Das Fenster Zum Hof - Shadowrun Abenteuer

  • Uploaded by: Christian Günther
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  • June 2020
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das fenster zum hof ein shadowrun-abenteuer © 11.11.1997, christian gÜnther

PROLOG Ein Abenteuer wie ein typischer Actionfilm - vollgestopft mit High-Tech, Waffen, coolen und skurrilen Typen und wilden Verfolgungsjagden - das ist die Idee, welche hinter dieser Story steht. Es soll rasant zugehen. Der Spielleiter darf den Shadowrunnern nicht zuviel Zeit zum Planen, Kontakte ausfragen usw. lassen, sondern soll sie immer wieder zum schnellen Handeln drängen. Aus diesem Grund ist die Story relativ geradlinig, hält jedoch auch die eine oder andere Überraschung parat. Der Text ist in Szenenbeschreibungen und Spielleiterinformationen unterteilt. Hierbei sollte der Spielleiter jedoch nicht die Szenen als Vorleseabschnitte auffassen, sondern die beschriebenen Vorgänge mit den Charakteren als Hauptpersonen ausspielen. In den Spielleiterinformationen finden sich Hinweise zu möglichen Ausgängen der Szenen sowie zu den Auswirkungen, die Aktionen der Spieler haben

können. Ich habe komplett auf technische Daten, Hinweise auf fällige Würfelproben und NSC-Daten verzichtet, da ein etwas erfahrener Spielleiter sicherlich genau weiß, wann eine entsprechende Probe fällig sein wird. Hier soll die Story im Mittelpunkt stehen. Konzern- und Ortsbezeichnungen sind komplett auf Shadowrun zugeschnitten, es dürfte jedoch absolut kein Problem sein, diese Geschichte auch mit Cyberpunk oder GURPS zu spielen, zumal das Abenteuer komplett ohne Magie auskommt. Meine Empfehlungen zur Hintergrundmusik sind für die etwas ruhigeren Szenen der Blade Runner-Soundtrack sowie für die Actionteile Nine Inch Nails, Die Krupps (besonders „Fire“ vom Album „Paradise Now“) und die Soundtracks zu Universal Soldier und Terminator II.

nur durch eine Zufahrt an der Stirnseite zu erreichen. Im Hof zeigen sich zwei Gestalten, ein hagerer, rothaariger Mann Mitte zwanzig in einem abgewetzten T-Shirt mit PEPSI-Werbeaufdruck sowie ein weiterer Mann desselben Alters in einem blauen, ölverschmierten Overall. Letzterer liegt unter einem uralt anmutenden Opel Spirit, ein Modell, welches etwa in den zwanziger Jahren des 21.Jahrhunderts gebaut wurde. Der andere sitzt in einem billigen Kunststoff-Campingstuhl und hält eine Dose Soja-Bier in der Hand.

Die Zukunft. Irgendwo in den düsteren Häuserschluchten einer der Großstädte dieser Welt. Nennen wir sie Essen. Rhein-Ruhr-Megaplex. Setzen wir das Datum dieses verregneten, smoggeschwängerten Tages auf den

Nach einem kurzen Wortwechsel, in dem die Neuankömmlinge nach dem Hausmeister fragen, erklärt dieser Mann sich bereit, ihn zu holen. Die zwei Männer steigen in den offensichtlich funktionstüchtigen Opel Spirit und brausen davon. Etwa eine Viertelstunde vergeht.

Zwischen den düsteren Fassaden von EssenBorbeck bahnt sich ein leuchtend roter Sportwagen, ein Saab Dynamite, seinen Weg durch 14. Oktober 2055. Abfälle und schwarze Pfützen. Er biegt in eine der Seitenstraßen ein und kommt in dem Eine Gruppe von zwielichtigen Gestalten hat bekannten Hinterhof zum Stehen. sich vor der schmutzigen Plexiglasfassade eines 24-Stunden Fast-Food-Restaurants versammelt. Die Fahrertür öffnet sich, und ein Mann Mitte Ein Passant, der neben ihnen stehenbleiben vierzig steigt aus. Er trägt einen edlen, dunkelwürde, könnte Fetzen ihres Gespräches mithö- grauen Anzug, der so gar nicht zu dieser Umgeren. Eine der Gestalten berichtet davon, daß ein bung passen will, genauso wie sein Wagen. Bekannter ihn um Hilfe für einen Freund gebe- Fast synchron mit dem satten Zuschlagen der ten habe. Fahrertür peitscht urplötzlich ein Schuß durch Ein Treffpunkt wurde vereinbart. die Stille der Nacht. 22:30 Uhr. Humboldtstr. 287. Essen-Borbeck. Dann noch einer. Im Hinterhof nach dem Hausmeister fragen. Und noch einer. Der Mann im Anzug stürzt getroffen vornüber Nach kurzer Beratung geht die Gruppe zu ihren und bleibt regungslos liegen, während sich um am Straßenrand geparkten Fahrzeugen, Moto- seinen schwer verletzten Kopf eine eilig wachren heulen auf, und sie verschwinden in der sende Blutlache bildet. Dunkelheit der Nacht. Sie fahren offensichtlich zu dem vorher erwähnten Treffpunkt. --CUT-Eine Gegend voll von abbruchreifen Häusern, in denen die Armen und Ausgestoßenen der Was nun geschieht, wird durch die Spieler entGesellschaft ihre Existenz fristen. Kein gast- scheidend beeinflußt und kann die unterschiedlicher Ort zu dieser späten Stunde. Doch je lichsten Abläufe zur Folge haben. näher die Gruppe der Zieladresse kommt, desto Wer sich den Niedergeschossenen ansieht, stellt ruhiger und verlassener liegen die Straßen da. fest, daß dieser sofort tot war und wahrscheinKeine Menschenseele ist zu sehen. lich selbst von BUMONA (bzw. TRAUMASie biegen ein in einen alten Hinterhof, umge- TEAM oder DocWagon) nicht mehr zu retten ben von mehrstöckigen, dunklen Gebäuden, ist, da sich Teile seines Gehirns bereits einen

Weg durch die geborstenen Splitter seines Schädels bahnen. Versuchen die Spieler zu ermitteln, woher die tödlichen Schüsse abgefeuert wurden, so werden sie früher oder später auf das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite kommen. Eine eventuell postierte Wache kann dort vielleicht sogar Bewegungen an einem der (dunklen) Fenster wahrnehmen. Kurz nachdem das Attentat stattgefunden hat, werden geballte Konzerntruppen auf der Bildfläche erscheinen. Ausgelöst wurde dieser Alarm durch eine Cyberware im Körper des Verstorbenen. Eine Verfolgung des Attentäters wird dadurch unmöglich gemacht, daß er einerseits sehr schnell auf einer vorgeplanten Route flieht, und andererseits durch das schnelle Auftauchen der Konzerntruppe. Ein Durchsuchen der Leiche fördert eine IDKarte des Mannes hervor, welche ihn als RPV-Mitarbeiter ausweist (RPV: RuhrPlexVision, ein örtlicher Trid-Sender) und ihn als Joachim Degenbach, Mitglied der Geschäftsleitung, identifiziert. Ansonsten trägt er noch eine Hold-out-Pistole bei sich sowie in der rechten Hand die Schlüssel für seinen Saab Dynamite. Der Wagen kann von den Spielern auch durchsucht werden, auf die Schnelle findet sich hier jedoch nichts Außergewöhnliches. Sollten sie ihn stehlen wollen, so werden sie (hoffentlich) bald merken, daß er auch einen Signalorter an sich trägt, ebenso wie der Körper des Herrn Degenbach.

15. Oktober 2055. 4:30. Irgendwo im Rhein-Ruhr-Megaplex. Das von dem dunkelblau schimmernden Bildschirm ausgehende Licht erhellt den Raum kaum, doch trotzdem oder gerade deshalb starren die anwesenden Leute wie gebannt in seine Richtung. „...wurde heute Nacht gegen 23:00 einer der Geschäftsführer unseres Senders, Herr Joachim Degenbach, von noch unbekannten Tätern ermordet. Über Motive oder Identität der Verbrecher ist zur Stunde noch nichts bekannt. Wir zeigen nun noch einmal die Aufnahme der Überwachungskamera, welche das Verbrechen filmte...“ Der nun folgende Mitschnitt, wenn auch unscharf und verwackelt, zeigt deutlich einen Innenhof, wie er im Rhein-Ruhr-Megaplex zu Hunderten zu finden ist. Doch erschreckend ist, daß die Gesichter der darauf zu erkennenden Gestalten haargenau denen gleichen, welche sich nun vor dem Schirm versammelt haben und völlig ungläubig dreinschauen. In ihren Köpfen formt sich der Gedanke, daß hier jemand ein ganz übles Spiel mit ihnen treibt und sie offensichtlich reinlegen will, weshalb sie den nun folgenden Nachruf auf das Leben Joachim Degenbachs, vorgetragen von Georg von Frankenthal, Hauptgeschäftsführer von RuhrPlexVision, kaum registrieren.

--CUT-Dieser Tag wird für die Spieler sicherlich mit einem sehr unguten Gefühl in der Magengrube beginnen. Allem Anschein nach soll ihnen der Mord an Degenbach in die Schuhe geschoben werden, und sie sollten schleunigst versuchen, Beweise dafür zu sammeln, daß sie nichts mit dieser Hinrichtung zu tun haben. Sonst werden sie große Schwierigkeiten bekommen. Die wahrscheinlichste Idee ist wohl diejenige, daß sich die Runner entschließen, sich noch einmal den Tatort vorzunehmen und dort Spuren zu suchen. Der Gedanke daran mag einigen sicherlich zu waghalsig erscheinen, doch es ist die einzige Möglichkeit, etwas über den wahren Mörder herauszufinden. Am Tatort und in der Umgebung finden sich noch Spuren der Konzerntruppen, doch Per-

sonal, Überwachungsgeräte oder Absperrungen sucht man hier vergebens. Man sieht auch wieder einige Obdachlose, die sich auf der Straße bewegen. Bei einer Befragung dieser Leute ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß man gesagt bekommt, daß die Bewohner der Abbruchhäuser rund um die Humboldtstr. 287 von einem „feinen Pinkel“ Geld bekommen haben, um für eine Nacht einmal woanders zu bleiben. Die Wahrscheinlichkeit dieser Antwort wächst, je näher man an die bekannte Adresse kommt. Wird das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch einmal in Augenschein genommen, so finden sich interessante Hinweise.

Die anschließende Aktion der Konzerntruppe war zwar ziemlich beeindruckend, aber auf keinen Fall gründlich. Man hat lediglich die Straße abgesperrt, die Leiche verladen und ist nach etwa einer halben Stunde wieder abgezogen. Adin und Michelangelo wollten dann zu ihrem Container, doch auf dem Weg dorthin fanden sie zwischen einem Haufen von Müllsäcken den Körper eines Toten. Sie waren neugierig, schauten sich ihn an und staunten nicht schlecht, was sie da zutage förderten. Der Tote war ein Elf, offensichtlich der Typ, den sie vorher auf den Dächern gesehen hatten. Er war ganz in schwarz gekleidet, und hatte ein Scharfschützengewehr, reichlich Munition und eine Pistole dabei. Außerdem besaß er noch einen Simsinn-Recorder, der unter einer Perücke versteckt war. Gestorben war er offensichtlich durch mehrere gezielte Schüsse in die Brust. Die Spieler können auch selber die Leiche begutachten, die von den zwei Sprayern in einem nahegelegenen Müllcontainer entsorgt wurde. Die gesamte Ausrüstung jedoch, welche sie bei dem Toten fanden, haben sie sofort an ihren Schieber weiterverscherbelt, weil ihnen die ganze Sache etwas zu heiß war. Die Simsinn-Aufnahme haben sie sich auch nicht angesehen.

Die Mauern dieses Blocks sind fast vollkommen von bunten Graffitis bedeckt. Im Hof steht ein alter Container, vor dem zwei Personen anzutreffen sind. Sie sind beide etwa Anfang zwanzig, der eine hat grüngefärbte, der andere schwarze Haare, und sie tragen bunte, abgewetzte Kleidung. Es handelt sich bei diesen Kameraden um Adin und Michelangelo, zwei „Graffiti-Künstler“, wie sie sich selbst gern nennen. Sie wohnen in dem Container und kennen alle und jeden in dieser Gegend. Wenn man auf die richtige Art und Weise mit ihnen redet (zeigen, daß man „cool“ und „relaxed“ ist, wirkt besser, als bedrohlich mit Waffen rumzufuchteln), kann man einige wirk- Das einzige, was sie den Spielern wirklich lich hochinteressante Sachen erfahren. geben können, ist ein Hotelzimmerschlüssel, den der Tote in der Tasche hatte, und der sich Auch sie wurden gestern von einen Schlipsträ- nun wirklich nicht zu Geld machen ließ. Der ger angesprochen, der ihnen 100 EC gezahlt Waffenhändler, dem sie das ganze Zeug verhat, wenn sie sich für eine Nacht von diesem kauft haben, nennt sich laut Adin der KanonenBlock hier fernhalten. mann und ist in einem alten Luftschutzbunker Zunächst wird Michelangelo versuchen, her- im Osten der Stadt zu Hause. Über dem Bunker auszufinden, ob die Spieler mit dem Typ vom befindet sich eine alte Schießbahn, die er häufig Vortag zusammenarbeiten. Ist er sich sicher, zum Üben nutzt. daß dies nicht der Fall ist, so wird er gestehen, daß er und Adin in der letzten Nacht doch hier Die zwei Spuren, welche die Runner so erhalwaren, weil sie einfach neugierig waren, zu ten (und für die sie Adin und Michelangelo, sehen, was passiert. unsere Graffiti-Künstler, hoffentlich belohnen) Sie haben dann einen schwarzgekleideten stellen nun die zwei Wege dar, zwischen denen Typen beobachtet, der sich über die Dächer sich die Spieler wahrscheinlich entscheiden schlich und im Haus verschwand (gegenüber werden. der Einfahrt zum Hof Humboldtstr. 287). Dann kam ein Sportwagen und es wurde geschossen. Auch die Spieler und ihr Kommen wird er erwähnen, vielleicht erkennt er sie sogar wieder.

15. Oktober 2055. Essen-Glad- 15. Oktober 2055. Dortbeck. Ehemaliger Übungsplatz der mund-Hombruch. Motel „Purple ADL-Streitkräfte. Rosie`s“. Die Stacheldrahtzäune der alten Bundeswehrschießbahn liegen zerrissen um den rostigen Maschendrahtzaun herum, der das Areal einmal begrenzt hat. Ein Kiesweg führt zu dem einzigen noch stehenden Gebäude auf dem Gelände, beim Durchfahren der zahllosen Schlaglöcher spritzt brauner Schlamm auf. Ein einfacher Betonbau, mit Plastikfolie abgedichtete Fenster, ein aus Holzplanken gezimmertes Dach. Die vielen frischen Reifenspuren auf dem Platz vor der Halle zeugen von regem Verkehr hier draußen. Auf etwa halber Strecke zwischen Zaun und Gebäude steht ein alter Armee-LKW quer auf der Fahrbahn. Im Führerhaus sitzt ein Mann in olivgrüner Tarnkleidung, ein Sturmgewehr in der Hand. Er öffnet die Tür. Die Gruppe, die sich dem Laster nähert, hält darauf zu und bremst dann ab. Ein kurzes Gespräch ist im stetigen Rauschen des strömenden Regens nur vage zu vernehmen. Der Kanonenmann sei nicht da, sagt der Militärtyp. Vor etwa einer Stunde abgehauen, keine Ahnung wohin, kann länger dauern, hat er gesagt. Warten würde nicht lohnen. Könnten ja Telefonnummer dalassen. Und Tschüß. Die Tür des LKWs wird zugeschlagen, die anderen Fahrzeuge wenden und machen sich daran, das Gelände wieder zu verlassen. --CUT-Ja, der Kanonenmann ist leider gerade nicht zu Hause, die Wache hat die Wahrheit gesagt. Dies zwingt die Spieler dazu, sich zunächst einmal um das Hotelzimmer zu kümmern. Überraschenderweise werden sie auf diese Art und Weise jedoch schneller mit dem Kanonenmann Bekanntschaft machen, als sie gedacht hätten... Sollte die Gruppe auf so seltsame Ideen kommen, wie das Hauptquartier des Dealers stürmen zu wollen - dann werfen sie ihnen entgegen, wozu sie Lust verspüren. Die Gang, welche den Kanonenmann und sein Lager bewacht, ist eher so eine Art Wehrsportgruppe voller Waffennarren und wirklich nicht sehr umgänglich.

Neben einer gelblichen Straßenlaterne flimmert die lilafarbene Neonreklame mit dem Schriftzug „Purple Rosie`s“ auf den Gehsteig. An der Straße stehen drei zerbeulte, alte Wagen, ein neuer aussehendes Motorrad ist im Hinterhof zu erkennen. Das Haus, welches mit der häßlichen Neonschrift für Gäste wirbt, ist ein zweistöckiges, graues Gebäude, welches zahlreiche häßliche Löcher in seinem abbröckelnden Putz trägt, hinter denen das nackte Gestein der Mauern hervorlugt. Die schäbige Eingangstür ist mit einem schmutzigen Schild „Zimmer frei“ beklebt, welches hier bestimmt schon einige Jahre lang hängt. Hinter dieser Türe erblickt der hereinkommende Gast einen quadratischen Raum, dessen Fußboden mit einem dicken, fleckig roten Teppich bedeckt ist. Zur Linken steht eine einfache Polstergarnitur mit einem kleinen Beistelltisch, auf welchem einige zerfledderte Magazine liegen. Geradeaus sieht man sich einer holzvertäfelten Theke gegenüber, welche wohl die Rezeption darstellt. Leider ist die gesamte Beleuchtung des Raumes in gedämpftem rot gehalten, weshalb man den Treppenaufgang zur Rechten kaum ausmachen kann. Anhand des Anhängers, der sich an dem gefundenen Zimmerschlüssel befindet, läßt sich scharfsinnig ermitteln, daß der gesuchte Raum die Nummer 19 trägt. Hat man Pech, so ist Rosie, die Besitzerin dieses Ladens, gerade nicht betrunken genug, um hereinkommende Gäste zu übersehen, und man muß ihr sein Begehr klarmachen. Doch dies dürfte nicht besonders schwer fallen, wedelt man mit dem Zimmerschlüssel und grinst freundlich, dann ist das schon die halbe Miete. Die Treppe wird erleuchtet von Kerzenhaltern an den Wänden, die mit elektrischen Kerzen bestückt sind. Im ersten Stock findet sich dann abermals eine alte Sitzgruppe, welche der im Empfangsraum ziemlich ähnelt, ansonsten ist der von Türen gesäumte Gang leer. Geräusche sind keine zu hören, nur der entfernte Verkehrslärm von der A 47. Doch vor Raum 19 angekommen, hört

man von jenseits der Tür eilige Bewegungen, Rascheln von Taschen und das Klappern von harten Gegenständen... --CUT-In Zimmer Nr. 19 ist also jemand. Der eigentliche Mieter kann es ja offensichtlich nicht sein, da er zur Zeit mausetot in einem Abfallcontainer liegt. Stürmen die Spieler das Zimmer, so wird der Unbekannte versuchen, durch das Fenster (es führt zur Seite des Gebäudes) zu entkommen und mit seinem unter dem Einstieg geparkten Motorrad zu fliehen. Umsichtigen Runnern mit schnellen Reflexen dürfte es aber durchaus möglich sein, den Flüchtigen zu stellen.

machen). Dann hat der Kanonenmann es an einen Typ verkauft, ein SimSinn-Junkie, der etwas „ganz und gar abgefahrenes“ wollte. Er bot enorm viel Geld, und der Kanonenmann machte den Deal. Glück im Unglück für die Runner ist jedoch, daß er ihnen sagen kann, wo dieser Typ meist anzutreffen ist. Er beschreibt ihnen eine In-Disco namens „Krypton-Factor“, die sich in einem öffentlichen Bereich des naheliegenden SaederKrupp-Geländes befindet. Bei einer weiteren Untersuchung des Hotelzimmers kann man noch einige auf dem Boden verstreute SimSinnAufnahmen finden, die dem Kanonenmann bei seinem Fluchtversuch aus dem Rucksack gefallen sind. Weiterhin finden sich hier neben leeren Pizzaschachteln noch ein Scharfschützengewehr, diverse Einbrecherausrüstung sowie der Schlüssel zu einem gestohlenen EMC Caronna, der vor der Tür des Motels geparkt ist.

Es wird sich herausstellen, daß er jemand ist, von dem sie vor kurzem schon einmal gehört haben - der Kanonenmann. Er wird sie wahrscheinlich wiedererkennen, denn er hat inzwischen das Simsinn-Tape gesehen. Was der Kanonenmann weiß, wird er den Spielern 15. Oktober 2055. Discothek wahrscheinlich auch mitteilen, es sei denn, sie „Krypton-Factor“. Saeder-Kruppverhalten sich vollkommen idiotisch. Gelände Essen. Der Attentäter hatte offensichtlich die Angewohnheit, seine Auftragsmorde mittels eines SimSinn-Recorders mitzuschneiden. Dies tat er auch bei der Ermordung von Jürgen Degenbach. Er schaltete den Recorder bereits im Hotelzimmer ein, wobei er zufällig auch seine in einer großen Sporttasche befindliche Sammlung von Aufnahmen vergangener Morde aufnahm. Dann verließ er das Haus und begab sich an den Ort der Hinrichtung von Degenbach. Er tötete ihn und wollte fliehen. Als er jedoch das Dach des Gebäudes erreichte, von welchem aus er Degenbach getötet hatte, stand ihm plötzlich ein Mann mit gezogener Waffe gegenüber und schoß ihn nieder. Der Kanonenmann sah all dies auf dem SimSinn-Tape und beschloß, sich auf den Weg zu „Purple Rosie`s“ zu machen, um dort die Aufnahmen des toten Killers zu stehlen, die er dann für gutes Geld verkaufen will. Er hat, und das wird die Spieler besonders interessieren, das Tape mit der Aufnahme von Degenbachs Tod bereits zusammengeschnitten (der Anfang mußte gelöscht werden, um eine Rückverfolgung zu dem Hotelzimmer unmöglich zu

Gleißendes Neonlicht in allen erdenklichen Farben blendet den Besucher zunächst einmal, bevor er sich auf die Tanzfläche stürzt, um sich zu den dröhnenden Mainstream-SpeedPop-Rhythmen zu bewegen. Ein recht junges Publikum, welches sich größtenteils aus den Kindern der Krupp-Angestellten aus den höheren Etagen zusammensetzt, bevölkert das Krypton-Factor und fühlt sich sichtlich wohl, hier ungestört unter der schützenden Bewachung der Krupp-Wachleute abzuzappeln. Einige finden es jedoch zu langweilig und uncool, sich in dieser Gesellschaft aufzuhalten und wollen lieber ihre eigene Party feiern, mit DesignerDrogen, Simsinn-Trips, Alkohol und allem, was ihnen im sauberen Krypton-Factor fehlt. -- CUT -Eine Verständigung mit den anwesenden Gästen ist angesichts der Lautstärke, in welcher hier die Musik gespielt wird, nicht ganz einfach. Der Laden ist rappelvoll, und die anwesenden Jugendlichen sind alle mit den topmodernsten Klamotten gekleidet. Wenn man sich etwas den Leuten anpaßt und

nicht im Drillichanzug (mega-out) oder sonstwie uncool daherkommt, kann man jedoch die eine oder andere Information erhaschen. Ein Typ, der auf total abgefahrene Simsinns steht? Der den extremen Kick sucht? Nun ja, diese Typen sind hier eher rar, man kennt jedoch eine Clique, die sich hier oft trifft, um dann weiterzuziehen und sich mit Drogen, seien diese nun chemisch oder elektronisch, zu berauschen. Ob diese Leute heute da sind? Nein, sie feiern angeblich eine eigene Party, drüben bei Lucky zu Haus, weil sein Dad mal wieder unterwegs ist und das Haus leersteht. Lucky heißt im echten Leben Lukas Henninger und ist der verkommene Sohn eines reichen Krupp-Execs. Dieser besitzt ein schönes Haus in einem grünen Vorort, südlich des Firmengeländes, ist jedoch die meiste Zeit unterwegs auf Geschäftsreisen in aller Welt.

15. Oktober 2055, Alfred-KruppAllee 129, Essen Passiert man gegen Mitternacht das Haus Nr. 129, so bietet sich rechter Hand ein ungewöhnlicher Anblick. An der Straße sind etwa ein Dutzend ziemlich teurer Sportwagen geparkt, zwischen denen vereinzelt junge Leute stehen. Die Einfahrt zum Haus wird von einem Krankenwagen und einem im Hof gelandeten Rettungshubschrauber blockiert, deren rotierende Lichter, welche sich auf dem nassen Asphalt spiegeln, zunächst an die Lichterflut im Krypton Factor erinnern, die hier jedoch offensichtlich das vorzeitige Ende einer Party kennzeichnen. Von der Straße aus ist es schwer, etwas zu erkennen, jedoch läßt sich das Gelände im allgemein herrschenden Tumult recht problemlos betreten. Es wird gerade ein junger Mann in den Krankenwagen verladen, welcher noch an ein Simsinn-Abspielgerät angeschlossen ist.

quenzen für den Patienten haben könnte. Er soll schnell in eine Klinik gebracht werden, wo sich entsprechende Fachleute um ihn kümmern können. Nun liegt es an den Spielern, sich einen kreativen Weg auszudenken, um an das Tape zu kommen, welches sich noch im Abspielgerät befindet. Wahrscheinlich müssen sie den Krankenwagen bis in die Klinik verfolgen, wo sie dann versuchen können, den begehrten Chip zu stehlen. Hier bietet sich die Gelegenheit, eine spannende Jagd durch die Essener Innenstadt zu inszenieren, da der Fahrer des Krankenwagens natürlich von all seinen Sonderrechten Gebrauch macht. Das klingt immer noch alles zu einfach? Nun, dann ist es höchste Zeit, den Hauptdarstellern ein paar Steine in den Weg zu legen. Erinnern sie sich an die Trid-Übertragungen, die zahllose Menschen in der Stadt gesehen haben? Die dort aufgetauchten Gesichter? Markante Profile, nicht wahr? Nun, dann ist es doch nur allzu wahrscheinlich, daß jemand diese Übertragung gesehen hat und nun, in einem wirklich unangenehmen Moment, die Runner erkennt. Er wird als anständiger Bürger natürlich sofort seiner Pflicht nachgehen und diese Beobachtung der Polizei melden, welche sich sofort auf die Jagd macht. Idealerweise sollte ein Mitglied der Gruppe es gerade geschafft haben, das Tape zu ergattern, wenn die Opposition auftaucht. So steht einer furiosen Schießerei auf der Flucht aus dem Krankenhaus nicht mehr viel im Wege, und, mal ehrlich, das ist es doch, worauf ihre Spieler gewartet haben, oder? Wieviel Polizisten oder Krupp-Konzernleute auftauchen, sollten sie der Zahl der Spieler anpassen, und die Flucht sollte knapp zu schaffen sein, bevor Verstärkung eintrifft.

--CUT-Bei diesem jungen Mann handelt es sich um Lukas Henninger selbst. Er hat sich gerade das Tape von dem Killer reingezogen, dabei erlitt er jedoch beim Tode des Killers einen schweren Nervenschock, der ihn in ein tiefes Koma warf. Die Ärzte wagten bisher nicht, die Verbindung zu unterbrechen, da sie befürchten, daß dies schlimme Konse-

Kommt nach der Flucht einer der Runner auf die Idee, sich die Aufnahme anzusehen, so wird ihn das, je nach Konstitution, zwar womöglich einiges an Kraft kosten, jedoch kann er eine hochinteressante Beobachtung machen: er kann den Mörder des Attentäters erkennen. Dies ist - Georg von Frankenthal, der Hauptgeschäftsführer von RPV. Hat der Charakter die Trid-Übertragungen über den Mord verfolgt,

so wird er das Gesicht wahrscheinlich wiedererkennen. Sollten die Spieler auf die Idee kommen, das Tape ganz einfach der Polizei zu übergeben, so dürfte klar sein, daß sich die Sicherheitsleute von RPV, welche für von Frankenthal arbeiten, dieser Angelegenheit schnell annehmen werden. Sie werden den zuständigen Beamten bestechen, bedrohen oder tun, was auch immer nötig ist, um diese Aufnahme zu bekommen. EPILOG Nun liegt es an den Runnern, dafür zu sorgen, daß die Aufnahme der breiten Öffentlichkeit gezeigt wird oder aber einer wirklich zuverlässigen Rechtsvertretung, z.B. einem vertrauenswürdigen Anwalt, zugeführt wird. Kommt die Aufnahme an die Öffentlichkeit, so wird sich die Geschäftsführerversammlung natürlich sofort von ihrem Vorsitzenden distanzieren, welcher weiterhin auch der Justiz übergeben wird und sich einer Anklage wegen Mordes gegenübersieht. Die Spieler hingegen werden, falls dies möglich ist, von einem der ehemaligen Assistenten des Herrn Degenbach kontaktiert (einer der Opel Spirit-Schrauber vom Anfang) und mit einem angemessenen Betrag entlohnt, welcher auch von den anderen Mitgliedern der Geschäftsführung mitgetragen wird, da diese erkennen, daß die Spieler eine große Gefahr aus ihrer Mitte entfernt haben.

(c) 1997 Christian Günther. Shadowrun is a registered Trademark of FASA Inc. Find more stuff on www.cyberpunk.de

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