Ein Abend Beim Chinesen

© Uwe Fengler

Ein Abend im Restaurant

1

Ich sitze bei meinem Lieblingschinesen und schiebe satt und zufrieden meinen immer noch bis zur Hälfte gefüllten Teller zurück. Der Kellner, der mich nach all den Jahren schon kennen müsste, streicht darauf hin mehrfach mit einem Seitenblick auf mich und meine nicht geschaffte Portion an meinem Tisch vorbei. Endlich sage ich zu ihm, dass er den Rest mitnehmen kann, es habe zwar wie immer gut geschmeckt, sei aber zu viel gewesen. Ob er es

einpacken solle, fragte er, worauf ich, angesichts meines mit Resten irgendwelcher Mahlzeiten überquellenden Gefrierschrankes, verneinte. Ich glaubte, er war der festen Überzeugung, dass es mir nicht geschmeckt hatte. Ich steckte mir eine Zigarette an und sah mich im Lokal um. Mein Blick und mein Gehör bleiben daraufhin am Tisch schräg gegenüber fixiert. Zwei Frauen, zwei Männer, jeweils so Mitte dreißig, hatten gerade ihr Essen bekommen. Die Männer tranken Bier, die Frauen unverdünnten Fruchtsaft. Alle schoben sich in regelmäßigen Abständen unterschiedlich große Fleischstücke, gefolgt von Reis in den Mund. Meine Spannung wuchs, würden sie diese riesigen Portionen schaffen, ohne etwas übrig zu lassen? Schließlich waren sie ja schlank bis normal gewichtigg, na ja,

allerhöchstens das Paar, dass mir den Rücken zukehrte, hatte vielleicht so drei bis fünf Kilo zu viel. Ich dagegen brachte mit einer Größe von 1,80 m gute 120 Kg auf die Waage. Kurze Zeit später hatten sie ihre Mahlzeit tatsächlich bis zum letzten Reiskorn vertilgt, die Männer bestellten ein Bier nach, eine der Frauen einen weiteren Apfelsaft. Kurz nachdem sie ihr Essen beendet hatten, wurde ich noch hellhöriger. Sie begannen tatsächlich über Diäten zu sprechen. Nicht über die irgendwelcher Politiker, was ja angesichts der bevorstehenden vorgezogenen Bundestagswahl noch verständlich gewesen wäre, nein, man sprach über Diäten die noch schlanker machen sollten. Leiter dieser Diskussion war der männliche Teil am Tisch, der mir das Gesicht zuwandte. Er wollte wetten, dass er es innerhalb

kurzer Zeit schaffe sieben Kilo abzunehmen. Das Paar, das ich nur mit dem Rücken sehen konnte wurde immer stiller. Die Frau, der ich ins Gesicht sehen konnte, meinte irgendwann, dass ein Kilo pro Woche weniger doch viel zu wenig sei, es müsste doch viel schneller gehen. Nur noch das mir zugewandte Paar bestellte Getränke nach.

2 Diese Zeilen einer nicht fertig gestellten Geschichte habe ich im August 2005 geschrieben. Tatsächlich, damals habe ich noch geraucht – und an manchen Tagen Nicht zu knapp. Ich glaube damals stand eine Bundestagswahl an,

und ich machte auch eine entsprechende Bemerkung in der Geschichte. Was sich seit diesem Abend verändert hat ist eigentlich nur, dass ich nicht mehr rauche (und es könnte einmal Thema einer anderen werden, warum ich im Mai 2007 damit aufhörte.) Immer gleich geblieben ist, ich esse nicht viel (so ca. zwischen 1500 und guten 2000 Kalorien täglich – das ist nicht viel, 1500 Kalorien nehmen manche Menschen während einer Diät zu sich. Am Essen kanns irgendwie nicht liegen, kein Arzt findet einen Grund. Ich habe sogar manchmal das Gefühl, dass Ärzte meinen, ich würde sie anlügen und mir im Geheimen regelmäßig den Bauch voll schlagen. Dies ist auf keinen Fall so. Ich nehme aber trotzdem zu, selbst wenn ich regelmäßig nur Salat esse. Kaum zu glauben, oder? Und wenn ich dann manchmal die schlanken

Menschen sehe, die mit einer doppelten Currywurst mit Pommes und natürlich auch doppelt Mayo an der Straßenecke stehen, verstehe ich die Welt nicht mehr. Irgendetwas kann doch da nicht richtig laufen .... © Uwe Fengler 2005/2009