Peace Brigades International (globale Zivilgesellschaft, Kapitel 8)

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Lutz F. Krebs • Stefanie Pfändler • Corinna Pieper Saghi Gholipour • Nico Luchsinger (Hrsg.)

Globale Zivilgesellschaft

A

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g

Eine kritische Bewertung von 25 Akteuren

Inhaltsverzeichnis

Abk¨ urzungsverzeichnis Danksagung 1 Globale Zivilgesellschaft: Eine Einf¨ uhrung Lutz F. Krebs 2 Bewertungskriterien f¨ ur NGOs Patrik Berlinger, Lutz F. Krebs, Nadia Delia Lanfranchi und Dragan Ljubisavljevic Teil I

xi xv 1

9

Humanit¨ are Hilfe & Entwicklung

3 Save the Children Philipp Gemperle

25

4 M´edecins Sans Fronti`eres Anita Horn

35

5 Schweizerisches Arbeiterhilfswerk Barbara Klitzke Rozas

49

6 Caritas Schweiz Nadia Delia Lanfranchi

63

vi

GLOBALE ZIVILGESELLSCHAFT

7 Diskussion Lutz F. Krebs Teil II

79

Konfliktbew¨ altigung & Friedensstiftung

8 Peace Brigades International Patrik Berlinger

85

9 Conciliation Resources Simon Eggenberger

99

10 West Africa Network for Peace Building Adrian Schmalz

109

11 Diskussion Saghi Gholipour

123

Teil III

Menschenrechte

12 Gesellschaft f¨ ur bedrohte V¨ olker Aurora Garcia Bouzada

127

13 Queeramnesty Christina Hug

141

14 Amnesty International Stefanie Pf¨ andler

153

15 Acid Survivors Foundation Corinna Pieper

167

Inhaltsverzeichnis

vii

16 Caritas Sonja Stucki

179

17 Diskussion Stefanie Pf¨ andler

193

Teil IV

Medien

18 T´el´ecoms Sans Fronti`eres Nico Luchsinger

201

19 Fondation Hirondelle Patrik Schmid

209

20 WikiLeaks Severin Toberer

221

21 International Center for Journalists Nadia Zumbach

229

22 Diskussion Corinna Pieper

245

Teil V

Zivilgesellschaft in Afrika

23 Menschen f¨ ur Menschen Larissa Meier

251

24 Action Contre la Faim Fabian Urech

263

viii

GLOBALE ZIVILGESELLSCHAFT

25 Diskussion Stefanie Pf¨ andler Teil VI

275

Zivilgesellschaft im Nahen Osten

26 Palestinian Center for Human Rights Luca Borioli

283

27 Eine Million Unterschriften Saghi Gholipour

295

28 Hood Sibylle H¨ agler

309

29 Graue W¨olfe Marcel Hegetschweiler

321

30 Syrian Women Observatory Yvonne K¨ onig

333

31 Diskussion Stefanie Pf¨ andler

345

Teil VII

Public-Private Partnerships

32 Cotton Made in Africa Nina H¨ alg

353

33 Grameen Bank Dragan Ljubisavljevic

367

Inhaltsverzeichnis

ix

34 Kompetenzzentrum Friedensf¨ orderung Roland W¨ uest

379

35 Diskussion Nico Luchsinger

395

Teil VIII

Schlussbetrachtungen

36 Gedanken zur Transparenz Sonja Stucki

401

37 Gedanken zur Profitlosigkeit Sonja Stucki

409

38 Gedanken zu universellen Prinzipien und lokalen Gebr¨auchen Patrik Berlinger

413

Mitwirkende Autorinnen & Autoren Literaturverzeichnis

421 429

Kapitel 8 PEACE BRIGADES INTERNATIONAL Patrik Berlinger

1.

Einleitung

In den letzten zwei Jahrzehnten kam es im Zuge der beschleunigten Globalisierung zu einem exponentiellen Anstieg von Non-Governmental Organisations (NGO) im Bereich der Entwicklungspolitik, der Katastrophenhilfe und der Konfliktbearbeitung. Dabei nehmen NGOs h¨aufig T¨atigkeiten im Rahmen von UN-Friedensmissionen wahr. Bereits wird von der Privatisierung der Weltpolitik“ (Br¨ uhl u. a. 2001, zitiert in ” Debiel u. Sticht 2005a, S. 133) gesprochen, da sich die politischen Einflussm¨oglichkeiten solcher Non-Profit Organisationen—aber auch von transnationalen Unternehmen—stark vergr¨ossert haben. Zur¨ uckgef¨ uhrt werden kann dieser Trend auf zahlreiche Faktoren. Unter Anderem sind dies die Ausbreitung neuer Informationstechnologien, welche eine zunehmende Vernetzung nichtstaatlicher Akteure bewirkte, oder das Ende des Kalten Krieges, welches zur Folge hatte, dass sich die Interessen der Grossm¨achte auf die L¨ ander des S¨ udens verschoben haben (Debiel u. Sticht 2005a). Immer h¨ aufiger u ¨berlassen so die Staaten des Nordens die operative Not- und Entwicklungshilfe NGOs, welche in ihrem Auftrag Projekte und Programme durchf¨ uhren. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern Entwicklungsorganisationen als privater ” Arm der Geberstaaten“ agieren (Ludermann 2001, zitiert in Debiel u. Sticht 2005a, S. 134).

86

GLOBALE ZIVILGESELLSCHAFT

In der vorliegenden Arbeit soll auf oben behandelten Trend im Bereich der Katastrophenhilfe und der Konfliktbearbeitung genauer eingegangen werden. Dies geschieht anhand des Beispiels der Aktivit¨aten der Schweizer Sektion von Peace Brigades International (PBI). Diese Organisation hat sich insbesondere auf folgende T¨atigkeiten vor Ort spezialisiert: Unbewaffnete Schutzbegleitung und Menschenrechtsbeobachtung in Konfliktgebieten. Das Kapitel gliedert sich wie folgt: In einem ersten Teil werde ich den zu behandelnden zivilgesellschaftlichen Akteur, dessen Entstehungsgeschichte, Ziele und Arbeitsweise erl¨autern. Danach folgt eine Auswahl an Kriterien, welche ich zur genaueren Beurteilung der Arbeit dieser NGO heranziehe. Im Anschluss daran werde ich die Arbeit von PBISchweiz hinsichtlich dieser Kriterien bewerten. In einem Fazit werde ich die Erkenntnisse zusammentragen und das Kapitel mit einer kritischen Bewertung der Arbeit von PBI-Schweiz abschliessen.

2. 2.1

Der Akteur Entstehungsgeschichte

Peace Brigades International wurde 1981 in Kanada gegr¨ undet. Die Organisation geht auf Mahatma Gandhis Idee einer neutralen Friedensarmee zur¨ uck. Bei Strassenunruhen in Indien wurde diese 1957 erstmals umgesetzt, als sich Friedensaktivisten/-innen zwischen die Konfliktparteien von Moslems und Hindus stellten. Nach diesem Vorbild entschieden sich Nachfolger/-innen Gandhis und Aktivist/-innen christlicher Friedenskirchen zur Gr¨ undung einer internationalen Bewegung. Erm¨oglichung gewaltfreier L¨ osungen in Konfliktgebieten sowie Schutz ziviler Gruppen durch Pr¨ asenz vor Ort waren die prim¨aren Aufgaben und Ziele dieser internationalen Bewegung. PBI entwickelte die Methode der Schutzbegleitung aus der praktischen Arbeit mit guatemaltekischen Frauen, welche trotz politischer Bedrohung und Repression nach ihren verschwundenen Angeh¨ origen suchten (Peace Brigades International Schweiz 2008a).

Peace Brigades International

2.2

87

Arbeitsmethoden und Grunds¨ atze

Peace Brigades International ist seit 27 Jahren eine f¨ uhrende zivilgesellschaftliche Organisation f¨ ur unbewaffnete Schutzbegleitung und Menschenrechtsbeobachtung in Konfliktgebieten. Ziel ist es, durch internationale Pr¨ asenz vor Ort gewaltfreie Konfliktl¨osungen zu erreichen. So begleiten internationale Freiwilligenteams Aktivisten/-innen und bedrohte Menschen sowie Organisationen und Gemeinschaften, die sich f¨ ur Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. PBI wird erst auf ¨ Anfrage Betroffener aktiv und ist gleichzeitig der Uberzeugung, dass die betroffene Bev¨ olkerung ihre Konflikte selbst¨andig gewaltfrei l¨osen kann (Peace Brigades International Schweiz 2006). Die Aktivit¨aten von PBI gr¨ unden auf den folgenden Prinzipien (Peace Brigades International Schweiz 2006): Gewaltfreiheit: Es werden ausschliesslich Partner/-innen unterst¨ utzt, welche mit gewaltfreien und demokratischen Mitteln auf Gerechtigkeit hinarbeiten. Unparteilichkeit: PBI sucht Kontakte zu allen legalen Akteuren, die am Konflikt beteiligt sind, und ergreift im Konfliktverlauf nicht Partei. Nichteinmischung: PBI wird nur auf Anfrage lokaler Organisationen aktiv und ist zudem der Auffassung, dass nachhaltiger Frieden von den Betroffenen selbst realisiert werden muss. Unabh¨angigkeit: PBI ist politisch, wirtschaftlich und konfessionell unabh¨angig. Konsensl¨ osungen: Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene treffen die PBI-Aktivmitglieder im Konsens.

2.3

Ziele und Strategie

Bei der internationalen Pr¨ asenz von PBI wird besonderes Augenmerk darauf gerichtet, dass sowohl politische wie auch soziale Prozesse be-

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GLOBALE ZIVILGESELLSCHAFT

gleiten werden. Dabei setzt PBI Strategien ein, die Gewalt verhindern und gelebte Gewaltfreiheit f¨ ordern. Je nach Situation setzt PBI eine Kombination verschiedener erprobter Methoden ein (Peace Brigades International Schweiz 2008d): Begleiten: Internationale Freiwilligenteams bieten unbewaffnete Schutzbegleitung f¨ ur gef¨ ahrdete Personen und Organisationen. Betreuen: Sie betreuen konflikttraumatisierte Personen im Projektland. Beobachten: Sie beobachten die Menschenrechtssituation und die politischen Lage vor Ort und erstellen Rapporte u ¨ber Menschenrechtsverletzungen im Projektland und an die internationale Gemeinschaft. Berichten: Sie berichten einem Netzwerk von Botschaften, Regierungsstellen, NGOs, Politiker/-innen und Sicherheitskr¨aften u ¨ber die Bedrohung von PBI-Partnerorganisationen und den jeweiligen Konflikt. Bilden: PBI-Experten bieten Workshops u ¨ber Methoden zu Menschenrechtsfragen, gewaltfreier Konfliktl¨osung, Sicherheit und politischer Analyse. Sie erh¨ ohen so zugleich die Autonomie der Betroffenen.

2.4

PBI-Schweiz

PBI-Schweiz ist als selbstst¨ andiger Verein organisiert und arbeitet als Landesgruppe mit der internationalen Organisation zusammen. Das B¨ uro mit Sitz in Bern ist zust¨ andig f¨ ur die Mittelbeschaffung, das Lobbying, die Rekrutierung und das Training der Freiwilligen. Regelm¨assige ¨ Kurse und Vortr¨ age dienen dazu, die Schweizer Offentlichkeit f¨ ur die Anliegen von PBI zu sensibilisieren und das Freiwilligennetz auszubauen (Peace Brigades International Schweiz 2008b).

Peace Brigades International

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PBI-Schweiz pflegt ein Netzwerk von u usselpersonen, ¨ber 150 Schl¨ welche in Krisensituationen den internationalen Druck aufbauen k¨onnen. Zudem arbeitet die Organisation zusammen mit dem Bund und wird seit 2001 dar¨ uber hinaus als strategischer Partner der Friedensf¨orderung des Eidgen¨ ossischen Amtes f¨ ur ausw¨artige Angelegenheiten (EDA) anerkannt. PBI-Schweiz finanziert sich durch private Spenden und Mitgliederbeitr¨ age sowie durch zweckgebundene Projektbeitr¨age. Im Jahr 2002 wurde PBI-Schweiz von der Stiftung ZEWO zertifiziert. PBI-Schweiz ist eine der gr¨ ossten der insgesamt 18 Landesgruppen von Peace Brigades International und hat durchgehend mehrere Freiwillige in allen Projekten im Einsatz.

2.5

Aktuelle Projekte

Als eine Internationale NGO (INGO) f¨ uhrt Peace Brigades International Projekte eigenst¨ andig durch, ist aber zudem an Gemeinschaftsprojekten mit anderen Organisationen beteiligt. Das T¨atigkeitsfeld ist klar abgesteckt und beschr¨ ankt sich nicht nur thematisch, sondern insbesondere auch regional. So werden ausschliesslich Projekte in den L¨andern Kolumbien, Guatemala, Mexiko, Indonesien und Nepal durchgef¨ uhrt. Der Aktionsradius erweiterte sich im Jahr 2004 um die Region der Grossen Seen (Ruanda, Burundi und die Demokratische Republik Kongo; Peace Brigades International Schweiz 2008c).

3.

Diskussion der Kriterien

Um dem Ziel dieses Kapitels, n¨ amlich einer kritischen Untersuchung und Bewertung von PBI-Schweiz gerecht zu werden, ist es entscheidend, geeignete und wichtige Kriterien heranzuziehen. Die folgende drei Kriterien sind meines Erachtens f¨ ur die T¨ atigkeit einer NGO im Bereich der Katastrophenhilfe und der Konfliktbearbeitung von zentraler Bedeutung und werden deshalb etwas genauer beleuchtet:

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GLOBALE ZIVILGESELLSCHAFT

Eingrenzung des Wirkungsfeldes und definierte Zielsetzung. Einhaltung von Verhaltensstandards. Transparenz der Mittelbeschaffung. Die vorliegenden Kriterien erm¨ oglichen aber nicht zwingend eine Gesamtbeurteilung von PBI-Schweiz, sondern sollen, wie oben bereits erw¨ahnt worden ist, eine kritische Betrachtung der NGO erm¨oglichen.

3.1

Eingrenzung des Wirkungsfeldes und definierte Zielsetzung

In der heutigen Zeit finden gewaltt¨atig ausgetragene Konflikte kaum mehr zwischen Staaten, sondern mehrheitlich innerhalb von Staaten statt. NGOs im Bereich der Entwicklungspolitik und der Konfliktbearbeitung k¨ onnen hier zunehmend eine wichtige Rolle spielen. Bei einer steigenden Anzahl an NGOs scheint eine gute Koordinierung mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, Beh¨orden und lokalen Experten immer unerl¨ asslicher. Schliesslich sollen die verschiedenen NGOs vor Ort eine bestm¨ ogliche Pr¨ asenz darstellen um ihrem Auftrag gerecht werden zu k¨ onnen. Hierbei ist die Arbeit einer kleinen Zahl von effektiven, professionellen und gut aufeinander abgestimmten NGOs sicherlich am erfolgversprechendsten. Bei der Bearbeitung innerstaatlicher Konflikte sind NGOs gem¨ass Br¨ uhl (1999) insbesondere erfolgreich und wichtig bei pr¨aventiven Massnahmen und bei der Friedenskonsolidierung. Weniger Einflussm¨oglichkeiten haben NGOs im Bereich der konkreten Friedensschaffung. Folgende Aufstellung soll dies noch etwas genauer verdeutlichen: Pr¨ avention: Erstellung von Berichten u ¨ber Entstehung, Gegenstand und Eskalationsgefahr eines Konflikts (fact-finding); Austausch- und Begegnungsprogramme zum Abbau von Feinbildern; Schulungen (capacity building); Erarbeitung von problemad¨aquaten L¨ osungsvorschl¨ agen f¨ ur Konflikte; Lobbying; Aufkl¨arungsar¨ beit in der Offentlichkeit.

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Friedensschaffung: Aushandlung eines Waffenstillstands oder eines umfassenden Abkommens; Beeinflussung des Verhaltens von Staaten oder Konfliktparteien durch friedliche Einmischung.1 Friedenskonsolidierung: Humanit¨ are und technische Hilfe; Betreuung und Repatriierung von Fl¨ uchtlingen (eine der Voraussetzungen, dass Konflikte nicht erneut ausbrechen); Aufbau einer so¨ zialen und ¨ okonomischen Infrastruktur; Umsetzung und Uberwachung internationaler Regime. Ein weiterer Aspekt bei der Untersuchung obigen Kriteriums ist die ¨ Anf¨alligkeit einer NGO auf die Wirkung von Offentlichkeitsarbeit. Viele NGOs laufen zunehmend Gefahr, sich auf Themen und T¨atigkeitsfelder zu beschr¨anken, welche auch medial verkauft werden k¨onnen. Dabei handelt es sich meisten um aktuelle oder bekannte Krisenherde (wie beispielsweise Somalia, Irak, Afghanistan oder Ruanda und Burundi). Ein solches Vorgehen erm¨ oglicht ihnen unter Umst¨anden eine erleichterte Generierung von Spendengeldern und anderen Zuwendungen. Gefahr best¨ unde aber darin, dass ebendiese NGOs von ihren wahren Zielen und Aufgaben abr¨ ucken, was sicherlich nicht Ziel zivilgesellschaftlicher Akteure sein darf (Debiel u. Sticht 2005a).

3.2

Einhaltung von Verhaltensstandards

Anhand eines Katalogs von Verhaltensregeln (auch Codes of Conduct genannt) soll die Unabh¨ angigkeit und Wirksamkeit von NGOs vor Ort geregelt und garantiert werden. Zu den wichtigsten Verhaltensregeln geh¨oren unter Anderem (Debiel u. Sticht 2005a): ¨ Hilfe wird ungeachtet von Rasse, religi¨oser Uberzeugung oder Nationalit¨at und ohne jegliche nachteilige Unterscheidung gew¨ahrt. Priorit¨aten f¨ ur Hilfeleistungen werden allein anhand der Bed¨ urftigkeit der Betroffenen festgelegt. Respektierung der lokalen Kultur und der Br¨auche und Sitten.

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Versuch, Katastrophenhilfe auf lokal bestehenden Strukturen aufzubauen. Einbezug von lokalen Experten in das Management der NGO. Nachhaltigkeit der Arbeit von NGOs. Rechenschaftsablegung gegen¨ uber den Spendern sowie den Empf¨angern von Hilfe. Je mehr obige Verhaltensregeln vor Ort eingehalten und gelebt werden, desto eher sind Glaubw¨ urdigkeit und Legitimation einer NGO gew¨ahrt.

3.3

Transparenz der Mittelbeschaffung

Immer h¨aufiger nutzen Staaten die Fachkompetenz, das ¨offentliche Ansehen und die Flexibilit¨ at der NGOs. So werden NGOs etwa bei Debiel u. Sticht (2005a) in diesem Zusammenhang als verl¨angerter Arm ” staatlicher Politik“ bezeichnet. NGOs laufen demzufolge zunehmend Gefahr, f¨ ur bestimmte Interessen von Staaten instrumentalisiert zu werden. Sie verl¨ oren dadurch selbstverst¨andlich ihre Unabh¨angigkeit und Legitimit¨ at. Dieser Interessenskonflikt ist tats¨achlich nicht ganz unbedeutend, denn h¨ aufig sind NGOs angewiesen auf die Fremdfinanzierung durch die ¨ offentliche Hand oder bestimmte private Stiftungen, um u ¨berhaupt in der Lage zu sein, die jeweiligen Projekte finanziell durchf¨ uhren zu k¨onnen. Die Abh¨ angigkeit von staatlichen Mitteln variiert von einer Organisation zur anderen. So sind manche NGOs fast ausschliesslich durch ¨offentliche Zusch¨ usse finanziert, andere wiederum kommen beinahe g¨anzlich ohne solche Spenden aus. Entscheidend ist aber nicht nur der Grad der ¨offentlichen Finanzierung einer NGO. Vielmehr spielen hier noch andere wichtige Faktoren hinein, wie beispielsweise die Reputation einer NGO oder deren Glaubw¨ urdigkeit im Allgemeinen (Debiel u. Sticht 2005a).

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4.

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Bewertung

In diesem Teil soll untersucht und ausgewertet werden, ob die oben ausgew¨ahlten und besprochenen Kriterien f¨ ur die Arbeit einer NGO im Bereich der Katastrophenhilfe und der Konfliktbearbeitung durch PBISchweiz eingehalten werden. Ich werde hierf¨ ur die Kriterien in derselben Reihenfolge behandeln.

4.1

Eingrenzung des Wirkungsfeldes und definierte Zielsetzung

Bereits in Abschnitt 3.1 habe ich erl¨ autert, dass NGOs bei der Bearbeitung innerstaatlicher Konflikte besonders erfolgreich und wirksam bei pr¨aventiven Massnahmen und bei der Friedenskonsolidierung (Peacebuilding) sind. Auch habe ich aufgezeigt, dass NGOs bei der Friedensschaffung einen stark eingeschr¨ ankten Handlungsspielraum haben. Es gilt nun zu evaluieren, ob PBI-Schweiz sich an diese Grunds¨atze h¨alt. Bereits bei der Erl¨ auterung der aktuellen Projekte in Abschnitt 2.5 habe ich erw¨ ahnt, dass sich die Arbeit von Peace Brigades International auf wenige L¨ ander oder Regionen beschr¨ankt. Dabei bleibt das Wirkungsfeld genau vorgegeben und abgesteckt. In Kolumbien l¨ auft derzeit2 das gr¨ osste PBI-Projekt. Rund 40 Freiwillige in vier regionalen Teams begleiten und sch¨ utzen bedrohte Menschenrechtsverteidiger/-innen, welche mit Basisorganisationen, Gemeinschaften von Vertriebenen und Friedensgemeinden arbeiten. Zudem bietet PBI Workshops (problem-solving workshops) an zum Umgang ¨ mit Gewalt, zur Uberwindung traumatischer Erlebnisse, zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung sowie zur St¨ arkung und zum Wiederaufbau sozialer Netze. Im ¨ armsten Bundesstaat Mexikos, der einen hohen indigenen Bev¨ olkerungsanteil aufweist, werden Menschenrechtsorganisationen begleitet und Bericht u ¨ber die aktuelle Lage vor Ort erstattet. Zu Schutzbegleitungen kommt es in Indonesien. Auch werden Kontakte zur Regierung und zu Botschaften gepflegt, sowie FriedenserziehungsWorkshops und Seminare zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung abgehalten. Bedrohte Mitglieder der entstehenden Zivilgesellschaft werden

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auch in Guatemala begleitet. Bei den Betroffenen handelt es sich um Personen aus Organisationen, die sich f¨ ur Frieden, Menschen- und Landrechte einsetzten, Augenzeugen von Menschenrechtsverletzungen, Anw¨alte-/innen, Gewerkschaftsmitglieder, heimkehrende Fl¨ uchtlinge und indigene Dorfgemeinschaften. Zus¨atzlich werden auch hier Workshops durchgef¨ uhrt. Um eine erh¨ ohte Sicherheit der Mitarbeitenden in lokalen NGOs, von Fl¨ uchtlingen und der leidtragenden Zivilbev¨olkerung zu erreichen, sind schliesslich in der Region der grossen Seen in Afrika Freiwillige von PBI im Einsatz (Peace Brigades International Schweiz 2006). Offensichtlich geht es bei allen Projekten genau um die in Abschnitt 3.1 beschriebene T¨ atigkeiten im Bereich der Pr¨avention und der Friedenskonsolidierung. Konkret betreibt PBI also unter Anderem nebst fact-finding, capacity building und Schutzbegleitung von gef¨ahrdeten Personen auch Repatriierung und Betreuung von Fl¨ uchtlingen. Dank einer sehr deutlichen Zielsetzung im Rahmen einer langfristigen und nachhaltigen Arbeit in den ausgew¨ahlten L¨andern kann davon ausgegangen werden, dass PBI gr¨ osstenteils unabh¨angig von medialer ¨ Aufmerksamkeit arbeitet und nicht auf die Wirkung von Offentlichkeitsarbeit angewiesen ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Organisation stark durch Unterst¨ utzungsgelder des EDAs mitfinanziert wird, kann h¨ochst wahrscheinlich als Vorteil betrachtet werden. Denn so ist PBI-Schweiz weniger angewiesen auf private Spenden, welche oftmals generiert werden dank eines medial aufw¨andigen fund-raisings. (Weitere Ausf¨ uhrungen zum Thema der Mittelbeschaffung folgen sp¨ater in Abschnitt 4.3)

4.2

Einhaltung von Verhaltensstandards

Die Untersuchung dieses Kriteriums erweist sich als nicht ganz einfach, da gewisse Standards kaum oder gar nicht u uft oder nachgewiesen ¨berpr¨ werden k¨ onnen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass diese gr¨osstenteils, wenn nicht g¨ anzlich eingehalten werden. Daf¨ ur spricht die Tatsache, dass sich PBI beispielsweise unabh¨angig von Rasse, Ge-

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schlecht, Religionszugeh¨ origkeit oder anderen Kriterien, f¨ ur betroffene Personen in den kulturell, sprachlich und religi¨os unterschiedlichsten L¨andern der Welt einsetzt. Des Weiteren f¨ ordert PBI durch das Veranstalten von diversen thematischen Workshops die Autonomie der Betroffenen. Auch sucht PBI jeweils den engen Kontakt zu lokalen Regierungsstellen, NGOs, Politikern und Sicherheitskr¨ aften. Schliesslich arbeitet PBI mit Amnesty International, Human Rights Watch und dem UNHCR zusammen. Die Nachhaltigkeit der T¨ atigkeit von PBI-Schweiz kann wohl als gegeben betrachtet werden, da es sich bei den Projekten im Ausland immer um ein langfristiges und stetes Engagement von Freiwilligen handelt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass PBI jeweils nur dann t¨atig wird, wenn eine Anfrage seitens Betroffener erfolgt. Demzufolge handelt PBI keineswegs eigenm¨ achtig oder ethnozentrisch, sondern immer mit dem Grundsatz der Nichteinmischung und Nichtparteinahme. Diese Haltung unterst¨ utzt die Legitimit¨at und die Glaubw¨ urdigkeit von PBI. Ein letzter Punkt ist die Rechenschaftsablegung gegen¨ uber Spendern. Aufgrund der Existenz eines gut erl¨ auterten T¨atigkeitsberichtes (inklusive Bilanz und Erfolgsrechnung), welcher allen Personen jederzeit zug¨anglich ist, kann genau nachvollzogen werden, wie die Spendengelder eingesetzt werden. Da es sich bei den Mitarbeitern fast ausschliesslich um Freiwillige Helfer handelt, stellt sich die Frage des Anteils der Lohnzahlungen nicht. Schliesslich konnte der Administrativaufwand unter die Marke von 25% gedr¨ uckt werden, was f¨ ur eine NGO eine h¨ochst erfreuliche Tatsache ist.

4.3

Transparenz der Mittelbeschaffung

Wie bereits eingangs erw¨ ahnt worden ist, wird PBI-Schweiz vom Eidgen¨ossischen Departement f¨ ur ausw¨ artige Angelegenheiten (EDA) als einer der strategischen Partner der Friedensf¨orderung finanziell unterst¨ utzt. Dieser Betrag ist wohl nicht ganz unerheblich, handelt es sich doch gem¨ass dem T¨ atigkeitsbericht des Jahres 2006 bei den Beitr¨agen

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der ¨offentlichen Hand um einen Anteil, der rund f¨ unf Mal gr¨osser ist als derjenige privater Spenden (338.652 Fr. gegen¨ uber 67.148 Fr.). So wurde der ausserordentlich hohe finanzielle Beitrag des EDAs von Schnyder (2008) best¨ atigt und auch als wichtig f¨ ur die Arbeit der Organisation eingestuft. Auch die Betr¨ age von Kirchen und privaten Institutionen sind mit 107.074 Fr. nicht unbedeutend. Nach Betrachtung dieser Zahlen der PBI-Schweiz stellt sich unweigerlich die Frage, inwiefern die Organisation durch die ¨offentliche Hand und private Institutionen beeinflusst wird. Dient die vorliegende NGO in Form eines verl¨ angerten Armes staatlicher Politik als Erf¨ ullungsgehilfe? Diese Frage kann wohl kaum abschliessend beantwortet werden, da das Ausmass des Einflusses des Staates, beziehungsweise des EDAs kaum vollumf¨anglich ausgemacht werden kann. Deutlich erkennbar ist h¨ochstens die Tatsache, dass PBI-Schweiz ohne die finanzielle Unterst¨ utzung durch die o ffentliche Hand praktisch handlungsunf¨ a hig w¨ a re. ¨ Da PBI-Schweiz die Verhaltensstandards praktisch vollumf¨anglich einh¨alt (siehe Abschnitt 4.2)—insbesondere die Grunds¨atze der Nichteinmischung und der Nichtparteinahme und die Tatsache, dass die Organisation erst auf Anfrage Betroffener aktiv wird—ist wohl die Einflussnahme oder die Instrumentalisierung seitens des EDA oder anderer wichtiger Einzelspender kaum relevant.

5.

Fazit

Die Frage der Mittelbeschaffung kann kontrovers besprochen werden (siehe Abschnitte 4.1 und 4.3). So kann man argumentieren, dass bei Spendengeldern und Zuwendungen das Spektrum der Spender m¨oglichst gross sein sollte, da nur so gew¨ ahrleistet werden kann, dass die NGO nicht zum Spielball von Partikularinteressen wird. Auf der anderen Seite kann diesem Argument entgegengehalten werden, dass PBI-Schweiz gerade dank der grossz¨ ugigen und langfristigen finanziellen Unterst¨ utzung ¨ durch das EDA nicht auf mediale Offentlichkeitsarbeit angewiesen ist. So kann sich PBI-Schweiz auf eher unterdurchschnittlich medial wirksame und nicht zwingendermassen aktuelle Krisengebiete konzentrieren,

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muss kein aufw¨ andiges und kostspieliges fund-raising betreiben und h¨alt so gleichzeitig die Administrativkosten gering. Meines Erachtens u ¨berwiegen die positiven Effekte des grossen finanziellen Engagements der EDA bei obiger Gegen¨ uberstellung der Argumente zur Mittelbeschaffung von PBI-Schweiz. Dies insbesondere wegen der Tatsache, dass eine Einmischung in die Projekte oder eine Instrumentalisierung nicht ausmachbar sind und auch praktisch ausgeschlossen werden k¨onnen. PBI-Schweiz sieht sich mit keinen Forderungen des EDAs konfrontiert. Vielmehr unterst¨ utzt das EDA die langj¨ahrige Erfahrung und Professionalit¨ at sowohl auf dem Gebiet der Vorbeugung von Konflikten als auch im Bereich des Peacebuilding. PBI-Schweiz hat sich seit Beginn des Engagements des EDAs in ihren Grundz¨ ugen nicht ver¨andert und ist ihren urspr¨ unglichen Prinzipien stets treu geblieben. Beeindruckend ist die Tatsache, dass die Organisation erst auf Anfra¨ ge von Betroffenen aktiv wird. So kann eine Uberschneidung der T¨atigkeit von PBI-Schweiz mit anderen NGOs mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Des Weiteren agiert PBI-Schweiz nicht befristet, also langfristig und nachhaltig in den Krisengebieten. Auch diese Tatsache spricht daf¨ ur, dass sich keine Probleme bez¨ uglich der Koordination mit anderen NGOs stellen. Vollst¨ andige Transparenz ist jederzeit gew¨ahrleistet sowohl bei der Wahl der Einsatzgebiete als auch bei den Finanzen. So hat man jederzeit Zugriff auf den j¨ahrlich erscheinenden T¨atigkeitsbericht, welcher Aufschluss u ¨ber eben genannte Punkte gibt. Die Rechenschaftspflicht kann somit als erf¨ ullt betrachtet werden. Schliesslich h¨alt sich die NGO im Allgemeinen an die Verhaltensregeln, sodass auch bez¨ uglich dieses Punktes keine Kritik ge¨ ubt werden kann. Nach diesen Erl¨ auterungen komme ich zu dem Schluss, dass PBISchweiz grunds¨ atzlich eine hervorragende und vorbildliche Rolle im Bereich der Pr¨avention und der Konfliktbearbeitung spielt.

Anmerkungen 1. Da NGOs meistens von konkreten Friedensverhandlungen ausgeschlossen werden, bleiben die Einflussm¨ oglichkeiten im Bereich der Friedensschaffung deshalb stark eingeschr¨ ankt. 2. Stand: Fr¨ uhjahr 2008.

Globale Zivilgesellschaft Eine kritische Bewertung von 25 Akteuren Die Zivilgesellschaft spielt eine zentrale Rolle in der Gesellschaft. Sie vermittelt zwischen privaten Individuen und den institutionalisierten Organisationen der Staatsgewalten und der Wirtschaft. Häufig erfüllt sie ausgleichende Funktionen und stellt sicher, dass die Interessen vernachlässigter Mitglieder der Gesellschaft Gehör bekommen. Dabei kann sie auch provisorische Lösungen für Probleme bieten, die (noch) nicht von Staat und Wirtschaft adressiert werden. Als solches ist die Zivilgesellschaft nicht nur wichtiger Bestandteil eines gesunden Zusammenlebens auf der nationalen Ebene, sie eignet sich auch besonders als Werkzeug, um Probleme internationaler Natur anzugehen. Dieses Buch stellt den Versuch interessierter Beobachter dar, einen kritischen Blick auf das Funktionieren der globalen Zivilgesellschaft zu werfen. Mittels eines eigens erstellten Kriterienkatalogs erfolgt die Bewertung 25 zivilgesellschaftlicher Akteure aus den Themenbereichen humanitäre Hilfe, Entwicklung, Konfliktbewältigung, Friedensstiftung, Menschenrechte und Medien, aus den Welt-Regionen Afrika und Naher Osten sowie aus der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand. Hierbei entsteht nicht nur ein Bild einzelner Organisationen und Bewegungen, sondern es werden auch Herausforderungen deutlich, die sich der gesamten Zivilgesellschaft stellen.

ISBN 978-3-8391-0991-5

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