Was ist Esoterik? Ein gekürzter Auszug aus dem Buch „Blicke in eine andere Wirklichkeit“ von Elias Erdmann eMail:
[email protected] http://www.google.com/profiles/EliasErdmann In den letzten Jahrzehnten erlebten wir in Europa einen wahren Esoterik-Boom. In vielen Städten wurden kleine Esoterik-Lädchen eröffnet, wo zwischen Edelsteinkettchen und Wünschelruten das Wasser im Zimmerspringbrunnen vor sich hin plätschert, wo Duftlämpchen den Raum mit einem süßlichen Duft einnebeln, wo uns Buddha, Jesus und diverse Elfen gütig von der Wand anlächeln und wo man alles an Literatur und Zubehör erweben kann, was man angeblich braucht, um in dieser Welt Glück, Liebe und Erkenntnis zu finden. Kaufhäuser und Buchhandlungen schufen Esoterik-Ecken. Ganze Esoterik-Messen wurden veranstaltet mit einem weit gefächerten Leistungsangebot von Aura-Fotografie über energetisierten Blumenkohl bis hin zu erotischer Partnermassage. Es war regelrecht wie bei einer Inflation. Das Esoterische vermehrte sich zwar, aber es wurde gleichzeitig immer weniger wert. Der Begriff „Esoterik“ hat unter all dem schwer gelitten. Er wurde regelrecht zu einem Synonym für zweifelhafte Heilslehren und Scharlatanerie, obwohl dieses bunte Treiben eigentlich kaum noch etwas mit echter Esoterik zu tun hat. Das heute übliche Hauptwort „Esoterik“ ist tatsächlich eine verhältnismäßig junge Wortschöpfung (vermutlich aus dem 19. Jahrhundert). Das Adjektiv „esoterisch“ ist jedoch deutlich älter. Es stammt aus dem Bereich der antiken Einweihungskulte und Mysterienschulen und bezeichnete ein „geheimes Wissen“, das nur einem „inneren Kreis“ von Eingeweihten zugänglich war. Wörtlich bedeutet das griechische Adjektiv „esôterikós“ so viel wie „zum inneren Kreis gehörig“ (griech. esôteros = das Innere). „Esoterische Kreise“ gab es schon in der Antike und vermutlich auch schon deutlich früher, auch wenn sie damals noch nicht mit dem neuzeitlichen Hauptwort „Esoterik“ bezeichnet wurden. Die Esoterik ist also kein neuzeitlicher „Modetrend“. Neu an der Esoterik ist tatsächlich nur die Hauptwortbildung „Esoterik“ für das „Esoterische“. So, wie die Esoterik von „eso“ für „innerhalb“ abgeleitet ist, gibt es als Gegenstück die „Exoterik“, wobei die Vorsilbe „exo“ „außerhalb“ bedeutet. Aus esoterischer Sicht wird die vereinfachte und verhüllte Lehre, die nach außen weitergegeben werden kann, als „exoterisch“ bezeichnet. Esoterisches Wissen könne man also auf Neudeutsch als „religiöses Insiderwissen“ bezeichnen, das gegenüber Außenstehenden geheim gehalten wird. Heutzutage wird der Begriff „Esoterik“ manchmal auch in dem Sinn verwendet, dass es sich um einen „inneren Weg“ handelt – dass man also die Wahrheit „in sich“ sucht. Das entspricht zwar streng genommen nicht ganz der ursprünglichen Bedeutung, ist aber trotzdem auch nicht falsch. Eigentlich bezieht sich „innen und außen“ auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Eingeweihten bzw. um das geheime Wissen, das nur INNERHALB dieser Gruppe bekannt war. Bei dieser anderen Deutung geht es um eine „innere Wahrnehmung“ – um etwas Geistiges, das man nicht so ohne weiteres mit den Sinnesorganen in der „äußeren Welt“ wahrnehmen kann. Innen und außen beziehen sich also in beiden Fällen auf unterschiedliche Dinge. Die Unterscheidung von innen und außen kann man aber auch auf das Textverständnis der heiligen Schriften anwenden. In diesen Schriften werden häufig innere und geistige Zusammenhänge gleichnishaft so dargestellt, als ob es sich um äußere und materielle Ereignisse handle. Der geistige Zusammenhang wird dabei oftmals in eine scheinbar historische Geschichte „gekleidet“. Einerseits wird er damit „verhüllt“, andererseits
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wird er damit aber auch in die Begriffe unserer Erfahrungswelt übertragen. Während der Esoteriker das verborgene Wissen erkennt, das IN den Gleichnissen verborgen ist, sieht der Exoteriker nur die äußere Verpackung. Innen und außen können sich also beziehen -
auf die Zugehörigkeit zu einer „inneren Gruppe“ auf das „interne“ Wissen dieser Gruppe, das nach außen hin geheim gehalten wird auf ein Wissen, das man in sich findet auf ein Textverständnis, das den verborgenen Sinn offen legt
Da die inneren Kreise ihr „internes Wissen“ über den Weg zum „inneren Wissen“ in den heiligen Texten verpackt haben, hängen natürlich diese unterschiedlichen Bedeutungen von „innen“ inhaltlich ganz eng zusammen. Im Laufe der Jahrhunderte gab es sehr viele esoterische Kulte und Gruppierungen, die ihre Lehren aus unterschiedlichen Gründen gegenüber Außenstehenden geheim hielten oder geheim halten mussten. So gibt es auch keine einheitliche Esoterik, sondern sehr viele unterschiedliche Traditionen und Richtungen: ägyptische Mysterienkulte, Essener, Pythagoräer, Druiden, Mithras-Kult, Gnostiker, Hermetiker, Astrologen, Kabbalisten, Alchemisten, Templer, Rosenkreuzer, Freimaurer ... Und es gab auch einige Gruppierungen, die ursprünglich esoterisches Wissen veröffentlichten oder zumindest behaupteten, dass das, was sie veröffentlichten, auf uralten Geheimlehren basiere: z. B. Theosophen (esoterischer Buddhismus), Anthroposophen, Neu-Rosenkreuzer ... Natürlich ist ein veröffentlichtes Geheimwissen nach der Veröffentlichung nicht mehr wirklich geheim. Trotzdem ist es sinnvoll, auch hierfür den Begriff „Esoterik“ anzuwenden, da es sich ja um ursprünglich esoterisches Wissen handelt bzw. handeln soll. Im heutigen Sprachgebrauch werden häufig auch viele andere Themen als Esoterik bezeichnet, obwohl sie eigentlich nicht aus dem Bereich der religiösen Geheimlehren stammen, z. B. Parapsychologie (Telepathie, Telekinese, Todesnäheerfahrungen ...), Neuoffenbarungen, Channeling, Jenseitskontakte, Reinkarnationstherapie, UFO-Erscheinungen... Trotzdem – auch wenn der Begriff „Esoterik“ hier streng genommen nicht anwendbar ist – so gibt es dennoch etliche inhaltliche Berührungspunkte zu den esoterischen Lehren. Mitunter werden auch der Buddhismus und das Neu-Heidentum in einem Atemzug mit der Esoterik genannt. Dazu kann man grundsätzlich Folgendes sagen: Die Beschäftigung mit anderen Religionen (Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, Neu-Heidentum ...) und mit unterschiedlichen Mythologien ist an sich noch keine Esoterik. Esoterik ist es erst dann, wenn man sich auf eine esoterische Weise damit beschäftigt – wenn man also z. B. die geistigen Prinzipien erkennt, die in den Mythologien personifiziert werden, und wenn man erkennt, wie diese Prinzipien IN UNS und in der Schöpfung wirken. Die Beschäftigung mit unterschiedlichen Religionen und Mythologien kann natürlich für den esoterischen Weg sehr nützlich sein. Bei fremden Religionen ist man noch nicht so stark vorgeprägt wie bei der Religion, in die man hineingeboren wurde. Und dadurch kann man bei einer fremden Religion neu und unvorbelastet (wie ein Kind) an die Thematik herangehen und manche Dinge erkennen, für die man in der eigenen Religion längst blind geworden ist. Christentum und Esoterik Viele moderne Menschen empfinden Christentum und Esoterik als unvereinbare Gegensätze. Dabei ist das Christentum ursprünglich auch eine esoterische Lehre gewesen. Die beiden deutlichsten Hinweise auf einen „verborgenen Schriftsinn“ finden wir bei Paulus:
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2. Kor. 3,12: Weil wir nun solche Hoffnung haben, sind wir voll großer Zuversicht und tun nicht wie Mose, der eine Decke vor sein Angesicht hängte, damit die Israeliten nicht sehen konnten das Ende der Herrlichkeit, die aufhört. Aber ihre Sinne wurden verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie es lesen, weil sie nur in Christus abgetan wird. Aber bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen. Wenn Israel aber sich bekehrt zu dem Herrn, so wird die Decke abgetan. Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Nun aber schauen wir alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel, und wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern von dem Herrn, der der Geist ist. Hier ist von einer Decke die Rede, die über dem Alten Testament liegt. Die Botschaft ist also „verhüllt“. Das gilt jedoch nicht nur für die Juden von damals, sondern auch für viele moderne „Christen“, die in den allermeisten Fällen noch nie etwas von den Dingen gehört haben, die hinter der Decke verborgen sind. Es ist schon ein gewisser Unterschied, ob man hinter die Decke ins Verborgene blicken kann – oder ob man noch nicht einmal weiß, dass es diese Decke überhaupt gibt. So, wie Paulus hier das damalige Christentum vom damaligen Judentum unterscheidet, entspricht das genau dem Unterschied von Esoterik und Exoterik. Während die damaligen Christen das verborgene esoterische Wissen hinter der Decke erkennen und freilegen konnten, waren die damaligen Juden dazu nicht in der Lage, weil sie die Bibel sehr buchstabengetreu auslegten. Heutzutage erleben wir übrigens eine entgegengesetzte Situation: Während die esoterische Tradition der Kabbala fest im Judentum verankert ist, hat sich das heutige Kirchen-Christentum fast vollständig von seinen esoterischen Wurzeln gelöst. Man kann also das ursprüngliche Christentum – so, wie Paulus es verstand – als eine esoterische Form des Judentums bezeichnen. Es unterschied sich jedoch in seiner Zielsetzung ganz erheblich von dem ursprünglichen esoterischen Judentum, das einst die Mose-Bücher verfasste. Dieses ältere esoterische Judentum wollte nämlich das Esoterische nicht aufdecken, sondern verdeckt halten. Im Alten Testament steht in einer verdeckten Form, dass die Decke des Vaters nicht aufgedeckt werden soll (vgl. 5. Mose 23,1 und 5. Mose 27,20). Nun zum anderen Paulus-Zitat: Gal. 4,21: Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Hört ihr das Gesetz nicht? Denn es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, den einen von der Magd, den andern von der Freien. Aber der von der Magd ist nach dem Fleisch gezeugt worden, der von der Freien aber kraft der Verheißung. Diese Worte haben tiefere Bedeutung. Denn die beiden Frauen bedeuten zwei Bundesschlüsse: einen vom Berg Sinai, der zur Knechtschaft gebiert, das ist Hagar; denn Hagar bedeutet den Berg Sinai in Arabien und ist ein Gleichnis für das jetzige Jerusalem, das mit seinen Kindern in der Knechtschaft lebt. Aber das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie; das ist unsre Mutter. Die Aussage „Diese Worte haben tiefere Bedeutung“ könnte man wörtlich aus dem Griechischen übersetzen mit: „Das alles ist allegorisch geredet.“ Wir können mit Sicherheit annehmen, dass nicht nur diese eine Stelle allegorisch zu interpretieren ist, sondern dass Paulus uns hier einen sehr grundsätzlichen Hinweis zum Bibelverständnis gibt. Einen weiteren Hinweis finden wir im Markus-Evangelium, und dieser betrifft sogar die Kreuzigung und die Auferstehung von Jesus – also die absolut zentralen Grundpfeiler der christlichen Glaubenslehre. Mk. 8,31: Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite
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und fing an, ihm zu wehren. Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Petrus hatte ganz offensichtlich die Aussagen in einem menschlichen und irdischen Sinne interpretiert, doch damit hatte er Jesus vollkommen falsch verstanden. Dass Petrus hier als Satan angesprochen wird und damit als „Herr der Materie“, unterstreicht diese Aussage. Deutlicher kann man es eigentlich kaum noch sagen: Wir sollen diese Motive nicht in einem materiellen und menschlichen Sinne verstehen, sondern in einem göttlichen bzw. geistigen Sinne. Basierend auf diesen Überlegungen kann ich daher die heute übliche Unterscheidung zwischen Christentum und Esoterik eigentlich nur auf eine einzige Art kommentieren: Echtes Christentum ist reinste Esoterik! Der Unterschied zwischen offensichtlichem und verborgenem Schriftsinn ist letztendlich der gleiche wie zwischen Exoterik und Esoterik. Ein Christ, der die Esoterik prinzipiell ablehnt, der ist eigentlich gar kein Christ, denn das Christentum basiert auf einer esoterischen Lehre und enthält an sehr vielen Stellen Hinweise auf einen verborgenen „esoterischen“ Sinn in der Bibel. Ein Esoteriker, der das Christentum wegen der üblichen historischen Fehler und Widersprüche ablehnt, der ist eigentlich kein Esoteriker, denn er hat offensichtlich noch nicht begriffen, dass die übliche Bibelkritik auf einem extrem exoterischen Bibelverständnis beruht. Trotzdem ist natürlich manche Kritik an dem berechtigt, was die Kirche im Laufe der Zeit aus dem Christentum gemacht hat, und auch an manchen wirren Weltbildern und Heilslehren, die heutzutage unter dem Schlagwort „Esoterik“ vermarktet werden. Auswüchse gibt es auf beiden Seiten, und ich betrachte den religiösen Kitsch in einem christlichen Devotionalienhandel durchaus mit den gleichen Augen wie die vielfältigen Amulette und Glücksbringer im EsoterikLädchen. Und das gilt auch für die unterschiedlichen Formen von Aberglauben, egal ob es sich nun um weinende Madonnen handelt oder um irgendwelche Gurus, die Gegenstände in ihrem Mund „materialisieren“.
Elias Erdmann: Blicke in eine andere Wirklichkeit Das verborgene Wissen in der biblischen Symbolik, in den deutschen Volksmärchen und in unserer inneren Bilderwelt
ISBN 978-3-937568-82-9
Das Buch beschreibt einen Weg, wie man über die Symbolsprache der Märchen und Mythen einen Zugang zum inneren Wissen finden kann. Nach einleitenden Kapiteln, die zur esoterisch-symbolischen Denkweise hinführen, folgt ein theoretischer Teil, der die wichtigsten Symbole, Motive, Strukturen und Zusammenhänge vermittelt. Anhand von esoterischen Texten, Volksmärchen und Bibelstellen wird dann im dritten Teil die Symbolsprache angewendet und erweitert. Die Symbolik der Märchen und Mythen kann uns für die Symbolsprache unserer inneren Bilderwelt sensibilisieren und auch umgekehrt. So, wie man das esoterische Wissen in den mythischen Texten erkennen kann, so kann man auch das innere Wissen erkennen, das sich in den Bildern unserer Seele offenbart – in unseren Träumen und Phantasien. Und auf ähnliche Weise kann man auch das Göttliche erkennen, das sich in der Schöpfung offenbart. Letztendlich geht es also um einen Weg, der zur Gotteserkenntnis führt.
408 Seiten
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