Austin

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Ruhr-Universit¨at Bochum Germanistisches Institut – Lehrstuhl f¨ ur Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft

Das Konzept der Sprechakttheorie bei Austin

Seminararbeit

vorgelegt von Anna-Maria M¨ uller Hattinger Straße 186 44795 Bochum [email protected] in:

Theorien und Konzepte der Allgemeinen Literaturwissenschaft Wintersemester 2004/05

Betreut von Prof. Dr. Linda Simonis

Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort

3

2 Historie

4

3 Austin und die Sprechakttheorie 3.1 Austins Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.1 Unterscheidung von expliziten und prim¨aren (impliziten) per¨ formativen Außerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 3.1.1.2 Das Scheitern performativer Außerungen . . . . . . . . . . . 3.2 Die Sprechakttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Grundstruktur des Sprechaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.1 Lokution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.2 Illokution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.3 Perlokution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 5 5 7 8 9 10 10 11 11 13

4 Fazit und Ausblick

14

Literatur

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1 Vorwort John Langshaw Austin (*1911 – †1960) studierte Altphilologie und Philosophie in Oxford, wo er 1952 den Lehrstuhl f¨ ur Philosophie zugesprochen bekam. Bis Mitte der 40er Jahre besch¨aftigte er sich mit Fragen der Wahrnehmung und der Erkenntnistheorie, bevor er sich der Ordinary Language Philosophie widmete. Die Alltagssprache sollte – abseits philosophischer Scheinprobleme‘ – zum Ausgangspunkt philosophischer Fragestellungen werden. ’ Austin verzichtet dabei konsequent auf den Fundus genuin philosophischer Termini technici und entfaltet in seinen Vorlesungen unter dem Titel Words and Deeds (1952 – 1954) seine Sprechakttheorie. In der nach Notizen, Vorlesungsmitschriften und anderen Zeugnissen entstandenen und posthum herausgegebenen Schrift How to do things with words“ (1962) ” wird sie explizit formuliert und auf den Weg gebracht. Im Gegensatz zu Ryle wirkte Austin fast ausschließlich durch seine Lehr- und Forschungst¨atigkeit in Oxford. Er ver¨offentlichte zu Lebzeiten nur wenige Aufs¨ atze, in einem von ihnen schreibt er: Er (der Aufsatz) ist in drei Teile gegliedert, und der erste dieser Teile ist der ” platteste, der zweite der verworrenste; alle drei sind zu lang.“ 1 Austin regte eine systematische Auseinandersetzung mit der Alltagssprache an, indem er eine Theorie konzipierte, die nicht auf die traditionellen Kategorien der philosophischen Auseinandersetzung mit Sprache abstellt. Somit gelang ihm die Er¨offnung neuer Perspektiven, die noch heute f¨ ur Fragestellungen in vielen Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften ein unentbehrliches methodologisches Handwerkszeug anbieten. Da Austin die Basis f¨ ur weiterf¨ uhrende Entwicklungen legte und sein Kernkonzept der Sprechakttheorie – wenn auch modifiziert – kaum aus dem aktuellen Wissenschaftsbetrieb wegzudenken sind, will diese Arbeit einen Blick auf den Ausgangspunkt dieser Theorie ¨ werfen. Es soll ein kompakter Uberblick zur Sprechakttheorie erarbeitet werden, ohne dabei jedes Detail der Manuskripte auszuinterpretieren‘. Ziel soll vielmehr sein, eine kondensierte ’ Darstellung dieses interessanten und fruchtbaren Theoriekonzepts zu bieten. Um Nuancenverluste in der Darstellung zu vermeiden, aber dennoch m¨oglichst getreu wiedergeben zu k¨ onnen, was Austin in seiner Vorlesung dargelegt hat, verwende ich sowohl die bearbeitete deutsche Ausgabe2 , als auch die englische von How to do things with words 3 .

1 2

3

Demmerling, Christoph (2003): Austin, John Langshaw. In: Metzler-Philosophen-Lexikon, S. 42. ¨ Austin, John L.; Savigny, Eike von (Ubers.) (2002): Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with words). Band 9396, Stuttgart: Reclam. Austin, John L. (1975 [1962]): How to Do Things with Words. London: Oxford University Press.

3 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

2 Historie Schon Aristoteles begr¨ undete mit seinen didaktischen Schriften zur Poetik und Rhetorik eine zweidimensionale Betrachtung der Sprache: Die Trennung von Aussage und Form, von inhaltlichen und formalen Aspekten der Sprache wurden fortan nicht mehr in Frage gestellt und konnten auch durch die Differenzierung der einzelnen Diskurse bzw. des Wissenschaftssytems in der Moderne nicht aufgehoben werden, obgleich die Sprache immer wieder auch in moderneren Diskursfeldern, etwa der Ethnologie oder Psychoanalyse, aufgegriffen wurde. Als dann der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure (*1857 – †1913) die Grundlagen des Strukturalismus erarbeitete, war auch das 20. Jahrhundert eingel¨autet, ohne dieser isolierten Betrachtung der beiden Sprachdimensionen in der Sprachwissenschaft entgegen zu wirken. Der Strukturalismus betonte hingegen die Bedeutungskonstruktion eines jeden Sprachzeichens durch die Unterscheidung zu anderen Sprachzeichen. Der Mensch als Animal symbolicum, seinem genuinen Wesen nach ein Zeichenjongleur‘ und gleichzeitig ’ Zeichenanalyst‘ sieht sich nun der Sprache als einem Netz von Bedeutungen ausgesetzt. Aus’ gehend vom Positivismus in der Philosophie und den Sozialwissenschaften f¨ uhrte der selbst auferlegte Anspruch der Strukturalisten, im weitesten Sinne gesellschaftliche Ph¨anomene (bspw. Sprache, Kultur und kultureller Wandel, u. a.) mit naturwissenschaftlicher Exaktheit und Akribie beschreiben zu k¨ onnen, notwendigerweise zu einer traditionell mathematischlogischen Betrachtung und Untersuchung der Sprache. Austin geht nun einen vollkommen neuen Weg, als er seine Sprechakttheorie konzipiert. Formale Sprachaspekte wie bspw. die Grammatik waren bis dahin die meistfrequentierten Diskursfelder in der Sprachwissenschaft. Austin kn¨ upfte an die Untersuchungen“ 4 Ludwig ” ¨ Wittgensteins (*1889 – †1951) an. Dieser hatte – nach anf¨anglichen Uberlegungen zur Sprache als einem logischen Referenzsystem der Wirklichkeit – die Frage nach dem Verh¨altnis von Sprache und Realit¨ at gestellt und sich nicht nur f¨ ur die linguistischen, sondern auch f¨ ur kulturelle bzw. soziale Bedingungen von Bedeutungskonstruktionen interessiert. Die immer wieder zitierte Kernthese seiner Betrachtungen lautet: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“.5 ” Des weiteren befasst sich Wittgenstein in den Untersuchungen“ ausgiebig mit der realen ” Grundlage von Bezeichnungen. Die Idee, dass den Worten nur‘ kognitive Konstruktionen ’ zugrunde l¨agen – also jeder Mensch ein individuelles Vorstellungskonzept hat, dem dann die Bedeutungen als Referenz auf die Realit¨ at zugeordnet seien, steht einem empirischen Bedeutungsbegriff entgegen.6 Wittgenstein argumentiert, dass die Bezeichnung eines Objektes letztlich unabh¨angig vom Objekt selbst existiere.7 Allerdings entstehen die Wortbedeutungen bzw. Gegenstandsbezeichnungen auch nicht willk¨ urlich: Sie m¨ ussen sich an allgemein 4

5 6

7

Wittgenstein, Ludwig (1971[1953]): Philosophische Untersuchungen. In: Wittgenstein. Schriften. Band 1, Frankfurt am Main. Wittgenstein (1971[1953]) S. 311. Zum sog. private language argument Temkin, Jack (1986): A Private Language Argument. In: Southern Journal of Philosophy, Nr. 24 S. Vgl. und Wittgenstein (1971[1953]) S. 311 Wittgenstein (1971[1953]) S. 403.

4 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

verbindliche Konventionen der Sprache bzw. des Sprachgebrauchs halten. Hier setzt Austin nun gedanklich ein, wenn er nach den Bedingungen und der Konstruktion der Sprechakte fragt. Er r¨ uckt die Handlungsm¨ oglichkeiten, die uns der Sprachgebrauch offeriert, ins Zentrum ¨ seiner Betrachtungen, ohne allerdings die formalen Kriterien, denen eine Außerung unterliegt bzw. folgt, zu vernachl¨ assigen. So vollzog Austin also im Anschluss an Wittgenstein nicht nur einen Perspektivenwechsel, dem sp¨ater Wissenschaftler der unterschiedlichsten Disziplinen folgen sollten, sondern f¨ uhrte lange voneinander isoliert betrachtete Bereiche der Sprache wieder zusammen. Zu betonen bleibt allerdings, dass dieser Wandel nicht von einem reinen Sprachwissenschaftler ausging, sondern von einem (Sprach-) Philosophen mit sprachwissenschaftlichem Hintergrund.

3 Austin und die Sprechakttheorie Da die herausgegebene Bearbeitung von How to do things with words aus Vorlesungsmitschriften, Austins Manuskripten und anderen Aufzeichnungen besteht und sie von Marina Sbis`a und James O. Urmson in m¨ uhevoller Arbeit m¨oglichst vollst¨andig zusammengetragen wurden, Austin aber seine Vorlesungen nicht in einem Guss konzipiert hat, weist die Theorie anfangs Schw¨achen auf. Das ist nur ein Beleg daf¨ ur, dass Austin seine Gedanken schrittweise – auch im Diskurs mit Kollegen und Studenten – entfaltet und auch immer wieder konstruktiv reflektiert hat. In diesem Abschnitt soll nicht auf jedes Problem eingegangen werden, das die komplexe speech act theory aufwirft. Vielmehr soll Austins grunds¨atzliche Konzeption dargestellt und seine Argumentation nachvollzogen werden.

3.1 Austins Argumentation Austins Argumentation ist – nach dem ersten Leseeindruck – als verwirrend zu beschreiben. Eine Vielzahl von Beispielen belegen seine Thesen. Seine Vorliebe f¨ ur (sprachliche) Proben am Beispiel und die Vorgehensweise, Thesen erst aufzustellen, dann zu belegen um sie in einem n¨achsten Schritt in Frage zu stellen, Zweifel an der Hypothese zu sch¨ uren, indem er Gegenbeispiele vorstellt, in deren Folge er die gesamte Hypothese dekonstruiert und neu ansetzt, um seine Alternative zu pr¨ asentieren – dieses Vorgehen ist dem unge¨ ubten Leser sicher schwerer zug¨ anglich, als dem H¨ orer seiner Vorlesungen. Ein Vorteil dieser bisweilen – wie er selbst zugibt – erm¨ udenden Methode liegt allerdings in ihrer Nachvollziehbarkeit. Warum er etwas so und nicht anders formuliert und wie er seine Thesen – meist induktiv – herausarbeitet, das alles ist mit etwas Aufwand, der hier betrieben werden soll, gut nachvollziehbar. 3.1.1 Ausgangspunkt Abgesehen von einigen pragmatischen Grundannahmen8, geht Austin anfangs von der pr¨agnanten ¨ Unterscheidung zweier Außerungstypen aus: 8

Bublitz, Wolfram (2001): Englische Pragmatik: eine Einf¨ uhrung. Berlin: Erich Schmidt Verlag S. 55f..

5 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

¨ 1. Konstative Außerungen, mit denen wir die Welt beschreiben, indem wir feststellen, aus¨ sagen, konstatieren. Diese Außerungen k¨onnen sich als wahr, falsch oder Unsinns¨außerungen herausstellen.9 ¨ 2. Performative Außerungen, mit denen wir etwas tun, indem wir sie/etwas sagen. Mit ¨ diesen Außerungen werden Handlungen (Sprechakte) vollzogen, d. h. indem wir etwas ¨außern, wird es getan.10 ¨ Austin betont zwei Eigenschaften der performativen Außerungen: A. they do not ‘describe’ or ‘report’ or constate anything at all, are not ‘true ” or false’; and B. the uttering of the sentence is, or is a part of, the doing of an action, which again would not normally be described as, or as ‘just’, saying something“.11 ¨ Einfach zu erkennen ist, dass man performativen Außerungen (bspw. ich verspreche . . . , ich erkl¨are hiermit . . . , ich wette, dass . . . , usw.) weder widersprechen, noch ihnen zustimmen kann. Sie referieren nicht auf einen bestimmten – empirischen – Realit¨atswert, z. B. wahr oder falsch.12 Im Gegensatz dazu die Sprechhandlungen, die nicht als wahr oder falsch deklariert werden k¨onnen. Der Grund liegt darin, daß man den Vollzug einer gerade vollzogenen Hand” lung nicht in Frage stellen kann, ja, u ufen kann, ¨ berhaupt nicht daraufhin u ¨berpr¨ ¨ ob er stattfindet oder nicht. Die Außerung des Versprechens, des Wettens, des Taufens ist das Versprechen, die Wette und die Taufe und entzieht sich somit der ¨ ¨ Uberpr¨ ufung der Ubereinstimmung mit der Realit¨at.“ 13 14 Damit ist eine grunds¨ atzliche Trennung von Tatsachenaussagen u ¨ ber die Welt und Sprech¨ handlungen getroffen. Austin geht in der Folge genauer auf die performativen Außerungen und die Gebrauchsbedingungen performativer Verben ein. Wolfram Bublitz15 hat eine Liste mit den h¨aufigst genannten Bedingungen erstellt, die ich im Folgenden wiedergebe16 : 1. Bedingung: Performative Verben sind Verben des Sagens. 2. Bedingung: Performative Verben stehen in der Ersten Person Singular Pr¨asens Indikativ Aktiv. 3. Bedingung: Performative Verben lassen sich mit hereby (hiermit) kombinieren. 9 10 11 12

13 14 15 16

Bublitz (2001) S. zur Definition 66. Bublitz (2001) S. 70. Austin (1975 [1962]) S. 5. Denkbar w¨ aren hier auch: vorhanden – nicht vorhanden, usw.. Es geht also immer um einen Tatsachenbezug: ja, trifft zu – nein, trifft nicht zu, der im Idealfall nur zwei m¨ ogliche Auspr¨ agungen kennt. Ein Bin¨ arcode ¨ also, unter dem alle konstativen Außerungen formal-logisch betrachtet werden k¨ onnen. Bublitz (2001) S. 68. Austin (1975 [1962]) S. 6 Bublitz, Wolfram (2001): Englische Pragmatik: eine Einf¨ uhrung. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Bublitz (2001) S. 71f..

6 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

¨ ¨ Durch die Uberpr¨ ufung der Kriterien zur Unterscheidung dieser beiden Außerungsformen kommt Austin allerdings zum Ergebnis, dass die Unterscheidung – gelinde gesagt – problematisch ist. Es gibt keine klare Trennungslinie zwischen konstativen und performativen ¨ ¨ ¨ Außerungen. Zahlreiche Uberschneidungen und Einschr¨ankungen im Gebrauch der Außerungen, machen diese Differenzierung als Grundlage seiner neuen Sprechakttheorie unbrauchbar. Gerade diese Probleme sind es dann auch, die Austin dazu veranlassen, sich nicht um eine Modifizierung dieser Unterscheidung zu bem¨ uhen, sondern einen neuen, erfolgversprechenderen Ansatz f¨ ur seine Theorie zu entfalten. ¨ Bublitz fasst die problematische Abgrenzung von performativen und konstativen Außerungen ¨ zu zehn Einschr¨ ankungen“ 17 zusammen, welche sich auf den Charakter der Außerungen be” ziehen und sich nicht mit den vorher festgestellten Eigenschaften vereinbaren lassen. Sie sollen die hier zusammengefasst dargestellt: ¨ 1. Einschr¨ ankung: Nicht in jeder performativen Außerung kommt ein Verb des Sagens vor. 2. Einschr¨ ankung: Nicht jedes Verb des Sagens l¨asst sich performativ verwenden. ¨ 3.Einschr¨ ankung: Nicht in jeder performativen Außerung kommt ein Verb in der Ersten Person Singular Pr¨ asens Indikativ Aktiv vor. ¨ 4. Einschr¨ ankung: Nicht jede performative Außerung l¨aßt sich mit hereby kombinieren. 5. Einschr¨ ankung: Manche Verben k¨ onnen nur dann performativ gebraucht werden, wenn bestimmte nicht-sprachliche Bedingungen erf¨ ullt sind. ¨ 6. Einschr¨ ankung: Nicht in jeder performativen Außerung kommt ein performatives Verb vor. ¨ 7. Einschr¨ ankung: Auch performative Außerungen k¨onnen mißlingen. ¨ 8. Einschr¨ ankung: Nicht jede konstative Außerung ist wahr oder falsch. ¨ 9. Einschr¨ ankung: Auch konstative Außerungen k¨onnen mißlingen. ¨ 10. Einschr¨ ankung: Auch konstative Außerungen k¨onnen explizit gemacht werden. Bevor erl¨autert werden soll, welche Anstrengungen Austin unternimmt, um eine neue Basis f¨ ur seine Handlungstheorie der Sprache zu entwickeln, soll noch kurz auf einige Bedin¨ gungen und Charakteristika eingegangen werden, die Austin den performativen Außerungen zuschreibt. ¨ 3.1.1.1 Unterscheidung von expliziten und prim¨ aren (impliziten) performativen Außerungen ¨ Nicht jede performative Außerung enth¨ alt ein performatives Verb, um ihren Handlungscharakter zu realisieren. Außersprachliche Bedingungen – z. B. situativer Kontext, Machtstruktur zwischen Sprecher und H¨ orer und non-verbale Mittel (z. B. Mimik, Gestik, Tonfall) k¨onnen 17

Bublitz (2001) S. 70-77.

7 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

¨ einer Außerung performativen Charakter verleihen, ohne, dass es am benutzen Verb konkret ablesbar bzw. mit ihm ausgedr¨ uckt w¨ are. Dementsprechend teilt Austin die performativen ¨ ¨ Außerungen in explizite und prim¨ are performative Außerungen: 18 wird das performative Verb im Vollzug der ¨ • In explizit performativen Außerungen

Sprechhandlung explizit genannt.19 20 wird die Sprechhandlung ¨ • Bei prim¨aren oder impliziten performativen Außerungen

zwar vollzogen, aber nicht durch ein performatives Verb explizit gemacht. Was mit der ¨ Außerung ausgedr¨ uckt wird – ob eine Bitte, Frage, ein Versprechen oder gar ein Befehl – geht f¨ ur den H¨ orer aus dem Kontext der Sprachhandlung hervor. ¨ 3.1.1.2 Das Scheitern performativer Außerungen Eine besondere Eigenschaft konstati¨ ver Außerungen hat Austin bereits zu Beginn seiner Ausf¨ uhrungen dargelegt: Konstative ¨ Außerungen haben einen besonderen Realit¨ atsbezug, man kann sie auf ihren Wahrheitsgehalt hin u ufen und ihnen so ihre Berechtigung und wirklichkeitskonstituierende Funktion zu¨berpr¨ ¨ oder absprechen. In seinen folgenden Uberlegungen kommt Austin aber zu der Erkenntnis, ¨ dass auch performative Außerungen misslingen oder verungl¨ ucken k¨onnen.21 Austin entwirft in seiner Lehre von den Ungl¨ ucksf¨allen [infelicities]“ 22 zwei Klassen von Fehlschl¨agen, denen ” er jeweils bestimmte Bedingungen zuordnet. Unter die Versager (misfires) z¨ahlt er folgende Ph¨anomene23 : (A. 1) There must exist an accepted conventional procedure having a certain conventional effect, that procedure to include the uttering of certain words by certain persons in certain circumstance [. . . ] (A. 2) the particular persons and circumstances in a given case must be appropriate for the invocation of the particular procedure invoked. A.1 zielt darauf ab, dass nicht jedes Verb des Sagens auch performativ genutzt werden kann, allein dadurch, dass es (in einem sinnvollen Satz) gebraucht wird.24 Des weiteren gibt es Verben, die ihren performativen Charakter erst dann entfalten, wenn bestimmte außersprachliche Bedingungen erf¨ ullt sind. Auf diese m¨ ogliche Fehlerquelle geht A.2 ein. Weiterhin zu den misfires geh¨ oren: (B. 1) The procedure must be executed by all participants both correctly and (B. 2) completely. 18 19 20 21 22 23 24

Austin (1975 [1962]) S. 69. z. B. Hiermit taufe ich . . . , Ich verspreche Dir . . . usw. Austin (1975 [1962]) S. 69. [they can be] unhappy “ oder infelicitous“ Austin (1975 [1962]) S. 14f. ” ” Austin (2002) S. 36. Austin (1975 [1962]) S. 14f.. ¨ Bspw. kann man niemanden beleidigen, indem man sagt: Ich beleidige dich.“ Ahnliches gilt f¨ ur die Verben ” erfreuen, aufmuntern, verletzten, usw..

8 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

Wenn eine Sprechhandlung in der richtigen‘ Situation mit dem passenden performativen ’ Verb nicht korrekt ausgef¨ uhrt wird, verungl¨ uckt sie. Beispiele: (B. 1) Entschuldigung: Es tut mir leid, dass ich dich ein Spatzenhirn genannt habe, du bist kein Spatzenhirn. Du bist ein fauler Idiot. (B. 2) Alle Bedingungen der Sprechhandlung m¨ ussen erf¨ ullt sein: Der Mann kann sehr wohl Ja!“ gesagt haben – wenn die Frau Nein.“ gesagt hat, hat er sie nicht geheiratet. ” ” Ebenso ben¨ otigt man zum Wetten einen zweiten Mann‘: Mit Ich wette, dass . . . !“ ’ ” ist die Wette noch nicht eingegangen. Sie muss per Handschlag, Wort ( Ich nehme die ” Wette an.“) o. ¨ a. von einem anderen, als dem Wettbieter besiegelt werden. ¨ Diese Versager beziehen sich darauf, dass die performative Außerung gar nicht erst zustande kommt. Es gibt aber auch Fehler, bei denen (zumindest f¨ ur den H¨orer) scheinbar eine Performation vollzogen wird, w¨ ahrend der Sprecher diese missbraucht.25 (Γ.1) where, as often, the procedure is designed for use by persons having certain consequential thoughts, feelings, or intentions, or for the inauguration of certain consequential conduct on the part oft any participant, then a person participating in and so invoking the procedure must in fact have those thoughts, feelings, or intentions, and the participants must intend so to conduct themselves; (Γ.2) and the participants must so conduct themselves subsequently.26 Denken (Intention), (sp¨ ateres) Handeln (Wirklichkeitsbezug) und Sagen (Sprechhandlung) ¨ des Sprechers m¨ ussen also einander entsprechen, damit die performative Außerung nicht durch die Γ-Fehlerquellen verungl¨ uckt. Die Einschr¨ ankungen gelten gleichermaßen f¨ ur explizit wie f¨ ur implizit performative ¨ Außerungen. Zusammen mit den Einschr¨ ankungen acht bis zehn ist nun die anfangs klare Trennung von performativen und konstativen Aussagen in weite Ferne ger¨ uckt. Konventionen (A-Fehler), Tr¨ ubungen (B-Fehler) und Unredlichkeiten (Γ-Fehler) zeigen, dass auch ¨ performative Außerungen misslingen k¨ onnen. Die charakteristischen Unterschiede zur Klasse ¨ konstativer Außerungen erweisen sich als immer unzuverl¨assigere Scheinargumente. Austin betont immer wieder, dass es bei all seinen Untersuchungen um analytische Kategorien ginge – jede M¨oglichkeit der Alltagssprache kann und soll gar nicht ber¨ ucksichtigt werden. Aller¨ dings erscheint ihm die Unterscheidung von performativen und konstativen Außerungen nicht mehr als eine verl¨ assliche Basis f¨ ur seine Theorie.

3.2 Die Sprechakttheorie It is time to make a fresh start on the problem.“ 27 Es geht Austin nun darum, mit einem zu ” entwickelnden Modell genauer (als mit der performativ-konstativ Unterscheidung) zwischen 25

26 27

Austin nennt diese Klasse Missbr¨ auche (abuses). F¨ ur sie ist kennzeichnend: [that] the performance is not ” void, although it is still unhappy“ Austin (1975 [1962]) S. 14f. Austin (1975 [1962]) S. 39. Austin (1975 [1962]) S. 91.

9 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

den Handlungsdimensionen beim Sprechen differenzieren zu k¨onnen und den Sprechakt als analytische Kategorie zu fassen. 3.2.1 Grundstruktur des Sprechaktes Obwohl sich der Sprechakt als ein komplexes Gebilde erweist, liegt ihm eine dreidimensionale Struktur zugrunde. Dieser Struktur entsprechen drei verschiedene[. . . ] Teilhandlungsmus” ter[. . . ]“ 28 : ¨ Außerungsakt: Die Lokution beinhaltet die Handlung des Sprechens. Funktionsdimension: Die Illokution ist die Handlung, die u ¨ber das Sprechen hinaus geschieht (z. B.: Bitten, Warnen, Ernennen, Herausfordern, Versprechen, Behaupten, Annehmen, Entschuldigen, usw.). Wirkungsdimension: Die Perlokution umfasst die Intention des Sprechers, sowie die beim H¨orer erreichte Reaktion. Wenn die ersten beiden Akte (Ursache) erfolgt sind, folgt ihnen ein Effekt (Wirkung), der perlokutive Akt. Gemeint sind hier alle Auswirkungen auf Umst¨ande und Zuh¨ orer – nicht ausschließlich die intendierten. Diese grunds¨atzliche Einteilung des Sprechaktes wurde in der Folge verschiedentlich modifiziert. Als erster, der konstruktiv an der Sprechakttheorie mitgewirkt hat – und dies bis heute tut – w¨are Austins Sch¨ uler John R. Searle (*1932) zu nennen. Die Grundkategorien der Theorie blieben aber erhalten und sind bis heute in linguistischen Lehrb¨ uchern zur Pragmatik und interdisziplin¨ar in vielen Diskursen als Theoriegrundlage zu finden. ¨ 3.2.1.1 Lokution Die Proposition realisiert sich in einer Außerung. Austin bezeichnet the ” 29 act of ‘saying something’“ als locutionary act, also lokutive Handlung. Diese Handlung ¨ wird durch die Außerung vollzogen. Die Lokution besteht aus phonetischem, phatischem und rhetischem Handeln. there is a whole group of senses, [...] in which to say anything must always be ” to do something, the group of senses which together add up to ’saying’ something, in the full sense of ’say’, We may agree [,..] that to say anything is (A.a) always to perform the act of uttering certain noises (a ’phonetic’ act) [..,]; (A. b) always to perform the act of uttering certain [,..] words, i.e. noises of certain types belonging to [..,] a certain vocabulary, in a certain construction, i.e. conforming to [...] a certain grammar, with a certain intonation etc. This act we may call a ’phatic’ act [...]; (A.c) generally to perform the act of using [the utterance] [...] with a certain moreor less definite ’sense’ and a more or less definite ’reference’ (which together are equivalent to ’meaning’), This act we may call a ’rhetic’ act (1975: 92 f.). “ 30 28 29 30

Bublitz (2001) S. 79. Austin (1975 [1962]) S. 92f.. Austin (1975 [1962]) S. 92f..

10 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

¨ phonetischer Akt: besteht im Außern von Ger¨auschen; Der phatische Akt: konstituiert die Morphosyntax der Aussage, wobei wir uns nach den phonetisch” phonologischen und grammatischen Regeln der Sprache richten.“ 31 rhetischer Akt: Der rhetische Akt bezieht sich auf den Inhalt der Lokution. Er ordnet den im phonetischen und phatischen Akt regelkonform gebildeten Formen eine Bedeutung ¨ zu. Der rhetische Akt verleiht der Außerung einen Bezug (reference) und einen Sinn (sense). Das naming (Handlung des Benennens) ordnet den Sinn, das referring die Referenz zu.32 W¨ahrend des Sprechens werden die drei lokutiven Handlungsebenen nicht chronologisch abgearbeitet – die Unterscheidung ist eine rein analytische. Alle drei Akte realisieren zusammen die Lokution. Jedoch kann man die verschiedenen Akte isoliert betrachten und auch nachvollziehen: So k¨ onnen bspw. phonetische und phatische Akte vollzogen werden, ohne dass der Sprecher ihren Sinn verst¨ unde (und somit den rhetischen Akt vollzieht). Als ein Beispiel hierf¨ ur kann das Lesen eines Textes in einer fremden Sprache gelten – die Buchstaben werden vom Sprecher in Laute so umgesetzt, wie er es sich denkt – ist er der Sprache aber nicht m¨achtig, so kann er diesen Lauten, ob nun korrekt wiedergegeben oder nicht, auch keinen Sinn zuordnen. ¨ 3.2.1.2 Illokution Ergebnis der lokutiven Handlung ist die Außerung. Allerdings wird mit ¨ einer Außerung (oft) mehr realisiert, als ihr bloßer Sinngehalt und ihre Referenz. Es wird mit ¨ der Außerung auch eine Sprechhandlung vollzogen. Sprechhandlungen sind z. B.: Fragen, Behaupten, Versprechen, Aussagen, Bitten, Entschuldigen, Ernennen usw.. Die illokution¨aren Handlungen (illocutionary acts) lassen sich laut Austin in indem-Handlungen (in-doing-acts) quasi transkribieren. Man kann sagen: ‘Indem der Sprecher die Proposition p ¨außert, voll” zieht er die Handlung h’ “ 33 . Austin verk¨ urzt: ‘In saying x I was doing y’ or ‘I did y’ [. . . ]“ 34 ” Im Gegensatz dazu die of -Relation, die eine lokutive Handlung paraphrasieren kann.35 Austin unterscheidet hier zwischen der Bedeutung (meaning) und der Funktion bzw. Aufgabe der Illokution. Die Funktion der Illokution bezeichnet er als illokution¨are Rolle (illocutionary force). 3.2.1.3 Perlokution Von der perlokutiven Handlung (perlicutionary act) spricht Austin, wenn er die (beabsichtigte) Wirkungsdimension der sprachlichen Handlung meint:

31 32 33 34 35

Bublitz (2001) S. 81. Austin (1975 [1962]) S. 96f.. Bublitz (2001) S. 82. Austin (1975 [1962]) S. 122. Austin (1975 [1962]) S. 99f..

11 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

There is yet a further sense [...] in which to perform a locutionary act, and ” therein an iIIocutionary act, may also be to perform an act of another kind. Saying something will often, or even normally, produce certain consequential effects upon the feelings, thoughts, or actions of the audience, or of the speaker, or of other persons: and it may be done with the design, intention, or purpose of producing them [...]. We shall call the performance of an act of this kind the performance of a ’perlocutionary’ act, and the act performed [...] a ’perlocution’.“ 36 Lokution und Illokution dienen dazu, Intentionen des Sprechers (f¨ ur eine beabsichtigte H¨orerreaktion) – ob sprachlich oder non-verbal – zu realisieren. Austin charakterisiert die perlokution¨aren Akte als dadurch dass-Handlungen (by-doing-acts).37 In ihrem Fokus steht die Wirkung, die auf den H¨orer gerichtet ist. Was allerdings die intersubjektive Situation in einem Gespr¨ach mit sich bringt, ist folgendes Problem: Der Sprecher kann sich noch so sehr bem¨ uhen, seine perlokutive Intention zu realisieren – wenn der H¨orer diese aber nicht als die intendierte versteht, dann kann/wird sich eine ganz andere als die erwartete Reaktion einstellen. Er muss die Intention als solche nicht nur korrekt identifizieren, sondern gleichzeitig auch zulassen. Da es nicht in der Macht des Sprechers steht, die intendierte Wirkung un” eingeschr¨ankt zu erreichen, ist das Eintreten abweichender, ja, gegens¨atzlicher Wirkungen nicht auszuschließen [. . . ]“.38 Hier kn¨ upft die Sprechakttheorie bereits sehr deutlich an bestehende Konzepte zur Wirkung von Sprache an. B¨ uhlers (*1879 – †1963) Organon-Modell unterscheidet bspw. schon die Sender- (Sprecher) und Empf¨ angerrolle (H¨ orer, der empfangenes Kommunikationssignal verarbeitet). Dass eine Nachricht (vier) verschiedene Botschaften u ¨ bermittelt, wird in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts von Schulz von Thun (*1944) aufgegriffen und in seinem Kommunikationsquadrat-Modell kondensiert. Aufgrund dieser Besonderheit perlokutiver Akte pl¨adiert Bublitz f¨ ur eine Unterscheidung nicht nur von Sprecher- und H¨ orerseite, sondern auch f¨ ur die Trennung zweier unterschiedlicher deskriptiver Perspektiven. Die in actu-Perspektive sei nur der Versuch, eine ” perlokutive Wirkung zu erreichen“ 39 , w¨ ahrend die post festum-Sichtweise eine Entscheidung erm¨oglicht, ob die angestrebte Wirkung eingetreten ist oder nicht“ 40 . ” Des weiteren lassen sich keine expliziten Vollzugsverben f¨ ur eine perlokutive Handlung finden. So kann ihre Wirkung mit perlokutiven Verben (ver¨argern, beleidigen, erschrecken, alarmieren, verunsichern, usw.) h¨ ochsten beschrieben, nicht aber vollzogen werden.

36 37 38 39 40

Austin (1975 [1962]) S. 101. Austin (1975 [1962]) S. 122. Bublitz (2001) S. 84. Bublitz (2001) S. 85. Bublitz (2001) S. 85.

12 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

3.3 Zusammenfassung

13 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

4 Fazit und Ausblick Die Sprechakttheorie – schon allein in der von Austin konzipierten Form – ist eine zwar in sich geschlossene, aber gleichwohl sehr komplexe Theorie. Eine ersch¨opfende Darstellung sollte an ¨ dieser Stelle nicht geboten werden. Dennoch war die Erarbeitung eines groben Uberblicks u ¨ber Austins Argumentation und Vorgehen m¨oglich. Die Modifizierungen an der Theorie – besonders durch Searle – sollten nicht Gegenstand dieser Arbeit sein, dies w¨ urde auch den gebotenen Rahmen u ¨bersteigen. Allein die Tatsache, dass die Sprechakttheorie interdisziplin¨ar aufgegriffen und vielfach zur Grundlage neuerer Forschung wurde, beweist meines Erachtens nach schon ihren innovativen Charakter, ohne dabei den Anschluss an die traditionelle, wohl erste Auspr¨agung der linguistischen Pragmatik, die Linguistik, aufzugeben. Zu dem von Austin in der linguistischen Pragmatik angeregten Perspektivenwechsel passt es dann auch, dass die Theorie in ¨ Austins Auspr¨agung noch einige Unklarheiten und inhaltliche Uberschneidungen bot. Diese wurden allerdings mit erstaunlichem Engagement aufgegriffen, sodass die Theorie eine – wahrscheinlich von Austin ungeahnte – Aufmerksamkeit und Weiterentwicklung erfuhr. Ihre Bedeutung f¨ ur Geistes- und Sozialwissenschaften l¨asst sich an ihrer interdisziplin¨aren Akzeptanz nachvollziehen. So gilt die Sprechakttheorie in vielen Diskursen als Methode. Literaturwissenschaftler bedienen sich ihrer in Diskussionen zur Rezeptions- und Produktions¨asthetik, sowie in Fragen zur Gattungsforschung und dergleichen mehr. Judith Butlers (*1956) Queer-Theory, in der (Sprach-) Handlungen Die zentrale Bedeutung zur Identit¨atskonstruktion der Geschlechter zukommt, w¨are ohne Austins Theoriearbeit nicht denkbar. Die Kommunikationswissenschaften profitieren von Austins Ansatz, der hier in Fragen der Gespr¨achsforschung bis hin zur Unterrichtsgestaltung im Primarbereich Anwendungsgebiete findet. Da die Weiterentwicklung der Informationstechnik fortschreitet, wenden sich auch immer h¨aufiger computerlinguistische Fragestellungen der Sprechakttheorie zu. Außerhalb der pragmatischen Linguistik findet die Theorie also großen Zuspruch. Der Einwand, einen Methodenmonopolismus betreiben zu wollen oder anzustreben scheint mir unbegr¨ undet. Ganz im Gegenteil: Eine Theorie, die ohne umfangreichere Berufung auf (sprach-) philosophische Traditionen auskommt und erfolgreich bewiesen hat, dass sie flexibel auf verschiedenste Diskursfelder anwendbar ist, erhebt keinen Anspruch darauf, die allein g¨ ultige Perspektive bieten zu k¨ onnen. Sie hat vielmehr ihre Daseinsberechtigung und F¨ahigkeit, neben anderen Theorien koexistieren und diese sinnvoll erg¨anzen zu k¨onnen, immer wieder auf´s Neue bewiesen. So ist die Sprechakttheorie keine radikale Alternativposition, die den absoluten Geltungsanspruch zum Selbstzweck erhebt, sondern eine, im besten Sinne des Wortes, n¨ utzliche Methode.

14 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

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15 Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2004/05 von Anna-Maria M¨ uller erstellt und eingereicht.

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