AUF DER SEIDENSTRASSE NACH HONGKONG
1. TEIL: EUROPA - PAKI STAN
Eindrücke einer 5 1/2 monatigen Reise mit Bus, Bahn, Sammeltaxi und Schiff. Von der Türkei in den Iran und weiter über Pakistan nach China.
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18.7. - 25.7. Salzburg – Istanbul Mit dem Balkan-Express durch den Rest von Europa
Jetzt habe ich sogar etwas Angst. Angst, ob mein Entschluss, für ein halbes Jahr „auszusteigen“, mit dem Rucksack entlang der Seidenstraße nach China zu reisen, denn überhaupt richtig ist. Ordentliche Söhne arbeiten nach der Reifeprüfung drei Monate in einer Bank oder einer anderen honorigen Firma, bereiten sich dann auf die Verteidigung des geliebten Vaterlandes vor, beginnen ein Hochschulstudium, suchen sich einen mehr oder weniger gut bezahlten Job, gründen eine Familie, machen Karriere,
SALZBURG
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erwachen nach einer Herzattacke beim lieben Gott und träumen fünfzig Jahre von einem besseren Leben. Doch ich undankbarer Wohlstandsekel will schon mit neunzehn aus diesen seit Großvaters Zeiten vorgezeichneten Lebensbahnen ausbrechen, sie verändern und verzögern und stehe jetzt um 19.30 Uhr mit Mutter und Vater am Salzburger Hauptbahnhof. Um die Abschiedsszene kurz zu machen, ruckt pünktlich die Elektro-Lok den Istanbul-Expreß an, und ich rolle langsam Richtung Süden, dem unbekannten Aben-
THESSALONIKI
teuer entgegen. Eigentlich ein sehr schönes Land, das da draußen von der Abendsonne beschienen wird. Keine Ahnung, warum mir das immer auffällt, wenn ich in einem Waggon Richtung Balkan rolle. Keine Ahnung auch, ob ich all diese Gefahren und Probleme meistern kann, die bei jeder Reise auftreten. Auf Fragen des „Was wäre wenn“-Spiels wusste ich nicht immer befriedigende Antworten und konnte nur mit der Gewissheit früherer Reisen sagen, dass, egal was auch passieren möge, die Welt sich weiterdrehen wird. Doch schon nach ein paar Stunden, an der österreichisch-jugoslawischen Grenze, werde ich in den Reisealltag gestürzt, der mir in der Regel keine Zeit für düstere Zukunftsvisionen lässt. Gegen Mitternacht rei-
he ich mich in die Schlange vor dem einzigen geöffneten Schalter ein und hoffe, eine Fahrkarte bis zur jugoslawisch-griechischen Grenze zu bekommen. Natürlich könnte ich mich jetzt auch bequem in meinem Abteil lang strecken, doch der Geiz treibt mich dazu, nur Fahrkarten von Grenze zu Grenze zu kaufen. So kostet mich die Reise nur die Hälfte eines regulären Jugendtickets Salzburg - Istanbul. In Belgrad wechsle ich mein komfortables österreichisches Abteil gegen einen hoffnungslos überfüllten jugoslawischen Waggon. Es ist heiß und wir haben Verspätung. Schon wieder stehen wir „mitten in der Pampas“, wie sich ein Italiener schräg gegenüber ausdrückt. Trotzdem ist die Reise kurzweilig: Ich sitze neben einer Toilette, deren Tür nicht zu versperren ist. So habe ich die delikate Aufgabe, die nächsten vier-
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KAV ALA
zehn Stunden Klo-Mann zu spielen. - Verdammte Sch....! In Thessaloniki kann ich dann vier Stunden auf dem Bahnhofsboden rasten, umgeben von Heerscharen anderer Tramper. Jetzt um 1.00 Uhr ist alles ruhig. Nur ein Grieche versucht leise zwei Mädchen zu beschwatzen. Es ist sehr, sehr dumm, und ich schlafe bald ein. Um 5.30 Uhr stehe ich auf und erstehe drei Fahrkarten nach Alexandropoulis, einer kleinen Hafenstadt nahe der türkischen Grenze. Ich reise jetzt zusammen mit einem deutschen Pärchen, das auch in die Türkei will. Die Bahnlinie führt zuerst Richtung Norden, fast bis zur bulgarischen Grenze, bevor sie sich durch die Ausläufer des Rhodopen-Gebirges kurvenreich nach Osten schlängelt. Griechenland ist hier überraschend grün. Immer wieder erklimmt der Diesel-Triebwagen steile Höhen, fährt durch einen kurzen Tunnel und steigt wieder hinab in ein dichtbewachsenes Flusstal. In der Mittagshitze habe ich einen Tagtraum: Hier ein Schlauchboot ins Wasser setzen und sich zur Ägäis runtertreiben lassen.
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DARD ANELLEN
Die Gegend ist dünn besiedelt: Drei oder vier größere Dörfer, die staubig unter der Mittagssonne rasten, ein paar Autos mit deutschen Kennzeichen, Gastarbeiter. Dieses Hinterland zwischen Bulgarien und der Türkei hat keine Zukunft. Nur mehr ein Platz für Alte, Fremdarbeiter, sterbende Dörfer und einen rußenden Anachronismus, der viel zu langsam Richtung Osten zuckelt. Bei der Busstation in Alexandropoulis gibt es dann lange Gesichter: Der nächste Bus zur Grenze fährt erst in fünf Stunden. Die Deutschen haben eine Idee: Sie müssten eigentlich einen Brief für einen griechischen Freund abgeben. Man könnte sich ja treffen, einen Kaffee trinken, plaudern und gemeinsam zur Grenze fahren. So war es dann auch. Nur dass der griechische Freund bis vor zehn Jahren noch in Istanbul gelebt hat. Vorher auf Gökceada, einer kleinen türkischen Insel 50 km vor dem griechischen Festland. Bis fünf und sechzig, dann wurden die griechischsprechenden Bewohner enteignet, deportiert, über die Gemüsefelder eine Start- und Landebahn gewalzt, darauf amerikanische F16 - griechisch-türkische Freundschaft. Als er uns in seinem BMW zur Grenze bringt, zeigt er uns einen Hügel, von dem man bei guter Witterung zu „seiner“
ISTANBUL
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HAGHI A SOPHI A
Insel sehen kann. Meine Freunde sind überrascht, dass sie nicht per pedes von der griechischen zur türkischen Grenzstation gehen dürfen. Mir sind diese Schikanen schon von früher bekannt. So fahren wir bei zwei griechischen Fernlastern mit - Geschäfte kennen ja bekanntlich keine politischen Grenzen. Die letzten 200 km von Kesan nach Istanbul lege ich mit einem Bus zurück. Beim ersten Stop kaufe ich mir ein Fanta. Ich bin zufrieden: Es kostet 500 Lira oder 35 Cent. Vor zwei Jahren hat es 300 Lira gekostet, was auch 35 Cent waren. Auch die Pfirsiche sind nicht teurer geworden. Nur die Türken wissen nicht, woher sie die 200 Lira Differenz nehmen sollen. Spätabends komme ich am Topkapi-Busbahnhof an. Hier draußen, außerhalb der alten Stadtmauern, herrscht auch um diese Zeit noch hektisches Treiben: Buschauffeure, Reisende, Bettler und Händler, die irgendwelchen Kleinkram verkaufen. Dazu mischt sich noch der Duft von Gebratenem, Dieselabgasen
DOLMUS
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GROSSER B ASAR
und Staub. Doch ich muss diesen Jahrmarkt aus Träumen vom besseren Leben in der Stadt, vom Urlaub am Meer oder vom Besuch der Eltern, Verwandten in irgendeinem anatolischen Dorf, Busstunden entfernt, verlassen und mich meiner ganz profanen Suche nach einem Schlafplatz widmen. Die Preise sind in den letzten zwei Jahren kräftig gestiegen: Für ein Bett verlangen sie im Yücelt-Youth-Hostel mittlerweile € 6,75, doppelt so viel wie früher. Schließlich lande ich auf dem Dach des Büyukayasofia Otelis, wo ich für € 1,70 meinen Schlafsack neben einem Haufen Müll ausrolle. Doch egal, nichts wie schlafen. Drei Tage war ich jetzt fast ununterbrochen durch den Rest von Europa unterwegs. Am nächsten Tag treibt mich dann die Sonne aus dem Schlafsack. Als ich unwillig die Augen aufschlage, bleibt mir vor Überraschung fast das Herz stehen: Direkt gegenüber liest einer ganz unbekümmert in „meinem“ ChinaReiseführer. Ausgeraubt? Ein schneller Blick auf meinen Rucksack belehrt mich eines Besseren.
HOSTELS
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BLAUE MOSCHEE
Da mir mein jetziger Schlafplatz neben Plastikflaschen und Obstabfällen ohnehin nicht zusagt, warte ich, bis neben ihm ein Platz frei wird. „Ist da noch frei?“ - „Ja, ja. Der fährt, glaube ich, heute ab.“ - „Wo soll denn die Reise hingehen?“ - „Nach Australien.“ - „Über China?“ - „Ja, wir fliegen zuerst nach Pakistan und dann weiter nach China.“ - „Tatsächlich? Ich fahre durch den Iran.“ - „Wie bitte?“ - „Ich fahre durch den Iran nach Pakistan und weiter nach China.“ - „Das gibt es doch nicht!“ - Sofort beginnen wir unsere Reiserouten zu besprechen, Informationen auszutauschen und Pläne zu schmieden. Dann stoßt noch ein Deutscher zu uns, der ebenfalls durch den Iran nach Pakistan will und eine Gruppe anderer Deutscher, die Richtung Indien unterwegs sind. Dieser Tag fällt für Sightseeing vorerst einmal flach. Eigentlich wollte ich dieses Mal nur drei Tage in Istanbul bleiben und zügig nach Osten Weiterreisen. Geworden sind es dann doch fünf, obwohl ich mir gar nicht so viele Sehenswürdigkeiten angeschaut habe. Dafür war ich auch im Sultan-Pub, wo zwar das Bier etwas teurer ist, dafür
BOSPORUS
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TOPK API P ALAST
aber ein abendfüllendes Programm geboten wird: Hier begegnen sich Orient und Okzident oder „Wie bekommt der türkische Macho die Europäerin herum?“. Es ist großartig, das zähe Ringen eines Istanbuler Papagallos live mitzuerleben. Oder das Underground-Lokal, ein vielleicht 15 Quadratmeter großer Stehausschank unter Gehsteigniveau, wo die heißesten westlichen Songs gespielt werden. Hierher bringen Türken auch ihre europäischen Geschäftsfreunde mit, um ihnen vorzuführen, wie fortschrittlich Istanbul sei. Den Geschäftsleuten in ihren unbequemen Anzügen ist das meist sichtlich unangenehm und sie fühlen sich ziemlich deplaziert.
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26. 7. - 6. 8. Istanbul – Dogubayazit Von der Mondlandschaft Kappadokiens, den Götterfiguren am Nemrut Dag und dem Van-See zum Berg Ararat, wo Noah mit seiner Arche gestrandet sein soll
Zwanzig Stunden dauert die Bahnfahrt von Istanbul ins fast 1.000 km östlich gelegene Kayseri. Für € 3,30 bekomme ich einen ersten Vorgeschmack, was Bahnfahren in der zweiten Klasse in Asien bedeutet: Zu zehnt sind wir in einem Achterabteil eingequetscht, das bei uns höchstens mit sechs Personen belegt würde. Dazu noch kaputte Fenster und eine Affenhitze. Einer meiner Mitreisenden, ein Automechaniker aus Mus, beginnt gleich, mich mit Fragen zu löchern. Sein
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Englisch hat er selbst gelernt, als Autodidakt, und so übersetzt er die drängenden Fragen seiner Freunde: Woher kommst Du? Verheiratet? Wie viel verdienst Du? Was kostet das? - Ich versuche die Fragen ehrlich zu beantworten, doch obwohl ich ständig untertreibe, komme ich mir wie der reiche Onkel aus Amerika vor, der ich, auch wenn ich mir es im Moment nicht eingestehen will, letztendlich wohl bin. Dann noch die Standardfrage: „Glaubst Du an Gott?“
KAPP ADOKIEN
Darauf meine Standardantwort: „Ich bin Katholik.“ Seine Freunde stellt diese Entgegnung zufrieden, nur mein Dolmetscher hakt zweifelnd nach: „Ja, natürlich Katholik. Aber glaubst Du denn wirklich daran?“ Ich bleibe dabei, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass Andersgläubige in islamischen Ländern mehr oder weniger toleriert werden, Gottlose aber echten Hass auf sich ziehen. Um so überraschter bin ich über seine Antwort: „Ich bin Atheist. Religion und so, das sind Märchen, die man kleinen Kindern erzählt. Oder hast Du schon einmal Gott wirklich gesehen?“ Die Mondlandschaft von Kappadokien ist wunderschön und deshalb von Touristen überlaufen. Als ich in Ürgüp auf dem Campingplatz ankomme, stehe ich auf einer riesigen Baustelle. „Vor zwei Jahren hat hier das Swimmingpool gestanden“ meine ich zum Besitzer, der wissend lächelt und mir erzählt, dass jetzt ein Hotel gebaut, das große Geld gemacht werde. Ich habe da meine Zweifel, aber ein junger Angestellter vom Tourist-Office bestätigt mir, dass vor zwei Jahren nur die Hälfte der Hotels gestanden habe.
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ZELVE
Nach zwei Tagen ziehe ich weiter zum nächsten Fixpunkt auf dem OsttürkeiTourist-Trail, dem Nemrut Dag bei Kahta. „What do you want Mister, sunset or sunrise tour? Very cheap!“ Nein danke, das hatte ich schon einmal: Mitten in der Nacht rein in den Dolmus, Sonnenaufgang am Berg, Photo, todmüde zu den anderen Sehenswürdigkeiten, wieder Photo, und zurück. Dieses Mal will ich mir mehr Zeit nehmen. Zuerst fahre ich mit einem Dolmus Richtung Gerger, was vor Abfahrt zu einem gewaltigen Stunk führt: Ein Sunset-/Sunrise-Tour-Unternehmer bekommt Wind davon, dass ich Richtung Nemrut Dag mitfahre und beschwert sich lautstark bei meinem Fahrer. Der fürchtet nun seinerseits, dass ihm das Geschäft mit mir durch die Lappen gehen könnte und gibt ihm mit gleicher Münze heraus. Als dann auch noch die anderen Passagiere für mich Partei ergreifen, gibt der geschäftstüchtige Unternehmer nach. Jetzt am Nachmittag ist es am Gipfel noch angenehm ruhig. Erst kurz vor Sonnenuntergang rumpeln gezählte zwanzig Dolmuse die holprige Piste herauf
NEMRUT D AG
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und entladen ihre Last. An ein Naturerlebnis in Stille und Beschaulichkeit ist dabei nicht zu denken. Nach einer kühlen Nacht am Berg mache ich mich zum Abstieg nach Eski Kahta bereit. Ich folge einer in meinem Reiseführer lässig geschwungenen Linie und verlaufe mich prompt. So muss ich ca. 500 Höhenmeter einen Geröllhang hinunter. Die Steine sind zu grob, um richtig hinuntergleiten zu können, aber auch zu klein, um richtig Halt zu finden. Dazu drückt noch mein schwerer Rucksack nach unten. Total fix und foxi lege ich mich nach einer Stunde beschwerlichen Abstiegs unter den Schatten eines Baums, neben mir sprudelt beruhigend eine Quelle. Als ich mich wieder auf die Socken machen will - noch warten acht Kilometer Weg in der Mittagshitze auf mich - kommt ein Hirte mit seiner Schafherde vorbei. Er drängt mich, unbedingt zu ihm nach Hause Mittagessen zu kommen. Mir ist diese unverhoffte Einladung sehr recht, weil ich in den letzten 24 Stunden nur eine Packung Kekse gegessen habe.
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Er führt mich in die „gute“ Stube und bedeutet mir, auf den Teppichen Platz zu nehmen. Bis seine Frau mit dem Essen fertig ist, unterhalten wir uns, was bei meinen minimalen Türkisch-Kenntnissen sehr zeitaufwendig ist. Stolz zeigt er mir Fotos von einer Reise nach Istanbul. Nachdem ich alles ausgiebig bewundert hatte, bringt seine Frau das Essen: Gemüseeintopf, Fladenbrot, Schafskäse und als Nachtisch Pflaumen und Honigwasser. - Mein Hunger ist noch größer als das schlechte Gewissen, einem einfachen Schafhirten ein Festtagsmahl wegzufressen. Nachdem ich mich nochmals herzlich bedankt habe, mache ich mich auf den Zweistundenmarsch nach Eski Kahta. Doch ich komme nicht weit: Schon nach einer halben Stunde muss ich den Straßenrand aufsuchen, und die Köstlichkeiten rinnen geradezu hinten aus mir heraus. Das Weitergehen ist sehr mühsam, und ich bin heilfroh, dass mich Deutsche, die sich verfahren haben, in ihrem Auto nach Kahta mitnehmen. Da jetzt am Nachmittag kein Bus mehr nach Diyarbakir fährt, beschließe ich
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DIYARB AKIR
nach ein paar Gläsern Cay zu trampen. Nach kurzer Zeit hält ein total überladener LKW an. Mit 50 km/h Höchstgeschwindigkeit bergab und mit viel Rückenwind zuckelt der Ford Cargo Richtung Diyarbakir. „Nein, tut mir leid, für heute haben wir keine freien Plätze mehr nach Tatvan.“ - Das ist jetzt schon die fünfte Agentur, bei der ich vergeblich frage. Eine ungewöhnliche Situation, denn das Busnetz ist in der Türkei bestens ausgebaut und normalerweise ist es kein Problem, freie Plätze zu finden. Bei der sechsten Anfrage klappt es dann. Am Busbahnhof stellt sich aber heraus, dass da wohl mehr das Wunschdenken des Kartenverkäufers als das tatsächliche Angebot im Vordergrund gestanden hat. Wie dem auch sei, nach einer Stunde habe ich einen Platz, zwar in einem Bus einer ganz anderen Gesellschaft und mit einem anderen Fahrtziel, aber immerhin, ich konnte mitkommen. Für die Fahrt hat mich mein Sitznachbar, ein Schuldirektor aus Diyarbakir, adoptiert. Bei jedem Stop gibt er mir einen Cay aus, nicht einmal das Abendessen gelingt mir selbst zu bezahlen. „Kurdische Gastfreundschaft“ meint er nur
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NEMRUT D AG
bescheiden. Mit vorgerückter Stunde wird die Stimmung im Bus lockerer. Wieder einmal wird die in türkischen Bussen unvermeidliche Musikkassette gewechselt. „Willst Du kurdische Musik hören?“ fragt mich der Schaffner. „In Ordnung, ja“, wenigstens etwas anderes als das ewige türkische oder arabische Gedudel, das mir mit der Zeit ziemlich auf den Geist fällt. Die neue Kassette ist eine Amateuraufnahme: angenehm einfach, mit viel Gesang. Auch meine Mitfahrer sind begeistert. Erst später wird mir bewusst, was für ein Risiko hier die Busbesatzung eingegangen ist: Das Spielen kurdischer Musik ist in der Türkei verboten, selbst die Existenz von Kurden oder Bergtürken, wie sie im offiziellen Sprachgebrauch heißen, wird geleugnet. Gegen Mitternacht stoppt der Bus an einer Kreuzung 13 km vor meinem Fahrtziel. Die Busfahrer halten einen Dolmus auf und hieven meinen Rucksack auf den Dachträger. Ich selbst fahre auf der Leiter hinten oben hängend mit.
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Die Bethlehem-Tour gestaltet sich in Tatvan überraschend schwierig. Erst im dritten Hotel kann ich in einem Vierbettzimmer unterkommen. Die Bettbezüge starren vor Dreck - hoffentlich bekomme ich keine Flöhe. Aber egal, es kostet nur € 10,15 und morgen bin ich sowieso wieder weg. Als ich mich todmüde aufs Ohr legen will, fängt ein Typ an, mit mir zu quatschen. Er spricht kaum Englisch, ich kaum Türkisch und das alles um ein Uhr nachts. Meine Leistungsgrenze ist erreicht - bald verstehe ich weder Türkisch noch Englisch. Gott sei Dank gibt er auf, und ich falle sofort in tiefen Schlaf. „Paschem“, großartig geht es mir hier auf dem Nemrut Dag, einem 2.830 m hohen Vulkan, ein paar Kilometer nördlich von Tatvan. Ich sitze gerade beim Frühstück im „Gastgarten“ eines kleinen Restaurants, im Hintergrund leise Klaviermusik vom Band, vor mir der Kratersee. Nach einer kalten, stürmischen Nacht schmeckt der heiße Tee hervorragend, dazu Weißbrot, Schafskäse und Honigwaben. Auch Bernd, ein Deutscher, der nach Pakistan wollte, aber nicht genug Zeit
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VAN SEE
hatte, um auf das Iran-Visum zu warten, ist rundherum zufrieden. Er hatte sich gleich auf den 1.900 km langen Weg gemacht, als ich ihm vor einer Woche in Istanbul von diesem Plätzchen erzählt habe. In ein, zwei Stunden werden wieder die ersten Tagesausflügler von Tatvan hochkommen und im größten Kratersee der Türkei baden, aber am Nachmittag wird es wieder ruhig werden und sich eine handvoll Rucksacktouristen und Camper zum Abendessen und GuteNacht-Schwätzchen treffen. Lange kann man hier oben sowieso nicht heraußen sitzen, denn wenn die Sonne weg ist, kommt Wind auf und es wird schnell kalt. Der Restaurantbesitzer, ein Kurde, holt drei uralte Schießprügel hervor. „Zum Schutz gegen Bären“, wie er uns versichert. Wir verdächtigen ihn aber mehr der Wilderei. Nach drei Tagen verlasse ich dieses kleine Paradies. Dabei kommt es beinahe zum Eklat: Der Dolmusfahrer will mich nicht mehr hinunternehmen, obwohl ich für Hin- und Rückfahrt bereits gezahlt habe. Er sei voll, erzählt er mir, was aber nicht stimmt. Ich könnte ja bei seinem Kollegen mitfahren - gegen volle Bezahlung natürlich. „Und unten halbe halbe. Das kannst Du mit mir nicht
INSEL AKD AM AR
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V AN - DO G UB AY AZI T
machen!“ Ein heftiger Streit entzündet sich. Erst als der Restaurantbesitzer auch für mich Partei ergreift, lenkt der Dolmusfahrer ein und ich kann mitfahren. Er ist bitterböse, aber ich sitze im Dolmus. Normalerweise sind € 1,35 kein Betrag, über den ich lange diskutiere, aber so plump lasse ich mich dann auch nicht betrügen. Wenn ich bei normalen Geschäften übervorteilt werde, nehme ich das ruhig hin, solange es sich im Rahmen hält und nicht zu offensichtlich geschieht. Aber alles hat seine Grenzen! Dogubayazit ist meine letzte Station in der Türkei. Hier, im Dreiländereck Türkei - Iran - Armenien, im Schatten des Agri Dagi, des Berges Ararat, auf dem die Arche Noah gestrandet sein soll, bleibe ich noch zwei Tage, trinke noch ein Bierchen und telefoniere nach Hause. Ich zögere etwas. Wenn ich von hier abreise, gibt es kein Zurück mehr. Fünf Tage gilt mein Transitvisum für den Iran: Ein Tag bis Teheran, zwei Tage zur iranisch-pakistanischen Grenze, macht einen Tag Luft. Der nächste mögliche Stop ist Quetta in Pakistan, 3.300 km östlich.
BERG ARARAT
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DOGUB AY AZIT
Mein Zimmer teile ich mit einem Exil-Iraner aus den Niederlanden. Schon seit zwei Wochen wartet er auf einen Besuch seiner Eltern aus dem Iran. Seine Aufenthaltsgenehmigung für die Türkei erlischt in den nächsten Tagen und noch immer keine Nachricht von seinen Eltern. Das Warten macht ihn ganz krank, aber noch hat er Hoffnung. Mit seinem Kurzwellenempfänger hört er Radio Teheran und BBC London. Auch ich will versuchen, mir ein Bild über die Stimmung im Land zu machen, liegt doch der Abschuss eines Passagierflugzeuges der Iran-Air durch ein amerikanisches Kriegsschiff erst vier Wochen zurück. Durch seine Vermittlung lerne ich zwei junge Iraner kennen, die mich in ihrem Auto bis Teheran mitnehmen wollen.
ISAK PASH A PALAST
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7. - 22. 8. Dogubayazit – Rawalpindi Mit einem Transitvisum durch die Islamische Republik Iran und ohne Rucksack weiter zum indischen Subkontinent
Pünktlich um zehn Uhr holen sie mich ab. Wenn ich jetzt geglaubt habe, dass es losgehen könnte, habe ich mich geirrt. Erst werden 100 kg Zucker, der im Iran Mangelware ist, eingekauft und auf dem Dachgepäcksträger verschnürt. Aber noch sind die Zollfreigrenzen nicht ausgereizt. Eine Werkstatt wird angefahren, vier Reifen erstanden und ebenfalls am Dach festgezurrt. Als das Auto bei der nächsten Kurve fast umkippt, verstauen wir die zwei Zuckersäcke auf den Kotflügeln.
Solcherart bepackt schleppt uns der Iran-Eigenbau Richtung Grenze. Doch wir kommen nicht weit: Schon nach zehn Kilometer halten wir an einem Truck-Stop, um Mittag zu essen und, gemäß den Totalprohibitionsbestimmungen der Islamischen Republik, eine halbe Flasche Whiskey zu vernichten. Vor der Weiterfahrt bekommt jeder noch zwei Kaugummis. Nach einer zügigen Abfertigung auf türkischer Seite
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stehe ich „not east not west“ sondern im Transitraum der Islamischen Republik Iran. Im dunklen Zimmer hängt ein Bildnis des Revolutionsführers Khomeini, der, wie mir scheint, aufmerksam die Einreisevorschriften studiert. Nach einer Stunde werde ich aufgerufen und muss zur Bank Melli gehen, um US$ 150,– zum offiziellen Kurs zwangszutauschen. Da ich bei dieser Transaktion 90 % meines Geldes verliere (der Schwarzmarktkurs ist zehnmal so hoch wie der offizielle Kurs), zücke ich American-Express-Travellers-Cheques, die man auch anstandslos wechselt. „Business is business“, auch in der „Islamic Republic of Iran“. Nachdem ich für die Devisenerklärung mein Geld penibel auf Heller und Pfennig vorgezählt hatte, werden
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meine Freunde und ich zur Zollkontrolle entlassen. Ein freundlicher Beamter stellt meinen Rucksack auf den Kopf - keine Beanstandungen. Meinen Freunden wird das halbe Auto auseinandergenommen, wobei sich an drei Dosen Kosmetika eine Diskussion entzündet. Sie müssen in einem Zoll-Lager deponiert werden und können bei der nächsten Ausreise wieder ausgeführt werden. Nach sechs Stunden sind wir durch und gehen Abendessen. Im Restaurant läuft ein Fernseher, Abendnachrichten. Als sie zu Ende sind, erzählen mir meine Freunde von einer Veränderung: Vor drei Monaten, als sie den Iran verlassen haben, riefen die Freiwilligen, die an die Front fuhren, „Wir kämpfen für den Sieg“, heute kämpfen sie für den Frieden.
UNTERWEGS NACH TEHERAN
Bei der Weiterfahrt müssen wir in Grenznähe mehrere Straßenkontrollen passieren. Auch mein Pass wird immer gründlich studiert, wobei manche erst beim Foto merken, dass sie ihn verkehrt in der Hand halten. Bei einer Kontrolle werden meine Freunde scharf darauf hingewiesen, das internationale Kennzeichen abzumontieren und wieder das iranische anzubringen. „Revolutionsgardisten“ meinen sie abwertend. Die Kontrollen der Armee sind ihnen lieber. Die Fahrt durch den Iran kommt mir irgendwie unwirklich vor. Wir hören die neuesten westlichen Hits, oder was gerade in Bulgarien darunter läuft, plaudern über den „western way of life“ und rollen auf gut ausgebauten Straßen Richtung Teheran. Meine Freunde erscheinen mir ziemlich „westernized“
in ihrer Lebensweise und Lebensauffassung. Auf der anderen Seite sind sie auch stolz Iraner zu sein. Stolz, dass sie es geschafft haben, einen mehr oder weniger funktionierenden Staat aufrechtzuerhalten, obwohl der Rest der Welt sie offiziell geschnitten hat. Sie erzählen mir, dass sie privat viele Dinge tun können, die offiziell verpönt sind. Das ganze Leben zieht sich mehr in die eigenen vier Wände zurück, eine Art iranischer Biedermeier. Ihre Zukunftshoffnungen richten sich auf die Ära nach Khomeini, von der sie sich wieder eine Öffnung zum Ausland erhoffen. Gegen Abend erreichen wir Teheran. Meine Freunde wollen ein billiges Hotel für mich suchen, aber bald stellt sich heraus, dass alle günstigen Unterkunftsmöglichkeiten belegt sind. Viele Landbewohner kommen für ein paar Tage nach Teheran, um sich mit knappen
GÄRTEN SIND DER GANZE STOLZ
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Gütern einzudecken und verstärken somit den Mangel an preiswerten Betten. Da meine Freunde noch weiter wollen, rufen sie mir nach eineinhalb Stunden erfolgloser Suche ein Taxi, das mich für einen Fixpreis zu weiteren Hotels bringen soll.
nicht weiter - jetzt heißt es kühlen Kopf bewahren: Ich muss zur Polizei und den Diebstahl anzeigen. Aber Stopp! - Ich habe ja gar keine Ahnung, wo ich bin und würde die Straße, in der ich bestohlen wurde, nie mehr wieder finden.
Ich deponiere meinen Rucksack auf der Ladefläche und setze die „Bethlehem-Tour“ fort. Als ich aus dem ersten Hotel wieder erfolglos herauskomme, ist mein Taxi verschwunden. - „Das gibt es doch nicht!“ Verzweifelt laufe ich die Straße auf und ab, doch keine Spur von dem Fahrzeug oder meinem Rucksack.
Ich spreche einen Ladenbesitzer an, dem ich meine Situation klarmachen kann und bitte ihn, mir den Hotel und Straßennamen auf Farsi aufzuschreiben. Dann hält er mir noch ein Auto an, das mich zur nächsten Polizeistation bringt.
Ich könnte mich über meine Faulheit und Dummheit grün und blau ärgern: Hätte ich nur meinen Rucksack mitgenommen, hätte ich nur die Nummer notiert, hätte ich nur ... Doch Selbstvorwürfe bringen mich auch
VERLUSTANZEIGE
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Nachdem ich den Beamten mit kleinen Comic-Strips klargemacht hatte, dass ich kein Hotel suche, sondern vor einem Hotel bestohlen wurde, eröffnen sie mir, dass sie nicht zuständig seien. Mit einem Taxi schicken sie mich zu einem anderen Polizeiposten.
ISFAH AN
Dort beginnt das ganze Theater wieder von vorne: Zeichnungen, Gesten, ... - Ich ziehe zur Belustigung des gesamten Postens eine one-man-show ab. Doch die Beamten verlieren rasch das Interesse, als sich herausstellt, dass mir kein Geld gestohlen wurde. Dann werde ich wieder zur ersten Polizeistation zurückgeschickt. Da es mittlerweile schon weit nach Mitternacht ist, bitte ich die Polizisten, den Rest der Nacht auf ihrem Posten verbringen zu dürfen. Doch das lehnen sie strikt ab. Ich gebe vor, sie nicht zu verstehen und setze mich auf eine Bank. Darauf holen sie einen Typen, der ein aufreizend höfliches Englisch spricht, und werfen mich hinaus. Mein Begleiter gibt mir zu verstehen, dass seine Hauptauf-
gabe sei, dafür zu sorgen, dass ich bis zum Morgen nicht zum Polizeiquartier zurückkehre. Nach einigem Widerstreben, immerhin sind es fast eine Stunde Fußmarsch, bringt er mich zum im Süden der Stadt gelegenen Bahnhof. Dort habe ich bis zum Morgengrauen Zeit, meine Lage zu überdenken. Mein Rucksack mit Klamotten, Schlaf sack, Zelt, Teleobjektiv und Filme ist weg. Auf der Habenseite kann ich meinen Pass, das gesamte Geld, meinen Fotoapparat und noch ein paar Kleinigkeiten verbuchen, die sich zufällig im Daypack befanden. Eigentlich spricht nichts dagegen, meine Reise Richtung Osten fortzusetzen. Fehlende Ausrüstungsgegenstände kann ich ja in Pakistan kaufen oder mir nachschicken lassen. Am nächsten Morgen kreuze ich wieder bei der Poli-
PERSEPOLIS
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zeistation auf, doch die Beamten bleiben unfreundlich und abweisend. Als Entschädigung laufe ich Aman, einem Gewichtsheber, Motorradfreak und KhomeiniFan, über den Weg. Er packt mich auf seine Suzuki und bringt mich zu sich nach Hause. Nach einem ordentlichen Frühstück, ich habe unvorsichtigerweise zugegeben, dass ich schon seit zwanzig Stunden nichts mehr im Magen hatte, bringt er mich zur österreichischen Botschaft. Vor dem Gebäude warten schon eine Menge Leute, doch als ich meinen Pass vorzeige, werde ich sofort hineingelassen. Man ist sehr freundlich, doch der stellvertretende Botschafter erklärt mir, dass es praktisch unmöglich sei, so etwas wie eine Diebstahls- oder Verlustanzeige zu bekommen. Das einzige, was sie für mich tun könnten, sei, mir bei der Weiterreise zu helfen.
ROSENGARTEN
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Da Busplätze wegen Truppenverschiebungen für die nächsten zwei Tage ohnehin ausgebucht sind, kommt für mich nur mehr das Flugzeug in Frage. Doch auch hier ist kein Platz mehr frei, was überhaupt kein Problem sei: Sie kennen da jemanden bei Austrian Airlines, der wiederum jemanden bei einem Reisebüro kennt, der seinerseits jemanden bei Iran-Air kennt ... - In zwei Stunden soll ich das Ticket bei der „Round the world travel agency“ abholen. In der Zwischenzeit kann ich bei einem eisgekühlten Cola noch ein Telex für meine Eltern aufsetzen, das sie kostenlos übermitteln wollen. Während ich kreuz und quer durch die Stadt fahre, lerne ich auch eine andere Seite von Teheran kennen: Freundliche Passanten, die sich stets bemühen, mir weiterzuhelfen und mir sogar Fahrkarten für die Stadt-
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busse schenken. Oft komme ich auch an Mauern vorbei, die mit furchtgebietenden Hetzparolen gegen die USA beschmiert sind, davor spazieren schwarzverhüllte Frauen, unter deren Umhang zwei blaue Jeansröhren hervorgucken. Die Nacht verbringe ich, von unzähligen Sicherheitskräften bewacht, auf dem Inlandsflughafen von Teheran. Um 6.30 Uhr hebt mit einer halben Stunde Verspätung der Airbus der Iran Air Richtung Zahedan ab. Der Pilot dürfte auf reichlich Armee-Erfahrung zurückblicken, denn er reißt den Vogel wie eine F-16 beim Alarmstart hoch. Etwas verblüfft bin ich schon, als mir die Stewardess in Plastik abgepacktes Western-Breakfast reicht. Ich bin wohl der Einzige, der sich darüber richtig freut
und die einzelnen Bestandteile auch stilgerecht verzehrt. Nach eineinhalb Stunden geht der Pilot in Sturzflug über - der Landeanflug auf Zahedan. „Nach Mirjaveh? 500 Tomen.“ - „Du bist ja verrückt! Die anderen verlangen alle 500 Rial. Aber ich habe sowieso nur mehr 300.“ Ob ich nun Rl 500,– oder 500 Tomen (= Rl 5.000,–) bezahlen soll, ist egal. Es reicht ohnehin nicht. „Okay, steig ein.“ Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Schon sitze ich auf der Ladefläche des Pickups. Rund 100 km sind es bis zur Grenze. Schon jetzt am Vormittag bläst der Fahrtwind wie ein Heißluftherd. Als mir dann noch ein Pick-up entgegenkommt, auf dessen Ladefläche ein Kamel verschnürt liegt, habe ich
MIT DEM ZUG DURCH BALUCHISTAN
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DIE REISE GEHT WEITER
keine Zweifel mehr: Ich bin in der Wüste Baluchistan.
durch ein Gartentor nach Pakistan entlassen.
Zur Grenze hin häufen sich wieder die Straßenkontrollen. An einer werden meine Deutschkenntnisse überprüft: „Ik libbe dik“ - „Ich liebe dich“ - richtig, ich bin echt. Als ich in Mirjaveh meinem Fahrer den Rest meiner Barschaft geben will, nimmt er nur Rl 200,–. Ist das jetzt der tatsächliche Preis?
„Change money?“ - Mit diesem Schlachtruf fällt eine Horde Geldwechsler über mich her. Wenn ich US$ 20,-- tausche, gibt er mir 15 Rupie für den Dollar. Der nächste will US$ 50,– tauschen und mir 17 Rupie pro Dollar geben. Ich habe keine Ahnung, was der tatsächliche Kurs ist. Außerdem bin ich offiziell ja gar noch nicht eingereist. Also eines nach dem anderen: zuerst den Stempel in den Pass, dann Geldwechseln.
Aber noch sind es 5 km bis zur Grenze. Als ich einen Pakistani nach dem Weg frage, meint er nur, ich solle bei ihm warten. Nach kurzer Zeit kommt ein Fahrzeug, das uns aufnimmt und mich kostenlos zur Grenzstation bringt. „Vielen Dank“ - Manchmal habe ich das Gefühl, ich komme zu Hilfeleistungen wie die Jungfrau zum Kind - völlig unvermutet. Nachdem meine Bar-Dollars nachgezählt wurden, werde ich
WILLKOMMEN IN P AKISTAN
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Um 16.30 Uhr fährt mein Bus Richtung Quetta ab. Gott sei dank habe ich einen Fensterplatz. Anders wüsste ich nicht, wie ich meine 1,85 m hier verstauen sollte. Fünf Sitze pro Reihe, der Fußraum ist mit Teppichen, Stoffen und Waren aller Art ausgefüllt. Wenn ich mein Knie aus dem Fenster hängen lasse, finde ich
MIT VOLLGAS DURCH DIE WÜSTE
Platz - aber auch nicht die wahre Lösung für eine 25stündige Busfahrt. Mein Driver ist wohl der ungekrönte „King of the dessert track“. Mit Vollgas fliegen wir über die Waschbrettpiste. Alles wird überholt. Runter von der Hauptpiste, wieder rauf, hinunter und natürlich volles Rohr. Das geht zwei Stunden gut, dann haben wir einen Platten. Zuerst bin ich über diese Zwangspause froh, doch dann merke ich, dass sich eine festgefressene Mutter nicht lösen lässt. - Genügend Zeit den majestätischen Sonnenuntergang in der Wüste zu bewundern. Irgendwie hat die Crew es dann doch geschafft, die Schrauben zu lockern. Doch der Reservereifen ist bis
zur Leinwand abgefahren, dafür ist der Schlauch gut. Also den Mantel vom Rad lösen, guten Schlauch raus, zweites Rad auseinandernehmen, guten Schlauch rein, zusammensetzen und wieder aufblasen. Nach zweieinhalb Stunden kann es weitergehen. In der Nacht halten wir mehrmals in dubiosen Miniorten. Alles ist mit Staub bedeckt, der Schein von Kerosinlaternen beleuchtet die Restaurants nur unzureichend. Hier wage ich nicht, etwas zu essen. Ich halte mich mehr an Tee oder in Flaschen abgefüllte Limonade. Auch ein Türke und ein Chinese, die beide in Pakistan studieren, können soviel Dreck kaum fassen. Vor Quetta geraten wir in mehrere Straßenkontrollen. Die einheimischen Passagiere müssen ihr gesamtes Gepäck ausräumen, jeder Winkel wird von den ärm-
FAHRTP AUSE
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QUETTA IST ERREICHT
lich gekleideten Soldaten gierig durchstöbert und oft werden Dinge, die ihnen nützlich erscheinen, einfach kurzerhand konfisziert. Die Pakistanis machen einen ziemlich eingeschüchterten Eindruck und wehren sich aus Angst kaum gegen diese Diebstähle. „Das sind die reinsten Räuber“ flüstert mir der Türke zu. „Uns Ausländer lassen sie aber meistens in Ruhe.“
Schade, so muss ich auf 50 % Touristen- und Studentenrabatt, den die Pakistan Railways Ausländern gewähren, verzichten. Trotzdem kostet die 1.400 km lange Bahnfahrt in der zweiten Klasse nur € 6,60. Andererseits dauert es bis Rawalpindi eineinhalb Tage, sodass ein First-Class-Sleeper für denselben Preis sehr angenehm gewesen wäre.
Am Abend durchstöbere ich den Bazar von Quetta um meine Ausrüstungsgegenstände zu ergänzen: Eine britische Seife, australische Zahnpasta, eine Schweizer Zahnbürste, ein französisches Wasserglas, Toilettenpapier, Waschmittel und Shampoo sind aus China. Produkte aus allen Ecken der Welt sind hier im Bazar von Quetta, der Hauptstadt von Baluchistan, aufgestapelt.
Der Zug steht schon im Bahnhof als ich einsteige. Die zweite Klasse ist gesteckt voll. Irgendwo dränge ich mich noch hinein. Die Sitzbänke sind voll belegt, sodass ich nur mehr am Gang neben der Tür Platz finde. Ein Pakistani lässt mich auf seine Stoffballen sitzen. Ein komfortabler Sitz im Vergleich zu den Holzbänken der zweiten Klasse.
„Tut mir leid. Der Schalter ist heute geschlossen.“
Es ist furchtbar heiß. Bei jedem Stop kaufen wir von
UNTERWEGS
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RAWALPINDI
fliegenden Händlern Soft-Drinks. Doch ich könnte Liter um Liter in mich hineinschütten, ohne dass mein Durstgefühl dauerhaft gelöscht wird. Langsam nähern wir uns dem Indus-Tal. Nach starken Regenfällen sind große Gebiete überschwemmt. Teilweise haben die Menschen ihre Bettgestelle direkt auf dem etwas höher gelegenen Bahndamm aufgebaut. Am Abend des zweiten Tages hat mein mir selbst auferlegtes Martyrium ein Ende: Rawalpindi ist erreicht. Todmüde mache ich mich auf die Hotelsuche. Jetzt um 22.00 Uhr sind die Bürgersteige schon hochgeklappt - niemand mehr auf der Straße. Nach einigen erfolglosen Versuchen frage ich eine Gruppe junger Pakistanis. Einer von ihnen hat einige
Zeit in Großbritannien gelebt und spricht ganz gut Englisch. „Ein freies Zimmer suchst Du? No problem, mit diesem Pass“ und hält mir einen pakistanischen Reisepass unter die Nase. „Hast Du Whiskey?“ „Nein, ich komme vom Iran“ - „Okay, wir fragen in diesem Hotel einmal nach.“ Das Zimmer ist ziemlich bescheiden, doch darüber ereifert man sich nicht mehr so stark, wenn man in der letzten Woche täglich vielleicht drei Stunden geschlafen hat. „Fünfzig Rupie.“ - „Das glaubst Du doch wohl selbst nicht. Ein Zimmer wie dieses kostet vielleicht dreißig Rupie aber nie fünfzig.“ - „Was hast Du für einen Beruf?“ - „Ich bin Student.“ - „Okay, was studierst Du?“ - „Wirtschaft.“ - „Großartig. Du wirst Finanzminister
BILLIGHOTEL
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RAJ AH B AZ AAR
werden.“ - „Nie und nimmer, wenn die Österreicher erfahren, dass ich für dieses Zimmer fünfzig Rupie bezahlt habe.“ - „Okay, 35. Morgen um acht bist Du wieder weg. Gib mir jetzt das Geld und Deinen Pass.“ - „Nein, entweder das Geld oder den Pass.“ - „Gut, bezahle jetzt die 35 Rupie.“ - „Okay“, ich schlafe sofort ein, als ich mich auf dem dreckigen Bett lang strecke. Am nächsten Tag wechsle ich das Hotel. Dort bezahle ich für das Zimmer mit Bett und Nachttisch 27 Rupie, umgerechnet € 1,50. Dusche und WC befinden sich am Gang. Dann fahre ich zum Telephon-Office, um nach Hause zu rufen. Da aber keine R-Gespräche möglich sind, muss ich erst einmal zur Bank, um Geld zu wechseln.
TEEKOCHER
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Das ist aber am heutigen Nationalfeiertag nicht möglich. An nächsten Tag haben die Banken zwar offen, dafür meldet sich zu Hause niemand. Am dritten Tag klappt es endlich. Ich komme in die Handelskammer durch. Während ich endlos weiterverbunden werde, sehe ich meine Rupie schwinden. Für jede Sekunde eine Rupie, nur um letztendlich zu erfahren, dass mein Vater nicht da sei. Am vierten Tag klappt es endlich, ich komme durch. Am Tag Nummer fünf ist wieder Pause angesagt: Ziaul-Haq, der pakistanische Staatspräsident, ist mit dem Flugzeug abgestürzt oder abgestürzt worden ist. Der sechste und siebte Tag gehen für die Staatstrauer drauf. Ämter und Geschäfte haben geschlossen, die Straßenhändler verdienen sich eine goldene Nase.
ISLAM ABAD
Ich habe den ganzen Tag Zeit, die elf Seiten der englischsprachigen Pakistan Times zu studieren. Der Tenor des Leitartikels über den Tod des Staatsoberhaupts: Eine Welt bricht zusammen. Etwas klarer sehe ich, als ich erfahre, dass der Chefredakteur erst durch Zia-ul-Haq wieder zu seinem Posten gekommen ist. Ein Pakistani, der mich zum Tee einlädt, sieht die Sache etwas anders: Er ist froh, dass Zia-ul-Haq tot ist. „Sieh Dir Pakistan nur an: alles dreckig, ein richtiger Saustall.“ Er ist Royalist, einen König an die Spitze des Staates, wie in Saudiarabien, wo er arbeitet. Am achten Tag gehe ich zur chinesischen Botschaft, um mir meinen Pass wieder abzuholen. War es in Österreich nahezu unmöglich, als Einzelreisender ein Visum für die Hauptreisemonate zu bekommen, so
ging das in Islamabad ruck zuck und ohne Probleme. Probleme gibt es aber bei American Express. Ein Paket mit Medikamenten und Filmen, das vor eineinhalb Wochen bei American Express in Salzburg aufgegeben wurde, ist noch immer nicht da. Zu allem Überfluss hat mein Vater auch noch Geld an mich überwiesen, dass natürlich auch noch nicht da ist. Am neunten Tag habe ich endlich ein Erfolgserlebnis: Ein zweites Paket, das vor vier Tagen bei der Post als Express-Mail-Paket aufgegeben wurde, ist eingetroffen. Am zehnten Tag habe ich von Rawalpindi und der Warterei endgültig die Nase voll: Ich fahre Richtung Nordwesten los, nach Chitral, einem Ort nahe der afghanischen Grenze.
LEKTÜRE FÜR EINEN GANZEN TAG
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23. 8. - 30. 8. Nordwestpakistan Zu den Kafir Kalash, den legendären Nachkommen der Soldaten von Alexander dem Großen
Aah, endlich weht mir wieder Reiseluft um die Nase. Mit Minibussen geht es flott in die Berge. Ich lebe richtig auf, als ich die Monsunschwüle des Tieflands hinter mir lasse und wieder kühle Bergluft atme. Da kann nicht einmal die Tatsache meine Freude trüben, dass der Toyota Hiace mit zwanzig Personen mehr als überbesetzt ist. Meine Mitfahrer sind bärtige Gesellen, manch einer hat sogar seine Donnerbüchse dabei. Neben mir rechnet gerade ein Waffenschmied einem weißhaarigen Al-
DIR
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ten vor, wie günstig eine neue Bleispritze bei ihm zu haben sei. Dieses Thema wird im ganzen Fahrzeug leidenschaftlich diskutiert, jeder ist natürlich Spezialist. In Dir frage ich den Fahrer noch einem Hotel. „Big or small money?“ - „Small money.“ -“Okay, dann gehe in diese Richtung.“ Im Hyat, wo das Bett nicht einmal € 0,55 kostet, wartet schon ein französisches Pärchen und ein Schwede auf mich. Sie haben gute Nachrichten: Nachdem der Lowari-Paß zwei Tage gesperrt war, soll er morgen wieder offen sein.
Nach dem Abendessen spinnen wir noch etwas Traveller-Garn, jeder hat etwas zu erzählen, dann geht es in die Heia. Die Betten stehen auf der Terrasse, unten im Tal rauscht der Bach und die Sterne blinken hoffnungsvoll für die morgige Passüberquerung. Am nächsten Tag sind wir schon früh auf den Beinen. Um 8.00 Uhr fährt der billige Public-Bus Richtung Chitral ab. Steil geht es durch das enge Tal aufwärts. Die Hänge sind dicht bewachsen und leuchten in saftigem Grün. Öfters durchquert der Bus auf Betonfurten reißende Wildbäche, an manchen bunkert der Fahrer frisches Kühlwasser für den überhitzten Motor. Immer höher klettern wir. Bald treten die Bäume zurück, es wird felsiger. Auf 3.120 m ist die Passhöhe erreicht, jetzt geht es die andere Seite hinunter - und wie!
Fast in freiem Fall windet sich die gut einspurige Straße in 48 (!) Kehren dem Abgrund entgegen. Immer wieder nähern wir uns bis auf ein paar Zentimeter der unbefestigten Böschung. Manche Kurven sind so eng, dass der Fahrer reversieren muss. Wenn hier etwas bricht, stürzen wir 500 m in die Tiefe. Hoffentlich haben die Konstrukteure in Turin auch berücksichtigt, was Pakistanis mit einem alten Fiat-Bus alles anstellen. Doch Allah hat Erbarmen mit uns unschuldigen Reisenden. Nach acht Stunden Fahrt für 110 km erreichen wir am Nachmittag Chitral. Am nächsten Tag regnet es in Strömen. Ein Segen für die Einheimischen, denn es soll seit drei Monaten keine Niederschläge mehr gegeben haben. Wir Touristen sind darüber weniger glücklich: Da es weit herunterschneit, ist es lausig kalt. Zudem sind unsere dunklen
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BUMBURET
Zimmer nur mit Kerzen spärlich beleuchtet. Dazu kommt noch, dass ich in Rawalpindi ganz verschwitzt habe, dass es auch einmal kühler werden kann, und ich daher keinen langärmeligen Pullover gekauft habe. So friere ich im kalten Zimmer und hole mir auch prompt eine Erkältung. Die starken Regenfälle haben auch zu Murenabgängen geführt. So ist jetzt der Dorfbach verlegt und es kommt kein Wasser mehr herunter. Das wäre weiters nicht so schlimm, wenn ein Seitenarm nicht für die Wasserspülung in unserer Toilette gesorgt hätte. Am dritten Tag nutzen wir eine Regenpause, um nach Bumburet aufzubrechen. Als es mittags wieder zu regnen anfängt, ziehen wir uns unters Vordach zurück und spielen mit Japanern „Jatze“, was ganz ordinäres Würfelpokern ist. Am nächsten Tag - wir können es fast nicht glauben - scheint wieder die Son-
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ne. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit selbsteingekochter Marillenmarmelade wandern wir entlang des Dorfbachs das Tal hinauf. Immer wieder treffen wir auf einheimische Frauen mit kunstvollen Gewändern und Frisuren. Sie sind Angehörige der Kafir Kalash, legendäre Nachkommen von Söldnern Alexander des Großen. So soll zum Beispiel das Chowas-Fest, das sie vom 18. - 21. Dezember feiern, große Ähnlichkeiten mit vorchristlichen skandinavischen Wintersonnenwend-Feiern aufweisen. Als wir die Frauen fotografieren wollen, wenden sie sich ab und fordern Geld. Da wir aber dieser „One picture, one dollar“-Unsitte nicht Vorschub leisten wollen, verzichten wir auf die Aufnahmen. Weiter aufwärts wird der Weg immer schmäler, ein weiß angezuckerter Bergriese am Talschluß liegt zum Greifen nahe. Über einen Pass kann man Afghanistan erreichen, das von hier nur mehr 15 km entfernt ist.
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Kein Wunder, dass in dieser Region viele afghanische Flüchtlinge leben. Dieses plötzliche Bevölkerungswachstum hat natürlich auch zu Problemen geführt: So haben sich zum Beispiel die Preise für den in kalten Wintermonaten (überlebens)wichtigen Brennstoff Holz über Nacht verdoppelt. Trotzdem funktioniert das Zusammenleben von Pakistanis und Afghanis im großen und ganzen recht gut, was unbestritten ein Verdienst des verstorbenen Staatspräsidenten Zia-ulHaq ist. Zwei Tage später stecken wir wieder am Lowari-Paß. Rien ne va plus - ein Lastwagen ist an einer feuchten Stelle hängengeblieben. Mit vereinten Kräften wird er wieder flottgemacht. Jetzt schlägt die große Stunde der Beifahrer: Im Laufschritt hetzen diese Jugendlichen, teilweise fast noch Kinder, vor dem Lastwagen her,
LOW ARI PASS
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um die größten Felsbrocken aus dem Weg zu schaffen bzw. die tiefsten Löcher auszugleichen. Ein mitfahrender Pakistani schimpft über die schlechten Straßen und dass sein Land zu arm sei, bessere Verkehrswege zu bauen. Wir relativieren das und meinen, dass wir froh seien, dass es in diesem unwegsamen Gebiet überhaupt Straßen gäbe. Bernhard, ein Australier, legt noch ein Schäufchen nach: Pakistan ist nicht arm. Eure Regierung braucht nur den Amis ein paar F-16-Bomber zurückgeben und schon habt hier genügend Geld, die Straßen auszubauen. „Ich fürchte aber, dass unsere Regierung das nicht so sieht“, ist die vorsichtige Antwort des Pakistanis. Im Bus zurück nach Rawalpindi habe ich eine Erscheinung: Ein weißes Gespenst schiebt sich bei der Tür
herein, davor ein Mann, der alle maskulinen Wesen im Umkreis von zwei Sitzreihen wegscheucht. Es ist eine afghanische Familie, die hier zusteigt. Die Frau trägt über dem ganzen Körper einen weißen Umhang, nur bei den Augen ist ein „Sehgitter“ freigelassen. - So verhüllt waren die Frauen ja nicht einmal im als konservativislamisch verrufenen Iran! In Rawalpindi läuft dann fast alles wie am Schnürchen: Noch am Ankunftstag gehe ich zu Fuji, wo ich vor einer Woche einen Diafilm zum Entwickeln abgegeben habe. Er wurde dafür nach Karachi geschickt; das Ergebnis steht einem europäischen Labor in nichts nach. Bei American Express ist mittlerweile auch das erste Päckchen eingetroffen, nur das Geld ist erwartungsgemäß noch nicht da. Nach einem kurzen Telefonat nach Hause ist alles abgeklärt: ich kann Richtung China weiterfahren. ► 2. TEIL: PAKISTAN - HONGKONG
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REISEROUTE
Route: Salzburg - Istanbul - Kappadokien - Nemrut Dag - Van See - Dogubayazit - Teheran - Quetta Rawalpindi - Chitral - Gilgit - Kashgar - Turfan - Dunhuang - Jiayuguan - Lanzhou - Tianshui - Xian Peking - Qingdao - Shanghai - Suzhou - Hangzhou Kanton - Hongkong - Macao - Yangshuo - Hainan
Wie lange? Je länger desto besser ;-) Eine grobe Überschlagsrechnung zur Reise entlang der Seidenstraße nach Hongkong könnte wie folgt aussehen: zwei Wochen für den Balkan, ein Monat in der Türkei, zwei Wochen im Iran, ein Monat in Pakistan und drei Monate in China. Macht in Summe ein halbes Jahr. Sehr viel kürzer macht die Überlandreise wenig Sinn. Wer bereits länger in der Türkei unterwegs war, kann im ersten Teil vielleicht ein Monat einsparen. Darüber hinaus würde ich aber keine Abstriche mehr machen. Wer nicht so lange Zeit hat, kann die Reise auch in kleinere Portionen zerlegen. Dabei geht natürlich der Reiz einer Überlandreise verloren: Der graduelle Wechsel der Kulturen von Mitteleuropa zum Balkan, Türkei, Iran, ein großer Sprung nach Pakistan in die Farbenpracht und das Chaos
des indischen Subkontinents und zurück in das etwas graue und vergleichsweise geordnete China. Wann? Theoretisch ist es natürlich das ganze Jahr über möglich. Die beste Reisezeit ist aber der Sommer und Herbst. Die einzige wirkliche Einschränkung ist der Khunjerab-Paß, der offiziell für Touristen zwischen Dezember und April geschlossen bleibt. Der Verkehr fließt aber mit einigen Unterbrechungen auch in den Wintermonaten weiter. Es kann jedoch einige Zeit dauern, bis genügend Personen zusammen sind, dass wieder ein Bus fährt. Wenn man davon ausgeht, dass der Osten und Süden Chinas zur optimalen Saison bereist werden soll, d.h., von September bis Dezember, würde das bedeuten, dass der Khunjerab-Paß zwischen Anfang August und Ende September überquert wird. Wenn man die oben genannten Reisezeiten zu Grunde legt, würde das eine Abreise von zu Hause zwischen Anfang Mai und Ende Juni bedeuten.
Wie teuer? Die täglichen Ausgaben sind natürlich in hohem Grad variabel. Die unten angegebenen Werte sind daher nur als grobe Richtschnur zu verstehen und nach oben hin offen. Wer in einfachen Restaurants isst, sich mit billigen Hotels zufrieden gibt und in öffentlichen Verkehrsmitteln in der billigsten Klasse fährt, sollte ungefähr folgende Werte budgetieren: • Balkan: € 20,- / Tag • Türkei: € 15,- / Tag • Iran: € 10,- / Tag • Pakistan: € 10,- / Tag • China: € 15,- (Westen) bis € 30,- (Osten) Das ergibt in Summe ca. € 3.250,- für 6 Monate plus € 350,- für den Rückflug von Hongkong nach Europa. Als ich diese Zahlen zusammengezählt habe, bin ich dann doch etwas erschrocken. So habe ich 1988 für meine Reise inklusive Rückflug gerade einmal € 1.850,- ausgegeben, was knapp die Hälfte ist. Mehr Informationen zur Reiseroute gibt es im zweiten Teil, von Pakistan nach China.
Der Weg ist das Ziel ... Mit dem Rucksack durch Europa, Asien und Afrika.
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