Heavenly Harmony

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VO Entstehung und Frühgeschichte der Oper IV VLZ.Nr. 170036 / SoSe 08 Doz. Ao. Univ.-Prof. Dr. Theophil Antonicek

„Heavenly Harmony“: Henry Purcell und seine Zeit

Nicole Kolisch ([email protected]) Mtr. Nr. 9002037 Studienkennzahl 033641

Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft Universität Wien

VO Entstehung u. Frühgeschichte der Oper IV / SoSe08

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Nicole Kolisch Matr. Nr. 9002037

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung .............................................................................................................................. 3 1. Die Oper und ihre Vorläufer in England (vor Purcell) ......................................................... 4 1.1. Maske......................................................................................................................... 4 1.2. Farce Jigs................................................................................................................... 5 1.3. Theaterstücke mit Musik............................................................................................. 5 2. England zur Zeit der Restauration ..................................................................................... 6 2.1 Der Civil War und die Folgen ....................................................................................... 6 2.2 Die Wiederherstellung der Monarchie.......................................................................... 6 2.3 Das Theater zur Zeit der Restauration......................................................................... 7 2.4 Musik zur Zeit der Restauration ................................................................................... 8 3. Henry Purcell: Sein Leben, seine Zeit................................................................................ 9 4. Aufführungsorte & Theatre Companies.............................................................................15 5. Dido und Äneas................................................................................................................17 6. Henry Purcell und die „English Opera“: Einige Aspekte ....................................................18 7. Schlussbetrachtung ..........................................................................................................20 8. Literaturliste......................................................................................................................21 9. Andere Quellen ................................................................................................................22

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1: Titelillustration / Purcell Portrait1 ................................................................................. 1 Abb. 2: Zeittafel ....................................................................................................................... 9 Abb. 3: London Theatres….…………………....................................................................…...15 Abb. 4: Thy hand, Belinda .………………………………………………………………………...16

1

Kupferstich von Sylvester Harding, 1794. British Museum. Quelle: Curtis Price (Hg.): Purcell studies. Cambridge: Cambridge University Press. 1995.

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Einleitung Henry Purcell war der bedeutendste Barockkomponist Englands. Seine Oper Dido und Äneas (Z.626) wird heute weltweit gespielt; die Titelpartie der Dido zählt zum Repertoire der größten Interpretinnen2. Zwar blieb das Stück Purcells einziger Vorstoß in Richtung durchkomponierte Oper, aber der „Orpheus Britannicus“ schuf eine Reihe von beliebten Semi-Operas und ein dramatisches Gesamtwerk, das Lieder und Incidental Music für über 40 Theaterstücke umfasst. Darüber hinaus komponierte Purcell etwa 65 Anthems, 22 Sonaten, 13 Fantasien, sowie 24 Oden, 60 Catches und über 100 Songs...3 – diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Um Bedeutung und Schaffen Purcells adäquat einordnen zu können, muss jedoch auch der Zeitgeist und das politische Geschehen seiner Epoche berücksichtigt werden. Die Zeitachse der vorliegenden Arbeit setzt daher schon vor Purcell an, beginnend mit seinen (musikalischen und dramatischen) Wegbereitern.

2 3

vgl. Dahlhaus 1994: S.140 vgl. The Concise Grove Dictionary of Music 1994: o.S.

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1. Die Oper und ihre Vorläufer in England (vor Purcell) „For centuries the essential ingredients of opera existed in their own right – music both vocal and instrumental, drama, dance, design – but it was not until the end of the sixteenth century that the appropriate catalysts were found to precipitate the new art form.”4 In England waren es drei Gattungen, die für die Entwicklung der nationalen Oper Pate standen: Maske (engl. „masque“), Farce Jigs und Theaterstücke mit Musik. 1.1. Maske „Die Idee der englischen Oper war weder vom Ballet noch vom Trauerspiel ausgegangen. Sie war der legitime Nachkomme der Maske; und die Maske, in England wenigstens, war sehr weit davon entfernt, die Charakteristik eines wahren lyrischen Dramas darzustellen.“5 Die englischen Maskenspiele lassen sich auf die Tradition der „Mummereien“ und Maskentänze von Bauern und Bürgern zurückführen und wurden bereits im 14. Jahrhundert am Hofe Edwards II. aufgeführt.6 Ihren Höhepunkt erreichte die Gattung im 16. Jahrhundert durch die Werke Ben Jonsons (1572 – 1637). Zwar finden sich auch in Shakespeares Werken (z.B. The Tempest, The Winter’s Tale u.a.) kurze Masken, aber es war der um neun Jahre jüngere Ben Jonson „who discovered a special talent for devising and writing librettos for these entertainments and who became closely associated with the development of the Stuart Court masque.“7 Zwar waren viele der frühen Masken musikalisch an und für sich unbedeutend, Swanepoel weist aber darauf hin, dass ihre Musik dennoch „von historischer Seite aus betrachtet, von großem Wert ist, da sie abermals beweist, wie formgewandt die Engländer in der Liedform schon damals waren und ihnen der einstimmige Gesang mit Begleitung etwas Wohlbekanntes und lange Gepflegtes war, während der Kontinent, was den musikalischen Ausdruck im Sologesang betrifft, noch im Finsteren tappte.“8

Während die Maske im 16. Jahrhundert noch mit einem Monolog oder Lied des Sprechers eingeleitet wurde, entwickelte sich um die Jahrhundertwende das Rezitativ: „Jonsons ‘Lovers Made Man’ 1617, wurde schon ganz im ‘Stylo Recitativo’ aufgeführt.“9

4

White 1983: S.21 R.A. Streetfield in „Grove’s Dictionary of music and musicians“, Macmillan & Co. Ltd. 1912. Zitiert nach: Swanepoel 1926: S.1 6 vgl. Swanepoel 1926: S.1ff. 7 White 1983: S.44 8 Swanepoel 1926: S.16f 9 Swanepoel 1926: S.7 5

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„Music and dance, declamation and song, scenes and machines, all played their part in the success of these entertainments; although the early Italian intermedii and operas, and the French ballets de cour, exercised some influence on the masque’s development, ultimately it 10 owed its particular excellencies to the original qualities of its various collaborators.”

Der Ausbruch des Bürgerkrieges (1642 – 1649) führte zur Schließung der Theater und zur Unterdrückung aller Bühnenstücke. Es gab aber gelegentliche Ausnahmen, insbesondere für Masken, die als Privatunterhaltung (z.B. in Schulen) aufgeführt werden durften.

1.2. Farce Jigs Farce Jigs waren Nachspiele, sogenannte „Nachcomoedien“, die nach der Aufführung eines dramatischen Bühnenwerks folgten. Ursprünglich nur ein Tanz, entwickelte sich der Jig zu einer Form aus Tanz und Gesang, die im 16. Jahrhundert höchst beliebt war.11 White konstatiert, dass fast alle Farce Jigs durchgesungene Werke waren, die auf gesprochene Dialoge verzichteten: „To a limited degree they can be looked on as miniature operas or Singspiele written at a time when the fame of the newly invented Italian opera had not yet spread abroad.“12

1.3. Theaterstücke mit Musik Musik findet sich im englischen Theater bereits in frühen Moral Plays und Miracle Plays.13 Hörte man zu Beginn des 16. Jahrhunderts bereits Interludes in Stücken14; so etablierten sich im Elisabethanischen Theater Lieder, Präludien und Entr’actes. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, über die Bedeutung von Musik im Shakespeare’schen Drama zu schreiben. An dieser Stelle sei jedoch auf den Abschnitt „Music in Shakespeare’s Theatre“ bei J.S. Manifold15 verwiesen.

10

White 1983: S.43 vgl. White 1983: S.35 12 White 1983: S.39 13 vgl. Swanepoel 1926: S.7 14 vgl. White 1983: S.27 15 Manifold 1956: Kapitel 1 bis 9 11

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2. England zur Zeit der Restauration 2.1 Der Civil War und die Folgen 1642 kommt es zum Bruch zwischen King Charles I. und dem englischen Parlament. Die Folge ist ein neun Jahre währender Bürgerkrieg, der mit der Abschaffung der Monarchie endet: Charles I wird hingerichtet, sein Sohn (Charles II.) verbannt, England wird zunächst zur Republik („Commonwealth“), später zum Protektorat unter der Herrschaft des Lord Protektors Oliver Cromwell. Cromwell ist Feldherr, Puritaner, gottesfürchtig und streng. Unter seiner Herrschaft kommt es u.a. zu Verboten von Theatern, Gasthäusern, Tanz und Spielen.16 Nach Cromwells Tod wird sein Sohn Richard Lordprotektor. 2.2 Die Wiederherstellung der Monarchie Der politisch glücklose Richard Cromwell wird 1659 von der Armee abgesetzt. 1660 kehrt Charles II. aus dem Exil zurück und wird vom Parlament wieder als Monarch eingesetzt. Im Gegensatz zu Cromwell war Charles II. ein Lebemann, der überzeugt war „that God would not ‘make a man miserable only for taking a little pleasure out of the way’.”17 Eine seiner ersten Handlungen als neuer König war die Wiedereröffnung der Theater, zudem förderte all jene Formen von Unterhaltung, die er während seines Exils in Frankreich genossen hatte. Auf die künstlerischen Entwicklungen in England hatte dies Auswirkungen, die Manifold18 geradezu als „Revolution“ bezeichnet:. „Tragedy decayed, comedy was transmogrified, a mongrel genre called “the heroick play” flourished briefly, opera came into life, and along with opera came a new musical medium, the orchestra; the violins rose from the tavern to the salon, the trio sonata was born and the viol fantasy died out; recitative and continuo rose on each other’s shoulders. All these are related phenomena.”

Im Folgenden werden Theater und Musik der Epoche näher betrachtet.

16

Kötting, Eva 2007: www.br-online.de/wissen-bildung (abgerufen: 20.7.2008) Artikel „Charles II.“ in: Encyclopædia Britannica / Online-Ausgabe 2008: http://original.britannica.com/eb/article-1279 (abgerufen: 20.7.2008) 18 Manifold 1956: S.106 17

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2.3 Das Theater zur Zeit der Restauration19 „The plays that take on our corrupted stage, Methinks, resemble the distracted age. Noise, madness, all unreasonable things, That strike at sense, as rebels do at kings.” 20 -John Dryden

Der Englische Bürgerkrieg führte zu großen sozialen Veränderungen und in Folge zu „decisively new attitudes in religion, politics, sexual relationships and in particular an ‘accelerated’ and self-conscious demand for ‘modernity’.“21 Nachdem 18 Jahre lang öffentliche Aufführungen verboten waren, strömten disperse Publika in die wiederauferstandenen Theater. Die beliebten Restaurationskomödien waren sexuell sehr freizügig, durchaus auf Betreiben des frankophilen Regenten Charles II. In Frankreich erlebte die Komödie Molierés gerade ihre Blütezeit. Englische Dramatiker waren davon nicht nur beeinflusst, sie übernahmen oft auch die komplette Handlung einer französischen Komödie für ihre eigene Adaption. Das Publikum wollte unterhalten und abgelenkt werden; das spiegelt sich in der dramatischen Literatur jener Zeit wieder: „a literature which serves, not shapes, its time.“22 Die Tiefe des Elisabethanischen Dramas war nicht gefragt – „the demands made upon the comic dramatists were of indulgence“.23 Zeitgenossen warfen der Restaurationskomödie daher auch ihre moralische Verwerflichkeit, Oberflächlichkeit, sowie eine ungeschliffene Sprache vor.24 Bekannte Vertreter des Genres waren William Wycherley (1640 [?] – 1715), William Congreve (1670 – 1729), Sir John Vanbrugh (1664[?] – 1726) und Aphra Behn (1640 – 1689), die erste professionelle Dramatikerin Englands. Als weitere Gattung konnte sich die „Heroic Tragedy“ etablieren. John Dryden25 (1631 – 1700) gilt als jener englische Dramatiker, der beide Genres beherrschte. „Besides being the greatest English poet of the later 17th century, Dryden wrote almost 30 tragedies, comedies, and dramatic operas. He also made a valuable contribution in his commentaries on poetry and drama, which are sufficiently extensive and original to entitle him to be considered, in the words of Dr. Samuel Johnson, as ‘the father of English criticism’.”26

19

vgl. Harris 1965: S.11-40 “The Royal General”, Prolog, 1680 21 Harris 1965: S.11 22 Harris 1965: S.12 23 Harris 1965: S.14 24 etwa Jeremy Collier, 1698 in “A Short View of the Immorality and Profaneness of the English Stage” 25 siehe Kapitel 7: „King Arthur“ 26 Sutherland, James R., Artikel über John Dryden in der Encyclopædia Britannica (ed. 1998) 20

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Auch die Aufführungspraxis unterschied sich vom Theater des elisabethanischen Zeitalters. Schauspielerei wurde ein professioneller Beruf; zudem waren erstmals Frauen auf der Bühne zugelassen und die Bühne selbst hatte sich ebenso verändert: „The Elizabethan stage had been bounded on three sides by audience, and on the fourth by a wall with a curtained aclove. The stage of Dryden’s time had shrunk back from the auditorium into the aclove. At this distance, and at this angle to the spectators, gorgeousness and realism in visual effect were equally possible; but at the same time the stage action lost some of its old 27 immediacy.”

2.4 Musik zur Zeit der Restauration Cromwells kulturelle Verbote während der republikanischen Phase führten auch zu einer Unterdrückung weltlicher Musik. Umso mehr begann sie sich nach der Restauration der Monarchie zu entfalten. Soweit es den musikalischen Stil betraf, kann man das England der Restauration als eine Art Schmelztiegel28 bezeichnen: „Throughout Europe, the Italian style was generally regarded as a standard bearer for innovation, to the chagrin of those who supported French practise.”29 Die englische „Masque” war nach wie vor sehr vom französischen Hofballett beeinflusst, näherte sich aber sich aber mehr und mehr der Oper an. Die Tradition des „Anthem“30, das im 16. Jahrhundert aus der englischen Kirchenmusik hervorging, erreicht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Eine andere beliebte Form, die ebenfalls von Purcell aufgegriffen wurde, waren die sogenannten „Catches“: „The catch was generally written for three or more male voices and enjoyed great popularity in the sixteenth and seventeenth centuries. The earliest catches, rounds and canons, celebrated the sorrows and simple pleasures of life, and could also be inspired by religious subjects, but were always unsophisticated. In contrast, the Restoration catches were mostly bawdy, often 31 satirical, with political implications, and invariably sophisticated.”

Charles II. hatte während seines Exils in Frankreich das Orchester des Sonnenkönigs Ludwig XIV. kennen gelernt, „Les 24 violons du roi“. Nach seiner Rückkehr gründete er nun auch in England die „24 Violins“ und beauftragte Komponisten entsprechende Werke zu verfassen. Violinen waren auch der Kern der neu formierten Opernorchester. Sie führten die Melodie, zu der Bass und Kontrabass die passende Basis lieferten (Stichwort: Bass Continuo).

27

Manifold 1956: S.106f 28 vgl. Adams 1995: S.5 29 ebd. 30 Vertonung biblischer Texte 31 Campbell 1993: S.87

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„The gap between melody and bass was filled by chord-playing instruments, unobtrusively completing the harmony in neutral tones. (…) The most efficient chordal instrument was the 32 hapsichord, the larger form of the virginals and the spinet.”

Im Laufe des 17. Jahrhundersts beginnen auch die Trompeten eine immer wichtigere Rolle im Orchester einzunehmen – und weitaus nicht nur um den Auftritt von Königen zu signalisieren. „By the time Henry Purcell was old enough to write for it, the trumpet had become a musical instrument.”33 So enthält beispielsweise Purcells The Fairy-Queen beeindruckende Trompetenstücke.

Ein weiteres musikalisches Interesse Charles II. galt der Umgestaltung des Knabenchors in der Royal Chapel. Auch dieser sollte einem französischen Vorbild folgen, weshalb der „Merry Monarch“ den damals etwa 18-jährigen Pelham Humfrey (1647 – 1674) zum Studium nach Paris schickte. Er wurde später „Master of the Children“ und Hofkomponist. Weitere bekannte Komponisten der Zeit waren, neben Henry Purcell, Matthew Locke (1621 – 1677), John Blow (1649 – 1708), John Eccles (1668 – 1735). Letztlich beeinflussten auch technische Neuerungen die Musik: 1659 wurde die Pendeluhr erfunden, in den 1660er Jahren kamen die ersten Uhren mit Sekundenzeiger auf. Beide Erfindungen wurden enthusiastisch aufgenommen und begannen auch in der Musik, wo man sich vormals auf den Puls verlassen hatte, Takt und Zeit zu standardisieren.34

3. Henry Purcell: Sein Leben, seine Zeit

“If the diverse developments of theatre, music and literature in the seventeenth century are ever understood, they will be understood in the light of the social, political and economic history of the time.“35 Die folgenden Seiten bemühen sich daher, basierend36 auf den Schilderungen von Campbell37, um eine Einordnung von Purcells Leben und Schaffen in den Kontext des kulturellen und politischen Geschehens seiner Zeit.

Aus Gründen der übersichtlicheren Verortung der Ereignisse wurde hierfür, anstelle von Fließtext, das Format einer Zeittafel gewählt. 32 33

34 35

Manifold 1956: S.108f Manifold 1956: S.113

vgl. Gouk 2002: o.S.

Manifold 1956: S.106 so nicht anders gekennzeichnet 37 Campbell 1993 36

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Abbildung 2: Zeittafel, Quelle: eigene Darstellung

Jahr

1659

Purcells Leben Henry Purcell wird als drittes von sechs Kindern geboren.

1660

1663 1664

Zeitgeschehen in England38

Der Lordprotektor Richard Cromwell wird zur Abdankung gezwungen. Mit dem Einzug von Charles John Dryden II. in London wird die veröffentlicht: Monarchie wieder eingeführt. Astræa Redux. A Poem on the Die Royal Society zur Restoration of Wissenschaftspflege wird Charles the gegründet. Second.

Purcells Vater bekommt eine Stelle als Musiker am königlichen Hof. Purcells Vater stirbt.

1665

Die Pest bricht in London aus. Innerhalb weniger Monate sterben 100.000 Menschen. Beginn des EnglischNiederländischen Krieges.

1666

Purcell wird ein „Child of the Chapel Royal“ und singt dort im Der große Brand von London („The Great Fire“) zerstört vier Knabenchor.39 Er erhält Unterricht von Henry Fünftel der Stadt. Cooke.

1670

Purcell komponiert sein erstes Werk

Aphra Behn Die Hudson Bay Company40 schreibt ihr erstes wird gegründet und Charles II. Theaterstück The genehmigt ihr den Handel mit forced marriage.. den Indianern. Eröffnung des Dorset Garden Theatre (siehe unten)

1671

1672

1673

38

Kultur

Cooke stirbt und Pelham Humfrey übernimmt die Leitung des Knabenchors der Chapel Royal. • Purcell wird zum „keeper, mender, maker, repairer and tuner“ der Blasinstrumente befördert. • Er kommt in den Stimmbruch und ist für den Knabenchor nicht mehr geeignet.

Charles II. erlässt die „Testakte“, die Katholiken von allen Staatsämtern ausschließt.

vgl. Campbell 1993, sowie The University of Western Ontario (www.uwo.ca) das genaue Jahr ist nicht bekannt, aber Campbell geht davon aus, dass es 1665/66 war. (Campbell 1993: S. 36) 40 Pelzhandelsgesellschaft, zählt zu den ältesten bestehenden Unternehmen weltweit. 39

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1674

Humfrey stirbt. John Blow wird sein Nachfolger. Er erteilt Purcell Unterricht in Komposition.

1675

„When Thyrsis did the splendid eye“ ist Purcells erste Komposition, die in einem Buch abgedruckt wird. • •

1678 • •

1679

Purcell löst seinen Lehrer John Blow als Organisten in Westminster Abbey ab.

• 1680

• • • •

1681

41

Fünf weitere Lieder werden veröffentlicht. Purcell erhält ein Stipendium („Bishop’s Boy“) für das St. Peter’s College, Westminster. Er komponiert sein erstes Anthem. Ouvertüre und Maske für Thomas Shadwells Timon of Athens



Purcell heiratet Frances Peters42 Bühnenmusik zu Nathaniel Lees Theodosius Er beendet seine „Fantasies for viols“ Purcells Sohn Henry wird geboren und stirbt noch im selben Jahr. Er übersiedelt nach Westminster. Da der König mit politischen Unruhen beschäftigt ist, erteilt er nicht viele Aufträge: Purcell hat Zeit, größtenteils seine eigenen Kompositionsideen zu verfolgen.

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Ende des Dritten EnglischNiederländischen Seekrieges. Beginn der Bauarbeiten der St. Paul’s Cathedral (von Sir Christopher Wren) Charles II. erfährt von angeblichen Plänen, ihn zu ermorden und seinen katholischen Bruder James auf den Thron zu setzen. Die Theorie der „Papisten Verschwörung“ („Popish Plot“) führt zu zahlreichen Hinrichtungen.41

Das Parlament stimmt über eine Gesetzesvorlage ab, die den Bruder von Charles II. von der Thronfolge ausschließen soll. Charles II. löst das Parlament auf und beruft ein neues ein.

Charles II. löst das Parlament auf und beruft ein neues ein. Die massiven Konflikte zwischen den beiden Parteien („Whigs“ und „Tories“43) bleiben dennoch bestehen.

John Drydens Absalom and Achitophel (eine politische Satire) wird publiziert.

„The English fear of Catholicism in any form was so great that they needed no encouragement to believe that their lives were in danger” (Campbell 1993: S.54) 42 Das Datum ist nicht sicher belegt, wird aber durch einige Schriftstücke als wahrscheinlich angenommen 43 Während die „Whigs“ den katholischen Erben von der Thronfolge ausschließen wollten, galt den „Tories“ die Thronfolge als göttliches Recht, unabhängig von Glaubensfragen.

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1682

1683

1684

1685

Purcell tritt die Nachfolge von Edward Lowe als Organist der Chapel Royal an • Thomas Purcell, sein Onkel und Ziehvater, stirbt • Purcells zweiter Sohn, John Baptista, wird geboren, stirbt aber zwei Monate nach seiner Taufe • Purcell schreibt seine Messe in B-Dur • „Sleep, Adam, Sleep“, „From silent shades“ und weitere Lieder Purcells werden publiziert. • Er komponiert Oden für die königliche Familie, u.a. um von den Ereignissen des Rye House Plots abzulenken. • Sonaten für zwei Violinen, Bass und Basso Continuo „Welcome to All the Pleasures“ wird publiziert. Purcell schreibt etliche seiner berühmten “Catches” (s.o.), Lieder und Anthems.

Purcell komponiert für die Krönung von James II. und Königin Mary: „I was Glad When They Said“ und „My Heart is Inditing of a good Matter“.

Edmond Halley entdeckt den Halley’schen Kometen.

Veröffentlichung von Drydens The Medal und Religio Laicci.

Eine weitere Verschwörung gegen Charles II. wird aufgedeckt („Rye House Das Sadler's Wells Plot“). Die Sympathien für die Theatre eröffnet in Stuarts sind dadurch gestärkt, London. sodass es dem König nun endlich gelingt, die Opposition zu vernichten.

Letzte Hexenverbrennung in England. •



Charles II. erkrankt und stirbt. Sein Bruder James II. wird König von England. Monmouth Rebellion: Der Publikation eines Herzog von Monmouth Gedichtbandes von (unehelicher Sohn von Aphra Behn Charles II.) beansprucht den Thron, seine Truppen werden jedoch geschlagen und Monmouth wird im Tower hingerichtet.

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1686 •

• • • • 1687



• 1688 •

44

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Purcell bleibt im königlichen Dienst, verliert aber zwei seiner wichtigen Positionen44, da der neue katholische Regent die meisten Traditionen seines Bruders nicht weiterführt und lieber ausländische Komponisten beauftragt. Purcell schreibt indessen weitere Catches, Oden (z.B. „Ye Tuneful Muses“) und Lieder für das Theater. Purcells Verleger John Playford stirbt. Ein weiterer Sohn45 wird geboren, lebt aber ebenfalls nur wenige Monate. Purcell komponiert „Sound the Trumpet“, seine letzte Ode für den König Purcell veröffentlicht posthum die „Harmonia Sacra“ seines Freundes Playford, die auch viele von Purcells eigenen Werken enthält. Das Werk ist protestantisch und bringt ihm keine Sympathien beim katholischen Monarchen ein. A Fool’s Preferment von D’Urfrey, mit Musik von Purcell, hat im Dorset Garden Theatre Premiere. Weitere Anthologien mit seinen Liedern werden veröffentlicht. Purcells Tochter Frances wird geboren. Sie ist das erste seiner sechs Kinder, das überlebt.

Sir Isaac Newton veröffentlicht die Gravitationstheorie.

Ein Thronfolger (James Francis Edward Stuart) wird geboren, der jedoch nie den Thron besteigen sollte, denn die „Glorious Revolution“ stürzt James II. England wird eine konstitutionelle Monarchie: Die Staatssouveränität obliegt dem Parlament, nicht mehr der König. James II. flieht nach Frankreich.

Der irische Folksong „Lillibulero“ wird zum Lieblingslied der Revolution, nachdem es mit einem antijakobitischen Text versehen und von Purcell neu harmonisiert wurde.

Er scheint in den Büchern nur noch als „Harpsichordist“ auf und verliert das Amt des "Composer and Organist of the Chapel Royal" (vgl. Zimmerman 1983: S. 129) 45 Campbell spricht hier von Purcells „fourth son (...) baptised Henry after his father”, erwähnt davor jedoch nie einen dritten Sohn

VO Entstehung u. Frühgeschichte der Oper IV / SoSe08 • 1689

• • •

1690

• •

1691

King Arthur (Libretto: John Dryden)

• 1692 • •

1693

• • • •

1694 •

46

Dido and Aeneas (Libretto: Nahum Tate) Purcells Sohn Edward wird geboren. Vermutlich erstes Treffen von Purcell und Dryden Dioclesian (The Prophetess), Libretto: Thomas Patrick Betterton Erste Zusammenarbeit mit Dryden für Amphytrion Fünf Theaterstücke mit Purcells Musik gelangen zur Aufführung.46

The Fairy-Queen (Libretto: anonyme Adaption von Shakespeares Sommernachtstraum) „Hail, bright Cecilia” (Ode) und etliche Lieder

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Das Parlament bietet Mary II. und ihrem Mann William von Oranien (William III.) den Thron an. Die „Bill of Rights” tritt in Kraft. Schlacht am Boyne (Irland): William von Oranien besiegt James II. und seine jakobitischen Truppen. James II. flieht erneut nach Frankreich.

Veröffentlichung von John Lockes Two Treatises of Government und An Essay Concerning Human Understanding

William III. und Mary II. werden in Westminster offiziell zu König und Königin gekrönt. Französische und irische Truppen wollen den Exilkönig James II. wieder auf den englischen Thron setzen. In Folge jedoch besiegen die Engländer die Franzosen in der Seeschlacht von La Hogue.

Musik für The Old Bachelor (das erste Stück des 21jährigen William Congreve) „Celebrate This Festival“, Ode anlässlich des Geburtstags der Queen Zahlreiche Lieder für das Theater „Te Deum und Jubilate in DDur“ Purcell schreibt für das • Begräbnis von Mary II. seinen „March for the • Queen's Funeral, Sounded Before Her Chariot” Lieder und „Incidental Music” für Theaterstücke

Die Bank von England wird gegründet. Queen Mary stirbt. William III. regiert alleine weiter.

Campbell (1993: S.182) kommentiert: „Meanwhile Purcell was increasingly busy writing for the theatre and soon it would have been difficult to attend a play in London where some of the music was not written by him.”

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• • 1695 •



Purcell komponiert für die Wiederaufnahme von The Tempest (eine Shakespeare-Bearbeitung von Thomas Shadwell) Lieder und „Incidental Music“ für Theaterproduktionen. Bonduca (Libretto: George Powell) The Indian Queen (unvollendet), Theaterstück von Sir Robert Howard und John Dryden Am 21. November stirbt Purcell47 und wird in der Westminster Abbey zu Klängen seiner eigenen Musik begraben.

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In England wird die „Fenstersteuer“ eingeführt.

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Die Kontroverse zwischen Theatermanager Christopher Rich und Schauspielern der United Company spitzt sich zu. Thomas Betterton und zwölf weitere Stars verlassen die Theatercompany und gründen ihre eigene.

4. Aufführungsorte & Theatre Companies Nach dem Ende der Ära Cromwell begannen die Schauspieler wieder ihrer Profession nachzugehen. Wenige Monate nach seiner Rückkehr vergab Charles II. seine königlichen Patente für Theaterkompanien: an Thomas Killigrew und Sir William Davenant. Davenant (1606 – 1668) war Poet Laureate48, gilt als Patenkind William Shakespeares und als eine Schlüsselfigur in der Geschichte der Englischen Oper.49 Killigrews Company „His Majesty’s Comedians“ (auch: King’s Men) bespielte folgende drei Häuser50: -

Das Theatre Royal in Vere Street (1634 – 1809), ein ehemaliger Tennisplatz, der zunächst nur gelegentlich für Aufführungen genutzt, ab 1660 aber ein Vollzeit-Theater wurde.

-

Das Theatre Royal in Brydges Street (1663 – 1672), das eigens für die King’s Men erbaut wurde, jedoch 1672 abbrannte (sechs Jahre nach dem Brand von London).

-

Das Theatre Royal in der Drury Lane51, welches 1674 an der selben Stelle erbaut und vermutlich von Sir Christopher Wren entworfen wurde.

47

vermutlich an einer Lungenentzündung (vgl. Zimmerman 1983: S. 256ff) sein Vorgänger war Ben Jonson, sein Nachfolger John Dryden 49 vgl. White 1983: S.47 - 89 50 vgl. White 1983: S. 80ff. 51 die veränderte Straßenbezeichnung ergab sich durch die Verlegung des Haupteingangs 48

VO Entstehung u. Frühgeschichte der Oper IV / SoSe08

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Nicole Kolisch Matr. Nr. 9002037

Davenant, dessen Patent auch explizit für Oper galt, bespielte mit seinen Duke’s Men das Linconl’s Inn Fields Theatre (1656 – 1848; ebenfalls ein ehemaliger Tennisplatz), sowie das Duke’s Theatre in Dorset Garden (1671 – 1709). Über letzteres schreibt Burden: „While there has been speculation about whether it was an opera house or a playhouse, such a distinction on seventeenth-century England is a false one; in any case, there is no doubt that it was fitted out with the

Abbildung 3: London Theatres, Quelle: www.uwo.ca

intention of staging operas (…)”52 Die Verleihung der Patente brachte ein gewisses Maß an Ordnung in die Londoner Theaterszene. Für viele Schauspieler gab es jedoch keinen Platz in den beiden großen Theaterkompanien, u.a. „because Killigrew and Davenant had to leave room for the inclusion of actresses to take over the women’s parts hithero played by boys“.53 Im Cockpit Theatre (1616 – 1665), einer ehemaligen Arena für Hahnenkämpfe, fanden sich unter der Ägide von George Jolly jene Darsteller, die nicht bei den King’s oder Duke’s Men auftraten. Darüber hinaus gab es natürlich Theater, Masken und Opern am Hof Charles II. (Palace of Whitehall): erst im Cockpit-in-Court Theatre, danach in der revitalisierten Great Hall, die bereits unter Elizabeth I. für Aufführungen genutzt worden war.54 Am 20. April 1665 vermerkt Samuel Pepys55 in seinem berühmten Tagebuch: „This night I am told the first play is played in Whitehall noon-hall, which is now turned to a house of playing."

52

Burden 2000: S.6 White 1983: S.80 54 vgl. 'Whitehall Palace: Buildings' 1930: S.41-115 55 Samuel Pepys (1633 – 1703), Abgeordneter des Unterhauses, Präsident der Royal Society, Chronist der Restaurationszeit; vgl. Latham 1971-1983 53

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5. Dido und Äneas

Abbildung 4: „Thy hand, Belinda“, Quelle: Werner Icking, Music Archive

„Our knowledge of the music of Dido and Aeneas is almost entirely based on the existence of two manuscripts, neither in Purcell’s hand, and both apparently dating from the latter part of the eighteenth century.“56 Auch die genaueren Umstände der Entstehung sind nicht überliefert. Die Uraufführung fand im April 1689 in der Josias Priest’s School of Young Ladies in Chelsea statt. Mit Ausnahme der Rolle des Äneas wurden alle Partien von Schülerinnen gesungen. „Dass die Oper für eine private Schulaufführung geschrieben oder zumindest in einem solchen Rahmen uraufgeführt wurde, war in England zu Purcells Zeit nicht ungewöhnlich.“57 Immerhin gab es achtzehn Jahre lang kaum andere Aufführungsmöglichkeiten... Die Oper spielt in Karthago und handelt von der unglücklichen Liebe der Königin Dido zu dem trojanischen Prinzen Äneas. Durch den Streich einer Zauberin wird Äneas dazu gebracht, die Stadt zu verlassen. Dido bleibt zurück und stirbt an gebrochenem Herzen. Mit Dido und Äneas erlebte die englische Oper ihren ersten Durchbruch. „Within the scale chosen – equivalent by present day standards to half an evening’s bill – this throughcomposed work displays a masterly use of formal air, less formal arioso, recitative, chorus, and instrumental numbers including overture, intermeans and dances.”58 Die Kritik an der Oper konzentriert sich einzig auf die Partie des Äneas, der keine eigenständige musikalische Persönlichkeit entwickelt und vergleichsweise schwach wirkt. White59 weist in dem Zusammenhang auf die Bedeutung der Chorpassagen hin, die dieses Manko ausgleichen und dem Stück die nötige Balance verleihen. Purcells Chöre strukturieren den

56

White 1983: S.112 Dahlhaus 1994: S.137 58 White 1983: S.113 59 ebd. 57

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symmetrischen Aufbau der Oper.60 Bemerkenswert ist auch der (zur damaligen Zeit in England ausgesprochen seltene) Gebrauch von Rezitativen. Der Charakter Didos berührt durch seine Eindringlichkeit: „Anstelle barocker Betörung durch allegorische Figuren steht hier die Darstellung menschlicher Grundsituationen in schmuckloser Wahrhaftigkeit.“61 Eine eher unglückliche Bearbeitung erfuhr das Werk 1700 durch Thomas Betterton, der es unter dem Titel The Loves of Dido and Aeneas als musikalisches Zwischenspiel in seine Produktion von Shakespeares Maß für Maß eingliederte, wobei die drei ursprünglichen Akte auf nunmehr vier Akte verteilt wurden. White kommentiert: „It was an extraordinary thing to do – to try to fashion a dramatic opera by taking a play and stuffing it piecemeal with three separate acts of an unrelated opera, thereby breaking the dramatic continuity of both pieces (...)“62 Danach wurde es still um das Werk, erst im Rahmen der Vorbereitungen anlässlich Purcells 200. Todestag entwickelte sich ein breites Interesse.63

6. Henry Purcell und die „English Opera“: Einige Aspekte Dido und Äneas ist Purcells einzige durchkomponierte Oper nach italienischem Muster.64 In seinem Vorwort zu Albion and Albanius vermerkt John Dryden klar, dass im Gegensatz zur italienischen und französischen Oper, die „English Opera“65 niemals durchkomponiert wurde.66 Das Genre erfreute sich großer Beliebtheit, es gab jedoch auch zeitgenössische Kritiker, die der Mischung aus gesprochenem Drama und Gesang nichts abgewinnen konnten. So bemängelte etwa Roger North, dem auch den Terminus „Semi-Opera“ zugeschrieben wird, um 1726: „ (...) there is a fatall objection to all these ambigue entertainments: they break unity, and distract the audience. Some come for the play and hate the musick, others come only for the 67 musick, and the drama is pennance to them, and scarce any are well reconciled to both.”

Da Schauspieler oft nicht gut genug sangen, Sänger hingegen oft nicht ausreichend darstellerische Fähigkeiten hatten, entwickelte sich mit fortschreitender Ausgereiftheit der Musik eine strikte Trennung zwischen Musik und Dramatis personae. Das wird am Deutlichsten in Purcells The Fairy-Queen, wo „no character who speaks also sings, and

60

Dahlhaus 1994: S.139 ebd. 62 White 1983: S.130 63 Dahlhaus 1994: S.140 64 vgl. Swanepoel 1926:S.65 65 auch: „dramatick opera“ 66 Dryden: Albion and Albanius. 1685. Zitiert nach: Swanepoel 1926: S.34 67 Roger North on Music, herausgegeben von John Wilson, 1959. Zitiert nach: White 1983: S.135 61

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none who sings also speaks“68, eine gute Gelegenheit für Purcell, um mit neuen (komplexeren, italienischen) Formen zu experimentieren, an denen schwächere Sänger gescheitert wären. Obwohl die Semi-Operas nicht durchkomponiert waren und sich die Musik hauptsächlich auf die Nebenhandlungen im Stück beschränkte, „so nahmen diese durchkomponierten, maskenartigen Teile immerhin doch sehr bedeutende Dimensionen an und würden, wenigstens im Falle Dioclesians und The Fairy-Queen, zweifellos den größeren Teil einer heutigen zweiundhalbstündigen Vorstellung ausfüllen.“69 Einem Publikum, das bis dato im Theater nur an ein paar Instrumental-Tänze und kleine Liedchen gewöhnt war, müssen diese Opern entsprechend umfangreich vorgekommen sein.

Purcells fünf große English Operas (Dioclesian, Z.627; King Arthur, Z.628; The Fairy-Queen, Z.629; The Indian Queen, Z.630; The Tempest, Z.631) waren Helden- oder adaptierte Shakespeare-Dramen. Sie enthielten – dem Format entsprechend – „First“ und „Second Music“, eine Ouvertüre, einige Lieder, häufige Instrumentalnummern (gewöhnlich Tänze) und Zwischenaktsmusik.70 Die Musik wurde jedoch nicht beliebig und einzig und allein zur Zerstreuung des Publikums eingesetzt, sondern musste einer Art Rationalität gehorchen. So wie auch Szenenwechsel und Änderungen des Bühnenbildes nicht einfach so stattfinden durften, sondern durch das Schwenken eines Zauberstabes oder das mächtige Aufstampfen einer magischen Gestalt ausgelöst wurden, so war auch die Musik an Magie gebunden: „(...)About half the inset songs are sung by Gods or spirits – usually to the mystification of the earthbound characters – or are sung by characters produced by the results of spells or incantations.“71 So treten z.B. in The Fairy-Queen die erdgebundenen Charaktere (Herzog, Liebespaare, Diener...) ohne Musikbegleitung auf, während die magischen Gestalten des Elfenreiches bei ihrem Auftritt von „a short symphony“ begleitet werden.72 Neben Musik, Sprechtheater und Tanz war das Bühnenspektakel ein weiterer fixer Bestandteil der English Operas. Gerade das Dorset Garden Theatre bot Bühnentechnik auf dem neuesten Stand und war eine Art „theatrical amusement park“.73 Viele Dramatiker der Restaurationsepoche waren selbst Darsteller und hatten somit intime Kenntnisse der jeweiligen Bühne und ihrer Möglichkeiten. Einige Szenen waren z.B. gezielt für die Verwendung von Falltüren oder Echoeffekten geschrieben, die einen fixen Platz in

68

Burden 2000: S.26 Swanepoel 1926: S.72 70 vgl. Swanepoel 1926: S.37 71 Burden 2000: S.23 72 vgl. Burden 2000: S.24 73 Radice 1990: S.129 69

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den Semi-Operas dieser Zeit einnehmen. Auch Purcell wusste das genau und schrieb Musik, die diese Bühneneffekte unterstützte und ihrerseits von ihnen profitierte: „Indeed, the ‘problem of the English opera’ was not a problem at all; it was an essential diversity that made such extravaganzas appealing. The Dorset Garden Theatre undoubtedly had the most extravagant facilities in all of London at the time, and Purcell’s music is 74 wonderfully coordinated with the theatrical properties of that theatre.”

7. Schlussbetrachtung Die vorliegende Arbeit stellt den Versuch dar, Purcell im Kontext seiner Zeit und Zeitgenossen zu betrachten. Es sei daher an dieser Stelle auch seinen Zeitgenossen überlassen, Purcells Bedeutung für die Entwicklung der Oper in England und das Theater der Restaurationszeit in Worte zu fassen:

Roger North (1653–1734) schreibt: „Then rose up the Noble Purcell (...). He was a match for all sorts of designs in musick. Nothing came amiss to him. He imitated the Itallian sonnata [sic!] and (bating a little [sic!] too much of the labour) outdid them. And raised up operas and musick in the theatres, to a credit, r 75 even of fame as farr [sic!] as italy, where Sig Purcell was courted no less than at home.”

Und um 1709 schrieb der Schauspieler Thomas Betterton (damals bereits weit über siebzig und in Ruhestand) über seinen Freund:

„Purcel penetrates the Heart, makes the Blood dance through your Veins, and thrill with agreeable Violence offer’d by his Heavenly Harmony...“76

74

Radice 1990: S.129f Roger North on Music, herausgegeben von John Wilson, 1959. Zitiert nach: White 1983: S.127f 76 The Life of Mr Thomas Betterton, the late eminent Tragedian. London, 1710. Zitiert nach: White 1983: S.134 75

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8. Literaturliste Adams, Martin: Henry Purcell. The origins and development of his musical style. Cambridge: Cambridge University Press. 1995.

Burden Michael (Hg.): Henry Purcell’s operas: The Complete Texts. New York: Oxford University Press. 2000.

Campbell, Margaret: Henry Purcell. Glory of His Age. London: Hutchinson. 1993.

Curtis Price (Hg.): Purcell studies. Cambridge: Cambridge University Press. 1995.

Dalhaus, Carl (Hg.): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Band 5. München / Zürich: Piper. 1994.

Dryden, John: The Poetical Works of John Dryden. Volume II. Charleston: BiblioBazaar. 2007.

Gouk, Penelope: Music Theory in Seventeenth-Century England. Review. In: Journal of Seventeenth-Century Music. Band 8, H.1. 2002. Online-Ausgabe: www.sscm-jscm.org/v8/no1/gouk.html (abgerufen: 16.7.2008)

Harris, Bernard: The Dialect of those Fanatic Times. In: Brown, John Russell / Harris, Bernard (Hg.): Restoration theatre. Stratford-upon-Avon studies 6. London: Edward Arnold Ltd. 1965. S.11-40

Latham, Robert (Hg.): The diary of Samuel Pepys. Band 1-11. London: Bell. 1971 – 1983. Online-Ausgabe: www.pepysdiary.com (abgerufen: 19.7.2008)

Manifold, J.S.: The Music in English Drama. From Shakespeare to Purcell. London: Rockliff Publishing Corporation. 1956.

Radice, Mark A.: Theater Architecture at the Time of Purcell and Its Influence on His "Dramatick Operas". In: The Musical Quarterly, Band 74, H. 1, S. 98-130, Oxford: Oxford University Press. 1990.

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Swanepoel, Pieter F.: Das dramatische Schaffen Henry Purcell’s. Dissertation. Wien. 1926. The New Encyclopædia Britannica. 15th edition. Chicago, Auckland, London (u.a.): Encyclopaedia Britannica Inc.1998.

White, Walter Eric: A History of English Opera. London: Faber and Faber Limited. 1983.

„Whitehall Palace: Buildings”. In: Survey of London. Band 13, S. 41-115. 1930. OnlineAusgabe: www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=67776 (abgerufen: 20.7.2008)

Zimmerman, Franklin B.: Henry Purcell, 1659-1695, his life and times. Philadelphia: Univ. of Pennsylvania Press. 1983.

9. Andere Quellen

"Henry Purcell." In: The Concise Grove Dictionary of Music. Oxford: Oxford University Press, Inc., 1994. Online-Version: http://www.answers.com/topic/henry-purcell (abgerufen: 20.7.2008)

Encyclopædia Britannica Online 2008: http://original.britannica.com (abgerufen: 20.7.2008)

The University of Western Ontario: www.uwo.ca (abgerufen: 15.7.2008)

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