Silla En Sueddeutsche

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Süddeutsche Zeitung

Wie die Welt bloggt: Kolumbien Seit Jahrzehnten sind zahlreiche Kolumbianer Opfer eines blutigen Bürgerkriegs zwischen Guerillas, Paramilitärs, Drogenbaronen und der Armee. Innen- wie außenpolitische Skandale erschüttern das Land. Die soziale Kluft in der gespaltenen Gesellschaft scheint immer größer zu werden. Als geeignetes Ventil für die Wut der Kolumbianer haben sich in den letzten Jahren die Leserforen im Internet erwiesen. Wer einen Blick auf die unzähligen Kommentare wirft, die auf www.semana.com, dem Webportal des renommierten Politmagazins Semana veröffentlicht werden, findet dort etwas völlig anderes als multimediale Kreativität und tiefes politisches Gefühl. Ein richtiger Krieg der Worte tobt jede Woche auf den Seiten – selten auf einer argumentativen Ebene, sondern häufiger anhand von Beleidigungen, ja sogar Drohungen. Der bissige Regierungskritiker Felipe Zuleta versteckte sich jahrelang in Kanada, nachdem er Morddrohungen erhalten hatte. Seinen Blog (felipezuleta.blogspot.com) musste er zudem 2008 vorübergehend einstellen. „Ich habe die Beleidigungen und die Einschüchterungen gegen meine Familie und mich satt – die Mafia an der Machtspitze hat triumphiert“, schrieb er in seinem damals letzten Eintrag. Seine Rückkehr hat nicht dazu beigetragen, dass seine Kolumnen auf dem Webauftritt von El Espectador (www.elespectador.com) weniger feindselig kommentiert werden. Den Journalisten Daniel Samper bedrückten die „Unverschämtheit“ und „Brutalität“, mit der viele Leser unter nicht immer freundlichen Pseudonymen seine wöchentlichen Kommentare attackierten, dermaßen, dass er die Chefredaktion von www.eltiempo.com warnte, seine Arbeit einstellen zu müssen. Bald verschwand das Leserforum von seiner Seite. Der Fall ist jedoch eine privilegierte Ausnahme: Jahrelange Toleranz von Forenvandalismus auf dieser sowie auf anderen Webseiten führte zu steigenden Besucherzahlen. Unangenehme Leser zu verbannen bringt aber mittelbar den Verlust von Werbeanzeigen mit sich. Communities wie comunidades.semana.com oder www.lasillavacia.com/user versuchen neuerdings, die Meinungsströme der Kolumbianer zu bündeln und mit einigen Spielregeln zu kanalisieren. Einige wenige kolumbianische Blogger ragen aus der Meinungsmasse heraus. Die Blogs des international anerkannten Karikaturisten und Publizisten Vladimir Flórez etwa sind nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich ansprechend (havladdorias.blogspot.com und blog.unpasquin.com). Eine Bühne diverser und qualitativ hochwertiger politischer Kommentare bietet zudem www.lasillavacia.com/ blog, die Blog-Seite des neuen innenpolitischen Online-Magazins La silla vacía. Der starken Aktivität der kolumbianischen Internetbesucher sind auch große Solidaritäts-Aktionen zu verdanken. Mit dem Blog molanosomostodos.blogspot.com unterstützen zahlreiche Kolumbianer den Schriftsteller Alfredo Molano, gegen den ein Gericht einen fragwürdigen Prozess wegen Verleumdung führt. Dem Chefredakteur des investigativen Magazins Cambio, Rodrigo Pardo, haben in einem ähnlichen Fall Hunderte Facebook-Nutzer ihre Unterstützung zugesichert. Ebenfalls über Facebook wurden die mehr als drei Millionen Kolumbianer mobilisiert, die im Februar und März 2008 auf den Straßen der großen Städte gegen die Guerillas sowie gegen rechte Gewalt protestierten – es war die größte Demonstration in der Geschichte des Landes. Zusammengestellt von Camilo Jiménez

FORUM

Wie die Welt bloggt: Kolumbien Seit Jahrzehnten sind zahlreiche Kolumbianer Opfer eines blutigen Bürgerkriegs zwischen Guerillas, Paramilitärs, Drogenbaronen und der Armee. Innen- wie außenpolitische Skandale erschüttern das Land. Die soziale Kluft in der gespaltenen Gesellschaft scheint immer größer zu werden. Als geeignetes Ventil für die Wut der Kolumbianer haben sich in den letzten Jahren die Leserforen im Internet erwiesen. Wer einen Blick auf die unzähligen Kommentare wirft, die auf www.semana.com, dem Webportal des renommierten Politmagazins Semana veröffentlicht werden, findet dort etwas völlig anderes als multimediale Kreativität und tiefes politisches Gefühl. Ein richtiger Krieg der Worte tobt jede Woche auf den Seiten – selten auf einer argumentativen Ebene, sondern häufiger anhand von Beleidigungen, ja sogar Drohungen. Der bissige Regierungskritiker Felipe Zuleta versteckte sich jahrelang in Kanada, nachdem er Morddrohungen erhalten hatte. Seinen Blog (felipezuleta.blogspot.com) musste er zudem 2008 vorübergehend einstellen. „Ich habe die Beleidigungen und die Einschüchterungen gegen meine Familie und mich satt – die Mafia an der Machtspitze hat triumphiert“, schrieb er in seinem damals letzten Eintrag. Seine Rückkehr hat nicht dazu beigetragen, dass seine Kolumnen auf dem Webauftritt von El Espectador (www.elespectador.com) weniger feindselig kommentiert werden. Den Journalisten Daniel Samper bedrückten die „Unverschämtheit“ und „Brutalität“, mit der viele Leser unter nicht immer freundlichen Pseudonymen seine wöchentlichen Kommentare attackierten, dermaßen, dass er die Chefredaktion von www.eltiempo.com warnte, seine Arbeit einstellen zu müssen. Bald verschwand das Leserforum von seiner Seite. Der Fall ist jedoch eine privilegierte Ausnahme: Jahrelange Toleranz von Forenvandalismus auf dieser sowie auf anderen Webseiten führte zu steigenden Besucherzahlen. Unangenehme Leser zu verbannen bringt aber mittelbar den Verlust von Werbeanzeigen mit sich. Communities wie comunidades.semana.com oder www.lasillavacia.com/user versuchen neuerdings, die Meinungsströme der Kolumbianer zu bündeln und mit einigen Spielregeln zu kanalisieren. Einige wenige kolumbianische Blogger ragen aus der Meinungsmasse heraus. Die Blogs des international anerkannten Karikaturisten und Publizisten Vladimir Flórez etwa sind nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich ansprechend (havladdorias.blogspot.com und blog.unpasquin.com). Eine Bühne diverser und qualitativ hochwertiger politischer Kommentare bietet zudem www.lasillavacia.com/ blog, die Blog-Seite des neuen innenpolitischen Online-Magazins La silla vacía. Der starken Aktivität der kolumbiani-

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Solidaritäts-Aktionen zu verdanken. Mit dem Blog molanosomostodos.blog-

ligen Kommentare wirft, die auf www.semana.com, dem Webportal des renommierten Politmagazins Semana veröffentMittwoch, 19. August 2009 licht werden, findet dort etwas völlig anderes als multimediale Kreativität Bayern, Deutschland, München Seiteund 14 tiefes politisches Gefühl. Ein richtiger Krieg der Worte tobt jede Woche auf den Seiten – selten auf einer argumentativen Ebene, sondern häufiger anhand von Beleidigungen, ja sogar Drohungen. Der bissige Regierungskritiker Felipe Zuleta versteckte sich jahrelang in Kanada, nachdem er Morddrohungen erhalten hatte. Seinen Blog (felipezuleta.blogspot.com) musste er zudem 2008 vorübergehend einstellen. „Ich habe die Beleidigungen und die Einschüchterungen gegen meine Familie und mich satt – die Mafia an der Machtspitze hat triumphiert“, schrieb er in seinem damals letzten Eintrag. Seine Rückkehr hat nicht dazu beigetragen, dass seine Kolumnen auf dem Webauftritt von El Espectador (www.elespectador.com) weniger feindselig kommentiert werden. Den Journalisten Daniel Samper bedrückten die „Unverschämtheit“ und „Brutalität“, mit der viele Leser unter nicht immer freundlichen Pseudonymen seine wöchentlichen Kommentare attackierten, dermaßen, dass er die Chefredaktion von www.eltiempo.com warnte, seine Arbeit einstellen zu müssen. Bald verschwand das Leserforum von seiner Seite. Der Fall ist jedoch eine privilegierte Ausnahme: Jahrelange Toleranz von Forenvandalismus auf dieser sowie auf anderen Webseiten führte zu steigenden Besucherzahlen. Unangenehme Leser zu verbannen bringt aber mittelbar den Verlust von Werbeanzeigen mit sich. Communities wie comunidades.semana.com oder www.lasillavacia.com/user versuchen neuerdings, die Meinungsströme der Kolumbianer zu bündeln und mit einigen Spielregeln zu kanalisieren. Einige wenige kolumbianische Blogger ragen aus der Meinungsmasse heraus. Die Blogs des international anerkannten Karikaturisten und Publizisten Vladimir Flórez etwa sind nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich ansprechend (havladdorias.blogspot.com und blog.unpasquin.com). Eine Bühne diverser und qualitativ hochwertiger politischer Kommentare bietet zudem www.lasillavacia.com/ blog, die Blog-Seite des neuen innenpolitischen Online-Magazins La silla vacía. Der starken Aktivität der kolumbianischen Internetbesucher sind auch große Solidaritäts-Aktionen zu verdanken. Mit dem Blog molanosomostodos.blogspot.com unterstützen zahlreiche Kolumbianer den Schriftsteller Alfredo Molano, gegen den ein Gericht einen fragwürdigen Prozess wegen Verleumdung führt. Dem Chefredakteur des investigativen Magazins Cambio, Rodrigo Pardo, haben in einem ähnlichen Fall Hunderte Facebook-Nutzer ihre Unterstützung zugesichert. Ebenfalls über Facebook wurden die mehr als drei Millionen Kolumbianer mobilisiert, die im Februar und März 2008 auf den Straßen der großen Städte gegen die Guerillas sowie gegen rechte Gewalt protestierten – es war die größte Demonstration in der Geschichte des Landes. Zusammengestellt von Camilo Jiménez A45713880 cajimenez

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