MÖGLICHE HANDLUNGSFELDER FÜR VIRTUELLE SOZIALE ARBEIT
Diplomarbeit zur Erlangung des akademischern Grades „Magister (FH) für sozialwisssenschaftliche Berufe“ Verfasser: Hendrik Fellinger Vorgelegt am FH-Diplomstudiengang Soziale Arbeit Fachhochschule Salzburg Gutachter: DSA Mag. Thomas Schuster Salzburg, im Mai 2007
Inhaltsverzeichnis
1.
EINLEITUNG ............................................................................................. 4
2.
PROJEKTBESCHREIBUNG UND FRAGESTELLUNG............................ 5
2.1.
Persönliche Positionierung.................................................................................................. 5
2.2.
Intention des Projektes ......................................................................................................... 7
2.3.
Methodisches Vorgehen....................................................................................................... 8
2.4. Auswahl der Kategorien/Fragestellung ........................................................................... 10 2.4.1. Der Sozialraum .............................................................................................................. 11 2.4.2. Virtuelle Soziale Arbeit .................................................................................................. 12 2.4.3. Soziale/gesundheitliche Auswirkungen ....................................................................... 12 2.4.4. Medienkompetenz ......................................................................................................... 13
3.
DEFINITIONEN UND THEORIEN............................................................ 14
3.1. Soziale Arbeit ....................................................................................................................... 14 3.1.1. Begriffserklärung ........................................................................................................... 15 3.1.2. Methoden und Formen der Sozialen Arbeit................................................................. 20 3.1.3. Die Soziokulturelle Animation....................................................................................... 23 3.1.3.1. Geschichte und Begriffe ............................................................................................ 23 3.1.3.2. Methoden und Formen der soziokulturellen Animation ........................................... 27 3.1.4. Der sozialräumliche Ansatz in der offenen Jugendarbeit ........................................... 30 3.1.4.1. Definition und Umschreibung .................................................................................... 30 3.1.4.2. Das Zonenmodell nach Baacke ................................................................................ 31 3.1.4.3. Das Inselmodell nach Helga Zeiher .......................................................................... 33 3.1.4.4. Rolle und Methoden ................................................................................................... 34 3.1.5. Medienkompetenz ......................................................................................................... 38 3.2. Der Sozialraum ..................................................................................................................... 42 3.2.1. Sozialraumtheorien ....................................................................................................... 42 3.2.2. Der „virtuelle“ Sozialraum ............................................................................................. 44 3.2.2.1. Transfer zwischen Räumen ....................................................................................... 45 3.2.2.2. Exkurs: Virtuelle Gewalt und Realität ....................................................................... 48 3.3. Das World Wide Web........................................................................................................... 52 3.3.1. Das Internet: Ein Definitionsversuch............................................................................ 52 3.3.2. Die Geschichte des Internets ....................................................................................... 53 3.3.3. WEB 2.0 und neue Entwicklungen............................................................................... 56 3.3.3.1. Die technische Komponente...................................................................................... 57 3.3.3.2. Die soziale Komponente ............................................................................................ 58 3.3.4. Spiele und 3D-Kommunikationsplattformen ................................................................ 59 3.3.4.1. Counterstrike und andere Egoshooter...................................................................... 60 3.3.4.2. SecondLife .................................................................................................................. 63 3.3.4.2.1. SecondLife – eine Beschreibung ........................................................................... 63 3.3.4.2.2. SecondLife – der „Avatar“ und das soziale System.............................................. 65
3.4.
Die Zielgruppe: „the digital divide“ .................................................................................. 70
3.5.
Soziale und gesundheitliche Folgen ................................................................................ 73
4.
ERHEBUNG DES ISTSTANDES............................................................. 76
4.1.
Statistische Daten................................................................................................................ 76
4.2. Bestehende soziale Internetprojekte................................................................................ 81 4.2.1. Netbridge.at ................................................................................................................... 81 4.2.2. Cyberjuz.at..................................................................................................................... 82 4.3. Die Interviewrecherche ....................................................................................................... 84 4.3.1. Interview mit Franz Kratzer........................................................................................... 85 4.3.2. Interview mit Aleks Krotoski.......................................................................................... 86
5.
RESÜMEE ............................................................................................... 88
5.1.
Der Wandel des „virtuellen Raums“................................................................................. 88
5.2.
Die SozialarbeiterIn im virtuellen Raum .......................................................................... 90
5.3.
Methoden der Sozialen Arbeit im virtuellen Raum ........................................................ 92
6.
NACHWORT – EINE PROJEKTVISION ................................................. 93
7.
LITERATURVERZEICHNIS..................................................................... 97
8.
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................... 105
9.
ANHANG ............................................................................................... 107
9.1.
Interview mit Franz Kratzer ............................................................................................. 107
9.2.
Interview mit Aleks Krotoski.......................................................................................... 110
Sozialraum: Internet - Kapitel 1 - Einleitung
1. Einleitung Das World Wide Web – ein äußerst junges Medium. Und Soziale Arbeit: Eine eher junge Disziplin (im Vergleich zu anderen wie Medizin). Doch beide scheinen
in
der
heutigen
gesellschaftlichen
Entwicklung
eine
immer
bedeutendere Rolle einzunehmen. Das World Wide Web übernimmt immer mehr kommunikative Vernetzungsaufgaben zwischen Individuen und Gruppen, was natürlich auch die Soziale Arbeit nicht „kalt“ lassen kann, das diese ja Kommunikation und Vernetzung als einen ihrer zentralen Aufgabenbereiche sieht. Vor allem entstehen aus Entwicklungen des World Wide Web auch neue Formen der Kommunikation, die zu beachten sind. Im Internet werden bestehende gesellschaftliche Grenzen aufgerissen und neue geschaffen. Geografische Grenzen scheinen immer unbedeutender zu werden, während andere Kategorisierungen erschaffen werden. So wird auch immer mehr in den Medien die Frage gestellt, ob der Internettrend sich nicht zu einer der ultimativen Suchtgefahren der westlichen Gesellschaft entwickelt. Solche Entwicklungen können die professionelle Soziale Arbeit nicht unberührt lassen, da es ja auch um sehr viele soziale Herausforderungen geht, die
es
zu
bewältigen
gibt.
Und
wenn
man
von
der
starken
Lebensweltorientierung der gegenwärtigen praktizierten sozialarbeiterischen Handlungsformen ausgeht, kann das unsere Disziplin keinesfalls ignorieren. „Lebensweltorientierung nimmt den Alltag der Adressaten, daher den Ort, wo Probleme entstehen, wo Leben gelebt wird, wo die Adressaten selbst mehr oder minder angemessene Strategien der Lebensbewältigung praktizieren, als originären Ort sozialpädagogischen Handelns in den Blick.“ (Galuske, M. , 2002, s.141). So muss meiner Meinung nach neben dem moralischen Diskurs die Soziale Arbeit virtuelle Sozialräume als Lebenswelten ihrer Adressantinnen annehmen
und gegebenenfalls auch bearbeiten. Doch welche virtuellen
Sozialräume gibt es? Und wie könnte virtuelle Soziale Arbeit aussehen? Viele Fragen, die mich beschäftigten, und mich letztendlich zum Auseinandersetzen mit dieser Thematik motivierten. 4
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
2. Projektbeschreibung und Fragestellung In diesem Kapitel werden die Intention des Projekts sowie dessen methodischer Aufbau beschrieben. Außerdem werden Kategorien und Fragestellung zur Arbeit erläutert.
2.1.
Persönliche Positionierung Um die Perspektive, aus der die Arbeit entstanden ist, festzulegen, erläutere ich in diesem Kapitel meine Positionierung. Meiner Meinung nach werden vor allem folgende Positionen tragend, die beim Bearbeiten auf die Thematik Einfluss haben. Einerseits schreibe ich aus der Perspektive der Sozialen Arbeit. Damit meine ich,
dass
die
Sichtweise
von
professionellen
sozialarbeiterischen
Handlungstheorien geprägt ist. Einen großen Einfluss nehmen darin sicher die Theorien der „aktivierenden Sozialen Arbeit“, die maßgeblichen Stellenwert in meiner Ausbildung hatte.
(Vgl. Popp, R., 2002) Hinzu kommen spezifische
Theorien aus bio-psychosozialen sowie sozioökonomischen Kontexten der Sozialen Arbeit, die meine Haltung, und damit wohl auch meine Positionierung mit beeinflussen. Meiner Meinung nach haben neben der Professionsposition auch meine beruflichen Erfahrungen einen Einfluss auf die Perspektive. Diese sind bei mir in der offenen Jugendarbeit verwurzelt. Momentan bin ich für den Verein „Spektrum“ tätig, der nach seinem Konzept die „Soziokulturelle Animation“ als Grundlage
anführt.
Dies
ist
sicher
auch
ein
Grund,
warum
ich
handlungstheoretisch einen Fokus auf die „Soziokulturelle Animation“ gelegt habe. Im Zuge dieser Tätigkeit habe ich auch im Berufskontext einige medienbezogene
Projekte
durchgeführt.
Ein
Beispiel
ist
das
generationenübergreifende Projekt „Aktion Dialog“, bei dem Kinder und
5
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
Jugendliche mit älteren Menschen ab einem Alter von 55 Jahren gemeinsam das Internet erkunden. Neben der theoretischen sowie praktischen Perspektive
spielt
die private
Einstellung ebenfalls eine Rolle. Dazu muss ich bemerken, dass ich einen beträchtlichen Teil meiner Freizeit in virtuellen Räumen verbringe. Ich habe langjährige Computerspieleerfahrung und beschäftige mich privat auch mit dem Erstellen und Administrieren von Blogs. Außerdem bin ich User einiger Social Networkingplattformen wie www.myspace.com oder www.studivz.net . Durch meine Recherchen bekam ich auch einen intensiveren Zugang zur Plattform SecondLife und arbeite momentan in Kooperation mit der Kulturinitiative Kunstbox an dem Blog
http://kunstboxer.blogspot.com/ , der sich mit einer
Bestandsaufnahme der Kunstszene in SecondLife befasst. Man kann also sagen, dass ich von meiner persönlichen Einstellung ein intensiver Nutzer des Mediums Internet bin, und die Entwicklung des Internets eine Faszination auf mich auswirkt. Selbstreflexiv gesehen verbringe ich sicher auch
oft
zu
viel
Zeit
vor
dem
Bildschirm,
und
bin
oft
äußerst
„technologiebegeistert“, was in der Perspektive berücksichtigt werden muss. So versuche ich, Entwicklungen des Internet auch kritisch zu sehen, kann aber keineswegs objektiv beurteilen, ob die Begeisterung nicht manchmal „Blinde Flecken“ erzeugt. Fazit: Meine Position, aus der ich diese Arbeit schreibe, ist einerseits die des Sozialarbeiters, der im Beruf stark von Methoden und Handlungsfeldern der Soziokulturellen Animation geprägt ist, andererseits bin ich privat ein intensiver Nutzer des Mediums Internet
6
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
2.2.
Intention des Projektes
Die fortschreitende Entwicklung des Internets war schon seit vielen Jahren im Fokus meines Interesses. Im Zuge meiner beruflichen Tätigkeiten konnte ich dann Erfahrungen mit der Thematik Medien und offene Jugendarbeit sammeln. Bei der Mitarbeit in einigen Medienprojekten konnte ich oft Jugendliche sowie SozialarbeiterInnen im Umgang mit Medien beobachten. Viele Fragen stellten sich für mich in den Raum, die ich durch erlernten
Theorien
nicht
beantworten
die im Zuge meiner Ausbildung konnte.
Die
Vermittlung
von
Medienkompetenz hatte in der Sozialarbeiterischen Ausbildung nur wenig Bedeutung.
Deutlich
wurde
das
wohl
auch
Fachhochschullehrganges der Sozialen Arbeit
durch
den
Umzug
des
auf den modernen Campus
Urstein, der durch den vermehrten Einsatz von Technologie (z.b. ELearningplattform, Netzlaufwerk, etc.) an der FH Salzburg für Studierende so wie Lehrende ein enorme Herausforderung darzustellen schien. Zusätzlich nahm die Zahl von Menschen, die große Teile ihrer Freizeit im Internet verbringen, stetig zu. Die Computerspieleindustrie wurde nach und nach zur bedeutendsten Medienindustriesparte, und gerade die Ausweitung der Spiele auf das Internet erzeugte große Gruppen von UserInnen, die durch das Netz spielerisch miteinander interagierten. Auch die Informationsmedien wie Zeitungen, Fernsehen nahmen die Thematik immer mehr auf. Alle diese Faktoren führten dazu, dass ich anfing, mich damit zu beschäftigen, welchen
Stellenwert
die
Soziale
Arbeit
in
der
fortschreitenden
Mediengesellschaft einnehmen wird und wie sie auf Entwicklungen reagieren kann.
7
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
2.3.
Methodisches Vorgehen Um das methodische Vorgehen zu bestimmen, werden die Themenkomplexe ergründet, die für die Arbeit von Bedeutung sein könnten. Dafür benutzte ich grafische Hilfestellungen, um die Fragestellungen bzw. Kategorien zu strukturieren. Vorerst war mir nur klar, dass ich die Rolle der Sozialen Arbeit im „Sozialraum Internet“ beleuchten will. Um das Thema zu spezifizieren, erstellte ich im Findungsprozess folgende Grafik:
Abbildung 1: Projektbeschreibung - Erstellt am 13.11.2006
8
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
Durch die anfängliche Literaturrecherche konnte ich einige für die Arbeit bedeutenden strukturierte
Themenkomplexe ich
Interviewleitfaden.
gleichsam Die
herausarbeiten. die
Nach
theoretischen
Kategorien
diesen
Kapitel
Punkten
sowie
„Medienkompetenz“
den sowie
„Soziale/Gesundheitliche Folgen“ ergaben sich erst aus weiterführenden Recherchearbeiten.
Um
einen
Überblick
über
den
momentanen
Forschungsstand meiner Kategorien zu erhalten, liegt ein großer Fokus der Arbeit in der Literatur- und Internetrecherche. Gerade Internetrecherche hat in den Kapiteln, die sich mit Entwicklungen des Internets und den virtuellen Räumen beschäftigt, einen hohen Stellenwert. Als Beispiel nenne ich die Recherche über die Applikation „SecondLife“, über die es wenig bis gar keine Buchliteratur gibt, da das Projekt erst seit 2002 besteht. Als Ergänzung für Informationen, dich ich nicht aus der Literatur gewinnen konnte, und um die Blickwinkel von Personen, die sich professionell im virtuellen Raum bewegen, einzubeziehen, beschloss ich zusätzlich die Durchführung von ExpertInneninterviews. Die ExpertInnen sollten möglichst in Projekten bzw. Institutionen tätig sein, die sich
mit
den
Aspekten,
die
für
meine
Kategorien
bedeutsam
sind,
auseinandersetzen. Als Verfahren wählte ich das Problemzentrierte Interview nach Mayring (Mayring, P.; 1996 ,s.50ff), da dieses Verfahren ansetzt, nachdem die Problemstellung bereits von objektiver Seite analysiert wurde, was in der Literaturrecherche bereits passiert ist.
Weiters ist das Prinzip der
Offenheit des problemzentrierten Interviews von Vorteil, da die ExpertInnen so selbst Zusammenhänge im Interview entwickeln können. Modifiziert habe ich das Verfahren dadurch, dass ich die Interviews per Email durchgeführt habe, also schriftlich. Dies diente dazu, das Internet als Kommunikationsmedium zu nutzen. Dadurch fallen natürlich „Ad-hoc-Fragen“ zuerst einmal weg, da der ursprüngliche Interviewleitfaden von der ExpertIn ohne das Beisein der Interviewführenden beantwortet wird. Spezifische Fragen wurden jedoch noch nachträglich per Email nachgereicht. Bei der Auswertung des Interviews entschied ich mich aufgrund Strukturierung in Kategorien für eine modifizierte Form der „Qualitativen Inhaltsanalyse“ nach 9
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
Mayring (vgl. Mayring, P.; 1996, s.91ff). Dabei wird das Material zergliedert und schrittweise bearbeitet.
2.4.
Auswahl der Kategorien/Fragestellung
In diesem Kapitel werden die verschiedenen ausgewählten Kategorien kurz
beschrieben
und
die
Auswahl erläutert.
Außerdem
werden
die
Leitfadenfragen zu den jeweiligen Kategorien angeführt. Wie setze ich mich nun in dieser Arbeit mit der Thematik auseinander? Ich versuche, den Bereich der virtuellen Sozialräume auf einen möglichen Bedarf für die Soziale Arbeit zu untersuchen. Vorerst
formuliere
ich
dazu
folgende
Fragestellung:
Wie
kann
die
SozialarbeiterIn im virtuellen Sozialraum wirken? Hinzu kommt, dass natürlich die Soziale Arbeit ein großes
Spektrum an
verschiedenen methodischen Vorgehensweisen bietet und auch Methoden anderer
Disziplinen
für
sich
adaptiert.
Dadurch
ist
natürlich
eine
Voruntersuchung einiger sozialarbeiterischer Handlungsformen nötig und vor allem auch der Beziehung zwischen virtuellen und realen Raum zu überprüfen. Welche sozialarbeiterischen bzw. pädagogischen Methoden bedarf es, um im virtuellen Sozialraum zu wirken? Besteht ein Handlungsbedarf für SozialarbeiterInnen im virtuellen Sozialraum? Welche „Orte“ im Internet könnten sich für sozialarbeiterische Interventionen eignen?
10
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
Um die Fragen exakter zu spezifizieren, teilte ich sie in Kategorien ein. So entstanden vier Themenkomplexe, die im folgenden Kapitel beschrieben werden.
2.4.1. Der Sozialraum
Diese
Kategorie
schien
mir
wichtig,
da
der
Sozialraum
einen
Überschneidungspunkt der Sozialen Arbeit mit dem Internet bildet. Die Beziehung zwischen virtuellem und realem Raum ist außerdem ein zentraler Bestandteil meiner Fragestellung. Im theoretischen Teil zu dieser Kategorie werden verschiedene Arten von Sozialräumen beschrieben, sowie der Begriff des virtuellen Raums erläutert. Dabei wird auch die Beziehung der verschieden Sozialräume zur Gewalt bearbeitet, was aus dem momentanen öffentlichen Diskurs zu dem Zusammenhang zwischen Gewalt und Computerspielen zu erklären ist. Folgende Leitfadenfragen wurden daraus entwickelt: -
Wie ist die Beziehung zwischen virtuellem und realem Raum?
-
Wie ist die Beziehung zwischen der eigenen Persönlichkeit und dem „Avatar“? (die virtuelle Identität)
-
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Gewaltspielen und realer Gewalt?
-
Wie verhalten sich Gruppendynamiken im virtuellen Raum im Gegensatz zum realen Raum?
11
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
2.4.2. Virtuelle Soziale Arbeit Die Soziale Arbeit und die Wirkung auf das Internet sollen in dieser Kategorie vertreten sein. Theoretisch werden dabei verschiedene Handlungsformen und Methoden beschrieben. Die Kategorie ist als ein zentraler Bestandteil der Auseinandersetzung aus sozialarbeiterischer Sicht betrachten. Dabei liegt der Fokus auf der soziokulturellen Animation bzw. der sozialraumorientierten Jugendarbeit. -
Virtuelle soziale Arbeit - kann Soziale Arbeit im Internet etwas bewirken?
-
Würden Angebote, wie zum Beispiel ein Stadtteilzentrum angenommen werden?
-
Welchen Stellenwert nehmen SozialarbeiterInnen im Sozialraum ein, wer deckt den Bedarf jetzt ab?
-
Wie verhält es sich mit dem doppelten Mandat der Sozialen Arbeit im Internet, wer übernimmt zum Beispiel in SecondLife die Rolle des Staates?
2.4.3. Soziale/gesundheitliche Auswirkungen Diese Kategorie beschränkte sich zuerst auf den Themenkomplex soziale Auswirkungen. Bei näherer Recherche sowie bei Diskussionen mit KollegInnen stellte sich auch der Gesundheitsaspekt als bedeutend heraus. Hier werden mögliche negative bzw. positive Aspekte der Nutzung des Internets hinsichtlich der Auswirkungen auf die UserInnen beleuchtet. -
Führt übermäßige Internetnutzung zu sozialer Isolation?
-
Wie hoch wird das Suchtpotential eingeschätzt?
-
Kann der virtuelle Raum als Projektionsfläche therapeutische Wirkung haben?
-
Welche psychischen Folgen kann die übermäßige Internetnutzung haben?
12
Sozialraum: Internet - Kapitel 2 - Projektbeschreibung und Fragestellung
2.4.4. Medienkompetenz Die Medienkompetenz als Kategorie Recherche, da sie
entwickelte sich zuletzt aus der
immer wieder als wichtiger Aspekt pädagogischer
Handlungsformen im Bereich Medien beschrieben wird. Im theoretischen Kapitel findet sich eine Definition aus medienpädagogischer Sicht. Wie „medienkompetent“ ist die moderne professionelle Soziale Arbeit? Wie medienkompetent sind Jugendliche?
13
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3. Definitionen und Theorien
In den folgenden Unterkapiteln werden die Definitionen und Theorien der verschiedenen Themenkreise aus dem Bereich der „Sozialen Arbeit“ sowie dem „virtuellen
Sozialraum“
erläutert.
Das
Internet
und
dessen
derzeitige
Entwicklungen werden ebenfalls thematisch behandelt. Dabei sollen die Kategoriefragen aus theoretischer Sicht beleuchtet werden.
3.1. Soziale Arbeit
Hier wird kurz eine Umschreibung des Begriffes „Soziale Arbeit“ skizziert sowie dessen wichtigste Merkmale umschrieben. Zuerst muss einmal der Begriff „Soziale Arbeit“ als solcher definiert werden. Ich werde versuchen, in dieser Arbeit nicht auf den in der Sozialen Arbeit allgegenwärtigen Begriffsdiskurs einzugehen, sondern einfach das Verständnis von Sozialer Arbeit, wie es für diese Arbeit von mir gewählt wurde, zu erläutern. Natürlich können dabei kritische Betrachtungen der Definition nicht außer Acht gelassen werden.
14
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.1.1. Begriffserklärung
„Soziale Arbeit = (Sozialarbeit / Sozialpädagogik) Der Begriff Soziale Arbeit dient in Anlehnung an den englischen Fachterminus „Social Work“ als Überbegriff von den zwei zum Teil eigenständig entwickelten Theorie- und Praxiskontexten „Sozialarbeit“ einerseits und „Sozialpädagogik“ andererseits. In dieser Arbeit beschränke ich mich jedoch auf die Beschreibung der Sozialarbeit, obwohl der sozialpädagogische Einfluss natürlich nicht wegzudenken ist. Die Organisation „International Federation of Social Workers“ beschlossen bei der IFSW Generalversammlung in Montréal laut der Homepage des österreichischen
Berufsverbandes der
SozialarbeiterInnen
die
Definition
folgendermaßen: „Soziale Arbeit als Beruf fördert den sozialen Wandel und die Lösung von Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen, und sie befähigt die Menschen, in freier Entscheidung ihr Leben besser zu gestalten. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und soziale Systeme greift soziale Arbeit dort ein, wo Menschen mit ihrer Umwelt in Interaktion treten. Grundlagen der Sozialen Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit.“ (http://www.sozialarbeit.at/def.htm, aufgerufen am 12.4.07) Diese sehr allgemeine Definition beschreibt die professionelle Soziale Arbeit als wissenschaftsgeleitete Disziplin, deren Handlungsfelder dort zu finden sind, wo Menschen miteinander interagieren. In einigen weiteren Punkten wird beschrieben, dass Soziale Arbeit auf humanitären und demokratischen Idealen basiert, und diese Werte resultieren aus dem Respekt vor der Gleichheit und Würde aller Menschen. Außerdem werden die Förderung und Entwicklung der Stärken, sowie die Integration von verletzten, ausgestoßenen und unterdrückten Menschen als zentraler Punkt 15
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
angesehen. Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit sowie die „Codes of Ethics“ werden als Motivation für sozialarbeiterisches Handeln angeführt. (Vgl. ebd.) „Professionelle Soziale Arbeit benennt die Grenzen, Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die in der Gesellschaft existieren. Sie antwortet auf Krisen und Gefahren ebenso, wie auf alltäglich auftretende persönliche und soziale Probleme. Professionelle Soziale Arbeit verfügt über eine Vielfalt von Methoden und Techniken sowie Handlungsmöglichkeiten, die sich sowohl auf den einzelnen Menschen wie auf die Umwelt konzentrieren. Die Intervention von professioneller
Sozialer
Arbeit
reicht
von
rein
personenbezogenen
psychosozialen Prozessen, bis zur Beteiligung an sozialer Gesetzgebung, Planung und Entwicklung. Dies bezieht Beratung, klinische Sozialarbeit, Gruppenarbeit, sozial-pädagogische Arbeit, Familienberatung und –Therapie mit ein. Ferner sollen Menschen unterstützt werden, Soziale Dienste in Anspruch zu nehmen. Auch Verwaltungstätigkeiten, so wie soziale Aktionen bedeuten
Einmischung,
Entwicklung
eng
um
miteinander
soziale zu
Gesetzgebung
verknüpfen.
Der
und
wirtschaftliche
Schwerpunkt
von
professioneller Sozialer Arbeit wird von Land zu Land, von Zeit zu Zeit variieren, dies hängt mit den kulturellen, historischen und sozialwirtschaftlichen Bedingungen zusammen.“ (http://www.ifsw.org/en/p38000208.html, aufgerufen am 12.4.07 übersetzt: http://www.sozialarbeit.at/def.htm, aufgerufen am 11.4.07) Besonders herauszuheben ist der Methodenbezug, der mit der Definition der Sozialen Arbeit einhergeht. Neben den bio-psychosozialen Handlungsfeldern wird auch die sozioökonomische Komponente in der Sozialen Arbeit genannt. Als eine Haltung, welche besonders auf die Förderung der Stärken der Zielgruppen und Individuen sowie die Aktivierung zur Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen abzielt, wird immer wieder „Empowerment“ genannt. „Empowerment meint den Prozess, innerhalb dessen Menschen sich ermutigt fühlen, ihre eigenen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen, ihre eigenen Kräfte und Kompetenzen zu entdecken und ernst zu nehmen und den Wert 16
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
selbsterarbeiteter Lösungen schätzen zu lernen. Empowerment bezieht sich auf einen Prozess, in dem die Kooperation von gleichen oder ähnlichen Problemen betroffenen Personen durch ihre Zusammenarbeit zu synergetischen Effekten führt. Aus der Sicht professioneller und institutioneller Hilfen bedeutet die Empowermentperspektive die aktive Förderung solcher solidarischer Formen der Selbstorganisation.“(Keupp 1996, s. 164 zitiert in Galuske, 2002, s. 264) In den vergangenen Jahrzehnten hat die wissenschaftliche Sozialpädagogik einen großen Teil der innovativen wissenschaftlichen Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum ausgemacht und damit zur Entwicklung des gesamten Fachgebietes „Soziale Arbeit“ in Theorie und Praxis beigetragen, obwohl auch andere wissenschaftliche Disziplinen wie Psychologie
oder
Soziologie
entscheidenden
zum Beispiel die
Einfluss
auf
die
sozialarbeiterische Methodenentwicklung hatten. Popp definiert die Soziale Arbeit von der strukturellen Seite (siehe Abbildung): „Soziale
Arbeit
ist
ein
relativ
kleines
Teilgebiet
des
gesamten
Interventionskomplexes der sozialen Dienstleistungen. Soziale Dienstleistungen sind wiederum ein Subsystem der sog. sozialstaatlichen Leistungen“ (Popp, R.; 2002; s.19 ). Daraus folgt, dass die Soziale Arbeit in den Komplex sozialstaatlicher Leistungen integriert ist.
17
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Abbildung 2: Popp, Reinhold; Aktivierende Soziale Arbeit, Band 1 der Schriftenreihe Human & Life Sciences“ des Fachhochschulstudiengangs für Soziale Arbeit - Salzburg; 2002, AK-Salzburg; Salzburg s.19
Laut der Generalversammlung des Österreichischen Berufsverbands der SozialarbeiterInnen wurde für dessen Berufsbild der unter anderem folgende Definition für Soziale Arbeit beschlossen: „Gelingt es einzelnen Personen, Gruppen oder auch im Gemeinwesen nicht mehr die Alltagsbewältigung aus eigener Kraft, sowie mit eigenen Mitteln zu vollziehen, so setzt die Soziale Arbeit in Form einer professionellen Hilfe ein. Dabei sollen die Probleme ganzheitlich erfasst, die Würde des Menschen geachtet
und
soziale
Gerechtigkeit
angestrebt
werden.
International
beschlossene ethische Werte müssen miteinbezogen, sowie soziales Unrecht, das durch individuelle und gesellschaftliche Ursachen entsteht, bereinigt werden. Für die Ausführung Sozialer Arbeit wird eine entsprechende Ausbildung vorausgesetzt, die auf eigener Wissensbasis und eigenen Methoden aufgebaut und als eigenständige wissenschaftliche Disziplin dokumentiert ist, sowie die professionelle Praxis reflektiert.“ 18
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
(vgl. http://www.sozialarbeit.at/berbi.html, aufgerufen am 9.03.2006) Aus einem weniger wissenschaftsgeleiteten Blickwinkel definiert Rudolf Bauer die Soziale Arbeit: Soziale
Arbeit
ist
„
die
Gesamtheit
der
Tätigkeiten
in
denjenigen
gesellschaftlichen Bereichen, die das Sozialwesen im weitesten Sinne ausmachen : die gesamte Wohlfahrtspflege, die Jugendhilfe, Sozialisation und Resozialisation sowie die helfenden, beratenden, vernetzenden, erzieherischen und pflegerischen Anteile im Gemeinwesen-, Gesundheits-, Behinderten-, und Pflegebereich.“ (Bauer, R.; 1997,S.23) Diese Definition berücksichtigt jedoch lediglich Handlungsfelder und erfasst nicht den professionellen Anspruch der Sozialen Arbeit. Empowerment
versteht sich nicht als Methode, sondern präsentiert nach
Galuske eher eine professionelle Haltung. Fazit: -
Soziale Arbeit ist ein Teilgebiet des Interventionskomplexes sozialer Dienstleistungen (vgl. Popp, R.; 2002; s19 ff).
-
Soziale Arbeit verfügt über eigenständige Methoden und Techniken.
-
Soziale Arbeit ist theoriegeleite professionelle Hilfe für Menschen oder Gruppen, die ihre Alltagsbewältigung nicht mehr aus eigener Kraft vollziehen können. (Vgl. http://www.sozialarbeit.at/berbi.html, aufgerufen am 9.03.2006)
-
Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit sowie die „Codes of Ethics“ sind als Motivation für sozialarbeiterisches Handeln aufgeführt. (Vgl. ebd.)
19
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.1.2. Methoden und Formen der Sozialen Arbeit
In diesem Kapitel werden einige Methoden und Formen der Sozialen Arbeit sowie dessen Funktion beleuchtet.
Galuske sieht eine sozialarbeiterische Methode als „Planmäßig durchgeführte Gestaltung
von
zielorientierten
Hilfeleistungen,
die
kontrollierbar
und
nachvollziehbar sind“. Dazu werden strategische Techniken verwendet, die vom Experten als geeignet angesehen werden. Es wird überprüft und reflektiert, inwiefern diese Prozesse den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den allgemeinen Erfordernissen wie Arbeitsfeld, Interventionsziele, den Institutionen sowie den beteiligten Personen entsprechen. (Vgl. Galuske, 2002, s. 25 - 29) Anhand eines groben Rasters entnommen aus Popp, (2002; s. 69) werden folgende Methoden eingeteilt in: -
Klientenbezogene Methoden
Einen Teilbegriff der klientenbezogenen Methoden stellen die gruppen- und sozialraumbezogenen Methoden dar. Dazu zählt Sozioanalyse/Soziotherapie, soziale Mediation und soziales Konfliktmanagement sowie die soziokulturelle Animation. Zur Sozialen Gruppenarbeit sagt Vinter: „Gruppenarbeit ist ein Verfahren, mit dem Individuen innerhalb und durch kleine Primärgruppen geholfen werden soll, sich in wünschenswerter Richtung zu verändern. Dieses Verfahren erkennt die Kraft sozialer Kräfte an, die innerhalb kleiner Gruppen entstehen und versucht, diese Kräfte im Interesse der Veränderung von Klienten in Dienst zu nehmen. Die Bildung, Entwicklung und die Prozesse innerhalb der Gruppe werden vom Gruppenpädagogen bewusst
20
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
und behutsam in Richtung der von ihm definierten Ziele seiner Hilfeleistung beeinflusst“ (Vinter 1970, S. 194 f. zitiert in Galuske, 2002, S. 89). Einen weiteren Teilbereich bildet der Komplex der einzelfallbezogenen Methoden. Dazu gehört zum Beispiel die Sozialdiagnose und Begutachtung, die soziale Beratung mit lebensweltlichem Bezug, die psychosoziale Begleitung sowie Case Management. Als Besonderheit dieser Methode soll erwähnt werden, dass nicht nur SozialarbeiterInnen,
sondern
mehrere
Fachkräfte
aus
unterschiedlich
spezialisierten Berufsgruppen gemeinsam zur Beratung, Begleitung oder Betreuung beitragen. Die zuständige Case ManagerIn überwacht und koordiniert die vorgesehenen Unterstützungsmaßnahmen. In der Regel wird ein sechs Phasen-Plan erstellt, nachdem sich das Case Management vollzieht: Die Aufgabenstellung wird erfasst, daraus werden die Hilfeleistungen abgeleitet. Eine genaue Planung der Dienstleistungen wird erstellt und Unterstützung auf das gesetzte Ziel wird koordiniert und vermittelt. Am Ende steht die Kontrolle und Auswertung der Dienstleistungen. Case Management will KlientInnen soziale Dienstleistungen ermöglichen, die zur Lösung ihrer Probleme benötigt werden. SozialarbeiterInnen vermitteln als CasemanagerInnen wirtschaftliche, soziale, gesundheitliche oder sonstige Hilfen an Menschen, die auf diese Leistungen angewiesen sind. In den USA wurde nach 1970 das Casemanagement als Methode entwickelt, um
die
entstandene
Zersplitterung
sozialer
Dienstleistungsangebote
aufzuheben. (Vgl. http://www.sign-lang.uni-hamburg.de, aufgerufen am 2.2.07). Weiters beschreibt Popp die -
Strukturbezogenen Methoden
Dazu gehören Methoden wie die Sozialplanung sowie die regionale Sozialentwicklung.
Ein
Teilbereich
ist
außerdem
der
Bereich
des
Sozialmanagements einschließlich dem sozialen Projektmanagement sowie 21
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Qualitätsmanagement. Auch die Öffentlichkeitsarbeit gilt als strukturbezogene Methode. Nicht zu vernachlässigen sind die -
Professionsbezogenen Methoden
Hierbei handelt es sich um die berufsbezogene Selbstreflexion (psychosozial orientierte Selbstreflexion mit besonderer Beachtung unbewusster Anteile der Helfermotivation
und
der
professionellen
Handlungsmuster)
sowie
Selbstevaluation, Supervision und Intervision. (Vgl. Popp, R.; 2002; s. 69,)
Fazit: Das Methodenspektrum in der Sozialen Arbeit umfasst laut Popp folgende Methoden: Klientenbezogene Methoden: Sozioanalyse, Soziotherapie, soziale Mediation, soziales Konfliktmanagement, soziokulturelle Animation, Sozialdiagnose und Begutachtung, soziale Beratung, psychosoziale Begleitung, Case Management Strukturbezogene Methoden: Sozialplanung, regionale Sozialentwicklung, Sozialmanagement, Öffentlichkeitsarbeit, Sozialadministration und -dokumentation Professionsbezogenen Methoden: Selbstreflexion, Selbstevaluation, Supervision, Intervision Dieses Ausmaß an Methoden können natürlich nicht alle im Zuge dieser Arbeit beschrieben werden. So lege ich den Fokus auf die „Soziokulturelle Animation“ die als klientenbezogene Methode bzw. Haltung gilt. Diese wird in den folgenden Kapiteln näher erläutert.
22
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.1.3. Die Soziokulturelle Animation
Dieses Kapitel gibt einen historischen Überblick über die Entwicklung der „Soziokulturellen Animation“ in den verschiedenen deutschsprachigen Ländern, sowie
Einblicke in
die verschiedenen heute praktizierten Formen dieser
Methode.
3.1.3.1. Geschichte und Begriffe
Der Begriff „Animation“ für kulturelle Aktivitäten bildete sich in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in Frankreich. Zu dieser Zeit wurden vermehrt Bildungsund Kulturaktivitäten der Bevölkerung unterstützt. (Vgl. Moser, Müller, Wettstein, Willener, 1999 s. 41ff.). Von Frankreich aus verteilte sich das Konzept durch den kolonialen Einfluss auf die ganze Welt und nahm kulturell bedingt unterschiedliche Ausformungen an. Einen besonderen Stellenwert bekam die Entwicklung der Soziokulturellen Animation vor allem auch in der Schweiz sowie in den Niederlanden. Im deutschsprachigen Raum nahm Opaschowski das Konzept auf und verstand „Animation“ als Kategorie der Freizeitwissenschaft und der Freizeitpädagogik. Dabei
ist für ihn Animation primär, jedoch nicht nur,
im Freizeitbereich
angesiedelt. Die Teilnahme am Angebot der Animation ist grundsätzlich freiwillig. (Vgl. Moser, Müller, Wettstein, Willener, 1999 s.16 ) Er umschreibt die freizeit-kulturelle Animation folgendermaßen: „Freizeit –kulturelle Animation bezeichnet:
23
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
das Ziel der Ermutigung, Anregung und
Befähigung, beim Einzelnen
oder der Gruppe, Begeisterung dafür zu wecken, eigene Fähigkeiten und Möglichkeiten, die latent vorhanden sind, zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen; -
die
Methode
der
Motivierung,
Initiierung
und
Förderung
von
Lernprozessen und/oder Aktivitäten und/oder sozialen Aktionen Einzelner oder Gruppen; -
den
Prozess
personen-,
gruppen-
oder
gemeinwesenorientierter
Belebung, Beratung und Begleitung; -
die Wirkung der Kontaktierung, Aktivierung und Koordination von Angeboten, Aktivitäten und Aktionen (Opaschowski 1979, s. 55)
Dabei liegt Opaschowski den Schwerpunkt auf die Zielsetzung der freizeitkulturellen Animation. Einen unterschiedlichen Definitionsversuch
lieferte der Franzose Pierre
Besnard 1986: „Die soziokulturelle Animation lässt sich als ein Ensemble von Praktiken, Aktivitäten und Beziehungen charakterisieren: -
Die Praktiken und Aktivitäten betreffen die von den Individuen in ihrem sozialen Leben, besonders in ihrer Freizeit, gezeigten Interessen. Diese Interessen
lassen sich wie folgt einteilen (nach J.Dumazedier):
künstlerische, intellektuelle, soziale, alltagspraktische und physische. -
Diese Praktiken reagieren auf das Bedürfnis nach Einführung, Ausbildung und Handlung, das durch bestehende Institutionen nicht gedeckt wird. Sie befriedigen Funktionen der Erholung, Zerstreuung und Entwicklung.
-
Diese Praktiken sind freiwillig (im Unterschied zu gewissen kulturellen Verpflichtungen in der Schule), ob es sich um die Ausführung einer Tätigkeit oder um die Teilnahme an einer Vereinigung handelt.
-
Diese Praktiken und Aktivitäten sind im Prinzip offen für alle Kategorisierungen von Individuen,
welches auch immer ihr Alter,
Geschlecht, ihre Abstammung, ihr Beruf usw. ist. -
Diese Praktiken und Aktivitäten setzen im Prinzip kein vorgängig zu erreichendes Niveau voraus. 24
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
Diese Praktiken sind im Prinzip nicht auf das Erreichen einer Qualifikation oder eines Diploms ausgerichtet.
-
Diese Praktiken werden im Prinzip in Gruppen ausgeübt, innerhalb einer der verschiedenen soziokulturellen Institutionen.
-
Sie werden allgemein unter der Mithilfe eines professionellen oder ehrenamtlichen Animators ausgeübt, der im Prinzip eine entsprechende spezielle Ausbildung bekommen hat und vorwiegend Methoden der aktivierenden Pädagogik einsetzt.“ (Besnard, 1986, s. 59 ff aus Moser, Müller, Wettstein, Willener, 1999, s. 15 )
Vielen in der soziokulturellen Animation war diese Definition jedoch zu diffus, auch prägten die französischen Pädagogen einen anderen Zugang, als es im deutschsprachigen Raum der Fall war. Überhaupt wird in Frankreich immer wieder betont, dass Animation nicht einzuordnen sei (vgl. Gillet, 1995). Einen Schmelztiegel der Auseinandersetzung mit der soziokulturellen Animation bildete in weiterer Entwicklung die Schweiz. Hier liefen die Strömungen verschiedener Theorien zusammen. Der erste gemeinsame Versuch einer Begriffsdefinition passierte 1989 in der „gemeinsamen Plattform der schweizerischen Schulen für soziokulturelle Animation“, welche versuchte, die unterschiedlichen Diskussionsstränge zu vereinen. Sie präsentierten folgendes Ergebnis: -
Animation ist somit eine soziale Aktion, welche behauptet, auf die Entwicklung der Gesellschaft und die Aktivitäten, die Einstellung und die Kommunikation von Individuen Einfluss zu nehmen.
-
Mittels
Animation werden
verschiedene Gruppen
von Menschen
angesprochen (Initiativgruppen, Quartierbewohner usw.). Ihre eigentliche Wirkung
entfaltet
die
Animation
erst
durch
die
Aktivität
der
angesprochenen Gruppen. -
Animation ermutigt solche Gruppen, gemeinsame Projekte zu realisieren und damit an den sie betreffenden Entscheidungen teilzunehmen.
25
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Ausgehend von sozialen Defiziten ermutigt Animation die Betroffenen, selbst zu handeln und zu entscheiden. -
Animation
beruht
somit
auf
sozialpädagogischen
Ansätzen,
die
aktivierend wirken. Abschließend wurde festgehalten: ”Soziokulturelle Animation ist eine soziale Aktion, welche sich in verschiedenen Aktivitäten ausdrückt, abhängig von den sozialen, kulturellen und politischen Bedingungen und Möglichkeiten der betroffenen Bevölkerung. Diese Aktion zielt darauf ab, die betroffenen Gruppen zu strukturieren und zu aktivieren, um die von diesen Gruppen beabsichtigten sozialen Veränderungen zu erreichen. Die Teilnahme beruht auf Freiwilligkeit, und die Aktion findet auf der Basis demokratischer Strukturen statt. Die Mittel der Aktion sind Methoden der aktivierenden Pädagogik, welche die Mitbeteiligung stimulieren.” (Moser, Müller, Wettstein, Willener, 1999 s. 20) So scheinen Aktivierung sowie Freiwilligkeit zentrale Vorraussetzungen für die soziokulturelle Animation zu sein. Außerdem ist sie eine klar gruppenbezogene Form der Sozialen Arbeit.
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Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.1.3.2. Methoden und Formen der soziokulturellen Animation
In diesem Kapitel werden Methoden, Arten und Formen der soziokulturellen Animation erläutert. Opaschowski
unterteilt
die
unterschiedlichen
Arten
der
Animation
folgendermaßen: „Die sozialökologische Animation (z. B. anregungsreiche Bedingungen der physischen Umwelt, wie Wohnung und Wohnumfeld, Stadt, Landschaft oder die soziale Umwelt wie Freundeskreis, Nachbarschaft, Gemeinwesen, Organisationen, Vereine, Kirchen.) Materielle Animation (z. B. Einrichtungen, Ausstattungsgeräte, Materialien, Sport- und Spielgeräte mit hohem Aufforderungscharakter.) Die mediale Animation (z. B. Einsatz attraktiver Medien und technischer Mittel wie Plakate, Flugblätter, TV, Video, neue Medien, werbewirksame Öffentlichkeitsarbeit). Personalanimation (z. B. persönliches Ansprechen der PassantInnen, ZuschauerInnen, InteressentInnen und möglicher TeilnehmerInnen).“ (Opaschowski 1996, s. 208) Wie im vorigen Kapitel erwähnt, spielte die Schweizer Entwicklung eine bedeutende Rolle im Diskurs. Als Grundlage für die Animationsausbildung in der Schweiz wurden folgende Punkte als Funktionen der soziokulturellen Animation angeführt:
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Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
Integrationsfunktion:
Kommunikation
zwischen
verschiedenen
Individuen, Gruppen und Kulturen wird ermöglicht und stimuliert. -
Partizipationsfunktion:
Alte
Formen
der
gesellschaftlichen
und
kulturellen Beteiligung werden aktiviert und neue Beteiligungsformen werden mit ihren Adressaten kreiert und durchgesetzt. -
Vernetzungsfunktion: Aufbau sozialer und kultureller Netzwerke wird unterstützt und begleitet.
-
Funktion des Zeitmanagements: Gestaltungsmöglichkeiten freier Zeit für gesellschaftliches und kulturelles Engagement werden gefördert und unterstützt, um zur Erhöhung der Kompetenz im Umgang mit Freizeit beizutragen.
-
Edukative Funktion: Primär im außer- und nachschulischen Bereich, Bildungs- und Lerngelegenheiten werden erschlossen und angeboten.
-
Enkulturative Funktion: Selbstwahrnehmung, Selbstdarstellung und kultureller Austausch wird gefördert und somit wird das Hineinwachsen von Individuen und Gruppen in die Kultur der sie umgebenden Gesellschaft erleichtert.
-
Ressourcenerschließende, soziokulturelle Ausgleichsfunktion: Die Vernetzung vorhandener Ressourcen wird erschlossen, so dass diese zum Tragen kommen und Ausgleichsfunktionen wahrgenommen werden können.
-
Funktion der Kritik und der Solidarität: Hilfe leisten, Kritik an gesellschaftlichen Missständen zu artikulieren, und somit die Grundlagen zur Aktivierung von Solidarität schaffen.
-
Präventionsfunktion:
Gesellschaftliche
Problemlagen
frühzeitig
wahrnehmen und informierend, unterstützend und ausgleichend zu deren Bearbeitung
Beiträge
leisten,
und
so
zur
Verhinderung
ihrer
Chronifizierung beitragen. (Vgl. Moser, Müller, Wettstein, Willener ;1999, s. 21-22) Der frühere Dachverband KOSSA (Schweizerische Koordination der Höheren Fachschulen für soziokulturelle Animation)
28
definierte außerdem die drei
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
zentralen Rollen des Animators und teilte sie in Concepteur, Mediateur und Organisateur. Diese Rollen werden folgendermaßen beschrieben: -
Der Concepteur hat die Aufgabe, Studien des Milieus durchzuführen, die für seine Arbeit notwendig sind. Er sollte darauf achten, wie die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfassen sind und wie echte Mängel in einem Konflikt herauszufinden sind. Außerdem ist es die Aufgabe des Concepteurs, ein zielorientiertes Aktionsprojekt zu entwerfen.
-
Der Mediateur hat die Aufgabe, Kreativität und Kommunikation allen Gruppen und Individuen zu fördern und das Projekt allen betroffenen Gruppen zugänglich zu machen. Auch Verhandlungsprozesse zu fördern gehört zu seinem Aufgabenbereich.
-
Der Organisateur muss Aktionen verschiedener Zeitdauer planen und die nötigen finanziellen
Ressourcen finden. Weiters hat er die Aufgabe,
qualifizierte MitarbeiterInnen zu finden und zu koordinieren. Auch die Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den Aufgaben des Organisateur sowie das zur Verfügung stellen von Personal, Material und Ausrüstung für Projekte. Er hat außerdem die Verantwortung gegenüber den Partnern. (Vgl. Moser, Müller, Wettstein, Willener ;1999 s. 23 - 24)
Fazit: -
Soziokulturelle Animation zielt auf die Aktivierung und Strukturierung der
Bevölkerung ab, damit diese die von ihnen gewünschten Ziele erreichen können -
Soziokulturelle Animation is großteils, aber nicht nur im Freizeitbereich angesiedelt
-
Die Teilnahme an Praktiken der soziokulturellen Animation ist freiwillig
-
Herauszuheben ist die mediale Animation, die sich mit dem Einsatz und der Vermittlung von neuen Medien beschäftigt
29
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.1.4. Der sozialräumliche Ansatz in der offenen Jugendarbeit
3.1.4.1. Definition und Umschreibung Schon länger gibt es Ansätze sozialräumlicher Jugendarbeit, die sich mit Aktionen und Projekten vom Jugendzentrum aus in den Stadtteil bewegen. Die sozialräumliche Jugendarbeit sieht als wesentliche Grundelemente die Stadtteilorientierung sowie die Mobilität. „Die Wohninsel ist das ökologische Zentrum, von dem aus die anderen Inseln aufgesucht werden, wie z. B. der Kindergarten, die Schule, das Zimmer eines Freundes, die Diskothek in einem anderen Stadtteil. Die Entfernungen zwischen den Inseln werden mit dem Auto oder anderen Verkehrsmitteln zurückgelegt.“ (Deinet 1999, s. 33) Die sozialräumliche Jugendarbeit bemüht sich um den Erhalt und den Ausbau sozialer Lebensräume und versteht sich als Lobby für Jugendliche und ihre Interessen im Stadtteil. So soll das "kreative Potential" von Jugendlichen gefördert werden und Möglichkeiten aufgezeigt werden, gestalterisch auf ihre Lebenswelt Einfluss zu nehmen. Damit definiert der sozialräumliche Ansatz Jugendarbeit nicht über persönliche Defizite, sondern setzt auf die positive Gestaltung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, was sie mit dem Prinzip der Soziokulturellen Animation gemein hat. Dies bedeutet eine Erschließung des Handlungsraumes außerhalb der bestehenden "stationären" Jugendeinrichtungen. Der Stadtteil wird zu einem Teil des offenen Bereiches. Dazu gehört die Kontaktaufnahme zu Cliquen und Gruppen im Stadtteil, die Angebote der Jugendeinrichtungen aus unterschiedlichen Gründen nicht wahrnehmen. Diese Cliquen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Geschlecht,
unterschiedlicher
kultureller
Herkunft
und
verschiedener
Altersstufen sind die Zielgruppen der sozialraumorientierten Jugendarbeit. Ein zentraler Begriff im sozialraumorientierten Diskurs ist die „sozialräumliche Aneignung“. Diese geht davon aus, dass sich Kinder und Jugendliche Schritt 30
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
für Schritt je nach Entwicklung den sie umgebenden Raum aneignen. „Das Aneignungskonzept erschließt auch eine Verbindung zum aktuellen Bildungsdiskurs: Aneignung ist das Muster für die Bildung des Subjekts im sozialen
Raum.
Der
gesellschaftliche
Raum
ist
Aneignungs-
und
Bildungsraum.“ (Deinet/Reutlinger; 2004, s. 9) So geht Deinet von der These aus, dass sich konkrete Verhältnisse unserer Gesellschaft, so wie sie Kinder und Jugendliche erleben, vor allem räumlich vermitteln (vgl. Deinet, Ulrich; 2005, s.2). Um die Aneignungsprozesse von Jugendlichen besser zu verstehen, ist eine Strukturierung von Räumen nötig. Dabei nennt Deinet in seinem Buch „Sozialräumliche Jugendarbeit Grundlagen, Methoden, Praxiskonzepte“ zwei mögliche Aneignungsmodelle des Sozialraumes, die in den folgenden Kapiteln beschrieben werden.
3.1.4.2. Das Zonenmodell nach Baacke
Abbildung 3: Das Zonenmodell aus: Baacke, Dieter: Die 6-12 Jährigen Einführung in Probleme des Kindesalters. 1984, Weinheim
31
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Die auf der Abbildung dargestellten einzelnen Zonen beschreibt Baacke wie folgt: - Das ökologische Zentrum ist die Familie, das ,Zuhause‘: Der Ort, an dem sich das Kind/die Kinder und die wichtigsten und unmittelbarsten Bezugspersonen vorwiegend tagsüber und nachts aufhalten. - Der ökologische Nahraum ist die ,Nachbarschaft‘, der Stadtteil, das Viertel, die ,Wohngegend‘, das ,Dorf‘, Orte, an denen das Kind die ersten Außenbeziehungen
aufnimmt,
Kontakte
zu
funktionsspezifischen
behavioral Settings gestaltet (in Läden einkaufen geht, in die Kirche zum Gottesdienst geht). - Die ökologischen Ausschnitte sind die Orte, an denen der Umgang durch funktionsspezifische Aufgaben geregelt wird; das Kind muss hier lernen, bestimmten Rollenansprüchen gerecht zu werden und bestimmte Umgebungen nach ihren definierten Zwecken zu benutzen. Der wichtigste Ort dieser Art ist die Schule; dazu gehören aber auch der nahe gelegene Betrieb, die Schwimmhalle, die Bank, die Läden,... - Die Zone der ökologischen Peripherie ist die der gelegentlichen Kontakte, zusätzlicher, ungeplanter Begegnungen, jenseits der Routinisierung, die die anderen drei Zonen ermöglichen, ja sogar fordern. Zu solchen nichtalltäglichen Sphären kann der Urlaub gehören, der an der See, in den Bergen, kurz: an einem sonst unvertrauten Ort mit anderen Regularien verbracht wird” (Baacke, 1984, s. 84ff.).
32
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.1.4.3. Das Inselmodell nach Helga Zeiher So stellte sich jedoch das
Zonenmodel als nur sehr bedingt praktikabel
heraus: „Die
Vorstellung
einer
Struktur
des
kindlichen
Lebensraumes
als
Zonenmodell von konzentrischen Kreisen, die nach und nach erobert werden, konnte so nicht aufrechterhalten werden. Wohl bestätigten auch heutige Untersuchungen die Bedeutung des “ökologischen Nahraums”, so wie er von Baake beschrieben wird.“ (Deinet ,Ulrich; 2005, s.5). So entwickelte Helga Zeiher das Inselmodell, welches das Prinzip des ökologischen Nahraums im Zentrum beibehält, jedoch die anderen Räume inselartig umringt (siehe Abbildung).
Abbildung 4: Das Inselmodell aus Deinet ,Ulrich; 2005, s.5
Dieses Modell konnte die Unabhängigkeit vieler Orte zueinander, sowie den oft eher unbedeutenden Weg zwischen den Räumen besser erfassen.
33
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.1.4.4. Rolle und Methoden
Diese Aufteilung in Zonen wirkt sich auf das Handlungsfeld der SozialarbeiterIn bedeutend aus. So
gestalten
sich
die
Aufgabenbereiche
von
PädagogInnen,
die
im
sozialräumlichen Ansatz tätig sind zu denen der PädagogIn in der Einrichtung unterschiedlich.
Als
Beispiel
nenne
ich
eine
Publikation
des
Stadtjugendausschusses Karlsruhe am 18.03.99, der die zwei Handlungsfelder folgendermaßen gegenübergestellt hat: Die Rolle der PädagogInnen in
Die Rolle der PädagogInnen im
der Einrichtung
sozialräumlichem Ansatz
- Die PädagogInnen haben
- Sie stellen den Kontakt zu Gruppen und
Gastgeberfunktion.
Cliquen im Stadtteil her. Dabei sind sie bei den Jugendlichen Gast.
- Sie sorgen dafür, das Regeln und Absprachen eingehalten
- Sie verstehen sich als
werden.
Kooperationspartner und Teil des Netzwerkes im Stadtteil.
- Sie tragen, in Abstimmung mit den BesucherInnen, die
- Sie orientieren ihre Angebote an den
Verantwortung für
Bedarfsentwicklungen im Stadtteil.
Entwicklung, Planung und Organisation des Programms.
- Sie überlassen den Jugendlichen die Gestaltung ihrer Freizeit und versuchen
- Sie setzen die
lediglich mit ihnen gemeinsam
pädagogischen Maßstäbe.
Gelegenheiten und Möglichkeiten zu eröffnen. 34
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
- Sie motivieren Jugendliche für die Angebote der
- Sie beobachten Entwicklungen und
Einrichtung und animieren sie
Veränderungen im Stadtteil und nehmen
zur aktiven Freizeitgestaltung.
diese in die Überlegungen für die
Sie legen die
Jugendarbeit mit auf.
Rahmenbedingungen, Öffnungszeiten und Strukturen
- Sie akzeptieren die Interessenslage der
fest.
Jugendlichen und fördern deren Selbstentwicklung und Eigenverantwortung.
- Sie sind AnsprechpartnerInnen für Fragen und Probleme von Jugendlichen und beraten und helfen diesen. (Vgl. http://osiris.stadtjugendausschusskarlsruhe.de/download.php3?out=userdata/l_3/p_5/library/data&fileName=leitli nien_sozial_raeumliche_ansaetze.pdf, aufgerufen am 12.4.07)
Es folgt ein Überblick über die im
Buch „Der sozialräumliche Blick der
Jugendarbeit“ von Ulrich Deinet und Richard Krisch beschriebenen Methoden der Entwicklung von sozialräumlicher Jugendarbeit. -
Stadtteilbegehung mit Kindern und Jugendlichen
Diese Methode stammt von einer Idee von Norbert Ortmann. Dabei wird mit einer eher kleinen Gruppe Jugendlichen der bewohnte Stadtteil auf einer von den Jugendlichen vorgegebenen Route begangen. Außerdem wird mittels medialer
Hilfe
ihre
Interpretation
von
sozialräumlichen
Qualitäten
dokumentiert. Dabei werden die Gruppen in Alter und Geschlecht unterteilt, um dessen verschiedene Sozialräume wahrzunehmen.
35
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
Nadelmethode
Nadeln
werden
von
den
StadtteilbewohnerInnen
auf
eine
große
Stadtteilkarte gesteckt, um bestimmte Orte wie Wohngegenden, Treff- und Streifräume, „Angsträume“ im Stadtteil zu bezeichnen. Die Farben der Nadeln werden wieder je nach Geschlecht bzw. Alter aufgeteilt. Dadurch kann man die Nutzung von Sozialräumen der verschiedenen Gruppen erkennen. -
Cliquenraster
Über Befragungen und Beobachtungen von Cliquen werden spezifische Lebensformen Beschreibung
und von
-stile
von
Cliquen
Jugendkulturen
in
Form
eines
erkundet.
Durch
Cliquenrasters
soll
die ein
differenzierter Blick auf verschiedene Jugendcliquen und -szenen eines bestimmten Stadtteils oder einer Region ermöglicht werden. Dies kann zu einem vielschichtigen Bild der Gruppen Jugendlichen und ihrer Bedürfnisse, Problemstellungen und Sichtweisen beitragen. -
Institutionenbefragung
Mit der Institutionsbefragung werden die sozialen Institutionen einer Region hinsichtlich ihrer Einschätzung bezüglich der sozialräumlichen Stärken und Schwächen des Stadtteils befragt. Die Gespräche und Befragungen werden mithilfe eines Leitfadens geführt. In
Strukturierte Stadtteilbegehung diesem
zeitaufwendigen
Verfahren
wird
der
Stadtteil
mittels
vorstrukturierten Routen mehrmals begangen und in der ersten Phase beobachtet, während in der zweiten Phase auch befragt wird. Dadurch soll die sozialräumliche Qualität verschiedener Stadteilsegmente verdeutlicht werden.
36
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
Autofotografie
In der Autofotografie dokumentieren Jugendliche mit Fotoapparaten ihren Sozialraum und interpretieren anschließend die Abbildungen.
Dadurch
entstehen subjektive, wenn man später mehrere Bildreihen vergleicht, auch komplexere Abbildungen des Sozialraumes.
-
Subjektive Landkarten
Hier zeichnen/malen die Jugendlichen auf einem großen Blatt ausgehend von einem Fixpunkt - wie beispielsweise der Wohnung oder dem Jugendzentrum, ihre soziale Umgebung und gestalten sie je nach „Qualität“ des Sozialraumes. Die subjektiv bedeutenderen Lebensräume werden dadurch sichtbar. -
Fremdbilderkundung
Hier werden Erwachsene sowie Jugendliche des Stadtteils über ihre Meinung bezüglich Angebote, MitarbeiterInnen uns BesucherInnen der sich im Stadtteil befindenden Jugendeinrichtung befragt. Dies passiert mit eher allgemein formulierten Fragestellungen in der Nähe der Sozialeinrichtung an belebten öffentlichen Orten. Fazit: -
Kinder und Jugendliche eignen sich ihren Sozialraum von der ökologischen Nahezone aus an und erweitern nach und nach auf verschiedenen Inseln ihren Raum.
-
Sie beobachten Entwicklungen und Veränderungen im Stadtteil
-
Methoden zu Entwicklung der sozialräumlichen Jugendarbeit sind: Stadtteilbegehung,
Nadelmethode,
Subjektive Landkarten,...
37
Cliquenraster,
Autofotografie,
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.1.5.
Medienkompetenz
In diesem Kapitel wird der viel verwendete Begriff der „Medienkompetenz“ umschrieben. Außerdem wird auf den Nutzen von „Medienkompetenz“ für UserInnen sowie auch für SozialarbeiterInnen eingegangen. „Oft sind es die Jüngeren, die sich den neuen Wahrnehmungsweisen mit Neugier und nicht mit Abwehr stellen; sie sind es auch, die zumindest in den Bereichen Medien, Konsum, Freizeit, Mode überdurchschnittlich gut Bescheid wissen und auch für die ältere Generation Orientierungssignale setzen ... Vieles lernen die Älteren heute von den Jüngeren. Von den Freizeitstilen bis zu den Medien: Es sind die jungen Menschen, die Bescheid wissen“ (Baacke 1997, s. 23). So ist es gerade auch im Internet generell von großer Bedeutung, „Bescheid zu wissen“, um sich auch kompetent darin fortbewegen zu können. Mit solchen Prozessen beschäftigt sich das Handlungsfeld der Medienkompetenz. Dieser Begriff bezieht sich im Wesentlichen auf den gesellschaftlichen Strukturwandel von der Industriegesellschaft hin zur Informationsgesellschaft (vgl. Wilke 1996, s. 14). So ist Information wirtschaftlich gesehen zu einem der wichtigsten Faktoren neben Produktion, Arbeit, Kapital und Boden geworden. Daraus resultiert, das der Umgang mit Informationsmedien zu einer zentralen Kompetenz in vielen Berufszweigen geworden ist. Hinzu kommt, dass durch die Entwicklung auch neue Berufszweige entstanden sind. Wer aber im Umgang mit Informationsverarbeitenden Medien keine Kompetenzen vorweisen kann, wird massive Probleme haben, sich am modernen wirtschaftlichen bzw. gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Dies erzeugt eine Aufteilung von „inforich“ und „infopoor“, was sich auf die Definition von Qualifikation in der Arbeitswelt
auswirkt.
Bühl
spricht 38
zum
Beispiel
nicht
von
der
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Informationsgesellschaft, sondern von der „virtuellen Gesellschaft“ (vgl. Bühl, 1997, s. 44). Das führt zu den Handlungskompetenzen, die nötig sind, um sich im virtuellen Sozialraum „erfolgreich“ zu bewegen. Ein zentraler Begriff im Diskurs über Handeln in virtuellen sozialen Räumen für jede UserIn sowie auch für die SozialarbeiterIn ist die „Medienkompetenz“. Von vielen benutzt und entsprechend komplex und vielfältig theoretisch diskutiert und
behandelt,
Erörterungen
bleibt
es
verschiedener
oft
bei
Gruppen.
interessenIn
der
und
zweckgebundenen
Medienpädagogik
wird
Medienkompetenz als Zielkoordinate definiert, basierend auf dem Begriff der kommunikativen Kompetenz. (Vgl. Poseck, O,; 2001, s. 84 ff) Kommunikative Kompetenz beschreibt allgemein jede Art der menschlichen Kommunikation. Grundsätzlich ist sie unabhängig von Medien zu betrachten, und jeder Mensch besitzt kommunikative Kompetenz von Geburt an. Durch beispielsweise alltägliche Interaktion, in Bildungseinrichtungen oder anderswo, sowie durch die Primärsozialisation in der Familie, wird sie jedoch geübt, verfeinert und weiterentwickelt. „Medienkompetenz ist demnach als eine Teilmenge der kommunikativen Kompetenz zu verstehen. Sie wendet sich insbesondere dem elektronischtechnischen Umgang mit Medien zu,
die heute in komplexer Vielfalt zur
Verfügung stehen und deren Nutzung ebenfalls gelernt, geübt und gefördert werden muss.“ (Poseck, O.;2001, s.84) . Medienkompetenz hat also als Grundlage die kommunikative Kompetenz, der elektronische Umgang mit Medien muss jedoch sehr wohl erlernt werden, Das gilt gleichsam für die UserIn sowie im Speziellen auch für die virtuelle SozialarbeiterIn. Diese kann sich nur effektiv durchs Internet bewegen, wenn sie über medienspezifische Fähigkeiten verfügt. Beispielsweise wird eine virtuelle Gruppe, die auf einem „blog“ diskutiert, schwer für die SozialarbeiterIn zu erreichen sein, wenn sie nicht „bloggen“ kann. Baacke teilt die Aspekte der Medienkompetenz in folgende Punkte (siehe Abbildung):
39
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Abbildung 5: vgl. Baacke, D. ; „Medienkompetenz als Netzwerk“,1996, s 119 ff
Die Medienkunde ist die Grundvoraussetzung, die den Zugang und Umgang zu und mit den neuen Medien erlaubt. Sie vermittelt Wissen und Fähigkeiten, mit dem Werkzeug, das für den Zugang und den Umgang mit den neuen Medien notwendig ist. Außerdem zählt die Kenntnis über technische Voraussetzungen (Hardware), die für den Zugang notwendig sind und die Fähigkeit mit diesen umzugehen und diese durch einen sicheren, kompetenten Umgang, z.B. durch Computerprogramme (Software), nutzbar zu machen. Die Mediennutzung ist in zwei Bereiche unterteilt. Zum einen in den Bereich der rezeptiven Mediennutzung, die den Umgang und das Anwenden, also die „Programm- Nutzungskompetenz“ meint und zum anderen die „interaktive Mediennutzung im Sinne von anbieten (auch antworten können, Telebanking, Tele-Shopping,
Tele-Diskussionen
in
Online-Foren)“.
Diese
Form
der
Mediennutzung sieht das Internet nicht als passives Medium zum Abrufen von Informationen, sondern als „aktives Kommunikationsinstrument“. Der WWWDienst und die Kommunikationsmöglichkeit via E-Mail sollen als untrennbare Einheit gesehen werden.
40
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Die Medienkritik meint einen sehr kritischen Umgang mit im Internet gefunden Dokumenten, gleichzeitig aber auch mit selbst erstellten Seiten, die zur Veröffentlichung bestimmt sind. Die Mediengestaltung schließt zum einen den innovativen Aspekt der eigenen Gestaltung, Verarbeitung und Weiterentwicklung von Medien ein, zum andern meint dies einen „kreativen, ästhetischen Aspekt“. (Vgl. Baacke, D., 1996, s. 50) Fazit: -
Medienkompetenz ist Teil der kommunikativen Kompetenz
-
Medienkompetenz mus erlernt, geübt und gefördert werden
-
Methoden der
Medienkompetenz sind Medienkunde, Mediennutzung,
Medienkritik sowie die Mediengestaltung
41
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.2.
Der Sozialraum
Folgende Kapitel beinhalten einen Definitionsversuch von Raum sowie im weiteren Sinn ein spezifischeres Eingehen auf „Sozialraum“. Außerdem wird der virtuelle Sozialraum sowie dessen Beziehung zum
„realen Sozialraum“
beleuchtet.
3.2.1.
Sozialraumtheorien
Dieses Kapitel behandelt im Überblick den Begriff „Raum“ von der antiken Bedeutung bis zu unserem heutigen Verständnis von Sozialraum. Zuerst muss man sich einmal fragen: Was ist Raum eigentlich? Im Umgangssprachlichen wird Raum als eine örtliche Umgrenzung definiert. Griechische Denker, Vorreiter der westlichen Wissenschaften, versuchten bereits, den Begriff Raum zu definieren. Sie beschrieben ihn als Behälter, von Natur aus eigentlich ohne Inhalt. Die Umschließung des Raumes richtet sich nach Größe der zu umschließenden Sache. Im deutschen Sprachgebrauch wird Raum vor allem als Zwischenraum, Spielraum oder Freiraum gesehen und seine Qualität daran gemessen. Er hängt zwar ebenfalls von der Begrenzung nach außen ab wird aber an der zur Verfügung stehenden Raumweite gemessen. (Vgl. Bollnow O. F., 2000, s.32 ) Beide Definitionen entstammen einer mathematischen Denkweise und weniger einer sozialen. Piaget hat sich mit
der Entwicklung des räumlichen
Vorstellungsvermögens bei Kindern beschäftigt. Er hat zum Beispiel gemessen, ob ein Kind einen Gegenstand in einen Raum korrekt reproduzieren kann, wenn sich die räumliche Perspektive ändert. Leider bleibt laut Martina Löw in Piagets Arbeiten unbeachtet, welchen Einfluss die Herkunft und Persönlichkeit des 42
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Kindes auf das Raumverständnis bzw. die Raumwahrnehmung hat. (Vgl. Löw, Martina; 2001, s. 73 ff ) Einen Fokus auf pädagogischen Raum legt der Pädagoge Michael Diéz Aguilar Laut Aguilar finden sich in den 90er Jahren zunehmend Veröffentlichungen zum „pädagogischen Raum“. Sie eröffnen unterschiedliche Perspektiven auf die Raumproblematik im Kontext pädagogischen Denkens und Handelns. Er beschreibt weiters drei Beispiele zur Skizzierung der Vorstellungen zum pädagogischen Raum: Für Michael Göhlich sind pädagogische Räume „inszenierte Räume“, deren Einrichtung und Ausstattung Lernen und Bildung initiieren und fördern soll. (Göhlich, M. 1999, zitiert nach Aguilar, M. 2003, s.3) Renate Girmes bezeichnet den pädagogischen Raum als „Zwischenraum“, „in dem sich- Bilden Raum gegeben ist“. (Girmes, R., 1999, in Liebau, 1999, zitiert nach Aguilar, M. 2003, s.3) Jörg Zirfas sieht pädagogische Räume als „organisierte Bildungsräume“. Es sind von den Menschen geschaffene und bearbeitete Erlebnisräume, deren Organisation durch die Art und Weise der sich in ihnen vollziehenden Prozesse bestimmt wird, so auch die pädagogischen. „Lern-, Erziehungs- und Bildungsräume sind nicht homogen, sondern widersprüchlich. Sie sollen überschaubar und berechenbar, doch zugleich auch anregend und phantasievoll und für Neues offen sein. Bildungsräume sind Übergangsräume, denen bestimmte Intentionen und Funktionen zugrunde liegen. Sie sollen zwischen Homogenität und Heterogenität, zwischen Form und Stoff, zwischen Ich und Welt vermitteln....“ ( Zirfas, J.; 1999 in Liebau, 1999, zitiert nach Aguilar, M. 2003 s.3) Diese Vorstellungen beinhalten drei wesentliche Aspekte zur Gestalt und Gestaltung des pädagogischen Raums. Der erste Aspekt bezieht sich auf die soziokulturellen Einflüsse.
43
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
„Sozialräume kann man also nicht einfach ‚einrichten‘, wie sich das manche Verwaltungen denken. Deshalb plädiere ich auch dafür, den Begriff ‚Sozialraum‘ nicht als Substantiv, sondern als Adjektiv zu verwenden: Es geht um sozialräumliche Dimensionen und Prozesse.“ (Böhnisch, 2002, s. 70)
3.2.2.
Der „virtuelle“ Sozialraum
Hier wird versucht, den „virtuellen Sozialraum“ sowie dessen Beziehung zum „realen“ Raum zu beleuchten.
„Eine virtuelle Gemeinschaft ist eine Gruppe von Menschen, die miteinander kommunizieren, die sich zu einem gewissen Grad untereinander kennen, in gewissem Maß Wissen und Informationen teilen und sich bis zu einer gewissen Grenze als menschliche Wesen umeinander kümmern, sich treffen und in erster Linie über Computernetzwerke miteinander kommunizieren." (Döring, 1997, s. 318) Die fortschreitende Mobilität sowie die dadurch entstehende Möglichkeit, annähernd gleichzeitig in verschiedenen Sozialräumen zu sein, hat den Begriff „Sozialraum“ verändert. Unter anderem auch die globale Mobilität von Menschen, Waren und Dienstleistung hat zur Aufweichung der statischen Bedeutung geführt. Doch was ist eigentlich der virtuelle Raum im Vergleich zum realen Raum? Stellt er aufgrund der nicht vorhandenen körperlichen Präsenz einen
Gegensatz
zum
realen
Raum
dar
oder
lassen
sich
virtuelle
Erfahrungsräume als ein Teil von ihm charakterisieren? So ist der virtuelle Sozialraum zwar ein nicht materiell bestehender, trotzdem machen die UserInnen ihn zu einem Teil ihrer Lebenswelt. Somit kann er durchaus von realer Bedeutung sein. 44
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
„In der Mediengesellschaft zählen neben den medialen auch virtuelle Erfahrungsräume zur Lebenswelt.“ ( Theunert, Helga / Eggert, Susanne; 2003, s.10) Der UserIn ist es also möglich, sowohl in der realen, als auch in der virtuellen und anderen Welten Lebenserfahrungen zu sammeln. Doch kann auch ein Transfer zwischen den Sozialräumen und somit das Einbringen nicht realer Erfahrungen in das reale Leben erfolgen? Damit beschäftigt sich das Transfermodell nach Fritz.
3.2.2.1. Transfer zwischen Räumen
Das von Fritz veröffentlichte Transfermodell zwischen virtuellem und realem Raum beschreibt den zwischenweltlichen Transfer bei Computerspielen und basiert im Wesentlichen auf zwei Begriffe: „Transfer“ und „Transformation“. „Werden bestimmte Vorgänge beim Lernen oder Denken, die in einer ersten Aufgabe erworben sind, auf andere übertragen, spricht man von T[ransfer].“ (Dorsch 1994, zitiert nach Locher 1997, s. 41) Der Transfer beschreibt die Bewegung von etwas, von einem situativen Kontext zum anderen, während es bei der Transformation um dessen mögliche Veränderung zur besseren Anpassung geht. Beim Computerspiel handelt es sich, laut Fritz, hierbei vor allem um „problemlösende Transfers, die in der Regel bewusst ablaufen“ (Fritz, Jürgen; 2003, s.1), beispielsweise um ein ungelöstes Spielproblem, das in der Realität weitergedacht wird. Der Ablauf eines Transferprozesses ist immer gleich. Menschen bilden durch Erfahrungen Schemata
zur
Erlebnisverarbeitung,
sowie
zur
Situations-
und
Handlungseinschätzung aus, die durch ihr abstraktes Grundmuster immer wieder in neue Umgebungen bzw. konkrete Handlungsmuster transferierbar sind.
Fritz beschreibt den Transfer von Schemata in eine andere Welt als
„intermondialen Transfer“, während der Transfer in derselben Welt, als intramondialer Transfer bezeichnet wird. (Vgl. Fritz, Jürgen; 2003, s. 3) 45
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Abbildung 6: Kognitive Drehbühne für Transferprozesse; entnommen aus http://wulv.unigreifswald.de/2005_hh_computerspiele/userdata/Poster%20fertig%20Gruppe4.ppt, aufgerufen am 2.4.07
Die Intensität des Transformationsprozesses ist laut Fritz abhängig von der Bewusstseinsebene: Je größer das Bewusstsein der UserIn über eine Transfereignung
des
Erlebten,
desto
geringer
die
benötigte
Transformationsleistung. „Um transferieren zu können, muss transformiert werden – und zwar in Schemata, die von den konkreten Einzelfällen und ihren Besonderheiten abstrahieren und dafür Strukturen bereitstellen, die Ähnlichkeitserlebnisse zulassen.“ (Fritz, Jürgen; 2003, s.3). Das könnte bedeuten, dass man umso mehr Schemata auf beide Welten umlegen kann, umso ähnlicher sich die Welten sind.
46
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Aus Interviews mit ComputerspielerInnen ist bekannt, dass emotionale Befindlichkeiten und Stimmungen aus der Alltagswelt mit in die virtuelle Welt genommen werden, daher finden Transferprozesse auch auf der psychischen Ebene statt und sorgen dort für Veränderungen. (vgl. Witting, Esser 2003 in Fritz, Fehr, 2003, s. 25) Witting & Esser (2003) haben dieses Transfermodell in einer Studie empirisch angewendet. In einer qualitativen Erhebung mit 20 Personen wurde an Hand eines
Computerspiels
versucht,
dass
Auftreten
der
verschiedenen
Transferprozesse zu veranschaulichen. Es wurde der Frage nachgegangen, inwieweit das Computerspiel Einfluss auf das soziale Verhalten in der Realität hat, ob es also zu Transferprozessen zwischen virtueller und realer Welt kommt. Witting & Esser kommen zu dem Ergebnis, dass ein Transfer von Spiel zu Realität verstärkt begünstigt wird, wenn -
die Rahmenkompetenz nicht hinreichend ausgebildet wurde oder brüchig geworden ist
-
Ähnlichkeiten zwischen Elementen der virtuellen und der realen Welt vorhanden sind
-
eine Identifikation mit der Spielfigur stattfindet
-
und lange und intensiv gespielt wird
(Vgl. Witting & Esser ,2003, s.47). Daraus geht hervor, dass Medienkompetenz ein zentraler Faktor beim Transfer zwischen den Welten ist, wenn man diese als
einen
Teilbegriff
der
„Rahmenkompetenz“
versteht
(siehe
Kapitel
Medienkompetenz) Fazit: -
Der Transfer eines Schemas von einer virtuellen Welt in die reale wird von Fritz als intermondialer Transfer beschrieben.
-
Ein Transfer von der virtuellen in die reale Welt wird unter anderem durch eine nicht ausreichend ausgegbildete Rahmenkompetenz verstärkt – Eine Frage der Medienkompetenz.
47
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.2.2.2. Exkurs: Virtuelle Gewalt und Realität
"Um die Gewalt in der Gesellschaft zurückzudrängen, ist das Verbot solcher Killerspiele notwendig... Killerspiele sollten in der Größenordnung von Kinderpornographie eingeordnet werden, damit es spürbare Strafen gibt!" Zitat Günther Beckstein, seit 1993 bayerischer Innenminister und seit 2001 stellvertretender bayerischer Ministerpräsident. (Vgl. http://derstandard.at/?url=/?id=2673902%26_seite=5%26sap=2, aufgerufen am 4.4.2007) Die Diskussion über Computerspiele mit gewalttätigen Inhalt wird momentan intensiv in Medien, Politik und Gesellschaft geführt, gerade im Zusammenhang mit jugendlichen Amokläufern, von denen bekannt wurde, dass sie dazu neigten, Spiele wie Egoshooter (siehe Kapitel Counterstrike und andere Egoshooter) zu benutzen. Der mediale Diskurs wird jedoch oft äußerst polarisierend geführt. Von der einen Seite wird das Spielen von Egoshooter als Grund, Auslöser, ja oft sogar als Training für Amokläufe angesehen. Auf der anderen Seite steht eine große Community von SpielerInnen, die sich diskriminiert fühlen und das Spielen von Gewaltspielen als virtuellen Sport (Esport) definieren. Ein
beispielhafter
Diskurs
wird
momentan
in
Deutschland
geführt.
Ausschlaggebend für das neuerliche Entfachen der Diskussion war der Koalitionsvertrag
von CDU/CSU und SPD, in dem im Kapitel zum Thema
„Aufwachsen ohne Gewalt“ festgehalten wurde: „Folgende Eckpunkte sollen vorrangig erörtert werden: -
Wirksamkeit des Konstrukts „Regulierte Selbstkontrolle“
-
Altersgrenzen für die Freigabe von Filmen und Spielen/Alterskennzeichnung von Computerspielen
-
Verlässliche Kontroll- und Sicherheitsstandards für Videoverleihautomaten 48
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
Verbot von „Killerspielen“
(Koalitionsvertrag
von
CDU/CSU
und
SPD,
11.11.2005
http://www.cducsu.de/upload/koalitionsvertrag/, aufgerufen am 13.4.07 s. 124) Die Bezeichnung „Killerspiele“ für Egoshooter und ähnliche Spiele hielten viele SpielerInnen für nicht zutreffend. So erstellten einige in der Gamingszene bekannte Personen, unter ihnen auch einige Pädagogen,
die Seite
http://www.killerspiel-spieler.org/ . Auf dieser kritisieren sie die Formulierung des im Koalitionsvertrag festgehaltenen Begriffs „Killerspiele“. „Menschen, die Spiele wie Counterstrike spielen, sind genauso wenig gewaltbereit, wie Krimileser mordlustig sind.“ Weiters richten sie sich mit einem Appell an Politik und Gesellschaft: -
Verzicht auf das Wort "Killerspiele"
-
differenzierte Betrachtung real existierender Gewalt und ihrer Ursachen
-
keine Diskriminierung von Spielern
-
...
(http://www.killerspiel-spieler.org/, aufgerufen am 12.4.07) Doch was meint eigentlich die Wissenschaft dazu? Auch diese scheint gespalten zu sein und liefert Daten für beide Lager. Eine Studie der australischen Swinburne University of Technology befasste sich, wie ähnliche Studien vor ihr, mit der Auswirkung eines Gewaltspieles auf die Psyche von Kindern. So wurden insgesamt 120 Kinder aus zehn australischen Schulen ausgewählt, um ihre Verhaltensmuster vor und nach dem Spielen des Egoshooters zu erfassen. Mit einer Genauigkeit von 73 Prozent habe man voraussagen können, wie die Reaktionen der TestprobandInnen aussehen würden. So setzte man den acht bis zehn Jahre alten Kindern den Egoshooter Quake 2 vor und testete deren Verhalten nach dem Spiel anhand der zuvor bestimmten Verhaltensmuster. Ermittelt wurde auf diese Weise der Wutzustand der Kinder, wobei festgestellt wurde, dass sich dieser bei 77 Probanden nicht änderte. 22 der getesteten SpielerInnen wiesen nach dem Spielen einen doppelt so hohen Wutzustand auf, wobei diese zu einem Großteil ein instabiles 49
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Temperament besäßen, so die Wissenschaftler. Acht Kinder konnten ihre Wut durch das Spielen des Egoshooters verringern. Im Resümee bemerkte Professor Grant Devilly, der die Studie durchführte: “The results showed that while some people show slight increases or decreases in anger ratings, the majority showed no changes in anger ratings,” (http://www.swinburne.edu.au/corporate/marketing/mediacentre/core/releases_a rticle.php?releaseid=884, aufgerufen am 12.4.07) So zeigt die Studie, dass zwar ein Grossteil nicht mit vermehrter Aggression auf das Spielen von Gewaltspielen reagiert, einige konnten dadurch sogar Aggressionen abbauen. Jedoch scheint es für einen kleinen Teil der UserInnen zu einer Zunahme von Aggressionen zu führen. (vgl. http://www.computerbase.de/news/allgemein/studien/2007/april/killerspiele_neu e_studie_panorama/?stars=3, aufgerufen am 10.4.07) Prof. Jürgen Fritz, Leiter des Forschungsschwerpunkt „Wirkung virtueller Welten“ an der Fachhochschule Köln, meint dazu: „Die Befürchtungen, dass es Zusammenhänge zwischen dem Handeln in der realen Welt und problematischen Medieninhalten geben könnte, hat eine Medienwirkungsforschung
entstehen
lassen,
die
diesen
möglichen
Zusammenhängen in Tausenden von Forschungsprojekten nachgegangen ist. Aufwand und Ertrag stehen dabei in einem deutlichen Missverhältnis. Eindeutige Zusammenhänge sind nicht belegbar. Die Wirkungen, die von den Medien ausgehen können, hängen entscheidend vom Wechselspiel zwischen den subjektiven Besonderheiten und Erwartungen der Rezipienten einerseits und den Medienangeboten andererseits ab. Die Forderung der Öffentlichkeit, klare Aussagen über die schädigenden Wirkungen von Medienangeboten zu machen, scheitert in aller Regel an der Komplexität des Gegenstandes.“ (Der
Stand
zur
Wirkung
von
Computer-
und
Videospielen,
ftp://ftp.germany.ea.com/downloads/pr/Stand_Wirkungsforschung.doc, aufgerufen am 4.4.07)
50
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Verschiedene empirische Studien haben sich bereits mit der Wirkung von Gewalt und Aggressivität in Computerspielen befasst. Diese lassen sich in vier theoretische Richtungen einteilen. -
Die Stimulationstheorie besagt, dass durch Gewaltspiele eine signifikant höhere Gewaltbereitschaft nachgewiesen werden kann.
-
Habitualisierungstheorie: Gewaltdarstellungen führen zu Gewöhnung, was eine verharmlosende Wirkung zu Folge hat
-
Die Inhibitionstheorie sagt, dass Gewalt Angst erzeugt, was wiederum eine Hemmung des Medienkonsums zur Folge hat.
-
Katharsistheorie: Das Ausleben von Gewaltphantasien bewirkt den Abbau von Aggressionen und somit zumindest kurzfristige Entspannung
(Vgl. Fritz, Jürgen, 1995, s.13)
Fazit: -
Fazit: Hinsichtlich der Frage der Auswirkung von Computerspielen mit gewalttätigem Inhalt ist zu sagen, dass ein kleiner Teil der UserInnen sehr wohl mit einer Steigerung des Aggressionsverhaltens zu reagieren scheinen. Die Frage ist, wie damit umgegangen wird. So scheitert die Forderung der Öffentlichkeit an
die
Wissenschaft, eine
nahezu
moralische Verurteilung des Einflusses gewalttätiger Medieninhalte zu bele, an der Komplexität des Gegenstandes.gen
51
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.3. Das World Wide Web
Die folgenden Kapitel dienen zur näheren Definition und Erklärung des Internets und dessen relevante Entwicklungen im „Social Networking“. Es dient dazu, einen Überblick über wichtige technische Standards zu definieren. Hierbei liegt der Fokus nicht auf der Technik an sich, sondern auf der sozialen Bedeutung der Internetentwicklungen. Ein besonderer Schwerpunkt in diesem Kapitel liegt auf
der
Nutzung
des
Spieles
„Counterstrike“
sowie
des
virtuellen
dreidimensionalen Sozial- und Wirtschaftsraumes „SecondLife“.
3.3.1.
Das Internet: Ein Definitionsversuch
In diesem Kapitel wird versucht, eine Definition des Internets mit Fokus auf soziale Aspekte zu finden. Das Internet hat demnach als Grundlage ein hohes Maß an technischen Ressourcen. Die technische Komponente ist jedoch nur ein Teilaspekt des Internets. „Der Mensch und der durch ihn gebildete Sozialraum nehmen eine zentrale Rolle bei der Beschreibung des Internets ein.“ (Poseck, Oliver; 2001 s.5) Das RfC (Requests for Comments), eine Grundlagenplattform zur Erarbeitung von Internetstandards, die es seit der Zeit des ARPANET (siehe Kapitel 3.3.1) gibt, hat folgende eher allgemein gefasste Definition formuliert: Internet is - a network of networks based on the TCP/IP protocols, - a community of people who use and develop those networks, 52
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
- a collection of resources that can be reached from those networks. (Network
Working
Group,
Request
for
Comments:
1462
,
1993,
http://tools.ietf.org/html/rfc1462, aufgerufen am 12.03.2007) In einem stärkeren sozialen Kontext steht folgende Definition: „Das Internet ist ein globales Netzwerk unterschiedlicher Computernetze, das technisch hierarchisch aufgebaut Daten mittels TCP/IP-Protokollierung, als selbststeuernde Pakete transportiert, um den Nutzern Programm-, Datei- und Informationsaustausch und gegenseitige Kommunikation mittels verschiedener Dienste zu ermöglichen. Dieses Netzwerk ist ein von seinen Nutzern selbstverwaltetes System ohne zentrale Instanzen mit formell legitimierter Sanktionsgewalt; das Miteinander vollzieht sich nach einem informellen dynamischen Regelwerk, das Teil einer gewachsenen Kultur ist. Die Nutzer sind darin in Subkulturen enkulturiert und grenzen sich über Kulturgüter nach außen ab.“ (Fasching; Podehl; 1997, s. 159) Laut dieser Definition kann das Internet also auch als Sozial- und Kulturraum gesehen werden. Die sozialräumliche Komponente wird auch bei Metaphern wie „Cyberspace“ oder „Globales Dorf“ deutlich.
3.3.2.
Die Geschichte des Internets
Hier wird eine kurze historische Übersicht über die Entwicklung des Internets und dessen Verbreitung gezeichnet. Das Internet existiert in seiner heute genutzten Erscheinungsform, dem „World Wide Web, seit 1989. Grundformen des Internets wurden jedoch schon in den sechziger Jahren gelegt. (vgl. Fasching, Thomas, 1997, s.16). Die Intention des
amerikanischen
Informationsaustausch
Verteidigungsapparates
war
zwischen
in
53
Computern
es einem
damals,
einen
Netzwerk
zu
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
ermöglichen, auch wenn Teile des Systems ausgefallen waren. Aus diesem Netzwerk, das am Anfang nur aus vier Computern bestand, entstand 1969 das ARPANET (Advanced Research Projects Agency Net). Es funktionierte nach dem Prinzip, dass jeder mit dem Netzwerk verbundene Computer gleichzeitig Daten zur Weitergabe anbietet (ein so genannter Server), sowie von anderen Geräten Daten erhält (der Client). An diesem Prinzip hat sich bis zur modernen Form des Internets nichts geändert. Anhand der effektiven Möglichkeit zur Übermittlung von Nachrichten (E-Mails) wurde das Arpanet auch vom zivilen Sektor übernommen und wurde mit weiteren Netzwerken verbunden. Eines der größten zivilen Netzwerke war das National Science Foundation Network (NFSNET), finanziert von der amerikanischen Regierung. Es diente zur Kommunikation und zum Datenaustausch zwischen WissenschafterInnen sowie zur Bereitstellung von Rechenkapazität. (vgl. Walter, Sebastian, 2000, s. 19) 1983 wurde dem Militär das Netz zu unsicher und das MILNET wurde gegründet. Das Internet war hauptsächlich zu einer wissenschaftlichen Plattform geworden, aber auch die Wirtschaft entwickelte dafür immer mehr Interesse. Eine echte benutzerfreundliche Bedienung wurde jedoch erst 1989 durch die Entwicklung des Internetdienstes „WorldWideWeb“ möglich (vgl. Fasching, Thomas, 1997,
s.16). Es basiert
auf
dem
so genannten
Hypertextkonzept und ermöglicht durch Knotenpunkte (so genannte Links) eine nicht lineare Verknüpfung von Dokumenten. Dadurch wird ein Austausch von unterschiedlichen digitalen Informationen und Darstellungsformen ermöglicht. Für die Darstellung und Fortbewegung im wird ein „Webbbrowser“ benötigt. (vgl. Poseck, Oliver (Hrsg.): 2001, s.7) . Das World Wide Web ist einer der bedeutenden technischen Standards im Internet (siehe Abbildung).
54
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Abbildung 7: Die wichtigsten Dienste des Internet (Poseck, Oliver (Hrsg.): Sozial@rbeit Online Angebote in sozialen Arbeitsfeldern planen und umsetzen; 2001, Luchterhand Verlag; Neuwied, s.7)
Das Internet breitete sich schneller aus als andere Medien davor. Die Zeit von der Einführung bis zum 50 Millionsten Teilnehmer dauerte beim Radio noch 38 Jahre, beim Fernsehen 13 Jahre, und beim Internet nur noch 4 Jahre (vgl. Poseck, Oliver, 2001, s.5). Die neuesten Entwicklungen im Internet, mit starkem Bezug auf virtuelle soziale Räume, werden in den nächsten Kapiteln behandelt.
55
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.3.3.
WEB 2.0 und neue Entwicklungen
Hier wird der Begriff „Web 2.0“
sowie die damit zusammenhängenden
Applikationen erklärt. Das Internet ist also ein hoch dynamischer Sozialraum mit technischer Basis. Standards verändern sich häufig und neue Plattformen entstehen permanent. Die letzten Entwicklungen des WorldWideWeb zeigen einen klaren Trend zur Interaktivität. Natürlich war das WorldWideWeb seit jeher konzeptionell auf Interaktivität ausgerichtet, doch teilten sich die Welt der InternetuserInnen stark in RezipientIn und KommunikatorIn (kommunikationswissenschaftliche Begriffe, die UserInnen in „Sender“ und „Empfänger einteilen). Dabei handelt es sich um eine logische Entwicklung der kommerziellen Nutzung, die am Anfang des Internets schneller voranschritt als die der PrivatuserInnen. Ein kleiner Teil bietet Content, bzw. Dienstleistungen oder Waren an, die PrivatuserIn beschränkt sich lediglich auf das „Ansehen“, bzw. auf das Bestellen von Waren. Dies scheint sich in den neueren Entwicklungen zu verändern. Nachdem die erste große „Internetblase“ im Herbst 2001 wirtschaftlich geplatzt war und ein Grossteil der reinen Webfirmen verschwand, entwickelte sich ein neuer Trend, der mittlerweile unter dem Schlagwort „Web 2.0“ bekannt ist. Die Bezeichnung setzt sich
aus „Web“ als Bezeichnung für das gesamte Internet, und „2.0“
zusammen. Diese wurde aus dem Softwarebereich entlehnt. Dabei steht „2“ für die Releasenummer und „0“ für die Versionsnummer (vgl. Alby, T. 2007, s.7).
56
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.3.3.1. Die technische Komponente
Der Begriff Web 2.0 wurde erstmals von Dale Dougherty (O'Reilly-Verlag) und Craig Cline
(MediaLive) im Rahmen der Planung einer Konferenz für den
Oktober 2004 verwendet (vgl. O !Reilly, T. 2005). Dazu wurde während der Konferenz im Brainstormingverfahren eine „Mindmap“ erstellt, welche die „Ideen“ des Begriffes umschreiben:
Abbildung 8: web 2.0 mememap http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html, aufgerufen am 3.4.07
So werden in der Grafik technische wie soziale Aspekte formuliert, welche die aktuellen Formen des Internets beeinflussen. Trotzdem ist die Perspektive der Erläuterungen eine sehr wirtschaftliche.
57
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Als „Erfinder“ des Begriffs gilt Tim O !Reilly heute noch bei Internet-Experten als kompetent, „Web 2.0“- Anwendungen zu definieren. Der Begriff „Web 2.0“ existiert also seit der 2. Jahreshälfte 2004, auch wenn Vorboten wie das „Weblog“ und „Wiki“ schon fast 10 Jahre vorher eingesetzt wurden, was an dieser Zeittafel deutlich wird:
Abbildung 9: Zeittafel http://www.scill.de/content/2006/09/21/web-20-buzz-zeitstrahl/, aufgerufen am 12.3.07
Daraus ist zu schließen, das Web 2.0 technisch gesehen nicht eindeutig als „Wendepunkt“ des Internets angesehen werden kann. Viele der genannten Entwicklungen passierten eher fließend und haben oft ihre Ursprünge weitaus früher.
3.3.3.2. Die soziale Komponente
Die neuen technischen Entwicklungen scheinen vor allem auf eines abzuzielen: Auf die Verstärkung der sozialen Komponente im Internet. So gestalten immer mehr UserInnen das Internet mit. Dieser flexible Wechsel, der in den Anfangszeiten des WWW vor allem durch die technisch aufwändige Homepage58
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Gestaltung eher schwierig war, wird durch die einfachere Publikation von Inhalten zu Zeiten des „Web 2.0“ zum Standard. In alten Formen des Webs agiert der Großteil der UserInnen fast ausschließlich in der RezipientInnenrolle. So wie bei „konventionellen“ Massenmedien gibt es direktes Feedback wie E-Mails (statt LeserInnenbriefe und Anrufen) und indirektes Feedback. Beim „Web 2.0“ wird aus der reinen RezipientIn selbst eine KommunikatorIn. Es kommt verstärkt zu „wechselseitiger Kommunikation“ , die Kommunikationspartner/innen tauschen ihre kommunikativen Rollen. (vgl. Burkart 2002: s.29, s.66 ff.) . So nimmt die ursprüngliche Idee des Internets, in dem sich jede UserIn gleichzeitig als „Server“ und „Client“ bewegt, allmählich Formen an.
3.3.4.
Spiele und 3D-Kommunikationsplattformen
In
den
folgenden
Kapiteln
werden
Arten
der
Spiele-
und
Kommunikationsplattformen erläutert, die als soziale Plattformen im Internet dienen. Im Internet vernetzt sich die Gesellschaft gerade auf unterschiedlichste Weise. Die Interaktion zwischen UserInnen teilt sich oft in Communities nach Interessengruppen oder anderen Gemeinsamkeiten. Jenny Preece definiert Onlinecommunities folgendermaßen: -
People, who interact socially as they strive to satisfy their own needs or perform special roles;
-
A shared purpose, such as an interest, need, information exchange, or service that provides a reason for the community;
-
Policies, in the form of tacit assumptions, rituals, protocols, rules and laws that guide people’s interactions
-
Computer systems that support and mediate social interaction and facilitate a sense of Togetherness (Preece, J 2000: o.s.) 59
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Hinzu kommt eine Fülle an Spielen, die teilweise komplexe soziale Interaktionen zulassen. In den folgenden Kapiteln möchte ich zwei sehr unterschiedliche Konzepte erläutern, um das weite Spektrum des Angebotes für die UserInnen aufzuzeigen.
3.3.4.1.
Counterstrike und andere Egoshooter
„Der Gegensatz zu Spiel ist nicht Ernst, sondern Wirklichkeit.“ (Freud, Sigmund 1908, s. 171) Im folgenden Kapitel wird der Trend der „Gewaltspiele“ beleuchtet, die einen großen Anteil an der sozialen Interaktion, gerade bei jüngeren UserInnen, im Internet einnehmen. Dabei verweise ich auf das Kapitel 3.2.2.2, in dem die Thematik aus sozialräumlicher Sicht aufgegriffen wird. Dazu wird das wahrscheinlich beliebteste Spiel, Counterstrike, historisch wie sozial näher beleuchtet. Am 20. April 1999 ermordeten zwei Schüler an der Columbine Highschool in Littelton
zwölf
MitschülerInnen
und
einen
Lehrer.
Beide
waren
laut
Medienberichten begeisterte „Doom“ und „Quake“ - Spieler gewesen. Das sind zwei Computerspiele, die dem Genre „Egoshooter“ zuzuordnen sind und das mediale Interesse am Zusammenhang zwischen Gewaltspielen und realer Gewalt entfachte. „Derartige Computerspiele mit Gewaltinhalten wurden daraufhin als mögliche Auslöser für die Tat der zwei Schüler angesehen.“ (vgl. Frindte, Obwexer; 2003, s. 3) . Eine weitere ähnliche Bluttat in Erfurt in Deutschland 2002 erweckte die Diskussion im europäischen Raum erneut. Doch was sind Egoshooter wirklich und was ist die Intention der spielenden Peergroup? Der erste wirkliche „Egoshooter“ wurde 1993 von ID Software entwickelt und heißt „Doom“, ein Spiel, in dem der Spieler als Soldat einen Planeten von
60
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Monster befreit. Das wirklich Neue daran war jedoch die Perspektive (siehe Abbildung). „Eine auf Individualisierung und subjektives Erleben ausgerichtete Kultur wie die unsere bekommt mit dem Blick des Egoshooter durch Kimme und Korn der Kamera den subjektiven Blick des persönlichen Kamera-Auges auf das zu jagende bewegte Objekt, wobei fiktive Bilder von Mensch zu Jagdobjekten werden.“ (Bachmair,2006, ).
Abbildung 10: Doom, Spielen aus der Egoperspektive Quelle: http://psychosaurus.com/doom/images/space1.jpg, aufgerufen am: 22.2.2007
In den folgenden Jahren entwickelten sich zahlreiche Spiele, die das Konzept adaptierten und das Genre „Shooter“ begründeten. Vor allem auch die Möglichkeit der Mehrspielermodi, also dass nicht eine UserIn gegen den Computer spielt, sondern dass mehrere UserInnen mit- sowie gegeneinander über Netzwerk oder Internet spielen, wurde immer beliebter. Mit zunehmender Leistung der Rechner sowie der Netzwerke, und die Kostenentwicklung bei Computerhardware führte dazu, dass immer mehr SpielerInnen miteinander 61
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
spielen konnten. Was zusätzlich zur Verselbstständigung dieses Spielegenres führten, waren die den Spielen beigelegten Software-Development-Kits (kurz: SDK). Mithilfe dieser Entwicklungsprogramme konnten die UserInnen eigene Spielelevels erschaffen. Bald war es als UserIn möglich, aktiv die Spielphysik sowie das Aussehen des Spieles zu verändern. UserInnen erzeugten so ihre eigenen Spielmodifikationen, so genannte Mods (vgl. Wiemken, Jens; http://snp.bpb.de/referate/wiemk_cs.htm, aufgerufen am 13.2., 07). Das interessante an Mods ist, dass viele nicht von Spielefirmen, sondern von UserInnen und Spielercommunitys selbst entwickelt werden. So vermischen sich, wie in vielen Bereichen des Internets, die Grenzen zwischen UserIn und ProduzentIn. Als Mod eines Spiels veröffentlichte Minh Le, ein Student aus British Columbia, Kanada, 1999 auch das Spiel „Counterstrike“, das nicht auf finanziellen Erfolg ausgelegt war. Zur Motivation, warum er Counterstrike entwickelte, sagte er "Ich bin bei Spielen wählerisch und wollte einfach eines schaffen, das ich selbst gerne spielen würde." (Tamm, 2001, s.8). So kann man nicht alleine der Computerspieleindustrie die Schuld an der Entwicklung von Shooter geben, die Community entwickelt aktiv daran mit. Der Erfolg des Spieles, das eigentlich nur einen Modifikation des ebenfalls äußerst erfolgreichen Shooters „Half-Life“ war, übertraf alle Erwartungen. Nach wie vor gelten Shooter als das Spielegenre, womit sehr viel Umsatz gemacht werden kann. Auch die mediale Diskussion im Bezug auf die Gewalt ist nach wie vor allgegenwärtig. Jens Wiemken bemerkt dazu abschließend in seiner Arbeit über Counterstrike: „Dass Jungen Lust haben und dazu fähig sind, sich eine Welt zu Eigen zu machen und nach ihren Vorstellungen einzurichten, beweist die Welt von Counterstrike, der Clans und LANs. Pädagogik und auch Politik sind gefragt und gefordert, ihnen reale Räume anzubieten und sie in reale Räume hinein zu erziehen.“ (Wiemken, Jens; http://snp.bpb.de/referate/wiemk_cs.htm, aufgerufen am 13.2., 07).
62
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.3.4.2.
SecondLife
Hierbei wird der dreidimensionale Sozial- und Wirtschaftsraum „SecondLife“ umschrieben.
3.3.4.2.1. SecondLife – eine Beschreibung
Einer der größten dreidimensionalen Welten, die bisher geschaffen wurden, ist wohl „SecondLife“. Hierbei handelt es sich nicht einfach um ein klassisches Onlinegame. in dem ein spielerisches „Ziel“ verfolgt wird. Die kalifornische Firma
LindenLabs, die SecondLife ab 1999 entwickelte und 2002 erstmals
präsentierte, definiert SL (die Kurzform von SecondLife): „Second Life is a 3-D virtual world entirely built and owned by its residents.“ (http://secondlife.com/whatis/, aufgerufen am 2.4.07). Residents sind die UserInnen, welche die virtuelle Welt bewohnen. Steuerung sowie Kommunikation funktioniert ähnlich wie bei bekannten 3d Spielen und Kommunikationsplattformen (Chat, Instant Messaging). Die Firma LindenLabs stellt virtuelles unbebautes Land
zur Verfügung, das die UserInnen dann
mittels Applikationen beliebig bebauen und verändern können. „Second Life is a continuous and persistent world that attempts to model the surface of an Earth-like world in a reasonably life-like way. The sun rises and sets, objects fall under the effect of gravity, trees and grass blow in the wind and clouds form and drift.“ (http://papers.ssrn.com/sol3/Delivery.cfm/SSRN_ID556375_code374671.pdf?a bstractid=555883&mirid=1, aufgerufen am 11.4.07)
63
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Es wurde also lediglich die physikalische Umgebung von LindenLabs geschaffen, der virtuelle „Stadt“-raum ist also nicht vorgegeben, sondern wächst nach und nach durch die Besiedelung von BewohnerInnen. Es können auch jegliche Arten von Gegenständen „erschaffen“ oder nachgebaut werden. So besteht in SL ein geografisch fassbarer Raum (siehe Abbildung).
Abbildung 11: SecondLife Map vom Oktober 2003 http://www.slmaps.com/oldmaps.htm, aufgerufen am 12.2.07
Das gesamte Land ist in Quadrate aufgeteilt. Ein Quadrat wird als Region bezeichnet und entspricht etwa 65536 m2 Land. Diese Abbildung
stammt
jedoch vom Jahre 2003. Mittlerweile ist die Anzahl der Regionen auf über 9000 gewachsen (vgl. http://stats.slbuzz.com/, aufgerufen am 23.3.07). Der Baugrund in SecondLife muss erworben werden, wodurch LindenLabs Geld verdient. So zahlt man nach einem erstmaligen Kauf für 512 Quadratmeter monatlich 5 US
64
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Dollar, zusätzlich mindestens 10 Dollar pro Monat für einen Premiumaccount (vgl. http://secondlife.com/whatis/landpricing.php , aufgerufen am 12.04.2007). Hinzu kommt, dass LindenLabs eine eigene Währung eingeführt hat, den Lindendollar. Dieser hat einen Umrechnungskurs zum US-Dollar und wird von LindenLabs selbst festgelegt, außerdem wird eine Wechselgebühr eingehoben, die ebenfalls Geld bringt. Am 14. April 2007 wurde zum Beispiel ein US-Dollar durchschnittlich
für
zirka
270
Lindendollar
gehandelt
(vgl.
http://secondlife.com/whatis/economy-market.php aufgerufen am 14.04.07). So kann man theoretisch echtes Geld
verdienen und ausgeben. Das macht
SecondLife zu einem „realen – virtuellen“ Wirtschaftsraum. So gab LindenLabs zum
Beispiel
am
14.
April
auf
ihrer
offiziellen
SL-Homepage
http://secondlife.com/ an, dass in de vorherigen 24 Stunden 1,8 Millionen USDollar ausgegeben worden sind.
3.3.4.2.2.
SecondLife – der „Avatar“ und das soziale System
Ein zentraler Bestandteil von SecondLife ist der Avatar. Als Avatar bezeichnet man in SL wie in vielen anderen Applikationen den interaktiven Stellvertreter eines Menschen in einer virtuellen Realität. (Vgl. http://www.case.edu/help/webglossary.html, aufgerufen am 11.4.07). Er dient zur Bewegung und Kommunikation. Außerdem hat das Aussehen des Avatars, das man jederzeit beliebig modifizieren und verändern kann, einen großen Stellenwert. Das Modifizieren erledigt die UserIn selbst mit Hilfe eines Editors (siehe Abbildung).
65
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Abbildung 12: create an avatar - http://secondlife.com/whatis/avatar.php, aufgerufen am 4.3.07
„Das
spezifisch
Neue
Austauschprozessen
ist,
durch
dass die
die
Anwendung
3D-Animationen
den
und
beschriebenen
das
inbegriffene
Raumgefühl eine neue Tiefe verleiht. Interaktionen werden durch die Animationen besser sicht-, fühl- und erlebbar." (http://quelle23.de/second-life-das-metaversum.html, aufgerufen am 11.4.07) Das wirkt sich auf den Transfer zwischen virtueller und realer Welt massiv aus. Im Gegensatz zum Chat, in dem so genannte Emoticons zum zusätzlichen Ausdruck von Emotionen verwendet werden, kann man den Avatar auf Befehl auf jegliche Art animieren und interagieren lassen. „Die Nutzer werden durch einen Körper statt einen Login-Namen dargestellt, simulierte Mimik ersetzt die Emoticons. Doch ergeben sich in der simulierten Welt reale Kontakte, oder verschwinden die Spieler hinter der Beliebigkeit von Rollen, Namen und Posen?“ (http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/390/88302/3/, aufgerufen am 9.4.07)
66
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Da es kein echtes politisches System in SL gibt, wird das gesellschaftliche Leben lediglich von den „Community Standards“ geregelt, die von der Firma „LindenLabs“ selbst verfasst wurden. Anders als bei langen Gesetzestexten echter Länder umfassen die Community Standards jedoch nur 6 Punkte, die je nach Schwere des Vergehens zur sofortigen Suspendierung oder sogar „Abschiebung“
führen
können,
sowie
einige
Zusätze.
Diese
wurden
zusammengefasst und aus dem Englischen übersetzt. Folgende Vergehen führen zu Maßnahmen: -
Intoleranz: Wer Gruppen oder Individuen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung diskriminiert oder an den Rand drängt
-
Belästigung: Kommunizieren auf bedrohliche Art, z.b. ungewollte sexuelle Angebote, etc
-
Angriff bzw. Tätlichkeit: Andere Residents in den angeführten „Safe Areas“ in irgend einer Weise (virtuell) körperlich angreifen
-
Unanständigkeit: Es wird vorgeschrieben, dass pornografisches und ähnliches Material auch als solcher erkenntlich gemacht werden soll. So müssen Regionen, Namen von Gruppen oder Individuen, die einen solchen Inhalt haben, als solche mit M (mature) gekennzeichnet werden.
-
Ruhestörung: „Jeder Resident hat das Recht, sein „SecondLife“ zu leben. Er darf nicht durch
Gegenstände, Werbung oder Ähnliches an der
Fortbewegung in SecondLife gehindert werden. (Vgl. http://secondlife.com/corporate/cs.php, aufgerufen am 2.3.07) Exekutiert werden die Gesetze vom „Second Life Abuse Team“, die von den UserInnen über einen „Abuse Report“ informiert werden können. (Vgl
http://secure-web10.secondlife.com/knowledgebase/article.php?id=085,
aufgerufen am 21.4.07) Die holländische Non-Profit Organisation EPN, die sich mit der Erforschung von sozialen
Auswirkungen
durch
Informations-
und
Telekommunikations-
Technologien beschäftigt, befragte in einer Studie 300 UserInnen von 67
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
SecondLife über ihr Nutzungsverhalten. Unter anderem wurde gefragt, ob die UserInnen in SecondLife schon einmal belästigt wurden. 52 Prozent beantworteten die Frage mit „Ja“. 35 Prozent der Befragten wünschen sich außerdem eine verstärkte Gesetzesexektutive. (Vgl. De Nood; Attema, 2006, s. 36 ff) Weiters stellt die Studie einen starken Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Erfolg in SecondLife und Wohlbefinden und Erfolg im realen Leben dar. Wer im echten Leben erfolgreich ist und auf ein großes soziales Netzwerk zugreifen kann, ist laut dieser Studie auch in SecondLife bevorzugt: „ There is a strong correlation between well-being and success in Second Life and well-being and success in real life. The number of friends one has in the real world correlates strongly with the number of friends one has in Second Life. In this sense, the hypothesis that “the rich get richer” is supported in Second Life.“ (De Nood; Attema, 2006, s. 5) Jedoch scheint es auch einen Anteil an UserInnen zu geben, die aus sozialen oder anderen Gründen mehr Vorteile für sich in SecondLife als im realen Leben finden: „There is, however, a small group which feels less comfortable in the real world but has discovered fantastic social possibilities in Second Life. This is true for some retirees, unemployed, housewives who are bound to the house by certain circumstances, those who are ill or physically challenged. „ (ebd.) Doch was ist die eigentliche Motivation zur Teilnahme an SecondLife? Laut der Befragung werden als wichtigste Punkte „Spaß“ und „ Erfahrungen sammeln, die im echten Leben unmöglich sind“ angeführt (siehe Abbildung)
68
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
Abbildung 13: Entnommen aus De Nood; Attema, 2006, s. 6
Auch das Kennen lernen von neuen FreundInnen ist ein zentraler Bestandteil zur Motivation. Zur Zielgruppe ist zu Sagen, dass in SecondLife
am stärksten die 24-40
Jährigen vertreten sind und die meisten UserInnen höheren Bildungsschichten angehören. (Vgl. De Nood; Attema, 2006, s. 20 ff). So stellt sich ganz generell die Frage, ob virtuelle Welten lediglich für gebildete, reiche Schichten zugänglich sind, und inwiefern andere Bevölkerungsgruppen davon ausgeschlossen sind? Diese Thematik wird im folgenden Kapitel im Sinne von „Digital Divide“ behandelt.
69
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
3.4.
Die Zielgruppe: „the digital divide“
Grundsätzlich ist es schwer, die Zielgruppe für virtuelle Räume zu definieren. So wollte ich zuerst die zu erforschende Zielgruppe an Kriterien wie z.b. der Altersgruppe festhalten. Dies funktioniert nur bedingt, wenn man sich in virtuellen sozialen Räumen bewegt, da hinter dem „Avatar“ Menschen jeden Geschlechts und Alter
stecken können. Auch viele Computerspiele haben
weniger eine altersspezifische Eingrenzung, wie z.B. An Counterstrike deutlich wird: "In gut einem Jahr ist die Community auf über 1 Million begeisterte Fans angewachsen, vom 14-jährigen Schüler bis zum 40-jährigen Familienvater." (Tamm, 2001, s. 8). So findet man in vielen virtuellen Sozialräumen Menschen verschiedenen Geschlechts, Ethnizität, Alter, etc. Derartige Grenzen scheinen im Internet nur mehr bedingt eine Rolle zu spielen. Doch wie grenzen sich UserInnen nun von anderen ab? Diese Problematik wird von „Digital Divide“ umschrieben. Der Begriff „Digital Divide“ wurde Mitte der 1990er Jahre in den USA geprägt. Man
versteht
darunter,
dass
trotz
einer
allgemeinen
Zunahme
der
Zugangsmöglichkeiten zum Internet bzw. der Internetnutzung das Wachstum eher in privilegierten als in weniger privilegierten soziodemographischen Bevölkerungsgruppen stattfindet und diese Kluft sich im Zeitablauf vergrößert statt verringert. (vgl. National Telecommunications and Information Administration, 1998, zitiert nach http://www.hans-bredowinstitut.de/publikationen/muk/M&K_01.06_05Riehm.Krings.pdf, aufgerufen am 17.4.07, s. 75) Der Schweizer Soziologe Robert van der Pol beschreibt „digital divide“ ganz allgemein folgendermaßen: 70
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
„Digital Divide kann ganz allgemein definiert werden als der Graben zwischen denjenigen Bevölkerungsgruppen, Gesellschaftsschichten und Nationen, die Zugang zu den Informationen des World Wide Web haben und die diesen Zugang auch effektiv zu nutzen und zu gebrauchen wissen, und denjenigen Bevölkerungsgruppen, Gesellschaftsschichten und Nationen, die aufgrund sozioökonomischer, kultureller, physischer oder psychischer Faktoren keinen oder einen erschwerten Zugang zur Online-Welt haben.“ (Van de Pol, R, 2004, http://socio.ch/intcom/t_vandepol.htm, aufgerufen am 4.2.07) So kann man „Digital Divide“ auf verschiedenen Ebenen verstehen. Einerseits gibt es UserInnenunterschiede zwischen Ländern, Staaten und Kontinenten. So stellt das Entwicklungsmagazin „Eine Welt“ fest, dass Zwei Drittel der weltweiten InternetuserInnen in Nordamerika und Westeuropa leben, ein Viertel lebt in
Australien und Ost-/Südostasien. Deutlicher wird der Unterschied in
Prozentzahlen: In Nordamerika nutzen 59,1% der Bevölkerung das Internet, während in Afrika lediglich 0,6% Zugang zum Internet haben (vgl. Eine Welt, 2003, s.28). Aber auch zwischen europäischen Ländern gibt es Unterschiede. So sind die skandinavischen Länder weitaus besser mit Internet versorgt, als zum Beispiel Italien oder Griechenland. So scheint die Verbreitung des Internets Hand in Hand mit der wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Gesellschaft zu gehen. So meint Norris dazu: „...the evidence strongly suggests that economic development is the main factor driving access to digital technologies, so that the Internet reflects and reinforces traditional inequalities between rich and poor societies...“ (Norris
2001,
s.13
zitiert
nach
Van
de
Pol,
R,
2004,
http://socio.ch/intcom/t_vandepol.htm, aufgerufen am 4.2.07). Für die Soziale Arbeit wird wahrscheinlich jedoch eher der „digital divide“ innerhalb eines Systems, wie z.b. einem Land, oder gar einem Stadtteil, von Bedeutung sein. So verteilen sich auch in Österreich die UserInnen nach Bildung und finanzieller Lage (siehe das Kapitel Statistiken). Ich unterscheide demnach nach der Finanz-, bzw. Bildungsthematik:
71
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
Digital Divide als finanzielle Aufteilung: Breitbandanbindungen sind in Österreich im Vergleich zum Rest von Europa eher teuer. So verfügen in Österreich auch nur 20 Prozent der ÖsterreicherInnen mit Internet über Breitbandanschluss,
was
unter
dem
Eu-Schnitt
liegt.
(Vgl.
http://www.wcm.at/story.php?id=10494, aufgerufen am 12.10.06). Der Journalist Florian Rötzer sieht den „Digital Divide“ als Unterschied zwischen InternetuserInnen mit langsamem und InternetuserInnen mit schnellem Breitband-Zugang (vgl. Gehrke 2004; s.32). Dies ist vor allem bei der Nutzung von „Web 2.0“ Applikationen von Bedeutung. So ist es aufgrund der zu transferierenden Datenmenge nahezu unmöglich, mit einem Modem-Zugang Video-Portale wie „Youtube“ zu nutzen. Auch „SecondLife“ lässt sich lediglich mit einer Breitbandverbindung und einem dementsprechend modernen Computer nutzen. -
Digital Divide als
Kompetenztrennung: Die Nutzung des Internets
setzt eine Fülle an technischen, sowie kommunikativen Kompetenzen voraus. So gibt es zwar UserInnen, die das Internet bereits zum Schicken und Empfangen von Emails nutzen, dass bedeutet aber nicht, dass sie bereits Mitglieder der Online-Community sind. Hier sind erweiterte Fähigkeiten nötig, um auch selbst Inhalte im Internet zu erzeugen. Als ein Beispiel, das meiner Meinung nach viel mit „Diskriminierung aufgrund des Wissens“ zu tun hat, ist die Bezeichnung des „NOOBS“. Die Herleitung des Wortes ist nicht ganz klar, es scheint dem englischen Wort NEW (neu) zu entstammen, ein verwandtes Wort ist Newbie. (vgl. http://www.urbandictionary.com/define.php?term=noob, aufgerufen am 15.4.07). Am ehesten kann es wahrscheinlich als „Neuling“ übersetzt werden. Anwendung findet es, wenn in Online-Communities wie Spielgemeinschaften oder Foren eine neue UserIn hinzukommt, die mit den Regeln oder technischen Gegebenheiten des Spieles oder der Kommunikationsplattform nicht vertraut ist. Manche UserInnen machen sich deswegen über die „Neulinge“ lustig und beschimpfen sie geradezu als „NOOB“. Auf der offenen Plattform www.urbandictionary.com , auf der in Lexikonform versucht wird, „Onlinebegriffe“ zu definieren und zu 72
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
systematisieren, definiert eine UserIn „Noob“ sogar als das „gamerequivalent for nigga“ . Hier scheint eine Diskriminierung aufgrund fehlenden Wissens zu entstehen.
3.5. Soziale und gesundheitliche Folgen
Dieses Kapitel dient zur Untersuchung von negativen Folgen von exzessiver Nutzung vom Internet. Dafür werden soziale wie gesundheitliche Folgen beleuchtet. „Die Generation @ driftet durch das Dasein, lebt temporär und kommt kaum zur Ruhe. ... Sie verliert das Gefühl für die Balance zwischen schnell und langsam, Anspannung und Entspannung. Sie verlernt, in mittlerem Tempo zu leben ... In der Mitte, also bei einem Mittelmass an Zeitdruck, ist das Wohlbefinden am grössten. Die genervte Generation @, die viel zuviel gleichzeitig macht und sich übermässig oft im Stress befindet, wird zunehmend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben“ (Opaschowski 1999, s. 145). Der Suchtbegriff wird oft in Zusammenhang mit dem Internet verwendet. Dabei wird als Hauptkriterium die übermäßige Nutzung genannt. Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen am Forschungslabor (PSILab) des Lehrstuhls Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Humboldt-Universität
Berlin, die sich mit der Thematik „Internetsucht“
auseinandersetzten, beschreiben folgende Merkmale: -
Einengung des Verhaltensraums: fast das gesamte Tageszeitbudget wird mit internetbezogenen Aktivitäten verbracht
-
Kontrollverlust: Versuche, die Internetnutzung einzuschränken, gelingen nicht; Vorsätze zur werden trotz festen Willens nicht realisiert.
73
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
Toleranzentwicklung, bzw. Steigerung der Dosis : Nutzungszeit der Internetaktivitäten steigt ,bis annähernd das gesamte Tageszeitbudget im Internet verbracht wird
-
Psychische Entzugserscheinungen: wird auch als "craving" (Verlangen) bezeichnet. Durch die intensive Nutzung wird die Sehnsucht bei Nichtbenutzung schwieriger. Hierzu zählen beispielsweise Nervosität, innere Unruhe, Reizbarkeit und Unzufriedenheit.
-
negative Konsequenzen insbesondere in den sozialen Bereichen "Arbeit/Leistung" sowie soziale Beziehungen (z.B. Ärger im Beruf, Ausbildung, Privatleben).
(Vgl. http://www.internetsucht.de/faq/faq01.html, aufgerufen am 5.4.07) So gilt Internetsucht auch als Synonym für exzessiven Gebrauch des Mediums, wobei das Verhalten wissenschaftlichen Suchtkriterien genügen muss. Prim. Dr. Hans Zimmerl, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, findet ähnliche Symptome und gliedert sie folgendermaßen: -
Fokussierung: der Fokus des Denkens und der Handlungsintention richtet sich auf das „Onlinesein“ zu sein. Wenn man nicht am Internet ist, treten quälende Fantasien darüber auf, was man versäumen könnte. Eine Einengung des Verhaltensraumes ist die Folge.
-
Kontrollverlust: der online verbrachte Zeitrahmen kann nicht kontrolliert werden. Hier findet sich auch das Phänomen der "Toleranzsteigerung", das heißt, dass der User sein Online-Verhalten zur Befriedigung quantitativ und qualitativ ständig intensivieren muss.
-
Negative Konsequenzen: durch exzessives Online-Verhalten treten körperliche Schäden auf (Mangelernährung, Vernachlässigung des Schlafbedürfnisses, Schäden am Bewegungsapparat, Schäden am Sehapparat, bis hin zu vital bedrohlichen Erschöpfungszuständen) auf, aber auch psychosoziale Folgeschäden (soziale Selbstisolierung durch Vernachlässigung aller Sozialkontakte, Arbeitsplatzverlust, schulisches Versagen bzw. mögliche Verschlechterung vorangegangener psychischer Erkrankungen). 74
Sozialraum: Internet - Kapitel 3 - Definitionen und Theorien
-
Entzugssymptome: wie bei anderen Abhängigkeitserkrankungen kann man bei Internetsüchtigen dann, wenn sie unfreiwillig offline sind, psychovegetative
Entzugssymptome
wie Reizbarkeit,
Affektlabilität,
Unruhe, Unkonzentriertheit feststellen. -
Unfähigkeit zur Verhaltensänderung: Trotz der Offensichtlichkeit der negativen Folgen des Verhaltens ist der Internetsüchtige nicht aus eigener Kraft fähig, sein Verhalten zu korrigieren. Suchttypische "Abwehrmechanismen" - von der Verleugnung/Bagatellisierung über die Projektion bis hin zur Rationalisierung, also dem Erfinden gefinkelter Rechtfertigungsstrategien - sind ebenfalls festzustellen.
(vgl. http://gin.uibk.ac.at/thema/internetsucht/internetsucht.html, aufgerufen am 3.3.2007) Die Behandlung wird sich laut Doktor Zimmerl jeweils am Einzelfall orientieren müssen, da nicht die Abstinenz, sondern der kontrollierte Gebrauch das therapeutische Ziel sein muss. So meint er außerdem, das vor Zehn Jahren zwei Drittel der Süchtigen im Kommunikationsbereich, und ein Drittel im Spielbereich anzutreffen waren, Dies habe sich in den letzten zehn Jahren jedoch verschoben. Zwar dominieren diese Bereiche nach wie vor, aber zunehmenden Anteil gewinnen das Glücksspiel, Erotik, Angebote wie ebay oder diverse Partnerbörsen, bis hin zur Blogszene (virtuelle Tagebücher). Durch die sich anbahnende Verschränkung mit der Mobiltelefonie (mobile internet) ist laut Dr. Zimmerl mit einer Ausweitung des Phänomens zu rechnen. (vgl. ebd.)
75
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
4. Erhebung des Iststandes
In der Ist-Stand-Erhebung soll ein Einblick über bereits bestehende Projekte im Bezug Soziale Arbeit und Internet sowie ein Einblick in statistische Daten über das Nutzungsverhalten von UserInnen gegeben werden. Hinzu kommt eine Übersicht über die wichtigsten Ergebnisse aus den geführten Interviews.
4.1.
Statistische Daten
Hier werden statistische Zusammenhänge
über den Gebrauch von Internet
untersucht,
österreichische
sowie
auch
spezifisch
Studien
zum
Mediengebrauch beleuchtet. Um die Relevanz der Thematik des Internets als Sozialraum aufzuzeigen, wird in diesem Kapitel einen Überblick über das Internetverhalten der UserInnen von statistischer Seite gegeben. Als Quelle für österreichische Daten dienen einerseits statistisches Material von Austrian Internetmonitor sowie die Ergebnisse der Europäischen Erhebungen über den Einsatz von Informationsund Kommunikationstechnologien in Unternehmen und in Haushalten 2006. Die Verbreitung des Internets ist eine der
rasantesten Entwicklungen im
Bereich der Telekommunikation. In nur 10 Jahren breitete sich das Internet annähernd explosionsartig aus. So gibt es im 4. Geschäftsquartal 2006 bereits 4,05 Millionen ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren, die zu Hause über Internet verfügen. Das bedeutet erstmalig eine Internetverbreitung in Österreich, gemessen an Haushalten, von über 60 Prozent. Eine
andere
interessante
Entwicklung
ist
jedoch,
dass
sich
die
GesamtnutzerInnenanzahl, also alle UserInnen, auch jene, die nicht zu Hause, sonder woanders über Internet verfügen, gleich geblieben ist. Sie liegt bei 4,2 Millionen UserInnen, das entspricht 62 Prozent der Bevölkerung. Beachtlich ist 76
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
auch, dass sich der Anteil der IntensivnutzerInnen erhöht. So gehen bereits 41 Prozent der Österreicher/innen (fast) täglich ins Internet, vor einem Jahr waren es noch 37 %. Vor allem bei 14 bis 29 jährigen nimmt die Nutzung ständig zu. Wenig verbreitet ist das Internet vor allem noch bei der älteren Bevölkerung. 66 Prozent der 60 bis 69-Jährigen bzw. 90 Prozent der über 70-Jährigen sind noch "offline". (Daten entnommen aus Austrian Internet Monitor (AIM) - 4. Quartal 2006; http://medienforschung.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm, aufgerufen am 11.4.07) Langzeitlich gesehen steigen die NutzerInnenzahlen jedoch sehr wohl immer mehr und gerade der Internetgebrauch ist laut Statistik Austria von 2002 bis 2006 von 36,6 Prozent auf 61.1 Prozent gestiegen (siehe Abbildung).
Abbildung 14: Statistik Austria; IKT-Einsatz - Ergebnisse der Europäischen Erhebungen über den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen und in Haushalten; 2006 , Wien, s. 20
77
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
Im Altersvergleich sind wohl die 16 bis 24 Jährigen die HauptuserInnen. Sie machen bereits 87% aller UserInnen aus. Es gibt auch einen erheblichen Unterschied der Nutzung bei Männern und Frauen. Wenn man die Anzahl der Männer und die Anzahl der Frauen auf die Gesamtzahl aller Männer und Frauen im Alter von 16 bis 74 Jahren bezieht, dann ergibt sich, dass 67% aller Männer und 56% aller Frauen das Internet nutzen. Dieser Unterschied hat sich in den letzten Jahren nicht verringert. Bei näherer
Betrachtung
der
Altersklassen
gibt
es
keinen
geschlechtsspezifischen Unterschied in der Altersklasse der
wesentlichen
16-
bis
24-
Jährigen. Mit zunehmenden Alter wird jedoch dieser Unterschied immer größer, in der Altersklasse der 55- bis 74-Jährigen gibt es 35% männliche Internetnutzer, aber nur 19% weibliche InternetnutzerInnen. Die führende Gruppe unter den Internetnutzern, die der SchülerInnen und StudentInnen, liegt bei 99 Prozent. 75 Prozent der Erwerbstätigen nutzen das Internet, während Pensionisten und RentnerInnen lediglich zu 20 Prozent das WorldWideWeb nutzen. Natürlich spielt das Ausbildungsniveau ebenfalls eine bedeutende Rolle. Bei Untersuchung des Ausbildungsgrades lässt sich erkennen, dass, je höher das Ausbildungsniveau ist, desto mehr InternetnutzerInnen gibt es. 85 Prozent der Personen mit hohem Ausbildungsniveau (Berufsbildende höhere Schule Kolleg,
Meister-
oder
Werkmeisterprüfung,
Universitätslehrgang
ohne
vorherigem akademischem Erstabschluss, hochschulverwandte Lehranstalt ,Fachhochschule,
Universität,
Hochschule
Bakkalaureat,
Magisterium,
Diplomingenieur, Doktorat als Erstabschluss, Fachhochschul-, Hochschul-, Universitätsstudium,
Lehrgänge
nach
akademischem
Erstabschluss
und
Doktoratsstudium im Anschluss an einen akademischen Grad ) haben in den letzten drei Monaten vor dem Befragungszeitpunkt das Internet genutzt. Der Anteil der Personen mit Lehrabschlussprüfung oder ähnlicher Ausbildung (z.b. ein-
bis
zweijähriger
bzw.
dreijährige
berufsbildende
mittlerer
Schule,
Krankenpflegeschule, allgemein bildende höhere Schule, berufsbildende höhere Schule, Normalform und BHS für Berufstätige), die das Internet nutzen, liegt bei 64%. Deutlich geringer ist der Anteil der InternetnutzerInnen mit keinem
78
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
Hauptschulabschluss, Hauptschulabschluss oder Abschluss der Unterstufe der allgemein bildenden höheren Schule, er beträgt 38 Prozent. (Vgl. Statistik Austria; IKT-Einsatz 2006 , s. 21.ff). Viele Applikationen im modernen virtuellen Sozialraum Internet benötigen eine relativ schnelle Anbindung ans Internet. So wird zum Beispiel eine Breitbandanbindung, also DSL oder Kabel, für die Nutzung von SecondLife (siehe Kapitel SecondLife, Digital Divide) benötigt (vgl. http://secondlife.com/corporate/sysreqs.php, aufgerufen am 12.4.07).
Abbildung 15: Statistik Austria; IKT-Einsatz - Ergebnisse der Europäischen Erhebungen über den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen und in Haushalten; 2006 , Wien, s. 23
Die Geschwindigkeit der Internetleitungen steigt stetig an und hat sich seit 2001 fast verdreifacht (siehe Abbildung). Zur Nutzung der verschiedenen Dienste des Internets ist zu sagen, dass statistisch nach wie vor das Senden und Empfangen von Emails die am meisten verbreitete Tätigkeit ist. 79 Prozent der österreichischen InternetuserInnen hat
79
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
laut AIM-Studie im letzten Monat vor der Befragung von dieser KommunikationsMöglichkeit Gebrauch gemacht. Neben E-Mails wird das WorldWideWeb auch vor allem dafür genutzt, um sich über das aktuelle Tagesgeschehen am Laufenden zu halten: 61 Prozent greifen regelmäßig auf aktuelle Nachrichten und Informationen bzw. 42 Prozent auf die aktuelle Ausgabe einer Zeitung/Zeitschrift zu. Informationsbeschaffung ist ebenfalls wichtig: Bereits über 50 Prozent der InternetnutzerInnen wickeln die Suche nach Adressen oder Telefonnummern sowie nach AnbieterInnen von Produkten und Dienstleistungen via Internet ab. Neben
der
Informationsbeschaffung
wird das Internet
aber auch
als
Freizeitmedium genutzt: 30 Prozent der InternetnutzerInnen laden Musik, Videos oder Bilder herunter, 26 Prozent sehen sich im Internet multimediale Inhalte wie Filme und Musikvideos an. 17 % beschäftigen sich regelmäßig mit Online-Spielen und bewegen sich in Onlinesozialräumen. Das macht in Österreich über eine halbe Millionen OnlinespielerInnen. (Daten entnommen aus Austrian Internet Monitor (AIM) - 4. QUARTAL 2006; http://medienforschung.orf.at/index2.htm?internet/internet_aim.htm, aufgerufen am 11.4.07)
80
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
4.2. Bestehende soziale Internetprojekte
In diesem Kapitel werden die bereits bestehenden Internetprojekte mit sozialen Bezug „Netbridge“ sowie das „Cyberjuz“ der Jugendzentren Oberösterreichs untersucht. Bei der Flut von Daten, Personen, und sozialen Netzwerken, die im Internet vertreten sind, gibt es bereits viele Projekte, die sich mit pädagogischen oder sozialen Aspekten beschäftigen. Es geht mir in diesem Kapitel nicht darum, die Webauftritte von sozialen Institutionen im Internet zu beleuchten. Diese sind großteils bereits Standard. Ein Webauftritt ist aber nicht automatisch ein internetbezogenes Projekt, meistens dient er eher als „erweiterte Visitenkarte“ und verweist auf Tätigkeiten in der realen Welt. Einige Projekte, die Angebote im Netz bereitstellen, werden hierbei skizziert.
4.2.1. Netbridge.at
Netbridge
ist
die
Koordinierungsstelle
für
neue
Informations-
und
Kommunikationstechnologien in der außerschulischen Jugendarbeit in Wien. Sie handelt im Auftrag des Landesjugendreferates des Stadt Wien. Netbridge versteht sich als Netzknoten zur Vermittlung von Medienkompetenz in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit. Die Wiener Organisation beschäftigt sich mit den Schwerpunkten: -
Multimedia-Projekte: Koordinierung und professionelle Betreuung von multimedialen Projekten und Beratung bei Konzepterstellungen etc
81
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
-
Trend-Scouting:
Beobachtung
von
Trends
und
konzeptionelle
Entwicklung von neuen Strategien im Bereich neuer Technologien etc -
Bildung und Kommunikation: Förderung der Medienkompetenz der MitarbeiterInnen
und
MultiplikatorInnen
in
der
außerschulischen
Jugendarbeit. (http://www.netbridge.at/infos.html, aufgerufen am 12.3.07) Dabei werden Projekte mit der Einbindung von Neuen Medien und dem Internet unterstützt und Kenntnisse darüber vermittelt. Auch die Beobachtung von Trends sehen sie als ihren Aufgabenbereich. Sie produzieren außerdem eine Radiosendung, die sich mit neuen Medien beschäftigt und auch im Internet abrufbar ist.
4.2.2. Cyberjuz.at
Das Cyberjuz ist ein virtuelles Jugendzentrum des Oberösterreichischen Landesjugendreferats, das 2002 mit Mitsprachemöglichkeit von Jugendlichen entstanden ist. (vgl. http://www.netbridge.at/specials/projektepool/pool.html, aufgerufen am 2.3.07) Bei diesem Projekt wurde das Konzept eines realen Jugendzentrums auf die virtuelle Welt umgelegt. Es bietet ein umfassendes Portal, das speziell auf Jugendlich zugeschnitten ist. So bietet das Cyberjuz verschiedenste Dienste an: -
Chatrooms für die Kommunikation von Jugendlichen sowie diverse Diskussionsforen.
-
Infomaterial zu den verschiedensten Themen.
-
Ein Nachrichtendienst, mit dem man vom Cyberjuz gratis SMS verschicken kann
-
Die Publikation des Jugendmagazins „Cybermag“, das von Jugendlichen mitgestaltet wird. 82
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
(Vgl. http://www.kulturkontakt.or.at/upload/medialibrary/Christian_Brauner_cyberju z.pdf, aufgerufen am 12.4.07) Herauszuheben ist die Steuerung der Homepage, die ein virtuelles Jugendzentrum simuliert. So kann man sich einerseits zwar ganz normal durch Links auf der Seite bewegen. Man kann sich aber auch wie in einem Computerspiel mittels „Avatar“ von Raum zu Raum bewegen und so die verschiedenen Bereiche des Cyberjuz erforschen.
Abbildung 16: Das Cyberjuz - screenshot von http://www.cyberjuz.at/index.php, aufgerufen am 12.4.07
Für die Jugendlichen bietet diese Art der Bedienung einen zusätzlichen Anreiz, auf spielerische Weise die Angebote und Informationen des Cyberjuz zu durchforsten.
83
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
4.3.
Die Interviewrecherche
In den folgenden Kapiteln werden die Gründe und die Parameter der Interviewrecherche sowie der Zusammenhang zu den geschaffenen Kategorien erläutert. Um die Handlungsorientierung dieser Arbeit zu betonen, entschloss ich mich Informationen einiger ExpertInnen einzuholen, die bereits in pädagogischen oder sozialen Kontexten in virtuellen Räumen tätig sind. Dabei versuchte ich, diese anhand des Theorieteils der Arbeit sowie der Recherche über bestehende Projekte
auszuwählen.
Der
Interviewleitfaden
wurde
anhand
der
Kategorienbildung (siehe Kapitel 2.4.) erarbeitet. Die Leitfadenfragen wurden anhand der Funktion der jeweiligen ExpertInnen modifiziert.
Die Interviews
(siehe Anhang) wurden dann mit Hilfe einer modifizierten Form der „qualitativen Inhaltsanalyse“ nach Mayring (vgl. Mayring, P.; 1996, s. 91 - 98) ausgewertet. Dabei wurden die Interviews wieder nach
den Kategorien zerlegt und die
daraus resultierenden Aussagen paraphrasiert und auf die Theorie rückgeleitet. Zur Verdeutlichung des Verfahrens wird anhand folgender Tabelle ein Auszug aus der Analyse des Interviews mit Franz Kratzer dargestellt: Kategorie: Virtuelle Räume/Sozialräume Paraphrase
Generalisierung
Theorie
„Auch virtuelle
Virtuelle Räume
„...Aneignung ist das
Räume haben ein
verfügen über soziale
Muster für die Bildung
soziales Regelwerk.
Regelwerke
des Subjekts im sozialen
Dieses gilt sich
Die Aufgabe der
Raum. Der
anzueignen“
UserInnen ist es, sich
gesellschaftliche Raum
diese anzueignen
ist Aneignungs- und Bildungsraum.“ (Deinet;Reutlinger; 2004, s. 9. )
84
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
In den folgenden Kapiteln werden die ExpertInnen vorgestellt und die wichtigsten Ergebnisse erwähnt:
4.3.1. Interview mit Franz Kratzer
Franz Kratzer ist seit 1981 bei den Wiener Jugendzentren und war anfänglich in der offenen Jugendarbeit und Leitung eines Jugendzentrums tätig. Ab 1995 übernahm er Aufgaben im Bereich „Neue Medien“. Seit 2000 ist er Projektleiter von
Netbridge,
der
Koordinierungsstelle
für
Informations-
und
Kommunikationstechnologie in der außerschulischen Jugendarbeit (siehe Kapitel Netbridge.at). Aufgrund der Erfahrungen in der pädagogischen Vermittlung von Medienkompetenz wurde er von mir zu den Themenkomplexen soziale Räume, Sozialer Arbeit mit Schwerpunkt auf Medienkompetenz befragt. So konnte Herr Kratzer bestätigen, dass es auch in virtuellen sozialen Räumen ein soziales Regelwerk gibt. Sich zwischen virtuellen und realen sozialen Räumen hin- und herzubewegen ist der Leistung der Aneignung zuzuschreiben, die auch passieren muss, wenn man sich zwischen realen Sozialräumen wie Schule oder Familie bewegt. So sieht Herr Kratzer auch keine Gegensätze in der Gruppendynamik zwischen virtuellen und realen Raum, lediglich die unterschiedliche Art der Kommunikation wirkt sich aus. Denn Stellenwert der Sozialen Arbeit im virtuellen Sozialraum sieht er als eher marginal an, so gibt es zum Beispiel in „World of Warcraft“ (eine der grössten Onlinewelten) keine SozialarbeiterInnen. Lediglich in der Onlineberatung gibt es Aktivitäten
seitens
SozialarbeiterInnen.
Außerdem
sagt
er,
dass
Medienkompetenz für die Sozialen Arbeit kein Handlungsfeld darstellt. Ihm ist auch nicht bekannt, ob Medienkompetenz in der Ausbildung ein Themenbereich wäre. Er sieht Medienkompetenz in der Sozialen Arbeit eher als Zufallsprodukt, das
vom
Engagement
der
jeweiligen
85
MitarbeiterInnen
abhängt.
Die
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
Medienkompetenz von Jugendlichen ist laut Herrn Kratzer von der sozialen Schichtung und den Zugangsmöglichkeiten zu Medien abhängig. Zukünftig sieht er in den Kommunikationsmedien einen starken Trend zur Mobilität, so werden die UserInnen mit einer Vielzahl von Alltagsgegenständen in virtuellen Sozialräumen miteinander interagieren können.
4.3.2. Interview mit Aleks Krotoski
Aleks Krotoski ist Forscherin an der britischen Universität von Surrey im Bereich Psychologie.
Sie
Gruppenprozessen
beschäftigt in
sich
mit
Onlinecommunities.
Kommunikationsmuster Interessant
war
und die
Kontaktaufnahme mit Frau Krotoski. Im Zuge von Recherchen in der 3DOnlinewelt „SecondLife“ stieß ich auf das „Social Simulation Research Lab“, sozusagen ein virtuelles Sozialforschungsinstitut, das dreidimensional in SecondLife eingebettet ist und mittels Avatar auch begehbar ist (siehe Abbildung).
Abbildung 17: Das Social Simulation Researchlab in SecondLife screenshot, erstellt am 11.4.07
86
Sozialraum: Internet - Kapitel 4 - Erhebung des Iststandes
In dessen Bibliothek befinden sich über 150 aktuelle Publikationen, die sich mit Internetforschung
befassen.
Außerdem
gilt
es
als
Treffpunkt
für
InternetforscherInnen in SecondLife. Erfinderin und Betreiberin des „Social Simulation Research Labs“ ist Aleks Krotoski. Aufgrund ihrer Erfahrung mit SecondLife sowie mit gruppendynamischen Prozessen im Internet beschloss ich, sie als Expertin für SecondLife und virtuelle Sozialräume heranzuziehen. Das Interview wurde in englischer Sprache geführt. Aleks Krotoski sieht zwischen realen und virtuellen Räumen im Bezug auf das Verhältnis zueinander durchaus Unterschiede. So sagt sie, dass durch Faktoren wie Anonymität, die entpersonalisiert, sowie die Möglichkeit die körperliche Erscheinung „auszuschalten“, Beziehungen eine andere Qualität bekommen. So scheinen mehr Beziehungen möglich, aber ein Großteil von ihnen sind schwächer ausgeprägt. Dies kann positive wie negative Konsequenzen für die UserIn
haben.
Sie
sieht
jedoch
auch
Gemeinsamkeiten
in
Beziehungskonstrukten wie zum Beispiel die Beziehungsentwicklungen oder wie Hierarchien und Normen gelebt werden. Die Beziehung zwischen UserIn und dem eigenen „Avatar“ sieht sie als eine sehr persönliche. So behauptet sie, dass die langjährige Verwendung desselben Avatars eine massive Auswirkung darauf hat, wie sich jemand wünscht, von anderen gesehen zu werden. So seien virtuelle
Räume mit Avataren „Identitätslaboratorien“. Dazu zitiert sie
Postmes & Baym (2005), die entgegensetzten, dass das Spielen mit Identitäten nur anfänglich beim Ausprobieren des Mediums eine Rolle spielte, sich später aber Avatar und UserIn immer mehr angleichen würden. Weiters bemerkt sie, dass es sehr wohl bereits Menschen gibt, die soziale Arbeiten in SL durchführen, auch wenn diese mehr oder weniger qualifiziert sind. Auch ein virtuelles Communitycenter, geführt von professionellen SozialarbeiterInnen könnte ihrer Meinung nach durchaus Erfolg haben.
87
Sozialraum: Internet - Kapitel 5 - Resümee
5. Resümee
Im Resümee wird die Literaturrecherche mit der Iststanderhebung sowie den Ergebnissen der Interviews in Zusammenhang gebracht. Dazu wird ein Überblick der Ergebnisse der Diplomarbeit präsentiert.
5.1. Der Wandel des „virtuellen Raums“
In diesem Kapitel gehe ich auf die Dynamik des Sozialraums Internet und die daraus resultierenden zukünftigen Entwicklungen ein. Dabei werden die Ergebnisse der Recherchen bezüglich Sozialräume erläutert. Natürlich war es mir im Zuge dieser Arbeit nicht möglich, alle Facetten und Ausformungen von virtuellen Lebensräumen zu erfassen, da dies das Ausmaß dieser Arbeit gesprengt hätte. Nachdem anfänglich hauptsächlich Informationsbeschaffung, Konsum und elektronische Post im Zentrum der UserInnen stand, zeichnet sich nun ein Trend ab, dass der soziale Aspekt immer mehr an Bedeutung gewinnt. In Verbindung mit immer neuen technologischen Entwicklungen und einem permanenten Anstieg der UserInnen bekommt die menschliche Kommunikation immer neue Facetten. Ein Schlagwort dafür ist das „Web 2.0“, welches für die immer wichtiger werdende wechselseitige Kommunikation und Interaktion im Web steht. Über 62 Prozent der ÖsterreicherInnen haben bereits Zugang zum Internet, was es keinesfalls mehr zu einem Medium für Privilegierte macht. Trotzdem spielen Bildung, soziale Schichtung sowie Herkunft im Sinne von „Digital Divide“ sehr wohl eine Rolle. UserInnen, die über weniger Wissen und/oder über 88
Sozialraum: Internet - Kapitel 5 - Resümee
begrenzter technische Vorraussetzungen verfügen, sind in virtuellen Räumen klar benachteiligt. Die große Angst vieler Kritiker des Internets ist die Verdrängung des echten Sozialraumes durch den virtuellen Raum. Meine Recherchen deuten jedoch eher darauf hin, dass der virtuelle Raum ein Teilbereich des menschlichen Sozialraumes ist und niemals alle Bedürfnisse menschlichen Soziallebens abdecken könnte. „In der Mediengesellschaft zählen neben den medialen auch virtuelle Erfahrungsräume zur Lebenswelt.“ ( Theunert, Helga; Eggert, Susanne; 2003, s.10). Hinzu kommt, dass sich laut Aleks Krotoski soziale Prozesse durch Faktoren wie Anonymität, sowie die Loslösung der realen Körperlichkeit von der von realen Prozessen unterscheiden. Es scheint eher darauf hinauszulaufen, dass virtueller und realer Raum immer mehr zusammenwachsen und sich durch den Einsatz von mobilen Geräten wie Handys oder sich durch die Digitalisierung des Mediums Fernsehen immer mehr Schnittpunkte der beiden Ebenen ergeben. SecondLife ist ein Entwicklungsschritt in Richtung dreidimensionales Web. Dabei wird der Sozialraum dreidimensional „materialisiert“ und erhält so eine neue Plastizität. Mit einer UserInnenanzahl von mittlerweile über sechs Millionen sowie einer geografischen Fläche von über 500 Millionen Quadratmeter scheinen die dreidimensionalen virtuellen Räume wie SecondLife ebenfalls an Bedeutung zu gewinnen. Dadurch erhält die StellvertreterIn der UserIn in Web, der Avatar, eine größere Bedeutung. Durch die laut Aleks Krotoski enge Beziehung zwischen Avatar und UserIn kann man davon ausgehen, dass sich, wenn man sich am Transfermodell nach Fritz orientiert,
zukünftig ein Transfer von virtuellen Sozialräumen in reale
Sozialräume mancher UserInnen verstärken wird. Um die grundlegenden Ergebnisse über die Faktoren, welche
in Zukunft
Einfluss auf virtuelle soziale Räume haben werden, noch einmal zu verdeutlichen, stelle ich diese noch einmal anhand einer Grafik dar:
89
Sozialraum: Internet - Kapitel 5 - Resümee
Abbildung 18: Ausblick auf bedeutende Faktoren in virtuellen digitalen Sozialräumen; erstellt am 12.4.07
5.2. Die SozialarbeiterIn im virtuellen Raum
In diesem Kapitel werden die für die „virtuelle“ SozialarbeiterIn relevanten Ergebnisse
meiner
Arbeit
Handlungskompetenzen Vorraussetzung
sein
erläutert.
beschrieben, könnten.
Es die
werden für
Dabei habe
auch
„virtuelle ich
WissenSoziale
mich näher
wie
Arbeit“ mit
den
sozialarbeiterischen Richtungen soziokulturelle Animation sowie mit dem sozialräumlichen Ansatz beschäftigt. Das Internet wird bereits als „Werkzeug“ sozialarbeiterischen Handelns benutzt. Der Computer wird im Sinne von „medialer Animation“ als attraktives Medium vermehrt in der Jugendarbeit verwendet. Auch der Webauftritt sowie die Korrespondenz mittels Email sind bereits Standard in sozialen Institutionen. Im 90
Sozialraum: Internet - Kapitel 5 - Resümee
Bereich Beratung gibt es bereits einige Angebote, die von professioneller Sozialer Arbeit abgedeckt werden. Jedoch scheint der virtuelle Sozialraum als Praxis- bzw. Handlungsfeld die Soziale Arbeit noch nicht erreicht zu haben. Obwohl es gerade statistisch gesehen eine Abschwächung des Zuwachses der österreichischen InternetuserInnenanzahl gibt, benutzen die vorhandenen UserInnen das Internet immer intensiver. So wird das Verbringen in virtuellen Sozialräumen zu einer immer beliebteren Freizeitbeschäftigung gerade bei Jugendlichen. Die Definition laut der „International federation of social workers“ besagt, dass Soziale Arbeit gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und soziale Systeme dort eingreift, wo Menschen mit ihrer Umwelt in Interaktion treten. (vgl. http://www.sozialarbeit.at/def.htm, aufgerufen am 12.4.07). Diese sehr allgemeine Definition führt dazu, dass das Internet sehr wohl als Praxisfeld für die Soziale Arbeit von Bedeutung sein könnte. Dazu sagt Oliver Poseck: „Der Mensch und der durch sie gebildete Sozialraum nehmen eine zentrale Rolle bei der Beschreibung des Internets ein.“ (Poseck, O.; 2001 s.5). Auch in der ganz generellen Definition über das Internet ist die Bedeutung der sozialen Gemeinschaft erwähnt. Als Beispiel, in dem die Soziale Arbeit bereits das Internet als Praxisfeld entdeckt hat, sei das Projekt „CyberJuz“ erwähnt (siehe Kapitel „cyberjuz.at). Der sozialräumliche Ansatz in der offenen Jugendarbeit sieht als eine seiner Funktionen die „Erschließung des Handlungsraumes außerhalb der bestehenden "stationären" Jugendeinrichtungen“ (siehe Kapitel 3.1.4.). So werden auch virtuelle Räume immer mehr zu „Handlungsräumen“, die es von der Sozialen Arbeit zu erfassen gilt. In dreidimensionalen virtuellen Welten wie „SecondLife“ oder „World of Warcraft“ scheint die professionelle Soziale Arbeit noch nicht angekommen zu sein, obwohl gerade hier die soziale Interaktion eine bedeutende Rolle spielt. So meint Aleks Krotoski dazu: „There are loads of people who use the virtual medium to reach those who aren’t physically proximate but need some kind of in-situ care. Some are qualified, others are not.” So entstehen in den virtuellen Sozialräumen HelferInnensysteme abseits der professionellen Sozialen Arbeit.
91
Sozialraum: Internet - Kapitel 5 - Resümee
5.3.
Methoden der Sozialen Arbeit im virtuellen Raum
In diesem Kapitel erkläre ich die zum virtuellen Sozialen Raum „kompatiblen“ sozialarbeiterischen Handlungsformen resultierend aus der Untersuchung der verschiedenen Methoden der „Sozialen Arbeit“. Dabei wurden in meiner Recherche die soziokulturelle Animation sowie der sozialräumliche Ansatz in der offenen Jugendarbeit besonders berücksichtigt. Als ein zentraler Begriff im Diskurs über Handeln in virtuellen sozialen Räumen für jede UserIn sowie auch für die SozialarbeiterIn ergab sich aus meinen Recherchen die „Medienkompetenz“. Medienkompetenz beschreibt einerseits die Fähigkeit des Umganges mit elektronischtechnischen Medien (vgl. Poseck, O; 2001, s.84), andererseits ist sie auch als Teilbereich der kommunikativen Kompetenz zu verstehen. Diese aus der Medienpädagogik stammende Kernkompetenz scheint jedoch in der Sozialen Arbeit weniger von Bedeutung zu sein. So sagt Franz Kratzer im Interview dazu: „Medienkompetenz ist in der Sozialen Arbeit kein Handlungsfeld. Auch ist mir nicht bekannt, dass Medienkompetenz in der Ausbildung ein Themenbereich wäre. Medienarbeit und Medienkompetenz ist eher ein Zufallsprodukt in der sozialen Arbeit und hängt sehr stark davon ab ob engagierte und kompetente MitarbeiterInnen vorhanden sind“. (siehe ExpertInneninterview mit Franz Kratzer). Aber es scheint für die Soziale Arbeit unabdingbar zu sein, sich mediale Fähigkeiten anzueignen, um kompetent im virtuellen Sozialraum zu agieren. Aus der Definition des IFSW
(siehe Kapitel 3.1.1.)
geht hervor, dass
professionelle soziale Arbeit theoriegeleitet vorgeht. Das unterstreicht die Forderung, das Vermitteln und Erlernen von Medienkompetenz in die sozialarbeiterische Ausbildung einfließen zu lassen.
92
Sozialraum: Internet - Kapitel 6 - Nachwort – eine Projektvision
6. Nachwort – eine Projektvision
Im Nachwort erläutere ich noch einige Erfahrungen, die ich während meiner Recherchen in virtuellen Sozialräumen gesammelt habe. Dabei versuche ich, einen Ausblick auf ein mögliches sozialarbeiterisches Projekt zu skizzieren, ohne diese aber zu konkretisieren. Die Ausarbeitung eines konkreten Projektkonzeptes würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und war außerdem auch nicht Fragestellung dieser Arbeit. Im Zuge meiner intensiven Recherchen in virtuellen Räumen verbrachte ich einige Zeit in „SecondLife“. In dieser dreidimensional visualisierten Onlinewelt bewegen sich bereits mehre Millionen Menschen. Als langjähriger Internetuser war ich überrascht, welche Vielfalt an Interaktion und Möglichkeiten sich mir in dieser seltsamen Welt bot. So entdeckte ich nach einiger Zeit auch ein virtuelles Salzburg. Die Salzburger Firma
„Second Promotion“ hat nämlich damit
begonnen, ein „SecondSalzburg“ zu bauen (siehe Abbildung).
Abbildung 19: Second Salzburg, screenshot, erstellt am 22.4.07
93
Sozialraum: Internet - Kapitel 6 - Nachwort – eine Projektvision
Es beherbergt Teile der Altstadt sowie eine Schipiste. Bei der Begehung lernte ich außerdem Peter Harlander, den Leiter von SecondPromotion kennen, der momentan an dem Bau des virtuellen Salzburgs arbeitet. Wir lernten uns mit Hilfe unserer Avatare kennen. Interessant war, dass Herrn Harlanders Avatar eine Frau namens „Ice Strawberry“ darstellte, was anfänglich zu einiger Konfusionen meinerseits führte. In mehren Chat-Gesprächen diskutierten wir diverse Thematiken betreffend SecondLife. So erzählte er aus Erfahrung, dass SecondLIfe momentan eher von Erwachsenen aus höheren sozialen Schichten mit einer Affinität für Medien bewohnt sei. Jugendliche suchten eher Onlinespielewelten auf, wo konkrete Spielziele vorgegeben sind. Ich meinte darauf, dass das ganze Internet anfänglich eher von einer „Wissenselite“ benutzt wurde und erst nach und nach von anderen Bevölkerungsgruppen entdeckt
wurde.
Meiner
Meinung
nach
ist
der
große
Boom
von
dreidimensionalen virtuellen Welten erst im Kommen. So ist es gut möglich, dass auch die Jugendlichen bald SecondLife für sich entdecken und vermehrt bevölkern. In meiner Arbeit im offenen Jugendbereich konnte ich sehr wohl schon Interesse für SecondLife unter den Jugendlichen beobachten. Doch stecken dreidimensionale virtuelle Welten noch in den Kinderschuhen, und Faktoren wie eine hohe technische Systemanforderung sowie eine noch nicht ausgereifte Bedienbarkeit heben derzeit noch die Zugangsschwelle, gerade für UserInnen mit geringeren finanziellen Ressourcen. Zukünftig ist es jedoch wahrscheinlich, dass sich gerade durch die Vielschichtigkeit der
Anwendungsmöglichkeiten dreidimensionale virtuelle
Welten als BenutzerInnenoberflächen auch in der breiten Masse durchsetzen werden. Spätestens dann sollte die professionelle Soziale Arbeit Methodensowie Handlungstheorien bereit haben, die auf derartige Räume anwendbar sind, um dann auch kompetent in diesen zu agieren. Als Beispiel möchte ich eine theoretische Vision im Jahr 2015 skizzieren. In dieser rein hypothetischen Vision
haben sich Benutzerfreundlichkeit und
Handhabung von Computer und Handys weiter verbessert und die Preise für moderne Internetanbindungen sind weiter zurückgegangen. Es ist mittlerweile bereits für die meisten Menschen in Österreich erschwinglich, permanent per Handy oder per Computer Online zu sein. SecondLife hat sich als virtuelle 3D94
Sozialraum: Internet - Kapitel 6 - Nachwort – eine Projektvision
Plattform durchgesetzt und wird mittlerweile von einer halben Milliarde UserInnen „bewohnt“. Bereits über 2000 SalzburgerInnen jobben in SecondLife und verdienen den Grossteil ihres Geldes mit virtuellen Geschäften. Dabei steigen sie per Handy oder per Computer in die virtuelle Welt ein. „Second Salzburg“ hat sich zum virtuellen sozialen Knotenpunkt aller SalzburgerInnen in SecondLife entwickelt. Auch Jugendliche und Kinder treffen sich vermehrt in SecondLife und verbringen dort Zeit miteinander oder verabreden sich für die „wirkliche Welt“. Da sich Jugendliche vermehrt in Gruppen, die sich auch im „FirstLife“ aus Schule oder Stadtteil kennen, zusammentun, treffen sie sich oft in „Second Salzburg“, da man da auch anderen Salzburger Jugendlichen begegnet. Die Jugendlichen kommen im Prozess der sozialräumlichen Aneignung jedoch mit den Erwachsenen UserInnen, die geschäftlich in Second Salzburg tätig sind, in Konflikt. Daraus resultiert, dass einige jugendliche UserInnen verbannt werden und Second Salzburg nicht mehr betreten dürfen. Die Jugendlichen gehen darauf ins „FirstLife“ Jugendzentrum und beschweren sich, dass sie aus dem virtuellen Salzburg ausgesperrt worden sind. Der Trägerverein des offenen Jugendzentrums entwickelt darauf ein Projekt zur Unterstützung der Salzburger Jugendlichen im virtuellen Raum. In der Projektentwicklung
entsteht
das
Konzept
eines
offenen
virtuellen
Jugendzentrums, das einen Treffpunkt, sowie einen nichtkommerziellen Freizeitraum für die Salzburger Jugendlichen in SecondLife bietet. Außerdem wird das virtuelle Jugendzentrum als Knotenpunkt zwischen virtueller Welt und den realen Salzburger Jugendzentren verwendet. So kann sich zum Beispiel die SozialarbeiterIn des realen Jugendzentrums ins „SecondJuz“ einloggen und die Jugendlichen auch bei Gelegenheit über die Aktivitäten im realen Juz informieren und Sie zum Vorbeikommen aktivieren. Außerdem steht eine medienkompetente SozialarbeiterIn als fixe Kraft zur Betreuung und Beratung für die Jugendlichen im „ SecondJuz“ zur Verfügung. Nach Verhandlungen mit der Trägerfirma von Second Salzburg sowie mit dem Land über Finanzierung und Lokalität
wird dem Trägerverein ein virtueller
Grund auf der Salzburg-Insel zur Verfügung gestellt.
95
Sozialraum: Internet - Kapitel 6 - Nachwort – eine Projektvision
Die Jugendlichen entwerfen dann in virtuellen sowie realen Meetings gemeinsam mit der SozialarbeiterIn das Nutzungskonzept des „SecondJuz“, wo festgehalten wird, welche Angebote bzw. Möglichkeiten die Jugendlichen benötigen. Danach wird das SecondJuz gemeinsam mit den Jugendlichen entworfen und gebaut, um eine größtmögliche Identifizierung mit dem Projekt zu erreichen. Natürlich ist mir klar, dass diese Zukunftsvision etwas futuristisch anmutet und auch keinesfalls einen Anspruch auf Erfüllung stellt. So kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass sich „SecondLife“ als „die“ dreidimensionale virtuelle Plattform durchsetzt. Einige ExpertInnen gehen eher von einer Fülle an Plattformen aus, die den Bedarf zukünftig abdecken werden. Jedoch deuten Statistiken und auch die wirtschaftlichen Entwicklungen auf einen Trend zur „Virtualität“ hin, der sich die nächsten 10 Jahre weiterentwickeln wird. So verlagern sich immer mehr Freizeitbeschäftigungen in die virtuelle Welt, sei es in SecondLife oder in anderen Plattformen. Auf diesen Trend muss die professionelle Soziale Arbeit Antworten parat haben, um auf diese auch adäquat reagieren zu können. Deswegen plädiere ich dafür, dass die professionelle Soziale Arbeit so bald als möglich anfängt, sich intensiv in der Forschung sowie in der Praxis mit dem Feld „Virtuelle digitale Sozialräume“ auseinanderzusetzen.
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Sozialraum: Internet - Kapitel 7 - Literaturverzeichnis
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8. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Projektbeschreibung - Erstellt am 13.11.2006 .......................................... 8 Abbildung 2: Popp, Reinhold; Aktivierende Soziale Arbeit, Band 1 der Schriftenreihe Human & Life Sciences“ des Fachhochschulstudiengangs für Soziale Arbeit - Salzburg; 2002, AK-Salzburg; Salzburg s.19 .............................................................................. 18 Abbildung 3: Das Zonenmodell aus: Baacke, Dieter: Die 6-12 Jährigen - Einführung in Probleme des Kindesalters. 1984, Weinheim ............................................................. 31 Abbildung 4: Das Inselmodell aus Deinet ,Ulrich; 2005, s.5 ........................................ 33 Abbildung 5: vgl. Baacke, D. ; „Medienkompetenz als Netzwerk“,1996, s 119 ff ......... 40 Abbildung 6: Kognitive Drehbühne für Transferprozesse; entnommen aus http://wulv.unigreifswald.de/2005_hh_computerspiele/userdata/Poster%20fertig%20Gruppe4.ppt, aufgerufen am 2.4.07 ................................................................................................. 46 Abbildung 7: Die wichtigsten Dienste des Internet (Poseck, Oliver (Hrsg.): Sozial@rbeit Online - Angebote in sozialen Arbeitsfeldern planen und umsetzen; 2001, Luchterhand Verlag; Neuwied, s.7) ................................................................................................. 55 Abbildung 8: web 2.0 mememap http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html,..... 57 Abbildung 9: Zeittafel http://www.scill.de/content/2006/09/21/web-20-buzz-zeitstrahl/, aufgerufen am 12.3.07................................................................................................ 58 Abbildung 10: Doom, Spielen aus der Egoperspektive Quelle: http://psychosaurus.com/doom/images/space1.jpg, aufgerufen am: 22.2.2007 .......... 61 Abbildung 11: SecondLife Map vom Oktober 2003 http://www.slmaps.com/oldmaps.htm, aufgerufen am 12.2.07 .................................... 64 Abbildung 12: create an avatar - http://secondlife.com/whatis/avatar.php, aufgerufen am 4.3.07 ................................................................................................................... 66 Abbildung 13: Entnommen aus De Nood; Attema, 2006, s. 6 ..................................... 69 Abbildung 14: Statistik Austria; IKT-Einsatz - Ergebnisse der Europäischen Erhebungen über den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen und in Haushalten; 2006 , Wien, s. 20 .................................................. 77
105
Sozialraum: Internet - Kapitel 8 - Abbildungsverzeichnis Abbildung 15: Statistik Austria; IKT-Einsatz - Ergebnisse der Europäischen Erhebungen über den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen und in Haushalten; 2006 , Wien, s. 23 .................................................. 79 Abbildung 16: Das Cyberjuz - screenshot von http://www.cyberjuz.at/index.php, aufgerufen am 12.4.07................................................................................................ 83 Abbildung 17: Das Social Simulation Researchlab in SecondLife screenshot, erstellt am 11.4.07 ................................................................................................................. 86 Abbildung 18: Ausblick auf bedeutende Faktoren in virtuellen digitalen Sozialräumen; erstellt am 12.4.07 ...................................................................................................... 90 Abbildung 19: Second Salzburg, screenshot, erstellt am 22.4.07 ............................... 93
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Sozialraum: Internet - Kapitel 9 - Anhang
9. Anhang
9.1. Interview mit Franz Kratzer Fragebogen zum Thema Virtueller Sozialraum und Sozialarbeit Das Interview wurde per Email zwischen 23.4.2007 und Herr Franz Kratzer, sie sind Projektleiter von Netbridge, ein Projekt, das sich um die Koordination für neue Informations- und Kommunikationstechnologien in der außerschulischen Jugendarbeit in Wien kümmert. Ein Teil der Arbeit von Netbridge passiert im virtuellen sozialen Raum. Dazu einige Fragen: Raumtransfer zwischen Sozialräumen – Jugendliche MediennutzerInnen scheinen sich oft ganz selbstverständlich zwischen virtuellen und realen Sozialraum hin und herzubewegen. Wie bewältigen sie diese Aufgabe? Auch virtuelle Räume haben ein soziales Regelwerk. Dieses gilt sich anzueignen. Genauso wie andere soziale Räume – wie Schule, Freundeskreis, Eltern, Nachbarn etc. ist dieses „Regelwerk“ unterschiedlich. Das hin- und herbewegen zwischen unterschiedlichen sozialen Räumen erfolgt also nicht nur in realen und virtuelle sozialen Räumen. Es ist keine eigene Strategie nötig – sondern es wird zurückgegriffen auf Bekanntes. Wie gestalten sie die Beziehung zwischen der eigenen Persönlichkeit und dem „Avatar? (die virtuelle Identität) z.B. In Spielen oder Kommunikationsplattformen Ich vermute, dass da jeder seine persönliche Gestaltung vornimmt. Ich zum Beispiel suche mir immer Avatare aus der griechischen, oder einer anderen Mythologien aus. Wobei mir dabei hauptsächlich der für mich Interessante und oft auch einmalige Name wichtig ist. Welche Eigenschaften und Funktionen diese Figur hat ist mir dabei nicht wichtig.
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Sozialraum: Internet - Kapitel 9 - Anhang
Wie verhalten sich Gruppendynamiken im virtuellen Raum im Gegensatz zum realen Raum? Unterschiedlichste gruppendynamische Prozesse finden in allen sozialen Räumen statt. Wohl hat jede Kommunikationsform da ihre spezifischen Möglichkeit. Prinzipiell sehe ich da aber keine besonderen Gegensätze. Aber halt eigene Ausformungen. Virtuelle soziale Arbeit Wie kann Soziale Arbeit in virtuellen Räumen stattfinden? Würden Angebote, wie zum Beispiel ein virtuelles Stadtteilzentrum angenommen werden? Ein Beispiel ist die Onlineberatung wo es bereits verschiedene funktionierende Modelle gibt. Ob Angebote angenommen werden hängt von sehr vielen Faktoren
ab.
Gut
überlegte
und
gemachte
Angebote
werden
sicher
angenommen. Welchen Stellenwert nehmen SozialarbeiterInnen im virtuellen Sozialraum ein, wer deckt den Bedarf jetzt ab? Der Stellenwert ist marginal – in Spielewelten wie WOW oder anderen Onlinerollenspielen sind keine SozialarbeiterInnen. In Beratungsbereich gibt es einige wenige Angebote. In Wien gibt es zum Beispiel ein betreutes offenes Rat und Hilfe Forum (http://wienxtra.at/forum/forum.asp?f=2) Wie verhält es sich mit dem Einfluss der Wirtschaft auf die Jugendlichen in virtuellen Sozialräumen? Seriös kann ich diese Frage nicht beantworten. Einerseits wird dieser Einfluss oft überschätzt, viele Chatcommunitys und Jugendcommunitys die von Firmen übernommen wurden gibt es bereits nicht mehr. Andererseits werden Zurzeit um Millionenbeträge Kommunikationsplattformen wie my space aufgekauft. Welche wichtigen Faktoren werden die Zukunft der virtuellen sozialen Arbeit beeinflussen? Die
Mobilität
sowie
die
Durchdringung
und
Allgegenwärtigkeit
von
Kommunikationstechnologien. Nicht nur der klassische Computer wird als die Schnittstelle zwischen Mensch und digitalen Kommunikationsräumen von 108
Sozialraum: Internet - Kapitel 9 - Anhang
Bedeutung sein, sonder eine Vielzahl von Alltagsgegenständen mit denen es möglich sein wird, überall und jederzeit mit digitalen Kommunikationsräumen zu interagieren. Soziale/gesundheitliche Folgen Führt übermäßige Internetnutzung zu sozialer Isolation? Ja – wobei zu definieren ist was übermäßige Internetnutzung ist. Jede einseitige und Übermäßige Beschäftigung führt zur sozialen Isolation. In vielen Chatcommunitys sind die f2f (face-to-face) Treffen ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Gemeinschaft. Welche gesundheitlichen bzw. sozialen Folgen könnte die Entwicklung von virtuellen Sozialen Räumen haben? Auch keine anderen wie sonstige Räume – Sowohl Positiv wie auch Negativ. Kann der virtuelle Raum als Projektionsfläche therapeutische Wirkung haben? Ja Welche
psychologischen
wie auch
gesundheitlichen Folgen
kann
die
übermäßige Internetnutzung haben? Ebensolche die auftreten können bei übermäßiger Nutzung des Buches oder des Fernsehers Medienkompetenz Wie „medienkompetent“ ist die moderne professionelle Soziale Arbeit? Unterdurchschnittlich. Medienkompetenz ist in der sozialen Arbeit kein Handlungsfeld. Auch ist mir nicht bekannt, dass Medienkompetenz in der Ausbildung ein Themenbereich wäre. Medienarbeit und Medienkompetenz ist eher ein Zufallsprodukt in der sozialen Arbeit und hängt sehr stark davon ab ob engagierte und kompetente MitarbeiterInnen vorhanden sind. Wie medienkompetent sind die Jugendlichen? Uneinheitlich.
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Sozialraum: Internet - Kapitel 9 - Anhang
Hängt sehr stark von der sozialen Schichtung und Zugangsmöglichkeiten zur Mediennutzung ab.
Vielen Dank für das schriftliche Interview
9.2. Interview mit Aleks Krotoski Dieses Interview wurde in Englisch per Email zwischen Form, topic: the virtual space Internet Interviewee: Aleks Krotoski You are currently researching Social aspects in the simulation SecondLife. You also got a social simulation research lab in SecondLife, which i used a lot in my researches. I got just a few questions for you according to SL: (please just write below the questions) Social spaces How would you describe the relation between real social space and virtual social space? There are several differences between online and offline – anonymity has effects which deindividuate (for better or for worse), physical appearance is mutable (again, for better or for worse!), relationships have a different quality (there are more possible, but the majority of them are weaker, although those which are close may be stronger), and there’s an absence of social cues. The social scene in online communities is negotiated around overcoming these differences to determine who can be trusted.
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Sozialraum: Internet - Kapitel 9 - Anhang
But there are also many similarities, like how people become synonymous with their pseudonyms (thus contradicting the anonymity argument), how friendships are developed, and the social structures, like hierarchies and norms, which emerge through interpersonal interaction.
What are the characteristics in the relation between the real personality and the avatar, (for example the avatar)? This is a very personal experience, although over time the avatar – or the pseudonymous self – comes to represent the person online. The concept of consequence in virtual worlds where one avatar/identity is used repeatedly over time thus has a profound effect on how one wishes to be perceived by others. Further, while there was a lot of research in the early 1990s which suggested that these spaces were “identity laboratories”, Postmes & Baym (2005) argue that people play around with their “self” when they first explore the new medium, but the consistency demands of the social scene inspire a closer relationship between the offline and online self than was previously envisaged.
How are games with violent game content connected to violence in reall life? And what means violence in SL? I don’t have any research that supports or contradicts the violence argument; Dmitri Williams, a researcher at University of Southern California, has more information on this! What are ther differences between real and virtual social spaces reffering to groupdynamics? Again, it’s best if I point you to another article - McKenna & Bargh wrote a great piece called “Virtual Group Dynamics” which covers this angle, but the main points described above (anonymity, quality of relationships and absence of 111
Sozialraum: Internet - Kapitel 9 - Anhang
social cues) have an impact what needs people have with one another in group situations online. Virtual social work Do you think it would be a reasonable measure to establish socialworkers in SL? There already are! There are loads of people who use the virtual medium to reach those who aren’t physically proximate but need some kind of in-situ care. Some are qualified, others are not. The virtual space is a wonderful place for people to work through issues and to learn about different approaches because it is inherently social.
Do you think, offers like a socialworkerguided communitycenter would be useful for the SL residents? Absoutely – as long as it’s staffed by professionals. Otherwise you’d have some seriously problematic ethical dilemmas to contend with!
Are there allready people which are doing socialwork in SL ? Yup, you can visit places like Supportforhealing (an island) where there are support groups who meet regularly. Do a search in events and you’ll be surprised what you’ll find!
Is it a problem in SecondLife, that there is no Sl goverenement and that the political role is in the hands of LindenLabs?
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Sozialraum: Internet - Kapitel 9 - Anhang
There’s definitely a government, a police force and other regulatory body: the citizenry! Linden Lab take a very hands off approach to the running of the community to their great credit. If they wanted, they could come in and wreak havoc with the systems that have naturally emerged to regulate people who don’t have the community at heart. Thankfully, the populace does just fine. Social consequences
Is there a tendency, that excessive usage of SL can lead to social isolation in real life ? Again, I’m no expert on addiction, but certainly everything in moderation. Excessive is also a relative term; is it excessive for someone running his or her own business to work inside SL daily? On the other hand, if SL gets in the way of offline life, that can be problematic too.
Do you think, Sl as a can have a therapeutic affect on the user ? Again, it depends upon the individual, his or her needs and the ways which she or he copes with the technology! Any social interaction is good interaction as far as I’m concerned, and computer-mediated communication is an excellent medium through which to meet people from around the world and to discuss things in a safe and open environment. Thanks for answers You’re welcome! Good luck and see you in SL again soon.
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