Anthroiii

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Vorgelegt an der Ruhr-Universität Bochum Sektion für Sozialpsychologie und -anthropologie

Die Institutionenlehre von Arnold Gehlen: Anthropologische Fundierung eines soziologischen Konzepts

Sozialanthropologie III: Philosophische Anthropologie Frau Sina Farzin, M.A.

eingereicht von: Anna-Maria Müller Matrikelnr.: 108003202603 4. Fachsemester Sozialpsychologie/ -anthropologie B. A. Hattinger Str. 186 44795 Bochum [email protected] 31. August 2005

Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort

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2 Der Mensch als biologisches Wesen 2.1 Sonderstellung des Menschen . . . . . . . . 2.1.1 Primitivität . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Weltoffenheit . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Instinktreduktion . . . . . . . . . . 2.1.4 Antriebsüberschuss . . . . . . . . . 2.1.5 Handeln und Umwelt des Menschen 2.2 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 3 Institutionen — Entlastung, Feststellung, 3.1 Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Institution . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Entlastung und (individuelle) Freiheit .

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Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4 Kritische Bewertung Gehlens und Ausblick

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5 Fazit

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6 Literatur

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht.

1 Vorwort In Zeiten, in denen der Ruf nach verläßlich arbeitenden (staatlichen) Institutionen immer lauter wird, in denen sich die Aufgabenverteilung zwischen Staat und Bürgern neu organisiert und sich ein Trend weg vom Wohlfahrtsstaat hin zu mehr Eigenverantwortung der Menschen abzeichnet, in diesen Zeiten liegt es nahe, sich mit den Elementen einer Gesellschaft zu befassen, die Stabilität garantieren (sollen). Auch vor dem theoretischen Hintergrund der – erkennbaren aber selten dargelegten – Nähe der Systemtheorie Luhmanns zu Gehlens Gedankengang, erscheint eine intensivere Beschäftigung mit der Gehlenschen Institutionenlehre sinnvoll. Arnold Gehlen (1904 – 1976) war – neben Helmut Plessner und Max Scheler – einer der großen Denker in der Tradition der Philosophischen Anthropologie. Diese für den deutschen Sprachraum spezifische Strömung der Philosophie, die sich als eine integrativ arbeitende Humanwissenschaft versteht, will interdisziplinär sowohl naturwissenschaftlich empirische als auch philosophische Erkenntnisse zum Menschen berücksichtigen. Angesichts des großen Umfangs von Gehlens Lebenswerk scheint ein Hinweis auf die verwendete Zitiertechnik angebracht: Da Gehlen viele seiner Theorie- und Gedankengebäude nicht nur in seinen umfangreichen Hauptwerken beispielreich und detailliert entwickelt, sondern auch in zahlreichen Essays, Aufsätzen und Anthologien pointiert vorgestellt hat, werden Aussagen und Belege zu einzelnen Teilaspekten seiner Theoriebildung in verschiedenen Werken zu finden sein. Nur an ausgewählten Stellen werden mehrere Verweise angegeben, wenn möglich wird nur ein Beleg genannt. Des weiteren sind alle in den Zitaten getroffenen Hervorhebungen, soweit nicht anders vermerkt, aus dem jeweiligen Originaltext übernommen. In dieser Arbeit soll Gehlens Argumentation zu den Institutionen nachgezeichnet und so ein Beitrag zum Verständnis geleistet werden. Es wird dargestellt, warum der Mensch auf Institutionen angewiesen ist, was sie (nicht) leisten können und inwiefern sie – trotz Komplexitätsreduktion durch Verminderung von Handlungsoptionen – einer Vielzahl von neuen Motivationen Raum geben können. Im Fazit werden Gehlens Erkenntnisse in Bezug zur Gegenwart gesetzt und ein kritischer Ausblick versucht Anknüpfungspunkte zukünftig notwendiger Theoriebildung aufzuzeigen. Arnold Gehlens Erkenntnisse bedürfen kritischer Durchdringung – eine „Gesamtlehre“ scheint aufgrund der Differenzierung gesellschaftlicher Vorgänge und Prozesse unmöglich. Der gesellschaftlichen Entwicklung entsprechend müssen sich Inhalte und Aufgaben von Institutionen anpassen. Dass dies im-

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. mer erneut die Aufhebung von Widersprüchen erfordert, ist Teil der fortschreitenden gesellschaftlichen Gesamtentwicklung, der sich darüber hinaus in der Theoriebildung niederschlägt und nicht als Mangel aufgefasst werden muss.

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht.

2 Der Mensch als biologisches Wesen Gehlen setzt mit seiner Argumentation zum Menschen nicht etwa beim LeibSeele-Dualismus an1 , der seit Descartes die Philosophen und auch Anatomen beschäftigt. Vielmehr stellt Gehlen – im Rückgriff auf Herders Mängelwesentheorie2 (Herder (1772)) – den Menschen erst von der Natur aus durch Mängel gekennzeichnet dar, um dann die notwendige Angewiesenheit auf das Handeln und die Kultur sowie auf instinktanaloge Führungssysteme, die Institutionen, abzuleiten. Diese Fähigkeiten und Einrichtungen fangen den Menschen auf und machen ihn – das Mängelwesen – überlebensfähig. Es sind kompensatorische Leistungen, die die im Folgenden beschriebene mangelhafte Ausstattung des Menschen so umorganisieren, dass ihm ein Überleben in (fast) jeder Umwelt möglich ist.

2.1 Sonderstellung des Menschen Wie schon Herder referiert Gehlen einige in ihrer Kombination im Tierreich ohne weiteres Beispiel existierende Eigenschaften des Menschen, die ihn zu einer Ausnahmeerscheinung der Fauna machen. Der Mensch ist ‘organisch mittellos’ (Gehlen (1965a), S. 46), d.h. besitzt keinerlei natürliche Waffen, Schutz- oder Angriffsorgane (Gehlen (1971), Vgl. 33). Der unsichere Gang auf zwei Beinen bietet nicht die optimale Ausrüstung zur Flucht (Gehlen (1971), Vgl. 31f.). Der Mensch trägt kein Haarkleid, noch ist er durch andere Anpassungen vor der Witterung geschützt (Gehlen (1971), Vgl. 33). Die Sinne des Menschen sind unspezialisiert – seine körperliche Ausstattung lässt ihn in keine ökologische Nische passen, er ist der natürlichen Umwelt ausgeliefert und passt gerade deshalb als Kulturwesen in jede natürliche Umwelt ((Gehlen (1965b), Vgl. 17f.) und (Gehlen (1965a), Vgl. 47f.)). 2.1.1 Primitivität Gehlen führt unter diesem Stichwort organische Besonderheiten auf, die dem Menschen immanent sind, allerdings „[. . . ] entwicklungsgeschichtlich alt sein müssen, daß sie nur als Ausgangspunkte von Spezialisierungen verständlich sind, [. . . ]“ (Gehlen (1965a), S. 46). Des weiteren seien am Menschen Eigenheiten festzustellen, die sich (nach Bolk (1926)) „[. . . ] als fixierte, dauerhaft gewordene Foetalzustände [. . . ]“ (Gehlen (1965a), S. 47) begreifen lassen. 1 2

– bezeichnet diesen gar als „[. . . ] ein populäres Vorurteil [. . . ]“ Gehlen (1965a), S. 44 – Den Begriff „Mängelwesen“ hat Herder übrigens nie explizit gebraucht. (Thies (2000), Vgl. 162, Anmerkung 22 und Herder (1772))

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. Mit diesem, durch Bolk (1926), so bezeichneten „embryonalen Habitus“ ließen sich gleichfalls die lange Entwicklungszeit bis zur Geschlechtsreife, sowie die Hilfsbedürftigkeit im Kleinkindalter erklären, so Gehlen. Das herrschende Prinzip in der menschlichen Entwicklung sei also das der Retardation 3 . 2.1.2 Weltoffenheit

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Der Mensch ist – im Gegensatz zum Tier – nicht in einem instinktgesteuerten Reiz-Reaktions-Schema ‘gefangen’, d. h. u. a. dass ihm eine angeborene Selektionsinstanz für Umweltreize fehlt. Da der Mensch morphologisch unspezialisiert erscheint, ist er nicht an eine spezielle natürliche Umwelt gebunden – ihm ist keine ökologische Nische zugewiesen, die seinen Lebens(spiel)raum begrenzt.5,6 „Der Mensch ist weltoffen heißt: er entbehrt der tierischen Einpassung in ein Ausschnitt-Milieu. Die ungemeine Reiz- und Eindrucksoffenheit gegenüber Wahrnehmungen, die keine angeborene Signalfunktion haben, stellt zweifellos eine erhebliche Belastung dar, die in sehr besonderen Akten bewältigt werden muß. Die physische Unspezialisiertheit des Menschen, seine organische Mittellosigkeit sowie der erstaunliche Mangel an echten Instinkten bilden also unter sich einen Zusammenhang, zu dem die ‘Weltoffenheit’ (M. Scheler) oder, was dasselbe ist, die Umweltenthebung, den Gegenbegriff bilden.“ (Gehlen (1971), S. 35)

2.1.3 Instinktreduktion Der Mensch als Mängelwesen ist einerseits bestimmt durch seine physische Mangelausstattung, andererseits durch das Fehlen angeborener instinktiver Verhaltensmuster. Die Instinktarmut determiniert den Menschen und steht so in engem Zusammenhang mit seiner Unspezialisiertheit und seiner Weltoffenheit: „Und sofern Instinkte ja nur dann von höherer Zweckmäßigkeit sein können, wenn sie von vornherein auf sehr bestimmte, angepaßte Umweltreize ansprechen, so kann auch in dieser Hinsicht der Mensch kein 3

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In Gehlen (1965a), S. 47 heißt es dazu: „eben ein ’Festhalten’ entwicklungsgeschichtlich alter oder individualgenetisch früher, jugendlicher bzw. embryonaler Merkmale.“ Gehlen greift hier auf die Begrifflichkeit von M. Scheler zurück und führt diese weiter. Dargestellt ist der Begriff, der an dieser Stelle nicht eingehender betrachtet werden soll, in Scheler (1928). „Wenn nun der Mensch Welt hat, nämlich eine deutliche Nichteingegrenztheit des Wahrnehmbaren auf die Bedingungen des biologischen Sichhaltens, so bedeutet dies zunächst eine negative Tatsache.“ (Gehlen (1971), S. 35) Gehlen gibt auch Vorzüge an, die dem Menschen durch seine organisch mangelhafte Ausstattung entstehen (Gehlen (1971), Vgl. 44). und so der Mängelwesen-These die allein morphologische Begründung entziehen (Thies (2000), Vgl. 49).

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. Instinktwesen sein, denn in seiner Lebenssituation garantiert nichts, daß er diesen Signalen überhaupt begegnet [. . . ] “ (Gehlen (1965a), S. 53)

Da uns angeborene Verhaltensmuster fehlen, muss dieser Mangel, nach Gehlen, durch soziale Regulative – die Institutionen – kompensiert werden. Diese entlasten den Menschen von immer neuer, individueller Findung von Handlungsoptionen und der immer aktuellen Entscheidung für eine Handlungsmöglichkeit. 2.1.4 Antriebsüberschuss Mit seiner Triebtheorie greift Gehlen auf Sigmund Freud (1920, 1930) und dessen Kategorie des Antriebsüberschusses zurück. Der Antriebsüberschuss macht das Mängelwesen Mensch erst überlebensfähig, da nur durch ihn Weltoffenheit und Instinktreduktion überbrückt werden. Die Zukunftsfähigkeit des Menschen wird gewährleistet, indem auch Verhaltensweisen mit Energiepotential gespeist werden, die über die momentane Bedürfnisbefriedigung hinaus gehen. „Die überschießende Energie treibt uns über das Selbsterhaltungsziel hinaus.“ (Thies (2000), S. 86) Dieses, an einen Triebüberschuss gekoppelte, im Vergleich zum Tier übergroße, geradezu verschwenderische Energiequantum steht einem „Hemmbedürfnis“ (Gehlen (1965a), S. 54) gegenüber. Die dauernde Konfrontation mit einem inneren Antriebsüberschuss übt einen „Formierungszwang“ (Gehlen (1971), S. 361) dauerhafte Hemmungen zu installieren aus, um das ins Zerstörerische Umschlagen des überschüssigen Energiepotentials zu vermeiden. Diese stetige Bändigung des Energiepotentials und die Verunmöglichung eines Umschlagens in Destruktivität werden zum Bedürfnis (Gehlen (1971), Vgl. 360f.). 2.1.5 Handeln und Umwelt des Menschen Trotz seiner mangelhaften körperlichen Ausstattung konnte der Mensch sich auf der gesamten Erde verbreiten und lebt auch in unwirtlichsten Lebensräumen. Er machte sich die Erde also untertan (Gehlen (1965a), Vgl. 47)7 . „Und zwar lebt er als ‘Kulturwesen’, d. h. von den Resultaten seiner voraussehenden, geplanten und gemeinsamen Tätigkeit, die ihm erlaubt, aus sehr beliebigen Konstellationen von Naturbedingungen durch deren voraussehende und tätige Veränderung sich Techniken und Mittel seiner Existenz zurechtzumachen. Man kann daher die ‘Kultursphäre’ jeweils 7

Dass dies keine ganz neue Vorstellung davon ist, wie der Mensch im Wesentlichen zur Kultur kam, respektive zum Beherrscher der Natur wurde, zeigt u. a. ein Blick ins Buch der Bücher : 1. Mose, 1.28 (Deutsche Bibelgesellschaft (1999)).

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. den Inbegriff tätig veränderter urwüchsiger Bedingungen nennen, innerhalb deren der Mensch allein lebt und leben kann.“ (Gehlen (1965a), S. 47)

Gehlen betont immer wieder die Aufeinanderbezogenheit von physischer Mittellosigkeit des Menschen auf der einen, und seiner kulturschaffenden Tätigkeit auf der anderen Seite. Diese Fähigkeit ist es nämlich, die dem Menschen relativ unabhängig von seiner natürlichen Umwelt das Überleben ermöglicht. Er ist so quasi ein Spezialist in seiner Unspezialisiertheit8 . Der Mensch kann jede Umwelt tätig verändern, auf ihre spezifischen Merkmale eingehen, ohne dabei auf die konkrete Umwelt selbst spezialisiert zu sein. „[. . . ] und so muss er [der Mensch, d. Verf.] sich eine zweite Natur, eine künstlich bearbeitete und passend gemachte Ersatzwelt, die seiner versagenden organischen Ausstattung entgegenkommt, erst schaffen, und er tut dies überall, wo wir ihn sehen. [. . . ] Man kann auch sagen, daß er biologisch zur Naturbeherrschung gezwungen ist.“ (Gehlen (1965a), S. 48)

Da der Mensch also auf Handlung, d. h. planendes Verändern seiner Umgebung und Transformieren dieser in eine lebensdienliche Kultursphäre, angewiesen ist, kann man vom Zwang zum bewussten Handeln (Kulturschaffen, usw.) sprechen. „Sein intelligentes Handeln ist in erster Linie konstruktive Veränderung der Außenwelt aus barer organischer Bedürftigkeit“ (Gehlen (1965c), S. 69)

Diese Argumentation, betont Gehlen, vermeide zudem konsequent das Verfallen in einen Dualismus. Eine Trennung, Konkurrenz oder – populär formuliert – eine Henne-Ei-Problematik von Leib/Körper und Seele/Bewusstsein sei hier gar nicht angelegt, da das Überleben auf physischer Ebene mit seiner mangelhaften organischen Ausstattung nur durch die Fähigkeit zum bewussten Behandeln seiner Umwelt garantiert werde (Gehlen (1965a), Vgl. 49). So stellt Gehlen das Handeln als spezifische menschliche Eigenschaft dar. Das Handeln wird zu einer Kategorie, in der Wahrnehmung, Erkennen, Überlegung und Aktion (z. B. Bewegung) verbunden sind.9 Außerdem löst das vorausgeplante Handeln den Menschen aus seinem Gegenwartsbezug, aus seinem Hier und Jetzt. Der Mensch ist in seinem Handeln zukunftsfähig. Das Fehlen eines (instinktgesteuerten) Wahrnehmungsapparates, der einen überschaubaren Umweltausschnitt bietet, Wahrnehmung also selektiert und 8

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Konrad Lorenz nannte es: „Spezialist auf Nichtspezialisiertsein.“. (Lorenz (1965), S. 177, 231ff.) Nicht näher gehe ich darauf ein, dass Gehlen das Denken schon als eine Handlungsform („Aktion“) betrachtet, dessen Resultat die Erkenntnis ist (Gehlen (1971), Vgl. 275f.).

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. Umwelteindrücke begrenzt, gibt den Menschen einer Reizüberflutung preis, die bewältigt werden muss. Dies ermöglicht u. a. die frühkindliche Phase, so Gehlen, in der die Welt – im wahrsten Sinne des Wortes – begriffen wird. Das Resultat unserer Wahrnehmung und die Eigentätigkeit an unserer Welt fallen zusammen. Das Ertasten der Welt vermittelt Einzelheiten, die Betonung des Gesichtssinnes beim Menschen komplettiert unser Bild von der „übersehenen Welt“ (Gehlen (1965a), S. 49). So konstituieren sich – begleitet von Lernprozessen – unser Weltbild und die Vorstellung von den Dingen. Die Gegenstände der Umwelt werden zu Repräsentanten „[. . . ] hochsymbolischer Bedeutung [. . . ] “ (Gehlen (1965a), S. 50), die dem Menschen Orientierung in der Welt an die Hand geben (Gehlen (1965a), Vgl. 49f.)10 .

2.2 Zusammenfassung Der Mensch ist in einer natürlichen Umwelt nicht lebensfähig. Ungeschützt in die Natur hineingeboren wäre er dem Naturgeschehen ausgesetzt. Der Mensch kann nicht bloß existieren – er muss sein Leben führen (Gehlen (1971), Vgl. 165). Die Sonderstellung des Menschen kann, mit Blick auf die weiteren Ausführungen, in folgenden Stichworten zusammengefasst werden:11 1. 2. 3. 4. 5.

Primitivität – organische Mittellosigkeit und somit Unspezialisiertheit auf bestimmte Lebensräume. Weltoffenheit, die im Wesentlichen einer Instinktarmut geschuldet ist. Antriebsüberschuss, der ein Energiepotential bereitstellt, dass weit über die augenblicksgebundene Befriedigung von Bedürfnissen hinaus geht.

Daraus ergibt sich zum einen eine Notwendigkeit zum • Handeln, d. h. zur tätigen Veränderung der Umwelt bis zur Lebensdienlichkeit durch den Menschen, sowie zur • Entlastung von einer Überforderung des Menschen durch äußere Reizüberflutung. Wie Gehlen umfassend darlegt, ist der Mensch, um existenzfähig zu sein, auf die Umschaffung seiner Umwelt angewiesen. Sein handelndes Wesen bietet die Grundlage dafür. 10 11

Sowie in Gehlen (1971), S. 39. Dass einige, teilweise auch zentrale Kategorien Gehlens, wie z.B. der Mensch als Zuchtwesen, die Tier-Mensch-Gegenüberstellung, Überlegungen zur Sprache, Kritik einzelner Prämissen oder die genauere Auseinandersetzung mit den biologischen Ausgangstheorien u. v. a. hier nicht berücksichtigt werden, ist allein dem Umfang der Arbeit geschuldet und soll nicht etwa ein kritikloses Hinnehmen der Gehlenschen Argumentation provozieren.

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. „Der Inbegriff der von ihm [dem Menschen, d. Verf.] ins Lebensdienliche umgearbeiteten Natur heißt Kultur und die Kulturwelt ist die menschliche Welt.“ (Gehlen (1971), S. 38)

Obgleich die Institutionenlehre noch nicht vorgestellt wurde, kann hier schon die große Gefahr abgeschätzt werden, die Gehlen im brüchig werden von Institutionen sieht. Werden diese restriktiven instinktanalogen Führungssysteme (Honneth/Joas (1980), S. 61) abgebaut und so ihrer Halt gebenden Wirkung beraubt, können Kollektiv- wie Individualhandeln nicht mehr abgeschätzt werden. Eine Vielzahl nicht-intendierter destruktiver Nebenfolgen käme auf die Gesellschaft zu, die – ohne Möglichkeit zum Rückgriff auf altbewährte Strukturen – nicht in der Lage wäre, diese zu bewältigen. Hier ist schon der weitere Gang der Argumentation erkennbar, die im nächsten Kapitel zu den Institutionen nachgezeichnet werden soll.

3 Institutionen — Entlastung, Feststellung, Zweckmäßigkeit Hatten in den ersten drei Ausgaben von „Der Mensch“ (Gehlen (1971)) noch „[o]berste Führungssysteme“ (Gehlen (1971), S. 382)12 als soziales Pendant der zu ersetzenden angeborenen Verhaltensmuster für „das noch nicht festgestellte Tier“ (Nietzsche) (Gehlen (1971), S. 10), den Menschen, gegolten, wird mit der vierten Ausgabe ein völlig neuer Theorieansatz entwickelt: Gehlen erläutert seine Institutionenlehre. Institutionen entlasten den Menschen, sind einerseits „Formen der Bewältigung lebenswichtiger Aufgaben und Umstände“, aber andererseits erscheinen sie ferner als die „stabilisierenden Gewalten“ (Gehlen (1969), S. 97).

3.1 Handlung Gehlen betont immer wieder, dass Institutionen zwar Steuerungsmechanismen menschlichen Verhaltens darstellen, ihre Entstehung aber niemals einer rationale Zweckbestimmung (durch den Menschen) folgt (Gehlen (1971), S. 392ff.).13 Diese nicht-biologistische Argumentationsweise, in der sich lediglich „objektiv sekundäre Zweckmäßigkeiten“ (Gehlen (1971), S. 398, Herv. durch d. Verf.) rückwirkend durch Institutionalisierung von Handlungsmustern stabilisieren 12

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Diesen Ansatz bezeichnet Gehlen in der bearbeiteten Auflage als „zu eng [. . . ]“ (Gehlen (1971), S. 382). Damit distanzierte er sich zugleich öffentlich endgültig von seiner durchaus systemstützenden Rolle, die er als frühzeitiges NSDAP-Mitglied ausübte. Sowie u. a. in Gehlen (1963), S. 222 und in Gehlen (1969), S. 95.

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. (Gehlen (1971), S. 399), ist Gehlen in seiner Theoriebildung besonders wich-

tig. Während in der Biologie – im Prinzip – der Bau der Funktion folgt, kann man dies auf soziologisch-anthropologischer Ebene laut Gehlen nicht beobachten (Gehlen (1963), Vgl. 220). Die dauerhaft formgebende Instanz für die Handlung, die Institution, sei kein Resultat einer intendierten Funktionalität, d. h. einer „primären subjektiven Zweckmäßigkeit“ (Gehlen (1971), S. 392). In seinem Werk „Der Mensch“ (Gehlen (1971)) erläutert Gehlen die Stabilisierung eines Handlungssystems und die Entstehung von Institutionen exemplarisch am Phänomen des Totemismus’. Der Totemismus dient ihm als Beispiel zur Herleitung der Entstehung von ersten Institutionen, da dieser „[. . . ] eine der wenigen Kulturformen [ist], denen man eine allgemeinmenschliche Bedeutung zusprechen muß.“ (Gehlen (1971), S. 395). Gehlen konstatiert aus anthropologisch-historischer Sicht zwei große Entwicklungsschritte (Gehlen (1964), Vgl. u. a. 110) und (Thies (2000), Vgl. 131) in der Menschheitsgeschichte, die er als ‘absolute Kulturschwellen’ (Gehlen (1964), S. 110) bezeichnet: 1. Der prähistorische Übergang von der Jägerkultur zur Seßhaftigkeit einschließlich der Ehe, zum Ackerbau und zur Viehzucht im Neolithikum. 2. Der Jahrhunderte währende, historische Übergang zur „Welt-IndustrieKultur“ (Gehlen (1965d), S. 129). Auf der Grundlage der fundamentalen Umstrukturierungsprozesse im Neolithikum leitet Gehlen, anhand des Totemismus’, die Entstehung dieser14 zentralen und elementaren Institutionen her. Jener Schritt seiner Theoriebildung entwickelt sich in Gehlens Werk zwar weiter und wird noch differenziert, bleibt aber immer als Ausgangspunkt sämtlicher Institutionen erkennbar bestehen. Auf ein verkürztes und verallgemeinerndes Schema gebracht, ist das Totemismus-Beispiel Repräsentant der Entstehung einer jeden fundamentalen15 Institution: Ausgehend von einem nichtinstrumentellen Verhaltensmuster oder einer Verhaltensstruktur, der eine „prähistorische Bewußtseinsstruktur“ (Gehlen (1971), S. 395) zugrunde liegt, entwickelt sich dann ein Gruppenbewusstsein. Dem Verhaltensmuster kommt eine (evt. vorübergehende) Bedeutung zu, die nicht zweckgebunden sein muss. Das Verhalten – gerichtet auf eine „primäre[n] subjektive[n] Zweckmäßigkeit“ (Gehlen (1971), S. 392) ausgeführt – hat eine sekundäre objektive Zweckmäßigkeit zur Folge, die nicht intendiert war. Als Resultat des vollzogenen Verhaltens tritt sie aber quasi 14 15

– unter erstens genannten – – natürlich nicht modernen –

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. als positiver Nebeneffekt auf. Das Verhaltensmuster kann durchaus schon im Voraus ritualisiert sein – knüpft aber dennoch an primäre subjektive Sinngehalte an. Die Nebenfolgen, die sich unintendiert einstellen, erweisen sich als „überwältigende objektive Zweckmäßigkeit[en]“ (Gehlen (1971), S. 399). Diese institutionalisieren das Verhalten dann rückwärts, um es auf Dauer zu stabilisieren (Gehlen (1971), Vgl. 398-400).

3.2 Institution „Die Institutionen, in einem engeren Sinne, sind auf Dauer gestellte Handlungsmöglichkeiten, die aus der handelnden Auseinandersetzung mit der Natur, mit dem Selbst und den Mitmenschen erwachsen, dann abgelöst und verselbstständigt werden, und die als Fremdbestimmung dem Handeln gegenüberstehen und es normieren, z. B. Ehe, Familie, Stammesordnung, Arbeitsordnung, Staat, Kirche. “ (Ryffel (1976), S. 15, Hervh. d. Verf.)

Die breit angelegte Begriffsbestimmung der Institutionen durch Gehlen, die sich je nach Analysegegenstand verengen oder erweitern kann, stützt sich auf die zentrale Kategorie der Handlungs(un)möglichkeit. „[S]o werden die Institutionen selbst als Sollgeltungen gelebt“ (Gehlen (1969), S. 96), und „[. . . ] das Sollverhalten, welches den Eigengesetzlichkeiten einer Institution sich unterordnet, [erreicht] seine besondere innere Produktivität [. . . ]“ (Gehlen (1963), S. 215) zum einen, weil das in den Institutionen habitualisierte Handeln Sinnfragen suspendiert (Gehlen (1964), Vgl. 61), zum anderen, weil es „eine Vielheit virtueller Antriebe“ (Gehlen (1963), S. 215) ermöglicht. So generieren und garantieren „Institutionen eine Verhaltenssicherheit und gegenseitige Einregelung [. . . ], wie sie von den verunsicherten Instinktresiduen gerade nicht geleistet wird, so daß man in stabilen Gefügen lebt, [. . . ].“ (Gehlen (1969), S. 96). Des weiteren verortet Gehlen hier, im Punkt der Entlastung von Entscheidungsfragen durch sozial vorgegebenes Sollverhalten, die Möglichkeit „zur Entwicklung [. . . ] subjektiver und persönlicher affektbesetzter Motivationen [. . . ]“ (Gehlen (1963), S. 222)16 . Auf diese Weise reduzieren habitualisierte Handlungsnormen in Form von Institutionen auf gesellschaftlicher Ebene (Entscheidungs-) Komplexität für den Einzelnen, indem sie „rigorose und eindeutige Normen des Handelns und Unterlassens“ (Gehlen (1963), S. 223) anbieten, denen sich die Individuen unterwerfen.17 Soziale Sanktionierung normkonformen Verhaltens, oder das Feh16 17

Und auch an anderer Stelle, u. a. in Gehlen (1964), Vgl. 31. Man könnte hier – analytisch und bei exemplarischer Betrachtung auch realitär – von inkludierenden und exkludierenden Verhaltensnormen sprechen, wobei das Unterwerfen un-

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. len eines solchen, konstituieren Pflichtmäßigkeit, Gewohnheit, Bedürfnissicherung und Vertrauen (in das soziale und gesellschaftliche Funktionieren), sodass individuelle subjektive Motivationen das pflichtmäßige, von der Außensteuerung getragene Verhalten neu überformen können (Gehlen (1963), Vgl. 221). „Diese Motive erhalten ihren weiten Spielraum ja erst durch die Entlastung, die dem Menschen infolge der Habtualisierung jener Handlungen zuwächst.“ (Gehlen (1963), S. 221)

3.3 Entlastung und (individuelle) Freiheit Mit der durch institutionalisierte Gemeinschaftsleistungen aus der Aktualitätsproblematik verbannten Befriedigung der Grundbedürfnisse des Menschen18 sowie einer subjektiven Stabilisierung durch das Vorgeben spezifischer Handlungsmuster wird der Mensch in eine sichere Kultursphäre entlassen, die ihn von immer neuen Grundsatzentscheidungen im Sinne der Reizüberflutung befreit.19 Auf höherer Ebene (als der der Grundbedürfnisbefriedigung) fließen ihm damit Energieressourcen zu, die seine persönliche Freiheit erweitern und ihn zukunftsfähig machen. „Diese Entlastung wirkt sich produktiv aus, denn die wohltätige Fraglosigkeit, die dann entsteht, wenn der Einzelne innen und außen von einem Regelgefüge getragen wird, macht geistige Energien nach oben hin frei.“ (Gehlen (1969), S. 97)

So werden Spielräume für neue subjektive Motivationen geschaffen. Es soll nun noch einmal ein Versuch unternommen werden, den oft verwendeten aber selten genauer gefassten Entlastungsbegriff im Zusammenhang mit den Institutionen näher zu bestimmen. Institutionen machen Handlungen vorausberechenbar, d. h. sie schaffen einer Sicherheit durch Erwartbarkeit von Handlungen und Reaktionen, sowohl Einzelner als auch im gesellschaftlichen Geschehen und Interagieren. Dies und die durch Institutionen vorgebenen Verhaltensmuster (Außensteuerung) entlasten den Menschen, der daraufhin dieses pflichtgemäße Verhalten subjek-

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ter den inkludierenden Verhaltenskodex dauerhaft gewährleistet sein muss, während schon ein einmaliges Übertreten des Unterlassungsgebots seine exkludierende Wirkung entfalten kann. Ein alltagsrelevantes Beispiel soll dies verdeutlichen: Um in der Institution Betrieb dauerhaft Mitarbeiter sein zu können, muss man sich z. B. der Arbeitsschutzordnung, dem Firmenleitbild o. ä. dauerhaft verpflichten und im täglichen Arbeitsalltag (immer wieder) danach handeln. Das einmalige Übertreten des Unterlassungsgebots allerdings, z. B. der Alkoholgenuss am Arbeitsplatz, kann sofortigen Ausschluss aus der Arbeiterschaft, also die Kündigung, zur Folge haben. Bei Gehlen unter dem Stichwort Trivialisierung beschrieben. (Gehlen (1964), Vgl. 62, Gehlen (1971), Vgl. 403, u. a.) Gehlen spricht im gleichen Sinne von „Entlastung durch Stabilität“ (Gehlen (1964), S. 28).

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. tiv mit Motiven ausstatten kann (Innenwelt). Da Ursprung und (sekundäre) Zweckmäßigkeit einer Institution nicht, wie schon mehrmals erläutert, in unmittelbarem Zusammenhang stehen müssen, stellt sich nun die Frage nach der Manifestation der objektiven Zweckmäßigkeit. Es geht darum „wie ein System gegenseitiger obligatorischer Verhaltensweisen zur Eigenstruktur umschlägt und eben damit ’Institution’ wird.“ (Gehlen (1963), S. 201) und so Entlastung stattfinden kann. Die Entlastung liegt – so Gehlen – in dem Anbieten von motivlos möglichem Sollverhalten im Sinne der Eigenzweckmäßigkeit von Institutionen (und im weiteren Sinne der Gesellschaft). Die Differenzierung zwischen motivlos Sollen und motivbesetzt Können ist nicht von vorne herein ausgeschlossen – beim motivlosen Erfüllen der Sollnorm liege aber die Präferenz, so der Autor, was die Stabilität der Gesellschaft nicht unwesentlich ausmache (Gehlen (1963), Vgl. 213). Dauerhaftigkeit und damit Stabilität sind zudem die Kriterien, die den Institutionen nicht nur auf individueller sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene die Entlastungsfunktion und Sinnhaftigkeit bescheinigen. Institutionen entlasten nicht nur das eigene Handeln, sondern durch ihre situative Normgebung schaffen sie in besonderem Maße Orientierung für intersubjektives Agieren. Da das Handeln zuerst außengesteuert (nach der Eigenzweckmäßigkeit von Institutionen) und erst dann unter Umständen subjektiv mit Motiven unterfüttert ist/wird, werden Beeinträchtigungen und das „Kollidieren von Antrieben“ verschiedener Akteure vermieden. Denn durch die20 habitualisierten Handlungsmuster ist die subjektive Motivation idealerweise immer sozial tragbar, da sie sich als pflichtgemäßes, erwartbares Verhalten in der Außenwelt niederschlägt. Welcher Art dann die Motivation auf der Individualebene ist, dringt gar nicht bis zur intersubjektiven oder gar gesellschaftlichen Ebene durch und ist – in diesem Fall – nicht relevant (Gehlen (1963), Vgl. 214). Die Trennung des Motivs vom Zweck des Verhaltens (Gehlen (1963), Vgl. 217) bedeutet hier „die Ablösbarkeit eines von subjektiv verpflichtenden Komplexen bestimmten Verhaltens von den Sachverhalten und Gruppensituationen an denen es ursprünglich erwuchs.“ (Gehlen (1963), S. 224). Dass die auf subjektiver Ebene neu hinzugetretenen Motivationen später wieder zu allgemeinen Haltungen und Einstellungserwartungen kristallisieren und sich so zu Gesinnungen und Motivgruppen, d. h. normierten inneren Haltungs- und Einstellungsmustern, verfestigen können (Gehlen (1963), Vgl. 221f.), ermöglicht – bei Trennung von Motiv und Zweck eines Verhaltens – überdies ein institutionengerechtes Verhalten in Situationen außerhalb des bestimmten institutionellen Rahmens und in unterschiedlichen Aktionskontexten (Gehlen (1963), 20

– bei Gehlen noch weiter theoretisch ausgeführte n und hier nur im Beispiel genannten –

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. Vgl. 230). Wenn es also möglich ist unabhängig vom Motiv (Individualebene)

normgerecht zu Handeln (Ergebnis auf gesellschaftlicher Ebene), dann kann die objektive Eigengesetzlichkeit der Institution und ihre stabilisierte Handlungsnormierung möglicherweise nicht mehr auf eine ursprüngliche Ausgangsmotivation zurückgeführt werden. Es finden immer wieder Verschiebungen von unbeabsichtigter Nebenwirkung zu neuer Motivation statt – wobei die Übergänge fließend sein können. „Institutionen dieser Art sind nämlich ‘selbsterhaltend kraft ihrer Macht über die Individuen’ [Quellenangabe i. O. in Fußnote 1, d. Verf.: ‘Selfsustaining by virtue of its compulsive power over individuals’ in: Talcott Parsons: Structure of Social Action. 1937, S. 510.]. Kraft dieser Eigenschaft erreichen sie den höchsten Grad überpersönlicher Stabilität, der denkbar ist, nämlich die Selbstverständlichkeit. Dann können sie als selbstverständliche Voraussetzungen die Adoption neuer Zielsetzungen möglich machen oder gar erzwingen. Sie kumulieren dann also Zwecke, und selbst rationale Zweckverbände können in dem gezeigten Sinne ihre ursprünglichen Zwecke hinter sich lassen, zu stationären Gefügen werden und sich neue Zwecke einverleiben.“ (Gehlen (1963), S. 227)

In diesem Sinne sind Institutionen durchaus für neue Zweckorientierungen offene soziale Gebilde, die kraft ihrer Macht über Individuen und kraft der ihnen immanenten Stabilität in Umbruchzeiten Sicherheiten bieten können. Nichts desto trotz entlarvt Gehlens pessimistischer Blick auf das Zeitalter der Industrialisierung die Tendenz zum Verfall der zentralen Institutionen von Familie, Klasse und Beruf, der sich darüber hinaus empirisch untermauern lässt. Seine pessimistische Zeitdiagnose konstatiert nur Auflösung oder Zerstörung von Institutionen, wobei z. B. das Entstehen neuer, demokratischer Institutionen gerade in der Nachkriegszeit kaum Erwähnung findet (Thies (2000), Vgl. auch 126).

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht.

4 Kritische Bewertung Gehlens und Ausblick In dieser Arbeit konnten viele Aspekte der Theoriebildung Gehlens nicht entsprechend gewürdigt werden. Um trotzdem auf einige Kritiker und theoretische Nachfolger des Autors zu verweisen, folgt an dieser Stelle eine, keineswegs vollständige, Zusammenstellung von thematischen (Gegen-) Stimmen zu Gehlen, die bei der Beschäftigung mit dem Thema berücksichtigt wurden. Zur genaueren Betrachtung der biologischen Kategorien bei Gehlen unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse der modernen Biologie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts äußert sich Karneth (1991). Gehlen hat zwar die verschiedenen Auflagen seiner Werke immer wieder neuen Erkenntnisständen angepasst, überarbeitet und teilweise auch rückblickend kommentiert – eine konkrete Auseinandersetzung mit modernen ethologischen Konzepten konnte jedoch nicht gefunden werden. Eine solche Auseinandersetzung mit den biologischen Kategorien Gehlens und neueren Theorien der Verhaltensforschung findet sich bei Karneth. Die Institutionenlehre ergänzend, versucht Jansen (Jansen (1975)) nicht nur das Konzept der philosophischen Anthropologie bei Gehlen herauszuarbeiten, sondern auch den Anschluss zwischen philosophischer Anthropologie und Pädagogik herzustellen. Als Schüler von Gehlen bemüht sich Rehberg in seiner Dissertation die Entlastung des Menschen durch Institutionen mit dem Subjet in Verbindung zu bringen (Rehberg (1973)). Heute kann Rehberg21 als einer der aktivsten Gehlenforscher gelten, der außerdem in der Denktradition der Philosophischen Anthropologie steht und sich für eine kritische Interpretation dieser Wissenschaft einsetzt. In einem Gedächtnisband stellt Klages Gehlens Untersuchungen zur modernen Industriegesellschaft dar, einer von zahlreichen Beiträgen zu diesem Thema (Klages (1976)). Samson behandelt eine Grundlage der Gehlenschen Theoriebildung: Die Philosophie Gehlens bilde die Hintergrundfolie, vor der alle weiteren Schriften und Erkenntnisse Gehlens zu betrachten seien (Samson (1976)). Samson setzt sich daher eingehend mit den philosophischen Kategorien und Traditionen auseinander, die auch bei Gehlen zum Tragen kommen. Haffner beschäftigt sich hingegen mit einer speziell philosophischen Fragestellung: Er stellt die Abhängigkeit der Humanismus-Problematik – respektive -Definition – von dem zugrunde gelegten Menschenbild dar, eine substanzi21

– u. a. Herausgeber der Gehlen-Gesamtausgabe (Rehberg (1978-2004 [7/10 Bd. erschienen])) –

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. elle Thematik der (philosophischen) Anthropologie. Neben Arnold Gehlen und dessen Versuch, den Humanitarismus zu überwinden (Haffner (1988), Vgl. 169-243), untersucht er den Gegenstand überdies bei Friedrich Nietzsche (Haffner (1988), Vgl. 29-97) und Max Scheler (Haffner (1988), Vgl. 98-168). Bei Thies findet sich ein komprimierter Überblick zur Gehlenkritik: Thies hat zahlreiche Kategorien und Konzepte des Philosophischen Anthropologen zusammengetragen, die im Licht der Moderne nicht mehr (ohne Ergänzung) bestehen können (Thies (2000)). Er verweist auf zahlreiche weitere Kritiker, theoretisch nahestehende Forscher, auf die Zukunft und Aufgaben, die die Tradition der philosophischen Anthropologie haben kann (Thies (2000), Vgl. 153ff.). Dass die Philosophische Anthropologie nicht ohne Nachwirkungen geblieben ist und ihre Fragestellungen heute noch interdisziplinäre Resonanz hervorrufen, zeigt die Festschrift für Karl-Siegbert Rehberg unter Herausgeberschaft von Fischer und Joas (Fischer/Joas (2003)). Hier setzen sich 52 Beiträge mit der Relevanz und Notwendigkeit einer philosophischen Anthropologie für die verschiedensten Bereiche der Sozial- und Kulturwissenschaften auseinander. Ein erkennbarer Grundtenor der Festschrift ist das Plädoyer für eine Grundlagenwissenschaft zum Menschen, auf die andere Wissenschaften zurückgreifen können. Denn von einer Diskussion zum Thema Mensch und Wesen desselben profitieren alle weiteren Wissenschaftsbereiche. Soviel zu den wesentlichen Stimmen zu Gehlen, die mir besonders aufgefallen sind. Von Interesse wären weiterhin die Aufnahme und Verarbeitung von Forschungsergebnissen anderer Wissenschaftler bei Gehlen. Seine Bezugnahme auf Herder, Nietzsche u. a. Philosophen verdient ebenso Aufmerksamkeit wie seine Auseinandersetzung mit den Biologen, bspw. Portmann, Bolk, Haeckel, Konrad Lorenz usw.. Im Rahmen einer größeren Arbeit wäre ein Vergleich zwischen Gehlens Theorie und Max Webers Macht- und Herrschaftstheorien interessant, wobei der Gedanke der Entfremdung des Menschen als ein Kriterium des Vergleichs herangezogen werden könnte. Da Max Weber als Gründungsvater der deutschen Soziologie Wesentliches für Begriffs- und Theoriebildung geleistet hat, erscheint mir die Gegenüberstellung beider Theoriegebäude als spannend, insofern auch die Nähe oder Distanz zwischen Anthropologie und Soziologie und deren spezifische Erklärungsmodi über den einzelnen Theoretiker hinaus herausgestellt werden könnten. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich hier viele Schnittpunkte an denen beide Theorien gemessen und untersucht werden können.

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. Weiterhin spannend wäre die Auseinandersetzung Jürgen Habermas’ mit Arnold Gehlen und dessen Ablehnung. Habermas’ normative Theorien bilden einen Kontrast zum empirischen Anspruch Gehlens, der wiederum ein ergiebiges Spannungs- und Analysefeld bildet.

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht.

5 Fazit Arnold Gehlen hat Zeit seines Lebens nie die anthropologische Forschung aus den Augen verloren. Vielleicht liegt ein Teil seines Antriebs in seiner Biographie: Im Miterleben von zwei Kriegen und vier Revolutionen. Durch die Erfahrung dieser Zeit des Umbruchs erscheint die Beschäftigung mit gesellschaftsstabilisierenden Momenten naheliegend. Dass ihm dabei der Mensch im Allgemeinen (als gesellschaftsbildendes Kulturwesen) und im Besonderen (u. a. als Spezies) am Herzen lag, ist seinem Lebenswerk unmittelbar zu entnehmen – legt er doch mit dem ersten großen Opus „Der Mensch“ (1940) den Grundstein seiner weiteren Theoriebildung. Schon zu diesem Zeitpunkt ist die Anthropologie fester Bestandteil wenn nicht sogar Ausgangspunkt seiner Lehre. Gehlen nutzte Kategorien wie Handeln, Entlastung und Institutionalisierung, war dabei aber nicht nur fest von seiner Herangehensweise überzeugt, sondern gleichzeitig immer offen für die Diskussion mit anderen Wissenschaftlern. In der neunten Auflage von der Mensch schreibt er: „Auch die hier dargelegte Darstellung ist [. . . ] ist auf Ergänzung angewiesen.“ (Gehlen (1971), S. 11). Es haben sich viele Kritiker seiner einzelnen Kategorien gefunden. Meines Wissens hat bisher aber niemand versucht, Gehlen seine anthropologische Grundlage zu entziehen oder die Falsifizierung seines Überlegungsansatzes, der soziologische Phänomene anthropologisch fundiert, unternommen. Warum Menschen wie handeln, bleibt im lebenspraktischen Alltag sicher (auch) einzelfall- und kontextbezogen. Die Beschäftigung mit Gehlen zeigt aber, dass Institutionen durchaus in Handlungen von Menschen wirksam werden, nicht jeder Einzelfall Einzelfall ist, nicht immer Individualphänomen bleibt. Institutionen sind nicht immer unsere Bühne und Menschen sind nicht immer nur Marionetten der Eigenwertigkeit und Zielverfolgung einzelner Institutionen. Denn das würde bedeuten, dass bspw. das Rechtssystem gar keine Grundlage für Verurteilungen und Bestrafungen hätte – da die Akteure ja als Vertreter ihrer Institution handeln und somit nie zur individuellen Verantwortung gezogen werden könnten. Institutionen bieten und begrenzen Handlungsspielräume. Jedoch stellt Gehlens Überlegungsansatz gerade den Menschen in den Mittelpunkt, der sich so nicht hinter den Institutionen verstecken kann, sondern sein Handeln nach ihnen ausrichtet und zugleich von ihnen profitiert. Trotzdem hat er immer die Chance, bestehende Institutionen zu hinterfragen, was nach Gehlen den Wunsch nach anders operierenden Institutionen ausdrücken kann (Gehlen (1964), Vgl. 61). Gehlens Lehre kann heutzutage auch als ein Hinweis gelesen werden, nicht immer nur nach individueller Verantwortung und Schuldzuweisung zu fragen.

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. Dass hinter Politiker X ein ganzes System Y steht, dass zu einer bestimmten Situationsentwicklung beigetragen hat. Dass zu einem Geschehen und Unentdecktbleiben von Unrecht eine andere Seite, eine die wegsieht nämlich, gehören kann. So gibt es noch viele Beispiele mit wechselnder Aktualität, die die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Institution, individueller Entscheidungsgewalt und Selbsterhaltungszwang der Strukturen immer wieder spannend und interessant machen. Gehlen erreichte – in dem er mehr als einmal auf die ’richtige’ theoretische Fragestellung verwies – eine sich in seinem Lebenswerk nach und nach entfaltende Transparenz fundamentaler Art, was den Zusammenhang von Mensch, Handeln und Angewiesensein auf Institutionen betrifft. Sein Theoriegebäude verbindet so nicht nur humanwissenschaftliche Disziplinen: Die anthropologische Fundierung, die dann konsequent über die soziologische Kategorie des Handelns hin zu Stabilitätsgaranten des gesellschaftlichen Lebens entwickelt wird. Dieses Lebenswerk verweist darüber hinaus auf die Wichtigkeit einer integrierenden Wissenschaft, die sich der verschiedenen theoretischen Ansätze und Fragestellungen über den Menschen annimmt um das Hereinreichen spezieller Forschungsergebnisse in den lebensweltlichen Alltag zu reflektieren und zu beobachten. Dies gilt heute insbesondere für einzelne Disziplinen, deren Forschungsgegenstände scheinbar kaum noch Bezug zum Alltagsmenschen haben. So wird die philosophische Anthropologie immer ihre Aufgabe finden können. Denn sie setzt gerade da an, wo andere wissenschaftliche Forschungen (oft) aufhören: Sie fragt u. a. nach den Folgen, die wissenschaftliche Erkenntnisse für den Menschen und seine Welt haben können.

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht.

6 Literatur Fischer, Joachim/Joas, Hans (Hrsg.) (2003): Kunst, Macht und Institution. Studien zur Philosophischen Anthropologie, soziologischen Theorie und Kultursoziologie der Moderne, Frankfurt a. M.: Campus Verlag. Gehlen, Arnold; Maus, Prof. Dr. Heinz/Fürstenberg, Dr. Friedrich (Hrsg.) (1963): Kap. Studien zur Anthropologie und Soziologie In Probleme einer soziologischen Handlungsehre, Neuwied am Rhein u. Berlin: Hermann Luchterhand, 196–231. Gehlen, Arnold (1964): Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebnisse und Aussagen, 2. Auflage. Frankfurt a. M.: Athenäum Verlag. Gehlen, Arnold; Grassi, Prof. Ernesto (Hrsg.) (1965a): Kap. Ein Bild vom Menschen (1942) In Anthropologische Forschung, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 44–54. Gehlen, Arnold; Grassi, Prof. Ernesto (Hrsg.) (1965b): Kap. Zur Geschichte der Anthropologie (1957) In Anthropologische Forschung, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 7–25. Gehlen, Arnold; Grassi, Prof. Ernesto (Hrsg.) (1965c): Kap. Mensch und Institutionen (1960) In Anthropologische Forschung, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 69–77. Gehlen, Arnold; Grassi, Prof. Ernesto (Hrsg.) (1965d): Kap. Die gesellschaftliche Situation in unserer Zeit (1961) In Anthropologische Forschung, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 127–140. Gehlen, Arnold (1969): Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik, Frankfurt a. M.: Athenäum Verlag. Gehlen, Arnold (1971): Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 9. Auflage. Frankfurt a. M.: Athenäum Verlag. Haffner, Egon (1988): Der „Humanitarismus“ und die Versuche seiner Überwindung bei Nietzsche, Scheler und Gehlen, Würzburg: Königshausen u. Neumann. Herder, Johann Gottfried (1772): Abhandlung über den Ursprung der Sprache, Dissertation, Königliche Academie der Wissenschaften, Berlin.

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Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von Anna-Maria Müller erstellt und eingereicht. Honneth, Axel/Joas, Hans (1980): Kap. Anthropologie als Handlungslehre. Arnold Gehlens Entwurf einer systematischen Anthropologie In Soziales Handeln und menschliche Natur, Frankfurt a. M.: Campus Verlag, 52–61. Jansen, Peter (1975): Arnold Gehlen. Die Anthropologische Kategorienlehre, Bonn: Bouvier Verlag Herbert Grundmann. Kirche, Evangelische (Hrsg.) (1999): Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft. Klages, Helmut (1976): Arnold Gehlens Analyse der modernen Industriegesellschaft, in: Arnold Gehlen zum Gedächtnis: Vorträge vom 21. Juni 1976 in der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin: Duncker und Humboldt, 23–38. Lorenz, Konrad (1965): Über tierisches und menschliches Verhalten, Band 2, München: Piper. Rehberg, Karl-Siegberg (Hrsg.) (1978-2004 [7/10 Bd. erschienen]): Arnold Gehlen Gesamtausgabe, Band I-X, Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann. Rehberg, Karl-Siegbert (1973): Ansätze zu einer perspektivischen Soziologie der Instutitionen, Dissertation, Techn. Hochsch., Philos. Fak., Aachen. Ryffel, Hans (1976): Der Beitrag Arnold Gehlens zur philosophischen Anthropologie, in: Arnold Gehlen zum Gedächtnis: Vorträge vom 21. Juni 1976 in der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin: Duncker und Humboldt, 11–22. Samson, Lothar (1976): Naturteleologie und Freiheit bei Arnold Gehlen. Systematisch-historische Untersuchungen, Freiburg/München: Karl Alber. Scheler, Max (1928): Die Stellung des Menschen im Kosmos, Darmstadt: Otto Reichl Verlag. Thies, Christian (2000): Gehlen zur Einführung, Hamburg: Junius.

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