Skript zur Vorlesung “Risikomanagement und Derivate” Prof. Dr. Dr. Andreas L¨offler bearbeitet von Dr. J¨org Laitenberger ¨ letzte Anderung am 10. April 2007
Inhaltsverzeichnis 1 Risikomanagement 1.1 Risikomanagement ist u ussig ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨berfl¨ 1.2 Wozu Risikomanagement ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Ein Besuch im Derivate–Zoo 2.1 Arbitragefreiheit – eine Vorbemerkung . . . . . . . 2.2 Unbedingte Termingesch¨afte . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Forwards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Bedingte Termingesch¨afte (Optionen) . . . . . . . 2.3.1 Vanilla option (I): Calls . . . . . . . . . . . 2.3.2 Vanilla option (II): Puts . . . . . . . . . . . 2.3.3 Aus Vanillas zusammengesetzte Positionen 2.3.4 Exotische Optionen . . . . . . . . . . . . . 2.4 Motive f¨ ur den Einsatz von Termingesch¨aften . . . 2.4.1 Spekulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Hedging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Optionen 4.1 Put-Call-Parit¨at f¨ ur europ¨aische Vanilla–Optionen . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Das Zwei–Zeitpunkte Zwei–Zust¨ande Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Was passiert bei drei Zust¨anden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5 Ein allgemeines Bewertungsmodell 5.1 Das Grundmodell bei zwei Zeitpunkten: Umweltzust¨ande, Erwartungen und Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Arrow–Debreu–Titel und Vollst¨andige M¨arkte . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Arbitragefreie M¨arkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit Q . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Forwards und Futures 3.1 Arbitragefreiheit – eine zweite Vorbemerkung . . 3.2 Zinsstrukturkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Bestimmung von Futures– und Forward–Preisen 3.3.1 Forward–Preis . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Hedging mit Forwards und Futures . . . . 3.3.3 Futures–Preis . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Basisrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 5.5
Theorie mit mehreren Zeitpunkten: das Binomialmodell . . . . . . 5.5.1 Umweltzust¨ande, Erwartungen und Wertpapiere . . . . . . 5.5.2 Strategien und Vollst¨andige M¨arkte . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Arbitragefreie M¨arkte und risikoneutrale Wahrscheinlichkeit 5.5.4 Ein Beispiel: der Preis eines Calls im Binomialmodell . . .
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49 49 52 55 57
6 Die Black–Scholes–Formel zur Bewertung europ¨ aischer Optionen 6.1 Die Black–Scholes–Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Delta Hedging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Risikomanagement 1.1 Risikomanagement ist u ussig ! ¨berfl¨ Betrachten Sie eine deutsche Firma, die von einem japanischen Konzern zwecks Lieferung von Ausr¨ ustungsgegenst¨anden im Wert von 100 Mio. Yen angesprochen wird. Die Produktion der Erzeugnisse dauert ein Jahr, wobei die Kosten in H¨ohe von 8,8 Mio. Euro am Anfang des Jahres anfallen, w¨ahrend die Zahlung naturgem¨aß erst bei Lieferung in einem Jahr stattfinden wird. Der Wechselkurs des Yen zum Euro wird in einem Jahr entweder bei 100 Yen je Euro oder bei 125 Yen je Euro liegen. Entsprechend werden also Einnahmen entweder in H¨ohe von 10 Mio. Euro oder von 8 Mio. Euro erzielt, je nachdem wie sich der Wechselkurs des Yen entwickelt. Dir Firma rechnet aus diesem Gesch¨aft also entweder mit einem Gewinn in H¨ohe von 1,2 Mio. Euro oder mit einem Verlust in H¨ohe von 0,8 Mio. Euro. Die Firma u ¨berlegt, ob sie dieses Gesch¨aft abschließen soll. Dar¨ uber hinaus hat die Firma die M¨oglichkeit auf dem Kapitalmarkt einen Future abzuschließen, mit dem sie in einem Jahr die 100 Mio. Yen zu einem festen Wechselkurs von 115 Yen je Euro tauschen kann. Sollte die Firma diese Absicherungsstrategie nutzen und hat dies Auswirkungen auf die Entscheidung, den Auftrag anzunehmen ? Das Management der Firma wird in Abh¨angigkeit des Aktienkurses der Firma bezahlt. Kann das Management durch seine Entscheidungen bez¨ uglich der Auftragsannahme und der Absicherungsstrategie seine Verdienstm¨oglichkeiten verbessern ? Auf vollkommenen und vollst¨andigen Kapitalm¨arkten1 lassen sich diese Fragen eindeutig beantworten. Fangen wir mit der letzten Fragestellung an. Kann das Risikomanagement einer Firma (die Anzahl und Qualit¨at der Absicherungsstrategien) einen Einfluss auf den Unternehmenswert haben ? Dies k¨onnte nur dann der Fall sein, wenn die Firma durch das Risikomanagement f¨ ur m¨ogliche Aktion¨are interessanter oder weniger interessant werden w¨ urde, wenn also das Risikomanagement die Zahlungen des Unternehmens an die Anteilseigner mehr oder weniger w¨ unschenswert machen w¨ urde. Angenommen das Unternehmen w¨ urde derzeit vornehmlich von Investoren gehalten, die es bevorzugen, wenn keine Absicherungsstrategie durchgef¨ uhrt wird (zum Beispiel, weil die Aktion¨are Japaner sind, die die ausgesch¨ utteten Euro sowieso wieder in Yen zur¨ ucktauschen). Das Unternehmen f¨ uhrt nun aber trotzdem die Absicherungsstrategie durch. Werden nun alle Investoren ihre Aktien abstoßen ? Nein, denn um die urspr¨ unglich von ihnen bevorzugte nicht abgesicherte Zahlung zu bekommen, k¨onnen die Investoren einfach eine entgegengesetzte Absicherungsstrategie durchf¨ uhren, indem sie auf 1
Ein Kapitalmarkt ist vollkommen, wenn alle Marktteilnehmer zu den gleichen Bedingungen (Zinsen, Preise) handeln k¨ onnen. Es gibt keine Transaktionskosten und alle Marktteilnehmer verf¨ ugen u ¨ber die gleichen Informationen. Ein Kapitalmarkt ist vollst¨ andig, wenn jeder denkbare Konsumstrom gehandelt werden kann. Wir werden sp¨ ater noch genauer auf diese Begriffe eingehen.
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5 dem Kapitalmarkt einen Future abschließen, mit dem sie Euro in Yen zu einem festen Wechselkurs von 1 zu 115 tauschen. Die Investoren bekommen dann insgesamt genau 100 Mio. Yen ausbezahlt. Bevorzugen die Investoren eine abgesicherte Strategie und das Unternehmen verzichtet darauf, dann k¨onnen die Investoren die Absicherungsstrategie selbst durchf¨ uhren, indem sie den Future zum Tausch von Yen in Euro erwerben. Das bedeutet, den Investoren ist es unter diesen Rahmenbedingungen egal, ob das Unternehmen die Wechslkursrisiken absichert oder nicht. Deshalb wird die Absicherungsstrategie auch keinen Einfluss auf den Aktienkurs des Unternehmens haben. Hat die M¨oglichkeit sich absichern zu k¨onnen, Auswirkungen auf die Entscheidung, das Gesch¨aft durchzuf¨ uhren ? Nehmen Sie an, das Gesch¨aft w¨ urde mit Absicherung einen positiven NPV haben, sollte also unter diesen Bedingungen durchgef¨ uhrt werden. Wenn wir an die Herleitung des NPV im Grundstudium aus dem Fisher–Modell zur¨ uckdenken, dann denken wir daran, dass der NPV nichts anderes als der Wert des Projekts ist. Wir haben aber gerade schon gezeigt, dass der Wert der Firma nicht davon abh¨angt, ob die Absicherungsstrategie durchgef¨ uhrt wird oder nicht. Dies gilt nat¨ urlich auch f¨ ur das einzelne Projekt und daher ¨andert sich der NPV des Gesch¨afts nicht, wenn man die Absicherungsstrategie hinzunimmt. Entsprechend hat also das Risikomanagement unter diesen Umst¨anden keine Auswirkungen auf die Investitionsentscheidungen. Das Risikomanagement ist also auf Ebene der Unternehmen auf vollkommenen und vollst¨andigen Kapitalm¨arkten irrelevant !
1.2 Wozu Risikomanagement ? Wie wir im letzten Abschnitt angedeutet haben, ist unter der Annahme vollkommener und vollst¨andiger Finanzm¨arkte Risikomanagement auf Ebene eines Unternehmens im Prinzip u ussig, da sich die Investoren die gew¨ unschte Risikodiversifikation selbst zusammen stel¨berfl¨ len k¨onnen. Das Unternehmen stellt aus Sicht der Investoren nur eine Kombination aus diversen Investitionen dar. Die f¨ ur einen Investor optimale Kombination von Ertragserwartungen und Risiko kann dieser sich durch Zusammenstellung seines individuellen Portfolios am Kapitalmarkt selbst zusammen stellen. Einen dar¨ uber hinaus gehende Unternehmenspolitik zur Erzielung eines bestimmten Risikoprofils ist nicht notwendig. Damit Risikomanagement f¨ ur Unternehmen einen Sinn haben kann, muss man also davon ausgehen, dass Finanzm¨arkte Unvollkommenheiten aufweisen oder unvollst¨andig sind. In einem solchen Rahmen k¨onnen Maßnahmen des Risikomanagements auf Unternehmensebene Wertauswirkungen haben und dadurch von Bedeutung sein. Auf unvollkommenen und unvollst¨andigen Finanzm¨arkten, verursacht die Nutzung externer Finanzierungsquellen f¨ ur das Unternehmen in der Regel h¨ohere Kosten als die Verwendung der aus der eigenen Innenfinanzierungskraft generierten Mittel. Wir wollen an dieser Stelle nicht detailliert auf die Auspr¨agungen dieser Kosten und deren Ursachen eingehen.2 Zum Beispiel kann das so genannte Problem der Unterinvestition auftreten, d.h. dass Investitionen, die einen positiven Kapitalwert haben und damit den Unternehmenswert erh¨ohen, nicht durchgef¨ uhrt werden, weil der Wertzuwachs aufgrund von Finanzierungsengp¨assen nur zu einem geringen Anteil den Anteilseignern zufließt. In einem solchen Fall kann eine Unternehmenspolitik, die daf¨ ur 2
Diese werden in der Vorlesung ,,Unternehmensfinanzierung” behandelt und k¨ onnen in jedem Lehrbuch der Unternehmensfinanzierung studiert werden.
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6 sorgt, dass solche Engp¨asse nicht oder m¨oglichst selten auftreten, garantieren, dass das Unternehmen tats¨achlich alle wertsteigernden Investitionsm¨oglichkeiten ergreift, und dadurch den Gesamtwert des Unternehmens erh¨ohen. Das wichtigste Beispiel f¨ ur Marktunvollkommenheiten, die dazu f¨ uhren, dass Risikomanagement eine wichtige Funktion auf Unternehmensebene hat, sind Insolvenzkosten. Insolvenzkosten sind Kosten, die entstehen, wenn ein Unternehmen Insolvenz anmelden muss (direkte Insolvenzkosten) oder wenn sich die Menge der durchf¨ uhrbaren Investitionsprojekte ver¨andert, wenn die Gefahr einer m¨oglichen zuk¨ unftigen Insolvenz steigt (indirekte Insolvenzkosten). Direkte Insolvenzkosten bestehen vorwiegend aus den Anwaltskosten und den Kosten f¨ ur den Insolvenzverwalter, und k¨onnen erstaunlich hoch sein. Trotzdem sind die aus wirtschaftlicher Sicht relevanten Kosten die indirekten Insolvenzkosten, die sich zum Beispiel dadurch ergeben, dass manche Gesch¨aftspartner eines Unternehmens abgeneigt sind mit einem Unternehmen Gesch¨afte zu machen, das m¨oglicherweise kurz vor dem Bankrott steht. Das betrifft vor allem Unternehmen, deren Wert stark von ihrer Reputation abh¨angt. Dies sind insbesondere Banken und Versicherungen. Wie man sich leicht vorstellen kann, haben die meisten Investoren eine gewisse Zur¨ uckhaltung ihre Gelder einer Bank anzuvertrauen, u uchte ¨ber die Ger¨ einer m¨oglichen Insolvenz kursieren. In j¨ ungster Vergangenheit konnte das sehr plastisch bei der Insolvenz der Firma Enron beobachtet werden. Enron war Ende der Neunziger Jahre ein hoch profitables Energiehandelsunternehmen und das siebtgr¨oßte Unternehmen der Vereinigten Staaten. Im November 2001 wurde die Kreditw¨ urdigkeit nach einigen Unregelm¨aßigkeiten bei der Bilanzierung herabgestuft. Innerhalb weniger Wochen wollte niemand mehr mit Enron handeln und die Firma musste Insolvenz anmelden. Marktunvollkommenheiten wie die eben beschriebenen Insolvenzkosten k¨onnen dazu f¨ uhren, dass bestimmte Ereignisse f¨ ur ein Unternehmen sehr kostspielig sein k¨onnen und das Unternehmen also versuchen sollte sich gegen diese Ereignisse abzusichern, indem es Risikomanagement betreibt. Neben dem Unterinvestitionsproblem und den Insolvenzkosten werden h¨aufig auch Steuern als Motiv f¨ ur das Risikomanagement genannt. Dies liegt an der asymmetrischen Behandlung von Gewinnen und Verlusten in allen Steuersystemen der Welt. Im deutschen Steuersystem werden zum Beispiel positive Gewinne sofort besteuert, w¨ahrend Verluste unter Umst¨anden nur als Verlustvortrag zu sp¨ateren Zeitpunkten zu einer Steuerersparnis f¨ uhren. Betrachten Sie zur Illustration ein Unternehmen, dass erw¨agt ein Investitionsprojekt durchzuf¨ uhren, das in der kommenden Periode entweder einen Gewinn in H¨ohe von e 100.000 oder einen Verlust von e 80.000 erbringt. Bei einem Steuersystem, in dem Verluste steuerlich u ¨berhaupt nicht geltend gemacht werden k¨onnen, w¨ urde das Unternehmen im Falle eines Gewinns Steuern auf den vollen Gewinn bezahlen, w¨ahrend bei einem Verlust keine Steuern zu bezahlen sind. Bei einem Steuersatz in H¨ohe von 25 % w¨ urden sich also Nachsteuercashflows von e 75.000 bzw. von e -80.000 und also ein negativer erwarteter Ertrag ergeben. Nehmen Sie nun an, das Unternehmen k¨onne ein Versicherungsvertrag abschließen, bei dem es, in dem Fall eines Verlustes e 90.000 erh¨alt und in dem Fall eines Gewinns e 90.000 zu zahlen hat. Nach Abschluss dieses Vertrags erwartet das Unternehmen vor Steuern einen sicheren Gewinn von e 10.000 und nach Abzug der Steuern positive Zahlungen von e 7.500. Der Abschluss des Versicherungsvertrags hat also aus dem unsicheren Projekt mit negativen erwarteten Cashflows ein Projekt mit sicheren positiven Zahlungen gemacht. Speziell in Hinblick auf die Konkursrisiken von Unternehmen hat der Gesetzgeber seit 1998 f¨ ur Kapitalgesellschaften außerhalb des Finanzdienstleistungssektors durch das ,,Gesetz zur
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7 Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich” (KonTraG) festgelegt, dass der Vor¨ stand geeignete Maßnahmen zu treffen und ein Uberwachungssystem einzurichten hat, damit den Fortbestand des Unternehmens gef¨ahrdende Entwicklungen fr¨ uhzeitig erkannt werden. ¨ Die Ordnungsm¨aßigkeit des Uberwachungssystem hat der Abschlusspr¨ ufer f¨ ur Aktiengesellschaften, die b¨orsennotiert sind, zu best¨atigen. F¨ ur Unternehmen aus dem Finanzdienstleistungsbereich bedeutet Risikomanagement schon durch ihre operative T¨atigkeit als Finanzintermedi¨are auf nat¨ urliche Weise eines wesentlichen Inhalt ihrer Gesch¨aftspolitik. Dar¨ uber hinaus werden diese Unternehmen durch diverse Vorschriften schon seit langen gehalten, vorsichtig zu wirtschaften. Der Gesetzgeber hat zur Sicherung der Stabilit¨at des Bankensystems und der Versicherungsm¨arkte daf¨ ur gesorgt, dass in diesen Branchen das Management von Risiken zur Verhinderung von Konkursrisiken gepflegt wird. Diese Vorschriften sind in den letzten Jahren durch internationale Regelungen erg¨anzt worden (Stichwort Basel I und II).
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2 Ein Besuch im Derivate–Zoo 2.1 Arbitragefreiheit – eine Vorbemerkung Der Grundgedanke der Bewertung von Derivaten an Finanzm¨arkten ist die Idee der Arbitragefreiheit. Darunter versteht man etwas lax die Tatsache, dass es unm¨oglich ist, einen sicheren Gewinn ohne Aufwand bzw. Kosten zu erzielen. Anderenfalls w¨ urden alle Investoren diese Gelegenheit nutzen und der Gewinn w¨ urde sofort am Markt verschwinden. Ziel der Vorlesung ist es, diese simple Idee zu nutzen, um sie f¨ ur die Zwecke der Bewertung nutzbar zu machen. Dabei werden wir jedoch in zwei Schritten vorgehen. Zuerst wird es uns anhand einfacher Beispiele gelingen, mit der eben formulierten laxen Version auszukommen. Etwa bei der Put–Call–Parit¨at (siehe Abschnitt 4.1) oder der Bewertung von Futures (siehe Abschnitt 3.3) reicht diese eher unwissenschaftliche Formulierung noch aus. Wir werden aber sehen, dass wir f¨ ur die Bewertung von Optionen eine wesentlich ausgefeiltere Theorie brauchen, um uns diesem Konzept zu n¨ahern – eine pr¨azise Definition werden wir im Abschnitt 5.3 angeben. Im folgenden verstehen wir unter “Arbitragefreiheit” erst einmal die Unm¨oglichkeit, sichere Gewinne ohne Kosten zu erzielen. Jetzt wenden wir uns einer allgemeinen Charakteristik von Kaufvertr¨agen zu. Bei einem Kaufvertrag lassen sich grunds¨atzlich drei relevante Zeitpunkte unterscheiden: t0
Vertragsabschluss,
t1
Erf¨ ullung durch den Verk¨aufer (Lieferung) und
t2
Erf¨ ullung durch den K¨aufer (Bezahlung).
Bei einem Kassagesch¨aft liegen Vertragsabschluss und Erf¨ ullung zeitlich eng beieinander. Ein Termingesch¨aft unterscheidet sich von einem Kassagesch¨aft (Spotgesch¨aft) dadurch, dass zwar der Vertragsabschluss heute stattfindet, aber die Erf¨ ullung durch den Verk¨aufer erst sp¨ater (t0 < t1 ). So kann man eine Tageszeitung jeden Morgen im Zeitungsladen kaufen (Kassagesch¨aft) oder aber abonnieren (Termingesch¨aft). Es gibt Termingesch¨afte f¨ ur G¨ uter wie Gold, Kaffee oder Schweineh¨alften und f¨ ur Finanztitel wie Bundesanleihen, Aktien, fremde W¨ahrungen oder gar Aktienindizes. Man unterscheidet zwischen unbedingten (festen) und bedingten Termingesch¨aften. Im ersten Fall m¨ ussen beide Parteien liefern beziehungsweise bezahlen. Im zweiten Fall erfolgt die beiderseitige Erf¨ ullung nur unter der Voraussetzung, dass der Erwerber der Terminposition das im Zeitpunkt der F¨alligkeit ausdr¨ ucklich w¨ unscht. Ein Zeitungsabonnement ist demnach ein unbedingtes Termingesch¨aft, da sich beide Seiten binden, die Zeitungen gegen einen bestimmten Geldbetrag zu tauschen. Im folgenden sagen wir statt kaufen auch “long halten” und statt verkaufen auch “short halten”. Eine long position ist demnach die Verm¨ogenssituation des K¨aufers, eine short position
8
9 die Verm¨ogenssituaion des Verk¨aufers. Dies entspricht im u ¨brigen auch der Umgangssprache der H¨andler.
2.2 Unbedingte Termingesch¨ afte Bei unbedingten Termingesch¨aften muss der K¨aufer die Ware annehmen und bezahlen, der Verk¨aufer muss liefern. In der Regel besteht allerdings die M¨oglichkeit, das Umkehrgesch¨aft durchzuf¨ uhren und auf diese Weise den Kontrakt zu “schließen” oder – wie man auch sagt – sich “glatt zustellen”. So kann der K¨aufer seinen Kontrakt schließen, indem er einen identischen Kontrakt verkauft. Der Verk¨ aufer hat dieselbe M¨oglichkeit, indem er einen Kontrakt zur¨ uckkauft. Man unterscheidet zwischen Forwards und Futures. F¨ ur beide ist typisch, dass der K¨aufer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nichts zahlt, wenn man von der Stellung von Sicherheiten absieht.
2.2.1 Forwards Ein Forward verpflichtet den K¨aufer (Verk¨aufer), einen bestimmten Gegenstand (das “underlying asset”, zum Beispiel Aktien, Anleihen, W¨ahrungen oder Waren usw.) • zu einem im Voraus festgelegten Preis und • zu einem bestimmten zuk¨ unftigen Zeitpunkt zu kaufen (verkaufen). Sie sind nicht weiter standardisiert und werden in der Regel im Telefonhandel vertrieben (OTC– oder over–the–counter–Gesch¨afte). Die Verm¨ogenspositionen des K¨aufers und des Verk¨aufers eines Termingesch¨afts im Zeitpunkt der F¨alligkeit sind in Abbildung 2.1 dargestellt. Entspricht der Kassakurs (spot) im Zeitpunkt der F¨alligkeit des Forwards dem vereinbarten Terminpreis K, ergibt sich f¨ ur den K¨aufer des Forwards weder ein Verlust noch ein Gewinn. Liegt der Kassakurs u ber dem Terminpreis, erweist sich der Abschluss des ¨ Termingesch¨afts als vorteilhaft, denn das underlying asset kann auf Grund des abgeschlossenen Termingesch¨afts g¨ unstiger bezogen werden als am Markt. Sollte der Kassakurs jedoch unter dem Terminpreis liegen, resultiert ein Verlust. Die m¨oglichen Verm¨ogenspositionen des Verk¨aufers sind spiegelbildlich zu denen des K¨aufers. Bei Forwards (f¨ ur Futures gilt das u ¨brigens ebenso) muss man genau zwischen dem Terminpreis eines bestimmten Vertrages, dem Forward Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt und dem Marktpreis eines Forwards zu einem bestimmten Zeitpunkt unterscheiden. Der Terminpreis (’delivery price’) ist der im voraus festgelegte Preis, auf den sich die Vertragsparteien beim Abschluss des Vertrages einigen. Er wird vertraglich festgehalten und ¨andert sich danach nicht mehr. Da sich die Erwartungen der Marktteilnehmer zeitlich ¨andern, w¨ urde man sich bei Abschluss des Vertrages zu einem anderen Zeitpunkt mit ziemlicher Sicherheit auf einen anderen Terminpreis einigen. Zu jedem Zeitpunkt t existiert also ein bestimmter Terminpreis, auf den sich die Vertragsparteien einigen. Dieser zeitlich schwankende Preis wird der Forward
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10 Preis (bzw. Future Preis) zum Zeitpunkt t genannt. Termin- und Forward Preis sind nur zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gleich. Angenommen wird sind zum Zeitpunkt t = 0 eine short position in einen Forward Vertrag zu einem Terminpreis K0 eingegangen. Einige Zeitpunkte sp¨ater habe sich der Forward Preis ge¨andert und liege nun bei Kt . Unser urspr¨ unglicher Vertrag verpflichtet uns aber immer noch zur Lieferung des Underlying zum Preis K0 . Nun sei weiter angenommen, wir wollten aus diesem Vertrag aussteigen und unsere Verpflichtungen verkaufen. Wenn der aktuelle Forward Preis gestiegen ist, Kt > K0 , dann d¨ urften wir Schwierigkeiten haben, jemanden zu finden, der freiwillig diese Verpflichtungen u bernimmt, da man ja offensichtlich mit dem gleichen Vertrag ¨ am Kapitalmarkt mehr verdienen kann. Umgekehrt w¨ urden wir Werte verschenken, wenn der Forward Preis gesunken w¨are, Kt < K0 . Der Verkauf unserer Verpflichtungen wird also die Zahlung oder den Erhalt eines Geldbetrages beinhalten, der f¨ ur die Differenz zwischen aktuellem Forward Preis Kt und dem in unserem Vertrag festgehaltenen Terminpreis K0 entsch¨adigt. Dies ist der Marktpreis Vt des urspr¨ unglichen Forwards. Zum Zeitpunkt des urspr¨ ungliche Vertragsabschlusses, t = 0, ist der Marktpreis V0 = 0. Danach wird er mit den Markterwartungen schwanken. Zum Zeitpunkt der F¨alligkeit des Forwards ist der Marktpreis VT = ST − K0 , wobei ST den Spot Preis des Underlyings bei F¨alligkeit bezeichnet. Weitere Zusammenh¨ange zwischen Terminpreis, Forward Preis und Marktpreis werden wir in den ¨ Ubungen kennen lernen. W¨ahrend Forwards ein passgenaues Produkt f¨ ur die Risiken eines Unternehmens darstellen, haben sie einen nicht zu untersch¨atzenden Nachteil: zu jedem Verk¨aufer eines Forwards muss sich auch ein K¨aufer finden. Und nicht in allen F¨allen stimmen die Bed¨ urfnisse der Verk¨aufer und K¨aufer so u ur ¨berein, wie es bei einem Forward notwendig ist. Zum anderen besteht f¨ beide Seiten ein durchaus hohes Ausfallrisiko der anderen Partei. Diese Schwierigkeiten sind beim Future beseitigt. Gewinn 6
.... .... ..... ..... ..... . . . . ..... ..... ..... ..... .... . . . . .... ..... ..... ..... ..... . . . . ..... .... ..... ..... ..... . . . . .... ..... .....
Gewinn 6
-
Spot ST
K
Verlust
..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .
-
Spot ST
K
Verlust
Abbildung 2.1: Long- und Short-Position eines Forwards
2.2.2 Futures Ein Future unterscheidet sich von einem Forward zuerst dadurch, dass er an einer B¨orse gehandelt wird. Das setzt voraus, dass die Vertr¨age weitestgehend standardisiert sind, was die handelbaren G¨ uter, Mengen, Erf¨ ullungstermine und so weiter angeht. Das Einzige, worauf sich die Vertragspartner in der B¨orsensitzung verst¨andigen m¨ ussen, sind der Preis und die Zahl der Kontrakte. Durch die Standardisierung vermeidet der Future ein Grundproblem beim Forward – es ist mit diesen Kontrakten viel einfacher, einen Vertragspartner zu finden,
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11 der bereit ist das Gesch¨aft einzugehen. Des weiteren erfolgen Abrechnung und Abwicklung nicht direkt zwischen den Vertragsparteien, sondern u ¨ber besondere Kreditinstitute, die so genannten Clearingh¨auser. Diese u ¨bernehmen jedem der Vertragspartner gegen¨ uber die Garantie, dass der jeweils andere Vertragspartner seine Pflichten erf¨ ullt. K¨aufer und Verk¨aufer m¨ ussen bei den Clearingh¨ausern Sicherheiten hinterlegen. F¨allt also eine der beiden Seiten aus, so werden die Anspr¨ uche der anderen Seite aus diesen Sicherheiten bedient. Damit ist bei einem Future kein Ausfallrisiko mehr gegeben. Jede Vertragspartei muss w¨ahrend der Laufzeit des Vertrages st¨andig Sicherheiten hinterlegen. Diese Sicherheiten werden margins genannt. Es existieren zwei Arten von Zahlungen, die initial margin die in einigen F¨allen zu Beginn des Vertrages zu leisten ist und die maintenance margin die zu zahlen ist, wenn der Preis des zugrundeliegenden Titels unter eine bestimmte Grenze sinkt. Dar¨ uber hinaus sieht der Future anders als der Forward nicht eine einzige Zahlung am Laufzeitende vor, sondern es werden t¨aglich entsprechend den Preisentwicklungen an den Aktienm¨arkten Zahlungen geleistet, die sich am Ende gerade auf die vorgesehene Gesamtzahlung aufaddieren. Dieses Vorgehen wird das marking–to–market genannt. Dieses marking–to– market1 funktioniert im Detail wie folgt. Wir betrachten einen Future auf Lieferung einer Aktie im Zeitpunkt T . Im Zeitpunkt t = 0 werde der Preis vereinbart, wir nennen ihn den Preis des Future und bezeichnen ihn mit F0 . Wird nun in den Zeitpunkten t = 0, 1, . . . , T ein weiterer Future wieder auf die Lieferung in T abgeschlossen, so werden aufgrund ge¨anderter Marktkonditionen eventuell andere Lieferpreise vereinbart, die wir mit Ft bezeichnen werden. Sinnvollerweise muss der Preis im Endzeitpunkt FT gerade dem aktuellen Aktienkurs ST des Zeitpunktes T entsprechen. Wir betrachten die Vertragspartei, die die Aktie zum Preis von F0 am Zeitpunkt T liefern wird. Da diese Vertragspartei die Aktie verkaufen wird, nennt man sie auch den Verk¨aufer des Future (oder: “sie h¨alt den Future short”). Versuchen wir zu verstehen, in welcher H¨ohe Sicherheiten von der Vertragspartei zu leisten sind. Dazu nehmen wir an, dass beim Clearinghaus zwei Vertragsparteien einen Future abgeschlossen haben: es gebe also im Zeitpunkt t = 0 sowohl einen K¨aufer als auch einen Verk¨aufer des Futures. Das Clearinghaus verlange der Einfachheit halber im Zeitpunkt t = 0 keine Sicherheiten. Wir nehmen weiter an, dass der Preis eines (nunmehr neuen) Futures mit Lieferung in T im Zeitpunkt 1 gerade F1 betrage. Das Clearinghaus verlangt als margin Zahlung nun genau die Differenz F1 − F0 vom Verk¨aufer des Future.2 W¨ urde n¨amlich der Verk¨aufer ausfallen, dann m¨ usste das Clearinghaus einspringen und die Lieferverpflichtung u urde ¨bernehmen. Um diese Lieferverpflichtung zu u ¨bernehmen, w¨ das Clearinghaus selbst den Future am Markt zum Preis von F1 erwerben. Das Clearinghaus w¨ urde aber vom K¨aufer des Futures (also der Gegenseite) am Laufzeitende nur F0 erhalten, da das Gegengesch¨aft in t = 0 abgeschlossen wurde. Es bliebe somit f¨ ur das Clearinghaus eine Differenz F1 − F0 als Verlust. Dieser Verlust wird durch das margin Konto gedeckt. Die 1
Auch H¨ andler in Deutschland benutzen in diesem wie auch den folgenden Bezeichnungen die englischen ¨ Varianten. Eine deutsche Ubersetzung findet man selten. 2 Der K¨ aufer des Future w¨ urde die Differenz F0 − F1 als margin Zahlung erhalten. Das Clearinghaus reicht gewissermaßen den Betrag durch.
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12 margins sichern somit, dass das Clearinghaus verlustfrei bleibt, auch wenn eine Vertragspartei ausf¨allt. Die Marking–to–market Margins sind noch einmal in Abbildung 2.2 zusammengefasst. t 0 1 2 .. .
Futurepreis F0 F1 F2 .. .
T −1 T
FT −1 FT
margin f¨ ur Verk¨aufer in t 0 F0 − F1 F1 − F2 .. .
margin f¨ ur K¨aufer in t 0 F1 − F 0 F2 − F 1 .. .
FT −2 − FT −1 FT −1 − FT
FT −1 − FT −2 FT − FT −1
Abbildung 2.2: margins bei einem Future Summiert man die Zahlungen erkennt man, dass der Verk¨aufer insgesamt T X
(Ft−1 − Ft ) = F0 − FT
t=1
zu leisten hat. Da FT = ST entspricht das also gerade dem m¨oglichen Gewinn oder Verlust des Verk¨aufers, wenn er in T das Underlying am Kapitalmarkt erwirbt, um es liefern zu k¨onnen. F¨ ur den K¨aufer gilt das Gleiche mit umgekehrten Vorzeichen. Allerdings haben wir hierbei Zinseffekte unber¨ ucksichtigt gelassen. Da die Zahlungen bis auf die letzte schon vor T geleistet werden, k¨onnen diese am Kapitalmarkt angelegt werden, und haben entsprechend verzinst in T einen anderen Wert. Dies wird uns in Abschnitt 3.3 noch besch¨aftigen. In den allermeisten F¨allen werden Futurekontrakte nicht bis zur F¨alligkeit gehalten, sondern vorher glatt gestellt, indem ein Umkehrgesch¨aft abgeschlossen wird. Im folgenden Beispiel ist man in t = 0 short in einem Future und stellt sich in t = tˆ glatt, indem man in einem identischen Futurekontrakt long geht: t 0 1 .. . tˆ tˆ + 1 .. .
Futurepreis F0 F1 .. .
margin des ersten Kontrakts 0 F0 − F1 .. .
margin des zweiten Kontrakts 0 0 .. .
Ftˆ Ftˆ+1 .. .
Ftˆ−1 − Ftˆ Ftˆ − Ftˆ+1 .. .
0 Ftˆ+1 − Ftˆ .. .
T −1 T
FT −1 FT
FT −2 − FT −1 FT −1 − FT
FT −1 − FT −2 FT − FT −1
Abbildung 2.3: glattgestellter Futurekontrakt Unter Vernachl¨assigung der Zinseffekte summieren sich die Gesamtzahlungen der beiden Kon-
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13 trakte auf T X
(Ft−1 − Ft ) +
t=1
T X
(Ft − Ft−1 ) =
t=tˆ+1
tˆ X
(Ft−1 − Ft ) = F0 − Ftˆ
(2.1)
t=1
Aufgrund der Standardisierung der Vertr¨age kann es m¨oglich sein, dass eine der Vertrags¨ an parteien Lieferengp¨assen ausgesetzt ist: wenn beispielsweise alle Futurekontrakte u ¨ber Ol einem Tag im Monat terminieren, dann wird es schwer m¨oglich sein, die vorgesehenen riesi¨ gen Olmengen an eben diesem Tag zur Verf¨ ugung zu stellen. Daher weisen viele Futures eine Reihe von Besonderheiten auf. Zu diesen Besonderheiten geh¨ort beispielsweise die timing option, wonach der Verk¨aufer des Future die Lieferung an jedem Gesch¨aftstag eines Monats vornehmen kann. Selbstverst¨andlich wird der Verk¨aufer, wenn er keine Lagerkosten hat, die Lieferung dann soweit wie m¨oglich verz¨ogern. Muss er das Produkt dagegen lagern, so k¨onnte er m¨oglichst sp¨ate Lieferung jedoch Kosten verursachen. Die quantity option erlaubt dem Verk¨aufer des Future, von der zu liefernden Mengen in gewissen Grenzen abzuweichen. Der vereinbarte Futurepreis wird dann linear angeglichen. Da die Angleichung zu den am Lieferzeitpunkt g¨ ultigen Preisen erfolgt, stellt die quantity option keinen Vorteil f¨ ur eine der beiden Vertragsparteien dar und hat eine eher geringf¨ ugige Bedeutung. Die quality option erlaubt dem Verk¨aufer, bei der Lieferung aus einer vorher festgelegten Menge an qualitativ verschiedenen G¨ utern auszuw¨ahlen. Beispielsweise erlaubt die Chicagoer CBOT bei Mais Futures die Lieferung dreier verschiedener Sorten. Der benchmark ist Mais der Qualit¨atsstufe zwei. Wird dagegen Qualit¨atsstufe eins geliefert, so muss der Empf¨anger eine Pr¨amie von einem halben Prozent zahlen. Bei Lieferung der Qualit¨atsstufe drei dagegen erh¨alt er einen Discount von anderthalb Prozent. Bei Weizen Futures hat man sogar die Wahl zwischen elf verschiedenen Qualit¨atsstufen. Sinnvollerweise wird der Verk¨aufer des Futures denjenigen Weizen w¨ahlen, der f¨ ur ihn die niedrigsten Kosten verursacht. Man spricht daher auch von einer cheapest–to–deliver option (auch CTD abgek¨ urzt). Die location option existiert nur f¨ ur Futures auf physische G¨ uter (Waren). Sie erlaubt dem Verk¨aufer, die Waren an vorher bestimmte Orte zu liefern. Diese Option erweist sich dann als sinnvoll, wenn die Aufbewahrung der G¨ uter am Lieferort durch Lagerengp¨asse verteuert wird. Eine der wichtigsten Optionen ist die wildcard option. Sie ist dann von Bedeutung, wenn der spot Markt nach dem Markt f¨ ur Futures schließt. Ereignet sich zwischen beiden Zeitpunkten etwas unvorhergesehenes und wird dadurch der spot Markt beeinflusst, so kann der Futures Preis nicht mehr reagieren – der Markt wurde ja bereits geschlossen. Dennoch hat der Verk¨aufer des Futures die M¨oglichkeit, den vor dem Ereignis festgelegten Preis zugrunde zu legen.
2.2.3 Swaps ¨ Bei einem Swapgesch¨aft (w¨ortliche englische Ubersetzung: Tauschgesch¨aft) werden zwei Verm¨ogenspositionen und die mit ihnen verbundenen Zahlungsverpflichtungen getauscht. Grunds¨atzlich besteht ein Swapgesch¨aft aus drei Phasen.
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14 • Zu Beginn werden zwei verzinsliche Verm¨ogenspositionen getauscht. Je nachdem, ob es sich um Forderungen oder Schulden handelt, spricht man von Aktiv– oder Passivswaps. • Sp¨ater werden die w¨ahrend der Laufzeit anfallenden Zinszahlungen getauscht. • Am Ende der Laufzeit werden die Nominalbetr¨age der Verm¨ogenspositionen zur¨ uck getauscht. Die ersten Swaps wurden in den sp¨ aten siebziger und den fr¨ uhen achtziger Jahren durchgef¨ uhrt. Inzwischen sind die Swaps ein Hauptgesch¨aftsfeld der Investment Banken. Eine besonders große Bedeutung haben Zinsswaps, W¨ahrungsswaps und Kombinationen aus beiden. • Zinsswaps: Ein Zinsswap ist ein Tausch von festen gegen variable Zinsanspr¨ uche. Feste Zinsanspr¨ uche k¨onnen zum Beispiel gegen variable Zinsanspr¨ uche auf LIBOR-Basis3 getauscht werden. In der Regel verzichtet man bei einem Zinsswap auf den Austausch der Nominalbetr¨age und beschr¨ankt sich auf den Tausch der Zinszahlungen. Gelegentlich wird das Gesch¨aft sogar so weit reduziert, dass nur noch die Spitzenbetr¨age ausgeglichen werden. • W¨ ahrungsswaps: Bei einem einfachen W¨ahrungsswap wird eine festverzinsliche Position gegen eine festverzinsliche Position in einer anderen W¨ahrung getauscht. Beispielsweise k¨ onnen Nominalbetr¨age und Zinsanspr¨ uche aus einem fest verzinslichen Euro-Kredit gegen die eines festverzinslichen Dollar-Kredits getauscht werden. • Zins- und W¨ ahrungsswaps: Ein Zins- und W¨ahrungsswap ist eine Kombination aus einem W¨ahrungs- und einem Zinsswap. Der Tausch von Nominalbetr¨agen und Zinsanspr¨ uchen einer festverzinslichen Euro-Anleihe mit denen einer variabel verzinslichen Dollaranleihe ist ein Beispiel daf¨ ur. In der Praxis spielen Kreditinstitute bei der Vermittlung von Swapgesch¨aften eine große Rolle. H¨aufig treten sie auch als Intermedi¨ar zwischen die Swap-Interessenten und schließen mit beiden Seiten separate Vertr¨age ab oder nehmen selbst aktiv am Swapgesch¨aft teil, um ihre Zins¨anderungsrisiken zu begrenzen.
2.3 Bedingte Termingesch¨ afte (Optionen) Der K¨aufer eines bedingten Terminkontraktes hat das Recht, aber nicht die Pflicht, das underlying asset bei F¨alligkeit von seinem Vertragspartner (dem Stillhalter) zu einem im Voraus bestimmten Preis (dem Basispreis, englisch: strike price) zu erwerben oder an diesen zu ver¨außern. Im Gegensatz zu den unbedingten Termingesch¨aften muss der Erwerber einer Option an den Stillhalter im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen Preis (die Optionspr¨amie) zahlen.
3
LIBOR ist eine Abk¨ urzung f¨ ur “London Interbank Offered Rate”. Das ist ein Zinssatz f¨ ur kurzfristige Einlagen unter Banken am Euromarkt in London.
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15 Man unterscheidet je nach Aus¨ ubungszeitpunkt zwischen europ¨aischen und amerikanischen Optionen. Europ¨ aische Optionen k¨onnen nur am Verfalldatum ausge¨ ubt werden. Amerikanische Optionen dagegen k¨onnen w¨ahrend der gesamten Laufzeit ausge¨ ubt werden und haben daher immer mindestens den Wert einer vergleichbaren europ¨aischen Option. Man bezeichnet diese einfachsten Arten von Optionen als vanilla Optionen.4
2.3.1 Vanilla option (I): Calls Bei einem Call erwirbt der K¨aufer das Recht, eine bestimmte Ware zu einem bestimmten Preis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (F¨alligkeitstermin) zu kaufen. Kann er das Recht nur am F¨alligkeitstermin aus¨ uben, so handelt es sich um eine europ¨aische, sonst um eine amerikanische Option. Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden an den Terminb¨orsen amerikanische Optionen gehandelt. Ist der Kassapreis bei F¨alligkeit h¨oher als der Basispreis K, lohnt sich die Aus¨ ubung des Calls, da man das underlying asset am Markt teurer verkaufen kann. Der m¨ogliche Gewinn eines Callk¨aufers ist unbeschr¨ankt, da der Kassapreis zumindest theoretisch unendlich hoch steigen kann. Der maximale Verlust des Callk¨aufers beschr¨ankt sich auf die Optionspr¨amie. Allerdings geschieht es h¨aufig, dass Optionen am F¨alligkeitstermin nicht mit Gewinn ausge¨ ubt werden k¨onnen und wertlos verfallen. In Abh¨angigkeit vom aktuellen Kassakurs besitzt die Option eine so genannten inneren Wert. Dieser Wert beschreibt die Auszahlung, die der Inhaber der Option bek¨ame w¨ urde sie heute ausge¨ ubt. Im Fall eines Calls ließe sich dieser innere Wert wie folgt ermitteln. Wenn S der Preis des zugrundeliegenden Assets und K der Aus¨ ubungspreis ist, dann ist der innere Wert gerade innerer Wert = max(S − K, 0). Man sagt die Option sei “im Gelde” (auch in–the–money), wenn der innere Wert positiv ist. Sie ist “am Gelde” (auch at–the–money), wenn der Kassakurs und der Aus¨ ubungspreis zusammenfallen. Am Aus¨ ubungstag fallen tats¨achlicher Wert der Option und innerer Wert sinnvollerweise zusammen. Damit zahlt die Option im F¨alligkeitszeitpunkt T Auszahlung = max(ST − K, 0).
(2.2)
2.3.2 Vanilla option (II): Puts Puts (auch Verkaufsoptionen) geben dem K¨aufer das Recht, das underlying asset zum Basispreis an den Stillhalter zu verkaufen. Der maximale Gewinn eines Putk¨aufers ist – anders als beim Call – beschr¨ankt, da der Kassapreis des underlying assets nicht unter null fallen kann. Sein maximaler Verlust beschr¨ankt sich aber wieder auf die gezahlte Optionspr¨amie. Auch Puts haben einen inneren Wert, der sich analog dem Fall der Kaufoption ermittelt innerer Wert = max(K − S, 0). 4
Der Name hat vermutlich in der Tat etwas damit zu tun, dass Vanilleeis als eine “grundlegende Eissorte” gilt. Die ersten bekannten Optionen existierten schon zu Zeiten des Mathematikers Thales, der bereits in der Winterzeit den Preis f¨ ur Olivenpressen im nachfolgenden Fr¨ uhling aushandelte und dabei von der Ernte des Fr¨ uhjahres abh¨ angig machte. Die Worte “put” und “call” stammen aus dem fr¨ uhen 19. Jahrhundert.
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16 Man sagt die Option sei “aus dem Gelde” (auch out–of–the–money), wenn der innere Wert null ist. Sie ist wieder “am Gelde” (auch at–the–money), wenn der Kasskurs und der Aus¨ ubungspreis zusammenfallen. Am Aus¨ ubungstag fallen tats¨achlicher Wert der Option und innerer Wert sinnvollerweise zusammen. Damit zahlt die Option im F¨alligkeitszeitpunkt T Auszahlung = max(K − ST , 0).
2.3.3 Aus Vanillas zusammengesetzte Positionen Calls, Puts sowie das zugrunde liegende Asset k¨onnen auf vielf¨altige Weise miteinander kombiniert werden. Dabei entsteht eine Vielzahl neuer Optionen, man spricht auch von Optionspositionen. Der Name dieses so konstruierten Termingesch¨aftes setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, die die Eigenschaften des neuen Produktes bilden. Man spricht von einer naked position wenn nur ein Asset (also ein Vanilla oder eine Aktie) gehalten wird, hedge position wenn neben einer Vanilla noch der zugrunde liegende Titel gehalten wird, spread wenn zwei Vanillas eines Typs (also nur calls oder nur puts) einmal long und einmal short gehalten werden, combinations wenn zwei Vanillas verschiedenen Typs nur long oder nur short gehalten werden. Wir gehen jetzt auf diese vier zusammengesetzten Positionen n¨aher ein. naked positions. Welche Wirkungen naked positions haben, ist leicht anhand der Gewinn– Verlust–Diagramme analysiert. F¨ ur Calls sind in Abbildung 2.4 diese Diagramme dargestellt. Die entsprechenden Gr¨oßen f¨ ur Puts findet man in Abbildung 2.5. Diese Diagramme geben insoweit die tats¨achliche Situation nicht ganz korrekt wieder, weil sie sowohl Optionspr¨amie als auch den Gewinn bzw. Verlust miteinander verrechnen (sie erkennen das beispielsweise daran, dass der Call bei ST < K einen Verlust macht, obwohl der Call selbst ja nichts zahlt). Diese Verrechnung ist deshalb nicht korrekt, da die Optionspr¨amie zu Beginn der Laufzeit gezahlt werden muss (also bei Erwerb der Option), der Gewinn bzw. Verlust jedoch erst am Ende der Laufzeit anf¨allt. Fairerweise m¨ ussten wir den Gewinn bzw. Verlust geeignet diskontieren, aber an dieser Stelle k¨onnen wir noch nicht sagen, welche Risikopr¨amie angemessen w¨are. Trotzdem werden wir diese nicht ganz korrekte Darstellung weiter verwenden, weil sie uns besonders u ¨bersichtlich die Zahlungswirkung der Option verdeutlicht und der Fehler u ¨berschaubar bleibt. hedge position. Bei einer hedge position h¨alt der H¨andler sowohl eine Option als auch das underlying. Da Verh¨altnis, in dem sich Option und zugrunde liegende Aktie im Portfolio befinden, wird auch hedge ratio genannt. Eine hedge ratio von 1:2 bedeutet also, dass im Portfolio zu einer Option zwei Aktien gehalten werden. Hedge ratios von 1:100 sind nicht
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17
Gewinn 6
.. ... ... ... ..... ... ......... . . . .. ... ... ..... ... ..... ... ...... ... ......... . . . . ............................ ......... ..... .................................................
Gewinn 6
-
Spot ST
K
................................................. ..... ............................ ......... ... ..... ... ..... ... ...... ... ..... ... ..... ... ..... ... ...... ... ..... ... .. ... ...
-
Spot ST
K
Verlust
Verlust
Abbildung 2.4: Long- und Short-Position eines Calls Gewinn 6
Gewinn 6
... ......... ........ ........ ..... ... ..... ... ..... .. ........ ........ ........ ..... ... ..... ............................ ..... ...............................................
-
Spot ST
............................................... ..... ..... ............................ ........ .......... . . . . .... .. ..... ... ........ ........ .......... . . . . ... .. ......... ...
-
Spot ST
K
K
Verlust
Verlust
Abbildung 2.5: Long- und Short-Position eines Puts untypisch. Viel seltener dagegen findet man eine Situation, in der zu einer Aktie mehr als eine Option gehalten wird. Welche Wirkung die hedge ratio f¨ ur das Gesamtportfolio hat, kann man sich anhand einfacher Beispiele verdeutlichen. H¨alt man etwa Calls short, so bedeutet eine hedge ratio gr¨oßer als eins ein starkes Verlustpotential bei hohen Kursen. spread positions. Bei spread positions wird danach unterschieden, von welcher Kursbewegung der Halter profitiert. Man spricht von bullish5 spreads wenn der Halter von wachsenden Kursen profitiert und bearish6 spreads wenn der Halter von fallenden Kursen profitiert. Neben der Charakterisierung entsprechend dem Gewinn unterscheidet man auch hinsichtlich der Art und Weise, welche Optionen im Portfolio kombiniert werden. Hier gibt es drei verschiedene M¨oglichkeiten, die wie folgt bezeichnet werden. Ein spread ist vertical, wenn bis auf den Aus¨ ubungspreis identische Optionen gehalten werden. Betrachten wir zur Illustration das Beispiel eines vertical bullish call spread. Der Halter muss in diesem Fall einen Call kaufen und einen Call verkaufen, um einen vertical spread zu halten. Damit er von steigenden Kursen profitiert, muss der gekaufte Call einen niedrigeren Aus¨ ubungspreis als der verkaufte Call haben. Die Optionspr¨amie f¨ ur den verkauften Call wird dann niedriger sein, da auch die 5
Das Wort leitet sich von bull (Stier) ab, da der Stier sein Opfer mit gesenktem Kopf, also von unten, angreift. Man spricht von einem bull market, wenn die Kurse steigen. 6 Das Wort leitet sich von bear (B¨ ar) ab, da der B¨ ar sein Opfer mit der Tatze, also von oben, angreift. Man spricht von einem bear market, wenn die Kurse fallen.
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18 Gewinnchancen niedriger sind.7 Die Abbildung 2.6 zeigt das Gewinn– und Verlustdiagramm dieser Position, wobei die Optionspr¨ amien in der Darstellung ber¨ ucksichtigt wurden. In der Tat profitiert der Halter der Position von steigenden Kursen, fallen dagegen die Kurse, so geht er mit einem (begrenzten) Verlust aus dem Handel. Gewinn 6
... ... ... ... . . . ... ......................................... ... ... ... ... ... ... . . ... ... .. .. . . .. . . .. . . .. . . . ... .............................
K1
Gewinn 6
-
Spot ST
=⇒
K2
................... ... ... ... ... . . .. ... ... ... ... . . ... ... ... ... ..............................
K1
Verlust
-
Spot ST
K2
Verlust
Abbildung 2.6: Vertical bullish call spread Man spricht von einem horizontal spread wenn Optionen gehalten werden, die sich bis auf den Aus¨ ubungszeitpunkt unterscheiden. Die Idee, die horizontal spreads zugrunde liegt, ist die ¨ Uberlegung, dass Optionen kurz vor ihrem Aus¨ ubungszeitpunkt im Wert schneller verfallen als Optionen, die erst in ferner Zukunft ausge¨ ubt werden. Die Unterscheidung in horizontal und vertical spread r¨ uhrt daher, dass typischerweise Optionspreise in Tabellenform wiedergegeben werden, siehe etwa Abbildung 2.7. Horizontal positions bestehen aus Optionen, deren Preise sich in dieser Tabelle in einer horizontalen Linie wiederfinden. Vertical positions bestehen aus Optionen, deren Preise sich in dieser Tabelle in einer vertikalen Linie wiederfinden. Man spricht auch von diagonalen Positionen, wenn die Preise dieser Optionen sowohl in verschiedenen Zeilen als auch verschiedenen Spalten stehen. Aus¨ ubungspreis 25 30 35 40 45
April 15,06 10,88 7,00 4,01 0,88
Juli – 12,12 8,69 5,75 2,38
Oktober – – – 7,38 5,39
Abbildung 2.7: Preise f¨ ur Call Optionen
combinations. Neben einer Vielzahl von M¨oglichkeiten sind hier insbesondere die straddles und strangles zu nennen. Unter einem straddle8 versteht man eine Position, bei der ein Call und ein Put mit selben Aus¨ ubungspreis und identischer Laufzeit gehalten werden. 7
In diesem Satz versteckt sich bereits das erste Mal der Gedanke der Arbitragefreiheit. Eine Option mit einem h¨ oheren Aus¨ ubungspreis hat in jedem zuk¨ unftigen Zustand der Welt eine kleinere Auszahlung. Aus dem Prinzip der Arbitragefreiheit folgt, dass dann der Preis dieser Option auch kleiner sein muss. Anderenfalls k¨ onnte man aus der Situation ohne Kosten sichere Gewinne erzielen, indem man die Option mit dem h¨ oheren Aus¨ ubungspreis verl¨ auft und eine Option mit dem niedrigeren Aus¨ ubungspreis erwirbt. 8 ¨ Die deutsche Ubersetzung heißt “mit gespreizten Beinen stehen”. Schauen Sie sich das Gewinn– und Verlustdiagramm verkehrt herum an, dann verstehen Sie, warum diese Bezeichnung gew¨ ahlt wurde.
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19 Das Gewinn– und Verlustdiagramm 2.8 zeigt, dass ein straddle eine Wette auf einen sich ver¨andernden Preis des underlying darstellt. Gewinn 6
... . ..... ... ..... ... ..... ... ..... . . ... . . .... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... . . ... . . .... ............................... .... ..... ..... ........................................
Gewinn 6
-
Spot ST
=⇒
K
... ..... ..... ..... ..... ..... . . ..... . . ..... .... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .......... ..... ..... ....
-
Spot ST
K
Verlust
Verlust
Abbildung 2.8: straddle Bei einem strangle9 dagegen kauft man einen Call und einen Put. Der Call hat einen Aus¨ ubungspreis u ubungspreis un¨ber dem derzeitigen Kassakurs, der Put dagegen einen Aus¨ ter dem gegenw¨artigen Kassakurs. Auch der strangle zeichnet sich dadurch aus, dass Gewinne nur beim Abweichen des Kurses vom gegenw¨artigen Niveau erzielt werden. Im Gegensatz zum straddle muss jetzt aber die Abweichung viel st¨arker sein, daf¨ ur ist aber der h¨ochstm¨ogliche Verlust geringer. Dies verdeutlicht die Abbildung 2.9 Gewinn 6
.. .. .. .. .. .. ... .. ... .. ... .. . . .. .. .. ... .. ... .. ... .......................................... ... . . .. ... ... ... ........................................................
K1
Gewinn 6
-
Spot ST
=⇒
K2
Verlust
.... .... ..... ... ..... ... .... . . . . ... .. ... ..... ... .... ... ..... ... ..... .........................................
K1
-
Spot ST
K2
Verlust
Abbildung 2.9: strangle (rechts nicht maßstabsgetreu)
2.3.4 Exotische Optionen Eine große Klasse von Optionen, die weder Puts noch Calls sind, fallen in die Kategorie der exotischen Optionen.Dabei bedeutet exotisch keineswegs, dass diese Optionen nur von wenigen H¨andlern angeboten werden. Vielmehr haben sich die Exoten zu einem festen Bestandteil der Optionsm¨arkte entwickelt und bedienen ganz spezifische Bed¨ urfnisse einzelner Investoren. Drei Klassen exotischer Optionen haben an den M¨arkten einige Bedeutung erlangt.10 Asiatische Optionen. Die Bezeichnung hat weder etwas mit dem Aus¨ ubungs– noch dem Herkunftsort zu tun, zudem wird eine asiatische Option vom amerikaischen oder europ¨aischen 9 10
Zu deutsch “erw¨ urgen”. Ich habe nicht in Erfahrung bringen k¨ onnen, woher diese Bezeichnung stammt. Unsere Aufz¨ ahlung ist bei weitem nicht ersch¨ opfend. Mehr u ¨ber exotische Optionen finden Sie bei Paul Wilmott, Jeff Dewynne, Sam Howison: “Option Pricing”, Oxford Financial Press, Oxford, 1993.
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20 Typ sein.11 Eine asiatische Option unterscheidet sich von einer vanilla Option dahingehend, dass nicht der am Aus¨ ubungstag vorliegende Aktienkurs u ¨ber die Auszahlung entscheidet, sondern man den Durchschnitt der bisherigen Aktienkurse u ur die ¨ber die Laufzeit nimmt. F¨ Auszahlung in T gilt also ! T 1 X Auszahlung = max St − K, 0 T +1 t=0
und f¨ ur den Fall eines asiatischen Puts ! T 1 X Auszahlung = max K − St , 0 T +1 t=0
Asiatische Optionen werden von Unternehmen gekauft, die beispielsweise zu festgelegten Zeitpunkten in einem Jahr ihr Produkt verkaufen m¨ ussen, aber u ¨ber die gesamte Laufzeit hinweg Material– und Personalkosten in einer anderen W¨ahrung ausgesetzt sind. Das Unternehmen ist dann einem starken W¨ahrungsrisiko ausgesetzt. Durch eine asiatische Option kann das Un¨ ternehmen die W¨ahrungsschwankungen auf der Aufwandsseite hedgen. Insbesondere Olfirmen greifen auf asiatische Optionen zur¨ uck. lookback Optionen. Lookback Optionen werden relativ selten gehandelt und sind im Gegensatz zu den vanilla Optionen verh¨altnism¨aßig teuer. Sie dienen Anlegern, die H¨ochstkurse einer Aktie mitnehmen wollen. Ein lookback call ist eine Wette auf einen Maximalpreis, den eine Aktie u ur die Auszahlung gilt ¨ber eine Laufzeit hatte und f¨ Auszahlung = max max St − K, 0 , 0≤t≤T
analog f¨ ur den lookback put. binary Optionen. Die letzte große Klasse exotischer Optionen, auf die wir eingehen wollen. Binary Optionen stellen das dar, was wir landl¨aufig als Wette bezeichnen w¨ urden. Kennzeichen einer binary option ist, dass die Auszahlung dieser Option entweder null oder nur ein fester Wert ist ( B wenn ST ≥ K, Auszahlung = 0 wenn ST < K, wobei B eine vorher vereinbarte feste Zahlung bezeichnet. 11
Asiatische Optionen wurden zuerst vom Tokioter Office des Bankers Trust gehandelt, daher die Bezeichnung. Eine kleine Geschichte mag verdeutlichen, wie Namen exotischer Optionen entstehen k¨ onnen. Den amerika¨ nischen Okonomen Darrell Duffie und Michael J. Harrison gelang Anfang der neunziger Jahre die Bewertung einer amerikanischen Option, die eine unendliche Laufzeit hat. Bis heute existiert an den Finanzm¨ arkten jedoch kein Beispiel f¨ ur eine solche Option, sie ist nicht mehr als eine mathematische Gedankenspielerei (zugegebenermaßen mit einer durchaus eleganten Herleitung). Um aber den russischen Mathematiker Shirjayev zu ehren, dessen Arbeiten bahnbrechend f¨ ur die Bewertung der amerikanischen Optionen waren, wurde dieser Spezialfall “russische Option” getauft. Unter diesem Namen finden Sie ihn heute wie selbstverst¨ andlich in den Handb¨ uchern u ¨ber exotische Optionen.
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2.4 Motive f¨ ur den Einsatz von Termingesch¨ aften Die Motive eines rationalen und risikoaversen Investors f¨ ur den Einsatz von Derivaten sind vor allem auf komparative Informationsvorteile und -nachteile zur¨ uckzuf¨ uhren (Informationsineffizienz). Sie h¨angen daher typischerweise von der Art und dem Ort der gew¨ohnlichen Gesch¨aftst¨atigkeit eines Unternehmens ab. Ein international agierendes Brokerhaus kann beispielsweise Informationsvorteile bei der Einsch¨atzung k¨ unftiger Devisenkurse haben. Ein deutsches Industrieunternehmen hingegen kann ein besonderes Know-how im Bereich Maschinenbau als Vorteil f¨ ur sich nutzen. Im Folgenden werden wir die typischen (rationalen) Motive f¨ ur den Einsatz von Derivaten an Hand dieser beiden Beispiele illustrieren. Komparative Kostenvorteile Ein wesentliches Motiv f¨ ur den Abschluss von Swapgesch¨aften besteht im Ausnutzen von komparativen Kostenvorteilen. Der typische Anwendungsfall f¨ ur W¨ahrungsswaps ist gegeben, wenn eine inl¨andische Mutter ihre ausl¨andische Tochter zu finanzieren hat und auf dem ausl¨andischen Finanzmarkt nicht das gleiche Standing wie eine vergleichbare ausl¨andische Muttergesellschaft hat. Unter der Voraussetzung, dass die inl¨andische Mutter im Ausland einen Partner findet, der daran interessiert ist, ein entsprechendes Gegengesch¨aft abzuschließen, k¨onnen beide von einem W¨ahrungsswap profitieren. In diesem Fall kann die Mutter einen im Inland relativ g¨ unstigen Kredit aufnehmen und mit einem W¨ahrungsswap in die ben¨otigte ausl¨ andische W¨ahrung umwandeln. Mit solchen Gesch¨aften gelingt es auch, die W¨ahrungsrisiken zu vermeiden, die mit normalen Fremdw¨ahrungskrediten verbunden sind, weil bereits bei Vertragsabschluss das Austauschverh¨altnis zwischen den beiden beteiligten W¨ahrungen festgelegt wird. Beispiel. Eine kanadische und eine deutsche Aktiengesellschaft (CAMO und DEUMU) mit Sitz in Toronto beziehungsweise Berlin unterhalten Tochtergesellschaften in Deutschland respektive Kanada (CADAU und DEUTO). Die T¨ochter m¨ ussen in der jeweiligen Fremdw¨ahrung finanziert werden. Die M¨ utter haben in ihren Heimatl¨andern ein relativ gutes Standing, m¨ ussen aber im Ausland auf Grund der Tatsache, dass ihr Name dort nicht so gut bekannt ist, verh¨altnism¨aßig unvorteilhafte Konditionen hinnehmen, vergleiche Tabelle 2.1. Die CAMO ist Tabelle 2.1: Zinskonditionen f¨ ur Kredite in Landesw¨ahrung Land Deutschland Kanada
CAMO 16 % 10 %
DEUMU 15 % 13 %
dazu bereit, der DEUMU einen W¨ahrungsswap vorzuschlagen. Zu diesem Zweck w¨ urde sie einen Kredit in Kanada aufnehmen und das Geld dem deutschen Partner zur Verf¨ ugung stellen, wenn dieser seinerseits die kanadische Gesellschaft mit einem in Deutschland aufgenommenen Kredit versorgt. Der augenblickliche Wechselkurs bel¨auft sich auf 0.80 e je kanadischen Dollar. Beide Tochtergesellschaften besitzen einen Finanzbedarf von etwa 50 Mio. e f¨ ur die n¨achsten f¨ unf Jahre. Wie k¨onnte unter diesen Bedingungen ein f¨ ur beide Seiten vorteilhafter W¨ahrungsswap aus-
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22 sehen? Um zu zeigen, dass ein f¨ ur beide Parteien vorteilhaftes Swapgesch¨aft m¨oglich ist, unterstellen wir, dass beide Muttergesellschaften einen Kredit in eigener Landesw¨ahrung aufnehmen und diesen mit dem Vertragspartner tauschen. Der W¨ahrungsswap wird nun wie folgt abgewickelt. • Die M¨ utter nehmen zun¨achst Kredit in der “falschen W¨ahrung” auf. – CAMO emittiert eine Dollar–Anleihe mit einem Nennwert von 62.5 Millionen kanadischen Dollar und muss daf¨ ur 10 % Dollar–Zinsen zahlen. – DEUMU begibt eine Anleihe im Nennwert von 50 Mio. e mit einem Kupon von 15 %. ¨ • Die Swap–Vertragsparteien verpflichten sich zur laufenden Ubernahme der Zinszahlungen. Die f¨alligen Betr¨age werden von den jeweiligen T¨ochtern geleistet. – DEUTO zahlt u ¨ber ihre Mutter an CAMO laufend 10 % Dollar–Zinsen, die diese an ihre kanadischen Kreditgeber weiterleitet. – DEUMU erh¨alt von der CADAU laufend 15 % Euro–Zinsen und kommt damit ihren Zahlungsverpflichtungen f¨ ur die in Deutschland begebene Anleihe nach. • Beide Tochtergesellschaften zahlen nach Ablauf der f¨ unf Jahre ihre Kredite zur¨ uck, und die Anleihebetr¨age werden zum urspr¨ unglichen Wechselkurs von 0.8 : 1 zur¨ uckgetauscht. Beide Unternehmen k¨onnen dadurch ihre Zinskosten senken, was man in Tabelle 2.2 leicht nachrechnen kann. Tabelle 2.2: Vorteile eines W¨ahrungsswaps CAMO
DEUMU
Euro–Zins (direkt)
−16%
Dollar–Zins (direkt)
−13%
Euro–Zins (indirekt)
−15%
Dollar–Zins (indirekt)
−10%
Vorteil f¨ ur CAMO
+1%
Vorteil f¨ ur DEUMU
+3%
2.4.1 Spekulation Investoren k¨onnen versuchen, ihre individuellen Erwartungen u unftige Preisentwicklun¨ber k¨ gen gewinnbringend auszunutzen. Rational ist das jedoch nur, wenn diese Erwartungen auf Grund eines komparativen Informationsvorteils gebildet werden.
2.4.2 Hedging Investitionsprojekte sind typischerweise mit den unterschiedlichsten Risiken verbunden, wie beispielsweise
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23 • Absatzmengen- und Absatzpreisrisiken, • Zins¨anderungsrisiken und • W¨ahrungs¨anderungsrisiken. Unter hedging versteht man die Eliminierung solcher Risiken durch den Abschluss von Termingesch¨afte (vollst¨andiger Hedge). Ein rationaler und risikoaverser Investor sollte nur bereit sein die Risiken zu tragen, bei denen er einen komparativen Informationsvorteil besitzt. Andere Risiken sollte er – mit fair bewerteten Derivaten – hedgen. Ein deutsches Maschinenbauunternehmen, das aus einem Gesch¨aft mit einem amerikanischen Kunden im August eine Einzahlung von US$ 500.000 erwartet, und gleichzeitig Zahlungsverpflichtungen von e540.000 zu t¨atigen hat, sieht sich einem Wechselkursrisiko ausgesetzt. Sinkt der Dollar gegen¨ uber dem Euro, so k¨onnte das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Steigt dagegen der Dollar, so w¨ urde das Unternehmen seinen Verpflichtungen nach¨ kommen k¨onnen und einen Uberschuss aus dem Dollargesch¨aft erwirtschaften. Gegen dieses Risiko kann sich das Unternehmen absichern, indem es zum Beispiel heute mit einem AugustFuture auf Dollar zu 1,13 short geht. Dies verursacht heute keine Zahlungen. Im August liefert das Unternehmen die US$ 500.000 termingerecht und erh¨alt unabh¨angig davon, wie sich der Wechselkurs entwickelt, daf¨ ur e560.000 mit denen es seinen eigenen Verpflichtungen nachkommen kann. Alternativ k¨onnte das Unternehmen eine Option auf den Verkauf von US$ 500.000 zu 1,13 erwerben. Bei einem fallenden Dollarkurs w¨aren dem Unternehmen weiterhin e560.000 garantiert, w¨ahrend es bei steigenden Dollarkursen die Option nicht aus¨ uben w¨ urde. Gegen¨ uber dem Future unterscheidet sich diese Strategie dadurch dass ¨ • bei steigenden Dollarkursen kann ein Uberschuss erwirtschaftet werden, • die Option im Gegensatz zum Future bei Vertragsabschluss einen Preis hat, der unter Umst¨anden erheblich sein kann. Ist das Unternehmen ausschließlich daran interessiert die Wechselkursschwankungen zu hedgen, sollte daher der Future bevorzugt werden.
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3 Forwards und Futures 3.1 Arbitragefreiheit – eine zweite Vorbemerkung Bei der Bewertung von Derivaten – und bei allen anderen Finanzmarktprodukten – spielt das Grundprinzip der Arbitragefreiheit eine herausragende Rolle: das Prinzip, dass auf gut funktionierenden Kapitalm¨arkten keine Arbitragegewinne m¨oglich sind. Arbitragegewinne sind – wir werden das sp¨ater noch genauer definieren – Gewinne ohne Einsatz von Kapital. Diese darf es nicht geben, da offensichtlich sonst jeder versuchen w¨ urde diese Art von Gewinnen zu machen. Als einfachstes Beispiel f¨ ur Arbitragegesch¨afte sei auf Preisdifferenzen des gleichen Wertpapiers an verschiedenen B¨orsenpl¨atzen hingewiesen. Ohne Transaktionskosten k¨onnte man in diesem Fall das Wertpapier an derjenigen B¨orse kaufen, an der es billiger zu haben ist, und an dem Handelsplatz, an dem es teurer ist, wieder verkaufen. Damit macht man positive Gewinne, ohne Kapital einzusetzen. Dies liesse sich theoretisch unendlich oft wiederholen, was zwangsl¨aufig zu Preis¨anderungen an beiden Handelspl¨atzen f¨ uhren w¨ urde, so dass nach kurzer Zeit die Preise des Wertpapiers an beiden Orten wieder identisch w¨aren. In der Realit¨at tauchen Arbitragegelegenheiten zwar auf, werden aber wie in dem obigen Beispiel sofort von sogenannten Arbitrageuren – Marktteilnehmer, die nichts anderes tun, als die M¨arkte nach solchen Gelegenheiten zu durchsuchen – ausgenutzt und daher schnell wieder zunichte gemacht. Arbitragegesch¨afte nutzen h¨aufig sogenannte Leerverk¨ aufe (auf englisch ’short selling’). Ein Leerverkauf bedeutet den Verkauf eines Wertpapiers, das man gar nicht besitzt, mit dem Ziel, es sp¨ater – m¨oglichst billiger – zur¨ uckzukaufen. Leerverk¨aufe sind Transaktionen, die nur bestimmten institutionellen Marktteilnehmern wie zum Beispiel Hedge Fonds erlaubt sind. Im Prinzip borgt man sich dabei die Wertpapiere, die man verkauft, von anderen Marktteilnehmern. Da dies in der Regel von Aktienh¨andlern organisiert wird, merken die Leihgeber davon gar nichts. Als borgender Investor ist man dann nat¨ urlich verpflichtet, den Leihgebern anfallende Dividenden- oder Zinszahlungen aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Bei Leerverk¨aufen verlangen die Aktienh¨andler erhebliche Sicherheiten, die aber auch in Form anderer Wertpapiere erbracht werden k¨onnen und die man beim Gegengesch¨aft zur¨ uckerh¨alt, so dass sie keine echten Kosten darstellen. Als Beispiel betrachten man einen Investor, der im April 500 SAP Aktien zum Preis von 120 e leerverkauft und sie im Juni zum Preis von 100 e zur¨ uckkauft. Im Mai werden eine Dividende von 4 e je Aktie f¨allig. Der Investor erh¨alt im April 500 ∗ e120 = 60.000 e. Die Dividende f¨ uhrt zu einer Zahlung von 500 × 4 e = 2.000 e im Mai. Im Juni werden schließlich beim R¨ uckkauf 500 × 100 e = 50.000 e f¨allig. Insgesamt macht der Investor einen Gewinn von 60.000 e − 2.000 e − 50.000 e = 8.000 e.
24
25
3.2 Zinsstrukturkurve Wir wollen uns bei der Diskussion u ¨ber den Zusammenhang von Forward– und Futurepreisen mit festverzinslichen Wertpapieren besch¨aftigen. Dazu gehen wir von folgendem Modell aus. Es gebe in der Zukunft T Zeitpunkte, die Zukunft sei sicher.1 Wir betrachten nur festverzinsliche Wertpapiere (“bonds”), die Zahlungen in diesen Zeitpunkten versprechen. Bevor wir auf die Forwards und Futures eingehen, wollen wir den Kassamarkt genauer betrachten. Betrachten wir dazu ein festverzinsliches Wertpapier, das eine Zahlung von einer Geldeinheit in einem Zeitpunkt t verspreche und sonst keine weiteren Zahlungen leiste. Man bezeichnet einen solchen Titel auch als Zerobond. Dieser Zerobond m¨oge heute Z0 (t) kosten. Der Preis dieses Zerobonds h¨angt den den Zinss¨atzen ab, die an den Kapitalm¨arkten vorherrschen. Dabei unterscheiden sich die Zinss¨atze entsprechend den Laufzeiten, die diese Zerobonds aufweisen. Wir wollen einen einj¨ahrigen Zinssatz f¨ ur eine Geldanlage vom Zeitpunkt 0 bis zum Zeitpunkt t mit r0,t bezeichnen (im englischen spricht man vom “yield”). F¨ ur den Preis des Zerobonds gilt dann Z0 (t) =
1 . (1 + r0,t )t
Durch die Angabe der Kassazins¨atze r0,t oder die Angabe der Preise f¨ ur Zerobonds ist der Kassamarkt vollst¨andig beschrieben. Im Rahmen unseres Modells k¨onnen wir noch keine weiteren Aussagen u ¨ber die H¨ohe der einzelnen Kassazinss¨atze treffen. Eine Abbildung, die die verschiedenen Kassazinss¨atze r0,t auf einer Zeitachse abtr¨agt, heißt Zinsstrukturkurve (“term structure” oder “yield curve”). Ein Beispiel einer solchen Zinsstrukturkurve ist in Abbildung 3.1 dargestellt. Man beobachtet an den Finanzm¨arkten verschiedene Formen von Zinsstrukturkurven. Die Abbildung 3.1 zeigt einen wachsenden Verlauf, und diese Verlaufsform ist durchaus typisch. Es ist aber auch m¨oglich, dass die Zinsstrukturkurve fallend ist (wenngleich solch ein Zustand typischerweise nur von kurzer Dauer ist) und auch Strukturkurven mit Buckeln (“humped term structure”) wurden beobachtet. yield r0,t 6 ............. ................................. ................... ............. ...........
-
Zeit
Abbildung 3.1: term structure Kommen wir nun zu den Forward sowie den Futures auf Zinsprodukte. Ein Forward ist ein Vertrag, bei dem heute eine Geldanlage in einem zuk¨ unftigen Zeitpunkt vereinbart wird. Die Vertragsparteien einigen sich, dass im Zeitpunkt t eine Geldanlage f¨ ur eine Periode auf t + 1 1
Es ist formal ¨ außerst aufwendig, in einem Modell mehrere Zeitpunkte und Unsicherheit zu vereinen.
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26 erfolgen wird. Welchen Zinssatz sollen beide Parteien vereinbaren? Wir bezeichnen diesen Zinssatz als forward rate rt,t+1 . ¨ Um den Zinssatz zu ermitteln, greifen wir zu folgender Uberlegung. Statt des forward Gesch¨aftes vollziehen wir zwei Kassagesch¨afte. Wir borgen uns Geld von heute bis zum Zeitpunkt t und gleichzeitig legen wir f¨ ur den Zeitraum von heute bis t + 1 denselben Betrag am Kapitalmarkt an. Dieser Betrag ist beliebig, der Einfachheit halber sei er G. Schauen wir uns das Ergebnis dieses gekoppelten Gesch¨aftes an. In den Zeitpunkten 0, 1, . . . , t − 1 betragen die Nettozahlungen jeweils 0, da sich Gesch¨aft und Gegengesch¨aft ausgleichen oder erst gar keine Zahlungen vorgesehen sind. Im Zeitpunkt t haben wir den zu Beginn geborgten Geldbetrag zur¨ uckzugegeben. Da G geborgt wurde, sind jetzt (1 + r0,t )t G zu zahlen. Einen Zeitpunkt sp¨ater erhalten wir die Auszahlung aus der Kapitalmarktanlage. Sie betr¨agt entsprechend den g¨ ultigen Kassazinss¨atzen gerade (1 + r0,t+1 )t+1 G. ¨ Die Uberlegung, die uns die H¨ohe der forward rates offenbart, ist nun die folgende. Wir m¨ ussen feststellen, dass das gekoppelte Gesch¨aft (am Kassamarkt Geld borgen und gleichzeitig anlegen) und das forward Gesch¨aft aus Sicht der Zahlungsstr¨ome keine Unterschiede aufweisen. In beiden F¨allen finden bis zum Zeitpunkt t − 1 keine Zahlungen statt, erst in den nachfolgenden beiden Perioden kommt es zu einer Aus– und dann einer Einzahlung. Daher ist auch nicht einzusehen, warum beide Gesch¨afte eine unterschiedliche Rendite aufweisen sollen. W¨aren die Renditen unterschiedlich, so k¨onnte jedermann durch ein so genanntes Arbitragesch¨aft einen beliebig hohen Geldbetrag am Kapitalmarkt erzielen, ohne daf¨ ur selbst Kapital aufwenden zu m¨ ussen und ohne jegliches Risiko einzugehen. Solche Situationen k¨onnen an Kapitalm¨arkten keinen Bestand haben. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn das forward Gesch¨aft und das gekoppelte Kassagesch¨aft eine identische Rendite aufweisen m¨ ussen? Es gilt notwendigerweise rt,t+1 =
(1 + r0,t+1 )t+1 G −1 (1 + r0,t )t G
und daraus erhalten wir folgenden Zusammenhang zwischen forward rates und Kassazinss¨atzen (1 + r0,t )t · (1 + rt,t+1 ) = (1 + r0,t+1 )t+1 . Die forward rates sind vollst¨andig bestimmt, wenn man s¨amtliche Kassazinss¨atze kennt. ¨ Die von uns angestellten Uberlegungen lassen sich auch auf andere forward M¨arkte u ¨bert¨ ragen. Die f¨ ur uns entscheidende Uberlegung ist dabei, inwieweit Kosten der Lagerung f¨ ur das zu betrachtende Gut anfallen. Im Falle der Bonds entsprechen den Lagerkosten gerade ¨ oder Mais) m¨ die Zinsertr¨age, bei forwards auf Waren (wie etwa Ol ussen weiter eventueller Schwund ber¨ ucksichtigt werden. Man spricht von einer cash–and–carry Arbitrage.
3.3 Bestimmung von Futures– und Forward–Preisen 3.3.1 Forward–Preis Betrachten Sie nun eine Aktie mit einem aktuellen Kurs von 50 e, auf die Sie einen Forward zum Kauf oder Verkauf der Aktie in einem Jahr zum Preis von 53 e abschließen k¨onnen. Die
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27 Aktie zahlt keine Dividenden und der risikolose Zinssatz f¨ ur einj¨ahrige Anlagen sei 5%. Betrachten Sie nun die folgende Anlagestrategie: Kauf der Aktie durch Aufnahme eines Kredits von 50 e, Verkauf auf Termin der Aktie mit dem Forward. Netto hat man dadurch heute keine Zahlungsverpflichtungen. in t = 1 zahlt man den Kredit inklusive Zinsen in H¨ohe von 52,5 e zur¨ uck und l¨ost durch den Forward 53 e ein. Insgesamt macht man also einen Gewinn von 0,5 e. W¨ urde der Forward–Preis heute bei 51 e liegen, dann w¨ urde man die Aktie leerverkaufen und den Erl¨os risikolos anlegen. Dar¨ uber hinaus w¨ urde man mit dem Forward die Aktie auf Termin kaufen. Netto hat man heute wieder keine Zahlungen, in t = 1 hat man aus der risikolosen Anlage 52,5 e, mit denen man seine Verpflichtungen aus dem Forwardgesch¨aft in H¨ohe von 51 e nachkommen und die Aktie wieder zur¨ uckgeben kann. Bleibt ein Gewinn von 1,5 e. In beiden F¨allen liegt offensichtlich ein Arbitrage–Gesch¨aft vor, da man diese Strategie beliebig oft wiederholen k¨onnte, um ohne Einsatz von Kapital sehr schnell sehr reich zu werden. Nur wenn der Forward–Preis in t = 0 gleich F O0 = S0 (1 + rf )T ist, liegt keine Arbitrage vor. Was passiert, wenn die Aktie in einem halben Jahr eine Dividende von 5 e zahlt? Der Forward–Preis heute liege wieder bei 51 e. In diesem Fall w¨ urde man die Aktie allerdings durch die Aufnahme eines Kredits von 50 e kaufen und einen Forward short abschließen. In einem halben Jahr w¨ urde man die Dividendenzahlung erhalten, die man sofort wieder risikolos anlegen w¨ urde. Nach einem Jahr liefert man die Aktie und erh¨alt vertragsgem¨aß 51 e. Aus der Anlage der Dividendenzahlungen erh¨ alt man außerdem inklusive Zinsen 5∗(1+0, 05)0,5 = 5, 12 e. Damit l¨asst sich der Kredit inklusive Zinsen in H¨ohe von 52,5 e locker zur¨ uckzahlen. Insgesamt h¨atte man mit dieser Strategie einen Gewinn von 3,62 e gemacht. Bei einem Forward mit Termin in t2 auf ein Underlying mit einer sicheren Dividende d in t1 < t2 liegt eine arbitragefreie Bewertung des Forwards nur dann vor, wenn F O0 = S0 (1 + rf )t2 − d(1 + rf )t2 −t1 .
3.3.2 Hedging mit Forwards und Futures Bevor wir uns anschauen, wie Futures–Preise zustande kommen, wollen wir noch einmal auf einen entscheidenden Unterschied eingehen, den man beim hedgen mit Futures im Gegensatz ¨ zu Forwards beachten muss. Betrachten Sie eine Olraffinerie, die mit einem Kunden einen Liefervertrag geschlossen hat, in 3 Perioden eine Million Barrel Benzin zu einem festen Preis zu liefern. Um dieser Verpflichtung nachzukommen wird die Raffinerie in 2 Perioden zwei Millionen Barrel Roh¨ol am Markt einkaufen m¨ ussen. Der Preis von Roh¨ol in 2 Perioden ist unsicher. Die Raffinerie k¨onnte nun heute in t = 0 einen Forward abschließen u ¨ber den Kauf von 2 Millionen Barrel Roh¨ol und sich so zum aktuellen Forward–Preis von 50 $ absichern. In t = 2 h¨atte die Raffinerie mit Sicherheit 50 × 2 = 100 Millionen $ zu zahlen, egal wie sich ¨ der Olpreis in der Zwischenzeit entwickelt.
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28 Alternativ k¨onnte die Raffinerie sich auch mit Futures absichern. Angenommen die Raffinerie schließt in t = 0 Futures auf 2 Millionen Barrel Roh¨ol ab. Der Futures–Preis in t = 0 liege ebenfalls bei 50 $. Angenommen der Futures–Preis f¨allt in t = 1 auf 25 $. Durch das Marking– to–Market hat die Raffinerie beim Futures–Hedging schon in t = 1 Zahlungen zu leisten, in diesem Fall in H¨ohe von (50 − 25) × 2 Millionen = 50 Millionen $. Die Raffinerie kann diese Zahlung durch Aufnahme eines Kredits u uhrt in t = 2 ¨ber 50 Millionen $ begleichen. Dies f¨ allerdings zu einer R¨ uckzahlung des Kredits inklusive Zinsen in H¨ohe von (1 + rf )50 Millionen $. Dazu kommt dann noch die letzte Zahlung aus dem urspr¨ unglichen Futures–Vertrag in ˜ ¨ Abh¨angigkeit des Olpreises in t = 2 in H¨ohe von (S2 − 25) × 2 Millionen $. Die Zahlungen bei dieser Strategie sind in der folgenden Tabelle zusammen gefasst: Tabelle 3.1: Futures–Strategie ohne Tailing Future in t = 0 Anlage/Kredit Kauf des Roh¨ ols Zahlungen
t=1 ˜ F1 − F0 −(F˜1 − F0 ) 0 0
t=2 ˜ S2 − F˜1 ˜ (1 + rf )(F1 − F0 ) −S˜2 rf F˜1 − F0
Es ergibt sich eine Zahlung in t = 2, die von der Kursentwicklung des Futures–Preises auf Roh¨ol abh¨angt und in der Regel unsicher sein d¨ urfte. Um auch mit Futures eine vollst¨andigen Absicherung des Roh¨olpreises hinzukriegen, muss man etwas geschickter vorgehen, und die Hedging–Strategie etwas anpassen. Im Englischen nennt man das ,,tailing the hedge”, also den Hedge zuschneiden. Dies funktioniert wie folgt: Die Raffinerie schließt in t = 0 Futures nur auf (1 + rf )−1 × 2 Millionen Barrel Roh¨ol zum aktuellen Futures–Preis von 50 $ ab. Dies f¨ uhrt in t = 1, wenn der Futures–Preis auf 25 $ f¨allt, zu einer Zahlung von (1 + rf )−1 × 50 Millionen $, f¨ ur die wieder ein Kredit aufgenommen wird. Außerdem werden weitere Futures abgeschlossen, zum Kauf von (1 − (1 + rf )−1 ) × 2 Millionen Barrel Roh¨ol, diesmal nat¨ urlich zum aktuellen Futures–Preis von 25 $. In t = 2 sind f¨ ur den Kredit inklusive Zinsen 50 Millionen $ zu zahlen. Außerdem f¨ uhren die in t = 0 abgeschlossenen Futures zu einer Restzahlung von (1 + rf )−1 50 Millionen $ und die in t = 1 abgeschlossenen Futures zu einer Zahlung von (1 − (1 + rf )−1 )50 Millionen $. Zusammengerechnet ergibt das eine sichere Zahlung von 100 Millionen $. Tabelle 3.2: Futures–Strategie mit Tailing Future in t = 0 Anlage/Kredit Future in t = 1 Kauf des Roh¨ ols Zahlungen
t=1 (1 + rf )−1 (F˜1 − F0 ) −(1 + rf )−1 (F˜1 − F0 ) 0 0 0
t=2 (1 + rf )−1 (S˜2 − F˜1 ) F˜1 − F0 −1 ˜ (1 − (1 + rf ) )(S2 − F˜1 ) −S˜2 −F0
Man sieht, eine Hedging–Strategie mit Futures, die zu einer sicheren Zahlung in T f¨ uhrt, muss ¨ dynamisch sein. Das Ganze funktioniert im Ubrigen nur dann, wenn die zuk¨ unftigen Zinss¨atze
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29 bekannt sind. Wir haben in dem obigen Beispiel der Einfachheit halber angenommen, dass die Zinss¨atze sogar konstant sind. Bei mehr als drei Perioden sieht eine Hedging–Strategie mit Futures, die zu einer vollst¨andigen Eliminierung des Risikos f¨ uhrt bei konstanten Zinss¨atzen wie folgt aus: f¨ ur jede Einheit des zu hedgenden Underlyings werden in t = 0 (1 + rf )−(T −1) Futures abgeschlossen. In t = τ werden ((1 + rf )−(T −τ −1) − (1 + rf )−(T −τ ) ) neue Futures abgeschlossen. Marginzahlungen werden zum risikolosen Zinssatz angelegt bzw. geliehen. Die Hedging–Strategie f¨ uhrt dazu, dass wir in jeder Periode genau (1 + rf )−(T −τ −1) Futures je Einheit des Underlyings halten, also im Zeitpunkt 0 genau (1 + rf )−(T −1) Einheiten des Futures, im Zeitpunkt 1 genau (1 + rf )−(T −2) Einheiten des Futures, .. . im Zeitpunkt T − 1 genau (1 + rf )0 (=eine) Einheit des Futures. Etwas lax gesprochen k¨onnte man sagen: wir bauen die Futures–Position schrittweise auf: wir beginnen bei (1 + rf )−(T −1) und erh¨ohen mit der Zeit schrittweise auf eins. Welche Zahlungsstr¨ome l¨ost diese Strategie aus? Im nullten Zeitpunkt fließt kein Geld zwischen dem Investor und der Clearingstelle. Im ersten Zeitpunkt hat sich der Futures–Preis f1 ge¨andert und wir haben Margins zu zahlen. Insgesamt betr¨agt die H¨ohe dieser von F0 zu F margins (1 + rf )−(T −1) | {z }
f−F ) . · (F | 1 {z 0}
(3.1)
in t = 0 gehaltene Menge margin je future
Unmittelbar nach Zahlung der margins erh¨ohen wir Futures–Position von (1 + rf )−(T −1) auf (1 + rf )−(T −2) und halten sie f¨ ur den Rest der Periode. Nach Ablauf eben dieser Periode sind f1 nach F f2 bewegt – also sind wieder wir im Zeitpunkt t = 2. Der Futures–Preis hat sich von F Margins an das Clearinghaus zu leisten. Wieder sind die zuk¨ unftigen Futures–Preise heute noch nicht sicher, daher die Tilden. Die Margins betragen (1 + rf )−(T −2) | {z }
·
in t = 1 gehaltene Menge
f−F f) (F | 2 {z 1}
.
(3.2)
margin je future F1
Dieses Spiel setzt sich weiter fort und wir erkennen, dass im Zeitpunkt t = T letztmalig Margins in H¨ohe von fT − Fg (1 + rf )0 (F T −1 )
(3.3)
zu leisten sind. Jetzt m¨ ussen wir nur noch zusammenz¨ahlen, um die Gesamtmenge der Zahlungen in T zu bestimmen. Die Zahlung in T setzt sich aus der Summe der Margin–Zahlungen u ¨ber die Laufzeit zusammen, die man zwischenzeitlich am Kapitalmarkt zum Zinssatz rf angelegt
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30 bzw. geborgt hat. Wir erhalten aus (3.1), (3.2) und (3.3) f1 − F0 ) · (1 + rf )T −1 + Gesamtzahlung = (1 + rf )−(T −1) (F f2 − F f1 ) · (1 + rf )T −2 + + (1 + rf )−(T −2) (F 0 fT − Fg + . . . + (1 + rf )0 (F T −1 ) · (1 + rf ) f1 − F0 ) + (F f2 − F f1 ) + . . . + (F fT − Fg = (F T −1 )
fT − F0 ) = S fT − F0 . = (S Unabh¨angig davon wie sich die Futures–Preise Fe in der Zukunft entwickeln, erzielt man dieser Strategie immer den gleichen Zahlungsstrom wie beim Forward. Zwar erzwingt dieses Gesch¨ aft zwischendurch Einzahlungen (die Margins), die aber durch das Endverm¨ogen wieder finanziert werden. Jede Bank sollte also bereit sein, daf¨ ur dem Investor einen Kredit zu gew¨ahren.2
3.3.3 Futures–Preis Wir haben verstanden, wie Preise f¨ ur Forwards zustande kommen. Wie aber sind Futures zu bewerten? Wie halten das folgende wichtige Resultat fest. Satz 1 (Forwards und Futures) Sind die Kassazinss¨ atze nicht stochastisch, dann stimmen Forward– und Future–Preise u ¨berein. Beweis: Wir werden uns hier der Einfachheit halber auf eine Situation beschr¨anken, bei der die Kassazinss¨atze konstant sind (so genannte “flache Zinsstrukturkurve”). Wer einen allgemeineren Beweis haben will, muss dies in der Literatur nachlesen.3 Wir betrachten einen Forward Kontrakt auf ein im Zeitpunkt T zu lieferndes Gut. Dieses Gut wird im Zeitpunkt T den Preis S˜T haben. Dieser Preis kann heute unsicher sein, wir haben ihn daher mit einer Schlange gekennzeichnet. Der Investor kann heute einen Forward auf eine Lieferung zum Preis F O0 in T abschließen. Des weiteren gebe es einen Future, der ebenfalls im Zeitpunkt T die Aktie liefere; der vereinbarte Future Preis sei gerade F0 . Wir wollen zeigen, dass die Relation F O0 = F0
(3.4)
gilt. Angenommen, die Relation w¨are nicht erf¨ ullt und der Forward und der Future Preis w¨ urden nicht u ¨bereinstimmen F O0 6= F0 . 2
f
Der Investor erhielte also beispielsweise im Zeitpunkt t = 1 einen Kredit in H¨ ohe von (1+rf )−T (F1 −F0 ) (oder w¨ urde diesen Geldbetrag anlegen), im Zeitpunkt t = 2 einen Kredit in H¨ ohe von (1 + rf )−(T −1) (F2 − F1 ) (oder w¨ urde diesen Geldbetrag anlegen) usw. und m¨ usste daf¨ ur im Zeitpunkt T den Betrag
f
f g
f f
f
(1 + rf )−T (F1 − F0 ) · (1 + rf )T + . . . + (1 + rf )−1 (FT − FT −1 ) · (1 + rf ) = ST − F0 3
zur¨ uckzahlen (oder w¨ urde ihn aus der Geldanlage erhalten). Siehe Cox, Ingersoll & Ross (1981).
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31 Der Einfachheit halber sei F O0 gr¨ oßer als F0 .4 Dann werden wir zeigen, dass es f¨ ur den Investor eine M¨oglichkeit gibt, unendlich reich zu werden. Das aber ist an Finanzm¨arkten unm¨oglich: also k¨onnen Forward und Future Preis nicht auseinanderfallen. Gleichung (3.4) gilt. ¨ F¨ ur die nun folgenden Uberlegungen wird es wichtig sein, die zuk¨ unftige Preisbewegung des Futures genauer zu beobachten. Im Zeitpunkt t = 0 wurde ein Preis von F0 vereinbart, eine Periode sp¨ater wird ein (heute unsicherer) Future Preis von F˜1 vereinbart, danach F˜2 usw. bis zum Endzeitpunkt F˜T = S˜T . Der Forward hat in t = T eine Auszahlung (nachdem man das Underlying damit verrechnet hat) in H¨ ohe von ST − F O0 . Die Gewinn-und-Verlust-Position des Futures h¨angt dagegen von der Entwicklung der Future-Preise zwischen t = 0 und t = T und von den herrschenden Zinss¨atzen. W¨ urde man zum Beispiel genau einen Future in t = 0 shorten, so erg¨aben sich in jeder Periode t laufende Margin-Zahlungen von F˜t − F˜t−1 . Diese Zahlungen f¨ uhren wiederum bis zum F¨alligkeitsdatum T zu Zinszahlungen von (1 + rf )T −t je gezahlter bzw. erhaltener Geldeinheit f¨ uhren. Bis zum F¨alligkeitszeitpunkt h¨atten sich also T X
(F˜t − F˜t−1 )(1 + rf )T −t
t=1
angesammelt. Dies ist etwas ganz anderes als die Zahlung des Forwards. Insbesondere ist vollkommen unklar, ob dies mehr oder weniger als die Zahlung des Forwards ist. Deshalb m¨ ussen wir wie im vorangehenden Abschnitt eine Hedging–Strategie zuschneidern (,,Tailing the Hedge”) mit der wir genau die gleichen Zahlungen wie beim Forward erhalten. Wir halten einen Forward short und und verfolgen wie die im letzten Abschnitt beschriebene dynamische Hedging–Strategie, bei der wir in t = 0 (1 + rf )−(T −1) Einheiten des Futures halten und diese Position schrittweise auf Eins erh¨ohen. Unabh¨angig davon wie sich die Futures–Preise Fe in der Zukunft entwickeln, erzielt man immer ein positives und sicheres Endverm¨ogen in H¨ohe von F O0 −F0 . W¨ urde der Investor also unsere Strategie oft genug durchf¨ uhren, dann w¨ urde er durch die Koppelung von futures und dem forward Gesch¨aft am Laufzeitende auf ein positives Endverm¨ogen kommen. Dieser Gewinn ist sicher, am Ende der Laufzeit betr¨agt der Kontostand immer F O0 − F0 , unabh¨angig davon wie sich die Futures–Preise w¨ahrend der Laufzeit entwickelt haben! Unser Investor kann durch die von uns gew¨ahlte Strategie unendlich reich werden. Das aber war nicht m¨oglich, also m¨ ussen Forward und Futures–Preise u ¨bereinstimmen. Haben Sie bemerkt, an welcher Stelle im Beweis die Voraussetzung sicherer Zinss¨atze einging? Achten Sie auf die Gleichung (3.1). Diese Gleichung beschreibt, wie viel von dem ersten Future der Investor erwerben muss. Der Zinssatz vor dem Term F1 − F0 k¨ urzte sich in der −(T −1) T −1 Endverm¨ ogensrechnung bei VT wieder: (1 + rf ) · (1 + rf ) = 1. W¨aren nun die Zinss¨atze unsicher, so m¨ usste der Aufzinsungsfaktor rechts unsicher sein. Dann aber m¨ usste demzufolge auch die Menge an futures, die der Investor kaufen muss, von diesem unsicheren Faktor bestimmt werden, damit wir im Ergebnis wieder eins erhalten. Wir w¨ ussten also gar nicht, wie viel Mengen an future der Investor zu erwerben h¨atte (diese Menge w¨are unsicher).5 4 5
Im anderen Fall muss nur die Strategie angepaßt werden. Eine unsichere Strategie kann man nicht durchf¨ uhren, das w¨ are genauso wie der Rat “kaufen Sie die Aktie heute nur dann, wenn sie ihr zuk¨ unftiger Wert verdoppeln wird.” Wie soll man jetzt wissen, ob sich der
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32 Mithin k¨ onnten wir unsere Strategie bei unsicheren Zinss¨atzen nicht durchf¨ uhren.
3.3.4 Basisrisiko Idealerweise w¨ urde man immer gerne alle Risiken komplett hedgen. Dies ist nicht immer m¨oglich. Forwards sind h¨aufig nicht zu haben und Futures werden nur auf bestimmte Underlyings mit bestimmten Qualit¨atseigenschaften und nur zu bestimmten Terminen gehandelt. Es wird eher selten vorkommen, dass man den Future kaufen kann, der genau die Risiken eliminiert, mit denen man es zu tun hat. In der Regel wird man ein solches Derivat nicht finden und sich deshalb mit einem eng verwandten Future zufrieden geben m¨ ussen. Gr¨ unde hierf¨ ur sind: • Das Gut, dessen Preis gehedget werden soll, entspricht nicht genau dem Underlying des Futures. Zum Beispiel wird man sich, wenn keine Futures auf Flugbenzin gehandelt werden, mit Futures auf Heiz¨ol begn¨ ugen m¨ ussen. • Der Termin, an dem das Gut ge- oder verkauft werden soll, entspricht nicht dem Termin, an dem der Future f¨allig wird. Futures werden in der Regel nur mit F¨alligkeiten zu bestimmten Monaten gehandelt und sind h¨aufig bei l¨angeren Laufzeiten recht illiquide. In solchen F¨allen wird es in der Regel nicht m¨oglich sein, die Risiken vollst¨andig zu eliminieren. Das nicht hedgbare Restrisiko wird als Basisrisiko bezeichnet. Trotzdem ist es m¨oglich durch den Einsatz von Derivaten die Risiken (verstanden als Varianz der Gewinne) zu mindern. Wenn es zu dem gew¨ unschten Termin kein Future gibt, wird die risikomindernde Strategie dann so aussehen, dass man Futurevertr¨age mit einer etwas l¨angeren Laufzeit als das zu hedgende Gesch¨aft eingeht und diese zum Zeitpunkt des Gesch¨aftes durch ein Gegengesch¨ aft glattstellt. Bei einem Underlying, auf das gar keine Futures gehandelt werden, wird man Futures auf ein nahe verwandtes Underlying verwenden. Die Hedge Ratio gibt die optimale H¨ohe der Verpflichtungen an, die mit Futures eingegangen wird, im Verh¨altnis zur Position, die abgesichert werden soll. Bei passgenauen Hedges ist die Hedge Ratio gleich 1,0, das heißt, um ein Wechselkursrisiko von US$ 500.000 abzusichern, wird man Futures auf genau US$ 500.000 abschließen. Wenn kein passgenaues Produkt zur Verf¨ ugung steht, ist eine andere Hedge Ratio als 1,0 unter Umst¨anden optimal. Die optimale Hedge Ratio ergibt sich wie folgt. Wenn wir long in einem bestimmten Gut sind und short in den Futures in einem Verh¨altnis h zum Gut, dann entspricht unsere erwartete Verm¨ogensposition derzeit S − hF , wobei S den Spot Preis des Gutes und F den Future Preis bezeichnet. Bei einem long Hedge ist es genau umgekehrt: hF − S. In beiden F¨allen ist die Varianz unserer Position ν = σS2 + h2 σF2 − 2hρσS σF , wobei σS und σF die Standardabweichungen der Preise des Gutes bzw. des Futures und ρ den Korrelationskoeffizienten bezeichnen. Die optimale Hedge Ratio ergibt sich f¨ ur dasjenige h∗ , bei dem die Varianz minimal ist. Dies ergibt sich aus ∂ν = 2hσF2 − 2ρσS σF = 0, ∂h zuk¨ unftige Wert verdoppeln wird?
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33 woraus folgt: h∗ = ρ
σS . σF
Beispiel. Ein Unternehmen beabsichtigt in drei Monaten 1 Million Liter Flugbenzin zu kaufen. Der Preis von Flugbenzin hat eine Standardabweichung von 0,032. Der n¨achstbeste Hedge ist Heiz¨ol. Der Future Preis von Heiz¨ol hat eine Standardabweichung von 0,040 und der Korrelationskoeffizient ist 0,8. Die optimale Hedge Ratio ist folglich 0, 8 ×
0, 032 = 0, 64. 0, 040
Das Unternehmen sollte also Futures auf 640.000 Liter Heiz¨ol erwerben.
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4 Optionen 4.1 Put-Call-Parit¨ at f¨ ur europ¨ aische Vanilla–Optionen Wir wollen in diesem Abschnitt einen fundamentalen Zusammenhang von Put– und Callpreisen herleiten, der als Put–Call–Parit¨at bekannt ist. Dazu gehen wir von einem Modell mit zwei Zeitpunkten und einer unsicheren Zukunft aus. Eine Aktie werde heute zum Preis S0 gehandelt und verspreche in der Zukunft einen unsicheren Ertrag S˜1 . Ebenso werde heute ein europ¨aischer Call zum Preis von C0 und ein europ¨aischer Put zum Preis von P0 angeboten. Ein Marktteilnehmer, der • eine Aktie erwirbt, • einen europ¨aischen Put kauft und • einen europ¨aischen Call verkauft, nimmt eine vollkommen risikolose Position ein. Dabei gehen wir davon aus, dass beide Optionen auf die gleiche Aktie geschrieben werden, diese Aktie w¨ahrend der Laufzeit keine Dividenden zahlt und beide Optionen das gleiche Verfalldatum und einen identischen Aus¨ ubungspreis K haben. Betrachten wir Tabelle 4.1. Die Tabelle enth¨alt eine Fallunterscheidung bei den Tabelle 4.1: Risikoloses Portfolio Finanztitel
Preis in t = 0
Kauf einer Aktie Kauf einer Verkaufsoption Verkauf einer Kaufoption Portfolio
S0 P0 −C0 S0 + P0 − C0
R¨ uckfl¨ usse in t = 1 S˜1 > K S˜1 ≤ K S˜1 S˜1 0 K − S˜1 K − S˜1 0 K K
R¨ uckfl¨ ussen im Zeitpunkt t = 1: entweder ist der zufallsabh¨angige Aktienkurs S˜1 dann gr¨oßer als der Basispreis oder nicht. • Betrachten wir zun¨achst die Aktie. Ihr k¨ unftiger Kurs S˜1 ist nicht vorhersehbar. • Wer eine Verkaufsoption erworben hat, wird diese aus¨ uben, wenn sp¨ater der Zustand S˜1 < K eintritt. Gegen Lieferung der Aktie erh¨alt man vom Stillhalter den Basispreis. Also belaufen sich die R¨ uckfl¨ usse auf K − S˜1 . Tritt der aus Sicht des Putk¨aufers ung¨ unstige Zustand auf, so ist die Verkaufsoption wertlos und verf¨allt.
34
35 • Durch den Verkauf der Kaufoption erwirbt der K¨aufer das Recht, die Aktie zu kaufen, wenn dieser das w¨ unscht. Die Aus¨ ubung wird stattfinden, wenn der Zustand S˜1 > K eintritt. Auch in diesem Fall belaufen sich die R¨ uckfl¨ usse auf K − S˜1 . Tritt dagegen die Situation S˜1 < K ein, so wird der Callk¨aufer darauf verzichten, die Option auszu¨ uben. Die Tabelle zeigt deutlich, dass die R¨ uckfl¨ usse im Zeitpunkt t = 1 ebenso groß sein werden wie der Basispreis K. Die Erkl¨arung ist einfach. Dadurch, dass wir sowohl einen Put kaufen als auch einen Call verkaufen, sorgen wir daf¨ ur, dass die Aktie im Zeitpunkt t = 1 auf jeden Fall zum Preis K verkauft wird. Damit sind die k¨ unftigen Einnahmen absolut sicher. Wir haben aus drei – zum Teil h¨ochst riskanten – Komponenten ein vollkommen risikoloses Portfolio konstruiert. Der Preis dieses Portfolios muss auf einem arbitragefreien Markt daher dem mit dem risikofreien Zins rf diskontierten Basispreis K entsprechen. Mithin gilt der als Put–Call–Parit¨at bezeichnete Zusammenhang (1 + rf )(S0 + P0 − C0 ) = K.
(4.1)
4.2 Das Zwei–Zeitpunkte Zwei–Zust¨ ande Modell In diesem Kapitel wollen wir uns mit der Frage besch¨aftigen, ob und inwieweit auch Optionspreise ohne R¨ uckgriff auf die Psychologie des Marktes oder die Risikoneigung von Investoren bestimmt werden k¨onnen. Bei Futures und Forwards gelang dies unter bestimmten Annahmen. Wir werden sehen, dass die Herleitung bei Optionen um einiges aufwendiger ist. Zuerst werden wir uns dazu eines sehr einfachen Modelles bedienen. Wir betrachten zuerst eine Situation, in der es nur einen Zeitpunkt in der Zukunft gebe. Diese Zukunft sei zwar unsicher, aber die Unsicherheit bestehe nur aus zwei m¨oglichen Zust¨anden. Wir betrachten zuerst zwei Titel: eine Aktie S sowie einen risikolosen Titel (bond) B. Die Auszahlungen der beiden Titel in den beiden Zust¨anden werden wir durch Indizes darstellen. Die Aktie zahlt also im Zustand 1 den Geldbetrag S1 und S2 im zweiten Zustand. Der Einfachheit halber sei S1 < S2 . Der Bond ist risikolos und zahlt (0 <) B1 = B2 . Will ein Investor heute die Aktie erwerben, dann muss er den Betrag S0 zahlen, f¨ ur den Bond w¨aren B0 f¨allig. Damit auch Aktien tats¨achlich gekauft werden, muss die Rendite des Bondes zwischen den beiden unsicheren Renditen der Aktie liegen: S1 B1 S2 ≤ ≤ . S0 B0 S0
(4.2)
Jetzt f¨ uhren wir einen Call in unsere Welt ein. Dieser Call sei eine Option mit Laufzeit t = 1 und Basispreis K. Damit unsere Option auch wirklich ein bedingtes Termingesch¨aft wird, muss sinnvollerweise (0 <) S1 < K < S2
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36 sein. Anderenfalls w¨ urde die Option immer ausge¨ ubt (und w¨are nicht mehr als eine Aktie abz¨ uglich einer festen Geb¨ uhr) oder nie ausge¨ ubt (und dann wertlos). Was k¨onnen wir u ¨ber den Preis dieses Calls C0 aussagen? Bevor wir diese Frage beantworten, betrachten wir die Auszahlungsstruktur des Calls. Es gilt Cs = max(Ss − K, 0)
=⇒
C1 = 0, C2 = S2 − K.
Wir werden jetzt zur Bewertung des Calls wie folgt vorgehen. Wir bilden ein Portfolio aus der Aktie und dem Bond, das eine identische Auszahlungsstruktur wie der Call hat. Wenn diese beiden Wertpapier (Call und Portfolio) aber identische Auszahlungen haben, m¨ ussen auch die Preise identisch sein. Daraus werden wir eine Gleichung f¨ ur den Preis des Calls ableiten. Man kann die Idee, die wir jetzt verfolgen werden, auch wie folgt beschreiben. Bisher haben wir am Markt nur die Aktie und den Call betrachtet. Dadurch, dass wir in unser Blickfeld nun den Bond mit einbeziehen (der ja auf den ersten Blick nichts mit dem Call zu tun zu haben scheint), gelingt uns die Nachbildung und damit letztendlich die Bewertung des Call. Dieser Trick ist keinesfalls offensichtlich, und er stellte (nat¨ urlich in einem etwas aufwendigeren Modell) die eigentliche Leistung von Black und Scholes dar. Wie muss ein Portfolio aus Aktie und Bond aufgebaut sein, damit wir eine zum Call identische Zahlungstruktur erhalten? Wir w¨ urden nS Aktien und nB Bonds erwerben und h¨atten im Zeitpunkt t = 1 die Auszahlungen Zustand 1:
nS S1 + nB B1 = 0
(= C1 )
Zustand 2:
nS S2 + nB B1 = S2 − K
(= C2 )
Dieses Gleichungssystem hat eine L¨osung in den Variablen nS und nB genau dann, wenn die Determinante nicht verschwindet. Diese Bedingung bedeutet aber S1 B1 − S2 B1 6= 0
=⇒
S1 6= S2 , B1 6= 0
und genau das hatten wir vorausgesetzt. Die L¨osung des Gleichungssystems (Cramersche Regel) ergibt 0B1 − (S2 − K)B1 S1 B1 − S2 B1 S2 − K = S2 − S1
nS =
S1 (S2 − K) − S2 0 S1 B1 − S2 B1 S1 S2 − K =− B1 S2 − S1
nB =
Wenn wir nS und nB kennen, heißt das: der Call muss zu einem Preis von S2 − K S1 S 2 − K S0 − B0 S2 − S1 B1 S2 − S1 S0 B1 − S1 B0 ·(S2 − K) · (S2 − S1 )B0
C0 = nS S0 + nB B0 = =
B0 B1 |{z}
(4.3)
1 = 1+r
f
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37 gehandelt werden. W¨are der Call teurer, dann w¨ urden wir ihn mittels der Aktie und dem Bond nachbauen und h¨atten ein identisches Produkt zu einem niedrigeren Preis. Wir k¨onnten dieses Produkt anbieten und niemand w¨are bereit, den Call zu kaufen. Der Preis eines Calls ist damit allein durch die Daten der Aktie, des Bonds und dem Aus¨ ubungspreis vollst¨andig bestimmt. ¨ Wir k¨onnen folgenden Merksatz f¨ ur die weiteren Uberlegungen formulieren: In unserem spezifischen Modell ist der Preis eine Calls weder von der Risikoeinstellung der Investoren noch der Psychologie des Marktes bestimmt. Vielmehr ermittelt er sich anhand einer festen Regel aus den Daten der zugrundeliegenden Aktie und dem risikolosen Bond C0 = C0 (B, S, K).
Dieser Merksatz wurde nur f¨ ur Calls bewiesen. Er gilt offensichtlich auch f¨ ur Puts und, wie wir uns leicht u ur andere Optionen und Derivate. Wir halten weiter ¨berlegen k¨onnen, auch f¨ fest, dass wir den Preis der Derivate ermitteln konnten, weil es uns gelang, die Auszahlungen der Derivate mit Hilfe des Bonds und der Aktie nachzugestalten. Wir halten eine weitere interessante Eigenschaft fest. Uns hat im Verlauf der Rechnung nicht interessiert, mit welchen Wahrscheinlichkeiten der Investor das Eintreten der einzelnen Zust¨ande f¨ ur m¨oglich hielt. Auch f¨ ur die Bewertung des Calls waren diese Wahrscheinlichkeiten v¨ollig irrelevant. Wir gehen jetzt noch einen Schritt weiter. Angenommen, der Investor hielte zuf¨ allig folgende Wahrscheinlichkeiten f¨ ur die beiden Zust¨ande f¨ ur m¨oglich q2 =
S0 B1 − S1 B0 , (S2 − S1 )B0
q 1 = 1 − q2 .
(4.4)
Bevor wir weiterrechnen: wieso sind das wirklich Wahrscheinlichkeiten (einmal abgesehen von der Tatsache, dass diese Ausdr¨ ucke scheinbar vom Himmel fallen)? Pr¨ ufen wir nach, ob q1 zwischen 0 und eins liegt. Ist das der Fall, dann stellen (4.4) in der Tat Wahrscheinlichkeiten dar.
⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒
q2 ≥ 0 S0 B1 − S1 B0 ≥0 (S2 − S1 )B0 S0 B1 ≥ S1 B0 B1 S1 ≥ B0 S0
und das hatten wir zu Beginn vorausgesetzt (siehe Ungleichung (4.2)). V¨ollig analog folgt,
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38 dass q2 auch kleiner als eins ist q2 ≤ 1 S0 B1 − S1 B0 ≤1 (S2 − S1 )B0 S0 B1 − S1 B0 ≤ (S2 − S1 )B0 B1 S2 ≤ B0 S0
⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒
und auch das steht in Ungleichung (4.2). Zur¨ uck zu unserem Investor mit den auf den ersten Blick merkw¨ urdigen Wahrscheinlichkeiten. Wir werden den Erwartungswert unter diesen Wahrscheinlichkeiten besser nicht mit E [·] bezeichnen, da wir dies f¨ ur die tats¨achliche (man sagt auch subjektive) Wahrscheinlichkeit des Investors reservieren wollen. Statt dessen schreiben wir besser E Q [·]. Wenn dieser Investor diesen Erwartungswert der Zahlungen aus dem Call ermittelt und diese Zahlung risikolos diskontiert, dann erh¨alt er folgenden Ausdruck 1 B0 E Q [C] = q1 · 0 + q2 · (S2 − K) 1 + rf B1 B0 S0 B1 − S1 B0 = (S2 − K) B1 (S2 − S1 )B0 = C0
siehe (4.3).
Dieses Ergebnis halten wir in einem zweiten Merksatz fest. In unserem spezifischen Modell ist der Preis eine Calls auch als diskontierter Erwartungswert unter einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ermittelbar C0 =
1 E Q [C]. 1 + rf
Welchen Vorteil hat diese Formulierung? Auf den ersten Blick erlaubt sie eine sehr starke Analogie zu einer risikolosen Situation. Dort gilt ja selbstverst¨andlich C0 =
1 C. 1 + rf
Die Verallgemeinerung auf Unsicherheit bedeutet nun: w¨ahle die (bisher immer noch vom Himmel gefallenen) Wahrscheinlichkeiten und du bist in einer Situation, die der unter Sicherheit ¨außerst ¨ahnlich ist. Diese Wahrscheinlichkeit hat in der Literatur verschiedene Bezeichnungen: “risikoneutrale Wahrscheinlichkeit”1 , “Pseudowahrscheinlichkeiten” oder auch “Martingalmaß”. Wie k¨onnen wir unsere Erkenntnis des letzten Merksatzes ¨okonomisch interpretieren? Die Aussage bedeutet nichts anderes, als das unter dem Martingalmaß Q die Welt f¨ ur den Investor risikoneutral scheint. Er interessiert sich nur f¨ ur den Erwartungswert 1
Warum diese Wahrscheinlichkeit ausgerechnet “risikoneutral” heißt, kl¨ art sich sp¨ ater.
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39 und den risikolosen Zins, beide Gr¨oßen determinieren den Preis des Calls. Dieser Zusammenhang gilt nun, und das ist bis jetzt erst eine Vermutung, auch f¨ ur alle anderen Derivate. Und nun erkennen wir den Vorteil unsere Sichtweise. Wenn ein noch so kompliziert konstruiertes Derivat bewertet werden soll, dann l¨auft diese Bewertung nur noch auf eine einfache Diskontierung und die Bildung eines Erwartungswertes hinaus. Ob und inwieweit diese Ideen wirklich beweisbar sind – damit werden wir uns gleich besch¨aftigen. Einen weiteren Vorteil des letzten Merksatzes werden wir hier nur kurz notieren, ohne darauf n¨aher eingehen zu k¨onnen. Dieser Merksatz l¨asst sich problemlos2 auf Modelle mit mehreren Perioden verallgemeinern. Zahlt etwa ein Derivat in den Zeitpunkten t den Betrag Ct , dann ist sein Preis wieder die Summe der diskontierten Erwartungswerte C0 =
1 1 1 E Q [C1 ] + E Q [C2 ] + . . . + E Q [CT ]. 2 1 + rf (1 + rf ) (1 + rf )T
Die Details dieser Verallgemeinerung sind leider f¨ ur uns zu schwierig.
4.2.1 Was passiert bei drei Zust¨ anden? Bisher haben wir zwei Merks¨atze, deren Inhalt sich kurz gesagt wie folgt darstellt: der Preis eines Calls ist bestimmt durch die Daten eines Bonds sowie des underlying Asset und er kann interpretiert werden als diskontierter Erwartungswert unter dem risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaß. Das h¨ort sich nach einer klaren Erfolgsstory an. Um die Erwartungen ein wenig zu d¨ampfen, wollen wir das spezifische Modell unseres Abschnittes um ein eher nebens¨achliches Detail a¨ndern und schauen, ob wir immer noch zu unseren Ergebnissen kommen. Statt zwei seien jetzt drei Zust¨ande in der Zukunft m¨oglich. Der Bond zahlt immer noch B1 , die Aktie hat aber nun m¨ogliche Auszahlungen der H¨ohe S1 < S2 < S3 . Der Aus¨ ubungspreis K bewege sich zwischen S1 und S2 . Gelten unsere Merks¨atze immer noch? Um diese Frage zu beantworten, werden wir einfach die oben durchgef¨ uhrten Rechnung wiederholen. Wir fragen also, wie viel Bonds und Aktien wir kaufen m¨ ussen, damit wir den Call duplizieren k¨onnen. Wie oben l¨auft dies auf die L¨osung eines Gleichungssystems hinaus. Wir fragen, welche nB und nS das folgende Gleichungssystem erf¨ ullen
Zustand 1:
nS S1 + nB B1 = 0
(= C1 )
Zustand 2:
nS S2 + nB B1 = S2 − K
(= C2 )
Zustand 3:
nS S3 + nB B1 = S3 − K
(= C3 )
Und jetzt haben wir ein Problem. Unser lineares Gleichungssystem ist u ¨berbestimmt: drei Gleichungen f¨ ur zwei Variablen. Es gibt verschiedene M¨oglichkeiten. So k¨onnte beispielsweise 2
“Problemlos” heißt hier nicht “einfach”. Der Beweis ist ziemlich aufwendig, aber er ist ohne unrealistische Annahmen m¨ oglich.
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40 u ¨berhaupt keine L¨osung existieren. Das bedeutet, dass der Call sich nicht aus der Aktie und dem Bond replizieren l¨asst. Und dann ist auch nicht mehr nachzuvollziehen, inwieweit der Preis des Calls C0 allein eine Funktion des Bonds B und der Aktie S sein soll. Unser Merksatz zum Preis des Calls fußte ja auf der Idee, die Auszahlungen des Calls nachbauen zu k¨onnen. Wir stellen fest, dass in diesem Modell alles andere als klar ist, ob der erste Merksatz3 oder der zweite Merksatz4 gelten. Wir m¨ ussen uns jetzt etwas ausf¨ uhrlicher mit den Annahmen besch¨aftigen, die eine Bewertung von Optionen erlauben. Wann kann man den Preis einer Option aus dem underlying und dem Preis des Bonds ableiten? Diese Frage stellen wir uns im n¨achsten Abschnitt. Unser Ziel ist es, die eher vage formulierten Merks¨atze auf eine fundierte Grundlage zu stellen und exakt zu beweisen.
3 4
Anmerkung: er gilt nicht. Anmerkung: er gilt.
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5 Ein allgemeines Bewertungsmodell 5.1 Das Grundmodell bei zwei Zeitpunkten: Umweltzust¨ ande, Erwartungen und Wertpapiere Wir wollen nun ein Modell n¨aher betrachten, das eine unsichere Zukunft zum Gegenstand haben wird. Wie wird die Unsicherheit formal dargestellt? Wir unterscheiden zwei Zeitpunkte, die eine festgelegte Einheit (etwa ein Jahr) auseinanderliegen. W¨ahrend der heutige Zeitpunkt sicher ist, soll diese Zukunft unsicher sein. Wir setzen voraus, dass es insgesamt S einander wechselseitig ausschließende Zust¨ande in dieser Zukunft geben kann, die wir mit dem Index s = 1, . . . , S bezeichnen. Wir gehen weiter davon aus, dass wir jedem Zustand s eine Wahrscheinlichkeit seines Eintretens zuordnen k¨onnen. Diese Wahrscheinlichkeit bezeichnen wir mit q(s), sie ist sinnvollerweise gr¨oßer null und alle q(s) summieren sich nat¨ urlich zu eins. Da wir Wahrscheinlichkeiten der Zust¨ande kennen, werden wir Erwartungswerte berechnen k¨onnen. Es gebe an unserem Markt insgesamt nur ein handelbares Gut, und dabei soll es sich um Geld handeln. Ein Finanztitel wird durch einen lateinischen Großbuchstaben beschrieben
X=
X(1) X(2) .. . X(S)
←− ←−
Menge an Zahlung im ersten Zustand Menge an Zahlung im zweiten Zustand .. .
←−
Menge an Zahlung im S–ten Zustand
Der Erwartungswert der Zahlung von X unter der subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilung des Investors kann durch die Gleichung E [X] =
S X
q(s) · X(s)
s=1
berechnet werden. Der Preis des Titel X ist derjenige Geldbetrag, den man im Zeitpunkt 0 zahlen muss. Daher bezeichnen wir den Preis auch mit X0 . Wir verfolgen hier folgendes Prinzip bei den Bezeichnungen: Zeitpunkte werden als Indizes dargestellt, Zust¨ande durch Argumente in Klammern. F¨ ur X ist im Zeitpunkt 0 also X0 zu zahlen, im Zustand 5 liefert dann der Titel X(5). Pr¨aziserweise m¨ ussten wir X1 (5) schreiben, und das werden wir im n¨achsten Abschnitt auch tun. Ein Wertpapier in dem Grundmodell der Unsicherheit ist genau dann risikolos, wenn es genau eine Geldeinheit in jedem Zustand auszahlt. Wir werden es auch durch eine fett gedruckte
41
42 eins darstellen: 1 1 1 := . ..
.
1 Der Preis dieses Wertpapiers wird den risikolosen Zins determinieren, und es gilt 10 =
1 . 1 + rf
5.2 Arrow–Debreu–Titel und Vollst¨ andige M¨ arkte Wir wollen uns zuerst mit der Frage besch¨aftigen, unter welchen Voraussetzungen ein Call oder ein anderes Derivat aus vorhandenen Wertpapieren zusammengesetzt werden kann. Dabei gehen wir von der Annahme aus, dass bestimmte Wertpapieren X und Y gegeben sind. Neben diesen Wertpapieren k¨onnen auch Portfolios der Form aX + bY gehandelt werden. Die Koeffizienten a und b k¨onnen gebrochene Zahlen sein (in diesem Fall erwerben wir nur Teile einer Aktie) und es ist auch m¨oglich, dass die Koeffizienten negative Werte annehmen. Ein negatives a bedeutet, dass der Investor in diesem Fall die Aktie oder das Wertpapier in der Zukunft zur¨ uckgeben muss – negative Koeffizienten sind somit als Leerverk¨aufe von Finanztiteln zu interpretieren.1 Wenn wir nun ein Wertpapier mit beliebigen Zahlungen vor uns haben – wie k¨onnen wir entscheiden, ob es ebenfalls gehandelt wird? Diese Fragestellung f¨ uhrt auf den Begriff des vollst¨andigen Marktes. Ein Markt ist vollst¨andig, wenn (lax gesprochen) jedes nur m¨ogliche Wertpapier gehandelt werden kann. Wir m¨ ussen an dieser Stelle etwas pr¨aziser werden. Definition 1 Ein Markt ist vollst¨ andig genau dann, wenn jedes Wertpapier mit irgendwelchen Zahlungen X(s) in den Zust¨ anden s gehandelt wird. Sei s ein beliebiger Zustand. Wir bezeichnen mit As denjenigen Arrow–Debreu–Titel, welcher im Zustand s gerade 1 Geldeinheit und sonst nichts auszahlt. Arrow–Debreu–Titel werden auch reine Wertpapiere genannt. Arrow–Debreu–Titel sind deshalb f¨ ur einen Finanzmarkt von grundlegender Bedeutung, weil mit ihrer Hilfe jedes beliebige Wertpapier konstruiert werden kann. Betrachten wir dazu ein Beispiel. Beispiel. Wir betrachten einen Markt mit drei m¨oglichen Zust¨anden und wollen ein Wertpapier handeln, das im ersten Zustand gerade 3 Geldeinheiten, im zweiten Zustand 4 Geldeinheiten und im letzten Zustand –2 Geldeinheiten auszahlt. Dieses Wertpapier kann mit Hilfe eines Portfolios aus den drei Arrow–Debreu–Titeln wie folgt konstruiert werden X = 3A1 + 4A2 − 2A3 . 1
Ein Titel wird leer verkauft, wenn man ihn sich borgt, einer anderen Person verkauft und eine Periode sp¨ ater wieder zur¨ uckgibt. Ein “Leerverkauf von Geld” ist ein klassischer Kredit.
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43 Wir erkennen unmittelbar Satz 2 Ein Markt ist genau dann vollst¨ andig, wenn zu jedem Zustand s der Arrow–Debreu– Titel As gehandelt wird. An einem vollst¨andigen Markt kann jedes Derivat (beispielsweise ein Call, aber auch ein Put) durch Zahlungen der Arrow–Debreu–Titel dupliziert werden. Diese Duplizierbarkeit war eine Grundvoraussetzung, um Aussagen u ¨ber die Bewertung der Derivate treffen zu k¨onnen. Eine realistische Situation stellt sich uns aber typischerweise anders dar. Wir gehen von bestimmten Wertpapieren aus, die wir handeln k¨onnen, aus denen wir also Portfolios durch Zusammenlegen oder Trennen bilden k¨onnen. Diese Titel sind aber nicht notwendigerweise Arrow–Debreu–Titel. Wie k¨onnen wir anhand einer vorgegebenen Menge von Wertpapieren X 1 , X 2 , . . . , X n erkennen, ob aus dieser Menge alle notwendigen Arrow–Debreu–Titel gebildet werden k¨onnen? Eine diesbez¨ ugliche Aussage werden wir jetzt beweisen. Satz 3 (Vollst¨ andiger Markt) Ein Markt werde aus einer Menge von Wertpapieren X 1 , X 2 , . . . , X n und den daraus m¨ oglichen Portfolios gebildet. Wenn die Bedingungen • n=S • die Determinante der Matrix der Wertpapierzahlungen ist von null verschieden erf¨ ullt sind, dann ist der Markt vollst¨ andig. Beweis: Wir betrachten die Wertpapiere X 1 , X 2 , . . . , X S und die Matrix der entsprechenden Wertpapierzahlungen X 1 (1) X 2 (1) . . . X S (1) .. .. .. . . . X 1 (S)
X 2 (S)
...
X S (S)
Soll aus den Wertpapieren X 1 , X 2 , . . . , X S nun beispielsweise der Arrow–Debreu–Titel A1 gebildet werden, dann k¨onnen wir wie folgt vorgehen. Wir m¨ ussen Koeffizienten a1 , . . . , aS derart bestimmen, dass das Gleichungssystem (A1 (1) =) 1 = a1 X 1 (1) + a2 X 2 (1) + · · · + aS X S (1) (A1 (2) =) 0 = a1 X 1 (2) + a2 X 2 (2) + · · · + aS X S (2) .. . (A1 (S) =) 0 = a1 X 1 (S) + a2 X 2 (S) + · · · + aS X S (S)
eine L¨osung in den Koeffizienten besitzt. Die entsprechende mathematische Voraussetzung besagt gerade, dass die Determinante der Matrix auf der rechten Seite nicht verschwindet. Eben das hatten wir im Satz vorausgesetzt.
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44 Jetzt erkennen wir, weshalb in unserem Beispiel mit drei Zust¨anden und einer Aktie sowie einem Bond eine Bewertung des Calls nicht m¨oglich war: dieser Markt ist nicht vollst¨andig. Bei drei Zust¨anden ben¨otigen wir mindestens drei Wertpapiere. W¨are allerdings der Preis des Calls auch noch gegeben, so k¨onnen wir jedes beliebige andere Derivat durch diese drei Titel rekonstruieren.
5.3 Arbitragefreie M¨ arkte F¨ ur die Bewertung einer Option war wichtig, dass sie durch die zugrundeliegende Aktie und den risikolosen Titel dupliziert werden konnte. Um aber tats¨achlich bewerten zu k¨onnen, ist noch eine weitere Voraussetzung notwendig. Betrachten wir dazu ein Beispiel. Angenommen, ein Wertpapier ohne sp¨atere Auszahlung (also X = 0) w¨ urde heute einen Preis von einer Geldeinheit haben. In einer solchen Situation macht es keinen Sinn, einen Call nachzubauen und dann auf eine Aussage u ¨ber die Preisbildung zu hoffen. Zwar k¨onnen wir eine bestimmte Menge Aktie und eine bestimmte Menge Bonds zu einem festgelegten Preis erwerben: wenn wir aber diesem Portfolio noch unseren Finanztitel X hinzuf¨ ugen (oder ihn leer verkaufen), dann a¨ndert das die Auszahlungen morgen nicht. Aber der Preis des Gesamtportfolios heute ¨andert sich um eine Geldeinheit – und es wird vollends unverst¨andlich, was der Preis des Calls sein soll. Der Call ist duplizierbar, aber das zu verschiedenen Preisen. Derartige Situationen d¨ urfen an Finanzm¨arkten nicht auftreten. Man spricht von einer Arbitragegelegenheit, und diesen Gelegenheiten werden wir uns jetzt zuwenden. Man kann zwei Typen von Arbitragegelegenheiten unterscheiden: 1. Morgen eine echt positive erwartete Einzahlung, ohne heute einen positiven Kapitaleinsatz zu leisten, 2. Heute eine positive Einzahlung ohne morgen irgendwelche Verpflichtungen einzugehen. Um formal mit diesen Grunds¨atzen zu arbeiten, m¨ ussen wir diese beiden Aussagen in eine mathematische Sprache u ¨bersetzen. Ein Wertpapier X ist eine Arbitragegelegenheit, wenn eine der beiden folgenden Bedingungen erf¨ ullt ist: 1. X ≥ 0 und X 6= 0, X0 ≤ 0, 2. X ≥ 0, X0 < 0. Diese Bedingungen wirken auf den ersten Blick etwas un¨ ubersichtlich. Um sie zu verstehen, wollen wir uns Arbitragegelegenheiten etwas genauer ansehen. Wir wollen uns zuerst auf Arbitragegelegenheiten des ersten Typs konzentrieren. Wir haben dann drei Ungleichungen, die gleichzeitig gelten sein m¨ ussen X ≥ 0, X 6= 0, X0 ≤ 0. Beachten Sie, dass wir die beide ersten Bedingungen nicht in der Ungleichung X > 0 zusammenfassen k¨onnen – dies w¨ urde ja bedeuten, dass X in jedem Zustand eine positive Zahlung
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45 leiste. Wir setzen vielmehr voraus, dass X in mindestens einem Zustand eine positive Zahlung leistet und in den verbleibenden Zust¨anden “schlimmstenfalls” null ist. Wie sind diese drei Bedingungen zu verstehen? Wir sehen, dass X ein Wertpapier darstellt, das im Zeitpunkt t = 1 keine Verluste und in mindestens einem Zustand einen Zahlung erzielt. Die Arbitragegelegenheit besteht nun darin, dass dieses Wertpapier den Investor heute nichts kostet oder er sogar f¨ ur den ’Kauf’ Geld erh¨alt: X0 ≤ 0. Er bekommt also, lax gesprochen, ein Wertpapier geschenkt, das in der Zukunft keine Verluste erzielt und vielleicht (genauer: in mindestens einem Zustand) etwas Wert ist. Das ist offensichtlich eine Arbitrage. Betrachten wir nun die Arbitragegelegenheit des zweiten Typs. Dann sind die folgenden beiden Ungleichungen erf¨ ullt X ≥ 0, X0 < 0. Jetzt haben wir ein Wertpapier, bei dem der Investor in der Zukunft keine Zahlungen zu leisten hat (es gilt ja X ≥ 0) und f¨ ur dessen Erwerb er heute sogar Geld bekommt (X0 < 0). In diesem Fall wird ihm also heute Geld daf¨ ur geschenkt, damit er in der Zukunft keine Verluste macht. Wir treffen nun die folgende Annahme, die uns den gesamten Text hindurch begleiten wird. Wir nehmen an, dass die Preise der Wertpapiere arbitragefrei sind. Im Grunde ist dies die einzige Annahme, die wir f¨ ur unsere Theorie ben¨otigen. Definition 2 (Arbitragefreiheit) Ein Markt ist arbitragefrei genau dann, wenn es kein Wertpapier X = 6 0 gibt, dass einer der beiden Typen von Arbitragegelegenheiten in (5.3) entspricht. Wir sind jetzt in der Lage, folgenden Sachverhalt zu beweisen: legt man Wertpapiere zusammen, dann addieren sich auch die Preise entsprechend. Satz 4 (Linearit¨ at) In einem arbitragefreien Markt gilt f¨ ur alle Zahlen a und b sowie Wert1 2 papiere X und X ∀s Y (s) = a · X 1 (s) + b · X 2 (s)
=⇒
Y0 = a · X01 + b · X02 .
(5.1)
Beweis: Wir nehmen an, dass keine Linearit¨at gegeben sei und werden dann zeigen, dass eine Arbitragegelegenheit existiert. Es sei ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit (im anderen Fall wird analog argumentiert) Y0 < a · X01 + b · X02 . Dann erwerben wir das Portfolio Y und verkaufen a · X 1 + b · X 2 . Das Portfolio X wird also wie folgt gebildet X = Y − a · X1 + b · X2 . Im Zeitpunkt t = 1 gilt dann X = 0 und im Zeitpunkt t = 0 ist folgender Preis zu zahlen X0 = Y0 − a · X01 + b · X02 < 0.
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46 Das ist eine Arbitragegelegenheit des zweiten Typs. Wir k¨onnen nun anhand der Eigenschaften der Arbitragefreiheit und der Linearit¨at u ¨berpr¨ ufen, ob eine Preisfunktion, d.h. eine Funktion, die jedem Wertpapier einen Preis zuordnet, die von uns gew¨ unschten Bedingungen erf¨ ullt. Wir wollen anhand zweier elementarer Beispiele zeigen, wie das funktoniert. Dazu betrachten wir einen Markt, an dem Wertpapiere mit Zahlungen in zwei Zust¨anden gehandelt werden X = X(1), X(2) . Der Preis eines jeden Titels X sei durch folgende Rechenregel festgelegt p X0 := X(1) + X(2). Diese Preisfunktion hat die Eigenschaft, dass mit wachsender Auszahlung X(1) der Preis langsamer w¨achst. Eine doppelte Menge an erstem Arrow–Debreu–Titeln kostet also nicht notwendigerweise doppelt soviel (sondern nur 1.26 Mal soviel). Es ist, als bek¨amen Sie Mengenrabatt auf den Kauf der ersten Arrow–Debreu–Titel. Bei einer derartigen Preisfunktion ist die Linearit¨at verletzt: X = (1, 0), Y = (2, 0)
=⇒
2·X =Y
=⇒
X0 = 1, Y0 = 1.4142 6= 2 · X
und dies widerspricht (5.1). W¨ahlen wir dagegen beispielsweise X0 := −X(1) + X(2), dann sind die Preise zwar linear, nicht aber monoton. Vielmehr hat der erste Arrow–Debreu– Titel einen Preis von −1, und damit ist das Preissystem nicht arbitragefrei: X = (1, 0)
=⇒
X ≥ 0, X 6= 0
=⇒
X0 = −1 6> 0
und das widerspricht (5.3).
5.4 Die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit Q Jetzt kommen wir zum schwersten Teil der Vorlesung: wir werden zeigen, dass unter den Annahmen eines vollst¨andigen und arbitragefreien Marktes immer eine risikoneutrale Wahrscheinlichkeit existiert. Das bedeutet: erf¨ ullen die M¨arkte die genannten Voraussetzungen, dann k¨onnen wir jedes noch so komplizierte Derivat auf einfache Art und Weise (also durch Erwartungsbildung und Diskontierung) bewerten. Wir formulieren zuerst den so genannten Fundamentalsatz der Preistheorie.2 2
Dieser Satz findet sich das erste Mal (mehr oder weniger) in einer Arbeit von Ross (1976), gemeinhin gelten aber Harrison & Kreps (1979) als Entdecker. Eine sehr weit reichende Verallgemeinerung stammt von Back & Pliska (1991).
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47 Satz 5 (Erster Fundamentalsatz der Preistheorie) Ein Markt sei vollst¨ andig und arbitragefrei. Dann gibt es eine Wahrscheinlichkeitsverteilung Q u ande derart, dass ¨ber die Zust¨ f¨ ur alle Wertpapiere der Zusammenhang X0 =
1 E Q [X] 1 + rf
(5.2)
gilt. Kennen wir die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit Q, so k¨onnen wir jedes Derivat und u ¨berhaupt jeden Titel im Markt bewerten. Bevor wir in den Beweis einsteigen, wollen wir noch einmal festhalten, weshalb unser Fundamentalsatz u ¨berhaupt beweisbar ist: wir k¨onnen ein beliebiges Derivat oder Asset X auf diese einfache Art und Weise bewerten, weil sich X anhand von Arrow–Debreu–Titel oder anderen Wertpapieren, deren Preise wir ermitteln k¨onnen, nachbauen l¨asst. Beim Beweis werden wir diese Besonderheit unseres Marktes hervorheben. Beweis: Wir beginnen den Beweis mit einer expliziten Konstruktion der Wahrscheinlichkeitsverteilung. Der Markt war vollst¨andig, also sind f¨ ur jeden Zustand s die Arrow–Debreu–Titel As handelbar. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung Q wird nun wie folgt konstruiert. Der Zustand s habe die Wahrscheinlichkeit3 q Q (s) := (1 + rf )As0 .
(5.3)
Wir m¨ ussen jetzt zwei Dinge kl¨aren: • Handelt es sich wirklich um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, liegen also die q(s) zwischen 0 und 1 und summieren sie sich u ¨ber alle Zust¨ande zu 1? • Gilt mit dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung auch die Aussage des Satzes? Wir beginnen mit der ersten Frage. Der Markt ist arbitragefrei, also ist der Preis eines Arrow– Debreu–Titels wegen der Monotoniebedingung (5.3) positiv As0 > 0. Damit sind die q Q (s) nichtnegativ. Jetzt zeigen wir, dass sich die Einzelwahrscheinlichkeiten zu eins summieren (damit ist auch jede Einzelwahrscheinlichkeit h¨ochstens gleich eins). Dazu betrachten wir s¨amtliche Arrow– Debreu–Titel und bilden daraus ein Portfolio S X
As .
s=1
3
Sie sollten sich an dieser Stelle nicht von der Frage aus der Fassung bringen lassen, wie man auf derartige Definitionen kommt – das ist ein Kapitel f¨ ur sich. Gehen Sie davon aus, diese Gleichung sei “von Himmel gefallen”.
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48 Dieses Portfolio zahlt also in jedem Zustand genau eine Geldeinheit. Damit ist dieses Portfolio aber nichts anderes als ein risikoloser Titel S X
As = 1
s=1
und damit ist nach der Linearit¨atsannahme (5.1) der Preis dieses Portfolios durch den risikolosen Zins determiniert S X
As0 = 10 =
s=1
1 . 1 + rf
Aus der letzten Gleichung folgt nun 1=
S X
(1 +
rf )As0
=
s=1
S X
q Q (s)
s=1
und das war zu zeigen. Wir halten fest: Q ist in der Tat eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Es fehlt noch der Beweis der Preisgleichung (5.2). Betrachten wir ein beliebiges Wertpapier X. Im ersten Schritt bauen wir dieses Wertpapier durch eine Kombination von Arrow–Debreu–Titeln nach. Dazu w¨ahlen wir gerade X(1) Titel A1 , X(2) Titel A2 usw. und erhalten ein Portfolio, dass (wie auch X) im ersten Zustand die Menge X(1), im zweiten Zustand genau die Menge X(2) usw. zahlt: X=
S X
X(s)As .
s=1
Jetzt ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Preisgleichung X0 =
=
S X s=1 S X
X(s) · As0 X(s) ·
s=1
1 · (1 + rf )As0 1 + rf
S 1 X X(s) · q Q (s) = 1 + rf
wegen (5.1)
erweitern
Def. Q (5.3)
s=1
=
1 E Q [X] 1 + rf
Def. Erwartungswert
und das war zu zeigen. Wir haben uns bisher nur mit der Frage besch¨aftigt, ob u ¨berhaupt eine risikoneutrale Wahrscheinlichkeit existiert. Naturgem¨aß muss man die Frage stellen, inwieweit diese Verteilung eindeutig bestimmt ist. Gibt es vielleicht mehrere Q? (Dann k¨onnte es eventuell mehrere m¨ogliche Preise geben?!) Wir beweisen folgenden Satz. Satz 6 (Zweiter Fundamentalsatz der Preistheorie) Ein Markt sei vollst¨ andig und arbitragefrei. Dann ist die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit eindeutig bestimmt.
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49 Beweis: Angenommen, es gebe zwei voneinander verschiedene risikoneutrale Wahrscheinlichkeitsverteilungen Q1 und Q2 . Zum Beweis des Satzes m¨ ussen wir ein Wertpapier X finden, das unter den beiden von den Wahrscheinlichkeitsverteilungen erzeugten Preisfunktionen 1 1 1+rf E Q1 [X] bzw. 1+rf E Q2 [X] unterschiedliche Preise hat. Das ist dann ein Widerspruch zum Prinzip der Arbitragefreiheit, da es offensichtlich auf einem arbitragefreien Markt nur einen einzigen Preis f¨ ur jedes Wertpapier geben kann. Wenn die Wahrscheinlichkeitsverteilungen Q1 und Q2 verschieden sein sollen, heißt das, dass 1 2 es mindestens einen Zustand s gibt, bei dem q Q (s) 6= q Q (s). Wir betrachten dann den Arrow-Debreu-Preis As . As hat unter den beiden Preisfunktionalen die Preise As0 =
1 1 1 2 q Q (s) 6= q Q (s) = As0 1 + rf 1 + rf
Das ist offensichtlich ein Widerspruch. Deshalb kann es nur eine einzige Wahrscheinlichkeitsverteilung geben. Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass auch eine Umkehrung des zweiten Fundamentalsatzes beweisbar ist. Es gilt folgender Zusammenhang: wenn der Markt nicht vollst¨andig ist (wenn also einige Wertpapiere nicht dupliziert werden k¨onnen – oder wenn einige Arrow– Debreu–Titel nicht gehandelt werden), dann existieren nicht eine, sondern mehrere risikoneutrale Wahrscheinlichkeiten. Wir k¨onnen auf die Details jedoch hier nicht genauer eingehen.
5.5 Theorie mit mehreren Zeitpunkten: das Binomialmodell 5.5.1 Umweltzust¨ ande, Erwartungen und Wertpapiere Im letzten Abschnitt hatte unsere Welt nur zwei Zeitpunkte: heute und morgen. Diese Sichtweise ist sehr unrealistisch. Wir wollen uns jetzt einem Modell zuwenden, bei dem mehrere Zeitpunkte in der Zukunft m¨oglich sind. Leider bedeutet diese (sinnvolle) Verallgemeinerung aber auch einen immens h¨oheren formalen Aufwand. Es wird sich zeigen, dass das Modell f¨ ur uns nur dann in einem handlichen Rahmen bleibt, wenn wir uns auf eine ganz spezielle Art der Aktienkursbewegung beschr¨anken.4 Zuerst sind einige Vorbereitungen notwendig. Wir werden in unserem Modell annehmen, dass es zwar mehrere Zeitpunkte t = 1, 2, . . . , T , jedoch nur zwei Wertpapiere gibt: einen festverzinslichen risikolosen Titel (Bond) und einen Titel, dessen Verzinsung unsicher ist. Das letztere Papier werden wir Aktie nennen und deshalb mit S (f¨ ur “stock”) bezeichnen. Der Bond habe eine sichere und konstante Verzinsung. Die Zinsen des Bonds werden reinvestiert. Der Wert des Bonds im Zeitpunkt t ist also durch die Relation Bt = (1 + rf )Bt−1 gegeben. Die Wertentwicklung der Aktie sei zuf¨allig. Es werden keine Dividenden gezahlt. Der Aktienkurs kann sich in jedem Zeitpunkt t − 1 entweder um einen festgelegten Prozentsatz u 4
¨ Verallgemeinerungen sind selbstverst¨ andlich m¨ oglich. Ublicherweise wird dies in finanzmathematischen Lehrb¨ uchern behandelt. Der Stoff ist etwa auf dem Niveau des Hauptstudiums der Mathematik angesiedelt. Ein sehr gut lesbares Buch ist Irle (1998).
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50 aufw¨arts (“up”) oder einen festgelegten Prozentsatz d abw¨arts (“down”) bewegen: ( (1 + u) · St−1 bei Bewegung up, St = (1 + d) · St−1 bei Bewegung down. Sie erkennen, dass sowohl Aufw¨arts– und Abw¨artsbewegung in beiden F¨allen mit zeitunabh¨angigen Parametern erfolgt. u und auch d h¨angen nicht von t ab. Dies ist eine Vereinfachung, die wir aufheben k¨onnten. Der leichteren Handhabbarkeit wegen werden wir sie dennoch beibehalten. Wir wollen diese Wertentwicklung durch die Abbildung 5.1 veranschaulichen. Da in jedem Knoten nur zwei weitere Verzweigungen m¨oglich sind, spricht man von einem Binomialmodell. s S (uuu) 3 sH H S1 (u) H H HH H H Hs S3 (uud) H s HH H H H s s HH S0 HH H H H H H Hs S3 (ddu) sH H S1 (d) H H H sH HH H Hs S3 (ddd) -
t=0
t=1
t=2
t=3
Zeit
Abbildung 5.1: Wertentwicklung der Aktie Nach diesen Vorbemerkungen k¨onnen wir jetzt zur Beschreibung des Modells kommen. Diese Beschreibung soll sich analog dem vorigen Abschnitt vollziehen. Dazu m¨ ussen wir zuerst ¨ die Zust¨ande der Okonomie beschreiben. Im vorigen Abschnitt gab es S m¨ogliche Zust¨ande, die die Auspr¨agungen der Wertpapiere im Zeitpunkt t = 1 beschrieben. Hier ist die Situation etwas komplizierter. Ein Zustand ist nicht mehr auf einen Zeitpunkt beschr¨ankt: ein Zustand muss sich nun auf alle Zeitpunkte t beziehen. Ein Zustand stellt jetzt einen Pfad (auch “Weg”) in unserem Diagramm dar. Betrachten Sie dazu den etwas fetter gedruckten Weg in Abbildung 5.1. In den ersten beiden Knoten geht es jeweils aufw¨arts, dann folgt eine ¨ Abw¨artsbewegung. Dieser Pfad uud (f¨ ur up, up, down) beschreibt einen Zustand der Okonomie. Weitere Zust¨ande sind etwa dud, ddd, usw. Beachten Sie, dass zwei Zust¨ande, die zu gleichen Endpreisen der Aktie f¨ uhren k¨onnen (wie etwa uud und udu, falls ud = 1 gelten sollte) dennoch verschieden sind: die sich w¨ahrend der Laufzeit einstellenden Aktienkurse sind ja unterschiedlich. Insgesamt gibt es bei t Zeitpunkten 2t = 8 m¨ogliche Zust¨ande in der ¨ Okonomie. Einen Zustand werden wir auch mit dem Buchstaben s bezeichnen; der in der Abbildung eingezeichnete Zustand ist dann s = uud. Ein Wertpapier wird in diesem Modell wieder durch seine Zahlungen charakterisiert. Wir werden einen Finanztitel durch Großbuchstaben wie X bezeichnen. Allerdings m¨ ussen wir nun die Auszahlungen sowohl in den Zust¨anden als auch in den verschiedenen Zeitpunkten kennzeichnen. Daher ist ein Wertpapier nicht nur ein eindimensionaler Vektor, vielmehr handelt es
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51 sich um eine Folge X = (X1 , X2 , . . . , XT ) der Zahlungen je Zeitpunkt. Die Eintr¨age Xt sind t wiederum Vektoren in R2 , die die Auszahlungen in den einzelnen Zust¨anden beschreiben. Beachten Sie bitte beim letzten Satz folgendes Detail: wir sagten nicht die “Eintr¨age Xt sind wiederum Vektoren, die die Auszahlungen in den einzelnen Knoten beschreiben”. Bemerken Sie den Unterschied? In der Abbildung 5.1 sehen Sie einen Zustand, der hervorgehoben ist (es handelt sich um uud ). Betrachten wir die Auszahlung eines Wertpapiers im Zeitpunkt t = 3. Dann w¨ urde der Satz “Eintr¨age Xt sind wiederum Vektoren, die die Auszahlungen in den einzelnen Knoten beschreiben” bedeuten, dass die Auszahlung in t = 3 nur von der Tatsache abh¨angt, dass sich gerade ein Aktienkurs der H¨ohe S0 (1 + u)2 (1 + d) eingestellt hat. Wie man zu diesem Kurs gelangte (und immerhin sind die drei Zust¨ande uud, udu und duu m¨oglich) w¨ urde dagegen keine Rolle spielen. Sagten wir aber “Eintr¨age Xt sind wiederum Vektoren, die die Auszahlungen in den einzelnen Zust¨ anden beschreiben” dann w¨ urde die Auszahlung davon abh¨angen, auf welchem der drei Wege man zu dem genannten Aktienkurs S0 (1 + u)2 (1 + d) gelangt w¨are. Denken Sie an ein exotisches Derivat wie etwa dem lookback Call und nehmen Sie an, Sie bef¨anden sich im Endzeitpunkt t = 3. Ein lookback zahlt in Abh¨angigkeit von dem h¨ochsten Aktienkurs, der auf dem Weg zum Zeitpunkt t = 3 erreicht wurde. Um diesen Wert aber zu bestimmen, m¨ ussen Sie den gesamten Weg der Aktie bis zum Endzeitpunkt t = 3 beobachtet haben. Die Auszahlung des Derivates h¨angt also nicht nur vom Knoten ab, in dem Sie sich befinden – der gesamte Weg ist f¨ ur die Auszahlung relevant (man spricht hier auch von einer pfadabh¨angigen Option). Daher ist nur die Bezeichnung Xt (s) angemessen, die auf die Abh¨angigkeit der Auszahlung vom Pfad s (dem Zustand) hinweist. Geben wir ein Beispiel eines europ¨aischen Calls mit Basispreis K entsprechend unserer Abbildung 5.1. Dieser Call zahlt in den Zeitpunkten t = 1, 2 nichts X1 (s) = 0,
X2 (s) = 0
und in dem Endzeitpunkt t = 3 nur dann etwas, wenn der Aktienpreis gr¨oßer als K ist X3 (s) = max(S3 (s) − K, 0). F¨ ur die Zust¨ande s = ddd, ddu, . . . w¨are nun die Auszahlung zu ermitteln. Durch die drei Vektoren X = (X1 , X2 , X3 ) ist dann ein Call vollst¨andig beschrieben. Die Bildung von Erwartungswerten muss ebenfalls an das Modell angepasst werden. Im vorangegangenen Kapitel interessierten uns Erwartungswerte E [X]. Ein derartiger Ausdruck macht hier keinen Sinn mehr, weil X ja Zahlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten umfasst. Was soll ein Erwartungswert f¨ ur zeitlich auseinanderliegende Zahlungen (X1 , X2 . . .)?! Wir werden daher Erwartungswerte von Zahlungen in einzelnen Zeitpunkten ermitteln: E [Xt ]. Dazu gehen wir wie folgt vor: wir ermitteln zuerst die Wahrscheinlichkeiten einzelner Zust¨ande (Pfade) s. Dazu nehmen wir im folgenden an, wie w¨ urden die Wahrscheinlichkeit kennen, mit in jedem Knoten eine Aufw¨arts– oder eine Abw¨artsbewegung erfolgt. Betrachten wir beispielsweise den Knoten im Zeitpunkt t = 0 (siehe Abbildung 5.2).
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52
s sH p2 p H u d HH H HH H Hs H pu sH HH H H s s HH S0 HH H HH H Hs pd H sH H HH H s HH H H Hs -
t=0
t=1
t=2
t=3
Zeit
Abbildung 5.2: Wahrscheinlichkeiten der Zust¨ande Wir gehen davon aus, dass in diesem und jedem anderen Knoten eine Aufw¨artsbewegung mit der Wahrscheinlichkeit pu und eine Abw¨artsbewegung des Aktienpreises mit der Wahrscheinlichkeit pd = 1 − pu erfolgen kann. Diese Bewegung erfolge auch in der Zukunft unabh¨angig davon, wie die bisherige Entwicklung der Aktie verlief. F¨ ur einen Zustand (einen Pfad) sind dann die Einzelwahrscheinlichkeiten miteinander zu multiplizieren. Betrachten wir also unseren dick eingezeichneten Pfad in Abbildung 5.2, dann erhalten wir als Wahrscheinlichkeit seines Eintretens p(s) = p(uud) = pu · pu · pd .
(5.4)
Auf diese Art und Weise k¨onnen die Wahrscheinlichkeiten aller Zust¨ande ermittelt werden: der Erwartungswert der Zahlung eines Wertpapiers X im Zeitpunkt t ergibt sich als E [Xt ] =
S X
Xt (s) · p(s).
s=1
Wieder summieren wir also u ¨ber alle m¨oglichen Pfade s, weil eventuell die Auszahlung des Finanztitels X im Zeitpunkt t vom gesamten Pfad und nicht nur dem gerade erreichten Knoten abh¨angen kann. F¨ ur unseren Call erg¨abe sich als Erwartungswert der Zahlungen E [X1 ] = 0,
E [X2 ] = 0
und in dem Endzeitpunkt t = 3 E [X3 ] =
8 X
p(s) max(S3 (s) − K, 0).
s=1
5.5.2 Strategien und Vollst¨ andige M¨ arkte Rekapitulieren wir f¨ ur einen Moment die entscheidende Idee, die uns zu einer Bewertung von Derivaten und anderen Wertpapieren verhalf. Wir waren in der Lage, einen Preis beispielsweise
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53 f¨ ur eine Option zu ermitteln, weil wir diese Option “nachbauen” (duplizieren) und die Kosten des Nachbaus exakt bestimmen konnten. Die M¨arkte waren (unter bestimmten Annahmen) vollst¨andig. Wir formulieren analog zu Definition 1 Definitionsversuch Das Binomialmodell heißt vollst¨ andig genau dann, wenn jedes Wertpapier mit irgendwelchen Zahlungen Xt (s) in den Zust¨ anden s und den Zeitpunkten t gehandelt werden kann. Unsere Formulierung war aber etwas vorschnell: was heißt hier “handeln”? Handeln kann nur bedeuten, dass wir mit Hilfe des Bonds und des Stocks ein Wertpapier nachbauen (duplizieren), das die genannten Auszahlungen Xt (s) in den Zust¨anden und Zeitpunkten hat. Im Zwei–Zeitpunkte–Modell gelang diese Duplizierung durch die Arrow–Debreu–Titel (siehe Satz 2). Leider k¨onnen wir im Binomialmodell so nicht vorgehen, weil wir hier nur zwei Wertpapiere, den Bond und den Stock, haben – auf reine Wertpapiere k¨onnen wir nicht zur¨ uckgreifen. Auch eine Charakteristik analog dem Satz 3 ist im Binomialmodell nicht mehr m¨oglich. Wir m¨ ussen vielmehr u ¨berlegen, wie wir aus dem Bond und dem Stock alle m¨oglichen Wertpapiere erzeugen k¨onnen. Dies erfordert den Begriff der Strategie. Der Unterschied einer Strategie zu der (im letzten Abschnitt vorgenommenen) einfachen Addition von Wertpapieren und Multiplikation mit reellen Zahlen besteht darin, dass wir in jedem Zeitpunkt ein Gesch¨aft (Kauf oder Verkauf) des Bonds und des Stocks vornehmen k¨onnen. Dabei m¨ ussen wir jedoch gewisse Budgetrestriktionen beachten: wenn wir beispielsweise bestimmte Mengen des Bonds verkaufen, k¨onnen wir das verbleibende Geld der Strategie entnehmen oder in die Aktie investieren. Soll kein Geld entnommen werden und wird kein Geld mehr in die Strategie investiert, so k¨onnen wir auch nur bestimmte Mengen an Aktien kaufen usw. Wie kann eine Strategie in unserem Binomialmodell formal pr¨azise beschrieben werden? Unter einer Strategie verstehen wir eine Folge von Vektoren, die angibt, wie viel Bonds und wie viel Aktien wir in jedem Zeitpunkt halten. Betrachten wir beispielsweise den Zeitpunkt t = 0. Es ist in der Literatur u ¨blich, die Menge an Bonds und an Aktien, die im Zeitpunkt t = 0 gehalten werden, durch den Vektor H0 = (H0B , H0S ) zu kennzeichnen, der Eintrag H0B gibt dann die Menge an gehaltenen Bonds im Zeitpunkt t = 0 an usw. Im n¨achsten Zeitpunkt beschreibt H1 (s) = (H1B (s), H1S (s)) die Menge an gehaltenen Bonds sowie Stocks in unserem Portfolio in Abh¨angigkeit des eingetretenen Zustands. Wovon h¨angen die Mengen an Bonds und Stocks ab, die der Investor in einem Zeitpunkt h¨alt? Um diese Frage zu beantworten, schauen wir auf den Zweck einer Strategie. Der Investor verfolgt mit einer Strategie das Ziel, die Zahlungen eines Wertpapiers (etwa eines Derivates) nachzubauen. Daher wird er bei seiner Strategie in einem beliebigen Zeitpunkt t wie folgt vorgehen. Unmittelbar nach dem Zeitpunkt t l¨ost der Investor sein Portfolio aus Bonds und Stocks auf und stellt es gem¨aß der Vorschrift Ht+1 neu zusammen. Dieses Portfolio h¨alt er genau eine Periode, um es dann unmittelbar nach dem Zeitpunkt t + 1 wieder aufzul¨osen und neu zusammenzustellen (siehe auch Abbildung 5.3). Im Zeitpunkt t = T wird das Portfolio g¨anzlich aufgel¨ost und die Ertr¨age dem Investor ausgezahlt, wir werden daher im folgenden HT = 0 unterstellen. Diese Strategie ist dynamisch, weil der Investor nach Eintritt des Zeitpunktes t sein Portfolio umschichten kann. Dabei kann es m¨oglich sein, dass die Strategie von Ereignissen abh¨angt,
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54
H0
H1
H2
HT −1
?
?
?
?
t=1
t=2
t=0
...
t=T −1
-
t=T
Abbildung 5.3: Zeitstruktur des Modells die in der Gegenwart t = 0 noch nicht bekannt sind (dies w¨are beispielsweise bei der Strategie “verkaufe alle Aktien bei einem Kurs von Z und investiere das Geld in Bonds” der Fall). Die Strategie kann aber sinnvollerweise nur von Informationen abh¨angig sein, die zu dem Zeitpunkt vorhanden sind, an dem die Umschichtung vorgenommen wird. Auf die pr¨azise mathematische Formulierung dieser Eigenschaft werden wir hier nicht eingehen k¨onnen. Der Investor schichtet unmittelbar nach dem Zeitpunkt t − 1 sein Portfolio von Ht−1 nach Ht um. Welche Zahlungen l¨ost diese Umschichtung aus? Wir schauen uns dazu den Wert des Portfolios in jedem Zeitpunkt an und nehmen an, dass die Differenz der Portfoliowerte dem Investor zufließt. Die w¨ahrend der Portfolioumschichtung geltenden Bondpreise und Aktienkurse sind gerade Bt sowie St . Wir stellen fest: einer Strategie H kann in einem Zeitpunkt t die Geldmenge ( B · B + HS · S − HB · B + HS · S , t > 0 Ht−1 t t t t t t t−1 ∆t H := − H0B · B0 + H0S · S0 , t=0 entnommen werden. Diese langwierigen Vorbereitungen waren notwendig, um die Vollst¨andigkeit der M¨arkte beschreiben zu k¨onnen. Definition 3 Ein Binomialmodell heißt vollst¨ andig genau dann, wenn f¨ ur beliebige Zahlungen Xt (s) in Zeitpunkten t und Zust¨ anden s eine Strategie H derart existiert, dass die Zahlungen dupliziert werden k¨ onnen Xt = ∆t H. Fassen wir die Gr¨ unde f¨ ur unser aufwendiges Vorgehen noch einmal zusammen. Im Zwei– Zeitpunkte–Modell konnten die Wertpapiere X mit den beliebigen Zahlungen aus Arrow– Debreu–Titeln zusammengestellt werden. Wurden also alle Arrow–Debreu–Titel gehandelt, dann war der Markt vollst¨andig. Im Binomialmodell aber hatten wir uns darauf verst¨andigt, nur einen Bond und eine Aktie zur Verf¨ ugung zu haben. Ein Wertpapier mit beliebigen Zahlungen musste jetzt anhand einer dynamischen Strategie aus diesen beiden Titeln konstruiert werden. Dies geschah in der Definition 3. Nach diesen langwierigen Vorbereitungen verwundert es nicht, dass wir auf den Beweis der folgenden Aussage verzichten:5 Satz 7 F¨ ur die Parameter u und d gelte u > d und der risikolose Zinssatz rf sei positiv. Dann gilt: das Binomialmodell ist vollst¨ andig. 5
Einen Beweis kann man etwa bei Irle (1998, S. 76) nachlesen.
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55 ¨ Die Schwierigkeit des Beweises besteht in der folgenden Uberlegung. Nat¨ urlich k¨onnte man in den ersten Zeitpunkten eine beliebige Strategie verfolgen, der man mit Hilfe einer mehr oder weniger beliebigen Verfahrensweise die Zahlungen des Assets Xt nachbildet (etwa nach dem Schema: “wenn ich Geld brauche, verkaufe ich eben so lange, bis ich es habe”). Die Leistung des Beweises besteht darin zu zeigen, dass es unter diesen wahllosen Vorgehensweisen eine gibt, bei der aber auch die Zahlungen am letzten Zeitpunkt T aufgehen – bei der also auch am Zeitpunkt T gerade diejenige Wertpapiere im Depot sind, die dann einen Wert von XT aufweisen. Handelt man v¨ollig wahllos, so d¨ urfte sich dieses Ergebnis in T bestenfalls zuf¨allig einstellen. Als Beweisidee konstruiert man eine Strategie H, die die Auszahlungen einer Art Arrow(t,s) Debreu-Titels im mehrperiodischen Fall repliziert, also eines Wertpapiers X (t,s) , mit Xτ =0 (t,s) f¨ ur alle τ 6= t und Xt = As , wobei As der Arrow-Debreu-Titel im einer Welt mit 2t Zust¨anden. Wir wollen eine weitere Anmerkung zu diesem Satz machen. Der Beweis der Vollst¨andigkeit des Binomialmodells ist aus folgendem intuitiven Grund m¨oglich. In jedem Knoten kann die zuk¨ unftige Entwicklung eines beliebigen Wertpapiers nur in zwei m¨ogliche Richtungen verzweigen. Beim Stock war nur eine Aufw¨arts– und eine Abw¨artsbewegung m¨oglich, bei einem beliebigen Wertpapier w¨aren durchaus verschiedene Reaktionen denkbar. Entscheidend ist nun die Beobachtung, dass es zu den zwei Entwicklungsrichtungen beim Wertpapier auch zwei Finanztitel gibt, die am Markt gehandelt werden: ein Bond und ein Stock. Setzen wir diese Intuition fort, so bedeutet das beispielsweise im Falle eines Trinomialmodells (drei m¨ogliche Verzweigungen je Knoten), dass jetzt neben dem Bond zwei Stocks gehandelt werden m¨ ussten, damit das Modell vollst¨andig wird. Allerdings sind Beweise dieser Aussagen alles andere als einfach.
5.5.3 Arbitragefreie M¨ arkte und risikoneutrale Wahrscheinlichkeit Fassen wir die bisher erhaltenen Ergebnisse zusammen. Wir wissen, dass jede beliebige Zahlungsstruktur X in unserem Binomialmodell durch eine geschickt gew¨ahlte Handelsstrategie H aus Bonds und Stocks dupliziert werden kann. Da wir weiter die Kosten f¨ ur diese Duplizierungsstrategie ermitteln k¨onnen, gehen wir zumindest intuitiv davon aus, dass wir Wertpapiere mit beliebigen Zahlungen auch bewerten k¨onnen. Dazu allerdings m¨ ussten die M¨arkte arbitragefrei sein. Dies wiederum w¨ urde erfordern, den Begriff der Arbitragefreiheit erst einmal f¨ ur unser Modell pr¨azise zu definieren. Eine Arbitrage ist weiterhin eine Situation, in der ein Investor etwas “geschenkt” bekommt. Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass derartige Geschenke in jedem Zeitpunkt t = 0, . . . , T stattfinden k¨onnen. Wir definieren daher wie folgt Definition 4 Der Markt ist arbitragefrei genau dann, wenn keine Handelsstrategie H derart existiert, bei der man in keinem Zeitpunkt Zahlungen leistet ∀t ≥ 0
∆t H ≥ 0
und die Handelsstrategie von der null verschieden ist ∃t ≥ 0
∆t H 6= 0.
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56 Wir erkennen unsere Definition aus dem Zwei–Zeitpunkte–Modell durchaus wieder: in diesem Modell bestand eine Strategie aus einem Kauf im Zeitpunkt t = 0 (mit der Auszahlung −X0 ) und dem sofortigen Verkauf im Zeitpunkt t = 1 (mit der Auszahlung X). Unsere Arbitragebedingung lautet, dass beide Zahlungen immer nichtnegativ sein m¨ ussen und in mindestens einem Zeitpunkt t = 0 oder t = 1 die Gr¨oßer–Relation echt erf¨ ullt ist. Nun gilt Satz 8 F¨ ur die Parameter u, d, rf gelte der Zusammenhang d < rf < u. Dann ist das Binomialmodell arbitragefrei. Wenn ein Wertpapier dupliziert und damit bewertet werden kann, vermuten wir, dass auch eine risikoneutrale Wahrscheinlichkeit existiert. Des weiteren scheint nahe liegend, dass f¨ ur diese risikoneutrale Wahrscheinlichkeit die folgende Verallgemeinerung des Satzes 5.2 gilt. Auf einen Beweis (auch dieser ist alles andere als einfach) verzichten wir jedoch. Satz 9 (Fundamentalsatz der Preistheorie im Binomialmodell) Es gibt eine eindeutig bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung Q derart, dass f¨ ur jedes Wertpapier der Zusammenhang X0 =
T X E Q [Xt ] (1 + rf )t t=1
gilt. Wir sind damit auf dem H¨ohepunkt unserer Vorlesung angelangt. Wir k¨onnen aufgrund der Behauptung des Satzes 9 jedes noch so komplizierte Wertpapier im Rahmen des Binomialmodells bewerten, ohne die individuelle Risikoneigung der Investoren oder psychologische Momente zu ber¨ ucksichtigen. Wir m¨ ussen nur die Zahlungen in den Zeitpunkten kennen, ermitteln den Erwartungswert unter Q und diskontieren die einzelnen Summanden entsprechend. Das Ergebnis ergibt den fairen Preis des Wertpapiers X. Allerdings waren wir etwas vorschnell bei unserer Behauptung, den Preis von X berechnen zu k¨onnen. Noch kennen wir die risikoneutrale Verteilung Q nicht. Wir wollen im folgenden auf eher anschauliche Weise zeigen, wie man die Wahrscheinlichkeitsverteilung Q bestimmt. Es wird sich zeigen, dass dann ein sehr u ur diese Verteilung angegeben ¨bersichtlicher Ausdruck f¨ werden kann – und dann steht einer Bewertung von Optionen wirklich nichts mehr im Wege. ¨ Um die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit zu ermitteln, gehen wir von folgender Uberlegung aus. Die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes setzt sich aus einem Produkt der up– und down– Wahrscheinlichkeiten zusammen, dies haben wir anhand eines Beispiels in Gleichung (5.4) Q erkannt. Daher w¨ urde es gen¨ ugen, nur pQ u und pd zu ermitteln. Um diese Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen, betrachten wir den Wert des Stocks in einem beliebigen Zeitpunkt t. Der Stock kostet jetzt St und wird einen Zeitpunkt sp¨ater die Werte (1 + u)St oder (1 + d)St
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57 Q annehmen. Diese M¨oglichkeiten treten mit den Wahrscheinlichkeiten pQ ur u oder pd ein, und f¨ die risikoneutrale Bewertung muss
E Q [St+1 ] = St 1 + rf oder nach Ausmultiplizieren Q pQ d (1 + d)St + pu (1 + u)St = (1 + rf )St
gelten. Wir sehen, dass sich der Term St k¨ urzt und wir erhalten, da sich die beiden Wahrscheinlichkeiten zu 1 summieren, das Gleichungssystem Q pQ d · d + p u · u = rf , Q pQ d + pu = 1.
Wir erhalten nach kurzer Rechnung pQ d =
u − rf , u−d
pQ u =
rf − d . u−d
(5.5)
Damit kann die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit f¨ ur jeden Zustand ermittelt werden.
5.5.4 Ein Beispiel: der Preis eines Calls im Binomialmodell Wir wollen unsere Theorie an einem einfachen Beispiel illustrieren. Wir betrachten einen europ¨aischen Call (bezeichnet mit C) auf unsere Aktie mit Basispreis K. Welchen Preis besitzt dieser Call? Zuerst erinnern wir uns, dass europ¨aische Optionen nur im Endzeitpunkt Zahlungen leisten. Daher vereinfacht sich die Bewertungsgleichung des Satzes 9 sofort zu C0 =
1 E Q [CT ]. (1 + rf )T
Des weiteren wissen wir, dass der Call nur dann Zahlungen leistet, wenn der Aktienkurs h¨oher als der Aus¨ ubungspreis K wird, also (siehe dazu Gleichung (2.2) C0 =
1 E Q [max(ST − K, 0)]. (1 + rf )T
Jetzt bilden wir den Erwartungswert, indem wir f¨ ur jeden Zustand s den zugeh¨origen Aktienkurs ST (s) und die Wahrscheinlichkeit pQ (s) bestimmen sowie u ¨ber alle m¨oglichen Zust¨ande s summieren: T
2 X 1 C0 = pQ (s) · max(ST (s) − K, 0). (1 + rf )T s=1
¨ Ein kleiner Trick erleichtert unsere Uberlegungen. Ein Zustand s wird durch eine Folge von insgesamt T Auf– und Abw¨artsbewegungen beschrieben. Ein Beispiel f¨ ur einen solchen Zustand w¨are s = uud | {z. . . d} . T Mal
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58 Dabei ist zu ber¨ ucksichtigen, dass beim Ver¨andern der Reihenfolge dieser u’s und d’s ein neuer Zustand entsteht – wir hatten auf diese Eigenheit bereits hingewiesen. Wir k¨onnen dennoch die Summation u ¨ber alle Zust¨ande nun durch folgenden Trick vereinfachen. Weil sowohl die Wahrscheinlichkeit pQ (s) als auch die Auszahlung des Calls in den Zust¨anden mit genau k Abw¨artsbewegungen unver¨andert bleiben wird (St und q Q (s) h¨angen in Wirklichkeit nur von der Anzahl der up– und down–Bewegungen ab, nicht aber von deren Reihenfolge), k¨onnen wir diese Zust¨ande bei der Summation zusammenfassen. Wir summieren dann nur noch u ¨ber die Anzahl der Abw¨artsbewegungen k = 0, 1, . . . , T . Nur: wie wie viel m¨ogliche Zust¨ande gibt es, die genau k Mal eine Abw¨artsbewegung enthalten? Das ist ein einfaches kombinatorisches Problem. Es geht um die Frage, wie viel M¨oglichkeiten der Auswahl von k Elementen (= einer Abw¨artsbewegung) in einer Gesamtheit von T Objekten (= allen m¨oglichen Bewegungen) bestehen. Diese Anzahl wird durch den Binomialkoeffizienten angegeben T T! = . k k!(T − k)! Wurde sich im Zustand s insgesamt k Mal abw¨arts und T − k Mal aufw¨arts bewegt, dann gilt f¨ ur den zugeh¨origen Aktienkurs (unabh¨angig davon, in welcher Reihenfolge die Auf– und Abw¨artsbewegungen stattfanden) ST (s) = S0 (1 + d)k (1 + u)T −k . Die Wahrscheinlichkeit errechnet sich ebenso aus der Anzahl der Aufw¨arts– bzw. Abw¨artsbewegungen im Zustand s (unabh¨angig davon, in welcher Reihenfolge die Auf– und Abw¨artsbewegungen stattfanden) Q
p (s) =
k (pQ d)
·
T −k (pQ u)
=
u − rf u−d
k rf − d T −k · . u−d
Jetzt k¨onnen wir alle Elemente sammeln und erhalten einen Ausdruck f¨ ur den Preis des europ¨aischen Calls C0 =
1 (1+rf )T
T P k=0
T k
u−rf k rf −d T −k · u−d max S0 (1 + d)k (1 + u)T −k − K, 0 u−d
(5.6)
Wir k¨onnten uns an dieser Stelle mit der Binomialgleichung des Calls zufrieden geben. F¨ ur die Betrachtungen des zeitstetigen Modelles aber ist es sinnvoll, eine geeignete Umformung der Gleichung (5.6) vorzunehmen. Zuerst bemerken wir, dass f¨ ur die Summanden folgender Zusammenhang gilt: je kleiner der Summationsindex k, um so gr¨oßer der Aktienkurs S0 (1 + u)T −k (1+d)k . Daher wird es einen Summationsindex k ∗ derart geben, dass f¨ ur alle Indizes k > k ∗ der Aktienkurs unter dem Aus¨ ubungspreis K liegt. F¨ ur alle Indizes k ≤ k ∗ dagegen wird der Aktienkurs u ubungspreis liegen, die Option w¨ urde in diesem Fall ausge¨ ubt. ¨ber dem Aus¨ ¨ Uber die Gr¨oße der Zahl k ∗ k¨onnen wir ebenfalls Aussagen treffen. Dazu stellen wir einfach die Bedingung ∗
∗
S0 (1 + d)k (1 + u)T −k − K = 0
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59 nach k ∗ um. Allerdings m¨ ussen wir beachten, dass f¨ ur eine sinnvolle mathematische Aussage das Ergebnis dieser Rechnung eine ganze Zahl sein muss, korrekterweise haben wir also immer mit dem ganzzahligen Teil des Ergebnisses zu rechnen. Die Umstellung ergibt ∗ 1+d k K/S0 = 1+u (1 + u)T oder k∗ =
ln
K S0 (1+u)T
ln
1+d 1+u
oder k∗ =
ln
K S0
− T ln(1 + u)
ln(1 + d) − ln(1 + u)
.
(5.7)
Unsere Bewertungsgleichung vereinfacht sich jetzt zu der Summe k∗ X u − rf k rf − d T −k T 1 k T −k S (1 + d) (1 + u) − K . · C0 = 0 (1 + rf )T k u−d u−d k=0
oder nach Ausklammern des letzten Faktors k∗ X u − rf k rf − d T −k 1 T C0 = S0 · (1 + d)k (1 + u)T −k − k (1 + rf )T u−d u−d k=0 k∗ X u − rf k u − rf T −k T 1 − K · 1− k (1 + rf )T u−d u−d k=0
Wir vereinfachen den zweiten Summanden unter Verwendung der Definition von pQ d k∗ X u − rf k rf − d T −k 1 T C0 = S · (1 + d)k (1 + u)T −k − 0 k (1 + rf )T u−d u−d k=0 k∗ X T 1 Q T −k k K (pQ . − d ) · (1 − pd ) T (1 + rf ) k k=0
Im ersten Summanden fassen wir die beiden Faktoren mit gleichem Exponenten sowie dem Term mit dem risikolosen Zins jeweils zusammen ∗
k X u − rf 1 + d k rf − d 1 + u T −k T · − C0 = S0 k u − d 1 + rf u − d 1 + rf k=0 k∗ X 1 T T −k − K (pQ )k · (1 − pQ . d d) T (1 + rf ) k k=0
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60 Jetzt k¨onnen wir im letzten Schritt noch einmal vereinfachen: definieren wir pˆ :=
u − rf 1 + d , u − d 1 + rf
(5.8)
dann gilt der Zusammenhang 1 − pˆ =
rf − d 1 + u u − d 1 + rf
und mit dieser Vereinfachung haben wir endlich k∗ k∗ X X T k 1 T Q T −k T −k k pˆ · (1 − pˆ) − C0 = S0 K (pQ . d ) · (1 − pd ) T k (1 + rf ) k k=0
k=0
Die beiden Summanden stellen einen aus der Theorie diskreter Verteilungen bekannten Ausdruck dar. Dazu betrachten wir eine Binomialverteilung6 zweier Ereignisse A und A¯ (das bedeutet nicht A) u ¨ber T –malige Wiederholung bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit Prob(A) = q. Abbildung 5.4 zeigt einen typischen Verlauf dieser Verteilung f¨ ur den Fall q = 0.25 bei 5– fachen Wiederholungen. Jeder Eintrag gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der das Ereignis A mit der angegebenen H¨aufigkeit eintritt. Die kummulierte Wahrscheinlichkeit ermittelt sich gerade anhand der Gleichung k∗ X T k ∗ B(k ; T, q) := q · (1 − q)T −k , k k=0
es handelt sich um nichts anderes als die Verteilungsfunktion der Binomialverteilung. 6 Verteilungsfunktion B(k
∗ ; 5, 0.25)
1
0.5
-
1
2
3
4
H¨ aufigkeit k∗
5
Abbildung 5.4: Verlauf der Binomialverteilung Wir sehen, dass sich die Bewertungsgleichung des Calls mit Hilfe der Binomialverteilung einfacher schreibt als C0 = S0 · B(k ∗ ; T, pˆ) − 6
1 (1+rf )T
K · B(k ∗ ; T, pQ d ).
(5.9)
Mehr u ¨ber Binomialverteilungen finden Sie in jedem Lexikon der Mathematik, beispielsweise Bronstein, Semendjajew, Musiol & M¨ uhlig (1993, S. 506).
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61 Im Prinzip k¨onnten wir nun die Black–Scholes herleiten, indem wir die Abst¨ande zwischen zwei Perioden immer kleiner machen und dabei darauf achten, auch die H¨ohe der Kursspr¨ unge der Aktie und die Wahrscheinlichkeiten auf geeignete Weise kleiner werden zu lassen. Im Limit erh¨alt man dann die ber¨ uhmte Black–Scholes Formel. Nachteil bei diesem Vorgehen ist, dass man zwar so eine Preisformel f¨ ur eine Option berechnen kann, aber keine Informationen u ber die Art und Weise erh¨ a lt, wie eine solche Option u ¨ ¨berhaupt gehedgt werden kann. Deshalb werden wir im Folgenden Kapitel den urspr¨ unglichen Ansatz von Black und Scholes verwenden, um den Preis einer Option zu bestimmen.
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6 Die Black–Scholes–Formel zur Bewertung europ¨ aischer Optionen 6.1 Die Black–Scholes–Formel Black und Scholes gehen davon aus, dass die Rendite der Aktie eine bestimmte Dynamik besitzt. Zuerst gehen sie davon aus, dass es nicht mehr wie im Binomialmodell diskrete Zeitpunkte gibt, sondern dass die Zeit kontinuierlich ist und auch der Handel mit der Aktie kontinuierlich stattfindet. Das heißt, es gibt jetzt nicht mehr Zeitpunkte t = 0, 1, . . . , T , sondern der Zeitindex kann jeden beliebigen Wert im Intervall t ∈ [0, T ] annehmen. In einem infinitesimalen (unendlich kleinen) Zeitintervall dt m¨oge sich der Preis der Aktie um den zuf¨alligen Betrag dSt bewegen. √ Dieser zuf¨allige Betrag habe einen Erwartungswert µSdt und eine Standardabweichung σS dt. Wir sagen dann µ ist die “Drift” und σ die “Volatilit¨at”. Statt √ dSt dSt E = µdt, Std = σ dt St St schreiben wir nun dSt = µdt + σdWt , St
(6.1)
wobei dWt als eine normalverteilte Zufallsvariable mit Erwartungswert null und Varianz dt aufgefasst werden kann. Die Drift kann als infinitesimale erwartete Rendite der Aktie interpretiert werden, die Volatilit¨at ist ein Maß f¨ ur die Schwankung dieser Rendite. Falls die Volatilit¨at der Aktie null ist (die zuk¨ unftige Entwicklung der Aktie also nicht stochastisch), dann ist dSt = µdt, St oder, etwas umgestellt dSt = µSt . dt
(6.2)
Dies ist eine gew¨ohnliche Differentialgleichung, d.h. eine Gleichung die eine Funktion S(t) durch einen Zusammenhang zwischen der Funktion selbst und der Ableitung der Funktion dS(t)/dt beschreibt. Eine L¨osung dieser Differentialgleichung ist eine Funktion S(t) die der in (6.2) beschriebenen Beziehung gen¨ ugt. In diesem einfachen Fall ist S(t) = S0 eµt ,
62
63 wobei S0 der Aktienkurs im Zeitpunkt Null ist. Das ist einfach der Wert eines Kontos, das sich mit dem sicheren Zinssatz µ verzinst. Man sieht, um eine eindeutige L¨osung f¨ ur das in (6.2) beschriebene Problem zu erhalten, muss man den Startwert S0 der Funktion kennen, da es ansonsten unendlich viele L¨osungen der Differentialgleichung gibt, eine f¨ ur jeden denkbaren Startwert. Diesen Startwert nennt man auch Anfangsbedingung oder Randbedingung der Differentialgleichung. Wir werden gleich sehen, dass wir den Preis unserer Option nach genau diesem Prinzip bestimmen werden, indem wir eine Differentialgleichung finden, die die Kursbewegung des Optionspreises beschreibt, und eine geeignete Randbedingung angeben. Dies ist nur im Falle der Option mathematisch nicht mehr so einfach, weil der Optionspreis nicht nur von einer Variable t abh¨angt, sondern noch vom Wert des Underlyings St . Kommen wir zur¨ uck zur Beschreibung der zeitlichen Entwicklung der Aktie in Gleichung (6.1): dSt = µdt + σdWt . St Wt wird mathematisch als ein Wiener–Prozess oder als Brown’sche Bewegung bezeichnet. Sie hat die beiden folgenden fundamentalen Eigenschaften: ¨ 1. In einem infinitesimalen Zeitraum dt wird die Anderung von Wt durch √ dWt = dt beschrieben, wobei eine standardnormalverteilte Zufallsvariable ist, also mit Erwartungswert Null und Varianz 1. ¨ 2. F¨ ur zwei infinitesimale Zeitintervalle dt1 und dt2 sind die Anderungen von Wt , also dW1 und dW2 unabh¨angig. ¨ Die vielleicht auf den ersten Blick seltsame erste Eigenschaft, n¨amlich dass die Anderungen dWt durch die Wurzel aus der Zeit t beschrieben werden, ist im Grunde ganz nat¨ urlich und hat nichts mit der kontinuierlichen Zeiteinteilung zu tun. Schauen Sie sich eine Aktie an, bei der man annimmt, dass ihre Wert¨anderung in einem Jahr durch eine Normalverteilung N (0, 1) beschrieben wird, bei der man also annimmt, dass der durchschnittliche Kurs konstant bleibt, deren Wertschwankungen aber durch eine Normalverteilung mit Varianz 1 beschrieben werden. Welche Wert¨anderung treten bei dieser Aktie in zwei Jahren auf, wenn man davon ausgeht, dass die Wert¨anderung im zweiten Jahr die gleichen Eigenschaften hat wie im ersten und zudem unabh¨angig von der Wert¨anderung im ersten Jahr ist? Die Wert¨anderung in zwei Jahren ist die Summe von zwei unabh¨angigen Normalverteilungen. Die Summe aus zwei unabh¨angigen Normalverteilungen ist eine Normalverteilung, deren Erwartungswert die Summe der beiden Erwartungswerte und deren Varianz die Summe der beiden Varianzen ist. Daher ist der Erwartungswert der Wert¨anderung Null und die Varianz der Wert¨ anderung gleich zwei. ¨ber zwei Jahren wird also durch √ Die Wert¨anderung der Aktie u eine Normalverteilung N (0, 2) beschrieben. Allgemein wird die Wert¨ √ anderung der Aktie u ¨ber einen beliebigen Zeitraum ∆t durch eine Normalverteilung N (0, ∆t) beschrieben. (6.1) besagt demnach, dass die Rendite der Aktie sich aus einer sicheren Verzinsung µdt (der Drift) und einer unsicheren Komponente σdWt (der Volatilit¨at) zusammensetzt, bei der die
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64 ¨ unsichere Komponente ein Wiener–Prozess ist, bei dem die Anderungen normalverteilt und ¨ die Anderungen u ¨ber zwei unterschiedliche Zeitintervalle unabh¨angig verteilt sind. Abbildung 6.1 zeigt ein Beispiel einer stochastischen Preisbewegung mit Drift µ. ...... ...... ..... .......... .......... ............ .. ........ .... ....... .. .. .. . .... ... .......... ........ ........ .............. ............ ...... .... . ........ ... .... ........ . .. . . .. . . . .. . . .. .... ..... ........ .... ........ .... ........ .... ........ .......... . .. . .. . .. . .... ............ .... ........ ........... ......... ......... ........ ..... .............................. ........ ..... ........ ................... ............... . .. . . .. . . .. ........ ..... ...... ..... .......... ...... ..... ................. ............ ...... ...... ...... ........ ...... ..... ...... ... .....
µt
Quotient St /S0
6
1.5 1 0.5
-
1
2
Zeit t
3
Abbildung 6.1: Beispiel einer chaotischen Preisbewegung (bei Lognormalverteilung) Der Preis einer Option auf eine Aktie S ist offensichtlich eine Funktion der Zeit, des aktuellen Aktienkurses St , des Aus¨ ubungspreises und des risikolosen Zinssatzes. Bei festgelegten Zinss¨atzen und Aus¨ ubungspreisen ist die Option also eine Funktion der Zeit und des Aktienkurses. Bevor wir uns weiter mit der Preisgleichung der Option besch¨aftigen brauchen wir noch ein wichtiges mathematisches Resultat, das von auf den Mathematiker Kiyosi Ito zur¨ uckgeht. Satz 10 (Itˆ os Lemma) Sei f (S, t) eine beliebige (hinreichend differenzierbare) Funktion ¨ des stochastischen Aktienkurses S und der Zeit t. Dann folgt f¨ ur die infinitesimale Anderung des Funktionswertes df ∂f ∂f ∂f 1 2 2 ∂2f df = σdWt + µS + + σ S dt. ∂S ∂S ∂t 2 ∂S 2 ¨ Itˆos Lemma stellt offensichtlich eine Ubertragung der Taylorschen Approximation auf die stochastische Welt dar. Wir erkennen die beiden ersten Ableitungen, die wir im folgenden auch ¨ k¨ urzer mit fS und ft bezeichnen werden. Uberraschend ist jedoch der dritte Term, in dem eine zweite Ableitung auftaucht. Diese Besonderheit ist charakteristisch f¨ ur den Infinitesimalkalk¨ ul chaotischer Preisprozesse. Beweis: Wir werden nat¨ urlich keinen formal pr¨azisen Beweis f¨ uhren k¨onnen und begn¨ ugen uns mit einer Veranschaulichung. Dazu entwickeln wir die Funktion f (S, t) nach dem Satz von Taylor bis zur zweiten Ordnung und erhalten 1 1 f (St + dSt , t + dt) ≈ f (St , t) + fS dSt + ft dt + fSS dSt2 + ftt dt2 + fSt dSt dt. 2 2 ¨ Die infinitesimale Anderung ergibt sich, indem wir f auf beiden Seiten subtrahieren 1 1 df (St + dSt , t + dt) ≈ fS dSt + ft dt + fSS dSt2 + ftt dt2 + fSt dSt dt. 2 2
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65 Im n¨achsten Schritt setzen wir (im rechten Teil der Gleichung) die Bewegungsgleichung des Aktienkurses (6.1) ein 1 1 df ≈ fS dS + ft dt + fSS (µSdt + σSdWt )2 + ftt dt2 + fSt (µSdt + σSdWt )dt. 2 2 Terme gr¨oßerer Ordnung als dt k¨onnen wir vernachl¨assigen 1 df ≈ fS dS + ft dt + fSS (2µSdt σSdWt + σ 2 S 2 dWt dWt ) + fSt σS dWt dt. 2 Wir wollen nun die beiden folgenden Zusammenh¨ange veranschaulichen:1 dWt · dt ≈ 0,
dWt · dWt ≈ dt.
Dazu ermitteln wir in beiden F¨allen den Erwartungswert. F¨ ur das erste Produkt gilt E [dWt · dt] ≈ dt,
E [dWt ] ≈ (dt)1.5 ≈ 0,
und f¨ ur das zweite Produkt gilt E [dWt · dWt ] = Var [dWt ] ≈ dt. Ersetzen wir nun dWt2 durch den Term dt, dann gilt zusammengefasst 1 df ≈ fS dS + ft dt + fSS σ 2 S 2 dt. 2 Damit wollen wir unsere Veranschaulichung beenden. Kommen wir zur¨ uck zu unserer Option, bei der wir nun festlegen, dass es sich um eine Kaufoption C handeln soll. Bei festgelegtem Aus¨ ubungspreis und fixen risikolosen Zinsen ist der Optionspreis eine Funktion der Zeit und des Aktienkurses, C(S, t). Damit folgt mit Itos Lemma, dass 1 dC = CS σdWt + (CS µS + Ct + σ 2 S 2 CSS )dt, 2
(6.3)
wobei Ct , CS und CSS die ersten und zweiten Ableitungen nach den entsprechenden Variablen von C(S, t) sind. Wir stellen nun eine Portfolio einem Leerverkauf der Option und CS Anteilen der Aktie zusammen: P = CS S − C.
(6.4)
Die Wert¨ anderung des Portfolios in einem infinitesimalen Zeitintervall dt ist: dP = CS dS − dC. Durch Einsetzen der Gleichungen (6.1) und (6.3) ergibt sich 1 dP = (−Ct − σ 2 S 2 CSS )dt. 2 1
Hier erkennen Sie, warum die Bezeichnung
√ dt ε˜ so suggestiv ist!
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66 Wie man sieht wird die Wert¨anderung des Portfolios nur durch nichtstochastische Terme beschrieben (dWt taucht nicht auf). Daher handelt es sich bei dem Portfolio um eine sichere Anlage (jedenfalls u ¨ber den infinitesimalen Zeitraum dt) und die Rendite des Portfolios muss aus Arbitrage–Gr¨ unden gleich der risikolosen Rendite sein, was bedeutet, dass dP = rf P dt. Zusammen ergeben die beiden letzten Gleichungen die folgende Beziehung: 1 rf P dt = (−Ct − σ 2 S 2 CSS )dt. 2 Setzt man nun noch (6.4) f¨ ur P ein und eliminiert auf beiden Seiten den Term dt, erh¨alt man 1 Ct + rf SCS + σ 2 S 2 CSS = rf C. 2
(6.5)
Dies ist eine partielle Differentialgleichung, die den Optionspreis und seine Ableitungen Ct , CS und CSS in Beziehung zueinander setzt. Diese Differentialgleichung ist allein deshalb nicht nach Black und Scholes benannt, weil sie bereits weit vorher in der Physik zur Beschreibung der W¨armeleitung in einem festen K¨orper benutzt wurde (,,W¨armeleitungsgleichung”). Aus der physikalischen Theorie weiß man, dass zur L¨osung der Gleichung eine Randbedingung notwendig ist. Diese Randbedingung ergibt sich durch die Betrachtung der Auszahlung am Laufzeitende. Im Aus¨ ubungszeitpunkt gilt C(T ) = max(S − K, 0).
(6.6)
Die beiden Gleichungen (6.5) und (6.6) ergeben ein mathematisches Problem, dessen L¨osung die Black–Scholes–Formel ist:
C0 = S0 · N
2
ln(S0 /K)+rT + σ2 T √ σ T
−
e−rT K
·N
2
ln(S0 /K)+rT − σ2 T √ σ T
.
(6.7)
6.2 Delta Hedging Im letzten Abschnitt haben wir bereits gesehen, wie mit recht anspruchsvollen mathematischen Verfahren eine Option rein theoretisch vollst¨andig gehedget werden kann, das heißt ein Portfolio aus Aktien und Bonds gebildet wird, das zusammen mit der Option risikolos ist. In der Praxis sichert man sich tats¨achlich genau nach diesem Schema ab, auch wenn nat¨ urlich ein paar Vereinfachungen vorgenommen werden. Ebenso stellen Arbitrageure, die gegen falsch gepreiste Derivate spekulieren, ihre Arbitrage-Strategien nur theoretisch nach dem im letzten Abschnitt dargestellten Verfahren zusammen. Das gr¨oßte Hindernis f¨ ur eine einfachen ¨ Ubertragung der Arbitrage-Strategie (??) in die Praxis, stellt nat¨ urlich die Annahme dar, dass das Hedge-Portfolio kontinuierlich angepasst wird. Dies ist offensichtlich selbst f¨ ur heu¨ tige Handelscomputer nicht machbar und k¨ame im Ubrigen wegen der damit verbundenen Transaktionskosten viel zu teuer.
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67 Eine Bank, die eine Option im OTC-Markt an einen Kunden verkauft, muss darauf achten, dass sie am Aus¨ ubungszeitpunkt nicht unerw¨ unschten Zahlungsverpflichtungen nachkommen muss. Im Extremfall wird sie das so einrichten, dass ihr u ¨berhaupt kein Risiko entsteht. Dazu wird sie eine Anzahl ∆ von Aktien kaufen, so dass zu jedem Zeitpunkt die m¨oglichen Schwankungen des Wertes der Option durch die Schwankungen der ∆ Aktien wettgemacht werden. Ein Portfolio aus Option und Aktien, dass derart abgesichert ist, wird Delta-neutral genannt. Bei kontinuierlichem Handel ist in einem beliebig kleinen Zeitintervall t nur mit kleinen Schwankungen des Wertes der Option zu rechnen. F¨ ur infinitesimal kleine Zeitintervalle t ergibt sich ∆ als ∂C . ∂S Ist das Delta gleich 0,6 heißt das also das eine Bank die 10.000 Optionen auf eine Aktie verkauft hat, 6.000 Aktien h¨alt, um sich gegen Schwankungen des Optionspreises abzusichern. Eine Wertver¨anderung der Aktie um einen Prozent f¨ uhrt dann zu einer Wertver¨anderung der Option um approximativ 0,6 Prozent. Das Portfolio 0, 6S − C hat dann approximativ eine Wertver¨anderung von Null. ∆=
Dieses Delta muss allerdings st¨andig angepasst werden, da es sich in jeder Zeitperiode ¨andert. Die Bank sollte also im Idealfall kontinuierlich ihr Portfolio aus Aktien anpassen. Das wird sie wegen Transaktionskosten nicht kontinuierlich aber in gewissen, m¨oglichst kurzen, Abst¨anden tun. Mit der Black–Scholes Formel l¨asst sich das Delta einer europ¨aischen Kaufoption ausrechnen. Es l¨asst sich zeigen, dass zum Zeitpunkt t ! 2 ln(St /K) + r(T − t) + σ2 (T − t) √ ∆=N σ T −t In Abh¨angigkeit des Aktienkurses hat das Delta die folgende Form:
1,0
0,0
Delta 6 ........... ......... ....... ....... . . . . . . .. ...... ..... ...... ..... ..... . . . . .... ..... ... ... ... . . .. ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... .. . .. .... ..... ..... ..... . . . . ....... ....... ....... ....... ..........
-
Aktienkurs
K Wir erkennen, dass Delta immer positiv und kleiner Eins ist. Weiter sieht man, dass das Delta f¨ ur Optionen die sehr stark in–the–money oder out–of–the–money sind relativ flach
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68 wird, sich also bei Schwankungen des Aktienkurses nicht stark ver¨andert, w¨ahrend das Delta ¨ einer Option, die ann¨ahernd at–the–money ist, sehr sensitiv auf Anderungen des Aktienkurses reagiert. Wir wollen uns nun realistischerweise vorstellen, die Bank k¨onne ihr Hedge-Portfolio nicht kontinuierlich anpassen, sondern nur in diskreten Abst¨anden von zum Beispiel einer Woche oder einem Tag. Dadurch kann das Hedge-Portfolio der Bank nicht mehr dauerhaft optimal sein. Zwischen den Anpassungszeitpunkten k¨onnen Schwankungen des Optionspreises nicht mehr vollst¨andig durch entsprechende Schwankungen des Hedge-Portfolios aufgefangen werden. F¨ ur Optionen, die stark in–the–money oder out–of–the–money sind, ist das nicht so schlimm, da auch u angeren Zeitraum das festgelegte Delta fast optimal ist. ¨ber einen etwas l¨ F¨ ur Optionen, die ann¨ahernd at–the–money sind, kann die Bank aber Schwierigkeiten bekommen. Wenn die Bank zum Beispiel am Montag ihr Portfolio auf das aktuelle Delta einer at–the–money Option von 0,6 anpasst, dann kann es passieren, dass das Delta sich bis zum Donnerstag auf 0,3 ge¨andert hat, ohne dass sich dabei der Aktienkurs oder der Kurs der Op¨ tion stark ver¨andert haben muss. Eine einprozentige Anderung des Aktienkurses am Freitag ¨ f¨ uhrt nun zu einer Anderung des Kurses der Option um 0,3 Prozent. Das Portfolio der Bank mit dem alten Delta von 0,6 wird sich aber um 0, 6 − 0, 3 Prozent ver¨andern. Das kann bei hohen Positionen schon ein deutliches Risiko bedeuten. Bei einem Wert der Optionsposition von 100 Mio. e sind das zum Beispiel bereits 300.000 e. Das Delta reagiert sehr sensibel auf Schwankungen des Aktienkurses, wenn die Ableitung von Delta nach dem Aktienkurs, das sogenannte Gamma der Option, Γ=
∂∆ ∂2C = ∂S ∂S 2
hohe Werte annimmt. Das Gamma einer Kaufoption zum Zeitpunkt t ergibt sich aus der Black–Scholes Formel als 2 ln(St /K)+r(T −t)+ σ2 (T −t) 0 √ N σ T −t √ Γ= . St σ T − t Um gegen Schwankungen des Delta abgesichert zu sein, kann die Bank zweierlei tun. Einerseits kann sie einfach Γ beobachten, und bei hohen Γ–Werten h¨aufiger ihre Portfoliopositionen anpassen. Eine zweite Strategie besteht darin, das Hedge-Portfolio weiter auszubauen, so dass es auch Gamma–neutral wird. Nehmen wir an, auf die zugrundeliegende Aktie w¨ urde eine weitere Option Cˆ (mit einem anderen Aus¨ ubungspreis) gehandelt. Auch diese Option hat ein Delta ˆ und ein Gamma Γ. ˆ Das Portfolio Cˆ − ∆S ˆ ist nun wieder Delta–neutral mit einem Gamma ∆ ˆ von Γ. Damit wird das Gesamtportfolio ∆S − C −
Γ ˆ (∆S − C) ˆ Γ
Delta–neutral und Gamma–neutral sein. Die Bank ist hiermit auch gegen Schwankungen des Delta abgesichert. Delta–Neutralit¨at bedeutet Absicherung gegen sehr kleine Schwankungen des Aktienkurses. Gamma–Neutralit¨at bedeutet Absicherung gegen Schwankungen des Hedge–Portfolios zwischen den Anpassungsterminen.
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Gamma 6 .. ............. ... ... ... ... .. ... . ... ... ... .. . ... .. . ... .. ... . .. ... . ... .. . ... .. . ... .. . ... .. . ... .. ... . ... .. . . ..... . . . . ..... ... . . ..... . . ..... .... . . . ..... .. . . . . ....... . ..... . ....... . . . . . ........ .... . . . . . . ........... . . . .. ..... ...........
-
Aktienkurs
K
Simulationsstudien und die Erfahrung der Optionsh¨andler zeigen, dass man mit Delta– und Gamma–Hedging in der Regel bereits die allerwichtigsten Risiken einer Optionsposition sehr gut absichern kann.
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Literaturverzeichnis Bachelier, L. (1900). Theorie de la Sp´eculation, PhD thesis, Annales de l’Ecole normale superiure. Back, K. & Pliska, S. (1991). On the fundamental theorem of asset pricing with an infinite state space, Journal of Mathematical Economics 20: 1–18. Black, F. (1989). How we came up with the option formula, Journal of Portfolio Managment pp. 4–8. Bronstein, I., Semendjajew, K., Musiol, G. & M¨ uhlig, H. (1993). Taschenbuch der Mathematik, Verlag Harri Deutsch, Frankfurt/M. Cox, J., Ingersoll, J. & Ross, S. (1981). The relation between forward prices and futures prices, Journal of Financial Economics 9: 321–346. Harrison, J. & Kreps, D. (1979). Martingales and arbitrage in multiperiod securities markets, Journal of Economic Theory 20: 381–408. Irle, A. (1998). Finanzmathematik, B.G. Teubner, Stuttgart. Ross, S. (1976). The arbitrage theory of capital asset pricing, Journal of Economic Theory 13: 341–360. Samuelson, P. (1965). Proof that properly anticipated prices fluctuate randomly, Industrial Managment Review 6, No.2: 41–49. Steiner, P. & Uhlir, H. (2000). Wertpapieranalyse, 4th. edn, Physica–Verlag, Heidelberg.
70