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Die Geschichte des Dokumentarfilmgenres unter Berücksichtigung inhaltlicher Schwerpunkte im Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen
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Module Name:
Creative Perspectives
Module Number:
204
Date Submitted:
05.09.2006
Award Name:
Bachelor of Arts (Honours) Film Making
Year:
2005 / 2006
Name:
Julio Olmo Poranzke
City:
Berlin
Country:
Germany
Module Leader:
Frank Lymann
Staffing:
Peter Duhr
Word Count:
5274
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Inhaltsverzeichnis 1 Die Geschichte des Dokumentarfilmgenres unter Berücksichtigung inhaltlicher Schwerpunkte im Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen...................4 1.1 Definition des dokumentarischern Films....................................................................... 4 1.2 Die Anfänge des Films 1895......................................................................................... 5 1.3 Dokumentarfilme vom ersten Weltkrieg bis zur Einführung des Tonfilms......................6 1.4 Der beschreibende Dokumentarfilm, der Agitpropfilm und die Essays........................10 1.5 Die Einführung des Tonfilms....................................................................................... 12 1.6 Der Dokumentarfilm während des zweiten Weltkrieges.............................................. 13 1.7 Die Einführung des Farbfilms......................................................................................14 1.8 Der Siegeszug des Fernsehens in der Nachkriegszeit................................................15 1.9 Cinéma Vérité, Direct Cinema und Free Cinema....................................................... 16 1.10 Der Dokumentarfilm in der Deutschen Demokratischen Republik.............................18 1.11 Der Entwicklung des Dokumentarfilms zum Bürgermedium und die Einführung elektronischer Kameras.................................................................................................... 19 1.12 Von der Einführung des digitalen Videos bis heute................................................... 20 Literaturverzeichnis............................................................................................................ 22
Julio Olmo Poranzke
Geschichte des Dokumentarfilms
05. September 2006
1 Die Geschichte des Dokumentarfilmgenres unter Berücksichtigung inhaltlicher Schwerpunkte im Zusammenhang mit den politischen Machtverhältnissen Diese Arbeit betrachtet die Entwicklung des Dokumentarfilms und der Filmtechnik mit Blick auf die Vereinnahmung als Propagandainstrument in Deutschland und den ihr vorangegangenen Staaten mit Schwerpunkt auf den ersten und zweiten Weltkrieg. Der Begriff Propaganda wird in dieser Arbeit entsprechend seines lateinischen Ursprungs propagare als Synonym für die Ausbreitung/-weitung einer Meinung oder Überzeugung verwendet1, also auch für Werbung.
1.1
Definition des dokumentarischern Films
Im Laufe der Zeit haben sich zahlreiche Subgenres des dokumentarischen Films gebildet, doch können die meisten einem der folgenden drei Ansätze, die bereits in den 30er Jahren entstanden , zugeordnet werden:2 •
der aufklärerische, erziehende Dokumentarfilm (Propagandafilm) – vorrangiges Ziel ist die „Schaffung eines Weltbildes“,
•
d e r informative, 'objektive' Dokumentarfilm – betrachtende, keine Wertung mitliefernd (theoretisch),
•
der
betont
subjektive, assoziative,
künstlerische
Dokumentarfilm
–
avantgardistisch, den Zuschauer zum Nachdenken und Schlussfolgern anregend. Der informative Dokumentarfilm erhebt den Anspruch, die Wahrheit/Wirklichkeit objektiv und authentisch abzubilden. Doch darf nicht vergessen werden, dass allein schon durch die Anwesenheit des Kamerateams die Situation verfälscht oder zumindest beeinflusst wird, und somit kein Dokumentarfilm, gleich welchen Ansatz er verfolgt, wirklich objektiv sein kann. Seriöse Dokumentarfilme sollten diese Beeinflussung für den Zuschauer erkennbar machen, z.B. durch Kommentare oder andere Hinweise. Häufig fehlt dem Zuschauer dieser Hinweis jedoch. In
der
Filmwissenschaft
wird
zwischen
einfachen
Dokumenten,
wie
z.B.
Nachrichtensendungen die nur „eine simple Abbildung“ 3 der Wirklichkeit darstellen, und 1 2 3
vgl. Fischer, Yvonne, Propaganda im Nationalsozialismus, S. 1 vgl. AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay
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zwischen 'echten' Dokumentarfilmen, die versuchen die Wirklichkeit zu zerlegen, zu analysieren, die versuchen abzubilden, zu erzählen oder zu untersuchen, unterschieden. Beiden Formen gemein ist der Anspruch, die Wirklichkeit realitätstreu abzubilden 4 -oder zumindest den Zuschauer glauben zu lassen, es handele sich um eine Abbildung der Realität. Neben dieser Unterscheidung kommt noch hinzu, dass die Grenze zwischen fiktionalen und nicht-fiktionalen Produktionen nicht immer klar erkennbar ist. Einen solchen Grenzbereich stellen z.B. die „Postkarten-Reisefilme“5 dar, Filme die eine idyllisierte Welt zeigen, die so gar nicht mehr existiert. Auch wenn sie oft das Etikett Dokumentarfilm tragen, „tendiert ihr Wirklichkeitsbezug gegen Null“.6 Sie können eher als idyllische Wunschvorstellung denn als Werk von dokumentarischem Wert bezeichnet werden. Auch Lehrfilme sind ein weiteres Beispiel für nicht-fiktionale Filme, die nicht als Dokumentarfilme im eigentlichen Sinne zu bezeichnen sind, sondern eher ein beschreibendes Dokument als eine Analyse der Wirklichkeit sind. Die Steigerung der Lehrfilme sind die Industriefilme, von Wirtschaftsunternehmen bezahlte und in Auftrag gegebene Werbe-, oder Propagandafilme, was aber für den Zuschauer aber oft nicht klar erkennbar ist, weshalb die genannten Formate nicht außer Acht
gelassen
werden
dürfen,
spielten
und
spielen
sie n o c h als Mittel der
Wirtschaftspropaganda eine nicht zu unterschätzende Rolle.7
1.2
Die Anfänge des Films 1895
Bereits die ersten „bewegten Bilder“ können als Vorläufer des Dokumentarfilms bezeichnet werden. Im Jahr 1895 fanden die ersten öffentlichen Film-Aufführungen statt, im deutschen Kaiserreich zeigten die Gebrüder Skladanowski den Film Boxendes Känguruh mit Mr. Delaware, in Frankreich präsentierten die Gebrüder Lumière Arbeiter verlasen die Lumière-Werke Doch diese kurzen Filme hatten noch nicht viel gemeinsam mit den heutigen Dokumentar- oder Nachrichtenfilmen. Durch die großen relativ unbeweglichen Kameras konnte nur mit dem Stativ gefilmt werden, das Filmmaterials war sehr kurz und Filmmontage als gestalterisches Mittel fand noch keine Verwendung.8 So verloren bei aller Faszination für das Neue die statischen Bilder doch schnell ihren 4 5 6 7 8
vgl. ebd. ebd. ebd. vgl. Kittel, Walter, In: dradio.de, Zweitverwertung fürs Firmen-TV vgl. Faulstich, Werner, Filmgeschichte, S. 19
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Reiz für die Zuschauer. Bereits 1896 drehte der „erste Regisseur der Filmgeschichte“9 George Méliès seine ersten Film (Une Partie des Cartes). Der Franzose gilt als Pionier, der komplexen Handlungsstränge, der Filmmontage und der Spezialeffekte (Stoptrick) in Spielfilmen einsetzte (z.B. Le voyage dans la lune, 1902) und legte damit den Grundstein für (fast) alle spätere Filme. Ab 1908 entstanden die ersten Dokumentarfilme10,
einer der Pioniere war der
österreichische Ethnograph Rudolf Pöch (Bushman Speaks into the Phonograph, 1908). Mit zu den ersten Propagandafilmen zählten Werbefilme, die bereits zu Beginn der zehner Jahre produziert wurden (z.B. Blick in eine Automobilfabrik, 1910 für Opel, Deutsches Kaisereich). Sie wiesen mehr Ähnlichkeit mit sachlichen Lehrfilmen auf als mit heutigen Image- oder Werbefilmen. Häufig wurde der Herstellungsprozess eines Produktes gezeigt, und am Ende waren glückliche Konsumenten zu sehen. Bei Filmen über die Nahrungsmittelindustrie wurde am Ende gerne der genüssliche Verzehr des beworbenen Nahrungsmittels gezeigt.11 Der Begriff Dokumentarfilm wurde erst 1926 durch John Grierson geprägt, als er in einem Artikel in der Zeitung The New York Sun den Film Moana von Robert J. Flaherty lobte.12 Die Gebrüder Lumière dagegen bezeichneten ihre Filme nur als vues (Ansichten). Einen Unterschied zwischen fiktionalen und nicht-fiktionalen Filmen sah dabei Richard M. Barsam, ein Anhänger Griersons, nur darin, dass der nicht-fiktionale Film Fakten und nicht Fiktionen dramatisiert.13
1.3
Dokumentarfilme vom ersten Weltkrieg bis zur Einführung des Tonfilms
Diese Dramatisierung der Fakten erreichte einen ersten Höhepunkt in den zahlreichen Propagandafilmen des ersten Weltkrieges, in denen, "durch passende (und unpassende) Filmszenen
veranschaulicht
und
belegt"14, hauptsächlich
propagandistische
Behauptungen über die Moral der Truppe oder die Niedertracht des Gegners verbreiten wurden. Die Aussagen dieser Stummfilme wurden durch Zwischentitel, Begleithefte oder Sprecher15 ergänzt und verstärkt bzw. die Filmbilder stellten eine Ergänzung und 9 10 11 12 13 14 15
ebd. S. 20 vgl.AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 73ff vgl. ebd. S. 21ff vgl. ebd. S. 73 vlg. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 75 vgl. Laurel & Hardy, The Official Website
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Verstärkung der eigentlichen Aussage dar.16 Da die Kameraleute während der Kampfhandlungen nicht nah genug an das Schlachtfeld heran kamen, - die Kameras waren noch immer sehr groß und unbeweglich und besaßen noch keine Zoomobjektive, zudem war es natürlich nicht ungefährlich, während der Kämpfe sich auf dem Schlachtfeld aufzuhalten - wurden die Kampfszenen nachgestellt, wobei auf die Darstellung von Toten und Verletzten aus Propagandagründen verzichtet wurde. Bilder von realen Geschehnissen gelangten nur sehr selten in die Kinos und wenn, beschränkten sie sich auf zerstörte Gebäude, Brücken oder Kirchen, wobei letztere ausnahmslos als vom Feind zerstört präsentiert wurden. Eines der wichtigsten filmischen Formate zur Verbreitung der Kriegspropaganda stellten die Wochenschauen dar. Im Deutschen Reich begann Oskar Messter schon 1896 mit der Produktion eines Vorläufers der späteren Wochenschauen (Messter-Woche), der Aktualitätenschau, doch konnte er sich damit (wie auch andere deutsche Versuche in dieser Richtung) nicht gegen die Konkurrenz aus dem Ausland, vor allem aus Frankreich, durchsetzen.17 Dies änderte sich erst durch das Verbot ausländischer Produktionen nach Ausbruch des ersten Weltkrieges. Gezeigt wurden die Wochenschauen meistens im Vorprogramm
von
Spielfilmen.
Zu
Beginn
des
Krieges
waren
dies
oft
Kriegspropagandafilme, doch mit der Dauer des Krieges sank das Interesse der Bevölkerung an ihnen und den Wochenschauen kam eine noch größere Bedeutung zu.18 Bis 1916 hatten die Mester-Wochenschauen mehr als 34 Millionen Besucher.19 Die Wochenschauen waren oft eher schlecht inszenierte Propaganda-Filme über glückliche Frontsoldaten, als seriöse Informationsquelle und wurden, wie auch die erläuternden Zwischentitel, mit fortwährender Dauer des Krieges vom Publikum als unglaubwürdig empfunden. Zur Stärkung und Organisation bzw. Zensur der Inhalte wurde 1916 die militärische Filmund Fotostelle eingerichtet und 1917 umstrukturiert und umbenannt in Bild und Filmamt (BuFa)20. Dieses, der Obersten Heeresleitung unterstellte Amt verfügte über sechs21 bis sieben22 (in der Fachliteratur sind abweichende Angaben zu finden) eigene Filmtrupps, die zur Berichterstattung an die Front geschickt wurden oder Militärparaden, jubelnde 16 17 18 19 20 21 22
vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 75 Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen vgl. Laser,Kurt, Zentrum der Filmpropaganda, In: Berlinische Monatsschrift 4/2000, S. 49-57 vgl. ebd. S. S. 55 vgl. Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 87 vgl. Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen
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Menschen und natürlich den Kaiser abbilden mussten. Es gab noch weitere Organisationen wie die Deutsche Lichtbild-Gesellschaft (DLG), gegründet 1916 mit Unterstützung von Vertretern der deutschen Schwerindustrie,23 deren Ziel es war, die deutschen und vor allem die eigenen wirtschaftlichen Interessen im Inund Ausland zu stärken und zu bewahren. Die DLG stand in Konkurrenz zur BuFa, obwohl sie ähnliche Interessen verfolgte. 1927 wurden beide in die 1917 gegründete Universal Film Aktiengesellschaft (Ufa) eingegliedert.24 Je länger der Krieg andauerte, umso mehr Lichtspielhäuser wurden eröffnet und boten mit ihrem übertriebenen Luxus einen Zufluchtsort vor der trostlosen und aussichtslosen Realität. Im April 1914 gab es in Berlin 195 Kinos, zu Ende des ersten Weltkrieges (November 1918) waren es bereits 312.25 Auch in den anderen beteiligten Ländern des zweiten Weltkrieges wurden ähnliche Propagandafilme gedreht und auch dort wurde auf Tote meistens verzichtet. Als 1915 Bilder von toten französischen Soldaten gezeigt werden, hielt „ein Kritiker des Londoner Dispatch […] sie zur Vorführung für ungeeignet.“26 Für die Anwerbung neuer Rekruten sollten vornehmlich die heiteren und angenehmen Seiten für die Soldaten in dem Krieg gezeigt werden. Doch schon ein Jahr später kam in Groß-Britannien der Dokumentarfilm The Battle Of Somme in die Kinos, der diese Zurückhaltung ablegte. Dieser Film zeigte chronologisch die gesamte Schlacht, von den Vorbereitungen bis zu den natürlich auch in diesem Film nicht fehlenden fröhlichen und siegreichen eigenen Soldaten nach Ende der Schlacht. Doch erstmals wurden auch gezielt tote Soldaten gezeigt. Aber auch dieser Film kam nicht ohne gestellte Szenen (re-enactments) aus. Der Angriff der englischen Soldaten wurde erwiesenermaßen nachgestellt.27 Der Historiker Roger Smither hält diesen inszenierten Propagandafilm des britischen War Office trotz der nachgestellten Szenen für einen dokumentarischen Kriegsfilm von historischer Qualität.28 Nach Martin Loiperdinger kann auf die Frage nach dem ersten Dokumentarfilm, wenn überhaupt, nur The battle of the somme genannt werden. In der Sowjetunion wurden Dokumentarfilme während der Revolution ebenfalls zu Propagandazwecken eingesetzt, um die Vorzüge der Revolution zu preisen. Doch danach 23 24 25 26 27 28
vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 89 vgl. Laser,Kurt, Zentrum der Filmpropaganda, In: Berlinische Monatsschrift 4/2000, S. S. 57 vgl. Kreimeier, Klaus, Die Ufa-Story, S. 44 Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 76 vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 78 vgl. ebd. S. 78
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Geschichte des Dokumentarfilms
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mangelte es an Filmmaterial, so wie generell in weiten Teilen der Wirtschaft Mangel herrschte,
so
dass
die
„Chronisten
gezwungen
[waren],
mit
aufwendigen
Montagetechniken und schnellen Schnittfolgen die reinen Dokumentationen mit bewusst eingesetzten künstlerischen Mitteln aufzuwerten.“29 Ab 1922 leitete Dsiga Wertow die Produktion der Kino-Pradwas (Kinowahrheiten) in der Sowjetunion, Monatsrückschauen ähnlich den Wochenschauen, jedoch „über den reinen Informationszweck
[…]
hinausgehend
montiert
[…]
publizistischen Blick auf den zurückliegenden Monat.“
zu
einem
umfassenden
30
1923 veröffentlichte Wertow sein Manifest Kinooki (Kinoauge oder Filmauge), indem er forderte, „die Vergewaltigung der Kamera“31 zu stoppen. Die Kamera sollte nicht mehr das menschliche Auge kopieren, sondern dessen Schwächen an den Tag bringen. Wertow entwickelte das Prinzip, augenscheinlich (im wahrsten Sinne) nicht zusammengehörige Bilder hintereinander zu montieren und erst das Gehirn des Betrachters die Zusammenhänge herstellen zu lassen.32 Wertows Manifest hatte Einfluß auf viele Filmemacher auf der ganzen Welt. In der Weimarer Republik ließ z.B. Berlin: Die Sinfonie der Großstadt (1927) von Walter Ruttmann, teilweise mit versteckter Kamera gedreht, den Einfluss Wertows und auch Eisensteins erkennen. Später ließ sich Leni Riefenstahl von Ruttmanns Film beeinflussen und engagierte ihn.33 In den USA dominierten zur damaligen Zeit klischeehaftige Reisefilme und kurze Filme über ein aktuelles Thema (Interest-Filme).34 In Groß-Britannien waren Dokumentarfilme „als soziale Institution mit der Funktion eines informationspolitschen Mediums“35 weit verbreitet. Merson z.B. sah den dokumentarischen Film als ein „Mittel der Industriegesellschaft, die Staatsbürger aufzuklären und zu erziehen.“36 In
Frankreich
dominierten
deutsche
und
amerikanische
Produktionen
den
Filmmarkt,Italiens Filmindustrie hatte noch unter den wirtschaftlichen Folgen des Krieges zu leiden.
29 30 31 32 33 34 35 36
AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms 35 Millimeter – Texte zur internationalen Filmkunst, Kino-Glas (Film-Auge) ebd. vgl. ebd. vgl. Deutsches Filminstitut, Biografie Walther Ruttmann vgl. AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms 35 Millimeter, Kino-Glas (Film-Auge) ebd.
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1.4
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Der beschreibende Dokumentarfilm, der Agitpropfilm und die Essays
In dem Film Birth of a Nation (USA, 1915), aufgrund seine rassistischen Inhalte stark kritisiert, entwickelt David W. Griffith die durch "die Schule von Brighton und anderen europäischen Filmemachern"37 entdeckten Mittel der Filmmontage weiter und schaffte so die noch heute gängigen Grundregeln des "szenischen Aufbaus von Filmen"38 (ContinuitySystem). Die Verwendung von Montage, Bildkomposition, Auslassungen, Dramatisierungen, etc. als Mittel des Erzählens fand auch im Dokumentarfilm im immer mehr Verwendung. Es wurde nicht mehr versucht, vorrangig die Realität möglichst objektiv wiederzugeben, oder es zumindest so aussehen zu lassen, sondern „die Realität ergab sich daraus, dass der beschreibende Dokumentarfilm seinen ’Objekten’ ein Forum gibt, sie vertritt und zu Wort kommen lässt.“39 Einer der ersten beschreibenden Dokumentarfilme Robert Flahertys Film Nanook of the North (1922, USA), gedreht mit einer für die damalige Zeit relativ handlichen NewmanSinclair-Kamera, mit dem er weltweit für Aufsehen sorgte. In diesem Film setzte er die später verpönte (und trotzdem damals wie heute häufig angewandte) Inszenierung vor der Kamera ein, z.B. passte seine Filmausrüstung nicht in einen Iglu, so ließ er einen halben Iglu bauen. Aus bildästhetischen Gründen durften die Inuit nicht mit dem Gewehr jagen, obwohl dies längst ihre gewohnte Jagdweise darstellte. 40 Während in Flahertys Filmen dem Zuschauer die Inszenierungen noch verheimlicht wurden, forderten die Anhänger des Agitpropfilms (ein Kunstwort aus Agitation und Propaganda) in Erkenntnis der Tatsache, dass die Realität nicht objektiv wiedergegeben, sondern nur interpretiert werden kann, den Dokumentarfilm (und auch den Spielfilm) als einzusetzen zur Schaffung einer neuen Wirklichkeit, als Mittel der politischen Aufklärung. Der Agitpropfilm sollte den Zuschauer von einem Standpunkt oder einer Anschauung überzeugen, verheimlicht diesen Anspruch aber nicht und ist somit „allemal ehrlicher als ein seriös verpackter, vorgeblich objektiver Dokumentarfilm, der seinen Standpunkt verleugnet.“41 Durch die „pointierte Montage der Dokumente“ 42, z.B. eine Aussage durch 37 38 39 40 41 42
35 Milimeter, Filminfo - Geburt einer Nation ebd. AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay Wikipedia.de, Dokumentarfilm AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay ebd.
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Geschichte des Dokumentarfilms
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Gegeneinanderstellung von, einzeln betrachtet unabhängigen Bilder auszudrücken, ist ein Agitpropfilm gut von beschreibenden Dokumentarfilmen zu unterscheiden. Im Deutschen Reich stellte der Agitpropfilm anfangs ein Gegengewicht der politischen Linken zu den propagandistischen Wochenschauen von Staat und Wirtschaft dar, nach dem Krieg tendierten die Wochenschauen zur aktuellen Berichterstattung über Kultur, Sport, Politik, Unterhaltung und Wirtschaft.43 Der Agitpropfilm blieb ein Propagandamittel der Linken. In der Sowjetunion wurde der Agitpropfilm zur Unterstützung und Verbreitung der sozialistischen Ideologie verwendet. Die meisten Wochenschauen (z.B. Messter-Woche, Deulig-Woche und später UfaWoche) wurden von der Ufa produziert, die seit ihrer Gründung zahlreiche Konkurrenten übernommen hatte und über die gesamte Produktionskette von der Aufnahme bis zu eigenen Kinos verfügte. Aber es gab auch Versuche die Vormachstellung der politisch eher rechtsnational dominierten Ufa zu brechen, z.B. durch die SPD-nahe Emelka-Woche d e r Prometheus Film-Verleih und Vertriebs Gesellschaft und der ebenfalls dem linken Spektrum zuzurechnenden, auf Dokumentarfilm spezialisierten Weltfilm GmbH.44 Neben dem Agitpropfilmen gab es noch die Essayfilme (z.B. Kinoglas, Wertow 1923, Sowjetunion). Diese Filme transportierten auch ein Thema und wollten den Zuschauer überzeugen,
doch
sie
nutzten
nicht
mehr
nur
„konventionelle
Dokumente
(Filmausschnitte, Gesprächsfetzen Landschaftsaufnahmen, Fotografien o.a.)“45 sondern setzten verstärkt auf subjektive Darstellung, versuchten Gedanken und Gefühle zu visualisieren. „Charakteristisch für den Essayfilm ist neben der eher assoziativen Verarbeitung von Thema oder Idee ein hohes Maß an Ästhetik und Formenbewusstsein.“46 Bekannte Vertreter sind z.B. der Niederläner Joris Ivens (The Spanish Earth, 1937), oder später der fränzösisch-schweizerische Regisseur Jean-Luc Godard (Die Geschichte der Nana S., 1962) und die Westdeutschen Harun Farocki (Zwischen zwei Kriegen, 1978) und Hartmut Bitomsky mit seinem dreiteiligen Filmprojekt Deutsche Trilogie von (1984-89).
43 44 45 46
vgl. Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen vgl. Wikipedia.de, Prometheus Film AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay AFK, Dokumentarfilme - Vom Dokument zum Essay
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Julio Olmo Poranzke
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Geschichte des Dokumentarfilms
05. September 2006
Die Einführung des Tonfilms
Eine entscheidende Entwicklung stellte die Einführung des Tonfilms dar. Erste Versuche, bewegte Bilder und Ton zu synchronisieren, fanden bereits 1877 durch den Briten W. Donnisthorpe und 1900 durch US-Amerikaner Thomas Edison statt, doch erst 1922 stellte der Pole Józef Tykocinski-Tykociner das auch heute noch in ähnlicher Form eingesetzte Lichttonverfahren der Öffentlichkeit vor.47 Obwohl Lee de Forest (USA) schon 1923 die ersten kommerziellen Tonfilme vertrieb, dauerte es noch bis 1927, bis der erste abendfüllende Tonfilm seine Premiere feierte (The Jazz Singer, USA 1927) und noch drei weitere Jahre, bis der Stummfilm endgültig verdrängt wurde. In der Sowjetunion wurden mangels ausreichenden Tonfilmmaterials noch bis 1935 viele Stummfilme produziert.48 Seit 1930 boten sich auch für die deutschen Wochenschauen durch Kommentare, Musik und Geräusche völlig neue Möglichkeiten. Wobei der Film niemals wirklich stumm war, vor Einführung des Tonfilms begleiteten Musiker die Aufführungen, teilweise wurden Sprecher zur weiteren Erläuterung eingesetzt, oder die Zuschauer erklärten sich gegenseitig das Geschehen. Da die Filmindustrie das schnell wachsende Interesse an Tonfilmen nicht ausreichend stillen konnte, wurden auch viele Stummfilme aus den Jahren 1928 bis 1929 nachträglich vertont.49 Doch durch den Tonfilm ergab sich das Problem, dass nun zusätzlich zu den immer noch relativ unhandlichen Filmkameras auch noch schweres und noch unausgereiftes TonEquipment bedient werden musste. Die Protagonisten mussten sich um das Mikrophon herum aufstellen und sehr direkt hineinsprechen. Die um 1925 in der Weimarer Republik stattgefundene Befreiung der „Kamera vom Stativ“50, wurde durch die Montage der Kamera auf Rädern wieder eingeschränkt. Außerdem waren die Kameras sehr laut, weshalb sie in schallgedämpfte Kästen eingebaut wurden, was aber wiederum zu großen und schlecht zu bewegenden Kameras führte, und so die Fortschritte, z.B. durch die Einführung kleinerer 16-Millimeter-Kameras (um 1923), wieder reduzierte. Um das Team und vor allem das technische Equipment nicht noch aufdringlicher erscheinen zu lassen, wurde daher wurde oft auf „die Lastwagen mit den Tonausrüstungen [verzichtet, um die] intime Atmosphäre, die der Dokumentarist zwischen 47 48 49 50
vgl. Wikipedia.de, Tonfilm vgl. 35 Millimeter, Tonfilm in der Sowjetunion vgl. MSN Encarta ebd.
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sich und seinem Gegenüber zu schaffen bemüht war“ 51, nicht noch mehr zu stören und somit die Szenerie über Maß zu beeinflussen. Musik, Geräusche und Kommentare wurden erst nachträglich unter den Film gelegt. Besonders britische Dokumentarfilmer zeigten sich dabei äußerst phantasievoll und oft experimentierfreudiger als ihre Spielfilmkollegen. 52
1.6
Der Dokumentarfilm während des zweiten Weltkrieges
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten erreichte die Staatspropaganda zuvor nie gekannte Ausmaße. Davon war auch der Dokumentarfilm stark betroffen, gerade die Wochenschauen wurden wieder zu einem Hauptpropagandainstrument des Staates, informierende oder gar kritische Werke wurden verboten. Die während der Weimarer Republik weitestgehend abgeschaffte Vorzensur wurde wieder eingeführt und ab 1938 wurden alle Kinobetreiber zwangsverpflichtet, die Wochenschauen, die bereits fast ganz unter der Kontrolle der NSDAP standen, aufzuführen. Unterhaltsame Auflockerung der Wochenschauen wurde verboten. Ab 1940 stand die Wochenschauproduktion vollständig unter der Aufsicht der NSDAP und alle bisherigen Wochenschauen wurden zur Die deutsche Wochenschau zusammengeschlossen. Bis Kriegsende entstanden zusätzlich zu den üblichen Kinos zehn so genannte Aktualitäten-Kinos, die nichts anderes aufführten als Die deutsche Wochenschau mit bis zu zwölf einstündigen Vorführungen pro Tag. Um ihre Ideologie auch im Ausland zu verbreiten, wurde die Auslandstonwoche (ATW) in bis zu 18 verschiedenen Sprachversionen produziert und in 37 verschiedene Länder exportiert.53 Der Sprecher der Wochenschauen, Harry Giese, war in gleicher Funktion auch für den antisemitischen Propagandadokumentarfilm Der ewige Jude verantwortlich. Der Kompilationsfilm Jugend der Welt (1936) von Carl Junghans, ein Zusammenschnitt von Wochenschaumaterial von über 50 Kameramännern, gewann 1936 den Preis als bester ausländischer Dokumentarfilm beim Filmfestival in Venedig. Allerdings konnte sich Jungshans, "der als politisch links stehend galt"54, nicht gegen seine Hauptkonkurrentin um Staatsaufträge, Leni Riefenstahl, durchsetzen.55 51 52 53 54 55
Reisz, Karel, Millar, Gavin, Geschichte und Technik der Filmmontage, S. 114 vgl. ebd. S. 114 vgl. Seidel-Dreffke, Björn, Die Geschichte der deutschen Wochenschauen vgl. Von Keitz, Ursula & Hoffmann, Kai (Hrsg.), Die Einübung des dokumentarischen Blicks, S. 184 vgl. ebd. S. 184
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05. September 2006
Für die meisten und ab 1942 für alle Filmproduktionen fiktionaler wie auch nicht-fiktionaler Filme, wobei letztere wesentlich mehr produziert wurden56, war die Ufa verantwortlich, auch für einen der berühmtesten und aufwändigsten der damaligen Zeit, den Dokumentarfilm Triumph des Willens (1934) von Leni Riefenstahl. In diesem Film wurde nicht bloß der Reichsparteitag in Nürnberg "dokumentiert, sondern stilisiert [und] emotional und verherrlichend inszeniert"57. Neben Lobpreisungen der nationalsozialistischen Rassenideologie und den späteren Durchhalteparolen dominierten Filme über die NSDAP und ihre Organisationen zur Stärkung der ‚Volksgemeinschaft’ und zur 'Aufopferung' für die nationalsozialistische Überzeugung, antisemitische, antibritische, antikommunistische und antirussische Filme sowie Filme zur Euthanasie (z.B. Erbkrank, 1936).58 Dazu kommen noch Natur- und Tierfilme, die aber nach Meinung einiger Historiker letztendlich meistens auch nur als Lobpreisungen auf die Herrenrasse anzusehen sind. 59 Auch auf Seiten der Alliierten wurden zahlreiche Filme rund um den Krieg produziert, um die Bereitschaft der Bevölkerung zu erhalten, in den Krieg einzusteigen, oder um die Moral der Truppe aufrecht zu erhalten. Ausserdem gab es Propagandafilme gegen den jeweiligen Kriegsgegner (z.B. antijapanische Filme in den USA). Während des Krieges produzierten viele Regisseure, die heute vornehmlich für ihre Spielfilme bekannt sind, Dokumentarfilme. Oftmals thematisierten sie den Krieg direkt, wie z.B. der Westernregisseur John Ford oder wie John Hudson und Franz Capra (Prelude To War, 1943 und The Nazi Strike, 1943).60 Auch nach dem Krieg war der Dokumentarfilm ein Übungsgebiet für später berühmte Spielfilmregisseure wie z. B. Stanley Kubrick (Flying Padre und Day Of The Fight, 1951).
1.7
Die Einführung des Farbfilms
Die ersten farbigen Bilder waren per Hand koloriert oder einfarbig eingefärbt (viragiert, z.B. Blau für Nacht, Rot für Gefahr, etc.), doch bereits im Jahre 1909 wurde in New York der erste Farbfilm aufgeführt. Dieser Film wurde abwechselnd durch einen roten oder grünen Filter belichtet, später wurden 2 Filme gleichzeitig belichtet und zum Abspielen übereinander gelegt. 1917 wurde in den USA das Technicolor-Verfahren vorgestellt, 56 57 58 59 60
Wikipedia.de, Dokumentarfilm Grün, Leopold, Fragmente über den Deutschen Dokumentarfilm vgl. Kleinhans, Bernd, Propaganda im Film des Dritten Reichs Rother, Hans-Jörg, In: Der Tagesspiegel online vom 10.08.2006, Poesie, Politik und Propaganda vgl. AFK, Fliegende Pfarrer und Hollywood im Krieg
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welches wie auch das Kinemacolor-Verfahren zunächst nur zweifarbig abbilden konnte, ab 1932 wurden drei Filmstreifen belichtet (je einer für Rot, Gelb und Blau). In GroßBrittannien entwickelte Bela Gaspar 1932 das Gasparcolor-Verfahren, bei dem drei Emulsionsbeschichtungen auf den Filmträger aufgetragen wurden. Auch Kodak entwickelte ein ähnliches System, welches sich ab 1950 durchsetze. In der Weimarer Republik wurde am 10. Dezember 1931 der erste Zweifarbfilm der Ufa, Bunte Tierwelt uraufgeführt. Man entschied sich für einen Tierfilm, da die Farbqualität für Menschen als noch nicht ausreichend galt.61 Bei der Ufa setzte sich das Agfcolor-Verfahren durch, welches nur noch einen Film benötigte. Erste Agfacolor-Dokumentarfilme im weitesten Sinne waren z.B. die Kulturfilme Bunte Kriechtierwelt o d e r Thüringen (1940).62 Bis Kriegsende drehte die Ufa laut Wikipedia.de insgesamt nur 11 Farbfilme. 63 Daneben gab es noch Farbdokumentarfilme die direkt vom Propagandaministerium in Auftrag gegeben wurden, z.B. Aufnahmen von einem "Zigeunerfest in Sachsen-Anhalt" (1938). 64 1944 wurde die Farb-Wochenschau Panorama eingeführt. Auf Seiten der Alliierten entstanden Farbdokumentationen wie z.B. Die Landung der Alliierten (John Ford, USA, 1944).65 Auch im Privatgebrauch konnte sich der Farbfilm noch nicht durchsetzen. Er war noch zu teuer und meistens privilegierten Personen wie Adolf Hitlers Lebenspartnerin Eva Braun (Das geheime Filmarchiv der Eva Braun, DVD 2004) oder seinem Chefpilot Hans Bauer vorbehalten (beide drehten mit 16-mm-Kameras).66 Erst in der Nachkriegszeit konnte sich der Farbfilm langsam durchsetzen, nach James Monaco dauerte es noch bis 1968, bis der Farbfilm zur "nahezu ausschließlichen Norm bei der kommerziellen Filmherstellung"67 wurde.
1.8
Der Siegeszug des Fernsehens in der Nachkriegszeit
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Filmproduktion in Deutschland von den Siegermächten kontrolliert. Es entstanden Filme mit dem Ziel die Bevölkerung zu entnazifizieren. Zudem wurden vermehrt Auftragsfilme für die Industrie oder die Fremdenverkehrsvereine 61 62 63 64 65 66 67
vgl. filmportal.de, Chronik des deutschen Films - 1925 - 1934 vgl. Wikipedia.de, Farbfilm vgl. ebd. Gorderbauer-Marchner, Gabriele, Das dritte Reich in Farbe 1937 - 1945 vgl. ebd. vgl. ebd. Monaco, James, Film und neue Medien, S. 61
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produziert. Dabei mussten die Filmer sich nach den Vorgaben der Auftraggeber richten. Daneben gab es auch weiter Wochenschauen, ebenfalls durch die Siegermächte kontrolliert, doch ihre Bedeutung sank mit der immer größeren Verbreitung des Fernsehens, ein Problem, mit dem auch Disneys Naturfilme wie z.B. Die Wüste lebt (USA, 1950) zu kämpfen hatte. Das erste regelmäßige Fernsehprogramm weltweit wurde in Deutschland schon 1935 ausgestrahlt. 1936 erreichte das Fernsehen einen ersten Höhepunkt zu den olympischen Spielen in Berlin, doch es gab nur öffentliche Fernsehstuben in Berlin und später in Hamburg, und das Fernsehen konnte sich noch nicht gegen das Radio durchsetzen. 1944 wurde die Fernsehausstrahlung eingestellt und erst am 25. Dezember 1952 wieder aufgenommen. 1953, mit der Krönung Elisabeth II., und ein Jahr später mit der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland begann der Siegeszug des Fernsehens, und das Kinosterben setzte ein. Mit der Einführung des Farbfernsehens in Deutschland 1967 wurde der Vorteil des Kinos, die Farbe, aufgehoben. 1969 wurde der erste VideoCassetten-Recorder (VCR) für
Privatkonsumenten eingeführt; er beschleunigte den
Siegeszug des Fernsehens abermals, ebenso wie die Einführung des Privatfernsehen in der BRD 1984. Zwei Jahre später wurde die letzte Wochenschau in der BRD ausgestrahlt.
1.9
Cinéma Vérité, Direct Cinema und Free Cinema
1960 prägte der Franzose Jean Rouch den Begriff des Cinéma Vérité. Diese Filmtheoriebewegung ging davon aus, dass die „Kamera und der Kameramann/-frau mit zum gefilmten Geschehen“68 gehören, und dass den gefilmten Personen die Anwesenheit der Kamera nicht verheimlicht werden darf. Rouch erreichte größere Bewegungsfreiheit dadurch, dass er die Kamera vom Stativ befreite, das erste Mal zwangsweise aufgrund eines defekten Stativs während Dreharbeiten in Afrika. Doch auch in späteren Produktionen behielt er die Benutzung der Schulter- bzw. Handkamera bei. Seit Anfang der 60er Jahre begann er mit möglichst kleinen Teams und selbstgeblimpten 16-mm-Kameras zu drehen. Dank der Entwicklung der Nagra-Tonaufnahmegeräte (entwickelt
1951)
war
es
erstmals
unzugänglichen Orten zu machen.
möglich,
Originaltonaufnahmen
auch
an
In der DDR arbeitete Hugo Hermann "erstmals
69
konsequent mit Originaltönen" . 68 Movie-College.de, Dokumentarfilm 69 Grün, Leopold, Fragmente über den Deutschen Dokumentarfilm
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Die deutsche Firma ARRI entwickelte 1957 ein relativ einfach zu handhabendes Blimp (schalldichtes Gehäuse) für 35-mm-Kameras. Auch in den USA (direct cinema oder uncontrolled cinema 70) und in Groß-Britannien (free cinema) entstanden ähnliche Bestrebungen, „dass der Einsatz des Aufnahmeapparats die Objektivität des tatsächlichen Geschehens, das registriert werden soll, nicht beeinträchtigt werden dürfe.“71 Der Brite Richard Leacock wollte das Geschehen beobachten und nicht beeinflussen, im Gegensatz zu den in den 40er und 50er Jahren weit verbreiteten aufklärerischen Dokumentarfilmen. Auch Leacock war mit der Arbeitsweise der damaligen „mangelnden Kompaktheit der […] Bild- und Tontechnik“72 und die daraus resultierende feststehende „Kamera und mühsame Synchronisation von Bild und Ton“ nicht zufrieden. Zusammen mit Robert Drew und Dan A. Pennebaker entwickelte er „leichte 16-mm-Handkameras und synchron laufende Tonbandgeräte“.73 Auch den Verzicht auf begleitende oder erklärende Kommentare teilten diese Filmbewegungen. Doch auch wenn die Ziele des Cinéma Vérité und des britischen Free Cinema sich ähnelten, unterschieden sie sich in der Art und Weise, wie sie ihr Ziel erreichen wollten. Im Gegensatz zu ihren Kollegen des Direct Cinema setzten die Filmer des Cinéma Vérité Interviews ein.74 Zudem inszenierte Leacock, anders als z.B. Rouch, Bilder oder stellte sie nach. Dafür sah sich Leacock der Kritik ausgesetzt und rechtfertigte sich damit, dass alles erlaubt sei, was für den Film wichtig ist. 75 D a s Cinéma
Vérité verlor in den Folgejahren an Popularität, auch auf Grund der
Erkenntnis, dass kein Dokumentarfilm wirklich objektiv sein kann. Denn schon die Auswahl des Autors für bestimmte Bilder bedeutet ein Eingreifen, so die Kritiker. 76 Das Direct Cinema hingegen ist in den USA auch heute noch der vorherrschende Stil des Dokumentarfilmsl.77 Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre entstanden noch einige Filme, die noch "Elemente der Verité-Fotografie"78 enthielten, z.B. Woodstock (Mike Wadleigh, 1970) oder 70 71 72 73 74 75 76 77 78
vgl. Freunde der Deutschen Kinemathek, 40 Jahre Freunde der Deutschen Kinemathek Movie-College.de, Dokumentarfilm ebd. ebd. Monaco, James, Film und neue Medien, S. 46 Movie-College.de, Dokumentarfilm vgl. AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms Monaco, James, Film und neue Medien, S. 46 AFK, Ein Überblick über die Geschichte des Dokumentarfilms
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die Filme des bundesrepublikanischen Dokumentarfilmers Klaus Wildenhahn, der sich selbst als "Vertreter der Direct-Cinema-Bewegung"79 sieht und sich auch der Mittel des Cinéma Vérité bedient.80 Ein weiterer wichtiger westdeutscher Vertreter dieser Zeit ist Peter Nestler, der sich vor allem mit dem Alltag von Arbeitern und Bauern beschäftigte, doch er bevorzugte nicht die Handkamera des Direct Cinema, sondern lange, ruhige Einstellungen.81 Weit verbreitet waren diese Alltags- und Porträitfilme auch in Polen, Ungarn, Jugoslawien und der CSSR. In den USA wurden verstärkt Dokumentarfilme produziert, die zwar Wildenhahns "Kriterium für Wahrheit und Würde"82, die moralische und politische "Nähe des Filmenden zum Gefilmten" teilten, denen jedoch die "Objektivität abkam"83, indem die Autoren selbst vor die Kamera traten. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Filme von Michael Moore (Bowling for Columbine, USA 2002). Seit den 60ern ebenfalls beliebt ist das sogenannte Dokudrama 84, in dem nachgespielte reale Ereignisse und dokumentarische Aufnahmen vermengt werden (z.B. Todesspiel, 1997 von Heinrich Breloer), oder die komplett nachgespielt werden (z.B. Die Manns – Ein Jahrhundertroman, 2001, Heinrich Breloer).
1.10
Der Dokumentarfilm in der Deutschen Demokratischen Republik
Am 17. Mai 1947 wurde durch die sowjetische Militärführung aus den Resten der Ufa die Deutsche Film-AG (DEFA) gegründet. Nach Gründung der deutschen demokratischen Republik (DDR) am 7. Oktober 1949 besaß die DEFA als Volkseigener Betrieb das Monopol auf sämtliche Filmproduktionen85, womit sich auch die Produktionsbedingungen mit Einführung des Fernsehens nicht so stark änderten wie in der BRD. Von 1946 bis 1980 wurde die Wochenschau Der Augenzeuge ausgestrahlt.86 Der Regisseur der ersten Wochenschau und Gründungsdirektor der DEFA, Kurt Maetzig, drehte auch den Dokumentarfilm Berlin im Aufbau (1945-46), der den Aufbau der zerstörten Stadt dokumentiert und eine Kompilation aus Wochenschauaufnahmen und 79 80 81 82 83 84 85 86
Grün, Leopold, Fragmente über den Deutschen Dokumentarfilm vgl. ebd. vgl. ebd. MediaCulture-Online.de, Klaus Wildenhahn ebd. vgl. Monaco, James, Film und neue Medien, S. 48 vgl. Monaco, James, Film und neue Medien, S. 42 vgl. Defa-Fan.de, DER AUGENZEUGE
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entstandenen Aufnahmen
darstellt.87 1 9 5 3
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wurden
Studios
für
populärwissenschaftliche Filme und für Wochenschauen und Dokumentarfilme gegründet. Bis zum Ende der DEFA durch die Übernahme durch die Treuhandgesellschaft am 01.07.1990 wurden mehr als 2000 Dokumentarfilme und Wochenschauen gedreht. 88 Zu den wichtigsten und bekanntesten Dokumentarfilmern der DDR gehörte Konrad Weiß ( z . B . Dawids
Tagebuch,
1980).
Ins GUINNESS-Buch schafft
es
1985
die
Langzeitbeobachtung Die Kinder von Golzow (nach einer Idee von Karl Gass), die 1961 begonnen wurde und voraussichtlich 2006 enden wird.89 Hauptthema der DEFA-Produktionen waren Antifaschismus und die Lobpreisung des Sozialismus und der SED.90
1.11 Der Entwicklung des Dokumentarfilms zum Bürgermedium und die Einführung elektronischer Kameras Zwar werden auch heute noch Dokumentationen auf Film gedreht, aber ähnlich, wie sich die Einführung des Fernsehen auf die Produktionsbedingungen und das Konsumverhalten im Dokumentarfilmgenre auswirkte, in dem die Filmemacher immer stärker in Abhängigkeit zu den Sendern gerieten, änderte auch die Entwicklung von tragbaren elektronischen Kameras, noch mit externem Recorder (Sony Portapak, 1967), die Produktionsbedingungen grundlegend. 1983 führte Sony Kameras mit integriertem Recoder (Betamovie) ein. Es folgten noch zahlreiche andere Videoformate und -systeme, z.B. das Vertical Helical Scan (VHS), später Video Home System genannt, Die elektronischen Kameras wurden immer billiger und kleiner und trugen, neben den 8MM-Kameras, mit dazu bei, dass der Dokumentarfilm zu einer Art Bürgermedium wurde. Neben Jugend- und Filmclubs wurden die Offenen Fernsehkänale, Fernsehsender für die Bürger, zu wichtigen Verbreitungswegen (BRD ab 1984, Österreich ab 1976). Zur Zeit der Studenten-, Bürgerrechts- und Emanzipationsbewegungen erlangten Dokumentarfilme als Gegenpropaganda zu Staat und Wirtschaft weite Verbreitung, z.B. From Protest to Resistance (USA 1968) von Saul Landau, Was tun? Ereignisse in Berlin 1968 von Hans Dieter Müller (BRD 1969) oder Macht die Pille frei? (BRD 1970) von Helke Sander
und
Sar ah
Schum ann.
Them at is c h
dom inier t en
u. a.
die
Vergangenheitsbewältigung, Hausbesetzungen und Atomkraft. In den Ländern des 87 88 89 90
Cine-Holocaust.de, Berlin im Aufbau vgl. Defa-Sternstunden.de, DEFA Geschichte vgl. Medienhandbuch.de, Der «Vater der Kinder von Golzow» wird 70 vgl. Uhlig, Nancy, Deutsche Animation, S. 8
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Ostblocks waren kritische Filme i.d.R. nur möglich, wenn sie der politischen Führung dienten.91
1.12
Von der Einführung des digitalen Videos bis heute
1996 wurde digitales Video (DV) eingeführt, die Kameras wurden abermals kleiner und billiger, der digitale Bild- und Tonschnitt auf Computern erleichterte professionelles Arbeiten ebenfalls. Die DVD wurde, wie vorher die VHS-Kassette, zu einem günstigen und einfach zu erstellenden Distributionsmittel. Erste Abspielgeräte kamen 1996 auf den Markt, erste Recorder/Brenner 1999. Das vor einigen Jahren eingeführte hochauflösende Video (z.B. HDV, entwickelt von Canon, Sony, Sharp und JVC) hat dazu geführt, dass Video-Aufnahmen sich auch qualitativ weiter dem Film annähern konnten, selbst langjährige Verfechter des Films wie d a s National Geographics Institut dreht (DVCProHD von Panasonic).
Dokumentationen mittlerweile auf Video
92
Heute sind die Dokumentarfilme (oftmals) wieder beobachtender und lassen wieder verstärkt beide Seiten eines Themas/der Geschichte zu Wort kommen, wie z.B. in Black Box BRD (1997) von Andreas Veiel. 93 Kritik an sozialen Mißständen, Kriegen oder Großkonzernen sind und waren häufige Themen, aber auch Naturfilme wie z.B. Deep Blue (2003, Alastair Fothergill, Andy Byatt), der als einer der aufwändigsten und erfolgreichsten Dokumentarfilme aller Zeiten gilt94, oder Reisefilme werden immer noch viel produziert. Was nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass der Dokumentarfilm wie schon zu Beginn seiner Entwicklung auch heute noch als politisches wie auch wirtschaftliches Propagandainstrument benutzt wird. Gerade Bestrebungen der Wirtschaft sind erkennbar, durch als Reportagen 'getarnte' Imagefilme die Menschen zu beeinflussen95, der DokuSoap
einzusetzen
als
ideales
Werkzeug,
um
notwendige
oder
gewünschte
Veränderungen der Gesellschaft und des Einzelnen (Längere Arbeitszeiten, weniger Lohn, etc.) den Betroffenen näher zu bringen.96 91 92 93 94 95 96
vgl. Grün, Leopold, Fragmente über den Deutschen Dokumentarfilm vgl. ICOM Magazine, Panasonic DVCPro-HD for National Geographic Special vgl. FAZ.net, Wir brauchen ein Ethos des Dokumentarischen vgl. Filmz.de, Deep Blue vgl. Kittel, Walter, In: dradio.de, Zweitverwertung fürs Firmen-TV vgl. Poranzke, Julio Olmo, Neokonservatisnmus und Doku-Soaps, S. 28ff
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Mittlerweile bietet sich auch das Internet als Vertriebsweg an gerade für kleine Dokumentarfilmproduktionen, wie das Beispiel dreier Studenten der State University of New York zeigt. Für ihren Kompilationsdokumentarfilm über die Anschläge am 11.9.2001 investierten sie gerade 2000 Dollar in einen Schnittcomputer und verbreiteten das fertige Werk über das Internet. Ende Juli 2006 wurde das Video, allein bei Google 97 über 10 Millionen Mal angeschaut98, eine Zahl, von der kommerzielle Produktionen oft nur träumen können. Auch wenn heute noch keine ernsthaften Dokumentationen mit kleinen Handykameras gedreht Reporter
werden, zeigt das neueste Beispiel der Boulevard-Presse, der Bild-Leser99
auf, welche zukünftigen Entwicklungen auch für andere Medien vorstellbar
sind.
97 Video.Google.com, Loose Change 2nd Edition Recut 98 vgl. Spiegel Online, Internetfilm über 9/11 bricht alle Rekorde 99 vgl. Bild.de, So werden Sie Leser-Reporterbei BILD und Bild.T-Online
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