Abend Und Andere Erzaehlungen

  • June 2020
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Der Abend kleiner Dinge

Motto: Wenn an manchem müden Abend, in manchem öden Raum des Alltags Rost die Seele zu verhüllen droht, So segele übers tiefe Meer der Unendlichkeit, fern von jedem Ufer, fern von jedem Weg, Bis dahin wo das Grenzlose und die Ewigkeit sich für einen Augenblick din Hände reichen xxx

An einem Abend setzte ich mich, ermüdet vom langen Wandern, auf einen moosumhüllten Stein. Die Dämmerung ließ sich sachte über diesen kleinen Erdenraum nieder, schleichte geräuschlos übers Wasser, verhüllte allmählig die gesamte lärmende Schöpfung in Ruhe. Ich lehnte mit halbgeschlossenen Augen am hohlen Baumstamm und lauschte auf die winzigen Geräusche, die heimlich ins Schweigen versanken. In der Ruhe der grauenden Dämmerung wollte ich plötzlich dieses wunderschöne Bild malen, doch merkte ich, daß ich nur die Farben hatte, nicht auch den Pinsel. Dann dachte ich, jenes Flüstern und Wispern, jenes Plätschern und Rauschen in die enge Festung der Dichtung zu verbergen, doch hatte ich nur die Töne, es fehlte mir das Schreibzeug. Darum entschied ich, Farben und Töne zusammenzupflechten, Gedanke dem ich, einem kleinen Kind gleich, vergnügt zunickte. Ich horchte auf das Rufen des schwarzen Sees, über dem sich kein Lüftchen regte und kein Wasserschlag das stille Wasser kräuselte, bloß ein paar Enten zogen friedlich ihre Bahnen hinweg. Das Gezwitscher in den Ästen wurde für einen Augenblick sehr laut, da die kleine Vogelwelt unruhig hin- und herwimmelte um sich ein gemütliches Nachtplätzchen auszusuchen. Die Dämmerung verweilte noch ein wenig unter den weißen Kerzen der Kastanien und neben dem alten Stein, auf dem ich saß, waren Grasholme und Löwenzahn nebeneinander eingenickt. Eine Weidenrute versuchte vergebens mit ihrem zarten Zittern vorübergehende Kreise auf dem Wasserspiegel in Bewegung zu bringen, indem eine Grille auf dem Weidenblatt ihr Zirpen sorglos fortsetzte. Ein paar Wolken machten sich lautlos bereit, als müßten sie der Nacht behilflich sein, den Himmel zu verdunkeln. Drüben, wo die 1

Dorfstraße beginnt, umschwirrte eine Hand voll Glühwürmchen das fahle Licht der Straßenlanterne und in der Ferne weinte ein einsamer Hund seinen Kummer in die Abendstille. Der Abend kleiner Dinge. Jene kleine Dinge für die der stets beeilte Mensch keine Zeit hat, diese zu betrachten, zu belauschen. Der Duft der feuchten Erde, der Schaum umherschwebenden Kastanienblüten. Die Stille, wenn der Bach da, hinten sachte rauscht, wenn die Grille auf einem Kleeblatt ihre Weise zirpt. Ein winziger Grasholm reckte, ganz gerade, seine Spitze zum Himmel empor, ungestört von jenem viel winzigerem Käferchen, das sich hartnäckig bemühte, die ungeheuere, riesige, grüne und lebendige Säule hinaufzusteigen. Ich beugte mich neugierig hinunter; auf welche wichtige Reise hatte sich dieser kleine Käfer zur nächtlichen Stunde begeben? Und wenn er die entfernte Spitze des Grasholms erreicht hatte, was wollte er weiter tun? Beinahe atemlos verfolgte ich das mühsame Klettern und plötzlich war er dort, oben. Er hielt einen Augenblick inne, drehte sich umher um die weite Landschaft aus allen Himmelsrichtungen beobachten zu können, kratzte mit dem linken Fühler sein Köpfchen, dann glitt er geräuschlos den langen Holm hinunter. Man konnte die Zufriedenheit, die ihn erfüllte, aus seinem raschen Hinuntertrippeln vermuten. Er hate seine Neugierde befriedigt, er hatte eine schwindelige Höhe erreicht, jene unüberschreitbare Grenze zwischen Erde und Himmel, er hatte in seine Seele – falls, natürlich, ein Käferchen mit einer Seele ausgestattet war, das wunderbare Grenzenlose eingeschlossen und es mit der schweren, rostigen Kette des Begränzten versiegelt. Er kehrte auf seine irdische Welt zurück, schlüpfte unter ein auf dieser seiner Erde gefallenes Kastanienblatt, zog ein braunes Erdkörnchen herbei, das ihm als Decke diente und schlief erschöpft ein. Ein Fühler bewegte sich rhytmisch, wahrscheinlich setzte er träumend seine Reise fort, weit weg, über alle Grenzen; er muß im Traum die rostige Kette, die das Unbegrenzte versiegelte, gebrochen haben. Ich erhob die Blicke. Farben und Töne ruhten; die schimmernden Himmelslichter waren die einzigen beweglichen Wächter der unbeweglichen, allumhüllenden Nacht. Wie kann denn jemand den Abend dieser kleinen Dinge mit einem dumpfen Knall vertreiben wollen? xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

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Das Werden der Dichtung

Motto Das Lied das ich zu singen strebte, schallte bis jetzt noch nie in die grüne Luft dieses Raumes, Ich suchte auf meiner Reise meine Dichtung zu gestalten und umzugestalten, Doch schmieden sich die Worte nicht in gewünschter Form, der Takt war nicht derjenige meines Herzens. Die Pein des Wünschens entflammte bloß in Großmut und Hartnäckigkeit eines Traumes Und somit führe ich meine Reise immer fort, über unzählige Zeiten, über unbegrenzten Welten, Bis das Lied, das meine Seele zu singen wünscht, in die grüne Luft dieses Raumes schallen wird

Die Jagd Ein Schauspiel in der hohlen, schwarzen Grotte des Unterbewußtseins… Ineinander geflechtete Farben die sich in zitternden Tönen verwandeln um in grenzenlosen Wörtern zu münden, all´ dies versunken in dem unberührten Abgrund der Geistesbühne. Ein unbegreifliches Etwas, das schlaftrunkene Augen auf sich hemmen will, das entflammte, träumende Seelen, einem nächtlichen Dieb gleich, sich aneignen will. Draußen, in der mondlosen Einsamkeit starrt ein Zuschauer auf das jetzt namenlose Wunder. Beim letzten Schall eines noch lange nicht vollendeten Tones erhebt sich dieser Einzige entschlossen, hastig, ungeachtet der müden Finsternis, durchzieht den engen Pfad des Zögerns, beschreitet die zugleich hinab – und hinaufsteigende Treppe, durchbohrt scharfen Blickes die ineinander geflechteten Farben der zitternden Tönen, die in das grenzenlose Wort münden und hält inne. Dieser unbenannte Zuschauer duckt sich am Rande der fremden Wunderwiese und lauert. Regungslos, jede kleinste Ader gespannt, heftet er seine geduldlosen Blicke auf das geistliche Wild, das da, vor ihm, seine listige, lockernde, schmeichelnde Weise tanzt. Dieses Wild, das ihn verspottet, sich nähert und sich entfernt, seine Qual mit jedem geräuschlosen Schritt, den es tut, vermehrt. Plötzlich merkt er das schmuckvolle Wort, das allerschmuckvollste, das für einen seltenen Augenblick in jenem Hin – und Hertanzen ruht, 3

und zuckt kurz in die Höhe, schießt einem ungebändigten Pfeil gleich vorwärts, überfällt den zum Wort gewordenen bunten Ton, erwischt diesen heftig beim Nacken, lacht seinem eigenen irrsinnigen Ebenbild großmutig zu und verschlingt mit einem einzigen gierigen Schluck das lang in seinem flammenden Herzen ausgedachte Geschöpf. Ein lauter Erlösungsseufzer quillt aus der Brust des weltlichen Zuschauers. Er hat´s. Ihm ist es nun erlaubt sich als göttlicher Zuschauer zu betrachten, die seltsame Gabe des Schaffens strömt in seinen schwachen Händen, er kann endlich zu jeder Zeit Farben flechten, Töne vermischen um somit flüchtige Worte in die Burg der Dichtung einzudrängen, Der ehemalige Zuschauer ist zum Schöpfer geworden. Seine Schöpfung? Jenes farbige Bühnenspiel, darin er der allerwichtigste Schauspieler seines Augenblicks ist. ***************************************

Das Licht In der mondlosen Finsternis kauert sich das Wesen auf die Erde, ganz nahe dem grünen Herzen der zitternden Weide. Das alte Moos bietet ein weiches Bett an. Ringsum, in der Unendlichkeit der Schöpfung steht alles regungslos, in jene steinerne Starre der Zeitlosigkeit versunken, bloß die müde Stille allein, sie schleicht geschmeidig, einer blinden Schlange gleich, durch die Weiden. Nur jenes einzige Wesen atmet die etwas feuchte Luft dieser Nacht tief ein. Mühevoll ist das bisherige Wandern gewesen. Mit 4

schlaftrunkenen Blicken betrachtet es das Ineinanderfließen seiner eigenen Gedanken. Diese Gedanken, sie gehen, stehen, schweben, tanzen, singen lachen, brüllen, streiten. Sie sind alle lebendig, sie haben alle ihren eigenen Willen, ihre Unabhängigkeit, sie bilden eine noch unerforschte Wellt, ein seltsames Gewimmel, das das vom langen Weg erschöpfte Wesen nicht ruhen läßt. Irgendein Gedanke springt aus dem Schatten der Tiefe hervor, wird für eine viel zu kurze Spanne Zeit vom blendenden Licht des Begreifens bestrahlt, um dann sofort wieder in die endlose Grotte des Unterbewußtseins zu verschwinden. Das halb eingeschlummerte Wesen fragt sich selbst ob man wohl solche rasche Gedanken verfolgen oder gar festhalten kann. Zweifelhaft! Es kreist alles so schnell umher, alles scheint so verwirrend. Das träge Gewicht des Schlafes läßt sich über die Augen des Wesens nieder, näher, noch näher, der Schlaf empfängt es auf seinem Schoß, er verisnkt das schlichte Wesen in die goldene Wiege der Träume… Gleich einem Pfeil schießt das grelle Licht hervor, es nähert sich mit kosmischer Geschwindigikeit dem Wesen, das sich ein wenig furchtsam, doch unendlich neugierig erhebt, sich um einen Schritt zurückzieht und dieses unbekannte Etwas atemlos verfolgt. Das goldene Licht fällt zur Erde, vor den gelehmten Füßen des Wesens. Aus dem weißen Lichtherz strömen zur selben Zeit unzählige Farben, die einem Feuerwerk gleich in die düstere Finsternis dringen, diese in zahllose Scherben zerbrechen und im Schall einer ungewöhnlichen Musik alle Sinne des Wesens erwecken. Wie ein kleines Kind, das im bunten Sommergarten mit zarten Schmetterlingen spielt, rennt das Wesen zwischen Farbenteilchen und Dunkelheitssplitter umher. Es faßt lachend die Farben an, es flechtet die zauberhaften Töne der Lieder zu Kränzen und schmuckt sich damit den Kopf, hängt diese um den Hals. Gibt es wohl Müdigkeit, gibt es wohl Erschöpfung? Das Wesen hat diese Begriffe vergessen. Nicht einmal Erde und Himmel gibt es noch, es gibt keine Grenzen im Raum und in der Zeit. Weil es eigentlich weder Raum noch Zeit gibt. Es gibt nur das allumfassende Licht, das das Wesen mehr und mehr umhüllt, dieses gewaltige Licht, das alles, was es berührt, in Licht umwandelt. Das Wesen wird zum Licht, aus allen seinen Adern quilt Licht, seine Seele wächst zu einem riesigen Lichtball, der in sich schnell und schneller alle Lichter der Ewigkeit einschließt. In diesem klaren Licht sind alle Gedanken bemerkbar, begreiflich. Und das leuchtende Wesen versteht alles, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Da doch alles eins ist. Alle Gedanken des Dieseits und Jenseits stehen bewegungslos, alles wird so leicht und verständlich. Ein Gleichgewicht. Und das Wesen lacht. Es kann nun zurückkehren, zu seiner zitternden Weide. Es besitzt nun alles um aus den dünnen Weidenruten die wundervollste Welt zu flechten. 5

Das Wesen Seelenswelt.

wird

zum

Schöpfer

seiner

eigenen

Welt.

Die

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Krähen und Sitar Die Krähen ziehen mühsam hinweg, vom heftigen Wind unter die graue Wolkendecke fast vorwärts getrieben, indem der kalte Regen das schwarze Gefieder gnadenlos peitscht. Ich verfolge dieses stumme Vorüberfliegen, das manchmal in einem scheinbar verzweifelten Kreisen innehält, um sogleich wieder ein hartnäckiges Vorwärtsziehen zu werden. Manche erschöpften Vögel fassen sich an die dünnen, kahlen Äste, deren Spitzen sich seltsam im Rhytmus der auf dem Sitar gespielten Musik zu wiegen scheinen. Die eigenartigen Töne des Sitars und der immer raschere Takt der Tabla verleihen der Vogelschar, den Ästen und den dichten Regentropfen ihren merkwürdigen Rhytmus. Als ob plötzlich die ganze Welt zu einem unendlichen Strom geworden wäre, dessen Wellen aus unzähligen Tonteilchen bestehen, der immer weiter gleitet und alle sich 6

auf seinem Weg befindenden Dinge großzügig umfasst um selbst zum sonderbarsten Weg zu werden. Alles gleicht irgendwie diesem allumfassenden Musikstrom, der von Nirgendsher nach Nirgendshin zu fließen scheint. Genau wie die schwarze Krähenschar, wie der ungebändigte Wind dessen schwermütiges Stöhnen die Musik des Sitars begleitet und somit den bloßen Ästen Gelegenheit zum Tanzen anleitet. Ist etwa dieser nicht der allerschönste Weg, der nie endet, der nirgendshin führt? Wenn man an Dingen und Gegebenheiten vorübergeht, diese für einen flüchtigen Augenblick betrachtet um sie im nächsten Moment in die Dämmerung des Gewesenen zu verdrängen. Alles kommt und vergeht und kehrt wieder um ebenfalls zu zerfallen, nur der Weg bleibt unverändert, dieser aus allen Tönen der Unendlichkeit gebildete Weg. Jene Krähen da, draußen, sie beharren im Hin – und Herwandern, sie beharren darauf ihre ständige Reise zu unternehmen. Bei keinem Flug sind die Dinge gleich, jedes Mal weht ein anderer Wind, jedes Mal ballen sich andere Wolken über ihre Köpfchen, immer wieder fallen andere Blätter und andere Grasholme erheben sachte ihre Häupter empor. Doch der Weg ist der gleiche. Wohin ich eigentlich genau will? Wahrscheinlich nirgendshin genau. Ich bin bloß, hier, jetzt und betrachte das Vorüberfliegen der Krähen und höre diese ungewöhnliche schwermütige Musik und plötzlich weiß ich dass hier zugleich dort und jetzt zugleich gestern und morgen bedeutet, ich bin mir bewußt dass ich ewig weiter auf diesem endlosen Weg wandere auf dem, obwohl ich mit jedem Schritt ein neues Erdkörnchen berühre, alles unverändert bleibt. Weil ich mit jedem Atemzug den Weg erneut beschreite, obwohl ich diesen noch nie verlassen habe. Weil alles einen unbegreiflichen, rätselhaften Kreislauf darstellt, in dem wir nichts anderes als Wanderer und zugleich Zuschauer sind. Wer hat das Schauspiel zusammengefasst, wer hat mich oder dich als Wanderer und zugleich Zuschauer bestimmt? Hat es wohl jemand getan? Und hat es überhaupt einen Sinn dieses zu wissen, darüber zu grübeln? Für dich nicht, da du zu jenen Vielen gehörst, die solches nutzloses Grübeln als Zeitverlust betrachten. Für mich nicht, weil ich doch nur entlang des unbegrenzten Weges weiter wandere und mir das geheimnisvolle Schauspiel umher mit meinen ewigen Kinderaugen anschaue.Dieser Musikstrom, dieser mein Weg, er fließt weiter… xxxxxxxxxxxxxxxx

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Liebesgedanken Entferne die alltägliche Eile und ruhe deine tiefen Blicke in meine dunklen Augen. Mein Allerliebster, die Tore meines Herzens bleiben offen, eile nicht vorbei wie der Pfeil eines kurzen Traumes. O, mein Geliebter, einziger Freund, die Tore meines Herzens sind offen in Erwartung deines Kommens. Beschreite den Rosengarten meiner Seele und einem Singvogel gleich, neste im Schatten meiner Sehnsucht Im entfernsten Winkel deines Lebensgartens blüht, im Schatten der Einsamkeit, die kleinste und schlichteste Blume. Sie wartet in sehnsuchtsvoller Stille von dir bemerkt und gepflückt zu werden. Aber wird wohl jemals diese zarte Blume einen Platz in deinem Kranze finden? Draußen, in stürmischer Nacht begeb´ ich mich auf die Reise der Liebe, mein Freund, Durch die irrvolle Tiefe des Schattens such´ ich den Weg zu dir, mein Freund, Auf dem fremden, mühevollen Pfad des Lebenswaldes fürcht´ ich bloß dein Schweigen, mein Freund Und die Traurigkeit bedrängt mich beim Gedanken, du könntest die Augen schließen, mein Freund, achtlos meines sehnsuchtvollen Liebesrufes. Warum, mein Herz, fesselst du dich an Nichts und führst dies schwere Nichts mit in dein kleines Boot? Du könntest dieses unbeschreibliche Nichts mit einem Wink von dir entfernen, oder es in tausend Stücke zerbrechen. Doch du segelst entlang des ewigen 8

Flusses von Nirgendsher nach Nirgendshin mit zitternder Furcht, dieses unbegreifliche Nichts könnte dir geraubt werden!

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