© Uwe Fengler
Der Traum der Leben heißt
Der Wecker schellt an diesem Morgen, als ich gerade meine
Lage wechsele. Dumpf klingt der schrille Ton, als er zu meinen Ohren gelangt. Es darf nicht war sein, schon wieder eine Nacht rum. Also quäle ich meine Gliedmaßen aus dem Bett und versuche mir einen schönen Tag vorzustellen. In meinen Gedanken bewege ich mich langsam in das Badezimmer. Nach einem kurzen, aber Hoffnung verheißenden Blick in den Spiegel, begebe ich mich unter die Dusche und spüre einen lauwarmen Strahl Wasser auf meinem Körper. Bin ich jetzt
wach oder träume ich noch? Und wäre mein Sein auf dieser Welt auch noch so kurz, ich würde es mit all meiner vorhandenen Kraft erleben wollen. Ganz plötzlich ist dieser Gedanke in mir, so als ob ich noch nie anders empfunden hätte, so als ob es schon immer so war und nie anders. Das was wir in unserer Sprache jedoch „Leben“ nennen, trägt mich immer weiter, bis ich immer noch im Halbschlaf
endlich die Küche erreiche. Eine Tasse Kaffee, eine Scheibe Brot und weiter geht der Traum im Treppenhaus, in dem sich meine Füße langsam einen verhassten Schritt weiter nach unten bewegen. Dabei sind meine Gedanken schon immer einen Augenblick weiter. Betrete ich die letzte Stufe, bin ich eigentlich schon auf der Straße, sehe meinen Bus um die Ecke kommen, beschleunige meinen Schritt, um ihn noch zu erreichen, dränge mich gerade noch zu den stehenden Menschenmaßen in das
Fahrzeug, versuche mit meiner rechten Hand mich irgendwo festhalten zu können. Dabei lande ich vorübergehend auf der Schulter des Vordermannes. Dieser zuckt genauso zusammen wie ich. Und im nächsten Augenblick befinde ich mich schon an meinem Arbeitsplatz. Den Brief den ich nun schreibe, habe ich in Gedanken schon während der Fahrt im Bus entworfen. Und dann wünsche ich mir manchmal, dass ich noch schlafe, dass alles nur ein Traum ist, aus dem ich eines Tages aufwachen
werde. Dann werde ich fröhlich nach Hause gehen und mein Leben wird beginnen. © Uwe Fengler