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24.11.2009
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Jeder zweite Schwule bleibt im Job ungeoutet. Das kostet viel Kraft, schadet der Firma und ist meistens unnötig. Drei Männer aus drei Branchen beweisen: Ein Coming-out am Arbeitsplatz macht vieles leichter. Sonst wird der Beruf zum Kampf. Oder zum Krampf, wie zwei andere Beispiele zeigen
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24.11.2009
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NEUGIERIG Jochen arbeitet auf dem Fleischgroßmarkt. Der Umgangston ist rau, das Interesse am schwulen Leben groß
Ab halb fünf Uhr morgens steht Jochen jeden Tag in einem weiß gekachelten Raum auf dem Fleischgroßmarkt an der Sternschanze und zerstückelt mit großen Messern Rinder und Schweine. Die Schnitzel, Steaks und Filets sind für Einzelhändler und Gastronomiebetriebe in ganz Hamburg. Wenn der Fahrer nicht kann, liefert Jochen auch mal Bestellungen aus. „Das ist dein Revier“, witzeln seine Kollegen, wenn eine Fuhre nach St. Georg soll. „Da kannst du deine Lederklamotten anziehen.“ Sie wissen, dass Jochen ein schwuler Lederfan ist. Spätestens seit jenem Morgen, als der gelernte Fleischer nach einer langen Partynacht in Erikas Eck einkehrte, in Chaps, mit nacktem Po. In der Nachtgaststätte gleich neben dem Fleischgroßmarkt gibt es auch um vier noch ein frisches Jägerschnitzel. „Du bist die Show-Einlage heute Abend“, hat ihm die Wirtin fröhlich zugerufen. So lustig ging es in Jochens Arbeitsleben nicht immer zu. Lange hat der großgewachsene Mann mit den scharfen Falten im Gesicht ein Doppelleben geführt. Inzwischen ist er geschieden und sein Sohn erwachsen. Doch auch nach der Scheidung ging Jochen auf Nummer sicher. Zumindest wenn es um
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seinen Arbeitsplatz ging: Eine gute Freundin schlüpfte in die Rolle der „Pseudofrau“, wie Jochen das nennt. Gelegentlich rief sie im Betrieb an, um mit ihm zu plaudern. Keiner schöpfte Verdacht. Erst nach und nach offenbarte sich der 54-Jährige – und stieß nie auf Ablehnung. Nicht einmal in der Gemeinschaftsdusche gibt es Probleme. „Die
„Alle Zigeuner und Schwulen raus!“ frotzeln nur“, sagt Jochen über sein fünfköpfiges Team. „Selten ist mal eine wirklich böse Bemerkung dabei.“ Dass ein anderer Großmarkt-Arbeiter ihn erst kürzlich mit dem Satz „Alle Zigeuner und Schwulen raus“ aus dem Kühlraum gescheucht hat, rechnet Jochen nicht in diese Kategorie. „Der meinte das nicht so.“ Im Gegenteil: Es sei eher Neugier, was seine Hetero-Kollegen auszeichne. Vor allem die Frauen wollten es genau wissen: „Was hast du am Wochenende mit deinem Mann in der Sauna gemacht?“ Die Männer sind unsicher, ob sie ihren schwulen Kollegen
aushorchen dürfen. „Sie fragen immer sehr feinfühlig: ,Wie war‘s am Wochenende?‘“ Sonst geht es auf dem Großmarkt ruppiger zu. „Im Hof schreie ich manchmal ganz schön rum,“ gesteht Jochen. Wenn die Lieferanten nicht spuren. Oder wenn das verderbliche Fleisch nicht schnell genug in den Kühlräumen ist. Der Job ist körperlich anstrengend, besonders im Sommer. Dann pendeln die Fleisch-Profis zwischen dem 25 Grad warmen Hof und dem Kühlhaus mit seinen Temperaturen von bis zu minus 30 Grad. „Die Knochen leiden stark in diesem Beruf.“ Schon nach acht Jahren hatte sich Jochen deshalb zum Groß- und Außenhandelskaufmann weiterbilden lassen – um später doch wieder im Fleischgroßhandel zu arbeiten. Dort hat Jochen einen guten Stand, denn er ist im Betrieb, im Büro und im Führerhaus gleichermaßen einsetzbar. Bei Konflikten schieben seine Kollegen ihn gerne vor, weil er einfühlsam ist, aber zur Not auch laut werden kann – die Folge eines harten Trainings. „Meine Schutzmauer ist gewachsen in den Jahren“, meint Jochen nachdenklich. „Ich weiß, wen ich an mich ranlassen kann und wen nicht.“ PHILIP EICKER
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ANGREIFBAR Bei Airbus ist Sex ein großes Thema. Industrieelektroniker Marcel* ließ sich dadurch einschüchtern
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Änderungen vorbehalten
Im Heck des Flugzeugs sind die Männer unter sich. In den vorderen Sektionen, die im Airbus-Werk Finkenwerder ausgestattet werden, arbeiten gelegentlich auch Frauen, aber hinten im Elektronik-Team von Marcel* nur Männer. „Um gröbere Arbeiten zu erledigen, braucht man auch gröbere Menschen“, erklärt Marcel. Zusammen mit drei bis vier Kollegen verlegt der 27-Jährige Kabel in den Langstreckenmodellen A330 und A340. Der athletische junge Mann mit den dichten Augenbrauen mochte diesen Beruf, die damit verbundenen Umgangsformen haben ihn nur genervt: Funktionierte ein Werkzeug nicht, dann war es „schwul“. Beim Small Talk war Sex ein großes Thema. „Am Montag ging es darum, wer am Wochenende wie viele Mädels abgeschleppt hatte. Wie bei einer Trophäenjagd.“ Auch Marcel sollte erzählen, wen er gerade „an der Angel“ hätte. „Dann habe ich das Gespräch immer schnell abgewürgt.“ Seine Maxime in den drei Jahren, die er in der Flugzeugproduktion gearbeitet hat: strikte Trennung von Job und Privatleben. „Sobald man sich im Privaten durchsichtig macht, bietet man eine größere Angriffsfläche.“ Umso mehr genießt Marcel nun seine Ausbildungszeit an der Gewerbeschule. Dort wissen schon drei Mitschüler, dass Marcel schwul ist. Sie gehen ganz selbstverständlich damit um. Mit seiner zweiten Ausbildung hat Marcel auch die Abteilung gewechselt, macht nun einen Schreibtischjob im Reklamationsmanagement. Mit seinen neuen Kolleginnen und Kollegen kann er sich gut unterhalten. „Sogar über Theater und Musicals – das hat die in der Produktion überhaupt nicht interessiert.“ Zur Weihnachtsfeier will er seinen neuen Freund mitbringen. PHILIP EICKER
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24.11.2009
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Fotos: Stephan Pflug
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ERWÜNSCHT Florian Binder (39) unterrichtet Deutsch und Französisch. Und manchmal auch Schwulsein h Florian, „schwul“ soll angeblich das beliebteste Schimpfwort an deutschen Schulen sein. Stimmt das? Ich höre es nur selten. Oft drücken sich die Schüler in Gegenwart von uns Lehrern gewählter aus. Deshalb bekomme ich die meisten Schimpfwörter gar nicht mit. h Warst du immer out als Lehrer? Im ersten Jahr meines Referendariats nicht. Im zweiten habe ich es dann gemacht. Das war fast ein zweites Coming-out, eine Befreiung. Vorher war ich kontrollierter. Danach konnte ich besser ich selbst sein. h Woher wissen deine Schüler, dass du schwul bist? In Berlin war der Anlass die Lektüre von Andreas Steinhöfels Roman „Die Mitte der Welt“. Das Buch hat eine schwule Thematik. Da hat mich ein Schüler
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direkt vor der Klasse gefragt: „Herr Binder, sind Sie eigentlich schwul?“ Das habe ich gerne bestätigt. h Ist dir das leichtgefallen? In der Situation ja. Vereinfacht gesagt gibt es drei Grundmuster: Manche Kollegen reden mit niemandem über ihr Privatleben. Manche machen es von sich aus zum Unterrichtsthema. Das ist in Hamburg inzwischen sogar von der Schulbehörde erwünscht. So soll die Vielfalt der Lebensweisen auch in den Schulalltag gebracht werden. Und es gibt einen Mittelweg, der zu mir passt: Alle wissen, dass ich schwul bin, und dürfen auch gerne nachfragen. Aber von mir aus erzähle ich den Schülern nicht unbedingt von meiner Abendgestaltung. Ich hatte selbst mal einen Lehrer, der uns mit Privatgeschichten gelangweilt hat. In diese Falle will ich nicht tappen. Aber wenn Schüler Fragen zum Thema Homosexualität haben: gerne!
h Trauen sie sich denn zu fragen? Seltener, als ich das vermutet hätte. Hier am Matthias-Claudius-Gymnasium habe ich zum Beispiel in einer 5. Klasse mal fallen lassen, dass ich beim Pfingsttreffen der schwulen Lehrer im Waldschlösschen war. Zuerst haben mich alle mit großen Augen angeguckt. Aber nach dem Unterricht kam ein Schüler und fragte mich, ob ich denn einen Freund hätte. Eine Schülerin meinte: „Meine Eltern haben auch zwei schwule Nachbarn, und die finden sie total nett!“ So etwas kommt schon als umittelbare Reaktion. h Dein Rat an Kollegen lautet also: Raus mit euch! Ich fühle mich nicht in der Rolle, anderen etwas zu raten. Jeder muss für sich eine Lösung finden, die zu ihm passt und authentisch ist. INTERVIEW: P. EICKER www.schwule-lehrer-hamburg.de
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24.11.2009
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MENSCHLICH Ein Versteckspiel am Arbeitsplatz kommt für Personalsachbearbeiter Ben nicht in Frage. Vielleicht auch, weil er so hetero wirkt Ungeoutet ist Ben nie lange geblieben. An seinem aktuellen Arbeitsplatz hat es zwei Tage gedauert. Sofort war ihm aufgefallen, dass seine Schreibtischnachbarin unglücklich war. In der Zigarettenpause bot er ihr an, in den nächsten Tagen Rücksicht zu nehmen, wenn es nötig wäre. „Bist du schwul?“, war die entgeisterte Reaktion. Bens Gefühl hatte nicht getrogen: Die Beziehung seiner Kollegin war in die Brüche gegangen. Dass ihr ein bis dahin unbekannter Mann seelische Unterstützung anbot, hätte sie nicht erwartet. An Bens Erscheinung kann die richtige Einschätzung nicht gelegen haben: Der 26-jährige Personalsachbearbeiter trägt zwar einen dünnen Kinnbart und modische Krawatten, doch seine restliche Erscheinung ist das, was viele Gayromeo-User wohl „heterolike“ nennen würden: ein kräftiger Körper mit einer tiefen, Vertrauen einflößenden Stimme.
Bei einer Personalmanagementfirma macht Ben einen klassischen Bürojob: ein Großraumbüro in der City Nord, ein überladener Schreibtisch mit Rechner, Rechenmaschine und einem hohen Turm aus weinroten Ablagefächern strahlen nüchterne Korrektheit aus – nicht etwa Lust auf Abweichendes. Trotzdem ist ein schwules Coming-out hier selbstverständlich. „Ich denke schon, dass zumindest in Großstädten die Entwicklung in diese Richtung geht“, vermutet Ben. „Natürlich ist es vorteilhaft, wenn die Kolleginnen schon einen schwulen Freund oder wenigstens Friseur haben – dann gibt es keine Berührungsängste.“ Ein Versteckspiel kam für Ben auch bei keinem seiner zwei früheren Arbeitgeber in Frage. „Man ist täglich mit den Kollegen zusammen, im besten Fall passt es auch menschlich. Da möchte ich nichts verheimlichen.“ PHILIP EICKER
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24.11.2009
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GÖTTLICH Ein Coming-out könnte ihn den Job kosten: Trotzdem arbeitet Andreas* gerne für die Kirche Ein Mönch hat einmal zu Andreas* gesagt: „Werde, was du bist. Das ist absolut göttlich.“ Andreas hat ihn beim Wort genommen. Er ist heute katholisch und schwul. Ein Widerspruch? „Nein“, sagt er, „ich hatte schon immer eine Antenne für den Glauben und bin fest davon überzeugt, dass die christliche Botschaft Homosexuelle keinesfalls ausschließt.“ Seit fast 20 Jahren arbeitet Andreas für die katholische Kirche – und führt ein Doppelleben. Denn von schwulen Katholiken wird Absurdes erwartet. Sie dürfen sich outen, aber keinen Sex haben. Wer praktiziert, der sündigt. Trotzdem ist Andreas glücklich, hält an seinem Glauben fest, schätzt die Verbundenheit zu Gleichgesinnten. Privat versteckt er seine Sexualität nicht. Schon vor der Pubertät wird Andreas klar: Ich bin anders. Aber in seinem kleinen katholischen Heimatort ist kein Platz für Sonderlinge. In der Schule wird er ausgrenzt. „Den Jungs dort war mein Wesen nicht geheuer“, erinnert sich Andreas. Ausgerechnet die Dorfkirche bietet ihm Zuflucht. Hier werden keine peinlichen Fragen gestellt. „Das war ein Raum, wo Diskriminierung nicht stattgefunden hat.“ Andreas wird ein begeisterter Katholik, engagiert sich für die Gemeinde, leitet Jugendgruppen. Irgendwann entschließt er sich, eine kirchliche Berufslaufbahn einzuschlagen. „Die haben mich alle sehr geschätzt und das auch spüren lassen.“ Seine sexuelle Neigung wird niemals thematisiert. Er stürzt sich in die Arbeit, verdrängt die Lust auf andere Männer. Seine spirituelle Entwicklung ist ihm wichtiger. Während einer mehrwöchigen Kur zerbricht die Fassade jedoch. Andreas erlebt seinen ersten Sex mit einem älteren Mann. Es soll vorerst die einzige Erfahrung dieser Art bleiben.
Nach dem Theologiestudium will Andreas seine Sexualität sogar für den Glauben opfern, will Mönch werden. „Ich dachte, ich kann mein Schwulsein wegbeten. Dass das im Orden nicht geht, habe ich erst später rausbekommen.“ Beim Vorstellungsgespräch im Kloster durchschaut ihn ein alter Pater sofort. Er fragt: „Fühlst du dich nicht wohl in deiner Haut?“ Andreas gibt sich erstmals zu erkennen. Der Pater ermutigt ihn, endlich zu seinem Schwulsein zu stehen. Wenig später folgt das Coming-out bei der Familie. Bis heute ist der Kontakt zu ihr unterkühlt. Andreas verlässt das kleine Dorf mit gemischten Gefühlen und kommt Anfang der 90er Jahre nach Hamburg. Er taucht in die schwule Szene ein, lebt jahrelang mit seinem Freund zusammen und arbeitet trotzdem für die Kirche. In seinem Beruf ist er bis heute nicht geoutet. „Warum soll ich mich outen? Wer mich sehen will, der muss nur richtig hingucken“ behauptet Andreas und schlägt die Beine übereinander. Er spricht melodiöser, als die meisten Männer, überlegt vor jedem neuen Satz, sucht nach einer nachvollziehbaren Erklärung für seine ungewöhnliche Situation. „Ich arbeite gern für die Kirche, aber was sie mit Schwulen macht, ist einfach furchtbar.“ Manchmal schneidet er das Thema in einer seiner Predigten an, argumentiert für mehr Akzeptanz, oder wird sogar zornig. Ein Coming-out vor der Amtskirche kommt dennoch nicht in Frage: „Man würde von mir verlangen, dass ich mich für Jesus opfere. Schwule Katholiken leben enthaltsam.“ Andernfalls droht ihm die Entlassung. Als sogenannter Tendenzbetrieb darf ihm seine Arbeitgeberin trotz Antidiskriminierungsgesetz vorschreiben, wie er zu leben hat. Es gibt sie: Die Tage, an denen Andreas alles hinschmeißen will. Manchmal ist er wütend auf die „Argumente aus dem Mittelalter“, mit denen die Kirchenführung arbeitet. „Auch die klassische Familie kann ein Horrorszenario sein.“ Trotzdem ist sein Glaube stärker. Andreas fühlt sich wohl in der Gemeinschaft, schätzt die spirituellen Werte der Religion. Es gibt sogar Mitarbeiter, mit denen er offen umgehen kann. „Zwar fällt dabei niemals das Wort schwul, aber die wissen schon, was ich bin.“ LUKAS NIMSCHECK
„Warum soll ich mich
outen? Wer mich sehen will, der muss nur
richtig hingucken“
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*Name geändert
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24.11.2009
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KLARES RANKING Das Hamburger Online-Portal Truto.org soll Homos und Unternehmen vernetzen. Gründer Eric Sommer erklärt warum h Eric, bei Truto.org können Lesben und Schwule bewerten, wie homo-freundlich ihre Firma ist. Wozu denn das? Bei der Arbeit kommt es doch auf berufliche Fähigkeiten an und nicht aufs Privatleben. Eric Sommer: Man arbeitet doch mindestens fünf Tage die Woche bis zu zehn Stunden täglich mit seinen Kollegen zusammen – da kann mir niemand erzählen, dass das Privatleben nie eine Rolle spielt. Es geht nicht darum, dass alle im rosa Tutu zur Arbeit gehen, sondern dass niemand Angst haben muss, in der Mittagspause von seinem Partner zu erzählen. h Deine Geschäftsidee ist: Die User dürfen kostenlos über die Homo-Freundlichkeit der Unternehmen diskutieren, die Unternehmen sollen gegen Geld für sich werben. Richtig. Zur Zeit haben wir nur das Problem, dass Truto.org noch nicht bekannt genug ist. Deshalb planen wir für Anfang 2010 einen großen Relaunch. Wir brauchen Early Adopter – also Firmen, die sich trauen
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mitzumachen. Es ist uns wichtig, auch die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen anzusprechen, die es in Deutschland gibt. In vielen großen Firmen gibt es ja schon schwul-lesbische Mitarbeitergruppen. h Interessieren sich die Firmen für dein Angebot? Die Resonanz ist bisher schwach. Aber das kommt. Die Präsenz auf Truto.org bietet ihnen ja zwei Vorteile. Einerseits können sie den Verbrauchern zeigen: Wir sind ein offenes Unternehmen. Andererseits können sie sich möglichen neuen Mitarbeitern präsentieren.
h Wie reagieren die Firmen? Die Rückmeldungen sind sehr schwach. Viele Unternehmen habe ich direkt angeschrieben. Darunter auch ein großes Hotel, von dem ich annahm, dass es wegen seiner vielen schwulen Mitarbeiter aufgeschlossen sei. Ich bekam einen Einzeiler zurück: „Wir bitten Sie, von weiteren Schreiben Abstand zu nehmen.“ Sie haben sofort die Tür zugestoßen! h Es gibt also noch Berührungsängste.
h Wieso sollten sie Schwule und Lesben bevorzugt einstellen?
Ein Diversity-Berater hat mir erzählt: Wenn ich ein Unternehmen über Monate begleite, dann reden wir zuerst über Frauen, dann über Behinderte, dann über Menschen verschiedener Nationalität, dann über Alt und Jung – und wenn dann noch Zeit übrig ist, auch über Schwule und Lesben. Es gibt da ein ganz klares Ranking. INTERVIEW: PHILIP EICKER
Das ist ein Vorwurf, der schnell kommt. Aber darum geht es gar nicht. Truto.org bietet Unternehmen die Möglichkeit zu signalisieren: Homosexualität ist für uns kein Problem.
www.truto.org
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OPEN OFFICE Das Coming-out auf Arbeit fällt immer leichter ■
Fakten. 52 Prozent der Lesben und Schwulen verheimlichen ihre Homosexualität am Arbeitsplatz, 55 Prozent mussten schon einmal Tuscheleien und Spott ertragen. Etwa jeder zehnte Homo wird an seinem Arbeitsplatz stark gemobbt. Gleichzeitig erklärten 78 Prozent, dass sie heute deutlich offener leben als zehn Jahre zuvor (Dominic Frohn: „Out In Office“, Universität Köln, 2007).
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Netzwerke. In rund 30 bis 40 deutschen Unternehmen gibt es firmeninterne Netzwerke für Lesben, Schwule und Transmenschen, darunter sind bekannte Namen wie Daimler, Ford, IKEA, SAP und Volkswagen. Daneben gibt es zahlreiche schwul-lesbische Berufsverbände unter anderem für Polizisten, Journalisten und Bundeswehrangehörige. Führungskräfte gehen zum Völklinger Kreis oder zu den Wirtschaftsweibern. Online sticht die Business-Plattform Queer Xing hervor.
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Rechtsschutz. Sexuelle Minderheiten werden gut geschützt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stellt viele Werkzeuge zur Verfügung, um sich im Arbeitsleben gegen Benachteiligungen zu wehren. Kommt es zu einer Diskriminierung kann Beschwerde beim Arbeitgeber eingelegt werden. Wird die Belästigungen nicht unterbunden, darf der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung verweigern und Schadenersatz verlangen. Sogenannten Tendenzbetrieben, wie zum Beispiel den Kirchen, erlaubt das AGG eine unterschiedliche Behandlung. Sie dürfen ihren Beschäftigten bestimmte weltanschaulich vorgegebene Verhaltensweisen abverlangen. „Völlig schrankenlos ist die Befugnis zur Differenzierung aber nicht“, betont Rechtsanwalt Sven-Uwe Blum. Oft erfolgt Diskriminierung sehr subtil. Wer sich gegen Mobbing wehren will, kann Klagen wegen Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung oder Nötigung prüfen – zum Beispiel, wenn Fotos aus einem privaten Online-Profil im Büro auftauchen. „Allerdings sind diese Möglichkeiten sehr theoretisch“, betont Blum. „Das Opfer hat ja selten Beweise und wird psychisch kaum in der Lage sein, einen Prozess durchzustehen.“
ALLE HITS AUF EINER DOPPEL-CD! Inkl. „THAT’S THE WAY LOVE GOES“, „ALL FOR YOU“, „WHOOPS NOW“ und ihrer brandneuen Single „MAKE ME“
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Rechtsberatung für Schwule und Lesben mit Sven-Uwe Blum, jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat, MHC, Anmeldung unter (040) 279 00 69, www.kanzlei-blum.de
Coming-out-Tipps von Diplom-Psychologe Harry Askitis ■
Umgangsformen berücksichtigen: „Wenn sich auch die Kollegen über persönliche Dinge unterhalten, würde ich ein Coming-out wagen.“
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Coming-out dem Selbstbewusstsein anpassen: „Wer schüchtern ist, sollte sich schrittweise outen, z.B. erst einmal mit der netten Kollegin sprechen.“
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Firmentratsch wird eher gefördert, wenn jeder ahnt, dass ein Kollege schwul ist. „Da reagieren manche Kollegen grausam, weil sie spüren, dass sie ein Machtmittel in der Hand haben.“
DIE LEGENDÄRE SHOW VON 1978
Alle HITS + umfangreiches BONUSMATERIAL
Herzlichen Dank an die freundlichen Unterstützer unseres Cover-Shootings im Dezember! Bruno‘s, Danziger Str. 70, www.brunos.de Clemens, Clemens-Schultz-Str. 77, www.clemenshh.de
Inkl. “SOS”, “WATERLOO”, “DANCING QUEEN”, “TAKE A CHANCE ON ME” u.v.a… …sowie einer Special Performance von “IF IT WASN’T FOR THE NIGHTS” JETZT ERSTMALS AUF DVD hinnerk 12/09
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