Hilfen Auf Dem Inneren Weg

  • Uploaded by: Marianne Zipf
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  • May 2020
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HILFEN AUF DEM INNEREN WEG

"Habe deine Freude am Herrn; und er wird dir geben, was Dein Herz begehrt. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird's wohl machen, und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie ein Licht." Ps. 37; 4 f. Vom Wege nach innen und der rechten Hinwendung zu Gott handeln die Worte im Psalter, die uns sagen, was wir tun sollen, um zum göttlichen Leben zu kommen. Drei Dinge sind dazu dienlich: Fasten, Wachen und Schweigen. Was heißt Fasten? Es heißt - äußerlich -, daß wir uns in der Nahrungsaufnahme beschränken, morgens nur das Notwendige essen und abends nur wenig: das ist das Beste zur Meisterung der Natur und zur Entfaltung des Geistes. Man gehe zeitig schlafen, um so früh wie möglich wach und bereit zu sein, sich zuerst und vor allem Gott zuzuwenden und sich ihm - im Sinne der Worte des Propheten - offen zu halten. Und tagsüber achte man darauf, daß man in allen Dingen und bei allen Aufgaben, wie sie auch kommen, stets in Frieden bleibt und sein Herz und seinen Seelengrund für Gott bereitet hält. Wenn man sich müde fühlt, setze oder lege man sich hin, entspanne sich, wende den Geist nach innen und öffne sein Gemüt Gott, suche Frieden in Gott, befehle ihm seine Wege, lasse sich ihm und verlasse sich gänzlich auf ihn; dann wird alles wohl gehen. Um unsere Wege, unsere Vorhaben und Sorgen Gott anheim zu geben, müssen wir uns selbst klar werden, welches eigentlich unsere Wege sind. Wir werden dabei einsehen, wie unzulänglich und mangelhaft alles ist, was aus dem Ich kommt, und wie ungewiß und unbestimmt die Ziele des Ich sind. Alles das gilt es Gott anheim zu geben und zu vertrauen, daß er alles besser machen und zum Besten wenden wird. Dabei können wir Gott nie genug vertrauen. Wenn zwei Menschen Gott um etwas bitten - der eine um etwas Großes, das dem Ich unmöglich scheint, aber mit uneingeschränktem Vertrauen; der andere um etwas Kleines und Wertloses, aber mit geringerem Vertrauen -, so wird der, der um das Unmögliche bat, wegen seines völligen Vertrauens eher und vollkommener erhört als der andere, der nur um wenig bat. Dem Gläubigen, sagt Christus, sind alle Dinge möglich. Glaube, d. h. hoffe und vertraue auf Gott -und er wird's wohl machen! Wie niemand Gott genug lieben kann, so kann ihm auch niemand zu viel vertrauen. Statt anderen Leuten Dein Leid zu klagen, übergib und überlasse es gänzlich Gott und er wird Dir aus Liebe das für Dich Beste zufügen, und zwar hunderttausendmallieber, als Du es entgegennimmst. Willst Du von Deinen Sünden

und Schwächen frei sein, dann übergib und überlasse sie und Dich selbst Gott, vertraue auf seine Hilfe und wende Dich - in diesem Vertrauen - dem rechten Handeln zu. Dadurch werden die Tugenden gewonnen und die Untugenden schwinden. Doch geschehe all dies ohne Eigensucht! Wenn Gott einen nach innen zieht, soll man ihm sofort folgen. Zieht Gott einen noch tiefer ins Allerinnerste, so soll man nicht mit den Sinnen forschen und ergrübeln wollen, was da geschieht und wie, sondern man soll seine Wege Gott befehlen und überlassen, sich auf ihn verlassen und ihn wirken lassen. Das ist der tiefere, innere Sinn des Fastens. Es bedeutet, daß Du nicht über den Grund der Welt und des Daseins und die Beschaffenheit der höheren Welten grübelst, sondern wachen Geistes Dir selber auf den Grund gehst und lernst, Dich selbst zu erkennen. Es bedeutet, daß Du nicht nach den Geheimnissen Gottes fragst, nach dem Anfang und Ende allen Werdens, nach dem Etwas im Nichts, nach dem Wesen des Gottfunkens im Seelengrund und nach tausend anderen Dingen, sondern daß Du Dich mit Deinem ganzen Denken und Fühlen, Wollen und Glauben nach innen wendest und innerlich auf Gott und seinen Willen achtest und auf das Wort, mit dem er Dich ruft. Und wenn Du nicht weißt, was Gottes Wille ist, so folge denen, die vom Heiligen Geiste mehr als Du erleuchtet sind. Und steht Dir kein solcher zur Verfügung, dann achte bei Zweifeln darauf, wozu Deine Natur am wenigsten geneigt ist, um dann eben dies zu tun und dabei zu lernen, die Dinge zu lassen; dann werden Dir alle Dinge zuteil - nämlich die Dinge, die Dir nötig sind zu einem wahren göttlichen Leben und zur Erkenntnis der Wahrheit, die Dich frei macht. Und laß bei alle dem niemals Schwermut über Dich kommen; denn sie hindert Dich in allem Guten. Sei stets frohgemut und zuversichtlich, habe Freude an der Gegenwart Gottes in Dir und vertraue ihm in allem; dann wird er's wohl machen. Und sorge Dich nie, sondern überlasse es Gott. Und leuchtet Dir dabei etwas ein, so lasse es gleichfalls und überlasse es Gott. Habe nichts im Sinn als Gott und gib Dich ihm völlig hin. Dann wirst Du aus dem Innenreich des Friedens in den Alltag zurückkehren mit Frieden im Herzen, mit erhöhter Gelassenheit und mit neuen Kräften, die Dir helfen, Dein Werk recht zu vollbringen und an allem zu wachsen. Wenn Du bei Deiner Nach-Innen-Wendung und Versenkung gegen Deinen Willen einschläfst, so wehre Dich nicht. Eine schlummernde Einkehr ist oft besser als viel äußere Übung im Wachen. Wenn Du wieder wach bist, fange einfach von neuem an, wende Dich mit ungemindertem Vertrauen zu Gott und befiehl ihm Deine Wege. Senke Dich aufs neue in Deinen Seelengrund und öffne ihn ganz Gott. Wenn so Dein innerster Grund sich Gott darbietet, schenkt sich der namenlose Gott wiederum im Seelengrund dem Menschen und erfüllt ihn mit seinem Geiste, seinem Wesen und Willen. Dazu ist unerläßlich, daß der äußere Mensch in Ruhe sei, daß Körper und Gedanken entspannt sind und der innere Mensch ganz Schweigen geworden ist. Um dieses Schweigens willen gibt Gott dem inneren Menschen sein Reich und sich selbst. Und dann erleuchtet er ihn und "bringt seine Gerechtigkeit hervor wie ein Licht".

Worin besteht diese Gerechtigkeit? Sie besteht zuerst und vor allem darin, daß wir uns selbst erkennen, wie der Heilige Bernhard sagt: "Die höchste, beste und unmittelbar in die Nähe Gottes führende Erkenntnis ist, daß wir uns selbst erkennen." Unsere ,Gerechtigkeit', die Gott mit seinem Licht erleuchtet, wird gemessen an unserem Schweigen. Darum sollen wir uns im Schweigen üben zu allen Zeiten und an allen Orten, und sollen uns abgeschieden halten von den Kreaturen und Dingen, wo immer dies möglich ist, insbesondere von denen, die ganz nach außen gewendet sind und uns mit sich nach außen ziehen wollen. Mit denen sollen wir freundlich umgehen, innerlich aber abgeschieden bleiben. Wird uns das übel genommen, sollen wir das gelassen hinnehmen und niemanden in uns hineinlassen, dessen Gesinntheit wir nicht kennen. Besser als der Umgang mit solchen Menschen ist der mit Büchern, soweit sie nicht nur schöne Worte enthalten und uns zerstreuen, sondern uns helfen, bei uns selbst zu bleiben, mit unserem inneren Menschen eins zu sein, uns Gott im Stillesein offen zu halten, schweigend auf sein Licht und sein Wort zu warten und bereit zu sein, Gott in uns und durch uns wirken zu lassen. Hierzu noch ein Wort des Heiligen Augustinus: "Erblickst Du einen guten Menschen, einen Engel oder den Himmel, so zieh den Menschen ab, zieh den Engel und den Himmel ab - und was dann bleibt, das ist das Wesen des Guten, das ist Gott; denn er ist alles in allen Dingen und zugleich weit über allen Dingen." Alle Kreaturen haben wohl Gutes, haben wohl Liebe; sie sind aber nicht das Gute, die Liebe an sich; sondern das Wesen des Guten, der Liebe ist Gott. Ihm soll der Mensch sich zukehren und in ihm entsinken mit allen seinen Kräften in wirkender und lassender Weise, so daß seine Nichtigkeit ganz erfüllt und erneuert werde und im göttlichen Wesen, das allein Wesen, Leben und Wirken in allen Dingen ist, Wesen annehme. "Wahrlich, Du bist ein verborgener Gott", sagt Moses. Er ist in der Tat verborgener, als irgendein Ding oder Wesen sich selbst im Grunde der Seele ist, verborgen allen Sinnen und im Grunde unerkennbar und unerkannt. Dorthin dringe mit allen Kräften, über alles Denken, über den äußeren Menschen hinaus, der sich selbst und seinem inneren Wesen so fern und fremd ist wie ein Tier, das ganz den Sinnen lebt. Dorthin, in den göttlichen Grund, senke Dich hinein und entwerde in der Verborgenheit Gottes allem Ichsein und Kreatursein, nicht nur in gedanklicher oder bildlicher Weise, sondern in wesentlicher wirkender Weise - mit allen Kräften und Strebungen in völligem Lassen. Sodann magst Du die Eigenschaft der göttlichen Einöde in der stillen Einsamkeit anschauen, in der nie ein Wort dem Laut nach gesprochen noch ein Werk gewirkt ward: so still ist es da, so heimlich und einsam. Da ist nichts als lauter Gott. Dahinein kam nie etwas Fremdes, keine Kreatur, kein Bild, keine Weise. Diese Einöde meinte Gott, als er durch den Propheten sprach: "Ich will die Meinen in die Einöde führen, und da will im zu ihren Herzen sprechen." In diese Stille und Einsamkeit der Gottheit führt er alle die, die für die Stimme Gottes empfänglich werden sollen, nun und in der Ewigkeit. In diesen einsamen, stillen, freien Gottesgrund trage Deinen einsamen, von allem, was nicht Gott ist, völlig geleerten

Seelengrund. Dann wird die göttliche Finsternis, die vor lauter Lichtheit für Dein Erkennen Finsternis ist, sich in die Leere und Dunkelheit Deines Seelengrundes ergießen und die Helle des göttlichen Lichts wird darin aufbrechen. Daß wir zu solcher Hinwendung und Einswerdung gelangen, dazu helfe uns Gott!

Aus: Johannes Tauler, Das Reich Gottes ins in uns

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