Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 2666/07 Datum: Gericht: Spruchkörper: Entscheidungsart: Aktenzeichen: Vorinstanz:
18.10.2007 Oberverwaltungsgericht NRW 15. Senat Beschluss 15 A 2666/07 Verwaltungsgericht Minden, 3 K 422/07
Tenor: Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt. Gründe: Der Antrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ist nicht gegeben. Die Kläger haben keinen tragenden Rechtssatz und keine entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Entgegen der Auffassung der Kläger hat das Verwaltungsgericht das Bürgerbegehren zu Recht als unzulässig eingestuft, weil es nicht auf eine konkrete, durch die Bürgerschaft zu treffende Sachentscheidung gerichtet ist. Vgl. zu den dem Bürgerbegehren zugänglichen Fragen OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 15 A 5594/00 -, DÖV 2002, 961 (962). Insbesondere darf ein Bürgerbegehren nicht darauf gerichtet sein, dem Rat Vorgaben für von ihm noch zu treffende Entscheidungen zu machen. Vielmehr muss der angestrebte Bürgerentscheid die abschließende Entscheidung anstelle des Rates selbst treffen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 15 A 974/97 -, DVBl. 1998, 785 (786).
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Das bedeutet hier, dass das Bürgerbegehren nicht darauf zielen darf, Vorgaben für eine Vielzahl künftiger, in ihrer jeweils maßgeblichen Fallgestaltung nicht überschaubarer Angelegenheiten zu machen. Während der Rat von durch ihn getroffenen Grundsatzbeschlüssen dieser Art ohne weiteres abweichen kann, wenn ein Einzelfall zu regeln ist, würde ein entsprechender Bürgerentscheid die Gemeinde für zwei Jahre binden, wobei die Bindung nur durch einen erneuten Bürgerentscheid aufgehoben werden könnte (§ 26 Abs. 8 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - GO NRW -). Diese von einem Bürgerentscheid ausgehende besondere Bindung ist nur dann gerechtfertigt, wenn dessen Gegenstand im Zeitpunkt des Bürgerentscheids sich zumindest so konkret darstellt, dass er überhaupt einer verantwortlichen Entscheidung zugänglich ist und nicht etwa eine Bindung ins Blaue hinein bewirkt. Der Begriff "die zur Entscheidung zu bringende Frage" (§ 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW) erfordert eine solche Konkretisierung, weil die Gemeinde nur unter diesen Gegebenheiten, nicht aber in einer Viel-
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zahl vorher nicht bekannter Sachlagen durch einen Bürgerentscheid in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt werden soll. Hier lautet die zur Entscheidung gestellte Frage "Soll es der Kreis M. bei Neustrukturierungen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge zukünftig unterlassen, insbesondere bei der Gründung neuer bzw. der Änderung bestehender Gesellschaften im Bereich des Straßenbaus bzw. der Straßenunterhaltung mit Bezug auf Planungs-, Bau-, Sanierungs-, Instandhaltungs-, Betriebs- und Finanzierungsleistungen für das Kreisstraßennetz - Gesellschaftsanteile oder maßgebliche Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens an Private zu übertragen?". Es sollen also bei allen zukünftigen Einzelfallentscheidungen über die Organisation der Leistungsverwaltung bestimmte Handlungen unterbleiben. Somit wird unzulässigerweise beabsichtigt, eine generelle Vorgabe für derartige Organisationsentscheidungen im Wege des Bürgerentscheids zu machen.
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Soweit die Kläger sich gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wenden, weil sie der Auffassung sind, die zur Entscheidung gestellte Frage sei hinreichend eindeutig, die gegebene Begründung sei ausreichend und der Kostendeckungsvorschlag nicht irreführend, können damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht begründet werden. Insoweit handelt 10 es sich nicht mehr um tragende Entscheidungsgründe, sondern um davon unabhängige weitere Gründe für die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens. Auch der Zulassungsgrund besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der 11 Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor. Die Feststellung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens, weil keine Sachentscheidung in einem Einzelfall begehrt wird, lässt sich auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne weiteres treffen. Daher liegt auch nicht der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor. Schließlich ist der geltend gemachte Zulassungsgrund eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ebenfalls nicht gegeben. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht deshalb verletzt, weil es wegen nicht hinreichender Bestimmtheit der zur Entscheidung gestellten Frage auf eine Internetseite Bezug nimmt, wozu den Klägern nach ihrem Vortrag keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sein soll. Da - wie oben ausgeführt - die Bestimmtheit der zur Entscheidung gestellten Frage nicht entscheidungserheblich war, ist das Urteil nicht auf diesen Umstand gestützt im Sinne des § 108 Abs. 2 VwGO, sodass dazu auch kein rechtliches Gehör gewährt werden musste. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. 12 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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