darstellen und so die Hauptbeweggründe der Probanden für den Kauf von Vinyl-Schallplatten feststellen. Mithilfe einer Faktorenanalyse sollen diese anschließend zu aussagekräftigen Motivfaktoren zusammengefasst werden. Diese bilden schließlich die Grundlage für die spätere Identifizierung möglicher Nutzungstypen.

5.2.1.Deskriptive Darstellung der Nutzungsmotive Wie in Abschnitt 4.2.1. beschrieben wurden die Motive anhand von insgesamt 27 Items abgefragt. Die Befragungsteilnehmer sollten zu diesem Zweck auf einer fünfstufigen Skala angeben, in wie weit sie Statements zustimmen, die mögliche Vorteile der Schallplatte gegenüber alternativen Wiedergabemöglichkeiten thematisieren. In Tabelle 6 werden die Mittelwerte der Items direkt miteinander verglichen und nach dem Grad der Zustimmung in absteigender Reihenfolge sortiert.

36

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Tabelle 6: Mittelwerte-Rangfolge der Schallplatten-Kaufmotive Rang 1

Item

Ich finde, Schallplatten machen optisch was her. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das Angebot an besonders seltenen 2 und interessanten Titeln abseits des Mainstreams. 3 Einige der Titel, die ich mir kaufe, sind ausschließlich auf Vinyl erhältlich. Zwischen Schallplatten und anderen Tonträgern besteht für mich kein großer 4 Unterschied.* 5 An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…den besonderen Klang. 6 An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das große Plattencover. 7 Vinyl ist für mich noch richtig „Musik zum Anfassen“. Durch den Erwerb von Schallplatten kann mein persönlicher Musikgeschmack am 8 besten befriedigt werden. 9 Mit Schallplatten verbinde ich Teile meiner Vergangenheit. 10 Kontakt mit anderen Plattensammlern ist mir ausgesprochen wichtig. 11 Meiner Meinung nach bleibt die Schallplatte in punkto Klang unübertroffen. 12 Ich schätze die Handhabung von Schallplatten. Die Musikindustrie erfindet ständig neue Tonträgerformen, um den Konsumenten zu 13 schröpfen. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…dass man die Musik anhand der 14 Rillen sehen, erkennen und fühlen kann. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…die Bandbreite und Vielfalt der 15 angebotenen Musik. Seltene Alben und Sondereditionen auf Vinyl üben einen ganz besonderen Reiz auf 16 mich aus. 17 Schallplatten sind nicht unbedingt was für jedermann. Das Sammeln von Schallplatten ist für mich fast genauso wichtig wie das Musikhö18 ren selbst. 19 Wenn ich Schallplatten auflege, werden bei mir oft alte Erinnerungen wach. 20 Wenn ich Platten kaufen gehe, treffe ich meistens Leute, die ich kenne. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das Rauschen und Knacken beim 21 Abspielen der Platte. Schallplattenkäufer sind mir in der Regel sympathischer als Leute, die ihre Musik 22 auf CD kaufen oder aus dem Netz laden. Ohne Staub-Entfernen, Seiten-Umdrehen und Nadel-Aufsetzen macht Musikhören 23 einfach nicht soviel Spaß. 24 Eine umfangreiche Plattensammlung ist für mich persönlich eine Art Statussymbol. Der Kauf von Vinyl-Schallplatten stellt für mich auch einer Art Protest gegen die 25 Digitalisierung unseres kulturellen Alltags dar. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…den niedrigen Preis bei Second26 hand-Artikeln. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…dass man sich durch den Kauf von 27 Schallplatten von der breiten Masse abhebt. Variablencode: 1 = Trifft überhaupt nicht zu; 5 = Trifft voll und ganz zu * Richtung der Variablen wurde umcodiert.

4,2

Standardabweichung [SD] 1,1

214

4,2

1,1

214

4,2

1,2

214

4,1

1,1

215

4,1 4,0 3,9

1,1 1,3 1,3

215 216 216

3,6

1,4

212

3,6 3,6 3,6 3,6

1,3 1,1 1,3 1,3

214 215 217 217

3,5

1,2

213

3,5

1,4

213

3,5

1,3

208

3,5

1,2

217

3,4

1,3

214

3,1

1,4

217

3,1 3,1

1,4 1,2

213 215

2,9

1,4

215

2,8

1,4

216

2,7

1,5

214

2,7

1,4

217

2,6

1,2

2,5

1,4

2,4

1,4

Mittelwert [M]

n

213 217 215

Bei der Betrachtung der Mittelwert-Tabelle fällt sofort auf, dass die Befragten nahezu allen Items durchschnittlich eher zugestimmt haben (Mittelwert > 2,5), als dass sie sie ablehnten. Dass die einzelnen Items, die zu einer Motiv-Dimension gehören, zum Teil recht unterschiedlich bewertet wurden, lässt sich darauf zurückführen, dass die verschiedenen Statements unterschiedlich „scharf“ formuliert wurden bzw. zum Teil sehr unterschiedliche Aspekte einer Dimension abdecken.

37

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Anhand der Auflistung lässt sich erkennen, dass die ästhetischen Qualitäten der Schallplatte wie die einzigartige optische Erscheinung (Rang 1 und 6), der spezielle Klang (Rang 5 und 11) sowie haptische Qualitäten (Rang 7 und 14) offenbar eine besonders große Rolle bei der Kaufentscheidung spielen. Die entsprechenden Items sind deutlich überdurchschnittlich ausgeprägt. Das schallplattentypische „Rauschen und Knacken“ allerdings wird insgesamt als weniger wichtig erachtet, doch auch hier befindet sich der Mittelwert noch über dem Skalenmittelpunkt (Rang 21). Ebenso wird der Motivdimension Angebotsvielfalt ein sehr hoher Stellenwert beigemessen. Insbesondere der hohe Zuspruch, den das Item „Einige der Titel, die ich mir kaufe, sind ausschließlich auf Vinyl erhältlich“ (Rang 3) erfährt, macht deutlich, dass die Exklusivität bestimmter Musiktitel einen großen Anteil zur Erklärung fortwährender Schallplattennutzung beiträgt. Indirekt wird diese Einschätzung durch weitere Items bezüglich der Angebotsvielfalt (Rang 2, 8 und 15) unterstützt. Der Kauf von Vinyl-Schallplatten ist also neben der Wertschätzung ästhetischer Qualitäten auch im starken Maße von pragmatischen Motiven geleitet. Entsprechend der hohen Bewertung des exklusiven vinyl-spezifischen Angebots werden auch seltene Alben und Sondereditionen besonders hoch geschätzt (Rang 16). Die Wichtigkeit des Sammelns um seiner selbst Willen sowie die Bewertung der Plattensammlung als Statussymbol werden hingegen weniger hoch eingestuft, doch auch hier bewegen sich die Werte noch über dem Skalenmittelpunkt (Rang 18, 24). Unter Einbeziehung der Motivdimension Angebotsvielfalt lässt sich somit feststellen, dass das Sammelbedürfnis bzw. Statusdenken durch den Kauf von Schallplatten sehr gut befriedigt werden können. Interessanterweise findet auch die Motiv-Dimension Nostalgie bei der relativ jungen Teilnehmerschaft der Befragung überdurchschnittlich viel Zustimmung. Viele Probanden gaben an, dass sie mit Schallplatten Teile ihrer Vergangenheit verbinden bzw., dass beim Auflegen von Schallplatten oft alte Erinnerungen wach werden (Rang 9, 19). Die Werte bestätigen des Weiteren die Annahme, dass der Kauf von Schallplatten auch dazu geeignet ist, soziale Kontakte aufzubauen bzw. zu pflegen. So wird der Kontakt mit anderen Plattensammlern als wichtig eingestuft (Rang 10). Das Treffen von Bekannten beim Plattenkauf sowie grundsätzliche Symphatien gegenüber Vinyl-Fans spielen eine weniger wichtige Rolle (Rang 20, 22). Ein ambivalentes Bild zeigt sich auch in Bezug auf die Motiv-Dimension Handhabung. Auch wenn diese gemeinhin geschätzt wird (Rang 12), gehört das „Staub-Entfernen, Seiten-Umdrehen und Nadel-Aufsetzen“ (Rang 23) für die befragten Personen nicht zu den zentralen Gratifikationen von Vinyl. Dafür scheint der Großteil der Plattenkäufer sich darüber einig zu sein, dass der Konsument durch die Entwicklung neuer Tonträgerformate von der Musikindustrie „geschröpft wird“ (Rang 13). Dass 38

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION der Kauf von Vinyl-Schallplatten ein geeignetes Mittel ist, seinen Protest gegenüber der Digitalisierung des kulturellen Alltags zum Ausdruck zu bringen, wird jedoch mit einem Skalenwert knapp über dem Mittelwert nicht direkt bestätigt (Rang 25). Eine untergeordnete Rolle spielt offensichtlich ebenso der Preisvorteil bei Secondhand-Artikeln. Das dazugehörige Item liegt mit einer durchschnittlichen Bewertung von 2,5 genau auf dem Mittelpunkt der Skala, was darauf schließen lässt, dass ein Großteil der Stichprobe weniger an Tonträgern aus zweiter Hand als an Neuware interessiert ist. Auch die Bedeutung vom Kauf von Vinyl-Schallplatten als Mittel, um sich von anderen abzugrenzen, wurde möglicherweise überschätzt. Zwar scheinen viele der Untersuchungsteilnehmer der Ansicht zu sein, dass Schallplatten „nicht unbedingt für jedermann“ geeignet seien (Rang 17). Das Statement „An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…dass man sich durch den Kauf von Schallplatten von der breiten Masse abhebt.“ stellt mit einem Mittelwert unterhalb des Skalenmittelpunkts jedoch das einzige Statement dar, mit dem die Befragten eher nicht übereinstimmen (Rang 27). Möglicherweise hängt das aber auch mit der Scheu zusammen, sich offen zu einem elitären Käuferkreis zu bekennen. Zusätzlich zu den Motiv-Items wurde die Gratifikation Instrumentalität dichotom abgefragt. Über die Hälfte aller Untersuchungsteilnehmer (53%) gaben hier an, Schallplatten auch zum Mixen und Scratchen zu benutzen. Dieser bemerkenswert hohe Anteil beweist, dass der funktionale Nutzen von Vinyl innerhalb der Stichprobe einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Zusammenfassung Es lässt sich feststellen, dass die entscheidenden Gratifikationsleistungen der Vinyl-Schallplatte auf deren ästhetischen Qualitäten (Optik, Klang) sowie deren pragmatischen Nutzen (Angebot, Instrumentalität) beruhen. Als weniger wichtig eingestuft wurden psychologische bzw. soziologische Kaufmotive wie z.B. Distinktion oder Ausdruck von Protest. Auch der Preisvorteil ist für die meisten Nutzer kein ausschlaggebender Kaufanreiz. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die in der gesamten Stichprobe eher weniger relevanten Motivdimensionen für Teile der Käuferschaft eine große Rolle spielen. Die folgende Typenbildung soll einen differenzierteren Eindruck über die verschiedenen Motivlagen einzelner Käufergruppen liefern.

39

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION 5.2.2.Faktorenanalyse zur Verdichtung der Nutzungsmotive Um die Darstellung der Hauptnutzungsmotive zu verdichten und eine komprimierte Datenbasis für die anschließende Clusteranalyse zu schaffen, werden im Folgenden die in Abschnitt 5.2.1. erläuterten Motiv-Items einer Faktorenanalyse unterzogen17. Ziel dieses Verfahrens ist es zu untersuchen, ob sich unter der Vielzahl der Items Gruppen von Variablen befinden, denen jeweils eine komplexe Hintergrundvariable (Faktoren) zugrunde liegt (Brosius, 2002, S.727), d.h. ob mehrere Variablen etwas „Gemeinsames“ messen. Eine Faktorenanalyse ist also besonders dann von Nutzen, „wenn man mit sehr vielen Variablen arbeitet und es einfach ökonomischer und übersichtlicher ist, mit Faktorwerten statt mit vielen korrelierten Einzelmessungen zu operieren“ (Bortz & Döhring, 2002, S.383). Durch die Verwendung weniger, voneinander unabhängiger Faktoren wird die anschießende Typenbildung schließlich leichter handhabbar und besser interpretierbar. Da die Datenreduktion via Faktorenanalyse intervallskalierte Merkmale voraussetzt (ebd., S.382), kann die dichotom abgefragte Motiv-Dimension Instrumentalität nicht in die Analyse miteinbezogen werden18. Fehlende Werte werden im Rahmen der Faktorenanalyse durch den Variablenmittelwert ersetzt, um für jeden Fall Faktorwerte zu erzeugen. Dieses Vorgehen ist aufgrund der vorliegenden Variablenstruktur vertretbar, da keines der 27 in die Analyse einbezogenen Items mehr als fünf Prozent fehlende Werte aufweist. Das KMO-Maß der Stichprobenadäquanz ist mit einem Wert von .796 als „recht gut“ zu bezeichnen (Brosius, 2002, S.736), so dass die Zusammenstellung der Variablen für ein faktoranalytisches Modell durchaus geeignet ist. Als Extraktionsmethode wird die Hauptkomponentenanalyse gewählt. Weiterhin wird zur Verbesserung der Interpretierbarkeit der einzelnen Faktoren das Verfahren der Varimax-Rotation angewendet19. Nach Durchführung der Analyse ergibt sich eine Faktorladungsmatrix mit acht Faktoren. In einem ersten Schritt wurden Variablen aus der Analyse ausgeschlossen, deren Faktorladungen weniger als .45 betragen haben und die zudem uneindeutig auf mehreren Faktoren geladen haben. Dies betrifft insgesamt vier Items:

Die Neudefinition der Hintergrundvariablen ist auch insofern notwendig, da die einzelnen Items der in Abschnitt 3.3. vorgestellten Motiv-Dimensionen zum Teil sehr unterschiedlich bewertet worden sind (vgl. Abschnitt 5.2.1.) und nicht miteinander korellieren. 18 Bei der späteren Beschreibung der identifizierten Cluster wird das Auftreten dieser Gratifikation gesondert ausgewiesen. 19 Bei diesem Verfahren werden die Achsen so rotiert, dass wenige Faktoren auf einen Faktor besonders hoch und alle anderen möglichst niedrig laden (Brosius, 2002, S.744). 17

40

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION •

Vinyl ist für mich noch richtig „Musik zum Anfassen“. (.449)



Ich schätze die Handhabung von Schallplatten. (.414)



An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das Rauschen und Knacken beim Abspielen der Platte. (.398)



Zwischen Schallplatten und anderen Tonträgern besteht für mich kein großer Unterschied. (.371)

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das erst- sowie das letztgenannte Item in ihren Formulierungen ohnehin nicht eindeutig interpretierbar sind. Daher fällt es nicht besonders schwer auf diese Items zu verzichten. Die zweite Faktorlösung besteht nunmehr nur noch aus sieben Faktoren. Insgesamt haben sich im Vergleich zur ersten Lösung fünf Items „verschoben“. Dies führte letztlich eher zu einer besseren Interpretierbarkeit der einzelnen Faktoren. Fast alle Variablen weisen Ladungen von mindestens .50 auf einem der sieben Faktoren auf20, mit Ausnahme der Items „Wenn ich Platten kaufen gehe, treffe ich meistens Leute, die ich kenne.“ (.492) und „Ohne Staub-Entfernen, Seiten-Umdrehen und NadelAufsetzen macht Musikhören einfach nicht soviel Spaß.“(.430). Aus Gründen der inhaltlichen Plausibilität innerhalb der entsprechenden Faktoren halte ich es für legitim, diese Variablen dennoch in der weiteren Analyse mit einzubeziehen, zumal sie relativ eindeutig auf nur einen bestimmten Faktor laden. Tabelle 7 gibt eine Übersicht über die Faktoren und die Faktorladungen der einzelnen Items. Die vorliegende Sieben-Faktor-Lösung erklärt 60 Prozent der Gesamtvarianz, wobei die einzelnen Faktoren nach Rotation jeweils zwischen 6 und 14 Prozent zur Varianzaufklärung beitragen. Tabelle 7: Faktoranalyse der Schallplatten-Nutzungsmotive Item

Faktor 1

Faktor 1: Soziale Definition durchs Plattensammeln Eine umfangreiche Plattensammlung ist für mich persönlich eine Art Statussymbol. Das Sammeln von Schallplatten ist für mich fast genauso wichtig, wie das Musikhören selbst. Kontakt mit anderen Plattensammlern ist mir ausgesprochen wichtig. Seltene Alben und Sondereditionen auf Vinyl üben einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Schallplattenkäufer sind mir in der Regel sympathischer als Leute, die ihre Musik auf CD kaufen oder aus dem Netz laden. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…dass man sich durch den Kauf von Schallplatten von der breiten Masse abhebt. Wenn ich Platten kaufen gehe, treffe ich meistens Leute, die ich kenne. 20

2

3

4

5

6

7

,738 ,664 ,592 ,579 ,577 ,554 ,492

Ab diesem Wert wird eine Variable als bedeutsam für die Faktorinterpretation betrachtet (Backhaus et al., 2000, S.292).

41

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Faktor 2: Einzigartiges Repertoire An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das Angebot an besonders seltenen und interessanten Titeln abseits des ,844 Mainstreams. Einige der Titel, die ich mir kaufe sind ausschließlich auf Vinyl ,819 erhältlich. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…die Bandbreite und ,649 Vielfalt der angebotenen Musik. Durch den Erwerb von Schallplatten kann mein persönlicher ,612 Musikgeschmack am besten befriedigt werden. Faktor 3: Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten Wenn ich Schallplatten auflege, werden bei mir oft alte Erinnerun,728 gen wach. Mit Schallplatten verbinde ich Teile meiner Vergangenheit. ,713 An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das große Platten,556 cover. Faktor 4: Spezieller Klang An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…den besonderen ,864 Klang. Meiner Meinung nach bleibt die Schallplatte in punkto Klang ,813 unübertroffen. Faktor 5: Ästhetische Zusatzgratifikationen für Eingeweihte Schallplatten sind nicht unbedingt was für jedermann. ,653 Ich finde, Schallplatten machen optisch was her. ,627 An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…dass man die Musik ,551 anhand der Rillen sehen, erkennen und fühlen kann. Faktor 6: Kritischer Traditionalismus Die Musikindustrie erfindet ständig neue Tonträgerformen, um den Konsumenten zu schröpfen. Der Kauf von Vinyl-Schallplatten stellt für mich auch einer Art Protest gegen die Digitalisierung unseres kulturellen Alltags dar. Ohne Staub-Entfernen, Seiten-Umdrehen und Nadel-Aufsetzen macht Musikhören einfach nicht soviel Spaß. Faktor 7: Zugang zu günstigen Secondhand-Artikeln An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…den niedrigen Preis bei Secondhand-Artikeln. Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. Die Rotation ist in 14 Iterationen konvergiert.

,768 ,545 ,430 ,761

Faktor 1 erklärt 14,1 Prozent der Gesamtvarianz und ist eindeutig geprägt von den Untersuchungsdimensionen Sammelbedürfnis/Status und Einbindung in soziales Gefüge. Die beiden Aspekte bilden offensichtlich eine Einheit. Das heißt, dass dem Sammeln von Schallplatten ein nicht zu unterschätzender sozialer Nutzen innewohnt, vergleichbar mit einem Hobby, dass man gerne gemeinsam ausübt. Dementsprechend wird eine „umfangreiche Plattensammlung“ vor allem dann als Statussymbol begreifbar, wenn das Umfeld die damit verbundenen Kosten und Mühen zu schätzen weiß. Erst durch den Kontakt mit Gleichgesinnten entsteht Vergleichbarkeit unter den Sammlern, das Sammeln selbst kann in diesem Zusammenhang auch als eine Art sportlicher Wettstreit verstanden werden. Durch die ausgeprägte soziale Bindung zu anderen Vinylliebhabern erscheint es daher auch logisch, dass Schallplattenkäufer einander „grundsätzlich sympathischer“ finden als CD-Käufer und Downloader. Die diesen Faktor bestimmenden Nutzungsmotive lassen sich treffend unter der Bezeichnung „Soziale Definition durch Plattensammeln“ zusammenfassen. 42

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Faktor 2 mit 11,2 Prozent Varianzaufklärungsanteil bildet exakt die Untersuchungsdimension Angebotsvielfalt ab. Die Statements, die unter diesem Faktor zusammenfallen, beziehen sich ausschließlich auf das „Einzigartige Repertoire“, also auf die große Bandbreite und Vielfalt der angebotenen Musik, was vor allem auch solche Titel mit einschließt, die ausschließlich auf Vinyl erhältlich sind. Faktor 3, der 8,6 Prozent zur Varianzaufklärung beiträgt, vereinigt vor allem Items, die zum Nutzungsmotiv Nostalgie formuliert wurden. Dieses manifestiert sich in der Fähigkeit der Schallplatte, „alte Erinnerungen wach werden“ zu lassen bzw. mit „Teilen der Vergangenheit verbunden“ zu werden. Das Item „An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das große Plattencover“, welches zusätzlich auf diesem Faktor lädt, lässt in diesem Zusammenhang darauf schließen, dass das spezielle, große Format der Schallplattenverpackung neben dem musikalischen Inhalt das Hervorrufen nostalgischer Gefühle visuell unterstützt. Daher lässt sich dieser Faktor am besten als „Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten“ beschreiben. Auf Faktor 4 laden mit 8,1 Prozent Varianzaufklärung nur zwei Variablen besonders hoch und beide Items heben eindeutig den „Speziellen Klang“ der Schallplatte als Nutzungsmotiv hervor. Dieser Faktor zielt dementsprechend auf den besonderen akustischen Genuss ab, den die Rezeption von Vinyl-Schallplatten bei ihren Hörern erzeugen kann. Auch Faktor 5, der 6,5 Prozent zur Varianzaufklärung beiträgt, bezieht sich auf die ästhetischen Qualitäten der Schallplatte, allerdings auf die visuellen und haptischen. Am stärksten lädt auf diesem Faktor jedoch das Item „Schallplatten sind nicht unbedingt was für jedermann“, welches ursprünglich im Zusammenhang mit der Untersuchungsdimension Distinktion formuliert wurde. Dies lässt darauf schließen, dass es sich bei den erwähnten ästhetischen Vorzügen um Nutzungsmotive handelt, die der breiten Masse vermeintlich verschlossen bleiben. Dementsprechend handelt es sich bei diesem Faktor um „Ästhetische Zusatzgratifikationen für Eingeweihte“. In Faktor 6, der 6,0 Prozent der Gesamtvarianz aufklärt, sind die Nutzungsmotive zusammengefasst, die am besten durch die Bezeichnung „Kritischer Traditionalismus“ charakterisiert werden können. Neben der Gewissheit, durch den Kauf von Schallplatten „gegen die Digitalisierung des kulturellen Alltags“ zu protestieren, spielt hier vor allem die kritische Einstellung gegenüber den steten technischen Veränderungen auf dem Tonträgermarkt bzw. gegen die Geschäftsmethoden der Musikindustrie allgemein eine entscheidende Rolle. Dazu passt auch die dritte Variable auf diesem Faktor, die den hohen Stellenwert der traditionellen Bedienungsweise eines Plattenspielers thematisiert. Denn 43

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION auch dieses Item stellt im weitesten Sinne ein Bedürfnis nach Konservierung altbekannter Verhältnisse dar. Schließlich verbleibt noch Faktor 7 mit 5,7 Prozent Varianzaufklärungsanteil. Auf diesen lädt ausschließlich jenes Statement, welches im Kontext der Untersuchungsdimension Preisvorteil formuliert wurde. Da sich dieses Statement ausschließlich auf den Kauf von Platten aus zweiter Hand bezieht, wird dieser Motiv-Faktor im Folgenden als „Zugang zu günstigen Secondhand-Artikeln“ bezeichnet.

5.3. Typologisierung der Schallplattenkonsumenten 5.3.1. Vorgehen Nachdem sieben voneinander unabhängige Faktoren identifiziert werden konnten, die die unterschiedlichen Motive der Schallplattennutzung abbilden, soll im Folgenden untersucht werden, ob, und falls ja, in welcher Weise sich die befragten Personen hinsichtlich dieser „Motiv-Faktoren“ unterscheiden. Zu diesem Zwecke werde ich eine Clusteranalyse durchführen, deren Ziel es ist, Untersuchungsobjekte hinsichtlich der Ähnlichkeit ihrer Merkmalsausprägungen in Gruppen, so genannte Cluster, aufzuteilen. Im Ergebnis sollen die Mitglieder eines Clusters möglichst ähnliche bzw. die Mitglieder verschiedener Gruppen möglichst unähnliche Variablenausprägungen aufweisen. (Backhaus et al., 2003, S.480). Die wesentlichen Voraussetzungen für eine Anwendung dieses Verfahrens, die einheitliche Skalierung der verwendeten Variablen und der Ausschluss von Korrelationen zwischen diesen, sind im vorliegenden Fall durch die vorhergehende Faktorenanalyse gegeben, da die Faktoren standardisierte Werte darstellen und orthogonal voneinander unabhängig sind. Zunächst wurde eine hierarchische Clusteranalyse im Single-Linkage-Verfahren durchgeführt, um so genannte Ausreißer21 innerhalb der Stichprobe aufzuspüren. Nach Ansicht der grafischen Darstellung der Clusterbildung im Dendogramm wurden vier solche Fälle identifiziert und aus der Analyse ausgeschlossen. Somit gingen 213 Fälle in die zweite hierarchische Clusteranalyse ein, die nach dem Ward-Verfahren durchgeführt wurde. Das Ward-Verfahren hat in der Praxis weite Verbreitung gefunden, weil es sich besonders gut dazu eignet, Objekte zu „wahren Gruppierungen“ zusammenzufassen (ebd., S.518).

Ausreißer sind „Objekte, die im Vergleich zu den übrigen Objekten eine vollkommen anders gelagerte Kombination der Merkmalsausprägungen aufweisen und sich dadurch von allen anderen Objekten enorm unterscheiden“ (Backhaus et al., 2000, S.381). Die Eliminierung solcher Ausreißer verhindert, dass der Fusionierungsprozess der übrigen Objekte stark beeinflusst wird und Verzerrungen der Gruppenbildung auftreten.

21

44

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Ein Problem ergab sich zunächst bei der Bestimmung der optimalen Clusteranzahl, da sich der Koeffizient, in diesem Fall der quadrierte euklidische Abstand, an keiner Stelle „sprunghaft“ erhöht (Bühl & Zöfel, 2002, S.492), sondern vielmehr kontinuierlich wächst. Die Ansicht des dazugehörigen Dendogramms hat aber relativ eindeutig gezeigt, dass die Verwendung einer 6-Clusterlösung am sinnvollsten erscheint. Tabelle 8 liefert einen Überblick über die endgültige Verteilung der einzelnen Fälle auf die jeweiligen Cluster. Tabelle 8: Endgültige Clusterlösung Cluster 1 Cluster 2 Cluster 3 Cluster 4 Cluster 5 Cluster 6 Gesamt Fehlend Gesamt

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

35 13 20 66 57 22 213 4 217

16,1 6,0 9,2 30,4 26,2 10,1 98,2 1,8 100,0

16,4 6,1 9,4 31,0 26,8 10,3 100,0

16,4 22,5 31,9 62,9 89,7 100,0

Die Clusterverteilung kann als noch gut handhabbar angesehen werden. Fast alle Cluster enthalten in Relation zur vorliegenden Stichprobe eine ausreichende Anzahl an Fällen und lassen sich gut interpretieren (vgl. Abschnitt 5.3.2.). Lediglich das zweite Cluster fällt mit nur 13 Fällen ziemlich niedrig aus. Es handelt sich hierbei jedoch um ein relativ „robustes“ Cluster, d.h. dass dieses Cluster auch bei der 5-Clusterlösung bestehen bleibt und nicht in einem anderen Cluster aufgeht. 5.3.2. Beschreibung und Interpretation der Cluster Ein Mittelwerte-Vergleich der standardisierten Faktorenwerte gibt Auskunft über die relationale Prägung der Motive in den einzelnen Clustern, wobei positive Ausprägungen eines Faktors (> 0) als Zustimmung zu einem bestimmten Nutzungsmotiv und negative Werte (< 0) als dessen Ablehnung interpretiert werden können (vgl. Tabelle 9)22. Im Anschuss werden die einzelnen Cluster ausführlich vorgestellt. Tabelle 9: Mittelwerte-Vergleich der clusterbildenden Variablen Cluster

Soziale Definition […]

Einzigartiges Repertoire

Nostalgisches Erleben […]

Spezieller Klang

Ästhetische ZusatzGratifikationen […]

Kritischer Traditionalismus

Zugang zu […] Secondhand

1 2 3 4 5 6

0,59 0,10 0,22 -0,46 0,04 0,10

0,32 -2,35 0,03 -0,19 0,45 0,20

-0,15 -0,21 0,23 0,48 0,05 -1,37

-1,08 0,62 0,75 -2,62 0,61 0,06

0,33 -0,12 0,11 0,15 0,16 -0,92

-0,29 -0,58 0,93 0,42 -0,79 0,62

0,19 -0,06 1,40 -0,28 -0,12 -0,90

Die ursprüngliche fünfstufige Skalierung der in die Analyse einbezogenen Items hebt sich dadurch auf, dass die Faktoren durch die z-Standardisierung der Faktorwerte bezogen auf die Gesamtstichprobe jeweils einen Mittelwert von 0 aufweisen.

22

45

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Cluster 1: Die eingeschworenen Sammler (35 Fälle) 0,8

Soziale Definition durchs Plattensammeln

0,59

0,6 0,4

Einzigartiges Repertoire

0,33

0,32

0,19

0,2

Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten

0 -0,2 -0,4

Spezieller Klang -0,15 -0,29

-0,6

Ästhetische Zusatz-Gratifikationen für Eingeweihte

-0,8

Kritischer Traditionalismus

-1 -1,2

-1,08

Zugang zu günstigen SecondhandArtikeln

Im ersten Cluster formen sich mehrere vom Mittelwert abweichende Ausprägungen zu einem Bild zusammen: Während der Faktor „Spezieller Klang“ sich als extrem unterdurchschnittliches Nutzungsmotiv erweist, ist das Motiv der „Sozialen Definition durchs Plattensammeln“ so stark überdurchschnittlich ausgeprägt wie in keiner anderen Gruppe (vgl. Tabelle 9). Hauptmotiv für die Schallplattennutzung ist bei den Befragten dieser Gruppe offensichtlich das Sammeln von Schallplatten an sich sowie die sozialen Kontakte, die sich daraus ergeben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch das „einzigartige Repertoire“, welches die Sammelleidenschaft natürlich begünstigt, in überdurchschnittlich hohem Maße geschätzt wird. Außerdem lässt die im Vergleich zu allen anderen Clustern höchste Bewertung der „ästhetischen Zusatzgratifikationen für Eingeweihte“ darauf schließen, dass die eingeschworenen Sammler bei der Tonträgernutzung mehr Wert auf Optik und sozialen Status legen, als auf klangliche Qualitäten. Auch jene Faktoren, die eher auf ideelle Werte abzielen („Kritischer Traditionalismus“; „Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Zusatzgratifikationen“) weisen unterdurchschnittliche Ausprägungen auf.

46

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Cluster 2: Die desinteressierten Klangliebhaber (13 Fälle) 1 0,5

Soziale Definition durchs Plattensammeln

0,62

Einzigartiges Repertoire

0,1

0 -0,21

-0,5

-0,06

-0,12 -0,58

-1

Spezieller Klang Ästhetische Zusatz-Gratifikationen für Eingeweihte

-1,5

Kritischer Traditionalismus

-2 -2,5

Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten

-2,35

Zugang zu günstigen SecondhandArtikeln

Bei der Betrachtung des kleinsten ermittelten Clusters fällt sofort die extrem unterdurchschnittliche Bewertung des Faktors „Einzigartiges Repertoire“ auf. Und auch sonst stoßen die schallplattenspezifischen Nutzungsmotive mit Ausnahme des „speziellen Klangs“ auf eher wenig Interesse. Diese Gruppe jedoch schlichtweg mit dem Etikett „Klangfetischisten“ zu versehen, beschreibt den Kern dieses Clusters meines Erachtens nur unzureichend. Aus der enorm unterdurchschnittlichen Bewertung des „Einzigartigen Repertoires“ lässt sich schließen, dass dieses Cluster bezüglich des musikalischen Inhalts völlig unabhängig von Schallplatten ist. Die von ihnen präferierte Musik ist offensichtlich auch auf andere Art und Weise verfügbar und daher offensichtlich weniger „speziell“. Aus der stark unterdurchschnittlichen Bewertung des Motiv-Faktors „Kritischer Traditionalismus“ leitet sich weiterhin ab, dass mit dem Kauf von Vinyl-Schallplatten auch keine „politische“ Haltung demonstriert werden soll. Daher nehme ich an, dass sich in diesem Cluster eine Gruppe von Mitläufern vereinigt hat, deren Verhältnis zu Vinyl als eher wenig leidenschaftlich zu bezeichnen ist. Der Klang wurde wohl unter Umständen sogar nur deswegen so hoch bewertet, weil dies ein weitläufig verbreitetes Unterscheidungsmerkmal zwischen Schallplatten und digitalen Wiedergabealternativen darstellt. Die desinteressierten Klangliebhaber zeichnen sich also vor allem durch ihre Profillosigkeit aus, denn sie verfolgen mit dem Kauf von Vinyl-Schallplatten – mit Ausnahme des Klangs – kein bestimmtes Motiv.

47

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Cluster 3: Die „systemkritischen“ Secondhandkäufer (20 Fälle) 1,6

1,4

1,4

Einzigartiges Repertoire

1,2 0,93

1 0,75

0,8

Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten Spezieller Klang

0,6 0,4

Soziale Definition durchs Plattensammeln

Ästhetische Zusatz-Gratifikationen für Eingeweihte 0,23

0,22

0,2 0

0,03

0,11

Kritischer Traditionalismus Zugang zu günstigen SecondhandArtikeln

Cluster 3 stellt sozusagen das Gegenteil von Cluster 2 dar, denn die überdurchschnittliche Ausprägung aller Nutzungsmotive weist auf eine hohe Bindung zum Tonträgermedium Vinyl hin. Dabei wird das Cluster klar von den Nutzungsmotiven „Zugang zu günstigen Secondhand-Artikeln“ und „Kritischer Traditionalismus“ dominiert. In dieser Gruppe vereinigen sich dementsprechend Schallplattennutzer, deren Schallplattenkauf offensichtlich vor allem durch ihre Unzufriedenheit mit den Geschäftsmethoden der Musikindustrie sowie mit den technischen Entwicklungen auf dem Tonträgermarkt begründet ist. Aus Sicht des systemkritischen Secondhandkäufers23 braucht sich die Schallplatte gegenüber modernen Tonträgern nicht zu verstecken. Im Gegenteil: Bei Betrachtung dieses Clusters drängt sich die Unterstellung einer „Früher-war-alles-besser“-Mentalität geradezu auf. Vor allem der Aspekt des „speziellen Klangs“, hier stärker ausgeprägt als bei allen anderen Gruppen, macht die Rezeption von Schallplatten zu einem unvergleichlichen Genuss. Auch die leicht überdurchschnittlichen Ausprägungen in den Bereichen „Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten“ sowie „Soziale Definition durchs Plattensammeln“ passen gut in das Gesamtbild dieses Käufersegments. Das „einzigartige Repertoire“ sowie die „ästhetischen Zusatzgratifikationen“ weisen hingegen nur marginal überdurchschnittliche Ausprägungen auf. Die geringe Bedeutung des „einzigartigen Repertoires“ ist insofern überraschend, da man hätte annehmen können, dass gerade die Mitglieder dieses Clusters die enorme Vielfalt, die vor allem der Secondhand-Markt zu bieten hat, wertschätzen würden.

23

Es sei an dieser Stelle betont, dass sich das Attribut „systemkritisch“ in diesem Zusammenhang natürlich nicht wie im üblichen Sinne auf das politische System bezieht, sondern vielmehr auf das System „Musikindustrie“. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass die kritische Haltung dieser Käufergruppe auch in andere Lebensbereiche hineinreicht.

48

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Cluster 4: Die nostalgischen Traditionalisten (66 Fälle) 1

0,48

Soziale Definition durchs Plattensammeln

0,42

0,5

Einzigartiges Repertoire

0,15

0 -0,5

-0,19

-0,28

-0,46

Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten Spezieller Klang

-1 -1,5

Ästhetische Zusatz-Gratifikationen für Eingeweihte

-2

Kritischer Traditionalismus

-2,5 -3

-2,62

Zugang zu günstigen SecondhandArtikeln

Auch im vierten Cluster spielen die ideellen Gratifikationen, die sich die Konsumenten vom Kauf von Vinyl-Schallplatten versprechen, eine entscheidende Rolle. Das wichtigste Nutzungsmotiv für diese Gruppe ist das „Nostalgische Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten“. Die Mitglieder dieses Clusters nutzen Schallplatten scheinbar vornehmlich, um in Erinnerungen zu schwelgen. Wie im vorangegangenen Cluster wird auch hier eine kritische Haltung gegenüber aktuellen Entwicklungen der Musikindustrie eingenommen. In Verbindung mit dem Hauptnutzungsmotiv richtet sich diese wohl hauptsächlich gegen Digitalisierungstendenzen bei Tonträgern. Pragmatische Vorteile beim Kauf von Vinyl-Schallplatten (Repertoire, Preisvorteile bei SecondhandArtikeln) treten im Gegensatz zu den ideellen Werten deutlich in den Hintergrund. Ebenso wird dem sozialen Nutzen bzw. dem Sammelbedürfnis wenig Bedeutung beigemessen. Überraschenderweise zeichnen sich die nostalgischen Traditionalisten jedoch vor allem durch eine extrem unterdurchschnittliche Bewertung des speziellen Klangs aus. Über alle Cluster hinweg handelt es sich hierbei um die stärkste Abweichung vom Mittelwert. Offenbar sind die optischen Reize der Schallplatte bzw. der musikalische Inhalt selbst in weitaus stärkerem Maße dazu geeignet, nostalgische Gefühle hervorzurufen als klangliche Besonderheiten.

49

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Cluster 5: Die aufgeschlossenen Audiophilen (57 Fälle) 0,8

0,61

0,6

Einzigartiges Repertoire

0,45

0,4 0,2

Soziale Definition durchs Plattensammeln

0,04

0,05

0,16

Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten

0

Spezieller Klang

-0,2

-0,12 Ästhetische Zusatz-Gratifikationen für Eingeweihte

-0,4 -0,6

Kritischer Traditionalismus

-0,8 -1

-0,79

Zugang zu günstigen SecondhandArtikeln

In Cluster 5 vereinigen sich die Audiophilen unter den Befragten. An erster Stelle der Kaufmotive steht der „spezielle Klang“ der Vinyl-Schallplatte. Weiterhin ist der Motiv-Faktor „Einzigartiges Repertoire“ in diesem Cluster im Vergleich zu allen anderen am stärksten ausgeprägt. Die Mitglieder dieses Clusters entscheiden sich daher eindeutig aus ästhetischen bzw. pragmatischen Gründen für die Schallplatte. Nur sie bietet ihnen Zugang zu einer großen Vielfalt an Musiktiteln, die auf CD schlichtweg nicht erhältlich sind – und das in einem aus ihrer Sicht unvergleichlichen Klangbild. „Ideologische“ Motive, sprich Plattenkauf als Ausdruck einer politischen Haltung, spielt für die Mitglieder dieser Gruppe überhaupt keine Rolle, was sich in der deutlich unterdurchschnittlichen Ausprägung des Motivs „Kritischer Traditionalismus“ ausdrückt. Somit ist zu vermuten, dass die aufgeschlossenen Audiophilen auch anderen Tonträgerformen vorbehaltlos gegenüberstehen. Für den „besonderen Genuss“ oder wenn ein Titel anderweitig nicht verfügbar ist, greifen sie jedoch vermutlich vorzugsweise auf Vinyl zurück.

50

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Cluster 6: Die modernen Querdenker (22 Fälle) Soziale Definition durchs Plattensammeln

1 0,62 0,5 0,1

0,2

Einzigartiges Repertoire Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten

0,06

0

Spezieller Klang -0,5

Ästhetische Zusatz-Gratifikationen für Eingeweihte

-1

-1,5

-0,92

-0,9

-1,37

Kritischer Traditionalismus Zugang zu günstigen SecondhandArtikeln

Die Ausprägungen der unterschiedlichen Nutzungsmotive im sechsten Cluster zeigen folgendes Bild: Auch bei dieser Gruppe spielt der Ausdruck von Protest gegen aktuelle Tendenzen innerhalb der Musikindustrie eine gewichtige Rolle. Darauf deutet der überdurchschnittlich ausgeprägte Faktor „Kritischer Traditionalismus“ hin. Diese ablehnende Haltung geht allerdings nicht mit einer besonderen Wertschätzung bestimmter Gratifikationen der Schallplatte einher, denn alle weiteren Nutzungsmotive sind entweder weit unterdurchschnittlich („Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten“; „Ästhetische Zusatzgratifikationen für Eingeweihte“; „Zugang zu günstigen SecondhandArtikeln“) bzw. nur marginal überdurchschnittlich („Soziale Definition durchs Plattensammeln“; „Spezieller Klang“) ausgeprägt. Am ehesten kann sich diese Gruppe noch für das „Einzigartige Repertoire“ des Schallplattenmarkts begeistern. Als Schlussfolgerung daraus lässt sich vermuten, dass sich diese Gruppe schlichtweg aus einer irrationalen Trotzreaktion für die Schallplatte entscheidet. Die enorm unterdurchschnittliche Bewertung des Nutzungsmotivs „Nostalgisches Erleben“ weist darauf hin, dass das Nutzungsverhalten dieser Gruppe eher gegenwartsbezogen ist. Die Befragten dieses Clusters trauern beim Plattenhören nicht wehmütig vergangenen Zeiten nach, sondern leben im „Hier und Jetzt“. Deswegen möchte ich diese Gruppe im Folgenden als moderne Querdenker betiteln.

51

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Einbeziehung weiterer erhobener Gratifikationen Zur Vervollständigung der Clusterbeschreibung anhand ihrer Nutzungsmotive sollen an dieser Stelle noch einmal jene Gratifikationen betrachtet werden, die aus statistischen Gründen nicht in die Clusteranalyse eingehen konnten oder im Verlauf der Faktorenanalyse ausgeschlossen werden mussten. Tabelle 10: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich weiterer erhobener Gratifikationen

Item/ Gratifikation

1 Eingeschworene Sammler (n=35)*

Vinyl ist für mich noch richtig „Musik zum Anfassen“. Ich schätze die Handhabung von Schallplatten. An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das Rauschen und Knacken beim Abspielen (…). Zwischen Schallplatten und anderen Tonträgern besteht für mich kein großer Unterschied.

Cluster 3 „Sys4 5 2 Desin6 modertemNostalg. Aufgeter. Klangne Querkritische“ Traditioschl. liebhaber denker Secondnalisten Audiophile handkäuf. (n=13)* (n=22)* (n=20)* (n=66)* (n=57)* Mittelwert (1 = Trifft überhaupt nicht zu; 5 = Trifft voll und ganz zu)

Stichprobe gesamt (n=213)*

4,1

3,5

4,7

3,6

4,1

3,6

3,9

3,9

3,1

3,8

3,3

3,8

3,6

3,6

2,6

3,1

3,7

3,2

2,9

2,7

3,0

2,0

2,3

2,1

2,0

1,6

1,7

1,9

Gültige Prozent Zustimmung: „Nutze Schallplatten zum Mixen 71 31 25 38 70 76 54 und Scratchen“ *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar.

Bei Betrachtung der Tabelle 10 fällt zunächst auf, dass die jeweiligen Bewertungen der einzelnen Gratifikationen im Sinne der vorangegangenen Clusterbeschreibung durchaus plausibel sind: Die unterdurchschnittliche Bewertung des „Rauschen und Knackens“ bei den eingeschworenen Sammlern beispielsweise korrespondiert mit deren geringen Wertschätzung des vinyl-spezifischen Klangs allgemein. Einen großen Stellenwert nimmt in dieser Gruppe auch die Instrumentalität ein. Etwa drei von vier eingeschworenen Sammlern benutzen Schallplatten auch zum Mixen und Scratchen. Die desinteressierten Klangliebhaber fallen wiederum dadurch auf, dass die abgefragten Gratifikationen insgesamt eher wenig Zustimmung hervorrufen. Sie schätzen weder die Handhabung von Schallplatten noch sind sie der Ansicht, dass Vinyl „Musik zum Anfassen“ sei. Ebenso ist 52

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION der Anteil an Personen, für die die Motiv-Dimension Instrumentalität beim Schallplattenkauf eine Rolle spielt, mit 31 Prozent vergleichsweise gering vertreten24. Noch weniger daran interessiert, mit ihren Schallplatten zu „mixen und zu scratchen“ zeigen sich die systemkritischen Secondhandkäufer25. Stattdessen zeichnet sich diese Gruppe durch eine enorm hohe Zustimmung zu der Aussage, Vinyl sei „noch richtig Musik zum Anfassen“, aus. Auch wenn der Informationsgehalt dieses Items zunächst ziemlich niedrig erscheint – denn schließlich kann man CDs und andere Tonträger ebenso „Anfassen“ – so weist es doch auf das authentische, das „wahrhaftige“ Image hin, welches Schallplatten insbesondere bei den systemkritischen Secondhandkäufern verkörpern. Zum Gesamtbild dieser Gruppe passt außerdem, dass sie dem typischen „Rauschen und Knacken“, welches vor allem alte Schallplatten erzeugen, von allen Clustern am meisten abgewinnen können. Wie zu erwarten war, werden diese „Störgeräusche“ auch von den nostalgischen Traditionalisten überdurchschnittlich geschätzt. Schließlich zeugen gerade die Kratzer einer Schallplatte von deren Geschichte und wecken somit Erinnerungen an frühere Zeiten. Die Behauptung, dass zwischen Vinyl-Schallplatten und anderen Tonträgerformen kein besonderer Unterschied bestehe, stößt bei den aufgeschlossenen Audiophilen auf die stärkste Ablehnung. Die Rezeption von Schallplatten stellt für diese Gruppe einen besonderen Genuss dar, auch wegen ihren haptischen Qualitäten („Musik zum Anfassen“). Der Anteil derjenigen, die Platten auch zum Mixen und Scratchen benutzen, ist in dieser Gruppe sehr hoch (70%), am stärksten ausgeprägt ist er allerdings bei den modernen Querdenkern (76%). Dass diese Gruppe, wie vorher angenommen, beim Kauf von Platten scheinbar keine rationalen Motive verfolgt, muss angesichts der enorm starken Ausprägung des Nutzungsmotivs Instrumentalität relativiert werden.

5.3.3. Beschreibung und Interpretation der Cluster anhand zusätzlicher Variablen Im vergangenen Kapitel konnte auf Basis der Nutzungsmotive nur ein erster Eindruck der einzelnen „Motiv-Typen“ von Schallplattenkäufern gewonnen werden. Um das Gesamtbild der Käufergruppen zu komplementieren, soll im Folgenden geklärt werden, durch welche weiteren konsumentenspezifi24 Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Mittelwerte der desinteressierten Klangliebhaber generell unter Vorbehalt zu bewerten sind. Aufgrund der kleinen Größe dieses Clusters (n = 13) können bereits Angaben einzelner Probanden die Mittelwerte enorm verändern. Die hier dargestellten Ergebnisse können somit lediglich Tendenzen aufweisen. 25 Dass die Gratifikation Instrumentalität, auch bei solchen Clustern eine relativ hohe Rolle spielt, bei denen man dies anhand der übrigen Motivlage eher nicht vermutet hätte (25% bei den systemkritischen Secondhandkäufern; 38% bei den nostalgischen Traditionalisten), lässt sich meines Erachtens am ehesten darauf zurückführen, dass es bei der Beantwortung dieser Frage eventuell zu Verständnisproblemen gekommen sein mag. Unter „Mixen“ könnte man zum Beispiel auch das Zusammenstellen verschiedener Musiktitel auf Kassette, also die Erstellung so genannter „Mix-Tapes“, verstehen.

53

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION schen Merkmale sich die einzelnen Cluster voneinander unterscheiden. Dabei sollen die einzelnen Gruppen bezüglich der Unersuchungsdimensionen, die in Abschnitt 3.4. vorgestellt wurden, anhand der jeweiligen Mittel- bzw. Prozentwerten miteinander verglichen werden. Soziodemografie In Tabelle 11 werden die Ausprägungen der soziodemografischen Merkmale nach Clusterzugehörigkeit ausgewiesen. Zur besseren Vergleichbarkeit wird zudem die durchschnittliche Ausprägung in der Gesamtstichprobe mit angegeben. Betrachtet man die Verteilung der soziodemografischen Merkmale in den Clustern, so fällt zunächst auf, dass der Anteil männlicher Befragungsteilnehmer über alle Cluster hinweg sehr hoch ausfällt. Eine Ausnahme bildet dabei lediglich die Gruppe der desinteressierten Klangliebhaber, die zu fast einem Drittel aus Frauen besteht. In Zusammenhang mit der indifferenten Motivlage dieses Clusters bestätigt sich die Annahme, dass Frauen dem Thema Vinyl tendenziell eher wenig Interesse entgegenbringen. Bei Vinyl-Schallplatten handelt es sich offenkundig um ein „Männerspielzeug“. Am stärksten kommt dies bei den eingeschworenen Sammlern zum Tragen. Diese Gruppe ist gleichzeitig auch die jüngste von allen. Die nostalgischen Traditionalisten hingegen weisen mit 36 Jahren das höchste Durchschnittsalter auf, was auch Sinn ergibt, da die Motivlage dieser Gruppe ein gewisses Alter voraussetzt. Die höchste Bildung – gemessen am akademischen Anteil – weisen die eingeschworenen Sammler und die desinteressierten Klangliebhaber auf. In beiden Gruppen gaben 42 Prozent der befragten Personen an, zu studieren bzw. bereits über einen Hochschulabschluss zu verfügen. Bemerkenswert ist weiterhin, dass über die Hälfte der aufgeschlossenen Audiophilen die allgemeine Hochschulreife besitzt. In dieser Gruppe befindet sich auch der größte Studentenanteil (29%). Die systemkritischen Secondhandkäufer fallen hingegen durch ein eher unterdurchschnittlich ausgeprägtes Bildungsniveau auf. Der Anteil der Studenten bzw. Akademiker liegt hier bei nur 26 Prozent. Dafür hat jeder zweite in dieser Gruppe den Real- oder Hauptschulabschluss als höchsten formalen Bildungsabschluss angegeben. Die unterdurchschnittlich ausgeprägte formale Bildung korrespondiert mit dem vergleichsweise hohen Anteil derjenigen in dieser Gruppe, die ohne berufliche Beschäftigung sind (17%). Die nonkonformistische Haltung beim Musikkonsum findet sich also auch in einer weniger ehrgeizigen Lebensgestaltung wieder. Die hohe Bewertung von Secondhand-Artikeln resultiert somit vermutlich auch aus den unterdurchschnittlich ausgeprägten Verdienstmöglichkeiten dieser Gruppe. Das geringste Haushaltsnettoeinkommen jedoch steht den aufgeschlossenen Audiophilen zur Verfügung. Die Ursache hierfür liegt vermutlich am bereits erwähnten hohen Studentenanteil .

54

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Tabelle 11: Vergleich der Cluster bezüglich ihrer soziodemografischen Merkmale

Merkmal

Geschlecht

Alter

Höchster Bildungsabschluss

Tätigkeit

Cluster 3 4 „SystemNostalg. kritische“ TraditioSecondnalisten handkäuf.

1 Eingeschworene Sammler

2 Desinter. Klangliebhaber

(n=35)*

(n=13)*

(n=20)*

männlich weiblich

97 3

69 31

90 10

Bis 19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50 Jahre u. älter

6 51 26 14 3

15 31 31 23 0

0 40 25 25 10

Mittelwert

29

31

33

Noch Schüler Haupt-/ Volksschule Realschulabschluss FachhochSchulreife Hochschulreife (Abitur) (Fach-) Hochschulabschluss

3

15

0

Ausprägung

Schüler/in** Auszubildende/r Student/in Erwerbstätig*** Rentner/in Ohne Beschäft.****

5 Aufgeschl. Audiophil.

6 moderne Querdenker

Stichprobe gesamt

(n=57)*

(n=22)*

(n=213)*

88 12

96 4

90 10

2 58 23 14 4

5 46 41 9 0

3 46 25 20 6

30

30

32

0

(n=66)* Gültige % 89 11 Gültige % 0 39 19 31 11 Mittelwerte 36 Gültige % 0

2

5

2

0

5

3

4

10

3

34

8

45

23

25

19

26

17

15

10

20

12

24

17

26

46

25

34

51

24

36

20

15

15

19

7

19

15

6 22 22 44 0

18 0 27 55 0

0 11 11 56 6

Gültige % 2 2 15 70 3

2 14 29 45 2

12 6 17 61 0

5 10 21 55 2

6

0

17

9

2

0

9

Gültige % unter 500 Euro 14 31 20 5 21 15 500 bis unter 26 31 20 25 35 15 1000 Euro 1000 bis unter 40 0 35 34 28 35 1500 Euro Haushaltsnetto1500 bis unter 11 8 20 14 9 15 eikommen 2000 Euro 2000 bis unter 3 23 5 15 5 10 2500 Euro mehr als 2500 6 8 0 7 2 10 Euro *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. ** inkl. Wehrdienstabsolventen *** Halbtagstätige und Ganztagstätige wurden in dieser Ausprägung zusammengefasst. **** inkl. Hausfrauen/-männer Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar.

55

15 27 31 12 9 4

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION innerhalb dieser Käufergruppe. Entsprechend ihres Alters und der hohen Erwerbstätigenquote (70%) verdienen die nostalgischen Traditionalisten am meisten Geld. Musikkonsum In Zusammenhang mit der Untersuchungsdimension Musikkonsum soll zunächst das Kaufverhalten der einzelnen Cluster näher betrachtet werden. Da einzelne Ausreißer die Mittelwerte im Kaufverhalten der Stichprobe enorm verzerrt haben, wurden extreme Angaben der Probanden auf selbst gewählte Maximalwerte „herunterkorrigiert“. Ein weiterer Grund für dieses Vorgehen war, dass es schlichtweg unrealistisch erscheint, dass zum Beispiel einzelne Probanden in den vergangenen drei Monaten für den privaten Gebrauch mehr als 150 Tonträger erworben haben sollen. Die Obergrenzen im Kaufverhalten wurden wie folgt definiert: Anzahl gekaufter Tonträger in den letzten drei Monaten: 150 (15)* Anzahl gekaufter Tonträger in den letzten drei Monaten: 150 (13)* Durchschnittliche monatliche Ausgaben für Tonträger in Euro: 300 (16)* Maximaler Preis für eine Schallplatte in Euro: 100 (13)* *Die Zahl in Klammern bezieht sich jeweils auf die Anzahl der Fälle, in denen die Maximalwerte überschritten worden sind.

Aufgrund dieser „Bereinigung“ sollten die Angaben in Tabelle 12 nicht als absolut angesehen werden. Sie dienen viel mehr dazu, die Relationen zwischen den Clustern bezüglich des Konsumverhaltens grob darzustellen. Tabelle 12: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich ihres Kaufverhaltens

Genre

1 Eingeschworene Sammler (n=35)*

2 Desinter. Klangliebhaber (n=13)*

Cluster 3 „Sys4 5 temNostalg. Aufgekritische“ Traditioschl. Secondnalisten Audiophile handkäuf. (n=20)* (n=66)* (n=57)* Mittelwert (offene Nennung)

6 moderne Querdenker (n=22)*

Stichprobe gesamt (n=213)*

Anzahl gekaufter Tonträger in den letzten 44 35 47 37 51 57 43 drei Monaten Anzahl gekaufter VinylSchallplatten in den 38 31 24 32 49 47 38 letzten drei Monaten Durchschnittliche monatliche Ausgaben für 132 112 74 86 143 144 115 Tonträger in Euro Maximaler Preis für eine 41 37 46 47 57 31 47 Schallplatte in Euro *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar.

56

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Die stärkste Kaufintensität verzeichnen die aufgeschlossenen Audiophilen und die modernen Querdenker. Allerdings gibt es zwischen diesen beiden Gruppen einen auffälligen Unterschied: Während die aufgeschlossenen Audiophilen – trotz ihres geringen Einkommens – am meisten Geld für eine einzelne Schallplatte bezahlen würden, ist dieser Mittelwert bei den modernen Querdenkern von allen Gruppen am schwächsten ausgeprägt. Dies lässt darauf schließen, dass teure Sammlerstücke und Raritäten für diese Gruppe nur eine untergeordnete Rolle spielen. Bei den systemkritischen Secondhandkäufern und den nostalgischen Traditionalisten hingegen sind die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für Tonträger verhältnismäßig gering, wobei beide Gruppen durchaus bereit sind für bestimmte Tonträger einen relativ hohen Betrag zu bezahlen. Bei den systemkritischen Secondhandkäufern ist dies offensichtlich durch den Kauf günstiger Musiktitel aus zweiter Hand begründet. Bei dieser Gruppe überrascht allerdings, dass sie verhältnismäßig viele Tonträger erwerben, die keine Schallplatten sind. Hier hätte man am ehesten eine konsequente Ablehnung digitaler Alternativen vermuten können. Die Gruppe der desinteressierten Klangliebhaber kennzeichnet sich vor allem dadurch, dass sie durchweg unterdurchschnittliche Mittelwerte aufweist. Dennoch fällt ihr Musikkonsum, insbesondere der hohe Anteil erworbener Vinyl-Schallplatten im Verhältnis zu anderen Tonträgern, höher aus als erwartet. Der Überblick über das mengenmäßige Kaufverhalten soll jetzt ergänzt werden durch eine Zuordnung der bevorzugten Bezugsquellen von Schallplatten zu den einzelnen Clustern: Tabelle 13: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich der genutzten Bezugsquellen Cluster 3 „Sys4 5 2 Desin6 modertemNostalg. AufgeStich„Auf welchem Weg ter. Klangne Querkritische“ Traditioschl. probe erwerben Sie eigentlich liebhaber denker Secondnalisten Audiophile gesamt ihre Schallplatten?“ handkäuf. (n=13)* (n=22)* (n=35)* (n=20)* (n=66)* (n=57)* (n=213)* Mittelwerte (1 = Nie; 5 = Sehr oft) Im Plattenladen 4,5 4,8 4,2 4,1 4,3 4,4 4,3 Auf Schallplattenbörsen 2,2 1,8 3,1 2,1 2,5 2,1 2,3 Im Internet 2,8 2,7 2,3 2,5 3,4 2,9 2,8 Auf dem Flohmarkt 2,6 2,5 3,3 2,6 2,7 2,1 2,6 *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar. 1 Eingeschworene Sammler

Bei der Wahl und Häufigkeit der genutzten Bezugsquellen sticht zunächst ins Auge, dass der „klassische“ Besuch eines Plattenladens die bei allen Gruppen geläufigste Art ist, Schallplatten zu erwerben. Schallplattenbörsen und Flohmärkte werden verständlicherweise am stärksten von den sys57

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION temkritischen Secondhandkäufern frequentiert, da das Angebot an (günstigen) Tonträgern aus zweiter Hand hier besonders umfangreich ist. Dieses Cluster zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass es im Vergleich zu allen anderen Gruppen am seltensten Musik im Internet bestellt. Dies kann als Indiz für eine gewisse „Technik-Feindlichkeit“ interpretiert werden, die später noch ausführlicher beschrieben wird. Die aufgeschlossenen Audiophilen hingegen haben offenbar am wenigsten Berührungsängste mit dem neuen Medium und nutzen es vergleichsweise oft, um Vinyl zu beziehen. Erwartungsgemäß hängt die Erfahrung der Untersuchungsteilnehmer mit Vinyl-Schallplatten in starkem Maße mit ihrem Alter zusammen. Dementsprechend weisen die nostalgischen Traditionalisten und systemkritischen Secondhandkäufer mit durchschnittlich 21 Jahren bzw. 19 Jahren Schallplattennutzung die meiste Erfahrung auf. Beide Gruppen sind also überdurchschnittlich stark mit Vinyl sozialisiert. Die eingeschworenen Sammler hingegen verfügen ihrem Alter entsprechend über die geringste Erfahrung mit Schallplatten (M = 13 Jahre). Sie gehören somit einer Generation an, für die Vinyl stets eine Art Sonderstatus in einem CD-dominierten Musikmarkt eingenommen hat. Bezüglich der täglichen Nutzungsdauer weisen die einzelnen Gruppen keine nennenswerten Unterschiede auf. Dafür unterscheiden sich die Cluster hinsichtlich ihres Nutzungsverhaltens alternativer Tonträger zum Teil stark voneinander (Tabelle 14). Tabelle 14: Vergleich der Cluster bezüglich ihres Nutzungsverhaltens alternativer Tonträgerformen

Frage/Item

Welche anderen Tonträgerformen nutzen Sie außer Schallplatten?

Ausprägung

CD MP3 MC MD Audio-DVD

Anteil Nutzung von Vinyl am Gesamtmusikkonsum

1 Eingeschworene Sammler

2 Desinter. Klangliebhaber

(n=35)*

(n=13)*

95 49 29 23 11

100 31 69 23 31

61

56

Cluster 3 4 „SystemNostalg. kritische“ TraditioSecondnalisten handkäuf.

5 Aufgeschl. Audiophil.

(n=20)*

(n=66)* (n=57)* Gültige % 90 92 93 20 39 54 85 42 40 15 24 26 25 12 12 Mittelwerte (offene Nennung) 55

53

72

6 moderne Querdenker

Stichprobe gesamt

(n=22)*

(n=213)*

86 45 27 14 14

92 43 44 23 15

74

62

Mittelwerte (1 = Trifft überhaupt nicht zu; 5 = Trifft voll und ganz zu) „Das Hören von Schallplatten ist für mich ein Genuss, den ich mir 2,8 3,1 4,2 3,1 3,5 2,6 für besondere musikalische Erlebnisse vorbehalte“. *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar.

58

3,2

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Wie bereits in Abschnitt 5.1. festgestellt werden konnte, stehen die meisten Nutzer von VinylSchallplatten anderen Tonträgermedien durchaus aufgeschlossen gegenüber. In allen Clustern findet die CD weite Verbreitung. Bei den anderen Wiedergabemöglichkeiten zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Clustern26. Während die aufgeschlossenen Audiophilen und die eingeschworenen Sammler durch ihr Nutzungsverhalten ein vergleichsweise hohes Maß an Aufgeschlossenheit gegenüber digitalen Tonträgermedien beweisen, ist der Gebrauch von MP3 und MiniDisc bei den systemkritischen Secondhandkäufern deutlich schwächer ausgeprägt. Stattdessen zeichnet sich diese Gruppe durch eine hohe Nutzung von Kassetten (MCs) aus. Auch hierbei handelt es sich um ein analoges Abspielmedium, das gemeinhin als technisch längst überholt gilt. Die modernen Querdenker sind von allen Gruppen am stärksten auf die Nutzung von Schallplatten fokussiert. Der Anteil von Vinyl am gesamten Musikkonsum ist hoch. Das Hören von Schallplatten ist für sie dementsprechend kein Genuss, den sie sie sich „für besondere musikalische Erlebnisse vorbehalten“, sondern eher Standard. Tabelle 15 gibt im Folgenden Aufschluss über die bevorzugten musikalischen Genres der verschiedenen Nutzertypen von Vinyl-Schallplatten: Tabelle 15: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich bevorzugter musikalischer Genres Cluster 3 „Sys4 5 2 Desin6 modertemNostalg. AufgeStichter. Klangne Querkritische“ Traditioschl. probe Genre liebhaber denker Secondnalisten Audiophile gesamt handkäuf. (n=13)* (n=22)* (n=35)* (n=20)* (n=66)* (n=57)* (n=213)* Zustimmung in Prozent Rock/Altern./Independent 51 77 60 45 46 45 50 HipHop/Rap 51 23 35 44 47 23 42 Trance/House/Techno 54 23 15 27 47 68 40 Soul/R´n B/Funk 60 15 50 38 42 23 41 Jazz/Blues 34 54 55 42 32 27 38 Pop 20 54 50 38 33 18 34 Punk 26 46 60 26 33 27 32 Dub/Triphop/Chillout 34 38 25 30 28 23 30 Reggae/Ragga/Danceh.l 37 38 30 27 30 9 29 Oldies 26 23 40 23 21 5 23 Country Music/Folk 26 15 15 23 16 14 19 Hard Rock/Heavy Metal 6 31 30 21 16 0 16 Klassik/Oper/Operette 9 15 15 20 9 5 13 Schlager/Volksmusik 3 0 5 5 2 0 13 *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar. 1 Eingeschworene Sammler

Auf eine Interpretation der Nutzung von Audio-DVDs wird an dieser Stelle verzichtet, da dieser Begriff nicht eindeutig definiert wurde. Ursprünglich war hiermit eine Ansammlung von MP3-Dateien, gebrannt auf DVD, gemeint. Nachträglich betrachtet lassen sich hierunter jedoch auch audiovisuelle DVDs mit musikalischen Inhalten (Konzerte, Dokumentationen etc.) verstehen.

26

59

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Generell lässt sich feststellen, dass sich die identifizierten Nutzer-Typen hinsichtlich ihres Musikgeschmacks stark voneinander unterscheiden. Bei den eingeschworenen Sammlern fällt auf, dass sie eine überdurchschnittlich hohe Zustimmung bei den Genres Trance/House/Techno, HipHop/Rap, Soul/R´n B/Funk und Country Music/Folk aufweisen. Dabei zeichnen sich die erstgenannten Stilrichtungen allesamt durch ihren „clubtauglichen“ Charakter aus, d.h. dass diese Stile sehr tanzbar sind. Die vergleichsweise hohe Bewertung von Country Music/Folk lässt sich meines Erachtens dadurch erklären, dass sich dieses Genre zum Zeitpunkt der Befragung aufgrund eines Retro-Phänomens auch bei jüngeren Zielgruppen zunehmender Beliebtheit erfreut. Der Musikgeschmack der desinteressierten Klangliebhaber hingegen lässt sich nur schwer interpretieren. Trance/House/Techno, HipHop/Rap und Soul/R´n B/Funk finden hier wenig Beachtung. Stattdessen dominieren Gitarren-„Sounds“ (Rock/Alternative/Indie; Hard Rock/Heavy Metal) und Pop-Musik den Musikgeschmack dieses Clusters, aber auch Jazz/Blues, Dub/Triphop/Chillout sowie Reggae/Ragga/Dancehall werden überdurchschnittlich häufig gehört. Bei den systemkritischen Secondhandkäufern sticht sofort die weit überdurchschnittliche Beliebtheit des Genres Punk ins Auge. Diese Vorliebe passt zum vermuteten Selbstverständnis dieser Gruppe („Unangepasst-Sein“/„Dagegen-Sein“). Weiterhin finden sich in diesem Cluster überdurchschnittlich viele Anhänger der Kategorien Oldies sowie Jazz/Blues, also im klassischen Sinne „handgemachter“ Musik. Dementsprechend ist das Interesse an Trance/House/Techno ausgesprochen niedrig ausgeprägt. Die nostalgischen Traditionalisten und die aufgeschlossenen Audiophilen erweisen sich in ihrer Musikauswahl als durchschnittlich. Sie sind an keine musikalischen Genres gebunden und zeigen sich vielseitig interessiert. Bei den nostalgischen Traditionalisten fällt lediglich auf, dass hier der Anteil an Klassik-Hörern von allen Gruppen am höchsten ist. Die modernen Querdenker hingegen haben bei ihrer Musikauswahl einen ganz eindeutigen Schwerpunkt: Trance/House/Techno. Allen anderen Kategorien können die Mitglieder dieser Gruppe vergleichsweise wenig abgewinnen. Musikengagement und Musikinteresse Betrachtet man die Bewertung der Items, die im Rahmen der Untersuchungsdimension Musikengagement und Musikinteresse formuliert worden sind (Tabelle 16), so lässt sich generell feststellen, dass sich alle Gruppen durch ein verhältnismäßig stark ausgeprägtes Informationsverhalten auszeichnen und Musik allgemein einen hohen Stellenwert im Leben der Probanden einnimmt. Im

60

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Vergleich der einzelnen Cluster sind kaum extrem über- oder unterdurchschnittliche Abweichungen vom Stichproben-Mittelwert zu verzeichnen. Tabelle 16: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich ihres Musikengagements und Musikinteresses

Item

1 Eingeschworene Sammler

2 Desinter. Klangliebhaber

(n=35)*

(n=13)*

Cluster 3 4 „SystemNostalg. kritische“ TraditioSecondnalisten handkäuf.

5 Aufgeschl. Audiophil.

6 moderne Querdenker

(n=20)*

(n=66)* (n=57)* (n=22)* Mittelwerte (1 = Trifft überhaupt nicht zu; 5 = Trifft voll und ganz zu)

Stichprobe gesamt (n=213)*

Ich verbringe viel Zeit damit, aufmerksam nach Informationen 3,8 3,2 3,5 3,5 3,9 3,6 über Musik zu suchen und scheue dabei keine Mühe. Wenn ich ein großer Fan von einem Künstler bin, verfolge ich 3,6 3,4 3,6 3,6 3,6 3,7 aufmerksam alle Neuigkeiten von und über ihn. Musik ist eine feine Sache, aber 2,9 3,4 3,1 3,2 3,2 3,1 es gibt Wichtigeres im Leben. Zur Not könnte ich mir auch ein 1,3 2,2 1,7 1,7 1,3 1,6 Leben ohne Musik vorstellen. *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar.

Dennoch lässt sich erkennen, dass das Informationsverhalten der desinteressierten Klangliebhaber von allen Gruppen am schwächsten ausgeprägt ist. Auch die Wichtigkeit von Musik allgemein wird vergleichsweise niedrig bewertet. Die aufgeschlossenen Audiophilen hingegen verbringen nach eigenem Verständnis besonders viel Zeit damit, „aufmerksam nach Informationen über Musik zu suchen“, und scheuen dabei keine Mühen. Ebenso wie die eingeschworenen Sammler können sie sich am wenigsten „ein Leben ohne Musik“ vorstellen. Das Engagement und Interesse für Musik ist also bei diesen beiden Gruppen am stärksten ausgeprägt. Selbst wahrgenommene Musikkompetenz Das allgemein hohe Interesse an Musik schlägt sich verständlicherweise auch in der selbst wahrgenommenen Musikkompetenz nieder. Über alle Cluster hinweg fühlen sich die befragten Schallplattenkäufer bezüglich Musik überdurchschnittlich gut informiert (Tabelle 17). Alle Gruppen werden tendenziell häufig "von Freunden oder Bekannten um Ratschläge oder Informationen bezüglich Musik befragt“, was allgemein auf eine Meinungsführerschaft von Schallplattenkäufern zum Thema Musik schließen lässt. 61

3,6

3,6 3,1 1,5

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Tabelle 17: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich ihrer selbst wahrgenommenen Musikkompetenz

Item/Frage

Ich bin oft einer der Ersten, der einen neuen Sound entdeckt. Was Musik angeht, macht mir so schnell keiner was vor.

Cluster 3 4 „SystemNostalg. kritische“ TraditioSecondnalisten handkäuf.

1 Eingeschworene Sammler

2 Desinter. Klangliebhaber

5 Aufgeschl. Audiophil.

6 moderne Querdenker

(n=35)*

(n=13)*

(n=20)*

3,4

3,0

2,6

2,8

3,4

3,3

3,1

3,9

2,7

2,9

3,3

3,5

2,9

3,3

(n=66)* (n=57)* (n=22)* Mittelwerte (1 = Trifft überhaupt nicht zu; 5 = Trifft voll und ganz zu)

Stichprobe gesamt (n=213)*

Mittelwerte (1 = Nein, nie; 5 = Ja, sehr oft) Werden Sie häufiger von Freunden oder Bekannten um 4,2 3,6 3,8 3,7 4,0 4,0 Ratschläge oder Informationen bezüglich Musik befragt? *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar.

Die eingeschworenen Sammler erweisen sich trotz ihres vergleichsweise jungen Alters als die größten Musikexperten. Zumindest verstehen sie sich als solche. Wenn es um Musik und „neue Sounds“ geht macht ihnen nach eigener Aussage „so schnell keiner was vor“. Da der Erwerb von Schallplatten für sie auch in starkem Maße soziale Bedürfnisse befriedigt, ist es nicht verwunderlich, dass sie am häufigsten nach ihrer Meinung zum Thema befragt werden. Als vergleichsweise uninformiert erweist sich – gemäß ihrem relativ schwach ausgeprägten Musikinteresse – die Gruppe der desinteressierten Klangliebhaber. Dass die systemkritischen Secondhandkäufer bezüglich der Entdeckung „neuer Sounds“ das Schlusslicht bilden, lässt sich durch ihre musikalischen Vorlieben und ihre allgemein rückwärtsgewandte Lebenshaltung erklären. Soziale Bezugsgruppen Die Antwort auf die Frage, ob und wie viele Personen im Freundeskreis sonst noch Schallplatten kaufen, ergab kaum nennenswerte Unterschiede zwischen den Gruppen. Über alle Cluster hinweg ergab sich gemessenan einer fünfstufigen Skala (1 = Niemand; 5 = Fast alle) ein Mittelwert von M = 3,0. Nur die systemkritischen Secondhandkäufer weisen in diesem Zusammenhang einen weit unterdurchschnittlichen Mittelwert auf (M = 2,3). Dies unterstreicht den unangepassten Charakter der Mitglieder dieser Gruppe. Selbst im eigenen sozialen Umfeld fallen sie verstärkt durch nichtkonforme Verhaltensweisen auf.

62

3,9

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Tätigkeit als DJ Die Verteilung des Merkmals Tätigkeit als DJ auf die einzelnen Gruppen der verschiedenen „MotivTypen“ ergibt folgendes Bild: Tabelle 18: Vergleich der Cluster bezüglich ihrer Tätigkeit als DJ 1 Eingeschworene Sammler

2 Desinter. Klangliebhaber

(n=35)*

(n=13)*

Cluster 3 4 „SystemNostalg. kritische“ TraditioSecondnalisten handkäuf. (n=20)* (n=66)*

5 Aufgeschl. Audiophil.

6 moderne Querdenker

Stichprobe gesamt

(n=57)*

(n=22)*

(n=213)*

Gültige Prozent Anteil DJs gesamt 71 31 15 29 63 59 Anteil DJs, die mit dieser Tätigkeit 29 8 0 18 32 32 zumindest teilweise Ihren Lebensunterhalt verdienen *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar.

Wie sich Tabelle 18 entnehmen lässt, liegt der Anteil DJs am höchsten bei den eingeschworenen Sammlern, den aufgeschlossenen Audiophilen und den modernen Querdenkern. Für die meisten Discjockeys stellt das Auflegen von Platten jedoch keine Tätigkeit dar, um Geld zu verdienen, sondern wird offenbar eher als eine Art Hobby betrachtet. Es lässt sich daher vermuten, dass sie – insbesondere die eingeschworenen Sammler – einen Großteil ihrer Befriedigung daraus ziehen, ihren Musikgeschmack bzw. ihre Musikkompetenz vor einem breiten Publikum zur Schau zu stellen. Aufgeschlossenheit Abschließend sollen bei der Beschreibung der Cluster die Unterschiede der einzelnen Gruppen bezüglich ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Tonträgerformen sowie gegenüber neuen Technologien herausgearbeitet werden (Tabelle 19). Aufgrund der Verschiedenartigkeit der inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Items ergibt sich in dieser Untersuchungsdimension ein sehr differenziertes Bild zwischen den einzelnen Gruppen. Während die eingeschworenen Sammler zum Beispiel digitalen Tonträgern durchaus Vorteile einräumen und wenig Anstoß am vermeintlich sterilen Klang von CDs finden, würde es ihnen jedoch durchaus Probleme bereiten „von heute auf morgen“ komplett auf Vinyl-Schallplatten zu verzichten. Die desinteressierten Klangliebhaber zeigen sich gegenüber digitalen Tonträgern am meisten .

63

47 23

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Tabelle 19: Vergleich der Cluster bezüglich ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber alternativen Tonträgerformen und neuen Technologien.

Item

1 Eingeschworene Sammler

2 Desinter. Klangliebhaber

(n=35)*

(n=13)*

Cluster 3 4 „SystemNostalg. kritische“ TraditioSecondnalisten handkäuf.

5 Aufgeschl. Audiophil.

6 moderne Querdenker

(n=20)*

(n=66)* (n=57)* (n=22)* Mittelwerte (1 = Trifft überhaupt nicht zu; 5 = Trifft voll und ganz zu)

Stichprobe gesamt (n=213)*

Im Vergleich zu Schallplatten klingen moderne Tonträger total 2,9 3,2 3,7 3,5 3,7 3,2 steril. Digitale Tonträger haben 4,1 4,2 3,2 3,7 3,7 3,6 durchaus ihre Vorteile. Wenn es von heute auf morgen keine Schallplatten mehr geben 2,5 3,3 2,5 3,0 2,3 2,4 würde, hätte ich kein Problem damit, auf andere Tonträger umzusteigen. Durch das Internet ergeben sich gerade für Musik-Fans eine 4,0 4,3 3,6 4,1 4,4 4,2 Vielzahl neuer Möglichkeiten Ich bin der Meinung den digitalen Medien gehört die 3,4 3,5 2,8 3,6 3,3 3,7 Zukunft. Manchmal bin ich beängstigt von dem rasanten Tempo der 2,7 2,7 3,0 3,1 2,5 2,2 technologischen Entwicklung heutzutage. *In einigen Fällen weicht n augrund fehlender Werte marginal von der ursprünglichen Clustergröße ab. Der Anteil fehlender Werte in den einzelnen Gruppen betrug jedoch nie mehr als 8 Prozent. Die fett ausgezeichneten Werte stellen die jeweils am stärksten über- bzw. unterdurchschnittliche Clusterausprägung im Vergleich zur durchschnittlichen Häufigkeit in der Stichprobe dar.

aufgeschlossen. Hier spiegelt sich die relativ niedrige Bindung ans Tonträgermedium Schallplatte wider. Die systemkritischen Secondhandkäufer dagegen weisen die größten Vorbehalte gegenüber modernen Tonträgerformen und neuen Technologien im Allgemeinen auf27. Es scheint so, als handele es sich bei Begriffen wie „digital“, „modern“ oder „Internet“ für diese Gruppe um regelrechte Reizwörter, die auf unmittelbare Ablehnung stoßen. Auch die nostalgischen Traditionalisten – das älteste Cluster – zeigt sich „beängstigt von dem rasanten Tempo der technologischen Entwicklung heutzutage“. Ansonsten erweist sich diese Gruppe als durchschnittlich in ihrer Aufgeschlossenheit. Durch die hohe Beipflichtung zum „sterilen Klang“ der CD unterstreichen die aufgeschlossenen Audiophilen erneut, dass für sie der größte Unterschied zwischen Vinyl und CD hinsichtlich akustiNachträglich betrachtet sollte berücksichtigt werden, dass eine hohe Zustimmung der beiden Items „Durch das Internet ergeben sich gerade für Musik-Fans eine Vielzahl neuer Möglichkeiten“ und „Ich bin der Meinung, den digitalen Medien gehört die Zukunft“ aufgrund ihrer Formulierung nur bedingt auf die persönliche Aufgeschlossenheit gegenüber digitalen Medien hinweist. Einige Probanden zum Beispiel kommentierten ihre Einschätzung zu diesen Themen im Fragebogen mit einem „Leider!“. Dennoch erscheint es mir legitim, gewisse Tendenzen aus den Ergebnissen herauslesen.

27

64

3,4 3,7

2,6

4,2 3,4

2,7

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION scher Qualitäten besteht. Diese Gruppe hätte auch am meisten Schwierigkeiten damit, komplett „auf andere Tonträger umzusteigen“. Die modernen Querdenker sind von allen Gruppen am ehesten der Ansicht, dass den digitalen Medien „die Zukunft gehört“. Dementsprechend fürchten sie auch den technologischen Fortschritt am wenigsten.

5.3.4. Zusammenfassende Darstellung der Nutzertypen In den Abschnitten 5.3.2. und 5.3.3. konnten zahlreiche Informationen über die sechs verschiedenen identifizierten Cluster generiert werden. Im letzten Teil der Ergebnisdarstellung nehme ich nun eine zusammenfassende Betrachtung der Cluster vor, bei der die Nutzungsmotive und konsumentenspezifischen Merkmale zu einem Gesamtbild verdichtet werden sollen. Cluster 1: Die eingeschworenen Sammler In Cluster 1 vereinigen sich die eingeschworenen Sammler unter den Schallplattenkäufern. Für sie stellt das Sammeln von Vinyl ein Hobby dar mit dem sich gleichzeitig soziale Prestige-Bedürfnisse erfüllen lassen. Zum einen dient der Aufbau einer umfangreichen Plattensammlung zur Profilierung unter gleich gesinnten Vinyl-Anhänger. Nach außen hin wiederum fungiert die Schallplatte als Mittel der Abgrenzung gegenüber den als „die Masse“ empfundenen CD-Käufern – ein Motiv, das sich in der Gesamtheit der befragten Käufer zunächst als vergleichsweise unwichtig erwiesen hat. Mit der sozialen Differenzierung einher geht die Kultivierung eines musikalischen Expertentums nach der Devise: „Was Musik angeht, macht mir so schnell keiner was vor.“ Die eingeschworenen Sammler fallen weiterhin dadurch auf, dass sie verglichen mit anderen Gruppen mehr Wert auf die spezielle Optik der Schallplatten legen als auf klangliche Qualitäten. Dies lässt sich in Zusammenhang mit der sozialen Funktion als weiterer Hinweis dafür interpretieren, dass die Schallplatte – etwas überspitzt formuliert – zu einem modischen Accessoire degradiert wird, dessen individueller Charakter nach außen hin sichtbar ist und sich im günstigsten Fall auf ihren Besitzer überträgt. Trotz des hohen Stellenwerts der sozialen Funktion wäre dieser Gruppe Unrecht getan, wenn man ihr unterstellen würde, dass der musikalische Inhalt für sie zweitrangig wäre. Im Gegenteil: Musik nimmt einen sehr hohen Stellenwert im Leben der eingeschworenen Sammler ein. Am ehesten bevorzugen sie so genannte „urbane“, tanzbare Stile wie zum Beispiel Techno-, HipHop- und Funk-Musik. Für ein hohes musikalisches Involvement spricht weiterhin die Tatsache, dass sich in dieser Gruppe ausgesprochen viele Diskjockeys befinden. Dementsprechend nutzt ein Großteil der Gruppenmitglieder Vinyl auch zum Scratchen und Mixen, was nicht zuletzt auch ein ausschlaggebendes Motiv für den 65

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Schallplattenkauf sein dürfte. Für die meisten DJs in diesem Cluster stellt das öffentliche Plattenauflegen jedoch nur ein Hobby dar, mit dem sie kein Geld verdienen. Es lässt sich vermuten, dass das „Zur-Schau-Stellen“ des persönlichen Musikgeschmacks für sie Belohnung genug ist. Im Gesamtzusammenhang entsteht der Eindruck, dass den eingeschworenen Sammlern der Gebrauch von Schallplatten vor allem dazu dient, ihren Status als „Musik-Insider“ nach außen hin zu kommunizieren. In diesem Kontext erscheint die Schallplatte selbst als Lifestyle-Produkt mit KultCharakter und sozialer Funktion. Tendenziell lassen sich die Mitglieder dieses Clusters einem konsum- bzw. szenebewussten Milieu zurechnen. Cluster 2: Die desinteressierten Klangliebhaber Cluster 2 bildet die Gruppe der desinteressierten Klangliebhaber. Insgesamt handelt es sich hierbei um ein vergleichsweise profilloses Cluster. Abgesehen von der hohen Wertschätzung des Klangs der Schallplatte lassen sich keine besonderen Nutzungsmotive identifizieren. Die Tatsache, dass sie zwischen Vinyl und anderen Wiedergabemedien keinen wesentlichen Unterschied erkennen können, nährt die Vermutung, dass die Wahl des Tonträgers für sie eher beliebig ist. Dass der Frauenanteil in dieser (sehr kleinen) Gruppe mit Abstand am höchsten ausfällt, lässt sich als weiterer Beleg dafür interpretieren, dass Frauen ein tendenziell weniger „leidenschaftliches“ Verhältnis zu VinylSchallplatten pflegen als Männer. Dementsprechend hätten die Mitglieder dieses Clusters keine großen Schwierigkeiten, gänzlich auf andere Tonträger umzusteigen, denn in ihren Augen bieten die digitalen Alternativen viele Vorteile. Vinyl-spezifischen Gratifikationen hingegen, wie zum Beispiel die große Auswahl an verfügbaren Musiktiteln oder die spezielle Handhabung eines Plattenspielers, können sie nur wenig Begeisterung entgegenbringen. Auch das allgemeine Interesse und Engagement für Musik ist bei den desinteressierten Klangliebhabern am schwächsten ausgeprägt. Im Vergleich zu anderen Gruppen ist davon auszugehen, dass die Nutzung von Vinyl-Schallplatten keinen besonders hohen Stellenwert im Leben der Probanden dieses Clusters einnimmt. Cluster 3: Die systemkritischen Secondhandkäufer Für die Gruppe der systemkritischen Secondhandkäufer (Cluster 3) dagegen steht der Schallplattenkonsum in enger Verbindung mit ihrem individuellen Selbstverständnis. Ähnlich wie bei den eingeschworenen Sammlern soll hier ein nonkonformistischer Lebensstil zum Ausdruck gebracht werden. Allerdings zielt dieser in erster Linie nicht darauf ab, sich von anderen Musikhörern abzugrenzen, sondern vielmehr eine ablehnende Haltung gegenüber der Musikindustrie und deren Preispolitik sowie gegen die technologische Entwicklung auf diesem Sektor zu demonstrieren. Ihrer Ansicht nach klingen Schallplatten ohnehin besser als deren sterile digitale Konkurrenten. Insbesondere das „Rauschen und Knacken“ beim Abspielen von Vinyl findet große Wertschätzung. 66

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Die Verweigerung gegenüber dem technischen Fortschritt beschränkt sich allerdings nicht nur auf Tonträger. Bei keiner anderen Gruppe sind die Vorbehalte gegenüber dem Internet und digitalen Medien so stark ausgeprägt wie bei den systemkritischen Secondhandkäufern. Im Zusammenhang mit einem solchen Technikverständnis erscheint es daher auch plausibel, dass die analoge Kassette (MC) bei dieser Gruppe weite Verbreitung findet. Das Kompressionsformat MP3 hingegen, das als Inbegriff digitaler Tonträgerkultur verstanden werden kann, wird fast überhaupt nicht genutzt. Weiterhin lassen sich auch die musikalischen Vorlieben der systemkritischen Secondhandkäufer als rückwärtsgewandt bezeichnen: Moderneren Stilrichtungen können sie nicht viel abgewinnen. Stattdessen favorisieren sie Jazz, Blues und Oldies. Großer Beliebtheit erfreut sich auch Punk-Musik, eine musikalische Stilrichtung, die aufgrund ihrer Geschichte und „Ideologie“ – Auflehnung gegen das Establishment – sehr gut zur Motivlage und zum vermuteten Selbstverständnis der systemkritischen Secondhandkäufer passt. Die unangepasste Haltung dieses Clusters drückt sich weiterhin in ihrem Konsumverhalten aus: Von allen Gruppen ist das Interesse an günstigen Schallplatten aus zweiter Hand bei den befragten Personen dieser Gruppe am stärksten ausgeprägt. Auf ihrer Suche nach gebrauchten Artikeln werden sie vor allem auf Schallplattenbörsen und Flohmärkten fündig und unterwandern somit einen von digitalen Tonträgern und „hohen“ Preisen dominierten Musikmarkt. Ihre Ausgaben für Musik sind aufgrund dessen im Vergleich zum Rest der Schallplattenkäufer bescheiden zu nennen. Die Vorliebe für Secondhand ist vermutlich aber auch dadurch bedingt, dass dieses Cluster einen eher schwachen sozioökonomischen Status aufweist: So liegt der Anteil der Personen ohne berufliche Beschäftigung weit über dem Durchschnitt. Dementsprechend verfügt diese Gruppe auch über verhältnismäßig geringe finanzielle Ressourcen zur Befriedigung des Bedürfnisses nach musikalischer Unterhaltung. Letztlich entsprechen die systemkritischen Secondhandkäufer am ehesten dem Klischee des „beharrlichen“, gestrigen Schallplattenkonsumenten. Es ließ sich jedoch feststellen, dass die Verweigerung gegenüber modernen Tonträgern nicht konsequent durchgehalten wird: Fast alle Mitglieder dieses Cluster nutzen auch CDs; der Anteil von Vinyl am Gesamtmusikkonsum beträgt gerade 50 Prozent. Dies lässt darauf schließen, dass es sich bei der Nutzung von Schallplatten um eine Art „Freizeitprotest“ handelt. Cluster 4: Die nostalgischen Traditionalisten Auch bei den nostalgischen Traditionalisten (Cluster 4) ist der Schallplattenkauf durch eine tendenziell ablehnende Haltung gegenüber den aktuellen Entwicklungen auf dem Musikmarkt begründet. Dies resultiert aus einer starken Beunruhigung über das „rasante Tempo“ der technischen Entwicklung. Eine mindestens genauso wichtige Rolle beim Kauf von Schallplatten spielt beim größten aller 67

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Cluster jedoch auch eine nostalgische Rückwärtsgewandtheit, was offensichtlich mit dem vergleichsweise hohen Alter der Gruppenmitglieder zusammenhängt. Die nostalgischen Traditionalisten sind bereits in ihrer Jugend in starkem Maße durch Schallplatten sozialisiert worden. Somit verbindet sie mit den schwarzen Scheiben heute einen Teil ihrer Vergangenheit. Das nostalgische Potenzial der Schallplatte wird bei dieser Gruppe vor allem durch die einzigartige optische Erscheinung unterstützt. Ansonsten treten rationale Argumente für die Wahl von Vinyl bei den Mitgliedern dieses Clusters völlig in den Hintergrund. Dies lässt sich unter anderem an der deutlich unterdurchschnittlichen Bewertung des Klangs herauslesen. Gemäß ihrem vergleichsweise hohen Alter befinden sich in dieser Gruppe die meisten Erwerbstätigen. Trotz ihrer finanziellen Möglichkeiten zeichnen sich die nostalgischen Traditionalisten durch ein eher gemäßigtes Kaufverhalten aus. Bezüglich ihres Musikgeschmacks lassen sich keine eindeutigen Vorlieben identifizieren. Insgesamt werden eher weniger progressive Stilrichtungen bevorzugt wie zum Beispiel Rock, Jazz, Blues, Pop und auch Klassik. Zwar können die Daten hierüber keine genaue Auskunft geben, doch liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Mitgliedern dieses Clusters um Personen handelt, die sich in früheren Tagen mehr oder weniger intensiv mit Popkultur und eben auch mit Vinyl-Schallplatten beschäftigt haben. Der Gebrauch von Schallplatten stellt für sie in Zeiten, die von technischen, musikalischen und persönlichen Umwälzungen geprägt sind, eine feste Konstante dar und eine der wenigen Möglichkeiten, einen wesentlichen Bestandteil ihrer jugendlichen Gewohnheiten beizubehalten. Der Antrieb, Schallplatten zu kaufen, kann bei den nostalgischen Traditionalisten also als eine Mischung aus Gewohnheit, Trotz und melancholischer Rückbesinnung beschrieben werden. Cluster 5: Die aufgeschlossenen Audiophilen Von allen Gruppen erweisen sich meiner Ansicht nach die aufgeschlossenen Audiophilen (Cluster 5) als die enthusiastischsten Vinyl-Fans. Psychologische Motive spielen bei dieser Gruppe überhaupt keine Rolle. Sie benutzen Schallplatten weder um sich von anderen abzugrenzen, noch um alte Erinnerungen zu wecken oder eine politische Haltung zum Ausdruck zu bringen. Ihre Vorliebe für Schallplatten beruht dagegen auf deren ästhetischen und pragmatischen Vorteilen gegenüber anderen Tonträgerformen. Die größte Rolle in diesem Zusammenhang spielt der einzigartige Klang der Schallplatte. Dieser markiert in den Augen dieses Clusters den entscheidenden qualitativen Unterschied gegenüber dem sterilen Klang digitaler Wiedergabealternativen. Zwar zeichnet sich diese Gruppe auch durch eine hohe Nutzungsintensität digitaler Tonträger aus. Es ist jedoch zu vermuten, dass sie – vor die Wahl gestellt - der Schallplatte stets den Vorzug geben würde. Darüber hinaus schätzen die musikalisch vielseitigen Mitglieder dieses Clusters, dass ihnen die Nutzung von 68

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION Schallplatten den Zugang zu einem reichhaltigen Angebot zum Teil exklusiv auf Vinyl erhältlicher Titel ermöglicht. Dies ist nicht zuletzt deswegen ein wichtiges Argument, weil der DJ-Anteil auch in dieser Gruppe ausgesprochen hoch ausfällt. Etwa jede dritte Person, die dieser Gruppe angehört, bestreitet mit dem öffentlichen Auflegen von Schallplatten zumindest teilweise ihren Lebensunterhalt. Damit einhergehend stellt die Möglichkeit, Schallplatten zum Mixen und Scratchen zu benutzen, einen weiteren wesentlichen Nutzen dar. Die hohe Begeisterung für Musik äußert sich bei den aufgeschlossenen Audiophilen weiterhin in ihrem intensiven Kauf- und Informationsverhalten. Trotz ihrer vergleichsweise niedrigen Einkünfte investieren die Mitglieder dieser Gruppe einen relativ hohen Betrag für Tonträger. Hinsichtlich der Bereitschaft, hohe Preise für einzelne Tonträger zu bezahlen, sind sie sogar Spitzenreiter. Um an die begehrten Scheiben heranzukommen, nehmen sie häufig die Dienste des Internets in Anspruch. Weiterhin verbringen sie viel Zeit mit der Suche nach Information über Musik. Vielleicht gehören sie deswegen auch zu den Ersten, die auf neue Strömungen in der Popkultur aufmerksam werden. Es lässt sich also allgemein festhalten, dass die aufgeschlossenen Audiophilen fest davon überzeugt sind, dass es sich bei der Schallplatte um den qualitativ besten Tonträger handelt, der ihnen außerdem eine Vielzahl weiterer Vorteile offeriert. Diese Zuneigung basiert auch auf der Erfahrung mit anderen Musikwiedergabemedien. „Sogar“ MP3s werden häufig genutzt, was den wenig dogmatischen Charakter dieser Gruppe unterstreicht. Cluster 6: Die modernen Querdenker Cluster 6 stellt nun die dritte Gruppe dar, deren Schallplattenkauf vergleichsweise stark durch die Kritik an den vorherrschenden Verhältnissen in der Musikindustrie motiviert ist. Im Gegensatz zu den anderen Gruppen scheinen sie jedoch keinerlei weiteren Vorteile in der Verwendung von Vinyl zu erkennen mit Ausnahme der Möglichkeit zum „Mixen und Scratchen“. Die weit unterdurchschnittliche Bewertung der nostalgischen Qualitäten der Schallplatte führte letztlich zu der Entscheidung, diese Gruppe als moderne Querdenker zu betiteln. Durch die Betrachtung der konsumentenspezifischen Merkmale hat sich diese erste Einschätzung weiter verstärkt. Eines der wesentlichen Kennzeichen dieses Clusters ist der stark einseitig ausgerichtete Musikgeschmack. Bei den Mitgliedern handelt es sich vornehmlich um Freunde elektronischer Musik (Trance/House/Techno), was den modernen, progressiven Charakter dieser Gruppe nochmals betont. Wie bei den eingeschworenen Sammlern und den aufgeschlossenen Audiophilen befindet sich auch in dieser Gruppe ein hoher Anteil an Diskjockeys, ein Drittel der Personen verdient mit dieser Tätigkeit mindestens Teile ihres Lebensunterhalts. Es überrascht daher wenig, dass auch dieses Käufersegment ein ausgesprochen intensives Konsumverhalten an den Tag legt. Für einzelne Tonträger 69

ERGEBNISSE UND INTERPRETATION hingegen würden sie keine großen Summen „springen lassen“. Dem Zugang zu günstiger Secondhand-Ware messen die modernen Querdenker jedoch überhaupt keine Bedeutung bei, vermutlich auch deswegen, weil sie angesichts ihrer musikalischen Vorlieben Schwierigkeiten haben dürften, zum Beispiel auf Flohmärkten auf der Suche nach geeigneten Tonträgern fündig zu werden. Zusammengefasst zeichnen sich die modernen Querdenker vor allem durch ihren ambivalenten Charakter aus: Während auf der einen Seite große Vorbehalte gegenüber digitale Tonträgerformen bestehen, ist die Aufgeschlossenheit gegenüber digitalen Medien sowie der technischen Entwicklung im Allgemeinen vergleichsweise hoch. Nachdem nun die verschiedenen identifizierten Käufergruppen ausführlich beschrieben worden sind, möchte ich in einem abschließenden Kapitel diskutieren, welche Anknüpfungspunkte sich hieraus für weitere Forschungsvorhaben ergeben und welche Schlüsse die Musikindustrie aus den Ergebnissen dieser Arbeit ziehen kann.

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6. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 6.1. Zusammenfassung der Forschungsergebnisse Ziel der vorliegenden Studie war es, auf empirischem Wege zu ermitteln, welche besonderen Motive aus Rezipientensicht die fortwährende Nutzung von Vinyl-Schallplatten bedingen. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Motiv-Dimensionen aus der klassischen Mediennutzungsforschung sowie weitere induktiv abgeleitete Nutzerbedürfnisse untersucht. Mittels einer Faktorenanalyse konnten sieben der Schallplattennutzung zugrunde liegende Motiv-Faktoren identifiziert werden, die wie folgt benannt wurden: 1. Soziale Definition durchs Plattensammeln 2. Einzigartiges Repertoire 3. Nostalgisches Erleben durch audiovisuelle Besonderheiten 4. Spezieller Klang 5. Ästhetische Zusatzgratifikationen für Eingeweihte 6. Kritischer Traditionalismus 7. Zugang zu günstigen Secondhand-Artikeln Schallplatten können also über den Musikkonsum hinaus weitere ästhetische, sozialpsychologische und praktische Vorzüge haben. Über die Gesamtheit aller Befragten hinweg werden vor allem ästhetische Qualitäten (Optik, Klang) sowie die große Angebotsvielfalt als wesentliche Vorteile der Vinyl-Schallplatte wahrgenommen. Ein großer Teil der Probanden nutzt Schallplatten außerdem zum „Mixen und Scratchen“. Ein wesentlich differenzierteres Verständnis für das Wesen der bisher noch kaum erforschten Gruppe der Käufer von Vinyl brachte aber erst die Ermittlung verschiedener „MotivTypen“. Hier konnten auf Basis der Motiv-Faktoren sechs verschiedene Gruppen entdeckt werden: 1. Die eingeschworenen Sammler 2. Die desinteressierten Klangliebhaber 3. Die systemkritischen Secondhandkäufer 4. Die nostalgischen Traditionalisten 5. Die aufgeschlossenen Audiophilen 6. Die modernen Querdenker Die umfassende Beschreibung dieser Gruppen unter Berücksichtigung weiterer personenspezifischer Merkmale hat deutlich gemacht, dass Schallplattenkonsumenten nicht als homogene Masse zu verstehen sind. Stattdessen verfolgen sie mit dem Kauf von Vinyl zum Teil sehr unterschiedliche 71

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Motive. Diese stehen wiederum in einem engen wechselseitigen Zusammenhang mit den weiteren erhobenen Merkmalen (Musikkonsum, Musikengagement und Musikinteresse, Selbst wahrgenommene Musikkompetenz, Soziale Bezugsgruppen, Tätigkeit als DJ, Aufgeschlossenheit, Soziodemografie). Fazit Den Ergebnissen der Studie zufolge liegt die Überlebensstrategie der Vinyl-Schallplatte offenkundig in ihrer Vielseitigkeit. In einer Mediengesellschaft, die sich durch eine zunehmend individualisierte Mediennutzung und der Heterogenität der Medienpublika auszeichnet (vgl. z.B. Hasebrink & Rössler, 1999), kann sich die Schallplatte vor allem dadurch behaupten, dass sie zahlreiche verschiedene Gratifikationen für unterschiedlich gelagerte Bedürfnis-Strukturen anbieten kann. Dabei ist neben dem pragmatischen Nutzen von Vinyl auch das Image von hoher Bedeutung: Denn die Schallplatte bietet eine ideale Projektionsfläche für die geistig-immateriellen Bedürfnisse ihrer Nutzer wie zum Beispiel Nostalgie oder Nonkonformismus.

6.2. Ausblick Abschließend soll geklärt werden, inwieweit die Forschungsanlage für weitere wissenschaftliche Arbeiten zum selben bzw. zu artverwandten Themen von Nutzen sein kann und welche Schlussfolgerungen sich für die Musik- bzw. die Schallplattenindustrie aus den Ergebnissen der Untersuchung ableiten lassen. Medienwissenschaftliche Bedeutung Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass sich die Anwendung des Uses-and-Gratifications-Ansatzes unter besonderer Berücksichtigung der Nischentheorie als sehr fruchtbar für die Beantwortung meiner Forschungsfragen erwiesen hat. Denn die Ergebnisse dieser Arbeit haben gezeigt, dass die funktionale Bedeutung von VinylSchallplatten sich mit der Einführung digitaler Wiedergabetechniken entscheidend gewandelt hat. Erst die Entwicklung und Etablierung digitaler Alternativen lieferte den Nährboden für Nutzungsmotive wie „Nostalgisches Erleben“ oder „Kritischer Traditionalismus“. Darüber hinaus erfüllt die Schallplatte eine Vielzahl weiterer Bedürfnisse, durch die sich ihre fortwährende Nutzung bis zum heutigen Tag erklären lassen. Plattenkauf ist also weder Zufall noch Zeichen mangelnder technischer Kompetenz. In der Regel verfolgen die Konsumenten von Schallplatten ganz bestimmte, vinyl-spezifische 72

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Motive. Somit wird die Annahme der Nischentheorie bestätigt, dass jedes Medium ein bestimmtes Gratifikationsprofil aufweist und somit bestimmte Funktionen besser erfüllen kann als andere Medien. Ob sich dieses Phänomen auch auf andere technisch obsolete Mediensysteme (z.B. MC oder VHS) übertragen lässt, kann nur durch weitere Forschung in Erfahrung gebracht werden. Die Kommunikationswissenschaft sollte sich daher weiterhin verstärkt mit der Frage des Medienwandels auseinandersetzen, gerade weil technische Innovationen sowie der Wettstreit der Formate heute zu den zentralen Themen der Medienbranche zählen. Zudem hat es sich als sinnvoll erwiesen, psychologische bzw. soziologische Aspekte bei einer nutzerorientierten Untersuchung mit einzubeziehen. Viele Studien im Rahmen des Uses-andGratifications-Ansatzes beschränken sich auf die Anwendung klassischer medienbezogener Bedürfniskataloge, die sich direkt auf den Inhalt oder auf den technischen (Zusatz-) Nutzen des betrachteten Mediums beziehen. Wie die Ergebnisse der Studie zeigen, kann aber auch der „symbolische Wert“ bestimmter Medien im Zusammenhang mit der Selbstdefinition und -inszenierung des Konsumenten eine große Rolle spielen. Diese imagebildende Funktion beschränkt sich natürlich nicht auf Tonträger, sondern kommt generell auch für andere Medienformate in Frage. Für die weitere Erforschung des Mediums Schallplatte und ihrer Nutzerschaft, wäre es zunächst erforderlich zu überprüfen, ob sich die in dieser Untersuchung generierten Hauptnutzungsmotive und Nutzertypen tatsächlich auch in der Grundgesamtheit der Schallplattenkäufer wieder finden lassen. Da im Rahmen dieser Studie nur eine vergleichsweise kleine und zudem höchst selbst-selektive Stichprobe untersucht werden konnte, lassen sich keine validen Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit der Schallplattennutzer ziehen. Eine Replikation der Studie mit einer größeren, auf Kriterien der statistischen Zufallsauswahl basierenden Stichprobe wäre daher überaus sinnvoll. Darüber hinaus wäre es in einem zweiten Schritt von großem Interesse, die Gesetzmäßigkeiten der Tonträgerauswahl weiter zu vertiefen. Die Ergebnisse der Studie konnten zwar einen ersten Eindruck darüber vermitteln, welche Nutzungsmotive beim Schallplattenkauf generell eine Rolle spielen. Die Frage, welche Faktoren im konkreten Einzelfall den entscheidenden Ausschlag dafür geben, ob ein bestimmter Tonträger auf Platte oder CD gekauft oder als MP3 herunter geladen wird, bleibt jedoch weiterhin offen. Ein weiterer Aspekt, der in dieser Studie aus forschungspragmatischen Gründen ausgespart werden musste, ist die Befragung von Menschen, die keine Schallplatten (mehr) kaufen. Gerade in Hinblick 73

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK auf eine potentielle Vergrößerung des Käufermarktes wäre es interessant zu erfahren, welche Gründe für die Ablehnung von Vinyl vorliegen und welches Image die Schallplatte für Nicht-Käufer verkörpert. Schlussfolgerungen für die Musikwirtschaft Die Studie konnte deutlich machen, dass es sich bei Schallplattenkäufern aus ökonomischer Sicht um eine absolute „Traum“-Zielgruppe handelt. Denn die Anhänger von Vinyl zeichnen sich vor allem durch hohen Tonträgerkonsum und musikalische Offenheit aus. Gerade in Bezug auf die Gratifikationserwartungen haben sich jedoch auch große Unterschiede zwischen den einzelnen Käufer-Typen herausgestellt. Bei Werbemaßnahmen sollte man sich daher für ein differenziertes Vorgehen bei den jeweiligen Zielgruppen entscheiden: Während sich zum Beispiel die nostalgischen Traditionalisten vermutlich eher durch eine Betonung des „RetroCharakters“ der Schallplatte ansprechen lassen (z.B. durch hochwertigen Neuauflagen alter RockKlassiker), sollte man bei den modernen Querdenkern und eingeschworenen Sammlern das avantgardistische Image von Vinyl hervorheben und somit an deren subkulturell orientierten Selbstbild appellieren. Neben einer Optimierung der Ansprache bereits bestehender Käufergruppen sollten es sich die Interessenvertreter der Schallplatte jedoch auch zur Aufgabe machen, jene Segmente des Marktes (zurück) zu gewinnen, die noch nicht bzw. nicht mehr Schallplatten kaufen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Schallplatte sich selbstbewusst präsentiert und aus ihrer Nische herauswagt. Denn ihr Potential – auch beim Mainstream-Publikum – ist noch lange nicht ausgeschöpft. Die „desinteressierten Klangliebhaber“ haben in diesem Kontext deutlich gemacht, dass die Schallplatte auch für ein tendenziell wenig involviertes Publikum attraktiv sein kann. Deswegen sind Schallplatten und Plattenspieler gerade als Lifestyle- bzw. Premium-Produkte meines Erachtens noch stark ausbaufähig28. Eine allzu gefällige Anbiederung an größere Publikumsschichten sollte jedoch vermieden werden, da diese von den bereits bestehenden Käuferschichten als „Ausverkauf“ interpretiert werden könnte und bei diesen zu einem Imageverlust der Schallplatte führen würde. Ganz allgemein betrachtet liefert die Studie eine Vielzahl an Argumenten für die Fortexistenz physischer Tonträger. Unter anderem sprechen hierfür die soziale Komponente beim Musikeinkauf, tradierte Gewohnheiten und vor allem auch ästhetische Qualitäten. In diesem Zusammenhang erscheint die Schaffung zusätzlicher ästhetischer Kaufanreize wie zum Beispiel die Etablierung so genannter Digipacks (CDs mit Papp-Cover statt Plastik) als eine sinnvolle Maßnahme. Mit besondeFür die Umsetzung derartiger Werbemaßnahmen wäre die Gründung eines Interessenverbands bestehend aus Plattenfirmen, Elektronikunternehmen, Musikfachhandel und Produktionsbetrieben sinnvoll.

28

74

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK rem Interesse sollte auch die Einführung der Dual Disc Ende August diesen Jahres verfolgt werden. Dieses neue Format vereint CD und DVD in einem Silberling und eröffnet somit eine neue Dimension ästhetischer Zusatzgratifikationen, wie zum Beispiel Musikvideos, Künstlerinterviews oder Dokumentarfilme (Musik fürs Auge, 2005, S.44). Ob die Musikindustrie jedoch allein durch derlei technische Innovationen aus ihrer Dauerkrise befreit werden kann, bleibt zweifelhaft. Wie man anhand der Gruppe der systemkritischen Secondhandkäufer erkennen konnte, kann sture „Technik-Gläubigkeit“ sogar einen gegenteiligen Effekt bewirken. Vor allem die rasante Entwicklung des Internets markiert eine neue Dimension des „Alles-jederzeitumsonst-Verfügbaren, das [für den einen oder anderen] in seiner maßlosen Fülle […] eine Leere erzeugt“ (Balzli et al., 2003, S.73) und den Wert von Musik insgesamt schmälert. Letztlich wird sich das Nebeneinander verschiedener Tonträgerformen in einer hoch differenzierten und individualisierten Gesellschaft auch in Zukunft kaum vermeiden lassen. Die Musikindustrie sollte lernen, diesen Umstand mehr als Chance, denn als Hindernis zu begreifen. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen technischen Produkten gibt es in diesem Bereich kein „besser“ oder „schlechter“. Jede Form von Tonträgern hat ihre eigenen Stärken und Schwächen. Die Stärken von Schallplatten jedenfalls dürften im Rahmen dieser Arbeit deutlich zum Ausdruck gekommen sein. Sie sollten keinen Zweifel daran lassen, dass der vielfach proklamierte Tod der Schallplatte noch lange nicht absehbar ist. Bis dahin werden die schwarzen Scheiben aus Vinyl zumindest bei einer kleinen Gruppe von Musikliebhabern weiter ihre Kreise ziehen.

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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Absatz von Langspielplatten und Compact Discs in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitverlauf.................................................................................. 6 Abbildung 2: Grafische Darstellung über den Zusammenhang der Untersuchungsdimensionen ....... 22 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Absatz von Vinyl und Compact Discs in der Bundesrepublik Deutschland 1995-2004 ...................................................................................... 7 Tabelle 2: Herleitung der relevanten Motiv-Dimensionen anhand der klassischen Mediennutzungsmotive nach McQuail................................................................................. 20 Tabelle 3: Operationalisierung der Untersuchungsdimensionen im Überblick...................................... 25 Tabelle 4: Operationalisierung der Motiv-Dimensionen.......................................................................... 26 Tabelle 5: Die Befragung im Überblick .................................................................................................... 31 Tabelle 6: Mittelwerte-Rangfolge der Schallplatten-Kaufmotive............................................................. 37 Tabelle 7: Faktoranalyse der Schallplatten-Nutzungsmotive ................................................................. 41 Tabelle 8: Endgültige Clusterlösung ........................................................................................................ 45 Tabelle 9: Mittelwerte-Vergleich der clusterbildenden Variablen ........................................................... 45 Tabelle 10: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich weiterer erhobener Gratifikationen............... 52 Tabelle 11: Vergleich der Cluster bezüglich ihrer soziodemografischen Merkmale ............................. 55 Tabelle 12: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich ihres Kaufverhaltens ..................................... 56 Tabelle 13: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich der genutzten Bezugsquellen....................... 57 Tabelle 14: Vergleich der Cluster bezüglich ihres Nutzungsverhaltens alternativer Tonträgerformen........................................................ 58 Tabelle 15: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich bevorzugter musikalischer Genres............... 59 Tabelle 16: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich ihres Musikengagements und Musikinteresses...................................................................... 61 Tabelle 17: Mittelwerte-Vergleich der Cluster bezüglich ihrer selbst wahrgenommenen Musikkompetenz ................................................................... 62 Tabelle 18: Vergleich der Cluster bezüglich ihrer Tätigkeit als DJ......................................................... 63 Tabelle 19: Vergleich der Cluster bezüglich ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber alternativen Tonträgerformen und neuen Technologien...................................................... 64

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ANHANG A) Fragebogen B) Operationalisierung der Forschungsfrage C) Generierung der Fragebögen und Rücklaufquote D) Erklärung

83

A) FRAGEBOGEN

Liebe Teilnehmerin, lieber Teilnehmer, vielen Dank, dass Sie an dieser Studie teilnehmen. Im Rahmen meiner Abschlussarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung Hannover führe ich eine Untersuchung zum Thema Vinyl durch. Diese Untersuchung ist kein Test. Deshalb gibt es keine richtigen oder falschen Antworten. Mich interessiert vor allem Ihre persönliche Meinung zum Thema. Die Befragung wird etwa 10 Minuten in Anspruch nehmen. Ihre Antworten werden selbstverständlich anonym behandelt. Der Fragebogen enthält keinerlei Angaben zu Namen oder Anschrift. Die Untersuchung dient keinen kommerziellen Zwecken. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!

Erhebungsstätte: Bitte umblättern

Los geht´s! 1.

Können Sie sich daran erinnern, wann Sie damit angefangen haben, Vinyl-Schallplatten zu kaufen? Ich habe vor ungefähr ______ Jahren damit angefangen, Schallplatten zu kaufen.

2.

Wie viele Personen aus Ihrem Freundeskreis außer Ihnen kaufen sonst noch Schallplatten? Niemand

3.

Ungefähr die Hälfte

Ein Großteil

Fast alle

Weiß nicht

Welche anderen Tonträgerformen nutzen Sie außer Schallplatten? CD

4.

Wenige

MP3

Kassetten (MC)

MD

Audio-DVD

Sonstiges, und zwar ___________________

So genau weiß man das natürlich nicht, aber bitte schätzen Sie mal wie viel Prozent ihres gesamten Musikkonsums verbringen Sie etwa mit Schallplatten? Schallplatten machen etwa ______ Prozent meines gesamten Musikkonsums aus.

5.

Bitte schätzen Sie grob, wie viele Stunden Sie an einem durchschnittlichen Tag Musik hören. Bitte zählen Sie alle Stunden zusammen, egal ob Sie Radio, CD, Schallplatte oder sonstiges hören. Ich höre durchschnittlich etwa ______ Stunden am Tag Musik.

6.

Bitte kreuzen Sie an, welche der unten genannten Musikgenres Sie am liebsten hören! Sie können natürlich mehrere Antworten auswählen. Sollten Sie eine Musikrichtung bei den Antwortvorgaben vermissen, können Sie diese unter „Sonstiges“ angeben. Pop Rock/Alternative/Independent Punk Hard Rock/Heavy Metal HipHop/Rap Soul/R´n B/Funk Reggae/Ragga/Dancehall Dub/Triphop/Chillout Trance/House/Techno Jazz/Blues Schlager/Volksmusik Country Music/Folk Oldies Klassik/Oper/Operette Sonstiges ___________________ 7.

Was gefällt Ihnen an Vinyl-Schallplatten besonders? Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Feststellungen. Bitte kreuzen Sie für jede der Aussagen an, wie sehr diese auf Sie persönlich zutrifft. Wenn Sie der Ansicht sind, eine Feststellung „trifft überhaupt nicht zu“, kreuzen Sie bitte ganz links. Sind Sie der Meinung, die jeweilige Feststellung „trifft voll und ganz zu“, müssen Sie das Feld ganz rechts ankreuzen. Mit den Feldern dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen. Bitte antworten Sie ganz spontan. Trifft Trifft Trifft überhaupt teilweise voll und An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders… nicht zu zu ganz zu …den besonderen Klang. …die Bandbreite und Vielfalt der angebotenen Musik. …das große Plattencover. …dass man die Musik anhand der Rillen sehen, erkennen und fühlen kann. …das Angebot an besonders seltenen und interessanten Titeln abseits des Mainstreams . …das Rauschen und Knacken beim Abspielen der Platte. …dass man sich durch den Kauf von Schallplatten von der breiten Masse abhebt. …den niedrigen Preis bei Second-Hand-Artikeln.

Bitte umblättern

8.

Bitte sagen Sie mir, ob die nun folgenden Aussagen über die Schallplatte Ihrer persönlichen Meinung nach „überhaupt nicht“ zutreffen (ganz links ankreuzen) oder ob sie Ihrer Meinung nach„voll und ganz“ zutreffen (ganz rechts ankreuzen). Mit den Feldern dazwischen können Sie Ihre Meinung wieder abstufen. Trifft überhaupt nicht zu

Trifft teilweise zu

Trifft voll und ganz zu

Vinyl ist für mich noch richtig „Musik zum Anfassen“. Ohne Staub-Entfernen, Seiten-Umdrehen und Nadel-Aufsetzen macht Musikhören einfach nicht soviel Spaß. Wenn ich Schallplatten höre, werden bei mir oft alte Erinnerungen wach. Durch den Erwerb von Schallplatten kann mein persönlicher Musikgeschmack am besten befriedigt werden. Meiner Meinung nach bleibt die Schallplatte in punkto Klang unübertroffen. An Schallplatten schätze ich vor allem die Handhabung. Einige der Titel, die ich mir kaufe, sind ausschließlich auf Vinyl erhältlich. Ich finde, Schallplatten machen optisch was her. Mit Schallplatten verbinde ich Teile meiner Vergangenheit. Das Hören von Schallplatten ist für mich ein Genuss, den ich mir für besondere musikalische Erlebnisse vorbehalte. 9.

Werden Sie häufiger von Freunden oder Bekannten um Ratschläge oder Information bezüglich Musik befragt? Nein, nie

Selten

Ab und zu

Öfters

Ja, sehr oft

10. Wenn Sie mal überlegen, wie viele Tonträger, egal ob LP, CD oder sonstiges, haben Sie etwa innerhalb der letzten drei Monate gekauft? Falls Sie beruflich mit Tonträgern handeln, geben Sie bitte nur die Anzahl an Tonträgern an, die Sie für Ihren privaten Gebrauch erworben haben. Etwa ______ Stück 11. Und wie viele davon waren Schallplatten? Etwa ______ Stück 12. Wie viel Geld geben Sie normalerweise im Monat für Musik aus? ______ € 13. Was wäre der maximale Preis, den Sie bereit wären für eine Schallplatte auf den Tisch zu legen, die Sie unbedingt haben wollen? ______ €

14. Auf welchem Weg erwerben Sie eigentlich ihre Schallplatten? Nie

Selten

Ab und zu

Oft

Sehr oft

Im Plattenladen Auf Schallplattenbörsen. Im Internet Auf dem Flohmarkt

Bitte umblättern

15. Im Folgenden interessiert mich wieder Ihre persönliche Meinung zum Thema Musik und Schallplatten. Bitte sagen Sie mir, ob die nun folgenden Aussagen auf Sie bzw. Ihrer Meinung nach „überhaupt nicht“ zutreffen (ganz links ankreuzen) oder ob sie „voll und ganz“ zutreffen (ganz rechts ankreuzen). Mit den Feldern dazwischen können Sie Ihre Meinung wieder abstufen. Trifft Trifft Trifft überhaupt teilweise voll und nicht zu zu ganz zu Ich bin oft einer der Ersten, der einen neuen Künstler oder einen neuen Sound entdeckt. Ich verbringe öfter viel Zeit damit, aufmerksam nach Informationen über Musik zu suchen und scheue dabei keine Mühe. Musik ist eine feine Sache, aber es gibt wichtigeres im Leben. Wenn ich Platten kaufen gehe, treffe ich meistens Leute, die ich kenne. Was Musik angeht, macht mir so schnell keiner was vor. Eine umfangreiche Plattensammlung ist für mich persönlich eine Art Statussymbol. Kontakt mit anderen Musikliebhabern ist mir ausgesprochen wichtig. Zur Not könnte ich mir auch ein Leben ohne Musik vorstellen. Seltene Alben und Sondereditionen auf Vinyl üben einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Schallplattenkäufer sind mir in der Regel sympathischer als Leute, die ihre Musik auf CD kaufen oder aus dem Netz laden. Wenn ich ein großer Fan von einem Künstler bin, verfolge ich aufmerksam alle Neuigkeiten von und über ihn. Das Sammeln von Schallplatten ist für mich fast genauso wichtig, wie das Musikhören selbst. Zwischen Schallplatten und anderen Tonträgern besteht für mich kein großer Unterschied. Schallplatten sind nicht unbedingt was für jedermann. Im Vergleich zu Schallplatten klingen moderne Tonträger total steril. Digitale Tonträger haben durchaus ihre Vorteile. Die Musikindustrie erfindet ständig neue Tonträgerformen, um den Konsumenten zu schröpfen. Durch das Internet ergeben sich gerade für Musik-Fans eine Vielzahl neuer Möglichkeiten. Ich bin der Meinung, den digitalen Medien gehört die Zukunft. Wenn es von heute auf Morgen keine Schallplatten mehr geben würde, hätte ich kein Problem damit auf andere Tonträger umzusteigen. Manchmal bin ich beängstigt von dem rasanten Tempo der technologischen Entwicklung heutzutage. Der Kauf von Vinyl-Schallplatten stellt für mich auch einer Art Protest gegen die Digitalisierung unseres kulturellen Alltags dar. 16. Mit welchen der folgenden technischen Einrichtungen ist ihr Haushalt ausgestattet? Plattenspieler DVD-Player

CD-Player/Discman Computer

MP3-Player

Kassettenrecorder/Walkman

MD-Player

Internetzugang

17. Benutzen Sie Schallplatten auch zum Mixen und Scratchen? Ja

Nein

Ich weiß nicht, was das ist

Bitte umblättern

18. Sind Sie als DJ aktiv? Ja

Nein

19. Falls ja, verdienen Sie mit dem Auflegen von Schallplatten vielleicht sogar Ihren Lebensunterhalt? Falls nein, überspringen Sie bitte diese Frage. Ja

Teils, teils

Nein

Nun nur noch einige Fragen zu Ihrer Person: 20. Wie alt sind Sie? Ich bin ______ Jahre alt? 21. Sind Sie männlich ? oder

weiblich ?

22. Welches ist Ihr bislang höchster Bildungsabschluss? Ich bin noch Schüler/Schülerin

Haupt- (Volks-) Schulabschluss

Realschulabschluss (mittlere Reife) oder gleichwertiger Abschluss

Fachhochschulreife

Allgemeine Hochschulreife (Abitur)

(Fach-) Hochschulabschluss

Ich habe keinen allgemeinen Schulabschluss

Ich habe einen anderen Abschluss, nämlich ___________________________________

23. Als was sind Sie zurzeit tätig? Schüler/in

Auszubildende/r

Student/in

Zivildienst/Bundeswehr

Halbtagstätige/r

Ganztagstätige/r

Hausfrau/-mann

Rentner/in

Auf Arbeitssuche, ohne Beschäftigung

24. Wie groß ist ihr persönliches Nettoeinkommen insgesamt im Monat in Euro? unter 500

500 bis unter 1000

1000 bis unter 1500

1500 bis unter 2000

2000 bis unter 2500

mehr als 2500

Das war´s auch schon. Vielen herzlichen Dank, Sie haben mir wirklich sehr geholfen!

B) OPERATIONALISIERUNG DER NUTZUNGSMOTIVE

Legende: F = Frage Antwortvorgaben stehen in Klammern hinter der Frage. I = Item Bei den Items konnten die Befragten ihre Einstellung gegenüber den jeweiligen Statements auf einer fünfstufigen Skala mit verbalisierten Mittel- und Endpunkten abstufen (von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ über 3 = „Teils, teils“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“).

Ästhetik Optische Qualitäten I: Ich finde, Schallplatten machen optisch was her. I: An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das große Plattencover. Haptisches Erleben I: Vinyl ist für mich noch richtig „Musik zum Anfassen“. I: An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…dass man die Musik anhand der Rillen sehen, erkennen und fühlen kann. Klang I: Meiner Meinung nach bleibt die Schallplatte in punkto Klang unübertroffen. I: An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…den besonderen Klang. I: An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das Rauschen und Knacken beim Abspielen der Platte. Bedienung Handhabung I: Ich schätze die Handhabung von Schallplatten. I: Ohne Staub-Entfernen, Seiten-Umdrehen und Nadel-Aufsetzen macht Musikhören einfach nicht soviel Spaß. Instrumentalität F: Benutzen Sie Schallplatten auch zum Mixen und Scratchen? (Ja/Nein/Ich weiß nicht, was das ist)

Angebot Angebotsvielfalt I: Einige der Titel, die ich mir kaufe, sind ausschließlich auf Vinyl erhältlich. I: Durch den Erwerb von Schallplatten kann mein persönlicher Musikgeschmack am besten befriedigt werden. I: An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…die Bandbreite und Vielfalt der angebotenen Musik. I: An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…das Angebot an besonders seltenen und interessanten Titeln abseits des Mainstreams. Status/Sammelbedürfnis I: Seltene Alben und Sondereditionen auf Vinyl üben einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. I: Eine umfangreiche Plattensammlung ist für mich persönlich eine Art Statussymbol. I: Das Sammeln von Schallplatten ist mich fast genauso wichtig wie das Musikhören selbst. Preis I: An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…den niedrigen Preis bei Secondhand-Artikeln. Ablehnung alternativer Tonträger Distinktion I: Schallplatten sind nicht unbedingt was für jedermann. I: Zwischen Schallplatten und anderen Tonträgern besteht für mich kein großer Unterschied. I: An Vinyl-Schallplatten schätze ich besonders…dass man sich durch den Kauf von Schallplatten von der breiten Masse abhebt. Einbindung in soziales Gefüge I: Schallplattenkäufer sind mir in der Regel sympathischer als Leute, die ihre Musik auf CD kaufen oder aus dem Netz laden. I: Kontakt mit anderen Plattensammlern ist mir ausgesprochen wichtig. I: Wenn ich Platten kaufen gehe, treffe ich meistens Leute, die ich kenne. Nostalgie I: Wenn ich Schallplatten auflege, werden bei mir oft alte Erinnerungen wach. I: Mit Schallplatten verbinde ich Teile meiner Vergangenheit. Ausdruck von Protest I: Die Musikindustrie erfindet ständig neue Tonträgerformen, um den Konsumenten zu schröpfen. I: Der Kauf von Vinyl-Schallplatten stellt für mich auch einer Art Protest gegen die Digitalisierung unseres kulturellen Alltags dar.

C) GENERIERUNG DER FRAGEBÖGEN UND RÜCKLAUFQUOTEN Ort der Erhebung

Abgegebene Fragebögen

Rücklauf

RücklaufQuote in %

Münster, Elevator DJ-Flohmarkt

60

52

86,7

Hannover, Faust 60er Jahre-Hall

45

29

64,4

Plattenbörsen gesamt

105

71

67,1

25

12

48

10

8

80

18

4

22,2

12

6

50

15

8

53,3

12

1

8,3

40

7

17,5

15

15

100

17

13

76,5

5

4

80

5

2

40

20

4

20

20

15

75

20

16

80

12

3

25

256

118

46,1

Mensa Kurt-Schwitters Forum

3

3

100

Konzert: „Hannover Robust“ Release-Party

10

9

90

Privat

7

6

85,7

Sonstiges gesamt

20

18

90

381

207

54,3

Plattenbörsen

Plattenläden 25 Music Burnout Records Championship Records Crazy Tunes Groove City Hot Shot Records Michelle records Plattenrille Rekord Ruff Trade/ Reggae Revive Scratch Records Selekta Shop Slam Records Street Sounds Subsound

Lister Meile 25 30161 Hannover Beim Grünen Jäger 21 Hamburg 20359 Susannenstraße 21 20357 Hamburg Nikolaistraße 13 30159 Hannover Marktstraße 114 20357 Hamburg Nordmannpassage 1 30159 Hannover Gertrudenkirchhof 10 20095 Hamburg Grindelhof 29 20146 Hamburg Schulterblatt 84 20357 Hamburg Feldstraße 48 20095 Hamburg Schanzenstraße 79 20357 Hamburg Bartelstraße 11 20357 Hamburg Schulterblatt 104 20357 Hamburg Königstraße 51 30175 Hannover Schanzenstraße 95 20357 Hamburg

Plattenläden gesamt Sonstiges

Gesamtbilanz

D) ERKLÄRUNG

Hiermit versichere ich, Robert Arndt, dass ich noch an keinem anderen Bachelorprüfungsverfahren im Fach Medienmanagement an einer wissenschaftlichen oder künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschule im Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes ohne Erfolg teilgenommen habe. Außerdem versichere ich, diese Arbeit selbstständig verfasst zu haben und keine anderen, als die hier angegebenen Quellen und Hilfsmittel, verwandt zu haben.

Hannover, den 09.09.2005

Robert Arndt

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