2 THEMA DES TAGES
Frankfurter Rundschau Donnerstag, 28. Februar 2008 64. Jahrgang Nr.50 D*/R/S *
Urteil zur Online-Durchsuchung Das Bundesverfassungsgericht erlaubt es dem
INHALT ZUM HERAUSNEHMEN Schwarz-Grün fährt Petra Roth in die Parade – Die Frankfurter Koalition senkt den GewerbesteuerHebesatz nicht.
Hürden für Trojaner Karlsruhe stärkt die Rechte von Computernutzern Von Ursula Knapp
POLITIK ....................................................... Seiten 4-10 Klausur: Koalition liefert die gewünschten Ergebnisse .....Seite 4 Studie: Viele Eltern sind gestresst ..............................Seite 5 Atomkraft: Biblis darf nicht länger laufen ........................ Seite 5
Mohammed-Karikaturen: Schäubles Votum ............ Seite 6 Österreich: Große Koalition vor dem Aus .......................... Seite 8 US-Wahlkampf: Scharfer Schlagabtausch im TV ................ Seite 8
DOKUMENTATION ...............................................Seite 11 Das Todesurteil der NS-Justiz gegen den Reichstagsbrandstifter van der Lubbe wurde aufgehoben, die Täterfrage bleibt aber ungeklärt.
MEINUNG ................................................... Seiten 12-13 Leitartikel: Die Hüter des Privaten Kolumne: Herfried Münkler über Wahlen als Sterndeutung Porträt: Amal Suleiman, ägyptische Juristin in der Männerwelt
WISSEN & BILDUNG .................................... Seiten 14-15 Wissenschaftler stehen Schlange, um Schwarze Löcher oder Turbinen-Turbulenzen in Superrechnern zu simulieren. In Jülich wurde gerade der zweitschnellste der Welt eingeweiht.
WIRTSCHAFT ............................................... Seiten 17-21 Microsoft: EU-Kommission verhängt hohes Bußgeld ..... Seite 17 BMW: Arbeitsplatzabbau trifft auch Stammbelegschaft . Seite 18 Henkel: Stellenstreichungen trotz Gewinnanstiegs ..... Seite 18
Immobilien: Koalition einig über Wohn-Riester ................. Seite 19 Wirtschaftspolitik: Appell der Experten ............................Seite 20 Kreditverkauf: Gericht schreitet ein ................................ Seite 21
PANORAMA ................................................ Seiten 24/25 Beim Untergang der Gustloff 1945 starben 9000 Menschen. Heinz Schön überlebte – „in einem Meer von Köpfen“.
SPORT ........................................................ Seiten 27-32 DFB-Pokal: Selten war ein Meister so lustlos ...................Seite 27 Fußball: Rummenigges Vorstoß verärgert die Liga ...........Seite 28 Bundesliga: Mahdavikias Rückkehr nach Hamburg ....... Seite 29
Tischtennis: Deutsches Team stolpert gegen Japan ..... Seite 29 Formel 1: Nico Rosberg bremst die Euphorie ............ Seiten 30/31 Sportpolitik: Steiniger Weg für die Kosovaren .................Seite 32
FEUILLETON ............................................... Seiten 33-41 Wer war Homer? Raoul Schrott über sein Troia-Buch ...... Seite 33 Wie war Gründgens? Tom Lanoyes Stück in Berlin ...........Seite 36
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat ein neues Grundrecht geschaffen: Der Staat muss gewährleisten, dass Dateien von Bürgern auf Computern vertraulich sind. Mit diesem „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ schränkte der Erste Senat am Mittwoch die heimliche Online-Durchsuchung ein. Das nordrhein-westfälische Gesetz, das 2006 erstmals dem Verfassungsschutz die Online-Durchsuchung ermöglichen sollte, erklärten die Richter für verfassungswidrig. (AZ: 6A 883/0) Allerdings sei auch das neue Grundrecht nicht schrankenlos, sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier. Der Staat dürfe vorbeugend und zur Verfolgung von Straftaten heimlich in Computer eindringen und Daten ausspähen. Die Hürden dafür sind aber höher, als von vielen Innenpolitikern und Ermittlern erhofft. Die OnlineDurchsuchung kommt demnach nur bei Straftaten infrage, in denen wichtige Rechtsgüter berührt sind oder Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das bedeutet: Bei Verdacht auf einen Terroranschlag, bei Mord, Totschlag oder Geiselnahmen darf die Polizei heimlich in einen Computer eindringen – bei Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder Kinderpornografie nicht. Außerdem müsse eine konkrete Gefahr bestehen, um Computer heimlich zu durchsuchen. „Diffuse Anhaltspunkte“ reichten nicht aus, hieß es. Auf 106 Seiten beschreiben die Richter die Allgegenwart informationstechnischer Systeme. Die Mehrheit der deutschen Haushalte verfüge über einen Personalcomputer (PC) und benutze ihn für persönliche und geschäftliche Angelegenheiten. Das Urteil gilt deshalb nicht nur für Heimcomputer, sondern auch für Laptops, Geschäftsrechner, bestimmte Mobiltelefone und elektronische TerKARLSRUHE.
minkalender. Die Richter argumentierten, dass Dinge, die früher in Tagebüchern, Briefen oder Fotoalben aufbewahrt wurden, heute auf einer Festplatte liegen. Werden bei einer heimlichen Aktion Dateien mit persönlichem oder intimem Inhalt kopiert, müssen sie zudem sofort gelöscht und jede Weitergabe verhindert werden. Anders als beim Urteil zum Großen Lauschangriff räumte der Erste Senat ein, dass bei heimlicher Kopie der Festplatte der Zugriff auf Privates technisch kaum verhindert und oft erst im Nachhinein festgestellt werden kann, was zur Privatsphäre gehört. Neben „neuen Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung“ berge die Informationstechnik aber „Persönlichkeitsgefährdungen“. Würde das Kommunikationsverhalten von Dritten ausgewertet, könnten Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Nutzers bis hin zu Profilen gewonnen werden. Der Einzelne sei darauf angewiesen, dass der Staat die „Integrität und Vertraulichkeit derartiger Systeme achtet“. Weniger hoch legt der Erste Senat die Hürden für die heimliche Überwachung der Internet-Telefonie. Wird ein Trojaner gesetzt, der nur die Telefonkommunikation über das Internet überwacht, gelten die allgemeinen Regeln zur Telefonüberwachung. Kann aber neben den Telefondaten die gesamte Festplatte ausgespäht werden, darf der Einsatz wiederum nur bei Gefahr für Leib und Leben Dritter erfolgen. Der Bundesdatenschützer Peter Schaar (Grüne) feierte das Urteil als die „wichtigste Datenschutzentscheidung seit dem Volkszählungsurteil von 1983“. Damals hatte Karlsruhe das allgemeine Persönlichkeitsrecht um das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ erweitert und damit den Grundstein für den Datenschutz
gelegt. Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast sagte: „Das Signal aus Karlsruhe ist unmissverständlich: der Kern der Privatsphäre muss auch im digitalen Zeitalter geschützt bleiben!“ Der Versuch der großen Koalition, Online-Durchsuchungen per BKA-Gesetz zu legitimieren, verstoße gegen den Geist des Verfassungsgerichts-Urteils, sagte Künast. Künast forderte ein umfassendes Kommunikationsgrundrecht statt ständiger Frontalangriffe auf die Privatsphäre. Der Hamburger Rechtswissenschaftler Hans Peter Bull, 71, der vor 30 Jahren zum ersten Bundesdatenschutzbeauftragten bestimmt worden war, hätte sich ein komplettes Verbot der Online-Durchsuchung gewünscht. „Der Staat darf nicht heimlich die Privatsphäre infiltrieren.“
Gegner von Online-Duchsuchungen demonstrierten in Karlsruhe. DDP
Bundes-Trojaner A
Was ist ein Urlaut? Aufnahmen von Kurt Schwitters ....... Seite 40 Wer wird Tarzan? Noch eine Casting-Show startet .............Seite 41
Per E-Mails oder manipulierter Internetseiten... ...gelangt der Trojaner auf die Festplatte...
MAGAZIN ................ Seiten 44-48
RUBRIKEN........................................................ Impressum ..................... Seite 10 Leserbriefe ..................... Seite 16 Börse......................... Seite 22-23 Aktie des Tages .............. Seite 23
Rätsel ........................... Seite 26 Familienanzeigen ...........Seite D7 TV-Programm............ Seite 42-43 Wetter ........................... Seite 46
...und sammelt Daten.
B Ermittlerteams dringen in Wohnung des Verdächtigen ein...
...und kopieren die Festplatte des Computers,...
POLIZEI
...analysieren die Daten und installieren Überwachungswerkzeug,...
Ergebnisse werden heimlich an Ermittler gesendet
z. B. Ausspähen des Bildschirms Aufzeichnung der Tastaturbewegungen
dpa-Grafik
Heillose Sucht: Drei Ex-Junkies erzählen ihre Geschichten ................. Seite 44 Zitterpartie: Ein Erdbeben schreckt die Briten aus dem Schlaf ............... Seite 46 Eleganz der Logik: Fragen an die Botschafterin der Mathematik ... Seite 48