Fabienne, Tarot, Goldene Kugeln Und Von Einem Drachen, Der Mit Seinem Schwanz Die Sterne Vom Himmel Holt

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Tarot, goldene Kugeln, und von einem Drachen, der mit seinem Schwanz die Sterne vom Himmel holt

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„Es möcht kein Hund so länger leben! Drum hab ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis werde kund.“ Johann Wolfgang von Goethe Faust: Der Tragödie

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Erster Teil

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F A B I E N N E [Erstes Buch]

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„Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo ich es gelesen habe. Es gibt eine Fähigkeit, die nur außergewöhnliche Menschen besitzen. Kaiser, Könige, Tyrannen, Päpste und Propheten besitzen diese besondere Gabe. Es ist Vorherwissen. Vorherwissen erreicht man nicht durch spirituelle Erleuchtungen, auch nicht durch Gebete, also durch den Tausch von Anbetung gegen Eingebung. Erfahrung hilft auch nicht weiter, und nüchterne Schlussfolgerungen sind untauglich. Vorherwissen bekommst du nur durch loyale Informanten.“ RY

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Vielleicht erscheint es meinen Lesern wie eine überraschende Neuigkeit, aber für gute Freunde lege ich hin und wieder die Tarot-Karten. Ich übe diese Tätigkeit gern und mit viel Enthusiasmus aus.

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In den vielen Jahren, in denen ich lernen und erfahren durfte, haben mir meine intuitiv-mentalen Fähigkeiten eine kleine, aber treue Anhängerschaft beschert, die ich menschlich gesehen, sehr schätze. Das Spiel mit den Karten ist für mich nicht nur ein Lernprozess, sondern auch ein Erfahrungsschatz, an dem ich euch, meine Freunde und Leser, heute teilhaben lassen möchte. Obwohl die Kartendeutung mit vielen Vorurteilen behaftet ist, kann ich von mir mit Fug und Recht behaupten, dass ich diese Tätigkeit seriös ausübe. Entgegen dem allgemeinen Trend des Sinnsuchens und Unsinnfindens, sehe ich die Kunst

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des Kartendeutens nicht unter esoterischen Gesichtspunkten, sondern als pragmatischen und

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bodenständigen Versuch die Zusammenhänge von Raum, Zeit und Ereignissen in einen vernünftigen Zusammenhang zu bringen. Das gelingt mir nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit, denn manchmal beginnt der Tag auch bei mir mit geistigem Nebel und gedanklichem Chaos. Davon und von noch viel mehr möchte ich heute berichten.

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____________________ „Du kannst die Zukunft verändern, aber die Vergangenheit ist und bleibt wie sie war. Oder du schreibst ein Buch.“ Paul van Cre

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Kennst du das auch? Es gibt Tage, da ist das Leben wie eine Pralinenschachtel. Man sehnt sich nach Leckerem, aber man weiß nie, was einen erwartet, wenn die Verpackung erst mal weg ist. Auch ich ahnte noch nichts. Das hell, strahlende Licht des Tages drang durch die staubgepuderten Fensterscheiben, um

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sich dann erbarmungslos einen Weg durch die Ritze und Schlitze der das Sonnenlicht abhalten sollenden, von mir nur nachlässig zugezogenen

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Fensterbehänge zu bahnen. Das fröhliche Pfeifen der Vögel im Geäst der Bäume vor meinem Fenster, erinnerte mich spontan daran, dass der frühe Vogel bekanntlich den Wurm fängt. Ich weiß nicht, ob Vögel bei der frühen Geräuschproduktion generell fröhlich sind, und eigentlich mag ich keine Würmer zum Frühstück. Halb aufgeschreckt, aber im Halbdunkeln noch schlaftrunken dachte ich spontan an die uralte Vöglerfrage: „Warum haben manche Liebespaare nichts anderes zu tun, als über das ungleiche Vogelgezwitscher von Lerche und Nachtigall zu diskutieren. Da ist Zoff vorhersehbar.“ Zuerst unendlich langsam, dann sich doch etwas schneller engagierend, begann sich mein Gehirn auf die gewohnten Hochtouren einzustellen.

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Nur mein Wille zum Aufstehen war noch zu schwach. Daran, und an noch viel mehr erinnere ich mich genau, denn es sollte ein denkwürdiger Tag werden. Wenn ich mich richtig erinnere, war es der 10. Mai 2007 und wenige Minuten nach 8 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. Es war ein Versuch der Zukunft, mich mit besonderen Ereignissen zu belohnen. An diesem Donnerstagmorgen bahnte sich die Ouvertüre zu einem Konzert an, von dessen mentaler Tragweite ich zu dieser frühen Stunde noch keine Ahnung hatte, denn ich befand mich, träumerisch gesehen, noch im Dialog mit meinen

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Vorfahren und körperlich im warmen Bett.

Die Geschichte die ich dir jetzt erzähle ist kein

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Traumgespinst. Und so wahr ich hier schreibe, sie hat sich tatsächlich so zugetragen und sie begann mit dem penetrierenden Störsignal meines Telefons. Das Geräusch war der Befehl für eine, und zwar meine Reaktion. Es riss mich aus meinem Halbschlaf und unterbrach rüde meine wohligen Träume. Bis zu diesem Zeitpunkt, wenige Minuten nach 8 Uhr, wusste ich es noch nicht, aber Viola, meine allerwerteste und äußerst vollgutgeformte Freundin bat nicht um Hilfe. Das ist nicht ihre Wesensart. Du musst wissen, dass Viola nicht das Bitten, sondern das Quälen im Blut hat. Es gibt solche Frauen, und Viola ist ein besonders exquisites Exemplar dieser Gattung. Wenn sie fordert, dann sofort und ohne Widerspruch. Meine

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Telefondomina rief nach mir, und ich wusste, auch das ist Teil meiner vorausschauenden Fähigkeiten, dass sie mir keinen schönen Donnerstagmorgen wünschen wollte. Eine unbestimmte Vorahnung sagte mit, dass ihr kompliziertes Liebesleben, direkte Auswirkungen auf mein Leben in den nächsten Tagen haben wird. „Hi, sag mal, hast du heute Abend eine halbe Stunde Zeit für mich? Kannst du mir die Karten legen?“ Violas etwas atemlos-strenge, ohne überflüssige Begrüßungsformalitäten und antwortheischende Pausen, aber doch fröhlich-

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aktive Stimme am Telefon ließ keinen wirksamen Widerspruch zu. Sogar im Halbschlaf konnte ich ihre

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gute Laune spüren, was ohne große Phantasieleistungen auf einen erfolgreichen Ausflug aus ihrem goldenen Ehe-Käfig, mit anschließender Freivögelei bis in die frühen Morgenstunden schließen ließ. Trotz meinem Dämmerzustand konnte ich aus dem ersten gesprochenen Satz schon so viele Informationen heraushören, dass jedes weitere Wort eigentlich überflüssig gewesen wäre. Wie du vielleicht weißt, weiß ich was sich gehört. Mit meinem dynamisch klingenden „Ja, natürlich hab ich Zeit …“ beantwortete ich halb aus dem Tiefschlaf herausgerissen ihre Doppelfrage, um wenig erfolgreich darüber hinwegzutäuschen, dass ich noch im Bett lag, um sofort ein geheucheltinteressiertes „… was ist denn passiert?“

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nachzuschieben. Nicht das mich Violas Antwort auf meine mitfühlende Frage wirklich interessiert hätte. Nicht um diese Zeit, und nicht solange ein zugegeben schönes Maiwetter meine Aufstehenergie zwischen der schweren Entscheidung von Sein und Nichtsein, oder Aufstehen und Liegenbleiben, gnadenlos auf Sparflamme hielt. Meine rhetorische Frage war in Wirklichkeit nichts anderes als ein präventiver Schutz vor absurden Forderungen. Zum Beispiel vor möglichen Anleihen zur Überwindung vorübergehender Zahlungsschwächen (dann hätte ich kurzfristig in den Harz verreisen müssen), oder

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die Forderung nach klarer Positionierung für die zuerst anfragende Partei bei eheliche Differenzen,

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was aktiv-aggressive Feindschaft der anderen Partei, und bei mir als Fluchtlösung einen sofortigen, stark ansteckenden, grippalen Infekt in Verbindung mit einer schweren Migräne nach sich gezogen hätte. Noch kannte ich die eigentlichen Ursachen nicht, aber die Kräfte der Wirkung fingen an meine Gedankengänge zu beeinflussen. Es war die Eröffnungsfrage, die nur dem Wissenden zwei Besonderheiten offenbarten. Erstens: Violas Frage war keine Frage sondern eine Überraschung mit Folgen. Und die zweite Besonderheit - bei Viola dauert eine halbe Stunde üblicherweise und mindestens zweihundertvierzig Minuten mit der Chance auf unlimitierte

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Verlängerung der pausenlosen Redezeit in der ersten Halbzeit. Mit einer Gewissheit, die ich mit einer neunundneunzig prozentigen Chance fair bewerten konnte, wurden meine spontanen und geplanten Aktionen für diesen Tag mit Violas erstem Satz begraben. Mein Organizer begann wie erwartet und zusammen mit meinem Time-System auszuflippen und kollektiven Selbstmord durch einen Sturz aus dem dritten Stockwerk zu begehen. Natürlich hatte ich eine mindestens zweihundertvierzigminütige halbe Stunde Zeit um meiner Freundin Viola die Nebel der Zukunft mit

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Hilfe der Tarot-Karten und meinen Fähigkeiten als Medium zu lichten. Dafür gab es sehr pragmatische

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Gründe. Einerseits sagte mir meine Forscherneugier, dass neue psychologische Erkenntnisse der sexuell-zwischenmenschlichen Kommunikation darauf warteten, von mir entdeckt zu werden. Zum anderen reizte mich die Aussicht auf eine eventuelle Chance, an Violas Liebesleben zumindest akustisch, wenn nicht sogar körperlich teilzunehmen. Denn Viola hat eine äußerst promiskuitive Ader, und ganz besonders dann, wenn sie Lust auf einen kleinen Nachschlag hat, was der Kenner weiblicher Psyche auch mit „Restgeilheit“ bezeichnet. Ganz nebenbei hatte ich, wenn ich mich richtig erinnere, an diesem Tag auch keine Lust, mich aktiv zum Zweck des Broterwerbs zu bewegen.

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Nach einigen taktischen Fragen, die nur temporär Violas heiteren Redefluss hemmen konnten, gelang es mir, die Ursache für das Bedürfnis nach meiner Gesellschaft heraus zu hören. Die vor mir noch kunstvoll verborgende Ursache für Veränderungen war in einem ihrer üblichen, inszenierten Ehekräche ums liebe, weil fehlende Geld zu suchen. Wie du vielleicht noch weißt, ist Werner Steuerberater, außerdem Violas Ehemann und mein bester Kumpel, denn er bearbeitet meine steuerlichen Angelegenheiten sehr korrekt und kostengünstig.

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Ich sehe es an deinem ratlosen Gesichtsausdruck, dass du keine Ahnung hast, wer

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„zum Teufel“ Viola ist? Wenn ich den etwas altmodisch klingenden Begriff „Charme“ bei einer Frau definieren soll, dann fällt mir spontan das Zusammenspiel von Augen und Stimme ein. Für mich sind Augen und Stimme der Schlüssel zum mühsam Verborgenen. Daran erkennst du schon, dass ich nicht zu den Oberflächlichen gehöre. Ich bin eher der voyeuristische Entdecker, der sich mit heimlicher Freude an einem ästhetischen Gesamtkunstwerk erfreuen kann. Für mich ist es die wahre Lust, die schwarzen Stellen in den Seelen und Gedanken sinnlicher Frauen zu finden, und Viola gehört dazu. Sie ist ein ganz besonders exzentrisches Exemplar der Gattung Frau. Nicht irgendeine wuschelig verhuschte Allerweltsfrau.

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Viola ist „die“ Frau. Eine Frau, die mit entwaffnendem Charme und besonderer Ausstrahlung ihre Intelligenz gut versteckt. Eine attraktive Frau (zumindest in meinen Augen) mit diesen kleinen Aufmerksamkeitsfängern, den kleinen Details, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, und die prickelnde Spannung im sonst perfekten gestylten Bild erzeugen. Viola ist fünfunddreißig. Zumindest behauptet sie das. Es ist das Alter, in dem Frauen mit wild wuchernden Haaren unter den Achselhöhlen und zwischen den Beinen, nach dem Sinn des Lebens

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suchen, weil sie die viel zu schnell vergangenen Jahre mit gelben Quitsche-Entchen, vereintem

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Singen in der Waldorfschule und engagierten Elternabenden verbracht haben - oder durch konsequente Selbstverwirklichung, zum Beispiel durch die erfolgreiche Leitung eines für den Ehemann steuersparenden, weil steuermindernd abzuschreibenden Kosmetik- oder Nagelbetriebs und mehrerer, ständig wechselnder Liebhaber jung geblieben sind. Viola hat sich frühzeitig für die zweite Kategorie entschieden, wodurch die zuerst beschriebenen Merkmale nachweislich entfallen. Obwohl ich mir den Rat von Sokrates zu Herzen genommen habe, dass man sich nur von der Last des Eros befreien kann, wenn man sich mit den weniger schönen Weibern einlässt, kann ich es nicht lassen. Viola ist schön wie ein reifer Apfel im

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Paradies, und sie tut mir gut. Sie ist ein hoch dosiertes Kreativitäts-Aphrodisiakum, das meine Phantasie anregt, und sie besitzt dieses besondere Etwas, dass vorzugsweise die männlichen Sinne zum vibrieren, und die weiblichen auf „höchste-Gefahrin-der-Gabardine-Anzughose-meines-Mannes“ Alarm stellt. Viola hat unzweifelhaft das besondere Etwas eines für ihre Bestimmung vollkommenen Wesens, über das ich mir in den letzten Jahren bewusst geworden bin. Vielleicht hast du es schon bemerkt, ich komme etwas ins Schwärmen. Das ist eine entschuldbare Verfehlung, denn auch ich bin ein Mann und ich kann allem wiederstehen, nur

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nicht der Versuchung. Natürlich schaue ich mir auch gern ihre Gaudinockerln und ihren charmanten Po

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an, der mich irgendwie an das meist unerreichbare Ideal männlicher Träume, die geschwungenen Formen eine Corvette aus den späten 50er Jahren erinnert. Viola hat in ihren Körper, in einer Art kapitalistischem Tauschgeschäft, viel investiert. Eigentlich hat sie das Materielle nicht selbst erbracht, denn Viola ist gut situiert mit Werner verheiratet, und sie verfügt über gefragte Tauschwerte. Werner, ihr Mann und Lebensgefährte hat die laufenden Investitionen übernommen, und sie dankt es ihm pflichtbewusst und vertragstreu mit den routinemäßigen EheGegenleistungen und den in Bildungsbürgerkreisen üblichen in- und aushäusigen

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Repräsentationsaufgaben. Nach meiner Meinung haben sich die Renovierungsarbeiten für Beide gelohnt. Viola ist ein absolut repräsentatives Jugendstilobjekt. Nicht mehr ganz jung, also kein Neubau mit versteckten Macken, aber auch nicht durch ein ständiges Kommen und Gehen verwohnt, obwohl Viola den nervenaufreibenden Fulltimejob der Hausfrau ausübt. Der anstrengende Beruf der Haus- und Hauptfrau bringt es mit sich, dass Viola auch gewisse Ansprüche hat. Die geschmackvoll arrangierten, schmückenden Accessoires an Armen,

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Hals und sonstigen Körperteilen signalisieren selbst einem Blinden den diskret-kultivierten Anspruch,

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dessen laufender Unterhalt das BruttoMonatseinkommen eines normal verdienenden Bürgers locker überschreitet. Ich vermute, ihre Ehe gibt ihr eine Art zusätzliche Sicherheit, unter anderem durch mehrere, unlimitiert einsetzbare Kreditkarten. Das alles und noch viel mehr ist an mir vorübergegangen. Viola ist Werners Angelegenheit, denn mit Werner ist sie verheiratet und ich mit ihm befreundet. Als nicht betroffener, aber subversiver Beobachter kann ich auf spannende Erzählungen hoffen. Ich weiß, Viola wird mir ein Menü mit scharfen Gewürzzutaten servieren, die das Leben in der City schmackhaft und spannend machen. Sex,

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Liebe, Treue, Seitensprünge, Herzschmerzen, Eifersuchts- und Gelddramen werden sich mit hinterlistigen Macht- und brutalen Kampfspielen abwechseln. Im Grund hat sich nicht viel geändert, seit die Menschen das finstere Mittelalter überstanden haben. Zivilisierte Menschen schlagen sich, jedenfalls nicht im Allgemeinen, manchmal nur im Besonderen, aber nicht mehr offensichtlich und für jeden erkennbar mit Knüppeln und schartigen Schwertern tot. Archaisches Verhalten passt einfach nicht mehr in unsere zivilisierte Welt. Dennoch wird im engen Freundeskreis diskutiert und es werden Ränke geschmiedet. Nicht anders ist das Verhältnis

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zwischen Viola und mir. Mit Viola diskutiere ich immer wieder gern, aber natürlich nur theoretisch,

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weil ich eine sowohl humanistische, wie auch konsequent pazifistische Lebenseinstellung kultiviere. Dennoch macht es Spaß, sozusagen als Denksportaufgabe, über die unauffällige und schmerzvolle Beseitigung des geliebten, aber ausgedienten Partners, sowie über unendlich-ewige und überraschend schnell vergangene Lieben, sofern es nicht meine sind, zu diskutieren. Leben ist nun mal wie eine Mischung von Monopoly und Mensch-ärger-dich-nicht, dazu etwas Halma für die zarteren Seelen, und eine kleine Dosierung Schach, damit das Gehirn nicht einschläft. In diesem Spiel geht es um Objekte, um Nutzen, Geld, Häuser, Macht und wenn man alles addiert hat, gibt es als Sahnehäubchen oben drauf, eine größere Portion

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Lustgewinn. Doch bevor ich mich zu sehr verplaudere, möchte ich auf Viola und ihre unübersehbaren Vorzüge zurück kommen. Viola ist eine dieser seltenen Frauen, bei der das Zitat „der Prophet ist im eigenen Land ein Nichts“ eine ganz neue Bedeutung bekommt. Mein gefragter und gern gehörter Rat erreicht das Verfalldatum oft am gleichen Tag (oder Nacht). Oder anders ausgedrückt: „Honey lass es lieber bleiben, das ist zu gefährlich, wenn Werner etwas davon erfährt?“ „Ja, ich weiß doch“ ist ihre übliche Antwort.

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Ihr abschweifender und gleichzeitig gelangweilter Blick, dazu der Ton ihrer Stimme sagen mir, dass

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meine Laute zwar akustisch bei ihr angekommen sind, aber die Worte als leere Hülsen in ihrem geistigen Papierkorb gelandet sind. Vorwerfen kann ich mir nichts, denn meiner Sorgfalts- und Aufbewahrungspflicht komme ich gern nach. Ich habe Viola mit bestem Wissen und Gewissen an meinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben lassen. Sie weiß von mir, dass ein wohlgeordnetes Leben durchaus seine Vorteile hat, und das Spielen mit dem Feuer Gefahr bedeutet. Viola ist eine Frau und man kann nicht behaupten, dass es ihr an Intelligenz mangelt. Sie ist sogar so intelligent, dass sie meinen Überlegungen und Erfahrungen folgen kann, aber nur wenn sie will.

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Zum Beispiel ihre Ehe: Sie hat klaglos akzeptiert, dass sich der gesuchte Glückszustand nicht einstellen wird. Ich habe sie vor der Ehe gewarnt. Gut, ich gebe es zu, meine Warnung war etwas undeutlich, weil sie, wenn ich mich richtig erinnere, zum besagten Zeitpunkt auf meinem Gesicht saß. Aber Werner ist als Zahlenmensch nun mal zu spröde und Viola als kreative Frau zu sinnlich. Das bedeutet nicht, dass Steuerberater an sich spröde sind. Das wäre ein pauschales und plattes Vorurteil, dem ich mich nicht anschließen möchte. Viele Steuerberater, Bleistiftanspitzfanatiker, und

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Finanzbuchhalter sind im Grunde ihres Herzens nette, fröhliche Menschen mit einer kreativen

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Lebensführung. Es gehört in den Bereich der Märchen, dass solche Menschen, wie seelenlose Geschöpfe, ihre grauen Gesichter durch schwarze Kapuzenmäntel verdecken, um ungestört ihrer Berufung als Großinquisitoren nachzugehen. „Aber wir passen nicht zusammen“ sagt Viola, und spricht Werner vermutlich aus dem Herzen. Jedenfalls hat Viola ihre abstrakten Vorstellungen von Glück und Freiheit in der Ehe mit Werner ziemlich reduziert. Dabei ist Violas Ehe ein faires und hochanständiges Geschäft, das mit den Regeln der klassischen Ökonomie des Tauschhandels konform geht. Beide haben ein pekuniäres Interesse am Vorteil, und Viola macht da kein Geheimnis daraus. „Ich mach hin und wieder die Füße

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auseinander und er darf zwischendurch mal gucken, aber das muss ihm reichen. Für das was der mir bietet ist das genug. Wenn ihm das zu wenig ist, soll er es sich doch selber machen, der Arsch.“ Das hat sie mir, ihrem besten Freund gesagt, und ich habe das nicht ausdiskutiert, sondern mit einem Kopfnicken zur Kenntnis genommen. Obwohl und bei genauerer Betrachtung des Angebots erscheint mir Violas Offerte etwas zu substanzlos. Eheliche Erotik ist wie ein als spannend empfundener Film. Die Rocky Horror Show ist beim ersten Mal noch lustig, der Unterhaltungswert nimmt aber mit den Wiederholungen deutlich ab,

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weil man die Gags früher oder später verinnerlicht hat. Das habe ich zu bedenken gegeben. Nach

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meinen insistierenden Nachfragen hat Viola zuerst schamhaft, dann aufrichtig zugegeben, dass sie den Tauschwert gelegentlich etwas aufpimpt. „Manchmal bekommt er als Zugabe noch einen schnellen Blow-Job, oder ich mach es ihm in seinem Büro mit der Hand. Wenn er vor zwölf kommt, kommt er nicht zum Mittagessen und ich muss nicht kochen.“ Nicht gesagt hat sie mir, dass die mündlichen und handgreiflichen Zugaben im engen Zusammenhang mit ihrem permanent überzogenen Konto bei der örtlichen Sparkasse stehen. Bitte verurteile Viola nicht, ich tu es auch nicht, denn ich bin nicht mit Viola verheiratet, was gelegentlich von Vorteil ist.

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„Bei euch wird keiner benachteiligt. Ihr profitieren ja von einem beiderseitigen, subjektiven Gebrauchswert.“ Das ist mein fachlicher Rat und darauf bin ich sehr stolz. Denn Viola hält sich ausnahmsweise und konsequent daran. Nun sagst du vielleicht: „So etwas ist doch nicht moralisch. In meiner Ehe gibt es so etwas nicht. Ich würde mich sofort trennen.“ Das ist ein anständiger und lobenswerter Vorsatz, aber bitte glaube mir. Solche Deals kommen häufiger vor, als du vielleicht denkst. Denn alle Beteiligten wissen, dass es mit einem

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stillschweigend akzeptierten Arrangement nur Gewinner geben kann. Ich weiß auch, dass Werner

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(Violas geliebter Gatte und logisch denkender Zahlenmensch) sehr nüchtern die Vorteile und Nachteile gegeneinander abwägt. Nur für meine Freunde und meine Leserinnen habe ich die Fakten in einer Kurzfassung zusammengefasst:

1.

Eine Full-time Haushälterin und frisch gebügelte Hemden sind nicht unter Zweitausend im Monat, wenn man die Lohnnebenkosten noch mit einrechnet, zu bekommen.

2.

Eine gute Köchin kostet noch einmal das gleiche,

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3.

und ein Hausservicebewachungs- und Reparaturdienst für die rosarote Villa mit den vier Säulen vor der Tür dürfte ebenfalls mit der gleichen Summe zu Buche stehen.

4.

Nicht vergessen darf man, dass bei einer Angestellten Urlaub- und Fehlzeiten, zum Beispiel wegen wechselnden Beziehungskatastrophen und Krankheiten wegen permanenter Überarbeitung noch zusätzlich einkalkuliert werden müssen.

5.

Die ehelichen Notwendigkeiten kommen dazu,

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und selbst bei pflichtschuldigster Erfüllung (frei nach Johann Wolfgang von Goethe: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch

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ihr“) kann man fünfhundert Euronen dafür ansetzen.

Lange nachrechnen muss da niemand. Rein rechnerisch betrachtet, ist die Institution Ehe für Werner ein ziemlich gutes Geschäft. Eine Ehefrau ist im Unterhalt billiger, sofern das monetäre Zaumzeug stramm sitzt, und die Regeln klar und verständlich definiert sind. Viola kann sich, sofern sie mit einem Taschenrechner umgehen kann, den Wert Ihrer ehelichen Dienstleistungen selbst ausrechnen. Und wenn Viola sich in ferner Zukunft auch noch selbst verwirklicht, und ihre seit längerer Zeit geplante berufliche Selbstständigkeit Früchte trägt, dann ist das die perfekte Lösung für eine gute

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Ehe. Viola ist voraussichtlich so beschäftigt, dass sie nicht mehr auf „dummen Gedanken“ kommt. Sie hängt am Tropf von Werner, der ihr beliebig den Geldstrom auf- und zudrehen kann, und Viola muss springen wenn Werner „Hopp“ sagt, und sie muss knien, wenn Werner „Platz“ sagt, und das ist für Werner nicht schlecht. Es ist der Traum jedes Erfolgreichen, denn das Allerschönste kommt noch. Werner kann die hundertprozentig zu erwartenden Verluste durch Violas Selbstverwirklichung in der Selbstständigkeit auch noch gewinnmindernd und damit Steuersparend mit seiner nächsten

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Einkommensteuererklärung geltend machen. Bevor ich es vergesse, Viola hat beschlossen,

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sich in den nächsten Wochen beruflich zu engagieren um finanziell unabhängig zu werden. Viola denkt, sofern es ihre knapp bemessene Zeit zulässt, an die Eröffnung eines größeren Kosmetikbetriebs mit im Trend liegenden Wellnessund Feng-Shui Angeboten, aber es kann auch etwas vollkommen anderes, vielleicht eine kleine Galerie, oder irgendetwas Imageverstärkendes mit wenig Einsatz und viel Geld. Wir werden es erleben, denn ich werde dir zu gegebener Zeit darüber berichten. Entscheidend ist jedoch, dass Viola endlich viel eigenes Geld verdienen möchte, um es Werner (ihrem Ehemann), „dem militanten Arschloch“ (sagt Viola), mal richtig zu zeigen, denn Werner ist ein Pedant in Bezug auf unkontrollierte Geldausgaben.

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Du siehst, Frauen sind nicht einfach, und es gehört viel Mut dazu, sie zur richtigen Zeit so zu nehmen wie sie nun mal sind. Viola gehört seit vielen Jahren zu meinem Leben. Ich habe mit Lust die Last ihrer Freundschaft auf mich genommen. Das war nicht immer einfach, aber dafür habe ich mir eine Belohnung redlich verdient. Ich tausche meine Gesellschaft gegen ästhetischen Genuss und augenfreundlichen Gebrauchswert. Für Viola bin ich eine Art allwissender Frauenflüsterer, der ihr den notwendigen praktischen und mentalen Schutz gibt, um es mit einer beliebig austauschbaren Anzahl von

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Frauen, Männern und Gegenständen zu treiben, und hin und wieder auch mit mir.

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Das ist nicht weiter schlimm, denn Viola hat noch andere, für mich unschätzbare Vorzüge. Viola benutzt mich. Du wunderst dich, dass es mir auch schon auffällt? Und vielleicht fragst du dich, warum ich mich benutzen lasse? Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Ich verdränge ganz einfach das negative Benutzungsgefühl, und sage mir, es ist nichts weiter als ein kreativer Tauschhandel. Ich gebe die realen Werte meiner Gesellschaft gegen optisches Vergnügen und schmücke mich mit Werners dekorativer Frau ohne dafür zu bezahlen. Viola gestattet mir, dass ich sie als augenfreundliches Studienobjekt nach Belieben missbrauche. Nein, nicht so, wie du vielleicht empört denkst. Ich würde nie auf den Gedanken kommen,

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einen wertvollen Menschen wie ein seelenloses „Objekt“ zu benutzen. Viola ist eher ein vielsprechendes und inspirierendes Selbsterfahrungsversuchsbunny mit etwas Hirn. Wir ergänzen uns auf eine wunderbare Weise. Ich genieße ihre Gesellschaft und die Rolle, die sie mir zugedacht hat. Es ist der perfekte Tauschhandel. Wir sind beide zufrieden. Und manchmal bekomme ich, sozusagen zur Belohnung ein unterhaltsames Betthuferl als Überraschungsgeschenk obendrauf. Für Viola bin ich außerdem der ideale Alibigeber. Ich bin der unauffällige, beste Freund aus Jugendtagen. Einer dem man alles anvertraut

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und der optisch ungefährlich erscheint. Aber so bin ich halt und ich kann es nicht ändern.

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Warum mein bester Freund Werner mir in gutem Glauben, sozusagen treuhänderisch seine Frau anvertraut, hat einen einfachen Grund. Ich entspreche nicht ganz dem derzeit angesagten, männliche Schönheitsideal. Ich trage eine Brille und habe etwas schüttere Haare. Vermutlich erscheine ich darum harmlos, und in Werners Augen ungefährlich. Aber genau das ist meine Stärke, mein Aussehen wird zu meinem Gewinn in einer gnadenlosen Gesellschaft, denn damit kann ich mutig den Vorteil beim Wandel unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeiten des Objekts ergreifen. Aber vielleicht sagt sich Werner auch: „Guten Freunden gibt man hin und wieder ein Küsschen“, und denkt, dass seine Viola bei mir

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besser aufgehoben ist, als in fremden Händen. Aber auch Viola hat Vorteile. Sie kann mit meiner Hilfe so etwa drei- bis viermal in der Woche, auf eine optisch legale Weise, aus ihrer ehelichen Versorgungsanstalt ausbrechen um einmal in der Woche mit mir tiefschürfende Gespräche über philosophisch-alltägliche Ereignisse zu führen. Diese Gespräche sind von Viola als therapeutisch wertvoll deklariert und darum von Werner (ihrem angetrauten Ehemann) ausdrücklich erlaubt. Früher, als ich noch verheiratet war, war es umgekehrt. Da konnte ich Viola hin und wieder als Alibigeberin einsetzen. Viola wurde zwar von

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meiner damaligen Ehefrau, intuitiv als Rivalin angesehen, und auch in stutenbissiger Weise

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behandelt. Aber der beruhigende Hinweis auf eine alte Jugendfreundschaft aus Kindergartentagen war Grund genug, das Feuer des Misstrauens klein zu halten. Auch mit Werner bin ich gut befreundet. Eigentlich ist er mehr mit mir befreundet, denn manchmal geht mir seine buchhalterisch-nüchterne Art ziemlich auf den Geist. Aber was würdest du an meiner Stelle tun? Ich finde, dass es ein feiner Zug von ihm ist, wenn er mir seine Viola zur gefälligen Nutzung überlässt, und außerdem meine Steuerangelegenheiten regelt. Soll ich mich dann dagegen wehren? So viel Charakterstärke kann niemand von mir verlangen.

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Doch bevor ich zu sehr schwärmerisch abschweife, kommen wir nun zu diesem denkwürdigen Donnerstag im Mai zurück. Nicht ausdrücklich von Viola angesprochen, aber aus den erhaltenen Informationsbruchstücken konnte ich größere Verwicklungen annehmen. Es war natürlich purer Zufall, und nur extrem misstrauische Gemüter könnten vermuten, dass Violas läufiges Saturday Night Fever vom voran gegangenen Wochenende und der pompös inszenierte Ehekrach in direkter Beziehung zueinander standen. Was auch immer die Ursachen waren. Meine Freundin Viola war an besagtem Samstag zur Nacht wegen der erlittenen,

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schweren ehelich-seelischen Verletzungen gezwungen, fluchtartig und unter dramatisch-

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theatralischem knallen mit Türen, die eheliche Villa zu verlassen, und einen Gastronomie-Betrieb, in diesem Fall als erste Anlaufstelle eine bekannte Cocktailbar (die an anderer Stelle noch öfter erwähnt wird) aufzusuchen, die als Treff für überwiegend kopulationsfreudige Menschen, also Singles und solche die sich dafür ausgeben, auch heute noch sehr zu empfehlen ist. Zurück blieb ihr ziemlich angesäuerter Werner, der nun in Ruhe sein Bier trinken, die Erbsen zählen, und die verschiedensten Fernsehprogramm testen konnte. Und bei Viola? Die Wut auf Werner war die Ursache für den zwangsläufigen Appetit auf Anderes und die emotional geladenen Werbeaktionen zeigten Wirkung. Zumindest die

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Wirkung, dass sie am darauf folgenden Donnerstag vollkommen euphorisiert meinen qualifizierten Rat bedurfte.

„Ich freue mich“ war meine Donnerstagmorgenantwort. Damit war eigentlich alles gesagt. Doch bevor ich sie wegdrücken konnte, kam schon die nächste Frage: „Du, ich hab noch was vergessen. Sag mal (kurze Pause in der ich nichts dagegen zu haben hatte. Dann waren statt Worte ein Sauggeräusch an einer Filterzigarette und ein kurzes Husten zu hören), kennst du eigentlich Fabienne?“

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Viola hat gute, beste, allerbeste und viele andere Freundinnen und ich kann mir nicht jeden

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Namen merken. Außerdem sind weibliche Namen für mich Schall und Rauch. Ich habe mich aus Sicherheitsgründen an die sehr persönliche Frauenallroundansprachen, wie zum Beispiel „Schatz“, „Liebling“ oder „Honey“ gewöhnt, die mit stimmiger Tonlage zu allen Gelegenheiten in Freud und Leid passen und jede versehentliche Verwechslung ausschließen. Aber Fabienne war ein mir bis dahin nicht geläufiger, durchaus phantasievoll-frankophil klingender Name, den ich nicht zuordnen konnte. „Ich bring sie mit. Du hast doch nichts dagegen?“ war die mehr rhetorische Frage, die eine, meine mögliche Antwort und jeden denkbaren Einwand völlig überging.

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Nicht dass ich wirklich etwas dagegen hätte. Ich empfinde es als angenehme Bereicherung meines Lebens, wenn wildfremde Frauen meinen Kühlschrank plündern, meine Bude mit Zigarettenrauch und undefinierbaren Parfüms schwängern, mein Toilettenpapier verbrauchen und die Klobrille bepinkeln, weil sie seit Erfindung der Brille, und das ist ja immerhin schon einige Jahrzehnte her, immer noch nicht gelernt haben, dieses überaus nützliche Utensil hochzuklappen. Dennoch konnte ich eine gewisse klammheimliche Vorfreude auf einen anregenden Abend nicht vollständig verheimlichen. Als kommunikativer

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Mensch ist es mir ein Bedürfnis, soziale Kontakte zu knüpfen, besonders dann, wenn schon im Namen

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eine erotische Frischfleischkomponente mitspielt, die mir sozusagen als Häppchen auf dem „silbernen Tablett“ serviert wird. Außerdem muss ich hin und wieder auch ans Geschäft denken, eine neue Klientin und ein kleiner Zusatzverdienst sind ja auch nicht zu verachten. „Wer ist denn Fabienne?“ war nur noch eine rhetorische Zusatzfrage, um mehr Hinweise zu bekommen.

An dieser Stelle ist ein kleiner Hinweis angebracht. Du musst wissen, dass jeder fähige Kartendeuter weiß, dass Vorherwissen die Zukunft entscheidend beeinflussen kann und daher gut fürs Geschäft ist. Aber bis zu diesem Moment ahnte ich

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noch nichts von dem unmittelbar bevorstehenden Energieschub der mein Leben verändern sollte. Du wunderst dich, warum ich als Mensch mit medialen Fähigkeiten die Zukunft nicht sehen konnte. Es gibt keinen Grund an mir und meinen Fähigkeiten zu zweifeln. Glaubst du ernsthaft, ich hätte am frühen Donnerstagmorgen und in den weichen Kissen und auch Pfühlen, denn ich lieg nicht gerne kühle, meine Tarot-Karten dabei?

Albert Einstein hat einmal gesagt: „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.“ Oberflächlich betrachtet mag er

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recht haben. Ich behaupte, dass sich das Genie zwar nicht geirrt, aber eine theoretische, fehlerhafte und

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darum lebensfremde Behauptungen aufgestellt hat. Das Schönste ist die Entdeckung und Erbeutung des Entgegengesetzten, bevor die Konkurrenz einem die Gelegenheit vor der Nase wegschnappt. Diese, meine durch Lebenserfahrung gewonnene Erkenntnis zusammengefasst, bezeichnet man üblicherweise als Liebe. Eigentlich hätte ich nun, dem moralischen Zwang der erwachsenen Bevölkerung folgend, aufstehen müssen um mein Tagewerk zu beginnen, aber aus einem unbestimmten Gefühl heraus, blieb ich im Bett liegen. Im immer noch halbdunklen Zimmer verfingen sich meine Gedanken in einem wirren Tagtraum von „was ich tun würde wenn“ und längst vergangenen Episoden, die ich nicht

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mehr ändern kann, aber zu gerne noch mal zu meinem egoistischen Nutzen verändern würde, wenn ich zurück in die Vergangenheit könnte, was mir nicht möglich ist, denn ich bin ja noch da. Warum mir in diesem Moment die kleine Geschichte einfiel, weiß ich nicht mehr. Ich habe sie nicht selbst erlebt. Als Kind habe ich oft den Satz „dafür bist du noch zu jung“ hören müssen. Hinter vorgehaltener Hand hat man sie mir erzählt, manches habe ich zufällig gehört, und einiges wurde mir lange Zeit verschwiegen. Heute, im reiferen Alter kann ich sie dir ohne moralisch

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verwerfliche Hemmungen erzählen.

Es war einmal vor sehr, also sehr langer Zeit,

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so um das Jahr 1900 herum. Meine Geschichte handelt von einem Mann, mit einem schwarzen Zwirbelbart und einer dicken, goldenen Uhrenkette an seiner Weste, die sich über seinem mächtigen Bauch spannte. Er war ein stattlicher Mann und ein Frauenschwarm. Du musst wissen, dass zur damaligen Zeit andere Schönheitsideale galten. Dieser Mann hatte in einer süddeutschen Goldstadt, mit viel Erfolg und durch ein Netzwerk fleißiger Frauen die Abfälle der regionalen Schmuckindustrie an sich gebracht. Bei der Herstellung von goldenen Ringen und Armbändern fielen kleine Späne ab, die von den Frauen aus den Fabriken geschmuggelt, dem Mann übergeben wurden. Manchmal verschob er auch noch junge

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Frauen und insgesamt betrieb er ein florierendes und äußerst lukratives Unternehmen. Dabei hätte er es belassen sollen, denn weniger Fortune hatte er beim Glücksspiel. Darum wanderte er durch die einsamen Wiesen, Felder und dichten Wälder des Schwarzwaldes, weit weg von der besagten Goldstadt, immer auf der Flucht vor seinen rachsüchtigen Gläubigern, die ihm nach dem Inhalt seiner Brieftasche und auch nach seinem Leben trachteten. Auf seiner ruhelosen Wanderschaft durch die malerische Landschaft des einsamen Schwarzwalds traf er an einem heißen Frühjahrsnachmittag, es

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war Donnerstag der 10. Mai im Jahr 1900, auf eine hübsche, früh verwitwete Agrarökonomin (ihr

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Ehemann war mit Bauchschmerzen in der Güllegrube ertrunken), die unter einem knorrigen Apfelbaum mit gestielten Blüten und doldigen Schirmrispen, inmitten einer wunderschönen Frühlingsblumenwiese saß. Die junge Frau war verzweifelt und wurde von wirren Träumen über die ungewisse Zukunft geplagt. Trotz ihrer Gebete fand sie auf viele Fragen keine Antworten. Nervös und mit tiefen Seufzern, ließ sie immer wieder die glatten Perlen ihres Rosenkranzes durch die Finger gleiten. Ein kleines hölzernes Kreuz, das sie an einer dünnen Goldkette um ihren schönen Hals trug, brannte ihr auf der Haut, und auf ihrem großen, wogenden Herzen zeigten sich kleine, im Sonnenlicht schimmernde

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Perlchen von frischem Schweiß. Der Wanderer sah die entzückende Bäuerin mit Wohlgefallen. Er war ein weiser Mann, und durch seine Erfahrungen in der rauen Welt der Großstadt geschult, ein Experte im Erkennen des Wesentlichen. Sein Kennerblick sah das Spannungsfeld zwischen der transzendenten Not der hübschen, offensichtlich begüterten Landfrau und den realen Aspekten für seine weitere Lebensplanung. Intuitiv ahnte er, welche Mittel für den erwünschten Zweck einzusetzen wären. „Gott zum Gruße schönes Kind“ waren seine gütigen Worte. Leutselig zog er seinen steifen Hut

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und hielt in seiner Wanderung inne. Die hübsche Bäuerin sah ihn neugierig an, denn er war eine

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beindruckende Erscheinung und dazu ein schöner Mann. Obwohl es zur damaligen Zeit nicht schicklich war, nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und mit zagender Stimme fragte sie ihn: „Verzeiht mir Herr, woher kommt Ihr?“ „Mein Weg führt mich aus einer fernen Großstadt in diese Einsamkeit. Auch hier bedürfen die Menschen meiner Hilfe und meinem weisen Rat.“ Dann verschränkte er seine Hände und warf einen Blick gen blauen Himmel. Die junge Frau vernahm die rätselhaften Worte und sie war, wie es seit Urzeiten das Wesen des Weibes ist, begierig mehr zu erfahren. „Mein Herr, wenn Ihr von weit her kommt, könnt Ihr mir vielleicht meine Ungewissheiten

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nehmen“ war ihre mit niedergeschlagenen Augen, zögernd ausgesprochene Frage. Er lächelte gütig und sprach mit seiner tiefen, wohlklingenden Stimme: „Steh auf mein Kind, damit ich dich ansehen kann.“ Und die hübsche Landwirtin tat wie ihr geheißen, denn sie war eine gehorsame Frau. Er legte seine gepflegte linke Hand auf ihre Hüfte und nahm ihre rechte Hand in die Seine und sprach: „Stelle jetzt deine Fragen, und ich werde sie gewissenhaft und mit reinem Herzen beantworten.“ „Mein Herr, ich werde von schrecklichen Träumen geplagt. Ich liege in der Nacht wach und

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sehe nur Finsternis um mich. Mein Geist fleht und mein Leib brennt wie Feuer. Was soll ich tun, was

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wird aus mir werden?“ Mit dem Sinn des Gourmands erkannte der Wanderer aus der fernen Großstadt die Not ihres Leibes. Er spürte durch die Kraft seiner Hand auf ihrer Hüfte, dass eine arme Seele darauf wartete, vor dem drohenden Höllenfeuer errettet zu werden. „Gutes Kind, ich verstehe dich, denn ich kann in den Tiefen deiner Seele die Zukunft sehen. Das Brennen deines Leibes kommt von den Bewegungen der Welt. Spürst du wie sie sich bewegt?“ Sie sah ihn mit großen blauen Augen an, und sie antwortete unsicher: „Ja ich spüre es“ und ein leichtes Zittern durchlief ihren Körper und ihre

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köstliche, zur Überreife neigende Brust bebte. Der stattliche Wanderer sah ihr tief in die Augen und sie nahm einen fremden, angenehmen Geruch wahr. Plötzlich fühlte sie sich geborgen und sicher. Mit ruhiger und wohlklingender Stimme sprach er weiter: „Die Erde mein Kind, wird von einhundert mächtigen Ochsen gezogen und nur darum bewegt sich immer schneller. Und je mehr die Ochsen sich bewegen und ziehen und die fruchtbaren Wiesen zertrampeln, umso schneller dreht sich die Erde. So lange, bis alles auf dem Kopf steht.“ Die Landwirtin verstand das Gleichnis und mit

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verhaltenem Atem lauschte sie seiner beschwörend klingenden Stimme: „Und bald, schon sehr bald

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wird das ganze Wasser der Flüsse, der Seen und Ozeane auslaufen und alles, die fruchtbaren Wiesen, die Felder und Wälder überfluten.“ Der Wanderer deute auf das Land um ihn herum und aus den Augenwinkeln sah er den ängstlichen Ausdruck in ihren Augen. Hastig frage sie ihn: „Wer weiß denn noch, das so etwas geschehen wird?“ Er sah sie mit einem durchdringenden Blick an, und sie wich seinem Blick etwas aus. „Niemand kann die Zukunft aufhalten, weil nur wenige Auserwählte die geheimnisvolle Gabe des Zukunftsblicks besitzen ...“ Mit eindringlicher Stimme sprach er weiter: „… aber ich besitze diese Gabe, und darum weiß ich es

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ganz genau. Die Welt dreht sich und der Tag ist nicht mehr fern und schon bald steht sie auf dem Kopf.“ Dann ergriff er ihre Hände und hielt sie fest. „Mein Kind, du besitzt jetzt ein geheimes Wissen. Bewahre es gut in deinem Herzen, denn du bist jetzt eine Eingeweihte.“ Dann ließ er ihre Hände los, faltete seine Hände, richtete den Blick wieder gen Himmel und sprach: „Gutes Kind, ich muss nun weiter. Denn meine Bestimmung ist die Botschaft zu verkünden und viel Geld zu sammeln um eine Arche zu bauen, damit die wenigen Heiligen und auch die

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Erleuchteten in den letzten Tagen errettet werden.“ Dann streichelte er mit den Fingerspitzen des

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Zeige- und Mittelfingers seiner linken Hand flüchtig über ihre Stirn und ihre vollen Lippen. Er sah sie noch einmal an und ging dann mit langsamen Schritten weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen. Aber der hübschen strohblonden Witwe war das nicht genug. Sie hatte schreckliche Angst und verspürte zugleich ein nie gekanntes, ohnmächtiges Gefühl der Hingabe. Sie hob ihr Kleid mit beiden Händen etwas an und lief hurtig hinterher um ihn zu fragen, was sie denn tun solle, wenn schon bald alles auf dem Kopf stünde und die Wasser der Flüsse und Seen kämen. Der Wanderer lächelte, denn auch darauf wusste er eine Antwort. Seine Stimme hatte einen

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ermutigenden, sonoren Ton, als er ihr sagte: „Nur bei mir mein Kind, bist du in Sicherheit. Dann kann nichts auf dich stürzen und die Wasser bleiben fern, denn ich werde schon bald und hier, genau hier auf diesem schönen Berg eine Arche bauen.“ Dann, nach einem bedenklichen Blick in den Himmel und zu den kleinen, weißen Wolken sprach er weiter: „Aber bedenke, nur wenn dein Glaube stark genug ist, und du jedem Irrglauben abschwörst, und nur wenn du mir vertraust wirst du errettet werden.“ Und so geschah es. Sie vertraute dem weisen Wanderer, denn zuvor hatte ihr noch niemand die

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reine unverfälschte Wahrheit gesagt. Da nahm er sie an der Hand und führte sie in die duftende

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Frühlingswiese, die mit herrlichen Gräsern und wilden Wiesenblumen bewachsen war. Dann sagte er zu ihr: „Braves Kind, ich werde dich jetzt ein Stück zur Helligkeit, zum Licht führen. Lege dich ganz flach auf den Boden, auf den Rücken, dann kannst du nicht umfallen, wenn sich die Erde bewegt.“ Und sie tat wie ihr geheißen. Da wusste der weise Wanderer, dass er eine gehorsame Anhängerin gefunden hatte, die auf ein Wunder wartete. „Schau jetzt in den Himmel, zur Sonne, zum göttlichen Licht der Erleuchtung. Sag mir was du siehst?“ Sie tat wie ihr geheißen und sie sah ein

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gleißendes Licht und sie fürchtete sich. Da legte er sich zu ihr und seine Hand war auf ihrem großen, pochenden Herz. Er hielt sie ganz fest in seinen Armen damit ihr nichts geschehe, wenn die Welt sich drehen würde, denn er war ein guter Mensch. Und siehe da, der Glaube der hübschen blonden Bäuerin war stark und mächtig und die Dunkelheit ihrer Seele war weg. Sie sah ein leuchtendes Strahlen am Himmel, fast wie ein flimmerndes Kreuz. Jetzt verstand sie die Zukunft und sie jubilierte, denn der Herr war in ihr und sie hatte keine Angst mehr. Einige Generationen später kann dir der Ur-

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Enkel der blonden, aber etwas einfältigen Bäuerin solche kuriosen Geschichten erzählen. Aber diese

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kleine Episode ist nicht gelogen und es ist kein Märchen, sondern es ist die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Noch heute soll es, wie mir erzählt wurde, in einer kleinen Schwarzwaldgemeinde eine kleine Gruppe strenggläubiger Menschen geben, die darauf wartet, dass die Welt umkippt und die darum prophylaktisch an einer Arche bastelt. Die Blumenwiese auf der ein wunderschöner, mächtiger, etwas alt und morsch gewordener Apfelbaum steht, gibt es immer noch. Ich war da, ich habe ihn berührt und ich habe seine Aura gespürt. Das leise Wispern in den Blättern habe ich auch gehört und ich lag mit Marion sogar in der Blumenwiese, um das zu tun, was mein Urgroßvater

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auch getan hat. Aber das ist eine andere Geschichte Was lernen wir daraus? Wenn dich die Sünde mal wieder ganz arg plagt, und du nicht weißt, ob du davon loskommen kannst, oder ihr nachgeben sollst, dann beichte nicht bei einem Heiligen. Suche Rat bei einem erfahrenen Sünder. Nur hier wird dir geholfen. Vielleicht fragst du dich kopfschüttelnd, wo die Quintessenz dieser kleinen Begebenheit aus längst vergangenen Zeiten ist? Ich verspreche dir, dass ich schonungslos alle Geheimnisse lüften werde. Darum bekommst du jetzt aus erster Hand den erschütternden Bericht eines einsamen

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Kartendeuters, der mit einer Bestie kämpfen muss auf der eine rothaarige und nackte Frau reitet. Es ist

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ein schreckliches, feuerspeiendes Ungeheuer, das mit seinem Schwanz ein Drittel der Sterne vom Himmel fegt und Fabienne zu Füßen legt. Dazu erfährst du auch was Mister Kirk und das Raumschiff Enterprise mit meinen Erlebnissen zu tun hat. Und es wird das Geheimnis einer wunderschönen Blumenwiese im Schwarzwald, auf der ein uralter Apfelbaum steht, gelüftet. Aber das ist noch nicht alles. Ich habe alles daran gesetzt, um dich hier und jetzt in die geheimnisvolle Kunst des Kartendeutens einzuführen. Freu dich nun auf meinen schonungslosen Bericht.

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Aus eigener, schmerzlicher Erfahrung weiß ich, dass jeder Mensch ein Sünder, und wo man auch hingeht die Hölle lockt. Die Engel, die das einladende Tor zu den Städten Sodom und Gomorra bewachen sind alt und schwach geworden, und die Federn fallen auch aus. Wen wundert es da noch, dass am Sündentor ein reger Betrieb herrscht. Oder wie Johann Wolfgang von Goethe in einer vermutlich ähnlichen Situation einmal sagte: „Es möchte kein Hund so länger leben! Drum hab ich mich der Magie ergeben. Ob mir durch Geistes Kraft und Mund, nicht manch Geheimnis würde kund.“

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Seit vielen Generationen meiner Familie gehören die mystischen Kennt- und Erkenntnisse

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der Zusammenhänge von Tarot-Karten, des Wünschelrutengehens und des heilenden Handauflegens zum festen Bestandteil der Kommunikation, der Lustbarkeiten und des Broterwerbs. Manch ein Vetter und die eine oder andere Tante konnten sich damit in den großen Weltwirtschaftskrisen zwar mühsam, aber immerhin über Wasser halten. Besonders erfolgreich war ein naher Verwandter urgroßväterlicherseits, der seine mystischen Kenntnisse, durch den praktischen Einsatz seiner großen Wünschelrute bei gläubigen Landfrauen, sehr erfolgreich vermitteln konnte. Der besagte nahe Verwandte war, ohne jemals körperlich zu arbeiten, damit so gesegnet, dass er Ende der

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zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts umfangreichen Immobilienbesitz, sowie fruchtbare Äcker, Blumenwiesen und viele Apfelbäume sein Eigentum nennen konnte, die ihm von gläubigen Anhängerinnen zum Dank für seine Leistungen vererbt worden waren. Bedauerlicherweise beschränkten sich die mentalen Fähigkeiten meines Vorfahren auf den Einsatz seiner Rute, auf Zukunftsdeutungen und Handauflegen. Als Verwalter des erbeuteten Vermögens war er eher eine Niete. Dazu kam das Glücksspiel und der Suff gab ihm letztendlich den Rest. Als verarmtes Genie, von seinen Gläubigern und verärgerten

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Ehemännern ungerechterweise verfolgt, fand man ihn eines Tages am unteren Ende eines kunstvoll

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verknoteten Stricks, der sich festgebunden an einem starken Ast eines knorrigen Baums, als deutsches Qualitätsprodukt, überraschenderweise als sehr haltbar erwiesen hatte. Das unwürdige Schicksal war eine lehrreiche Mahnung für seinen hoffnungsvollen Nachkommen, es besser zu machen.

Die Verkündung der Wahrheit war für mich nicht immer einfach. Denn die Verpflichtung zur ökonomischen Ehrlichkeit erfordert nicht nur Größe, sondern auch Mut, das Unwiderlegbare auszusprechen, und wie ein bekannter Dichter vor langer Zeit einmal sagte, auch ein verdammt schnelles Pferd.

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Der Umgang mit der Wahrheit erfordert auch sensitives Fingerspitzengefühl. Denn hin und wieder erzeugt die nackte Wahrheit, in Verbindung mit spirituellen Eingebungen über die Zukunft, ein natürliches Akzeptanzproblem. Das ist nicht weiter schlimm, denn die Menschen sind voller Zweifel und Vorurteile. Darum vertraue ich darauf, dass nur der gerade Weg und meine Offenheit mich vorwärts bringen. Im Interesse meiner Klientinnen und meiner aufmerksamen Leser werde ich auch heute nicht davon abweichen. Denn der eherne Grundsatz jedes seriösen Zukunftsdeuters sollte die Suche nach der Wahrheit sein. Nur an der ungeschminkten

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Verkündung universeller Wahrheiten kann die gläubige Menschin den einzig Guten in der

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unübersehbaren Schar der Dilettanten erkennen. Nur die Verbindung von kreativer Ehrlichkeit und phantasievoller Interpretation der Wahrheit ergibt die magische Anziehungskraft, die ein erfolgreicher Kartendeuter als unabdingbares Werkzeug benötigt. Mit dem Bewusstsein, dass die Wahrheit schön verpackt, niemals langweilig wird, vertrete ich rückhaltlos meine eisernen Prinzipien. Wenn sie dir nicht gefallen, habe ich auch noch andere. Ich weiß, dass meine okkulten Erkenntnisse von manch unaufgeklärtem Lästermaul verächtlich als mentaler Voodoo abgetan werden. Ich weiß auch, dass es viele Ignoranten gibt, die die geheimnisvollen Zusammenhänge der Tarot-Karten als große Irreführung einer geistig beschränkten

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Anhängerschaft ansehen. Das mag bei vielen Pseudo-Experten, die sich laienhaft mit der Kartendeutung, oder was noch schlimmer ist, mit obskuren Horoskopereien befassen, so sein. In jedem Bereich des Lebens gibt es Scharlatane und Blender. Mit diesem Missstand muss auch der Wissende leben können. Die Kunst ist, sich für das Richtige zu entscheiden. Denn nur das Wahre, Gute und Schöne kann im Vergleich zum Falschen, Oberflächlichen und Unehrlichen dauerhaft bestehen. Nach meinen einleitenden Worten, möchte ich dich nun, und auch meine sonstigen Leserinnen

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und Leser sowohl bedachtsam an die geheime Kunst des Kartendeutens und der

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Zukunftsbeeinflussung heranführen. Einige streng gehütete Geheimnisse werde ich schonungslos offenbaren. Andere bleiben einer kleinen, elitären Leserschaft vorbehalten. Viele Geheimnisse werde ich nur dann aufdecken, wenn bei dir die höheren Stufen des Bewusstseins erreicht sind. Welcher Weg für dich wichtig ist und welche Geheimnisse du sofort wieder vergessen kannst, hängt davon ab, wie und für welchen Weg du dich entscheidest. Darum empfehle ich jetzt eine Entscheidung. Wenn du die Zeichen der Zukunft, vielleicht auch professionell zum Zweck des Brot- und Porscheerwerbs deuten möchtest, solltest du eine starke Persönlichkeit sein, die keine Zweifel an

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deiner Kompetenz, und keinen Widerspruch zulässt. Bitte schalte in diesem Fall dein Gehirn ein. Wenn du dich auf der anderen Seite als Ratund Sinnsuchende befindest, vielleicht weil du dich in einer Lebens- oder Liebeskrise befindest, wende dich nur an dominierende Persönlichkeiten. Bitte schalte in diesem Fall dein Gehirn aus. Eine vorbeugende Teillobotomie ist eindringlich anzuraten. Aber woran kann man einen qualifizierten Kartendeuter wirklich erkennen? Ein (oder Eine, falls die Kartendeuterin weiblich ist) guter Kartendeuter zeichnet sich dadurch aus, dass er sich

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nicht in irgendwelche, nach Belieben zu interpretierenden Wischiwaschi-Deutungen

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versteigt. Ein guter Kartendeuter beleuchtet mit seinem strahlenden Licht eine ungewisse und verworrene Zukunft. Das wird von einem guten Kartendeuter (oder Propheten) erwartet, und dazu zähle ich mich in meiner grenzenlosen Bescheidenheit. Ein positiver Nebenaspekt der seriösen Kartendeutung soll nicht unerwähnt bleiben. Wer die Geheimnisse der Zukunft virtuos erhellen kann, besitzt nicht nur spirituelles Geheimwissen, sondern auch ein sehr wirksames Faszinations-Werkzeug. Oder anders ausgedrückt: Gute Propheten verfügen über starke emotionale Anziehungskräfte, denen sich sinnliche Frauen mit vorstehend genannten Voraussetzungen nur schwer entziehen können. Für

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die Berufswahl von Vorteil ist, wenn der Kartendeuter über besondere, spirituell-sensitive Erfahrungen verfügt. Dann wird er zum Wohl der Ratsuchenden, die Zukunft an der einen oder anderen Stelle diskret beeinflussen, sofern die Bedürftigen mitspielen und sich vertrauensvoll in seinen Händen fallen lassen, was hin und wieder, aber immer noch zu selten vorkommt. Leider gibt es auch Risiken und Nebenwirkungen, an denen die Anfänger in der Zukunftserkennung oft genug scheitern. An einem praxisnahen Beispiel möchte ich die Primärgefahr kurz darstellen.

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Früher, in meinen Anfangszeiten hatte ich meine spirituellen Kenntnisse zur allgemeinen,

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unentgeltlichen Partyunterhaltung eingesetzt. Das war zwar sehr nett von mir, aber mit zunehmender Dauer wirtschaftlich unbefriedigend. Schon bald musste ich erkennen, dass der wissenschaftliche Aspekt der Kartendeutung und kostenlose Partyunterhaltung irgendwie nicht richtig zusammen passten. Erschwerend kam hinzu, dass mein guter Charakter meinem Erfolg außerordentlich im Weg stand. Ich musste die uralte und schmerzhafte Erfahrung machen, dass der Prophet im eigenen Land, und sein kostenloser Rat, nichts, aber auch gar nichts wert sind. In solchen Zeiten gab es für mich nur die Alternativen zwischen verhungern, oder einen gesellschaftlich tolerierten, aber energieverzehrenden Job zu

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suchen. Die Entscheidung war, nachdem ich einige Tage mit meinen Vorfahren mentale Zwiesprache gehalten hatte, schnell getroffen. Ich wollte weder unterernährt dahinscheiden, noch einen schweißtreibenden Job. Meine Intelligenz war gefordert, und sie hatte die wesentliche Aufgabe, wirksame Mittel für die erwünschten, ökonomischen Zwecke zu ersinnen. Es gab nur einen Ausweg aus diesem Dilemma, ich musste einen Weg finden, das Materielle mit dem Spirituellen zu verbinden. Außerdem fand ich es intellektuell erfüllender, wenn der menschliche Geist bewunderndes und kritikloses Staunen

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erzeugt, anstatt den Körper anzutreiben, damit dieser den Tag mit körperlicher, aber in der

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Mehrzahl geist- und kreativitätstötender Arbeit verbringt. Ich verspürte den unstillbaren Drang mich zu verzehnfachen, ja, ich gebe es zu, ich wollte mich verhundertfachen? Ich wollte viele Anhänger, die meinen Rat befolgten. Eines Nachts, beim Studium der Schriften der alten Meister hatte ich die Erleuchtung. Diskussionen mit den Einsen, den Experten führen in diesem Metier zu nichts. Oder wie Friedrich Nietzsche, der Meister einmal sagte: „Man muss die Nullen um sich scharen.“ Da ich schon immer ein Kopfarbeiter war, begann ich meine mentalen Fähigkeiten kommerziell zu perfektioniert. Ich sah den mir vorbestimmten Weg in der Pseudosublimation, und

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ich verschrieb mich dem Mysterium des „Warum“ und dem Weg zum gerne gehörten „Wie“ unter Berücksichtigung des Sinnlich-Körperlichen. Außerdem gab mir Oskar Wilde einen exquisiten Rat mit auf den Weg: „Wer die Frauen nicht hinter sich hat, bringt es in der Welt zu keinem Erfolg“ und dann stolperte er über eine Affäre mit einem adligen Stricher. Pech gehabt Oskar, aber kein Schwanz ist so hart wie das Leben – das hättest du wissen müssen.

Bevor wir nun mit dem Einführungskurs für angehende Kartendeuter beginnen, möchte ich

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interessierten Leserinnen und Lesern den strengen Bibelsatz „du sollst keine anderen Götter neben mir

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haben“, zur Weitergabe an deine zukünftigen Klientinnen ans Herz legen. Wer zu dir kommt und Rat sucht, hat wie einer päpstlichen Bulle ohne Widerspruch zu gehorchen. Erlaube niemals den Glauben an falsche Propheten. Lass keine Sterndeutungen zu, wenn du dich nicht selbst damit beschäftigst. Untersage Zwiesprachen mit neurolinguistischen Kristallkugeln der Konkurrenz. Falls deine Klientin schon das eine oder andere Mal Rat und Hilfe bei den Karten gesucht hat, weise sie mit der dem Anlass gebotener Strenge darauf hin, dass alles bisher Gehörte falsch und von Scharlatanen ist. Auch die von C. G. Jung, dem Mitbegründer der modernen Psychiatrie bevorzugte Schafgarbenstengelmethode führte nur zu der

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Erkenntnis, dass er nicht mehr wusste, ob er seinen Morgentee nur mit einem, oder mit zwei Löffeln Zucker trinken sollte. Vergiss auch die Eingebungen weißgekleideter Schutzengel, nachts um die Geisterstunde herum. Sie können nicht helfen. Ruf zusammen mit deinen Klientinnen und lauter Stimme diesen Götzen zu: „Verpisst euch, mein Meister und ich, wir wissen Bescheid!“

Zur Demonstration meiner mentalen Fähigkeiten werde ich jetzt, zusammen mit dir, liebe Leserin, aber auch mit dir mein Freund und verehrter Leser, die Initiation vorbereiten. Du

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erfährst jetzt die ersten, universellen Geheimnisse der jahrhundertealten Kartendeutekunst.

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Doch zuvor bitte ich dich aufzustehen. Wiederhole mit mir einen Schwur. Sprich mir bitte laut und deutlich nach: „Ich werde niemals die mir jetzt anvertrauten, universellen Geheimnisse weitergeben. Mit Ausnahme an meinen ältesten Sohn, wenn er das vierzigste Lebensjahr vollendet hat, und noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist.“ Du darfst dich jetzt wieder setzen.

Meine nächste, zunächst einfach klingende Regel für angehende Kartendeuter lautet: „Handle kreativ bevor die Dinge geschehen.“ Die darauf aufbauende Zusatzregel ist: „Achte darauf, dass deine präzisen Vorhersagen ausreichend Raum für

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Interpretationen lassen, sonst macht dir die Zeit und der Zufall einen dicken Strich durch deine Deutungen und du kannst dir den Strick nehmen.“ Was ich damit meine, ist am Beispiel der von mir verehrten Hildegard von Bingen, aber auch an dem geschätzten Nostradamus erklärt. Du kannst vorhersagen was du willst, und Katastrophen mit garantierter Rettung sind der Burner und kommen immer gut. Niemals darfst du, und ich meine wirklich niemals, das genaue Datum des Ereignisses nennen, außer du bist dir hundertprozentig sicher. Bei guten Nachrichten sieht es anders aus, aber das erkläre ich dir noch, wie das geht. Die ganze

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Tragweite der Zukunftsdeutung erschließt sich, wenn du deine Eingebungen auf eine höhere Ebene

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mit Erfolgsgarantie stellst. Vielleicht fragst du dich jetzt: „Eine Erfolgsgarantie? Gibt es sowas?“ Ja, auch bei der Kartendeutung gibt es eine Erfolgsgarantie, die du so oft wie möglich, sozusagen als übergeordnetes (göttliches) Zertifizierungskrönchen deiner Fähigkeiten geben solltest. Vielleicht kennst du das uralte Zitat: „Der Weg ist das Ziel.“ Das Zitat ist falsch überliefert. Korrekt müsste es lauten: „Das Ziel bestimmt den Weg.“ Ein einfaches Experiment wird dich von der Richtigkeit meiner Behauptung überzeugen. Bitte steh jetzt von deinem bequemen Stuhl auf und

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begib dich auf das Dach eines mindestens dreistöckigen Hauses. Nimm ein Blatt Papier in die Hand und dann beuge dich so weit wie möglich vor. Bitte nicht zu weit, denn sonst kannst du nicht weiterlernen. Bitte lasse jetzt das Papier fallen. Die Flugbahn des Papiers verläuft nicht in einer geraden Linie. Auch die Falllinie vom dritten Stock bis zum Boden lässt sich nicht im Voraus berechnen. Der Weg zum Ziel wird nicht nur von vielen kleinen klimatischen Besonderheiten beeinflusst, aber eines ist sicher, und diese Garantie kann ich dir geben. Das Ziel, das Ereignis, dass das Blatt auf dem Boden landen wird, ist hundertprozentig vorhersehbar.

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Genauso verhält es sich mit der Kartendeutung. Ein guter Kartendeuter

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kommuniziert sozusagen auf einer höheren Ebene und gibt sich nicht mit den unbedeutenden Widrigkeiten des Lebens ab. Es ist wie mit dem göttlichen Willen und Wirken. Die Wege des Meisters sind für Laien nun mal unergründlich und sollen es auch bleiben. Nur er sieht unbeirrbar das in der dunklen Zukunft liegende Ziel. Ich behaupte, meine ersten Erklärungen waren für interessierte und darum intelligente Leser nachvollziehbar und verständlich. Aber es gibt noch mehr Zeichen, an denen man einen guten Kartendeuter erkennen kann. Ein guter Kartendeuter weiß durch die konzentrierte Kraft seiner medial-mentalen Fähigkeiten, was seine Klientinnen suchen.

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Mir wird immer wieder die interessierte Frage gestellt: „Meister, wie machen Sie das genau?“ Das Geheimnis der Problemerkennung ist erlernbare Hyperästhesie. Es sind die vielen versteckten, unwissenden Menschen nicht zugänglichen Signale, die sich zu einem plastischen Bild vor seinem inneren Auge zusammensetzen. Wird es dir zu kompliziert? Ich weiß, der Weg zum erfolgreichen Kartendeuter und Propheten ist nicht leicht. Aber du brauchst dich nicht zu ängstigen. Ich bin bei dir und nehme dich, falls du weiblich und wohlgeformt bist, sogar an der Hand.

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Jetzt nach dem Vorspann und als einführende Übung, möchte ich dir an einem praxisnahen

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Beispiel demonstrieren, wie die Kunst der Kartendeutung funktioniert. Nehmen wir einmal an, dass eine Ratsuchende zu dir kommt und auf deine unabdingbare Eingangsfrage: „Was möchtest du von den Karten wissen“ mit drei harmlos klingenden Gegenfragen antwortet. Die erste Frage könnte vielleicht lauten: „Gewinne ich nächste Woche im Lotto?“ Vorsichtig taktierende Klientinnen könnten unverfänglich fragen: „Gibt es nächste Woche besondere Ereignisse?“ Ergänzend und vermutlich könntest du auch mit der Frage: „Wird sich nächste Woche mein Liebesleben verändern und endlich einer kommen,

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der mir den Hengst macht“ konfrontiert werden. Diese drei, thematisch wohl am häufigsten auftretenden, und in der Wortstellung nur leicht variierenden Fragen, decken die menschlichen Grundbedürfnisse „Geld“, „Gier“ und „Geilheit“ ab. Darauf können die Tarot-Karten und der wissende Kartendeuter sehr genaue und präzise Antworten geben. Die erste Frage deiner Klientin ist schnell beantwortet und lautet: „Ja du wirst nächste Woche im Lotto gewinnen.“ Antworte bitte mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck, dem man das Ergebnis der

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überragenden Denkleistung ansieht. Den gedachten Zusatz: „Aber nur, wenn du einen hohen Betrag

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über fünfzigtausend Euro einsetzt“ kannst du getrost verschweigen, aber durch deine Mimik, vielleicht durch gerunzelte Stirnfalten, unausgesprochen im Raum stehen lassen. Solche Fragen sind reine Fangfragen und darum nicht weiter erwähnenswert, um ernsthaft darüber zu diskutieren. Falls deine Klientin, was ziemlich wahrscheinlich ist, keinen Gewinn in Euro hat, ist deine Beratung nicht fehlgeschlagen. Denn die Ratsuchende hat noch etwas Wertvolleres als Geld bekommen. Nämlich die Erfahrung, dass ihre Frage an die Karten zu unpräzise und außerdem provokativ war. Du kannst sie in der nächsten Sitzung darauf hinweisen, in Zukunft etwas ernsthafter mit ihrem zukünftigen Leben

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umzugehen. Die Zukunft und das Schicksal verstehen bei unqualifizierter Behandlung keinen Spaß. Die Frage deiner Klientin, und darauf solltest du bei einem Totalverlust des Spieleinsatzes streng hinweisen, hätte präzise lauten sollen: „Gewinne ich nächste Woche mit meinem Mindesteinsatz und sofortiger Bezahlung des Beratungshonorars den Hauptgewinn in Höhe von mindestens einer Million Euro im Lotto?“ Dann wäre die Antwort eines guten Kartendeuters ein klares „Nein“ gewesen. Außerdem kann deine Klientin wohl kaum erwarten,

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dass für das geringe Beraterhonorar eine Million Euro zu bekommen ist. So weltfremd kann niemand

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mit einigermaßen klarem Verstand sein. Falls die Ratsuchende dennoch den Hauptgewinn getroffen hat, ist das nicht weiter schlimm. Bei einem Millionengewinn könntest du mit einem gemurmelten „mein Rat war eine Prüfung des Herrn“ antworten und du wirst als Held gefeiert und hast vermutlich bis zu deinem Lebensende ausgesorgt und Schwamm drüber. Du fürchtest um dein Gewissen und hast Angst, dass du mit deinen Prognosen danebenliegen könntest? Zwar kann sich auch ein guter Kartendeuter irren, aber das ist nicht weiter schlimm, denn nur die eintreffenden Vorhersagen bleiben im Gedächtnis seiner Opfer hängen und tragen zu seinem Ruhm bei. Die Falschen geraten

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schnell, oft schon nach wenigen Stunden in Vergessenheit. Ein empfindsamer Kartendeuter bekommt mit dem Hinweis auf unpräzise Fragestellungen, die Chance, seine Deutungen an die Ereignisse anzupassen und eine neue Kartenlegesession einzuberufen. Bei den Antworten auf die Fragen, die mehr in den Gefühlsbereich des Menschen tangieren, wird sich ein guter Kartendeuter nicht nur darauf verlassen, dass in der nächsten Woche „vielleicht“ etwas Ungewöhnliches passieren könnte, sondern er wird sehr sorgfältig die Gezeiten und die Gegebenheiten beachten, und dann aktiv die

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Geschehnisse beeinflussen. Das ist nicht so schwer, wie es vielleicht klingt, und ich werde es für dich

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etwas einfacher darstellen. Ein guter Kartendeuter könnte aus der Konstellation der aufgedeckten Karten erkennen, dass störende Einflüsse am Anfang der Woche zu erwarten sind. Das ist eine Vorhersage mit einer hohen Trefferquote. Niemand hat am frühen Montagmorgen alle Sinne beisammen. Shopping am Samstag, lästige Ehepflichten, oder Ausfall derselben am Samstagabend, Familienstress und Endlos-Fernsehen am Sonntag führen nur selten dazu, dass Frau (oder Mann) am Montag mit voller Energie startet. Das kannst du sehr leicht selber überprüfen. Versuch mal an einem Montagmorgen ein menschliches Wesen in einem Amt zu erreichen. Du wirst es nicht schaffen.

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Dazu solltest du eine uralte Regel nicht unbeachtet lassen, deren Ursprung vermutlich im finsteren Mittelalter zu suchen ist. Sie lautet: „Unangenehme Folterungen entfalten ihre Wirkung sehr effizient, wenn der Zustand der wohligen Zufriedenheit sofort in dauerhafte Schmerzen umschlägt und möglichst lang anhält.“ In unserer demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft kommen archaische Folterungen mit glühenden Zangen eher selten vor. Moderne Foltermethoden haben einen eher subtilen Charakter mit verstärktem Wirkungsgrad. Dabei spielt das präzise Timing eine große Rolle, denn es

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hat einen großen Einfluss auf das Resultat. Alltägliche Beispiele für effizientes

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Foltertiming kennt jeder. Vielleicht ist es dir auch schon aufgefallen, dass Briefe mit vollkommen absurden Forderungen, zum Beispiel von Finanzämtern, Gerichts- und sonstigen Behörden grundsätzlich an Frei- oder Samstagen eintreffen, aber niemals an Montagen. Das hat einen Grund. Der sadistische Quäl-Faktor hält durch das gezielte Wochenendtiming recht lange, zumindest bis zum Montag an. Daraus kann man mit einer hohen Treffergenauigkeit ableiten, dass an Montagen arbeitsame Menschen schlechtgelaunt auf Dinge reagieren, die sich schlechtgelaunte und graugesichtige Menschen an den Wochenenden ausgedacht haben, um braven Menschen das Wochenende zu versauen.

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Damit das notwendige, dramaturgische Spannungsfeld in deiner Kartendeutungssession auch aufkommt, musst du nicht nur die Zeichen der Zukunft richtig deuten. Um das Verlangen nach mehr Weisheit aus dem Mund des Meisters zu verstärken, gehört auch die richtige Würzmischung, bestehend aus überraschenden Störungen des langweiligen Alltags und optimistischverschwörerischen Prognosen dazu. Es ist wie bei einem Spitzenkoch. Sterne gibt es nur, wenn man über umfangreiche Kenntnisse der zwischenmenschlichen Gesetzmäßigkeiten und die Wirkung von gezielt platzierten Showeffekten

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verfügt. Für einen guten Kartendeuter und erfahrenen

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Propheten unabdingbare Voraussetzung, ist das Wissen über die jahreszeitlich bedingten „schwarzen Tage“, die als Ursache für viele Ehekräche und Beziehungsfrust zu sehen sind. „Schwarze Tage“ häufen sich in der letzten Januarwoche. Das hat seinen Grund. Fast immer ist das Wetter in dieser Jahreszeit ungewöhnlich beschissen. Außerdem treffen in den grauen Januarwochen die vielen unbezahlten Kreditkartenrechnungen aus den vorweihnachtlichen Shoppingexzessen ein. Zuverlässig vorhersehbar ist ein größerer Krach mit dem Finanzverwalter der ehelichen Gemeinschaft, der wegen der vielen heiß gelaufenen Kreditkarten in schwere Depressionen mit unkontrollierten

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Wutausbrüchen verfällt. Der Verursacher der Misere ist schnell identifiziert. Es ist der Ehegatte (der Loser), der es trotz guter Vorsätze wieder mal nicht geschafft hat, ein höheres Einkommen zu realisieren. Ein seherischer Hinweis auf lautstarke Konflikte und wahrscheinliche Ausbruchversuche aus der Ehehölle in die Arme verständnisvoller, xbeliebiger Tröster ist an solchen Tagen angebracht, weil oft zutreffend. Jede Jahreszeit hat ihre besonderen Tücken. In den Mai- und Juniwochen ist im Allgemeinen das Wetter ungewöhnlich schön und vorhersehbar nimmt die Lebenslust zu. Das wiederum sind gute

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Voraussetzungen für einen heißen Liebesmonat. Aber nicht nur die Lust nimmt im Frühling zu. Bei

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mittelalten und etwas unattraktiveren Klientinnen bringen prophylaktische Warnungen vor Depressionen eine kribbelnde Spannung in die Kartenlegesession. Auch die Selbstmordrisiken im Mai sind nicht zu unterschätzen. In keinem anderen Monat des Jahres nehmen sich so viele Menschen das Leben. Das lässt sich sogar wissenschaftlich belegen. Die Extraportion Sonnenschein, die eigentlich positiv Depressionsmindernd wirkt, kann zum Auslöser für das Durchführen von Selbstmordhandlungen sein, weil die Betroffenen mit der nötigen Energie versorgt, mit frischem Elan und großem Tatendrang auf Suizidgefühle reagieren. Schuld ist vermutlich eine höhere Konzentration des durch die Sonne gebildeten

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„Glückshormons“ Serotonin. Kartendeuter die ihre Tätigkeit in oberen Stock werken ausüben, sollten aus diesem Grund an Sonnentagen die Fenster geschlossen halten und die Vorhänge zuziehen. Das alles, die Zusammenhänge der menschlichen Leidenschaften, die Auswirkungen des Wohnumfelds und noch viel mehr muss ein guter Kartendeuter wissen. Mit zunehmender Erfahrung erkennt ein guter Kartendeuter schon beim ersten Blick, was seine Klientin wünscht. Zum Beispiel sind destruktive Entwicklungen zu erwarten, wenn die Fragen eher Stimmungsgedrückt mit einem Hauch von

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beherrschten Tränen, garniert mit einem kleinen Häufchen Elend, serviert in gebückter Haltung mit

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eingefallenen Schultern und griffbereiten Papiertaschentüchern und/oder kleinem Weinbrandfähnchen gestellt werden. Beherrschte Tränen kommen im Allgemeinen dann vor, wenn es sich um eine schon länger andauernde Beziehung mit vielfältigen, vorangegangenen Verletzungen handelt. Starker Tränenfluss verbunden mit hemmungslosen Schluchzern ist die gesteigerte Variante, wenn die Liebe frisch war und bitter enttäuscht wurde - du also eine für Tröstungen empfängliche, weil Verlassene vor dir hast, die büßen will und alles, aber auch wirklich alles zu tun bereit ist, damit sich das verlorene Glück wieder einstellt, oder die Rachegefühle befriedigt werden.

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In der schluchzenden, also der enttäuschten Fragevariante, die übrigens zwei Drittel aller Fragen an die Karten ausmacht, ist die erste, aber oft unausgesprochene Zusatzfrage: „Wieso geht er zu dieser … Fotze? Was hat sie was ich nicht habe?“ Du kannst vor den vulgärpopulären Begriff der in jeder Altersgruppe und jedem sozialen Stand gebräuchlich ist, wahlweise die verstärkenden Begriffe „ordinären“, „angemalten“ oder „alten“ einsetzen. Wut und Anzeichen von bevorstehenden Racheaktionen sind Zeichen einer brüsken Zurückweisung, die als persönliche Demütigung

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verstanden wurde. Diese feinen Unterschiede sind allerdings nur bei weiblichen Ratsuchenden

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festzustellen. Männer verhalten sich anders. Aber darauf kann ich aus Solidaritätsgründen hier nicht weiter eingehen. Ein paar Geheimnisse möchte ich noch für mich behalten. Wenn die Fragen nach dem benötigten Hengst und den besonderen Ereignissen in der nächsten Woche, fröhlich mit einer angespannten Nervosität und keck herausgestreckten Brüsten gestellt wird (volkstümlich auch „erwartungsvolle Geilheit“ genannt), ist von deiner Klientin eine neue Liebe ausgeguckt, oder vorhersehbar. In der fröhlichen Variante lautet die unausgesprochene Frage an die Karten dann etwa: „Was passiert und gibt es etwas, auf das ich achten muss?“ Oder anders ausgedrückt: „Sehe ich Ihn bald

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wieder und werden wir den wunderbaren Schweinskram wieder und immer wieder miteinander machen?“ Die Antwort des erfahrenen Kartendeuters sind Gegenfragen nach dem gewünschten Verlauf der Engagements und sibyllinische Andeutungen über Lust, Laster und Leidenschaft, die immer wieder gern gehört werden, und schon ergibt sich weiterer Bedarf für qualifizierte Deutungen. Diesen Vorgang kennt man im Business schon immer und ist bei deinem Lebensmittelhändler unter dem Begriff „Bedarfsweckung“ bekannt. Zum Beispiel, wenn man dir an der Wursttheke winzige

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Wurststückchen am Zahnstocher zum probieren anbietet, in der Hoffnung, dass du nach der prallen

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Wurst greifst. Dennoch ist emotionales Power-Kartendeuten nicht einfach zu erlernen, denn die Suchenden erwarten noch viel tiefer gehende Auskünfte und qualifizierte Antworten auf die unausgesprochenen Fragen, die in etwa in diese Richtung gehen:

„Wird mein Mann (oder meine Frau) davon erfahren?“ „Wird jemand anderes davon erfahren und meinem Mann (oder meiner Frau) davon erzählen?“ „Wird der Seitensprung auffliegen?“ „Werden meine Lügen auffliegen?“ „Hat er eine Freundin oder Ehefrau?“

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(Alternativ Freund oder Ehemann). „Lügt er (oder Sie) mich an?“

Unsensible Menschen würden auf solche Fragen mit einem einfachen „Ja“ antworten, und dann zum Alltag und den üblichen Sorgen und Nöten zurückkehren. Doch so eine banale Antwort wäre für die Suchende der absolute Frust und die Quelle wachsender Unzufriedenheit über die Dienstleistung ihres persönlichen Propheten. Ein wissender und lebenserfahrener Kartendeuter wird sich niemals mit oberflächlichen Deutungen zufrieden geben. Der mentale Showeffekt und

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damit seine Reputation würden bedeutungslos verpuffen.

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Alle Fragen haben eines gemeinsam, es sind Hinweise auf die Richtung und Aufforderungen auf die jeder Profi-Kartendeuter wartet, denn jetzt kann er seine Fähigkeiten zur vollen Entfaltung bringen und seinen wertvollen, weil zu honorierenden Rat einbringen. Irgendwann wird auch der zweite Teil der Frage an die Karten „Wird sich nächste Woche mein Liebesleben verändern“ durch aktives Handeln des Kartendeuters zur Realität. Du glaubst das nicht? Die Kraft der Evaneszenz hilft dir dabei. Dieses Phänomen besagt, das mit zunehmendem, zeitlichem Abstand vom Ereignis, auch präzise Aussagen an Schärfe verlieren. Oder anders ausgedrückt: Der Rat des Kartendeuters ist

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nach wenigen Stunden nur noch bruchstückhaft und damit frei interpretierbar in Erinnerung. Wenn am kommenden Wochenende der prognostizierte „feurige Hengst“ weder aufgetaucht, noch seinen Pflichten nachgekommen ist, muss es Gründe geben, die ausschließlich in der Person der Suchenden zu suchen sind. Jeder Kaufmann kennt die Regel, die lautet: „Das Schaufenster muss ansprechend dekoriert sein, damit der Kunde zugreift.“ Wenn sich nichts ereignet hat, war deine Klientin nicht ernsthaft bereit, was man von einer suchenden Frau eigentlich erwarten sollte. Oder sie

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war nicht ausreichend geschmückt, was man von einem einigermaßen intelligenten Menschen

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ebenfalls erwarten sollte. Natürlich kann man die Zukunft noch etwas mehr beeinflussen, indem ein Kartendeuter möglichst viele Fremdworte, die kein Mensch jemals versteht, in seine pythischen Deutungen packt. Oder anders ausgedrückt: Je schlechter das Allgemeinwissen und das Gedächtnis oder das Gehör der Ratsuchenden, umso größer wird dein Ruhm. An dieser Stelle ist es an der Zeit, mit der nächsten Lektion für angehende Kartendeuter zu beginnen. Am Beispiel meiner Freundin Viola und ihrem dringenden Bedürfnis, sich die Karten legen zu lassen, kann man die Zeichen erkennen, die wertvolle Rückschlüsse auf die kommenden

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Entwicklungen zulassen. Wenn jemand zum Beispiel ungefragt von seiner Ehe erzählt, dann weiß ein guter Kartendeuter, dass da nicht mehr viel läuft. Auch der Satz: „Du musst mir unbedingt die Karten legen“ ist ein Hinweis auf eine positiv-gefühlsmäßige Veränderung. Aus der Satzstellung erkennt der erfahrene Kartendeuter die Richtung und zieht seine Schlüsse daraus. Dazu kommen die oft überhörten Feinheiten. Das Druckwort „unbedingt“ besagt zum Beispiel, dass etwas geschehen ist (Vergangenheit und nicht mehr zu ändern), und sich eine Veränderung

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(Zukunft) mit ungewissem Ausgang für deine Klientin anbahnt. Das sind gute Voraussetzungen

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für einen Kartendeuter, denn wenn sich nichts ereignet, wird es komplizierter und er muss kunstvoll improvisieren. Oder anders ausgedrückt, du musst auf unfruchtbarem Boden sähen und hoffen, dass darauf das wächst, was dir deine Phantasie eingibt. „Unbedingt“ ist also ein Indiz für eine neue, also noch ungesicherte Beziehung mit der Hoffnung auf baldige Wiederholungen, oder eine für den Kartendeuter erfreulich dramatische Veränderung des Bestehenden zum Schlechteren. Hast du verstanden, was ich dir damit sagen möchte? Wenn es dir zu unverständlich war, oder dir dazu nichts einfällt, solltest du dir einen anderen Beruf als Broterwerb wählen. Ich kann dir dann nicht mehr helfen. Denn nur besonders sensitive

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Kartendeuter besitzen eine wertvolle Eigenschaft, die sie aus der Masse der Menschen herausragen lässt. Sie haben Phantasie und sie besitzen die Gabe der kunstvollen Rede. Besitzt du Phantasie? Dann möchte ich dir die Macht der Phantasie an einem einfachen Beispiel demonstrieren und ich bitte dich, mit mir die Augen zu schließen. Es ist eine kleine Kreativitätsübung, damit du am eigenen Leib spürst, welche unglaublichen Kräfte die Phantasie auf deine Geschlechtsorgane konzentrieren kann. Vielleicht erinnerst du dich eines Tages an diese psychokinetische Übung, wenn du dein eheliches

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Liebesleben etwas auffrischen, und die Kraft der Phantasie gezielt einsetzen willst.

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Bist du bereit? Öffne deinen Gürtel und den Reißverschluss (oder die Knöpfe, falls du 501-Träger bist) deiner Hose. Dann schließe jetzt die Augen und lehne dich entspannt zurück. Jetzt stell dir bitte vor, dass du zwischen deinen Händen ein hauchdünnes Gewebe fühlst. Lass es langsam durch deine Finger gleiten. Es ist ein Kleidungsstück, so viel kann ich dir jetzt schon verraten. Nur durch die Berührung mit den Fingerspitzen sagt dir deine Phantasie, dass die Farbe des Kleidungsstücks nur kokettes Schwarz sein kann. Es gibt keine andere Möglichkeit und keine andere, denkbare Farbe. Spürst du das feine Spitzengewebe und die zarten Nähte in dem filigranen Gewebe. Es ist wie ein verführerischer Hauch auf samtweicher Haut. Es ist ein

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Kleidungsstück, das mehr enthüllt als versteckt. An dem Kleidungsstück haftet ein kaum wahrnehmbarer, sinnlicher Geruch. Man kann ihn nicht direkt riechen, aber du weißt, dass er da ist. Lass deine Augen geschlossen. Siehst du beim fühlen des Gewebes auch eine Szene vor dir. Ich sehe sie genau. Die Bilder in meiner Phantasie erzeugen eine hochbrisante Mischung von visuelle Spannung und geistiger Regsamkeit. Ich sehe die Beine einer wunderschönen Frau, die sie aufreizend langsam übereinander schlägt. Ich höre das kurze Rascheln der Seide – es ist ein faszinierender Moment und ein erregendes Geräusch voller

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knisternder Neugier. Ich sehe ihre rotlackierten Fußnägel und ich spüre, dass sie einen Rock trägt.

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Hat sie hohe Schuhe an? Ich öffne die Augen. In meinen Händen halte ich eine billige Strumpfhose vom Krabbeltisch eines Kaufhauses. Ein ganz alltägliches Kleidungsstück.

Vollkommen unerwartet traf mich die volle Wucht der Phantasie. Meine Sinne waren so verwirrt, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Die Ursache war ein kleiner, mutiger Schritt über die Türschwelle meiner Wohnung, und doch ein so großer Schritt, dass er zur Veränderung einer kurzen Zeitspanne meines Lebens führen sollte.

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„Die Beschäftigung mit der Phantasie ist etwas Wunderbares. Es ist wie genialer Sex mit einer Unbekannten. Sie führt dich durch virtuelle Räume und du kannst Wünsche äußeren, die du nicht auszusprechen wagst. Mit Phantasie kannst du die Welt verändern und immer wieder anders erleben. Die Phantasie hat nur einen Fehler – sie ist eine Schlampe. Manchmal verbündet sie sich mit der Erinnerung. Die Erinnerung kannst du nicht beeinflussen. Sie tut was sie will. Sie gräbt die Leiche aus, dann wenn du es nicht erwartest, und die Phantasie spielt mit ihr. Nicht nur ich - wir sind dem Höllenteam hilflos ausgeliefert.“ Paul van Cre

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„Wo bleibt sie denn. Es ist schon 20:32 Uhr. Sie müsste eigentlich schon seit einer halben Stunde hier sein.“ Nachdenklich betrachtete ich das für die Kartenlegesession unumgängliche Equipment. Meine Räume hatte ich gelüftet und auch aufgeräumt. Es war auch genügend vom dekorativen Aldi-Champagner im Kühlschrank, dem man die Herkunft nicht ansieht, der aber angeblich zu den Besten seiner Klasse gehört, und mein großer Tisch mit der schweren Glasplatte war sauber und ohne störende Fingerabdrücke. Die passende Musik, nicht Bum-Bum-Heavy, aber auch nicht zu smooth, nicht zu jung, etwas älter und mehr gefühlvoll um nicht zu sehr vom Wesentlichen

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abzulenken, wartete geduldig auf meine Berührung des Start-Buttons. Wie ein eingefahrenes Ritual gehören sie auch heute noch zu meinem Leben. Nicht die Champagnerflaschen, sondern die inspirierenden Tage, Abende und Nächte mit Viola. Das Ereignis kündigte sich mit einem leisen Klingeln und zweiundvierzig Sekunden später mit einem herrisch verlangenden Klopfen an meiner Wohnungstür an. Viola war zur Abwechslung mal ziemlich pünktlich, wenn man eine Stunde hin oder her im Anbetracht der Ewigkeit als lässliche Sünde sieht.

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Zuerst sah ich Viola. Ich müsste blind gewesen sein, wenn ich mit meinem ab und aufgleitenden

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Blick nicht sofort erkannt hätte, dass Viola unter der gut geschnittenen (und exquisit-teuren), weißen Hose einen von diesen, winzigen, hauchdünnen Strings trug, der sich kaum wahrnehmbar durch den dünnen Stoff der Hose abzeichnete. Ich lächelte anerkennend und dachte an den lauen Frühlingsabend und die sämige Luft die für Heldentaten geradezu geschaffen war. Schon den ganzen Tagen hatte ich mich an den sprießenden Triebe der Bäume erfreut, die einem inneren, jahrmillionenalten (nehm ich jedenfalls mal an) Schema folgend sich emporreckten. Mein kleiner grüner Kaktus und meine Schwellkörper waren auf ein weiteres Kapitel einer unendlichen Story über Freude bereitende Geheimbeziehungen und

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freudlose Ehen vorbereitet. Viola übertrat meine Türschwelle, umarmte mich kurz mit einem gejauchten Küsschen links, und einem angedeuteten rechts im Vorbeigehen, um dann zielstrebig, als wäre sie Zuhause, mein Wohnzimmer zu okkupieren. In diesen Sekunden, als ob ich mit den Fingern in die Steckdose eines Kernkraftwerks gefasst hätte, traf mich eine elektrisierende Spannung zwischen mystischer Macht und Lichtwesen. Hinter Viola trat Fabienne, etwas zögernd wie ein scheues Wild, aus der Dunkelheit der funzeligen fünfundzwanzig Watt der Treppenhausbeleuchtung ins strahlend helle Licht,

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in mein Leben. Fabienne war da.

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Irgendwann versiegen auch die Tränen, und die Wunden vernarben, die glühende Messer im liebenden Herz verursacht haben. Ich rede nicht von mittelalterlicher Folter, ich schreibe von Fabienne in der Vergangenheitsform, denn Fabienne gehört nicht mehr zu mir. Sie kam, sie sah mich, sie wusste was zu tun war, und nach der heutzutage üblichen Beziehungszeit zog sie weiter. Ich konnte es nicht ändern, ich bin zurück geblieben. Meine Kräfte reichten aus, das edle Wildpferd für eine viel zu kurze Zeit zu reiten, aber auf Dauer konnte ich das Biest nicht halten, und das stimmt mich auch heute, im gesetzteren Alter noch unendlich traurig. Zwar ist es schon viele Monate her, aber auch heute noch, empfinde ich die Besonderheit dieses

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ersten Moments als eine wertvolle Erfahrung, die ein Mann nur einmal in seinem Leben erleben darf. Die förmliche Begrüßung war von hoheitsvoller Zurückhaltung ihrerseits geprägt. Nach einem schüchternen Lächeln und einem distanzierten Händedruck mit gesenktem Blick, ging Fabienne in mein Wohnzimmer, und da war es, das irritieren Unbestimmte mit direkter Wirkung auf den gut versteckten Schalter in meinem Gehirn. Ich konnte es nicht sofort deuten, aber es war real und nicht nur in meiner Phantasie vorhanden. Wie kann ich es nur wagen, die unbeschreibliche Fabienne mit meinen

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bescheidenen Worten zu beschreiben? „Süß, wie ein hauchzartes

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Spitzenunterhöschen“ würde dem hohen Anspruch nur oberflächlich gerecht. Fabienne war nicht ihr richtiger Name, eigentlich hieß sie Marion, aber das wusste ich damals noch nicht. Fabienne war auch nicht im klassisch-optischen Sinn schön. Sie war auch nicht besonders interessant, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Eher auf den zweiten, den präziseren Blick, den nur der erfahrene Connaisseur besitzt. Sie war auch keine auffallende Erscheinung, wenn man von ihren langen, feuerroten Haaren (nicht echt, aber zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden) einmal absah. Ich erinnere mich noch an meine ersten Gedanken: „Das ist kein echter Rotfuchs“, das konnte ich sofort an Ihrer Hautfarbe

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erkennen. Ansonsten war Fabienne eine Frau wie viele andere und doch etwas ganz Besonderes, etwas Einmaliges und nie Wiederkehrendes. Sie hatte ein klassisches graues Pepitakostüm an. Du weißt nicht was Pepita ist? Das sind die kleinen schwarzweißen, etwas verwirrenden Muster, die an ein Miniatur-Schachbrett erinnern. Der Rock war nicht ordinär kurz, so wie es heutzutage allgemein üblich ist, sondern reichte bis fast zu den Knien. Jetzt wusste ich, was Vivian Westwood (das ist die Designerin, die angeblich nie Unterwäsche trägt) meinte, als sie den klassischen Merksatz sagte: „Wer eine Frau im Kostüm nicht

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jeder anderen Frau vorzieht, muss entweder blind, oder ein Idiot sein.“

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Ich gebe es zu, all das und noch mehr registrierte ich in Sekundenbruchteilen. An Fabiennes Beinen waren neutrale, hautfarbene Strümpfe. An die schlichte weiße Bluse erinnere ich mich auch noch. Mein liebevoller Blick war an den kleinen, etwas bläulich schimmernden, dreieckigen Perlmutt-Knöpfen hängen geblieben, die meine verkümmerten Beschützer-Instinkt wach riefen. Dann begann etwas anderes die Eindrücke in meinen Synapsen zu überlagern, und ich war irritiert. Es war weder ihre etwas zu frauliche Figur, noch ein ausgefallenes Parfüm. Es war im ersten Moment auch nicht die Stimme oder ein besonderer Blick. Und dennoch besaß Fabienne dieses gewisse Etwas, das meine Sinne zum

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vibrieren brachte. Ich vergaß alles um mich herum, obwohl ich außer der minimalistischen Begrüßungsfloskel noch kein Wort mit ihr gewechselt hatte. In diesem Moment war ich ihr für immer verfallen, unsterblich verliebt, aus dem Stand und ohne Probezeit und zweifellos nicht in Viola.

Die meisten Menschen träumen von der Liebe auf den ersten Blick. Aber Liebe auf den ersten Blick ist eine ziemlich oberflächliche Angelegenheit und etwa so zuverlässig, wie eine Diagnose auf den ersten Händedruck. Liebe auf Gehör ist eine

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ungleich stärkere Impression, und sie traf meine Sinne wie ein Faustschlag zwischen die

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geschlossenen Augen. Über 100 Milliarden Nervenzellen in meinem Gehirn begannen sich nur auf Fabienne zu konzentrieren. Meine Phantasie war wie ein Formel-1 Bolide angesprungen und ich wusste, ohne es zu sehen, welche hauchdünnen Dessous unter dem schlicht-grauen BusinessKostüm nicht vorhanden waren.

Fabienne ging an mir vorüber, durch mein Wohnzimmer zum großen Tisch an dem die Kartenlegesession stattfinden sollte, und ich lauernd wie ein Wolf, der eine läufige Wölfin gewittert hat, hinterher. Da war es wieder. Kaum wahrnehmbar, aber unüberhörbar - ein leises, kaum wahrnehmbares Klickern. Ich wusste es genau. Das

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Klickern konnten nur diese mittelgroßen goldglänzenden Kugeln sein. Die drei am weißen Bändchen mit einem kleinen goldenen Ring dran, durch den sich so schön die dekorativen Seidenbänder durchziehen lassen. Fabienne trug sie intern und für mich unsichtbar, aber offensichtlich nur für mich bestimmt, an mir vorbei. Fabienne hatte es geschafft, den kleinen aber entscheidenden Schalter in meinem Gehirn von „Neutral“ auf „absolute Hingabe auf dem kurzen Weg zur Liebe“ umzulegen. In diesem Moment spürte ich: Dieser Donnerstag im Mai, der mit lästigem Reagieren begonnen hatte, wird zur

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Herausforderung für einen aktiven Kämpfer.

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Bevor ich es vergesse. Noch etwas fiel mir in diesen bedeutungsschweren Sekunden auf. Viola der Fremdkörper begann mein ästhetisches Stilempfinden in einem bis dahin ungeahnten Ausmaß zu stören, denn Viola sah so unscheinbar und grau aus wie immer. Aber was sollte ich machen. Ich brauchte diese Frau noch.

Liebe Leserinnen und auch du, mein wissender Freund. Meine Erfahrungen kann ich dir für dein dauerhaftes Liebesglück nur ans Herz legen. Bitte präge dir den alles entscheidenden Satz gut ein: „Findet den gut versteckten Schalter im Gehirn des Opfers, legt ihn um (den Schalter), und du empfängst die unendliche Liebe.“

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Dieser Rat war kostenlos, aber nicht minder wertvoll, und darum möchte ich dir mehr zu der besonderen Situation an diesem Donnerstagabend erzählen. Drei fröhliche Menschen saßen zum gemütlichen Abendtrunk im gedämpften, genau begrenzten Licht einer einzelnen Lampe um einen großen Tisch mit einer schweren Glastischplatte. Sie tranken alkoholische Getränke und redeten über Dies und Das und andere belanglose Dinge. Viola erzählte mir ihre vollkommen uninteressante und langweilige Story, die ohne den Schmerz zu lindern, an mir abtropfte wie Wasser an den Händen nach

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dem Versuch mit zu viel Öl Chickennuggets im Wok zu braten. Ich saß mit dem Rücken zur Wand und

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mir gegenüber, auf der anderen Seite des Tischs, Viola. Links von ihr hatte sich Fabienne etwas im Stuhl zurückgelehnt. Sie sah vor dem großen, goldenen Pseudo-Jugenstilspiegel von Ikea wunderschön aus und hörte zu. Zumindest tat sie so, mit diesem überheblich-interessiert-ungläubigen Gesichtsausdruck, den meine neuen Klientinnen beim ersten Mal gerne aufsetzen, um damit zu demonstrieren, dass sie es eigentlich nicht glauben, aber „nur so zum Spaß“ mal mitgekommen sind, aber doch gern mal sehen wollen, was da passiert, und ob da überhaupt was passiert, weil es ja doch wahr sein könnte, was der da so erzählt. In solchen fordernden Situationen kann ich über mich selbst hinauswachsen. Besonders dann,

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wenn mich die Aufgabe reizt, bekennend Ungläubige zu bekehren. Dann gibt es für mich nur noch ein gültiges Gesetz - das meiner Sinne und Empfindungen. Und das gab mir die Berechtigung die Situation zu beeinflussen. „Stell dir mal vor, was mir passiert ist. Werner ist am Samstag mal wieder ausgeflippt und ich musste einfach mal einen klaren Kopf bekommen. Ich war unterwegs.“ „Ach, wo warst du denn?“ war meine an Viola gerichtete Gegenfrage. Routiniert öffnete ich die erste Champagnerflasche und entfernte gedankenlos das

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Papier am Flaschenhals. Bildete ich es mir nur ein, oder war es tatsächlich da? Aus den Augenwinkeln

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sah ich das kurze, erkennende Aufblitzen in Fabiennes Augen und das leichte Zittern der vollen und gut durchbluteten Lippen. „Die hat schon viele Briefumschläge geleckt“, war mein Gedanke, und ich musste lächeln. War es der Anflug eines seltsam verstehenden Lächelns? Dachten wir in diesem Moment an das gleiche? Spontan dachte ich danach „geile Sau“, aber ich wagte nicht, das Prädikat auszusprechen. Viola zündete sich mit leicht fahrigen Handbewegungen eine Zigarette an. Ich las den Warnhinweis „Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“, aber wen kümmern solche Warnhinweise schon. Aus den Augenwinkeln verglich ich die

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Hände. Fabienne hatte gepflegte, feingliedrige Hände mit sorgsam und teuer instand gesetzten, rubinrot gelackten Fingernägeln. An der linken Hand war ein Fingernagel abgebrochen, aber das störte die Ästhetik des Gesamteindrucks nicht besonders. Der Gedanke „wer wohl für den Ersatz bezahlen muss?“ ging mir durch den Kopf. Dann betrachtete ich Violas Hände. Kennst du den Film „Fedora“? Mir fällt die Szene mit den weißen Handschuhen ein. An den Händen kann man das wahre Alter einer Frau erkennen. Vielleicht sollte man eine Handschuhtragepflicht für Frauen ab fünfunddreißig und dazu die Käfighaltung für alle

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störenden Violas einführen. Violas Worte drangen an mein Ohr, oder

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waren es nur Hülsen ohne Inhalt? „Ich war im Bellini (eine Cocktailbar Anm. des Autors), und ich hab deeen Traumtypen kennen gelernt. So gut hatte ich mich schon lange nicht mehr unterhalten. Wir haben die ganze Nacht über alles Mögliche gesprochen. Er ist so einfühlsam und so ehrlich.“ Das also war die für mich absolut belanglose Neuigkeit, die mir Viola unbedingt erzählen wollte. Immerhin werde ich so alle zwei bis drei Wochen mit ähnlichen Erlebnissen konfrontiert und da schleift sich mein Wissensdurst schon etwas ab. Doch diesmal sollte der Abend folgenschwerer verlaufen. „Ihr habt euch die ganze Nacht unterhalten,

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war das nicht ziemlich lang? Und sonst habt ihr nichts gemacht? So kenn ich dich gar nicht?“ war mein listiger Einwand um das Gespräch aus der seichten Oberfläche der Bedeutungslosigkeiten, in die etwas spannenderen, in die intimeren Bereiche zu bekommen. Außerdem brauchte ich noch Hintergrundinformationen für die unmittelbar bevorstehende Kartendeutung. „Na ja nicht die ganze Nacht. Wir waren dann noch im (ein Hotel der besseren Klasse, dessen Name ich aus Wettbewerbsgründen nicht nennen darf). Und er sieht so gut aus. Er ist über eins neunzig groß und wie ausgehungert. Er ist zwar

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ziemlich älter, aber irgendwie süß. Er lebt in Scheidung und hat nur noch Stress mit seiner Frau.“

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Das waren die gesuchten Informationen in komprimierter Form, und mehr braucht ein guter Kartendeuter nicht zu erfahren. Die Zukunft meiner Freundin Viola lag mal wieder wie ein offenes Buch vor mir. Zumindest die Ereignisse in den nächsten vier Wochen zeichneten sich vor meinem geistigen Auge ziemlich deutlich ab. Mein kurzer, an der richtigen Stelle dramaturgisch bedenklichstirngerunzelter Gesichtsausdruck wurde von meiner Freundin Viola vollkommen ignoriert. Das war nicht besonders schlimm, denn sie war viel zu sehr mit sich und ihrem oberflächlichen Geplapper beschäftigt. „Der hat ´ne Firma mit über dreißig Leuten. Wir wollen uns am Freitag wieder treffen. Ich hab

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mir schon überlegt wie ich es Werner beibringe, dass ich morgen Abend (am Freitag) schon wieder unterwegs bin. Ich hab noch zwei alte Kinokarten. Ich erzähl ihm, dass ich mit Fabienne ins Kino, in die Nachtvorstellung geh. Und anschließend hat es dann stark geregnet und ich konnte nicht nach Hause. Das glaubt der Blödmann garantiert. Wie findest du das?“ Ich weiß aus Erfahrung, dass Ehe ein Zustand ist, den man will, weil man daran glaubt, dass der andere dafür sorgt, dass man den Glauben daran nicht verliert. Aber die Hinterlist zwischen zwei sich liebenden Eheleuten verblüfft mich immer wieder

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aufs Neue. Ich fand auch den Trick mit den abgelaufenen Kinokarten als Beweis für einen

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Kinobesuch der nicht stattfindet, aber stattgefunden haben soll, ziemlich gewitzt. So viel kleinkriminellen Verstand hätte ich Viola eigentlich nicht zugetraut. Ich schloss die Augen und legte meine Hände leicht aneinander gedrückt vor meinen Mund, um die Szene bedeutungsvoll auf mich wirken zu lassen. Ich sah in meiner Phantasie, wie Viola im Abendkleid, mit der einen Hand das strassbesetzte Handtäschchen weit von sich gestreckt und den kleinen Finger gespreizt, und den anderen Arm, wie eine verlauste Kippensucherin bis zum Ellenbogen in einem stinkenden Mülleimer wühlt. Nur um bei einem einzigen Kino- oder Theaterbesuch mehrere abgelaufene Kinokarten aus dem Abfall zu

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sammeln, um sie dann Zuhause und irgendwann als Alibi für angeblich stattgefundene Kinobesuche wieder vorzulegen. Offensichtlich glauben die Menschen jede noch so verwegene Geschichte, wenn schriftliche Belege als Beweis vorgelegt werden. Dagegen fand ich die Ausrede mit dem starken Regen nicht sonderlich kreativ. Auch fand ich die Bezeichnung für Werner eher unpassend, denn Werner ist alles andere als ein Blödmann, für den er immer wieder gehalten wird. Vielleicht etwas seltsam, aber blöd auf keinen Fall. Ohne meine Antwort abzuwarten kam die

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rückversichernde Aufforderung: „Kannst du mir jetzt die Karten legen, ob da was draus wird?“

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Mit dieser Aufforderung bekamen meine unbestechlichen Tarot-Karten die Befugnis, Licht in eine dunkle Zukunft zu bringen. Ich war das Medium einer unbekannten Macht, das Opfer meiner okkulten Kreativität und die Karten erwachten zum Leben und sagten mir, was zu tun sei. Ich öffnete das Mahagoniimitatbehältnis um die Karten zu entnehmen. Etwas lustlos und mit fahrigen Bewegungen begann ich die 80 Karten (das alte und von mir favorisierte Crowley Tarot hat noch 80 Karten) zu mischen und verdeckt auf dem Tisch aufzufächern. Es war zwar höchste Konzentration angesagt, denn es ging ja immerhin um die Zukunft meiner besten Freundin Viola. Aber

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für mich war es glasklare Präkognition. Auch ohne Tarot-Karten konnte ich Viola mein Wissen um die Tatsachen, die erst noch eintreten würden, präzise vorhersagen. Denn ich bin ein erfahrener Prophet und außerdem kenne ich sie zu gut. Aus den Augenwinkeln und in der etwas abgedunkelten Beleuchtung sah ich das kaum bemerkbare, aber distanziert-spöttische Lächeln meiner neuen Angebeteten neben der Alten und Überflüssigen. Normalerweise bin ich bei meinen Sessions die Ruhe selbst. Selbst bekennend Ungläubige bringen mich nur selten aus dem Konzept. Ich ruhe

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sozusagen ganz entspannt im Hier und Jetzt und schwebe mit meinen mentalen Eingebungen über

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den Unwissenden und Ungläubigen. Das stärkt mich im Bewusstsein, trotz schwerer Anfeindungen eine elitäre Wissenschaft zu vertreten. Nur dann finde ich den richtigen Weg zur Erleuchtung. Oder anders ausgedrückt: Ich finde nur im Zustand der konzentrierten Leichtigkeit des Seins die intuitiven Eingebungen die darauf hinauslaufen, dass es zwar einige Verwirrungen gibt, aber letztendlich und dank meiner Hilfe der überaus befriedigende Zustand „alles wird gut, du brauchst dir keine Sorgen zu machen“ erreicht wird. Nur an diesem Abend gelang es mir irgendwie nicht so richtig, während Viola unaufhaltsam von ihrem Sockel stürzte. Sie war nur noch schmückendes Mittel zum Zweck. Wie eine etwas angeschlagene Blumenvase

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die man nur noch stehen lässt, weil man sich an den Gegenstand gewöhnt hat, den man aber bei nächster Gelegenheit ersetzen will. Eine benutzbare Hilfe um sinnliche Freuden herbeizuführen, damit die Knospen sprießen und die blühende Blume ihren herrlich duftenden Kelch nur für mich öffnet. Aber ich brauchte die Blumenvase noch, denn wenn Viola zu früh und enttäuscht gehen würde, und auch da konnte ich in die Zukunft sehen, würde mich das Frauenklosyndrom voll treffen. Fabienne würde sich solidarisch zeigen und als unvermeidliche Reaktion ebenfalls aufstehen und auf Nimmerwiedersehen mitgehen und damit für

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immer aus meinem Leben verschwinden. Aus der Nessel Gefahr musste ich die Blume

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Sicherheit pflücken, wie mein alter Kumpel William S. zu sagen pflegte. Und das Risiko musste ich unter allen Umständen verhindern. In diesem Moment wusste ich noch nicht, wozu und wohin mich die Umstände treiben werden, aber mein zukünftiges Liebesglück stand auf dem Spiel. An diesem Beispiel siehst du sehr anschaulich, warum die Zukunft auch etwas mit intelligentem Timing zu tun hat. Mein Gesichtsausdruck war optisch auf Anteilnehmend verstellt und meine Körperhaltung bei der Geschichte meiner Freundin Viola. Aber mein unruhiger Geist empfand die Unruhe meines Ichs nur noch als einen sofort zu ändernden Zustand. In diesem Moment war ich ein sehr einsamer Mensch. Der Wächter in dunkler Nacht,

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der die Geschicke seiner Herde leitet. Ich spürte es überdeutlich. Es gab nur Alles oder Nichts, gewinnen oder verlieren, Lust oder Frust, vergleichbar mit den unendlich langen Sekunden eines Torwarts vor dem alles entscheidenden Elfmeter. Ich allein trug die Verantwortung für meine Zukunft. Nur an mir lag es jetzt, wie sich meine Zukunft und dazu die Geschichte der Menschheit entwickeln würden. 1 Es war eine große und verantwortungsvolle Aufgabe. Denn ich wusste ja, oder ich konnte es zumindest vermuten, dass Viola mit ihrer Freundin 1

Frei interpretiert nach dem Schmetterlingseffekt des amerikanischen Meteorologen Edward N. Lorenz,

der 1972 vor der American Association for the Advancement of Science einen Vortrag mit dem Titel Predictability: Does the Flap of a Butterfly’s Wings in Brazil set off a Tornado in Texas? hielt. Es wird

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vermutet, dass Lorenz durch die 1952 erschienene Kurzgeschichte Ferner Donner von Ray Bradbury inspiriert wurde. In dieser Geschichte tritt ein Zeitreisender versehentlich auf einen Schmetterling und sorgt dadurch für Veränderungen in der Gegenwart. Nach diesem Beispiel kann der Flügelschlag eines Schmetterlings am Amazonas, eine Wetterkatastrophe in Europa auslösen.

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Fabienne über mich und meinen götterähnlichen, also geschlechtslosen Zustand gesprochen hatte. In meiner Leistungsbeschreibung standen bis zu diesem Abend nur die bleischwer hängenden Worte: „Wir hatten mal was miteinander. Aber das war vor meine Heirat. Jetzt ist er ein guter Freund mit vollem Kühlschrank.“ Das war nichts Aufbauendes, Dynamisches, Spritziges. Vermutlich gab es auch keine intime Beschreibung der Leckereien und kein Qualitätszertifikat. Es gab nur „ein guter alter Freund, der hilft wenn man ihn braucht.“ Es war nicht die Pool-Position aus der ich starten konnte, es war der letzte Platz, das Plätzchen der Verlierer. Einer unter Vielen, an den

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man sich noch einige Stunden erinnert, aber nicht länger. Aus dieser schlechten Lage musste ich heraus und mich zum Ziel vorkämpfen. Mit jeder Faser meines wild pochenden Herzens wollte ich den Hauptgewinn und das war schwer. Bis zu diesen Minuten war meine seelische Ruhe der normale Zustand der Dinge. Ich bewegte mich in vorgeschriebenen Freiheiten, so als ob meine Bewegungen ein träges Element meines Seelenfriedens gewesen wären. Jetzt, im Angesicht eines höheren Ziels galt es nach Weiterem, Erhabenerem zu streben. Nur Darwin gab mir noch Halt und daran klammerte ich mich mit meiner

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ganzen Energie. Die Evolutionsgeschichte lehrt uns, dass nicht die Stärksten überleben werden, sondern

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nur die Kreativsten zum Ziel kommen, und das war mein Vorteil. Es war nicht mehr zu verdrängen. Das Gift der Lust entfaltete in meinem Gehirn seine volle Wirkung. Ich war in meine Gedanken nicht bei den Tarot-Karten. Im Geist war ich bei Höherem, und zwar zwischen den Schenkeln von Fabienne. Diese telepathische Botschaft eines sehr einsamen Kartendeuters musste ich nun durch meine spirituellen Fähigkeiten aussenden, ohne dass es zu sehr nach anbaggern aussehen sollte. Denn Götter baggern nicht, Götter müssen auch nicht um Zuneigung betteln, wie dahergelaufene Straßenköter. Götter empfangen die Ungläubigen und nehmen sie nach der Bekehrung huldvoll in ihre Gefolgschaft auf, denn Götter erfüllen einen

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sozialen Zweck. Götter regeln das Unverständliche. Sie müssen trösten können und die Aussicht auf Hilfe wahrscheinlich erscheinen lassen. Für Götter gibt es nur ein Mittel zur Läuterung der Schäfchen, und das ist Ehrfurcht. Nur daraus wächst der fragile Zustand absoluter Anbetung. Fabienne, die Ungläubige musste zuerst geläutert werden. Aber ich kannte sie erst seit etwa zwanzig Minuten, und wir hatten noch nicht mehr als zehn belanglose Worte gewechselt und zwei halbe Gläser AldiChampagner zusammen getrunken. Nach den üblichen drei Kartendeutungsrunden war meine Freundin Viola

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zufrieden gestellt. Sie wusste jetzt, sie würde sich in der nächsten Nacht mit Ihrem neuen Lover treffen.

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Das Hotel würde sie mit ihrer Kreditkarte bezahlen und Werner müsste gut verwahrt aber ziemlich sauer zuhause, in der rosaroten Villa bleiben. Die Karten lügen ja nicht und ich konnte also vollkommen selbstsicher eine Erfüllungsgarantie für dies und das abgeben, und dass die prognostizierten Ereignisse, die so oder so ausfallen könnten, auch so oder anders eintreffen würden, aber nur wenn sich Viola so verhalten würde wie ich es ihr empfohlen hatte, was sie garantiert nicht tun würde, denn dazu kannte ich sie zu gut. Aber die Aktion mit Viola war nur das Vorspiel, das Geplänkel um von der Hauptsache, der von mir zu erlegenden Beute abzulenken. Trotz meinem emotional angespannten

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Zustand war ich mehr als nur zufrieden mit meiner Leistung. Denn auch ich konnte mir eine unausgesprochene Garantie geben. Die Garantie, dass im Anschluss an die Kartendeutungen für Viola, die alles entscheidende Frage von der bis jetzt schweigsam, die Vorgänge scheinbar gelangweilt beobachtenden Fabienne kommen würde: „Sag mal, kannst du mir auch mal die Karten legen?“ Und was soll ich sagen? Gibt es einen besseren Beweis für meine prophetischen Gaben? Die Frage kam vorhersehbar wie der jährliche Steuerbescheid, und sie gab mir die Möglichkeit, endlich zu beweisen, dass ich die Zukunft verändern kann.

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Wäre die Frage von Fabienne nicht gestellt worden, was eigentlich undenkbar war, hätte sich vielleicht

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alles ganz anders entwickelt. Teilnahmslos und gelangweilt erscheinend kam meine mit etwas leiserer Stimme gesprochene, einzig mögliche Antwort: „Aber klar doch“ verbunden mit einem unausgesprochenen „aber nur wenn du dich sofort ausziehst und mir deine wunderschönen Titten zeigst“ Nachgedanken und meinem kurzen direkten Aufblicken in ihre wunderschönen grünblauen Augen. Ich sah ihr leichtes, kaum merkbares Lächeln, ein leichtes Zucken ihrer Augenlieder und die großen schwarzen, etwas geweiteten Pupillen und ich verstand. Auch in diesem Moment stand wie zu allen Zeiten, die weibliche Neugier an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will.

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Ich hob mein Haupt und richtete die Augen leicht gen Himmel. Dann bewegten sich meine Lippen zum lautlose Stoßgebet: „Herr, gib mir Keuschheit und Enthaltsamkeit - aber jetzt noch nicht. Gib mir dicke Eier und Kraft in den Lenden für das was kommen wird …“ Meine spirituell erscheinende Anrufungsgeste war beeindruckend – das sah ich an ihren geweiteten Augen. Dann gab ich meiner Adeptin die ersten Anweisungen. „Am besten ist, ihr wechselt den Platz, damit du mir genau gegenüber sitzt“ war meine unmissverständliche Aufforderung für Viola, ihren

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Hintern zu bewegen und den Platz für die göttliche Fabienne zu räumen.

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Voraushörbar antwortete Viola mit „ich wollte sowieso kurz zur Toilette.“ In diesem Moment wünschte ich mir, ich wäre nur für eine Minute Kommandant des Raumschiffs Enterprise. Mein erster und einziger Befehl wäre: „Scotty beam sie von der Klobrille, weit weg ins Universum! Mister Kirk, ich verspreche Ihnen, Sie bekommen danach sofort das Kommando zurück. Stopp Mister Kirk, einen Zusatzwunsch hätte ich noch. Bitte Kumpel, falls das mit der Klobrille nicht funktioniert, sorge dafür, dass sie von einer sofortigen Darmverstopfung heimgesucht wird.“ Ich hörte für einen kurzen Moment wieder das kurze, kaum hörbare Klickern beim Platzwechsel. Endlich war ich mit Fabienne allein und konnte alles

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in die Hand nehmen. Fabienne saß mir jetzt gegenüber. Magische Schwaden von Violas Qualmerei waberten durch den dämmrigen, rückwärtigen Raum. Nur die Lampe verbreitete ein genau auf die Tischplatte abgegrenztes Licht. Im Dämmerlich hatten Fabiennes Haare einen wunderschönen Schimmer, während ihre weiße Bluse rein wie frisch gefallener Schnee im hellen Licht strahlte. Den Kopf hatte sie leicht gesenkt, und im Geist sah ich die büßende Maria Magdalena (die von 1533, nicht die zensierte von 1566) von Tizian vor mir. Bis zu diesen Minuten wusste ich noch nichts über Fabienne und doch lag sie schon offen

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vor mir. Ich finde, Kartendeuten erfordert nicht nur die

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Kraft für übergroßes Engagement, sondern auch die Stärke, eine nahezu übermenschliche Verantwortung tragen zu können. Ich war bereit, diese sittliche Kraft aufzubringen und begann bewusst langsam, mit äußerster und optisch wirkungsvoller Konzentration, aber mit routinierter Fingerfertigkeit, die Karten für Fabienne und für mich neu zu mischen. Ihr Blick hing gebannt an den sensiblen Händen eines virtuosen Künstlers in einer rituellen Handlung für eine exzessive Zukunft. Langsam und mit einer eleganten Hand- und Fingerbewegung begann ich die Karten auf dem schweren Glastisch aufzufächern. Durch das Glas des Tisches, an den ausgebreiteten Karten vorbei, sah ich ihre

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übereinander geschlagenen Beine, und bei meinem kurzen Aufblicken das kleine unschuldige Silberkreuz an der dünnen Kette um ihren schmalen Hals am Ansatz zwischen ihren Brüsten. Fabienne erschien mir in dem diffusen Licht wie eine Heilige, und das Kreuz hatte noch keine Brandmale auf ihrer zarten Haut verursacht und sich auch noch nicht um 180 Grad gedreht. „Bitte zieh jetzt mit der linken Hand eine Karte“ war meine Aufforderung aktiv mitzuwirken. Fabienne war (oder ist, ich weiß es nicht) eine intelligente und selbstbewusste Frau. Es ist wie mit jungen Wildpferden auf der Prairie in Texas. Noch

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nicht domestizierte Frauen gehorchen, solange die Machtverhältnisse noch nicht klar definiert sind,

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nicht widerspruchslos. Darum gab es eine von mir vorhersehbare Antwort auf meine klare Anweisung, und zwar die Frage: „Warum mit der linken Hand?“ Die erwartete Frage war die notwendige Aufforderung meine geheimen Kenntnisse zu offenbaren und meine Kompetenz Imagefördernd zu beweisen. Außerdem beinhaltete die Frage meines Opfers eine von mir forcierte Anweisung etwas näher zu kommen. Es war die erste Herausforderung, die ich mutig annahm. Ich begann entschlossen die unsichtbaren Intimgrenzen nach und nach einzureißen. „Die Mauern müssen fallen“, wusste schon Cato der Ältere, und ich war gewillt, den weisen Worten des alten Römers zu folgen. Fabienne spürte meine Nähe und sie wich

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nicht aus. Ich sah wie sich die zarten, kaum sichtbaren Härchen auf ihren Unterarmen wie elektrisiert aufstellten. Sie war mir schon zu nah, und nur meinem direkten Blick über den Rand meiner Brille hinweg in ihre grünblauen Augen, wich sie mit keusch niedergeschlagenen Augen etwas aus. „Die linke Hand ist die intuitive Hand die nur bei sehr sensitiven Frauen vom Herzen kommt. Die linke Hand ist die Hand, die Macht über die Karten und die Zukunft ausübt. Es soll sogar Frauen geben, die mit ihren Händen die Bewegungen der Welt spüren.“

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Mit dieser Einweisung bekam sie von mir ihre erste Weihe.

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Mit einem neutralen „Ahja“ quittierte sie meinen kühnen Vorstoß. Doch mir, und ich vermute, auch ihr war bewusst, dass sie sich schon auf dem schmalen Weg der Erkenntnis befand. Fabienne war, über der Mehrzahl der normalen, der ahnungslosen und gefühlskalten Frauen stehend, im Kreis der wenigen, der sensitiven Frauen mit Macht aufgenommen. Ich spürte körperlich, wie die Spannung im Raum im gleichen Verhältnis wie der Grad der Beeindruckung anstieg. Auch Fabienne verspürte den spirituellen Machtzuwachs und zog, gebannt von meinen okkulten Fähigkeiten und Kenntnissen, die erste Karte. Es war die machtvolle Karte des Hohepriesters. Vorhersehbar kam die erwartungsvolle Frage: „Was bedeutet die Karte?“

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Ich verstehe mein Handwerk und darum war meine Auskunft neutral, klar, ohne Schnörkel und überflüssige Ausflüchte: „Diese Karte entscheidet über die moralischen Probleme der Dualität, also der Analogie der Gegensätze von Gut und Böse, oder Himmel und Hölle. Es ist das baldige Erscheinen eines machtvollen Menschen zu erwarten, der durch unorthodoxes Verhalten auffällt und in dein Leben tritt.“ Die Wirkung des Satzes ließ ich durch eine kleine, meditativ erscheinende Pause, in der ich mit halb geschlossenen Augen innerlich bis Zehn zählte, wirken. Dann kam meine explizite Suggestivfrage:

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„Kennst du zufällig so einen Menschen der in Zukunft in deinem Leben eine wichtige Rolle spielen

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könnte?“ Jetzt erfuhr ich aus ihrem schönen Mund, was ich schon intuitiv ahnte. Fabienne brauchte meine Hilfe, nicht irgendwann, nicht irgendwie, sondern sofort und mit Einsatz aller meiner mir zur Verfügung stehenden Ressourcen. Ihre zögernde und etwas verunsichert klingende Antwort war: „Nein eigentlich nicht, zur Zeit gibt es niemand auf den so eine Beschreibung passen könnte. Mein Mann interessiert sich nicht für solche Sachen.“ Nachdenklich erscheinend, mit leicht gerunzelter Stirn forderte ich sie auf: „Bitte zieh jetzt die nächste Karte.“ Meine Beute beugte sich etwas vor, und ich

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sah in diesem besonderen Licht, die ihre reinweisse Bluse und die zwei oberen, die geöffneten Perlmuttknöpfe (am obersten Knopf stand keck ein kleines Fädchen ab) besonders vorteilhaft zur Geltung brachten, dass sie einen schlichten unschuldig-weißen Büstenhalter trug. Ich sah auch, wie ihre unberingte Hand langsam aber zögernd über die Karten glitt. Das Gefühl, wie sich ihre Fingerspitzen meinem erigierten Gehänge näherten, war der phantasievolle Übergang von der Fiktion zur baldigen Realität. Sie überlegte kurz und zog dann eine Karte und vor meinen Augen begann sich alles zu drehen.

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Ich schwöre dir, es war kein billiger Kartenspielertrick, es war der pure Zufall. Sie deckte

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die elfte Karte auf. Die Karte der Lust. Ich hatte ein leichtes „Yang“ in meinem Ohr. Es war die Karte meiner Ying, und sie lag genau richtig, denn ich konnte nicht mehr ohne Fabienne sein. In diesem kurzen Moment anarchistischer Erkenntnis wusste ich, dass nichts mehr so sein sollte wie es gewesen war. Sekunden vergingen mit sakralem Schweigen, und die karmische Spannung in meinem Wohnzimmer stieg ins Unerträgliche. Ich sah zuerst auf die Karte, dann sah ich durch den Glastisch, dass Fabienne die übereinander geschlagenen Beine nebeneinander gestellt hatte. Ich sah die schmalen Riemchen ihrer Schuhe, die eng an ihren Fesseln anlagen. Mit meinem Griff nach dem Sektkelch und

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einem bedächtig tiefen Schluck, der mir einige Sekunden Zeit zum ästhetischen Nachdenken verschaffte, begannen sich meine Gedanken auf das Objekt meiner Begierde zu konzentrieren. Noch war meine Neutralität meine perfekte Tarnung. Einen anderen Weg zum Sieg sah ich nicht. Denn als seriöser Kartendeuter bin ich durch meinen autodidaktisch definierten Moralkodex zur strikten Neutralität verpflichtet. Darum begann ich mit betont langsamer und überlegter Sprechweise eine fachlich fundierte Deutung. „Die Karte stellt nach uralten Überlieferungen die Hure Babylon dar, die mit roten Haaren und

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gespreizten Beinen auf einem löwenähnlichen Tier reitet. Diese besonders schön stilisierte Karte

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symbolisiert sexuelle Ekstase durch die Lust grenzenloser und nie gekannter Erfahrungen.“ Aus den Augenwinkeln registrierte ich jede Veränderung in ihrem Blick. Sie sah die Karte dann mich an. Fabienne war eine wunderbare Frau und sie hatte sich unübertrefflich unter Kontrolle. Eine wahre Meisterin der Mimik und eine Beherrscherin ihrer Gestik. Ich konnte an keiner optischen Gefühlsregung ihre Gedanken erkennen. Aber Fabienne verstand die Zeichen. Zwischen uns war eine unausgesprochene Einheit – ein knisterndes Band der Sinne. Wir spürten, wie unsere Herzen den gleichen Rhythmus der Beats annahmen. Sie hatte meine Botschaft empfangen und angenommen. Wir waren im Geiste bereit und

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vereint, und dann begann im Hintergrund die Toilettenspülung zu rauschen. Wilhelm Busch muss sich in einer ähnlichen Situation befunden haben, als er schrieb: „So wird oft die schönste Stunde, in der Liebe Seelenbunde, mitten durch- und abgeschnitten, durch Herbeikunft eines Dritten.“ Viola kam zurück. „Wie weit seid ihr“ war die ernüchternde Frage in einem Moment in dem zwei verwandte Seelen begannen telepathisch miteinander zu fingern. Mein scharf gesprochenes „bitte sei sofort still, sonst kann ich mich nicht konzentrieren“ und einem gedanklichen „sonst

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breche ich dir beide Arme und deinen faltigen Hals dazu“ stellte das Machtverhältnis im Raum wieder

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her. Verzweifelt nahm ich die schweißnassen Hände an meine pochenden Schläfen und schloss die Augen um den Strang meiner medialen Eingebungen wiederzufinden. Viola ahnte, dass man den Meister in solchen Momenten nicht stören darf und verzog sich schmollend aufs Sofa in den hinteren Rängen. Sie spürte überdeutlich, dass sie nicht mehr gefragt war, aber das war mir egal. „Das klingt interessant“ war Fabiennes neutrale Antwort. Intelligent wie sie war, zwang sie mich damit zur absoluten Offenbarung. Ich musste die Wirkung meiner Deutungen noch intensivieren, denn meine mediale Glaubwürdigkeit stand auf dem Spiel.

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„Bitte achte auf den Schwanz des Tieres.“ Mit diesem Hinweis schob ich Fabienne die Karte und eine Leselupe zu, die jeder Sammler von Briefmarken benötigt, und die ich für solche besonderen Studienzwecke immer bereithalte. Sie betrachtete die Zeichen und Figuren des Kartenbilds und sah mich dann fragend und nachdenklich an. „Was soll das bedeuten?“ war eine rhetorische Frage, die das Erkennen schon in sich trug, denn das Kartenbild war eindeutig. „Siehst du die Bestie, auf der die rothaarige nackte Frau reitet? Sein mächtiger Schwanz kann ein Drittel der Sterne vom Himmel fegen und nur

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für dich auf die Erde, dir zu Füßen werfen, wenn du es von ganzem Herzen willst“ war meine

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sachkundige Beschreibung des Kartenbilds. „In der Kombination mit der zuerst gezogenen Karte des Hohepriesters kann ich dir mit Bestimmtheit versprechen, dass ein sehr interessanter Mann in der allernächsten Zeit in dein Leben treten und dich fördern wird.“ Fabienne war geplättet. Ich sah es an Ihren geweiteten Pupillen und dem leicht geöffneten Mund. Ich schwöre dir, ich konnte nichts dafür. Die Kartenkonstellation ließ keine andere Deutung zu. Fabienne war kurz davor, eine neue Liebe zu finden. Eine Liebe zu einem hochinteressanten und geheimnisvollen Mann mit übersinnlichen Kräften, der sie zu neuen, ihr noch unbekannten Lustspielen führen sollte.

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Doch ich war verpflichtet zu schweigen. Ich, das Medium einer überirdischen Macht durfte keinen Namen nennen. Auf die Akteure musste Fabienne selbst kommen. In diesem Moment konnte ich nur darauf vertrauen, dass ich einem schlauen Mädel nur die richtige Richtung zeigen muss. Ihre subversive Neugier würde sie auf den richtigen, unseren gemeinsamen Weg führen. Nur Viola hatte keine Ahnung wer der Unbekannte sein könnte. Für sie gab es im näheren und entfernteren Bekanntenkreis keine identifizierbare Persönlichkeit mit solchen herausragenden Fähigkeiten. Viola war zu blöd und Fabienne stellte sich einfach dumm.

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Am meisten war ich von meinen spirituellen Fähigkeiten überrascht. Ich konnte tatsächlich die

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Zukunft nach meinen Vorstellungen gestalten. Viola, Fabienne diskutierten in fortgeschrittener Champagnerlaune noch einige Zeit über diesen „geheimnisvollen und unbekannten Mann“ der da auftauchen sollte und wir leerten noch zwei weitere Fläschchen Champagner. Aber es war mehr ein prickelndes Spiel der Katze, die zuerst um den heißen Brei und dann auf dem heißen Blechdach herum balanciert, um dann liebevoll aufgefangen zu werden. Kurz vor Mitternacht musste Viola zu ihren häuslichen Pflichten zurück. Fabienne wollte, angeregt von den Prophezeiungen, noch ein verträumtes Viertelstündchen bleiben und mehr über das Mysterium des „Sterne vom Himmel

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runterholens“ der Karten erfahren. Nachdem Viola mit den üblichen Küsschen verabschiedet und gegangen war, herrschte einen Moment eine sprachlose Spannung zwischen uns. Vielleicht kennst du solche Momente, in denen man nicht so recht weiß, was man sagen soll, um das Gespräch wieder in Gang zu bringen. Meist beginnt man mit einem „tja so ist es“, aber Fabienne war etwas schneller als ich, und fing mit dem üblichen Kommunikationsgeplänkel an. „Hast du zufällig einen Steifen“ war ihre Ouvertüre. In diesem Moment klangen die Töne von „I wanna be your dog“ und die schräge Stimme

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von Iggy Pop aus den Lautsprechern. Nach dieser Nacht wussten wir, dass es für Götter heldenhaft

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ist, Dinge zu tun, von denen normale Menschen nicht zu träumen wagen. Fabienne war im Kreis der Menschen mit besonders kreativen Fähigkeiten aufgenommen. Ich hatte die goldenen Kugeln abgeleckt und in meiner Erinnerung höre ich heute noch ihre gehauchte Stimme, die zum Abschied atemlos „sag geile Sau zu mir“ in mein Ohr flüstert. Zwei kleine Probleme musste Fabienne noch lösen. Sie musste eine glaubhafte Story zu erfinden, warum sie erst am frühen Morgen im ehelichen Zuhause ankam, und woher sie die aufgeschürfte Stelle auf ihrem Rücken hatte. Vielleicht hat sie es mit Kinokarten versucht. ____________________

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Viele, wenn nicht sogar alle Entscheidungen werden vom Standpunkt des „hier stehe ich und kann nicht anders“ beeinflusst. Daraus ergeben sich die Fragen: „Soll ich mich bücken, oder darf ich mich nach oben strecken?“ Die dritte Variante ist die rigorose Unterdrückung der Triebe. Sina Sidonius

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Ich habe mich oft gefragt, ob es so etwas wie gerechte Morde gibt. Die Antwort war nicht einfach, aber ich denke, dass Gewalt nicht gerecht

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sein kann, und ein Mord kann nicht als gerechte Tat legitimiert werden. Obwohl, die Befreiung von einem unerträglichen Zwang, kann ein Grund sein,

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warum Menschen ihre Ideale verraten. Das Leben besteht nun mal aus Zyklen. Man kann sich nicht aus einem unbequemen Zeitabschnitt davon stehlen und sich in einen anderen schleichen, ohne Verrat am vorherigen zu begehen. Wenn du jetzt noch Lust auf eine weitere, wahre und alltägliche Geschichte hast, dann bleib noch etwas bei mir. Es hat sich vor nicht allzu langer Zeit so zugetragen. Eine junge blonde Frau, sie nannte sich Marion, und ein kräftiger junger Mann, nennen wir ihn bei seinem richtigen Namen, es war Ralf, hatten im Vollbesitz ihres Verstandes beschlossen zu heiraten. Daran kannst du erkennen, dass das was ich dir erzähle, kein Märchen ist, sondern die reine und ungeschminkte Wahrheit.

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Marion und Ralf lebten glücklich und zufrieden in einem hübschen Haus in einem hübschen Dorf, weit draußen in einer grünen und gesunden Umgebung in der Nähe eines großen schwarzen Waldes. Sie hatten sich zusammengetan, um einen Baum zu pflanzen, und mit ihrer Hände Arbeit, einem günstigen Bauspardarlehen und einer Muskelhypothek ein blitzsauberes Haus mit einer blitzsauberen und schweineteuren Einbauküche aufzubauen. Beide liebten sich sehr, und auch das Sexuelle kam nicht zu kurz. Wie es die Gebräuche vorschreiben, zeugten sie im vorher ausdiskutierten

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Abstand von genau zwei Jahren, zur jeweils genau berechneten Samstagnacht, zwei hübsche

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blondgelockte Kinder. Es war eine schöne Zeit, und alles gedieh prächtig und wohlgeplant. Ralf war ein fleißiger und redlicher Handwerksmann, und wie es Tradition ist, war er auch der Ernährer der jungen Familie. Er hatte mit im Schweiß seines Angesichts einen kleinen Handwerksbetrieb aufgebaut. Sein Betrieb und das Haus waren seine ganze Liebe und die Erfüllung eines Lebenstraums. Schon früh am Morgen fuhr er zu seiner Arbeitsstelle, während Marion, daheim an der Basis, im hübschen Haus mit der blitzsauberen Einbauküche für und Ordnung und Pflege des Heimes sorgte. Marion war eine liebevolle und nicht untalentierte Köchin und zauberte der kleinen

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Familie die schmackhaftesten Gerichte auf den Tisch. Ansonsten hatte sie in dem schönen Haus auch viel zu tun. Die Zeit, die ihr nach der Hausarbeit und der Beschäftigung mit den Kindern übrig blieb, konnte sie mit großem Nutzen zu Studien und für die Vervollkommnung ihrer Allgemeinbildung verwenden. Zeitschriften, Radiosendungen und die Fernsehsatellitenschüssel, über die sie alle gängigen Hausfrauenvorundnachmittagssendungen, außerdem die spannenden Talkshows und die Sendungen aus den Gerichten empfangen konnte, gaben ihr Hilfe, um sich auf die späteren

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Lebensjahre, in der nach einer Zeit und Denken ausfüllenden Beschäftigung verlangt wird,

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vorzubereiten. Marion hatte wirklich alles was sie brauchte und sie war glücklich. Sie hatte jede Freiheit und Ralf las ihr jeden Wunsch, von dem er dachte, dass sie ihn haben könnte, von den Augen ab. Wenn es ihre knapp bemessene Zeit zuließ, fuhr sie mit dem Bus ins nächstgelegene Einkaufszentrum. Das war nicht weiter kompliziert, denn die nächste, größere Stadt war recht komfortabel in etwa vierzig Minuten Fahrzeit zu erreichen. Aber das war nicht oft der Fall, denn die gemeinsamen Einkäufe erledigten Marion und Ralf mit Ralfs Auto am Samstagvormittag in einem realen Supermarkt auf der grünen Wiese. Und sie hatten alles was sie brauchten, denn die

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Tiefkühltruhen im Keller des hübschen Einfamilienhauses waren immer randvoll mit den leckersten Lebensmitteln gefüllt. Marion konnte sich frei und unabhängig bewegen, denn sie war eine moderne junge Frau. Sie konnte durch die weiten Wiesen und Felder, die sich an das kleine Dorf anschlossen, spazieren gehen. Und manchmal, an schönen lauen Frühsommernachmittagen, wenn die Luft lau, und die Sonnenstrahlen nicht mehr ganz so heiß waren, setzte sie sich auf eine verwitterte Bank unter einem uralten Apfelbaum und sah lange und nachdenklich hinüber, über die sattgrün

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gesprenkelten Blumenwiesen zum Kirchturm. Marions Welt war rosarot und wohlgeordnet, in

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dem Dorf in der Nähe des großen, schwarzen Waldes. Wenn sie so in Gedanken versunken unter dem Apfelbaum saß, kam es ihr manchmal vor, als ob die Äste und Blätter des Baums Geschichten aus längst vergangenen Zeiten wispern würden. Sie spürte seine unheimliche Aura und Marion hatte das Bedürfnis sich an den mächtigen Baum zu lehnen und ihn zu umarmen. Manchmal, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, tat sie es auch. Dann war ihr ganz schwindelig und es kam ihr vor, als ob sich die Welt bewegen und schon bald auf dem Kopf stehen würde. Abends, nach vollbrachter Tagesarbeit bauten Ralf und auch Marion wohlgemut an ihrem

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Häuschen. Das war aber nur am Anfang der Ehe so. Marion war handwerklich nicht so begabt und darum hatte Ralf viel an seiner Marion zu kritisieren. Marion sah ein, dass sie reichlich ungeschickt war, und darum überließ sie im Laufe der Zeit ihrem Ralf die handwerklichen Arbeiten. Darüber war Ralf sehr glücklich, denn er fand, dass Marion in der Küche besser aufgehoben sei, und vom Bauen, Basteln und auch sonst nicht viel verstehen würde. Müde und glücklich von der Arbeit und der gesunden, frischen Landluft, ging Ralf mit seiner Marion früh zu Bett. So verging Jahr um Jahr und

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Ralf sprach schon bald mit Freude davon, wie angenehm erst das Rentnerleben sein würde, wenn

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er eines Tages alles abbezahlt und seine Kinder aus dem Hause wären. Ralf wusste, dass sie immer glücklich sein würden, bis ans Ende aller Tage.

Mein Freund, liebe Kinder und liebe Erwachsene. An solchen Stellen enden normalerweise Märchen. Nicht so bei Marion und Ralf. In Marions dreißigstem Lebensjahr begann sich etwas zu verändern. Die Küche blieb immer öfter kalt. Marion fand nicht mehr die Lust ihren Lieben etwas Schmackhaftes zu kochen. Und noch eine schleichende Veränderung ging vor. Für die blonde Marion wurde das Leben in dem hübschen Haus in dem hübschen Dorf weit draußen in der grünen und gesunden Umgebung, in der Nähe eines großen

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schwarzen Waldes, von Tag zu Tag grauer. Man sah es ihr an und niemand wusste so recht, warum sich ihr Gemütszustand so schnell verschlechterte. Ärzte konnten ihr nicht helfen. Marion schlief schlecht und ihre Launen wurden von Tag zu Tag schlimmer, obwohl es den Beiden (oder Vieren, wenn man die Kids dazu rechnet) eigentlich gut ging. Am Anfang nahm Ralf die Launen seiner Marion auf die bekannte, leichte Schulter. Er suchte Gründe und dachte, es könnten vielleicht die Wechseljahre sein. Doch eines Tages überraschte die blonde und brave Marion ihren Ralf mit feuerrot

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gefärbten Haaren. Ralf verstand die Welt und ganz besonders seine Marion mit ihren verrückten Ideen

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nicht mehr. Aus der strohblonden Marion war über Nacht eine langmähnige rothaarige Fabienne geworden. Ralf war verzweifelt. Was würden die Nachbarn in dem kleinen Dorf, weit draußen in der Nähe des großen schwarzen Waldes wohl denken? Er sprach viel mit seiner Marion, manchmal leise und oft auch ziemlich laut. Manchmal, aber nur manchmal knallte er mit den Türen, aber nicht zu stark, denn die Türen in dem hübschen Haus waren teuer und sollten ein ganzes Menschenleben halten. Außerdem sollten die Nachbarn nichts vom knallen mit den Türen mitbekommen. Aber Marion ließ sich nicht umstimmen. Marion wollte nicht mehr die Marion sein, die sie war und Ralf konnte nur noch

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resigniert brüllen: „Die spinnt.“ Die ungeschickte Marion begann auch, sich für technische Geräte zu interessieren, und sie kam auf wunderliche Ideen. Sie wollte unbedingt ein Handy haben, obwohl Ralf versuchte, seine Marion mit rationalen Argumenten davon zu überzeugen, dass das wunderschöne Haus doch einen Telefonanschluss besäße. Aber Marion setzte sich durch. Sie wollte nicht mehr gehorchen, und eines Tages hörte Ralf das Geräusch eines Handys aus Marions Handtasche, obwohl Ralf nicht seine Erlaubnis zum Erwerb des Gerätes nicht gegeben. Für Marion war es eine liebgewordene

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Angewohnheit, bei schönem Wetter zu dem einsamen, uralten Apfelbaum zu gehen, unter dem

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die verwitterte Holzbank stand. Nur dort hatte sie die Ruhe, über sich und die Welt nachzudenken. Gern und oft telefonierte sie von dort mit ihrem neuen Handy. Wenn sie die Gelegenheit fand und der Linienbus die richtigen Ab- und Ankunftszeiten hatte, denn sie musste ja vor Ralf zuhause sein um ihn herzlich zu empfangen, fuhr sie in die nächst größere Stadt, um in verschiedenen Zeitungen kleine Inserate aufzugeben, oder um andere, gleichgesinnte Menschen kennen zu lernen. Manchmal nahm sie auch das Familienauto, aber Ralf war darüber nicht sehr erfreut. Denn Fabienne hatte die Angewohnheit, sehr schmutzige Feld- und Waldwege zu befahren, und Ralf musste dann am

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Samstag sein Familienauto gründlich putzen. Einmal war Ralf sehr verärgert. Beim Herausfahren aus der Garage hatte er Fußabdrücke an der Innenseite der vorderen Scheibe des Familienautos entdeckt. Marion war sehr verlegen, aber sie wusste nicht wie die Abdrücke da hingekommen waren, und auch die vielen anderen Fragen von Ralf blieben unbeantwortet. Wenn Marion in die große Stadt fuhr, über der auch heute noch ein großer, silberner Stern schwebt und sich langsam dreht, traf sie sich mit sympathischen Männern, die sie vorher noch nie gesehen hatte. Marion wollte lernen und

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Erfahrungen auszutauschen. Die Männer gingen danach wieder nach Hause, zu ihren Ehefrauen und

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Marion fuhr zurück in das schöne Dorf zu ihren Kindern und zu ihrem Ehemann. Von all dem ahnte Ralf nichts, denn Fabienne konnte schweigen und in dem hübschen Haus hatte sie immer ihr Handy abgestellt um Strom zu sparen. Vielleicht hätte es Ralf auch nicht interessiert, denn er war mit seinem Betrieb und der vielen Arbeit am Haus beschäftigt. Die heile Welt von Ralf sollte noch größer, noch schöner und perfekter werden. Nur für Marion war es keine schöne Welt mehr. Eines Tages erzähle Marion (oder Fabienne) einer neuen Freundin aus der großen Stadt, von dem Apfelbaum, und dass es ihr manchmal so vorkäme, als ob der uralte Baum zu ihr sprechen würde. Viola, Fabiennes Freundin fand die

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Geschichte spannend, denn sie besaß ein Gespür für Übersinnliches. Sie erzählte der staunenden Fabienne von einem guten alten Freund mit besonderen, spirituellen Fähigkeiten. Die rothaarige Fabienne war, wie es ihrem weiblichen Naturell entsprach neugierig. Sie wollte wissen, was aus ihr werden würde, in dem kalten Haus in dem hässlichen Dorf, weit draußen in einer schrecklichen und ungesunden Umgebung inmitten eines großen schwarzen Waldes, in der eine Marion unglücklich war, und die rothaarige Fabienne nicht mehr leben wollte.

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Wie die Geschichte weiterging, ist schnell erzählt. Marion verliebt sich in den Mann mit den

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spirituellen Fähigkeiten. Es beginnt eine leidenschaftliche Affäre und Marion, die sich jetzt Fabienne nennt, betrügt ihren Ralf. Das ist keine besondere, vielleicht noch nicht einmal eine besonders erwähnenswerte, eher eine alltägliche Affäre, wie sie schon seit Menschengedenken immer wieder vorkommt, und jedem von uns passieren kann. Die Ursache für Marions Veränderung kann man auf eine banale Binsenweisheit reduzieren. Gewohnheitsmäßiger Gebrauch der Ehe erzeugt ein unerträgliches Gefängnis der Triebe. Für die Ehemasochisten ist der Zwang der Regeln das höchste Glück auf der Erde, für die Andere die Überwindung derselben, das erstrebenswerteste Ziel. Ein Apfelbaum und der

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Zufall haben Fabienne den Weg zur Freiheit gezeigt. Eigentlich ist es die klassische Geschichte von Eva und den unerträglichen Zuständen im Paradies. Marion hat vom Baum der Erkenntnis genascht und die Zeit war reif für Veränderungen. Was lernen wir daraus? Wenn in der Küche zu oft die gleichen Gerichte gekocht werden, wächst die Lust auf exotische Genüsse außerhalb des Paradieses, und Sex aus der Jogginghose ist nur manchmal schön.

Vielleicht kann es sein, dass du an der Geschichte etwas vermisst? Wo bleiben Moral und

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Gerechtigkeit? Ein pauschales Urteil wäre, Marion zu verdammen und Ralf zu loben, der für seine

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kleine Familie sorgt, während die gelangweilte Marion als rothaarige Fabienne auf dumme Gedanken kommt. Auch ich habe oft über Marion und Ralf nachgedacht und wie ich mich als Unbeteiligter verhalten würde. Für wen sollte ich Partei ergreifen, und wer gehört verurteilt und verdammt? Sollte ich überhaupt zu einer Partei halten, oder nach dem Motto: „Was du nicht willst was man die tu, das füg auch keinem Anderen zu“ auf meinen Gerechtigkeitssinn hören? Nach langen Überlegungen bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass wir gemeinsam über die Akteure meiner Geschichte und deren Taten urteilen sollten? Ich lade dich ein, ein gerechtes und moralisches Urteil zu fällen. Vielleicht hilft dir dieses

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kleine Spiel, wenn du eines Tages unverschuldet in eine ähnliche Situation geraten solltest.

Bevor du über Moral und Gerechtigkeit urteilst, betrachten wir noch einmal die handelnden Personen. Die erste Person ist Ralf, der immer noch ratlose Ehemann von Marion (der späteren Fabienne). Ralf ist ein Typ, den man, ohne ihn näher zu kennen, als „netten, kumpelhaften Kerl von nebenan“ bezeichnen würde. Ralf hat im Laufe der Jahre einen kleinen Handwerksbetrieb aus dem „Nichts“ aufgebaut. Ich finde, das ist eine beachtliche Leistung. Damit du die Situation etwas

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präziser beurteilen kannst, musst du noch wissen, dass Ralf und Fabienne in einem kleinen Dorf im

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Schwarzwald leben (oder gelebt haben). Zusammen hatten die Beiden mit vielen Eigenarbeiten ein Haus gebaut und ausgebaut. Es war Ralfs Lebenstraum. Aber die hohen Schulden „drückten“ und belasteten das Verhalten von Ralf. Seine Nerven „lagen blank“, wie man so schön sagt. Was wir bis jetzt noch nicht wissen ist, dass sich Ralf „in seinen vier Wänden“ manchmal etwas gehen lässt. Er ist eifersüchtig, vielleicht auch etwas gefühlsroh-cholerische und er neigt zu leichten Gewalttätigkeiten, wenn er nicht mehr weiter weiß. Es konnte vorkommen, dass seine geliebte Ehefrau Marion (oder Fabienne) gelegentlich eine Ohrfeige bekam, wenn sie nicht so „spurt“ wie Ralf es sich vorstellte. Aber die beiden hatten sich arrangiert,

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und sahen die kleineren Tätlichkeiten als interne Familienangelegenheiten, die Außenstehende nichts anzugehen hatten. Eine ergänzende Information möchte ich dir nicht vorenthalten. Ralf hat eine gelegentliche Schwäche für die hilfreichen Damen vom Straßenstrich. Alles in allem stimmst du mir vielleicht zu, dass die guten Seiten von Ralf bei näherer Betrachtung doch etwas verblassen. Aber bitte behalte diese Insiderinformation für dich. Die rothaarige Fabienne (oder die früherer, blonde Marion) habe ich dir schon ausführlich beschrieben. Zum damaligen Zeitpunkt übte sie den

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Beruf der Hausfrau und Mutter aus und fühlte sich seit geraumer Zeit in der ihr zugewiesenen Rolle

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nicht mehr sehr wohl. Sie war von der Ehe mit Ralf und von seinem Verhalten etwas enttäuscht. Oder anders ausgedrückt: „Marion hatte als Fabienne keinen Bock mehr auf Ralf.“ Aber das ahnst du ja schon. Die dritte Person in meiner kleinen Geschichte, ist ein nicht besonders erfolgreicher Schriftsteller, den wir aus Diskretions- und Personenschutzgründen hier nur mit „R“ bezeichnen können, und der von Fabienne unter anderem kurz und liebevoll „mein süßer Schpatzl“ genannt wurde. „R“, (oder „Schpatzl“) wohnte zur damaligen Zeit etwa dreißig Kilometer von unserem Paar entfernt in einer süddeutschen Stadt über der auch heute noch ein heller Stern leuchtet. Du wirst

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verstehen, dass ich die Stadt aus Diskretionsgründen nicht näher bezeichnen kann. Mit etwas detektivischem Gespür und einer Portion Allgemeinbildung wirst du jedoch selber darauf kommen. „Schpatzl“ ist nach seinen nicht näher überprüfbaren Angaben Single, zumindest behauptet er das gern. Aber glaub ihm nicht zu sehr, denn er hat eine blühende Phantasie und er schwindelt manchmal, aber nur in besonderen Ausnahmefällen. Zum damalige Zeitpunkt und nach seiner Scheidung übte „R“ seinen Beruf von Zuhause, einer

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kleinen, bescheidenen und uneinsehbaren Dachgeschosswohnung aus, die den Vorteil hatte,

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dass er sie allein bewohnte, und dass sie bequem durch einen diskreten Tiefgaragenzugang zu erreichen war. Die Wesensart von „R“ ist mit den Begriffen „sensibler und verständnisvoller Frauenversteher“ plastisch und ausreichend beschrieben. Das alles musst du wissen, um ein abschließendes Urteil zu fällen. Du mein Freund bist jetzt Richter. Dir obliegt jetzt die Aufgabe, über Recht und Unrecht, über richtiges und falsches Tun zu urteilen. Bitte gehe Verantwortungsbewusst mit deinem Rat und deiner Entscheidung um. Bitte denke gut nach und lass dann deinem moralischen Empfinden freien Lauf. Beachte bei deiner Urteilsfindung auch die Auswirkungen. Denke dir

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eine gerechte Strafe aus, oder sprich frei. Ganz so, wie es dein Gewissen befiehlt, oder wie du dich vermutlich verhalten wirst, wenn du in eine ähnliche Situation gerätst. Um dich bei deiner Urteilfindung zu unterstützen, habe ich zehn Fragen für dich vorbereitet.

1.

Kannst du Verständnis für die Unzufriedenheit und die daraus resultierenden heimlichen Ausbruchsversuche von Fabienne aufbringen?

2.

Wenn du dafür Verständnis aufbringst, darf sich Fabienne mit einer „Notlüge“ die egal aus

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welchen Gründen, immer noch eine Lüge ist und bleibt herausreden? Falls du hier mit

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einem „Ja“ urteilst, solltest du bedenken, dass du dann in ähnlichen Fällen, vielleicht im eigenen Umfeld keine Ehrlichkeit fordern darfst.

3.

Darf sich Fabienne, unter Berücksichtigung ihrer schlimmen, ehelichen Situation mit dem sensiblen „R“ ins Bett legen, wo doch Ralf (nach Fabiennes Aussage) ein „blödes und gefühlsrohes Arschloch“ ist, der es nicht anders verdient?

4.

Sind die Handlungen von Fabienne dadurch entschuldigt, da doch Ralf bekanntermaßen gewalttätig und gefühlsroh ist?

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5.

Wer trägt an der Misere von Ralf und Marion die Schuld, und was sollten die Beiden tun, um ihre Ehe zu retten?

6.

Sollte Marion ihrem Ralf alles gestehen und die Affäre mit dem dubiosen „R“ beenden? Oder soll Sie ihre Affäre(n) auch in Zukunft verschweigen?

7.

Gibt es unter bestimmten Umständen ein Recht zum Mord, um sich aus einer unbefriedigenden Situation zu befreien? Oder

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ist es besser, nach dem Zitat von Friedrich Nietzsche: „Besser noch Ehebrechen als Ehe-

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biegen. Wohl brach ich die Ehe, aber zuerst brach die Ehe mich!“ zu leben.

8.

Gibt es eine Pflicht zur Lüge und zum Treuebruch, wenn ein „Unrecht“ verhindern werden kann, oder eine unerträgliche Situation abgemildert werden kann?

9.

Ist „R“ als Verursacher zu verurteilen, weil er die gutgläubige Marion mit allerlei spirituellen Taschenspielertricks auf Abwege gebracht hat?

10. Ist Untreue wie Friedrich Schiller schon sagt, „nichts anderes als ein viehischer Prozess zur

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Stillung viehischer Begierden?“

Urteile jetzt über Moral, Unmoral, Treue, Untreue, Lügen und Ehrlichkeit. Ich freue mich auf dein gerechtes Urteil.

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Geboren im Oktober 1950 in der ehemals beschaulichen, schwäbischen Kleinstadt Sindelfingen. Nach Abitur und Ausbildung schloss sich ein längeres, aus heutiger Sicht ziemlich nutzloses Studium in Berlin an. Heute, nach einer kurzen Ehe und anderen Missgeschicken lebe ich aus Lebens- und Liebesgründen in Essen. Ich schreibe für mich über die Abgründe der Seele, über das was sein könnte und was ist, wenn wir es sehen können.

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2.

Es ist nicht gestattet, meine Texte auf Vorrichtungen zur entgeltlichen Wiedergabe auf Bild- oder Tonträger (zum Beispiel Hörbücher) zu speichern. Es ist nicht gestattet, deutsch- oder fremdsprachige Lizenzen zur Nutzung meiner Text- oder Bilddateien zu vergeben.

3.

In jedem Veröffentlichungsfall, auch von Auszügen aus meinen Texten, bin ich als Urheber des Werkes im Sinne des Welturheberrechtsabkommens anzugeben. Dritte sind auf mich als die Urheber hinzuweisen. Meine Texte sind sorgfältig und gewissenhaft recherchiert. Falls an

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