AKTUELL ❚ POLITIK
Unmoralische Schwule
Klare Worte: Ein "alarmierendes Ausmaß an Vorurteilen" in acht EU-Ländern hat die "Studie über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" zutage gefördert, die am 13. November in Berlin vorgestellt wurde. Auch Homophobie ist den Zahlen zufolge nach wie vor weit verbreitet. Jeweils 1.000 repräsentativ ausgewählte Menschen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal, Polen und Ungarn wurden für diese Untersuchung von Wissenschaftlern der Unis Bielefeld, Marburg, Amsterdam, Budapest, Grenoble, Lissabon, Oxford, Padua, Paris und Warschau zu ihren Vorurteilen befragt. Mit erschreckenden Ergebnissen: 50,4 Prozent konnte die Aussage "Es gibt zu viele Einwanderer" unterstreichen (in Deutschland genau 50 Prozent), 31,1 Prozent meinten, es "gäbe eine natürliche Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Menschen" (hierzulande noch 30,5 Prozent), 60,2 Prozent wollten Frauen lieber als Ehefrau und Mutter denn im Berufsleben sehen (in Deutschland noch 52,7 Prozent). 24,5 Prozent unterstellten einen zu großen Einfluss von Juden auf die Gesellschaft. Hierzulande glaubten das 19,6
Prozent, dafür aber satte 48,9 Prozent, dass Juden heute Vorteile aus ihrem Status als Opfer des Holocaust ziehen wollten. 54,4 Prozent nahm den Islam als "Religion der Intoleranz" wahr (in Deutschland 52,5 Prozent). Gelebte Homosexualität verurteilten 42,6 Prozent aller Teilnehmer in den acht Staaten als unmoralisch, 52,9 Prozent hielten es für keine gute Idee, schwulen und lesbischen Paaren den Weg zum Standesamt freizumachen. Am wenigsten Probleme hatten die Niederländer. Nur für 16,5 Prozent gingen gleichgeschlechtliche Lebensweisen gar nicht, lediglich 17 Prozent lehnten die (in ihrem Land ja bereits seit 2001 real existierende) bürgerliche Homo-Ehe ab. Am stärksten geriet die Antipathie in den Ländern, in denen die Kirche eine besonders große Rolle auf das Zusammenleben spielt. Wenig überraschend nahm Polen einen unrühmlichen Spitzenplatz ein: 75,8 Prozent der Befragten dort konnten Schwul- und Lesbischsein generell nicht gutheißen, 88,2 Prozent lehnten den Bund fürs Leben ab. Ungarn folgte mit 67,7 bzw. 69,3 Prozent. In liberaleren, dennoch katholisch geprägten Gesellschaften
gab es größere Diskrepanzen zwischen den Werten. Frankreich meldete nur 36,2 Prozent generelle Homophobie, dafür 52,9 Prozent Ehe-Ablehnung, in Italien lag die Rate bei 42,5 zu 64,1 Prozent, in Portugal bei 44 zu 62,4 Prozent. Deutschland belegte mit 38 Prozent genereller Ablehnung und 39,7 Prozent EheAbneigung noch einen guten Mittelplatz. Die Grünen sahen dennoch Handlungsbedarf für die neue deutsche Regierung. "Ein Zurückdrehen der europäischen Antidiskriminierungspolitik, wie von der Koalition vereinbart", sei das falsche Signal, meinte Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag. "Die CDU musste noch unter Familienministerin von der Leyen einräumen, dass homosexuelle Jugendliche ein viermal höheres Suizidrisiko haben als heterosexuelle." Ein "Nationaler Aktionsplan gegen Homophobie" sei dringend geboten. "Eine Frau als Bundeskanzlerin und ein schwuler Außenminister sind kein Beleg für eine offene Gesellschaft, wenn diese in ihrem Regierungshandeln die notwendige Entschlossenheit vermissen lassen." (to)
Rosa Laterne fürs "Musterländle" Foto: stefan-mappus.de
Stefan Mappus hat ein Problem mit Homosexuellen Baden-Württemberg ist nun endgültig das Schlusslicht in Sachen Homo-Politik. Nicht nur, dass Landkreise und Städte nur noch im angeblichen "Musterländle" homosexuellen Paaren das Standesamt noch verweigern können (das gab-Magazin berichtete). Auch der designierte CDUMinisterpräsident Stefan Mappus gilt nicht gerade als Fürsprecher seiner homosexuellen Landeskinder.
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Schon 2005 fiel Mappus durch homophobe Parolen auf. Sein Parteifreund Andreas Renner war damals Schirmherr des Stuttgarter CSD und musste sich von seinem Fraktionsvorsitzenden Mappus per Zeitungsinterview sagen lassen: "Wenn wir vorher von der Schirmherrschaft gewusst hätten, hätten wir sicher davon abgeraten. Ich gebe jetzt noch den Rat, da nicht hinzugehen - weder zur Eröffnungsgala noch zum Umzug." Über den CSD sagte er wenig später: "Er versucht auf eine für mich abstoßende Art und Weise eine Woche lang Veranstaltungen durchzubringen, die wir ablehnen. Auf diese Form der Symbolik kann ich verzichten." Zur Diskussion um ein Adoptionsrecht für Homosexuelle sagte Mappus schließlich vor
kurzem: "Kinder sind denkbar ungeeignet für Experimente im Bereich der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und bedürfen dem besonderen Schutz der Gesellschaft." Auf Seiten der Schwulen- und Lesbenorganisationen gibt es keine Freudensprünge, aber auch keine Angriffsrhetorik: "Die bisherige Äußerungen von Stefan Mappus zu Homosexuellen und auch in Bezug auf den CSD waren unsäglich, keine Frage!", sagt der Stuttgarter CSD-Vorstand Christoph Michl. "Daher werden wir sehr genau beobachten, wie sich der neue Ministerpräsident zur Gleichstellung von Lesben und Schwulen äußert und - noch wichtiger - was er dafür tut." (cd)
Foto: ninino/photocase
Erschreckende Zahlen einer Studie in acht EU-Ländern
News Gleichstellung Hessen Wiesbaden - Die Möglichkeit auf Gleichstellung verpartnerter Beamten und Beamtinnen mit Ehepaaren rückt nun auch in Hessen in greifbare Nähe: nachdem die Grünen und die SPD im Oktober erneut einen Gesetzentwurf einreichten, zogen CDU und FDP mit einem eigenen Entwurf endlich nach. Damit reagierten sie auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das in einem im Oktober veröffentlichten Urteil zur Hinterbliebenenversorgung feststellte, dass Ehe und Lebenspartnerschaft als gleich zu behandeln seien. Am 13. Januar 2010 soll die Anhörung im hessischen Landtag erfolgen, (bjö)
Liebe, Lust und DRAMA
Wechsel bei ADS Berlin - Einen überraschenden Wechsel gibt es bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS). Das schwarz-gelbe Bundeskabinett beschloss am 9. November die Ernennung von Christine Lüders zur neuen Leiterin. Die 56-Jährige folgt auf Martina Köppen, deren Beschäftigungsverhältnis am 27. Oktober mit der Konstituierung des neuen Bundestags endete und auch nicht verlängert wurde. Die studierte Pädagogin Lüders leitete unter anderem die PR-Arbeit des NRW-Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration und wechselte dann zur Öffentlichkeitsund Stiftungsarbeit ins hessische Kultusministerium. Für die schwul-lesbischen Sozialdemokraten nach Worten ihres Chefs Ansgar Dittmar eine gute Nachricht: "Zurecht wurde die Stelle in den vergangenen Jahren kritisiert, weil sie ihrem Auftrag der Beratung Ratsuchender nicht oder nur unzureichend nachgekommen ist." (to)
Null Problemo Berlin - Keine Probleme wegen seines gelebten Schwulseins erwartet Außenminister Guido Westerwelle, auch nicht in Staaten, in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Schon bei seinen Auslandsreisen als FDP-Chef habe es keine "Peinlichkeit" gegeben. "Es gibt Länder, in denen Frauen in einer Weise behandelt werden, die wir als empörend empfinden. Trotzdem haben sich die Deutschen das Recht herausgenommen, eine Frau zur Regierungschefin zu wählen", so Westerwelle Mitte November im "Spiegel"-Interview. "Im Übrigen wären wir moralisch gescheitert, wenn wir unsere Liberalität einschränken würden, weil andere sie nicht teilen. Ich empfinde es als Ausdruck einer großen Liberalität, dass es in Deutschland bisher so gut wie keine Rolle gespielt hat, dass ich als Mann mit einem Mann zusammenlebe." (to)
Die nackte Wahrheit über das Showbiz
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GEZ-Gleichstellung Köln - Auch bei Rundfunk- und Fernsehgebühren gibt es künftig eine Gleichstellung für staatlich verbundene Homo-Paare. Auf eine Initiative des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD) antwortete der NDR, "dass sich alle Landesrundfunkanstalten, unabhängig von den anderslautenden Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages, im November 2009 dazu entschlossen haben, eingetragene Lebenspartnerschaften der Ehe gleichzustellen". Der LSVD hatte seine verpartnerten Mitglieder bereits dazu aufgefordert, "die Zahlung der Zweitgebühr zu verweigern und die in der Vergangenheit zu Unrecht geforderte Gebühr zurückzufordern". Jetzt gelte es, Daueraufträge und Abbuchungsermächtigungen umgehend entsprechend zu ändern. (to)
Denkmal-Film-Contest Berlin - Wettbewerb zum Filmwechsel: Am 27. Mai 2008 wurde das zentrale Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Berliner Tiergarten eingeweiht. Der ins Memorial eingelassene Bildschirm zeigt derzeit zwei sich küssende Männer, der Film soll aber im Zweijahres-Rhythmus ausgetauscht und ab Mai 2010 durch ein lesbisches Pendant ersetzt werden. Die das Denkmal im Auftrag der Bundesregierung betreuende Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat dazu nun einen öffentlichen Ideenwettbewerb gestartet, der sich an alle interessierten Videokünstler(innen) richtet. (pm/to) Infos unter stiftung-denkmal.de
Lesbische Bischöfin Stockholm - Premiere in Schweden: Die Lutheranische Kirche von Schweden führte am 15. November die offen lesbisch lebende Geistliche Eva Brunne in ihr neues Amt als Bischöfin der Diözese Stockholm ein. Die 55-Jährige lebt in einer Eingetragenen Partnerschaft mit einer anderen Frau zusammen, das Paar hat ein gemeinsames Kind. Brunnes Sprecherin gab an, von keiner anderen lesbischen Frau in solch einer hohen Kirchenfunktion zu wissen. Zwei Wochen zuvor hatten die Lutheraner bereits den Weg für die kirchliche Trauung von schwulen und lesbischen Paaren freigemacht. Die bürgerliche Ehe ist in Schweden seit Beginn des Jahres möglich. Gegenwind gab es nur von Ex-Erzbischof Gunnar Weman, er hielt Brunnes Ernennung für "nicht vereinbar" mit der Heiligen Schrift. (to)
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