Der Sonderbare Herr Michels

  • Uploaded by: Uwe
  • 0
  • 0
  • May 2020
  • PDF

This document was uploaded by user and they confirmed that they have the permission to share it. If you are author or own the copyright of this book, please report to us by using this DMCA report form. Report DMCA


Overview

Download & View Der Sonderbare Herr Michels as PDF for free.

More details

  • Words: 497
  • Pages: 4
Der sonderbare Herr Michels 1 Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem Herr Michels in der Wohnung über uns einzog. Es war am Samstag des letzten Wochenendes im Mai vor 20 Jahren, als gegen neun Uhr ein ziemlich großer Möbelwagen vor unserem Haus vor fuhr. Unser Vermieter hatte uns Herrn Michels angekündigt, und gesagt, dass er diesmal an einen allein stehenden Herrn vermietet hatte, weil er besonders sympathisch war. Sicherlich spielte auch eine Rolle, dass die Wohnung schon einige Monate leer stand. Gewundert hatte uns damals nur, dass eine einzelne Person so viel Wohnraum benötigte, hatten wir in dem Dreifamilienhaus doch alle Kinder und auch nicht mehr Platz als diese 85 Quadratmeter zur Verfügung. Familie Krüger unter uns hatte sogar drei Kinder und wir fragten uns oft, wie sie auf vergleichsweise so

engem Raum gemeinsam leben konnten. In der Wohnung von Herrn Michels wohnten zuvor Herr und Frau Dietrichs, die sich neu orientierten als ihr Sohn mit 18 Jahren auszog. „Du musst jetzt langsam los und das Bier holen“, sagte ich zu meinem Mann der am Fenster stand und den Arbeiten der Möbelpacker zusah. „Ich würde ja gerne mal den Neuen sehen“, erwiderte dieser und sah auf seine Armbanduhr. „Du hast ja recht, Marion, die Geschäfte machen in gut einer Stunde zu, ich fahre gleich los!“ Wir hatten mit Krügers geplant am Nachmittag zu grillen, und fühlten uns wie immer für die Getränke verantwortlich. Herrn Michels hatten wir noch nicht eingeladen, der hatte sicherlich am Tage seines Einzuges andere Sorgen. Wenn wir uns an diesem warmen Tag im Garten hinter dem Haus aufhielten, würden

auch die Kinder draußen spielen, ansonsten betrachteten sie sowohl die Wohnung als auch das Treppenhaus als ihren ständigen Aufenthaltsort und würden bestimmt beim Einzug nur im Wege sein. Schön, dass wir uns alle im Haus so gut verstanden. 2 „Hast Du ihn schon mal gesehen?“ fragte mich Anja Krüger. „Noch nicht, aber Jens hat mir erzählt, dass er an einem Morgen als er zur Arbeit ging im Treppenhaus mit einer Aktentasche unter dem Arm an ihm vorbei gelaufen ist. Wir hören und sehen nichts von ihm, wahrscheinlich arbeitet er lange.“ „Ich muss jetzt Britta aus dem Kindergarten abholen, wir unterhalten uns später weiter!“ Anja hatte es mit ihren drei Kindern wirklich nicht leicht, manchmal bewunderte ich sie, wie sie das schaffte und war gleichzeitig irgendwie froh darüber, dass Sara und Jonas

inzwischen zur Schule gingen und auch selbständig nach Hause kamen. So brauchte ich Ihnen nur noch ein warmes Essen am Mittag vorsetzen. Sie waren mit ihren 11 und 13 Jahren so zuverlässig und auch gut im Unterricht, dass sie ihre Hausaufgaben selbständig verrichteten und anschließend im Garten spielten oder mit Freunden unterwegs waren. Außerdem arbeitete Jens im Schichtdienst und konnte so auch ab und zu für die Kinder da sein. Wenn Jens damals nicht Frühdienst gehabt hätte, wäre ihm wahrscheinlich auch Herr Michels nicht im Treppenhaus begegnet. Warum schleicht der sich eigentlich so früh aus der Wohnung? © Uwe Fengler

Related Documents

Und Der Herr Sprach
April 2020 40
Michels
November 2019 4
Herr Sommer
November 2019 46
Tarea Herr
June 2020 5
Silabo Herr. Inform
May 2020 5

More Documents from ""

Sorglosigkeit
June 2020 1
June 2020 6
May 2020 6
May 2020 5