Studien-1 Teil 3

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Kulturvergleichende Sozialisationsforschung Leonie Herwartz-Emden Vorlesung WS 2008/2009 Universität Wien

TEIL I: KULTURVERGLEICHENDE SOZIALISATIONSFORSCHUN G 

Die kulturellen Kontexte, in denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, können sich in ihren Anforderungen, Chancen und Möglichkeiten erheblich unterscheiden und stellen somit unterschiedliche Entwicklungsbedingungen bereit.

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Kulturbesonderheiten und kulturübergreifende Gemeinsamkeiten 





Um Kulturbesonderheiten und kulturübergreifende Gemeinsamkeiten in der Sozialisation und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu erfassen, um die Gültigkeit von theoretischen Aussagen über den westlichen Kulturkreis hinaus zu prüfen, und um Voraussetzungen für die Lösung von Problemen bei Begegnungen zwischen verschiedenen Kulturen zu schaffen, sind empirisch fundierte kulturvergleichende Studien im Kindes3

Kulturvergleichende Studien Kritik 





Gleichwohl sind kulturvergleichende Studien zum Kindes- und Jugendalter im deutschsprachigen Raum bis dato ausgesprochen rar. Die bisherige Sozialisationsforschung ist vor allem in westlichen Kulturen erfolgt, wurde von westlichen Forscher(inne)n ausgeführt und aus der Perspektive im Westen entwickelter Theorien publiziert. Dies ist angesichts der immer deutlicher werdenden kulturellen Vielfalt von Sozialisations-, Erziehungs- und Entwicklungsbedingungen in einer zunehmend durch Kulturbegegnungen

Kulturvergleichende Studien - Forderung 



Theoretische und praktische Konsequenzen dieser Forschung werden jedoch häufig generalisiert, ohne mögliche ethnozentrische Voreingenommenheiten zu bedenken. Es müssen die Theorieansätze, die theoretische Erklärungen, bspw. zu Entwicklungsverläufen und Identitätskonstrukten, die Konzepte und empirischen Zugangsweisen und Methoden gründlich überdacht werden. 5

Kulturelle Vielfalt



Deshalb wird im Folgenden eine kulturbezogene Perspektive auf die Situation von Kindern und Jugendlichen vorgestellt.

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TEIL II: AUFWACHSEN IN KULTURELLER VIELFALT 

Ausgangspunkt: – Beispiel Migrantenkinder und -jugendliche – Kulturelle Vielfalt in der postmodernen Gesellschaft – Migranten und Migrantinnen tragen zur Pluralisierung der Lebensformen durch die Pluralität ihrer Orientierungen bei. – Traditionen und Familienbindungen haben unter Bedingungen rechtlicher Ungleichheit, Diskriminierung und 7

Einführendes zum Aufwachsen in kultureller Vielfalt - Fragen 



Es stellt sich die Frage nach der Pluralität von Werten und Verhaltensmustern in der gegenwärtigen Gesellschaft… und die Frage nach der Bedeutung von sozialer Schicht, kultureller Herkunft bzw. Ethnizität und Sprache für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen.

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Einführendes zum Aufwachsen in kultureller Vielfalt - Fragen Die Frage nach den sozialisatorischen Konsequenzen des Aufwachsens in einer Migrationsgesellschaft, der Sozialisation im Einwanderungsland, stellt sich in Bezug auf Kinder mit Migrationshintergrund ebenso wie für einheimische Kinder.  Alle Gruppen müssen lernen, mit Differenzen angemessen umzugehen und in pluralen Verhältnissen 

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Einführendes zum Aufwachsen in kultureller Vielfalt 



Forschung zur Sozialisation von Kindern bezog sich meist auf einheimische Kinder, nicht aber auf Kinder in Deutschland oder Österreich. Erst in jüngster Zeit wurden in größeren empirischen Studien Migrantenkinder und -jugendliche befragt (siehe Kinderpanel).

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Einführendes zum Aufwachsen in kultureller Vielfalt 



Kulturvergleichende Forschung bezieht sich in der Regel auf kulturelle Kontexte, die sich an Ländergrenzen orientieren. Dominant ist hierbei die ‚westliche‘ Sicht (und meist eine ethnozentrische Voreingenommenheit).

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Einführendes zum Aufwachsen in kultureller Vielfalt 



Die Bedeutung der Migration für die Sozialisationsprozesse ist noch wenig untersucht, Studien fehlen im Besonderen für die frühe Kindheit. Ebenso fehlen empirische repräsentative Untersuchungen zur geschlechtsspezifischen Sozialisation unter

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Frauenbild und Mütterlichkeit 

Die Frauenrolle und das weibliche Selbstkonzept von Migrantinnen wurden in gängigen stereotyp gefärbten Annahmen als „vormodern“ beschrieben und dem ‚Emanzipationsideal‘ der westlichen Frau gegenübergestellt. 13

Frauenbild und Mütterlichkeit 



Eine kulturvergleichende empirische Untersuchung (HerwartzEmden, 1995) widerlegt diese Annahme jedoch. Es findet sich, so ein zentrales Ergebnis, eine ‚nicht-westliche Modernität‘ in den Selbstkonzepten von Frauen mit Migrationshintergrund. 14

Familien 



Auch eingewanderte Familien sind nicht schlicht als traditionell (versus moderne westliche) oder „vormodern“ zu kennzeichnen. Ihr Familienleben zeichnet sich durch je spezifische, migrationsbedingte „kulturelle“ Stile, geschlechtsspezifische Aufgabenbereiche und Erziehungsbedingungen aus, insgesamt durch Modernisierungsprozesse im

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Familienklima 



Die Familie dient der Identitätssicherung der Familienmitglieder und stellt auch eine Schutzfunktion bereit. Die dichte Interaktionsstruktur in Migrantenfamilien führt zu einer hohen Übereinstimmung zwischen Eltern und Kindern in den basalen Wertorientierungen und Handlungspräferenzen (siehe hierzu die

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Erziehungseinstellungen 





„Die“ türkische Familie ist genauso wenig vorzufinden wie „die“ deutsche Familie. Konzept des „autoritärkontrollierenden“ Erziehungsstils ist kultur- und migrationsspezifisch gefüllt (siehe Nauck und Herwartz-Emden, 2001). Für Migrantinnen/Migranten schließt bspw. Autoritarismus im Erziehungsstil die Dimension „liebevolle Zuwendung“

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Erziehungseinstellungen  Erziehungsstile





sind abhängig von dem Alter, dem Geschlecht und dem Bildungshintergrund der Eltern. Kontrolle gegenüber den Söhnen höher als bei den Töchtern (Bernhard Nauck). Kontrolle nimmt mit zunehmenden Alter der Kinder nicht ab, sondern

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Mehrsprachigkeit 





Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil von Kultur. Mehrsprachigkeit wird auch innerhalb der Familie gelebt. Deutschkenntnisse sollten im Kindergarten erworben und gefördert werden. 19

Mehrsprachigkeit „Als mein Kind mit dem Kindergarten anfing, erwartete ich, dass es da auf die Schule vorbereitet wird. Ich habe mit meinem Kind, bevor es in den Kindergarten kam, immer türkisch geredet. Ich wollte ihm kein Deutsch beibringen. Ich dachte, es sollte erst einmal türkisch lernen. Im Kindergarten soll ihm dann

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Bildungsorientierungen 





Bildung ist ein zentraler Integrationsfaktor. Bildung ermöglicht oder verwehrt den Zugang zu beruflichen Positionen und zum kulturellen System. Von Migranteneltern wird eine hohe Bildung für Söhne und Töchter gleichermaßen angestrebt. 21

Bildungsorientierungen von Migrantenfamilien Hohe Diskrepanz zwischen Bildungs-orientierung und Bildungssituation.  Ambivalentes Verhältnis: hohe Bildungserwartung versus der Möglichkeiten von Unterstützungsleistungen durch die Eltern. 

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Schichttypische Handlungsräume 

Den größten Einfluss auf die Sozialisation in der Kindheit und damit auf die Bildungschancen haben jedoch die sozial und strukturell bedingten Lebensumstände der Familie.

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Schichttypische Handlungsräume „Da das Armutsrisiko von Kindern ständig zunimmt und in den Großstädten und in der nichtdeutschen Bevölkerung überproportional hoch ist, sind die strukturellen Komponenten der Sozialisation zunehmend wichtig und zunehmend different“ (Neumann, 1998, S. 248).

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Kindheitsforschung aus interkultureller Sicht Aufgabe der Kindheitsforschung aus interkultureller Sicht:  Die Strukturen entdecken, die Kindern aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sozialen und kulturellen Herkunft und auf dem Hintergrund von ethnischen Zuschreibungen bzw. rechtlichen Diskriminierungen Lebenschancen 

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•Längsschnittstudien fehlen •Empirische Untersuchungen einzelner Gruppen fehlen

‚New second Generation‘ ?

Theorien und Modelannahmen zur Frage kindlicher und jugendlicher Sozialisation und Akkulturation ergänzungsbedürftig Problem: Akkulturations- und Entwicklungsverläufe konfundieren Forschungsbedarf bzgl. der Segmentation der Integrationsverläufe

Nicht ausreichende Ursachenforschung-Diagnose von Bildungsbedürfnissen fehltBeschreibung institutioneller Hindernisse und fachlicher Defizite ergänzungsbedürftig

•Viele Forschungsfragen seit den 80er Jahren nicht mehr verfolgt •Interdisziplinäre Perspektiven fehlen

Forschungslücke: direkte Diskriminierungserfahrung‚Social Mirroring‘

Mangelnde Differenzierung: Biographische und kontextuelle Bedingungen von Gruppen und Generationen

Einflüsse auf Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Lernstrukturen

Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem Forschungslücke: Sich wiederholende Prozesse symbolischer und faktischer Zugehörigkeits- und Ausgrenzungserfahrung

Geschlechtspezifisches Selbstmanagement

Geschlechtspezifische Strukturen

Chancen sozialer Teilhabe

Forschungslücke: Ressourcen der Peer-Group-Strategien des Selbstmanagements und individuelle Ressourcen

‚Oppositional Culture Explanation‘ im schulischen Kontext

Forschungslücke: Familiärer, sozialstruktureller und wohnraumbezogener Kontext

? ‚Trimodal pattern of adaptation‘

? ‚Near-Universals‘ der einzelnen Gruppen

Forschungslücke: Kollektive Identität und Selbstwahrnehmung Forschungslücke: Gender und Migration Geschlechtsidentität, geschlechtspezifische Ressourcen, Kompetenzen und Strategien

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Literaturangaben 







Herwartz-Emden, Leonie (1995): Mutterschaft und weibliches Selbstkonzept. Eine interkulturell vergleichende Untersuchung. Weinheim: Juventa. Herwartz-Emden, Leonie (Hrsg.) 2000 und 2002: Einwandererfamilien. Geschlechterverhältnisse, Erziehung und Akkulturation. Osnabrück: Rasch Verlag Nauck, Bernhard (1991): Intergenerative Beziehungen in deutschen und türkischen Familien. Elemente einer individualistisch-strukturtheoretischen Erklärung. In: P. Bott, H. Merkens, F. Schmidt (Hrsg.): Türkische Jungendliche und Aussiedlerkinder in Familie und Schule. Theorie und empirische Beiträge der pädagogischen Forschung. Hohengehren: Schneider, S. 79-101. Neumann, Ursula (1998): Aufwachsen in kultureller Vielfalt. In: M. Horstkemper & P. Zimmermann (Hrsg.): Zwischen Dramatisierung und Individualisierung. Geschlechtstypische Sozialisation im Kindesalter. Opladen: Leske + Budrich, S. 233-252. 27

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