Ausgabe 01 09 Ueberblick 1

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1/09 März 09 bis Juni 09 7,90 EUR (D) 8,70 EUR (A) 15,80 SFR (CH) 9,25 EUR (BeNeLux)

Das Magazin zur Aus- und Weiterbildung von Reiter und Pferd

Übergänge richtig reiten Maßarbeit: Übergänge im Schritt und Trab Am seidenen Faden: Vom Arbeitsgalopp zum fliegenden Wechsel Praktische Tipps von: Heike Kemmer Richard Hinrichs Kerstin Diacont Andrea Jänisch

Berufe rund ums Pferd

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Junge Pferde ausbilden Jahrgang V ISSN 1860-3963 www.dressur-studien.de

Liebe Leserinnen und Leser,

Zu den reiterlichen Übergängen finden Sie reichlich Stoff in diesem Heft. Spannend fanden wir, dass - reitweisenübergreifend die Unterschiede nicht so gravierend sind, wie wir zuerst dachten. Allen ist gemeinsam: Je feiner die Abstimmung, desto besser die Übergänge. Welche Feinheiten es zu beachten gilt, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Editorial

wir haben - passend zum Heftthema - auch einen Übergang zu vermelden, wenigstens im weitesten Sinne. Betrug unsere Druckauflage im Sommer des vergangenen Jahres noch 7.500 Hefte, haben wir es mit dieser Ausgabe gewagt, 15.000 Hefte zu drucken. Für uns, die wir mit 1.000 Heften angefangen haben, ist das ein echter Übergang. Dass wir dieses Wagnis überhaupt unternommen haben, liegt nicht zuletzt an Ihrem Zuspruch. Danke! Und drücken Sie uns die Daumen, dass dieser „Übergang“ nicht ins Leere läuft.

Die Dressur-Studien haben im Januar ein virtuelles Netzwerk ins Leben gerufen: „FAIR zum Pferd!“ Damit wollen wir all diejenigen Initiativen und Menschen unterstützen, die sich um pferdegerechtes, gesundes Reiten und Ausbilden bemühen. Bei FAIR kann man sich im Internet unkompliziert und schnell austauschen und beraten sowie diskutieren. Wie das funktioniert, lesen Sie in diesem Heft ab Seite 122. Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihre Claudia Sanders Der Übergang vom putzigen zum frechen Pferd ist in der Tat fließend.... Orgulloso 38 und Claudia Sanders. Foto: www.slawik.com

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Editorial Inhaltsverzeichnis

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Inhalt

Top-Thema: Übergänge richtig reiten! Übergänge: Die Grundlagen Definition: Von Paraden und Demi Arrêts Kurd Albrecht von Ziegner: Universalwerkzeug Parade Achtung, fertig, los - aus dem Halten

6 8 11 14

Schritt für Schritt zum Schritt Nicht so einfach: Vom Schritt zum Trab Vom Trab zum Schritt Übergänge im Trab Lösend: Trab-Galopp-Übergänge Mit aller Ruhe: Vom Galopp in den Trab

17 20 23 25 28 30

Vom Arbeitsgalopp bis zum Wechsel Genaue Hilfen für Galopp-Übergänge Vom Rückwärtsrichten bis zur Schaukel Eleganz pur: Piaffe-Passage-Übergänge Biomechanik: Körperliche Schwerstarbeit: Übergänge

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Übergänge: Die Praxis Heike Kemmer: Grundlektion Übergänge Oliver Schmidt-Nechl: Übergänge beim Springreiten Kerstin Diacont: Kurz und niemals rückwärts Birgit Beck-Broichsitter: Übergänge mit Légèreté Richard Hinrichs: Übergänge aktiv reiten Lutz Leckebusch: Rasante Übergänge mit feinen Signalen Andrea Jänisch: Übergänge und ein Gang mehr Monika Lehmenkühler: Übergänge gebisslos reiten

56 58 61 64 67 70 73 76 80

Mit Lektionsreihen Übergänge schulen Eckart Meyners: Richtig sitzen oder: Richtlinien quo vadis? Sitztipps: Übergänge fühlen lernen

82 89 98

Serie: Junge Pferde ausbilden: Die ersten drei Monate unter dem Sattel 4

Extra: Berufe rund ums Pferd Staatlich anerkannte Berufe Über die Universität zum Pferd Ausbildungsdschungel: Institute & Co. Praktika: Ausmisten morgens um 6 Uhr

110 112 114 117 119

Rubriken Notizen Das Netzwerk: FAIR zum Pferd! Gewinnspiel: Equitana Freikarten Versicherungstipp: Brandgefahr im Stall Literaturliste Buchtipps Mr. P. & Me: Fit fürs Pferd! Impressum Vorschau/Aboschein

122 122 123 124 125 126 128 129 130

Artikel in dieser Farbe kennzeichnen die Titelthemen. Foto Titelbild und Inhaltsverzeichnis: Christiane Slawik, www.slawik.com. Redaktionsanschrift: Wintermühlenhof 4, 53639 Königswinter, Tel.: 02223/900 389

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Grundlagen

Grundlagen

Foto: www.slawik.com

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Definition

Von Paraden und Demi Arrêts Wer Übergänge reiten möchte, kommt ohne sie nicht aus: ganze und halbe Paraden. Das Pendant innerhalb der Légèreté sind die so genannten Demi Arrêts. In den Richtlinien für Reiten und Fahren Band 1 der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sind ganze und halbe Paraden eindeutig definiert: „Jede Parade, die zum Halten führt, ist eine ganze Parade. Alle anderen Paraden werden als halbe Paraden bezeichnet. (...) Die halbe Parade wird durch kurzes, vermehrtes Einschließen des Pferdes zwischen den Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen gegeben, dem eine nachgebende Zügelhilfe folgt. (...) Man sagt auch: Paraden sind das Zusammenwirken aller Hilfen und ermöglichen kontrolliertes Reiten. (...) Die ganze Parade kann aus allen Gangarten erfolgen und wird nur auf geraden Linien gegeben. Sie wird generell von einer oder mehreren halben Paraden vorbereitet und führt immer zum Halten. Die Hilfengebung erfolgt wie bei den halben Paraden, nur dass zum eigentlichen Halten das Pferd für einen kurzen Moment mit Gewichtsund Schenkelhilfen an die anstehende Hand getrieben wird.“ Für Christoph Hess, der bei der FN die Abteilung Ausbildung leitet, ist bei den Paraden vor allem eines ganz wichtig: das Nachgeben. „Leider wird vor allem bei den ganzen, aber auch bei den halben Paraden meist zu viel am Zügel gezogen. Die Zügelhilfen dominieren, was dazu führt, dass das Pferd gegen den Zügel geht und/oder sich auf das Gebiss legt. Dadurch werden Rücken und Hinterbeine blockiert, das Pferd verliert die Balance und kommt auf die Vorhand.“ Hess ersetzt daher im Unterricht den Begriff „parieren“ bei den Übergängen zum Halten gerne durch die Formulierung „in das Halten hineinreiten“ und macht seinen Schülern damit deutlich, dass sie die treibenden Hilfen mit Schenkel und Gewicht – hier spricht Hess von der „Sitzhilfe“ – nicht vernachlässigen dürfen. Die Bedeutung der treibenden Hilfen bei den ganzen und halben Paraden zeigt sich auch darin, dass sie im korrekten Zusammenspiel der reiterlichen Hilfen als erste eingesetzt werden. Die Zügelhilfe kommt erst danach. „Auf der gebogenen Linie erfolgt das Annehmen und Nachgeben vermehrt am äußeren Zügel“, erläutert Hess. „Auf geraden Linien wird mit beiden Zügeln gleicher-

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1/09 März 09 bis Juni 09 7,90 EUR (D) 8,70 EUR (A) 15,80 SFR (CH) 9,25 EUR (BeNeLux)

Das Magazin zur Aus- und Weiterbildung von Reiter und Pferd

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Übergänge richtig reiten Maßarbeit: Übergänge im Schritt und Trab Am seidenen Faden: Vom Arbeitsgalopp zum fliegenden Wechsel

Übergänge richtig reiten

Praktische Tipps von: Heike Kemmer Richard Hinrichs Kerstin Diacont Andrea Jänisch

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Berufe rund ums Pferd

Serie

Junge Pferde ausbilden Jahrgang V ISSN 1860-3963 www.dressur-studien.de

09.02.2009 9:26:05 Uhr

Foto: www.slawik.com

Den gesamten Artikel können Sie in unserer Printausgabe lesen.

Richtig sitzen in den Übergängen oder: Richtlinien quo vadis? Wenn Ausbilder im Reitunterricht Lektionen vermitteln, dann stehen Übergänge oftmals an erster Stelle. Sie seien „das Herzstück“ der Reiterei. Doch wenn sich ein Reiter – ganz gleich ob er in der Freizeit oder beruflich mit Pferden umgeht – in den Richtlinien für Reiten und Fahren der Deutschen Reiterlichen Vereinigung schlau machen will, wird er enttäuscht: Weder in Band 1 noch in Band 2 findet sich ein eigenständiges Kapitel über die Übergänge.

Diese können Sie hier direkt bestellen!

Die Autoren der Reitlehre sahen anscheinend keine Notwendigkeit, dieses Thema in den Mittelpunkt zu rücken. Sollten Übergänge eine reine Selbstverständlichkeit sein, die jeder automatisch lernt? Dass dies nicht der Fall ist, weiß jeder, der in eine beliebige Reithalle schaut. DS 01/09

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Übergänge und Richtlinien

Übergänge und Richtlinien

Der Pferdekörper wird negativ belastet, wenn ein Pferd von Gangart zu Gangart, bei Übergängen innerhalb einer Gangart, durch Veränderung des Gangmaßes oder auch von Lektion zu Lektion vorrangig durch zu starke Zügelhilfen zu Übergängen veranlasst wird, anstatt durch das feinfühlige Zusammenwirken aller Hilfen. Korrekte Übergänge müssen aus der Sicht der Bewegungslehre daher folgende Kriterien erfüllen: Das Gleichgewicht, also die Bewegungsübertragung innerhalb des Pferdes von hinten nach vorne und zurück, muss ebenso erhalten bleiben wie der Bewegungsrhythmus und der Bewegungsfluss. Dazu gehört auch, dass die weiche, kontinuierliche Abfolge der Pferdebewegungen erhalten bleibt, ohne „eckige“ Teilbewegungen. Für den Betrachter ergibt sich dann ein harmonisches Bild, die Bewegungen sind weich und fließend. Das dient auch der Pferdegesundheit, denn so werden Bewegungsprobleme oder Krankheiten verhindert.

Auch in den höheren Klassen sieht man Sitzfehler. Foto: Bärbel Schnell.

Übergänge und Funktionsabläufe bei Mensch und Pferd Dabei sind Übergänge ein wichtiges Thema - auch weil sie unter bestimmten Kriterien der Bewegungslehre dringend nötig sind, damit sich Mensch oder Pferd gemäß ihrem System sachgerecht bewegen können. Wenn der Mensch mit ruckartigen Bewegungen vom Stuhl aufsteht, um eine andere Tätigkeit zu beginnen, dann wird der Fluss seiner Bewegungen durch die Eckigkeit des Aufstehens gestört. Durch das ruckartige Aufstehen entstehen keine kontinuierlich fortlaufenden Bewegungsabläufe. Die Muskeln werden nicht korrekt benutzt, Verspannungen entstehen und es können dadurch sogar Verletzungen auftreten. Dieses Problem lässt sich auch auf viele andere menschliche Bewegungen übertragen: abrupt aus dem Bett aufstehen oder schnell schwere Lasten anheben. Um solche Probleme zu verhindern, gibt es heute eine Vielzahl von Büchern über körperkonformes Bewegungsverhalten des Menschen in Alltags- und Arbeitssituationen. Doch nicht nur in diesen alltäglichen Situationen des Menschen sind Übergänge von Bedeutung, sondern ebenso im Sport. Bei der heutigen Funktionsgymnastik wird vermehrt Wert auf langsame Ausführung gelegt, damit alle an den Bewegungen beteiligten Muskelfasern beansprucht werden und nicht – wie bei schwunghaften Bewegungen – ausschließlich der mittlere Teil des Muskels, der so genannte Muskelbauch. Beim Reiten sind diese Funktionen für das Pferd ebenso relevant. Generell wird ein Pferd stärker belastet als nötig, wenn z.B. der Übergang vom Galopp zum Trab so geritten wird, dass das Pferd auf die Vorhand fällt, die Geschlossenheit des Pferdes also nicht aufrecht erhalten wird. Die Hinterhand muss beim Übergang aktiv sein, sie muss nach vorne unter den Schwerpunkt treten, um das Pferd nicht „auseinanderfallen“ zu lassen.

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Muss man Übergänge nicht mehr erklären? Es fällt insgesamt beim Suchen nach dem Thema „Übergänge“ in den Richtlinien auf, dass der Begriff „Übergänge“ zwar mehrmals genannt, er aber insgesamt nicht vertiefend analysiert oder dargestellt wird. Gerade die koordinativen Abläufe innerhalb des Reiterkörpers scheinen etwas Nebulöses darzustellen, wenn man einmal die Bewegungsbeschreibungen der Hilfen des Reiters genauer betrachtet. Natürlich könnte es

Übergänge und Richtlinien

Übergänge und Richtlinien

sein, dass „Übergänge“ für den Reiter und Ausbilder etwas Selbstverständliches sind, das man nicht mehr erklären muss. Doch wenn man die Beschreibungen der reiterlichen Bewegungsabläufe genauer unter die Lupe nimmt, so scheinen die muskulären Vorgänge beim Reiter nicht genügend in das Bewusstsein der Ausbilder geraten zu sein. An dieser Stelle zeigt sich eine Lücke. Sie verdeutlicht, dass das Pferd zu stark im Fokus der Ausbildung steht. Die Richtlinien tun so, als ob der Reiter ohne Probleme seine Bewegungsabläufe auf das Pferd übertragen könne, um es zu den in der Reitlehre geforderten Lektionen zu veranlassen.

Es fehlen grundlegende Bewegungsmuster! Die Autoren vergessen, dass viele Reiter ihren Körper nicht optimal koordinieren können, weil sie es im täglichen Leben und im Sport nicht erfahren haben. Dies ist eine Tatsache in der heutigen Zeit, die durch Bewegungsmangel geprägt ist. Für alle Sportarten gilt heute, dass Sportler nicht mehr über eine breite Basis von Bewegungsmustern verfügen, die es ihnen ermöglichen würde, relativ schnell Transferleistungen von Technik zu Technik oder von Situation zu Situation zu erbringen. Beim Reiten ist dieser Transfer noch schwieriger, weil es keine strukturell identischen Techniken oder Situationen im täglichen Leben und Sport gibt, die es dem Reiter ermöglichen, auf diese Bewegungsmuster zurückzugreifen. Reitbewegungen sind einmalig.

Die fehlende Bewegungslehre des Reiters ist das Problem! Das Hauptproblem: Die heutigen Ausbilder sind in Bezug auf die Bewegungsabläufe des Reiters nicht genügend geschult. Die Ausbilder und Trainer wählten diese Berufe, weil sie selbst meistens kompetente Reiter sind. Da sie alles beherrschen, was sie weitergeben wollten, können sie sich teilweise gar nicht in die Schwierigkeiten hineinversetzen, die ihre Reitschüler haben. Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Passagen aus den Richtlinien, in denen es um Übergänge geht, aus der Sicht der Bewegungslehre einmal genauer unter die Lupe nehmen.

Übergänge in der Reitlehre Es ist kaum zu glauben, aber auf den ersten 189 Seiten von Band 1 der Richtlinien für Reiten und Fahren sind nur an fünf Stellen Äußerungen zum „Herzstück der Reiterei“ zu finden: zu den Übergängen. Wenn die Passagen über die Ausbildungsskala hier nicht berücksichtigt werden - sie betreffen die Bewegungslehre des Pferdes und nicht die des Reiters -, heißt es dort:

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Fotos sind immer nur Momentaufnahmen - und zeigen manchmal ein ungünstigeres Bild als die Realität. Der ausgeprägte Unterhals und die tiefe Hand sprechen hier jedoch nicht nur für einen ungünstigen Moment... Foto: Bärbel Schnell.

Fundstelle 1: Gewichtshilfen „Die beidseitig belastenden Gewichtshilfen müssen immer dann eingesetzt werden, wenn es gilt, die Hinterbeine des Pferdes besonders zu aktivieren, z.B. bei allen halben und ganzen Paraden und somit auch bei allen Übergängen…. Dazu ist ein verstärktes „Kreuzanspannen“ notwendig. Dies bedeutet, dass der Reiter für einen kurzen Moment die Phase des Anspannens der Bauch- und tiefen Rückenmuskulatur verstärkt, wenn nötig auch für einige hintereinander folgende Schritte, Tritte oder Sprünge“ (S. 71/72). „Ohne die kurzen Impulse dieser intensiven Gewichtshilfe würden zum Beispiel Paraden, also die Vorbereitungen zu Übergängen und Lektionen, zu sehr über die Zügelhilfen erfolgen“ (S. 72). Es werden Gewichtshilfen thematisiert, die mit halben und ganzen Paraden in einen Kontext gebracht werden, ohne jedoch an dieser Stelle zu erläutern, wie Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen koordiniert werden sollen. Diese unterschiedlichen Hilfen stehen zwar als isolierte Elemente im „Band 1 der Richtlinien für Reiten und Fahren“, doch dem Leser werden sie nicht in ihren Abläufen erklärt. In diesem Kapitel wird lediglich der Bezug zu den Zügelhilfen hergestellt, die ein Problem bei Übergängen des Pferdes werden können, wenn sie zu dominant sind. Die Bewegungsabläufe der Gewichtshilfen werden so erklärt, dass der Reiter ein „Kreuzanspannen“ erzeugen soll. Das heißt im Sinne der Richtlinien, dass er das Becken für einen kleinen Augenblick fixieren muss, was durch ein Anspannen der Bauch- und tiefen Rückenmuskulatur geschehen soll. DS 01/09

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Sitzfehler beim fliegenden Wechsel. Foto: Bärbel Schnell.

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Diese Erklärung ist aber irreführend: Der Reiter kann gar nicht beide Muskelgruppen auf einmal anspannen. Entweder spannt er die Bauchmuskeln an, dann kippt sein Becken nach hinten, oder er spannt die tiefen Rückenmuskeln an und sitzt im Hohlkreuz. Der Einsatz der Bauchmuskulatur ist für den kurzfristigen Impuls korrekt. Es besteht jedoch leicht die Neigung, dass sie zu stark angespannt und nicht schnell genug losgelassen wird, sodass der Reiter das Pferd im Rücken blockiert. Richtig hingegen wäre folgendes: Das kurzzeitige Feststellen des Beckens ist eher durch ein Einziehen des Bauchnabels zu erreichen, weil mit dieser Aktion das Becken ebenfalls kurzzeitig fixiert wird, jedoch niemals so stark, dass es das Pferd im Rücken stört.

Generell muss der Reiter aufrecht sitzen, um die Gewichtshilfen ständig anwenden zu können. Durch einen aufrechten Sitz überträgt der Reiter das Gewicht seines Oberkörpers über die Sitzbeinhöcker in den Sattel und somit auf den Pferderücken. Diese grundsätzliche Haltung (Position des Oberkörpers) ist wichtiger als das kurzfristige Kreuzanspannen, weil durch die optimale Stellung des Oberkörpers das Gewicht des Reiters ständig treibend wirkt. Der Reiter muss jedoch wissen, wie er sich aufzurichten hat. Falsch sind folgende Anweisungen, die immer noch während des Unterrichts zu hören sind: Schulterblätter zurück und Brustkorb raus. Denn so wird der Reiter vom Oberkörper bis zu den Fußspitzen hin fest und kann nicht mehr in den Bewegungen des Pferdes mitgehen. Richtig ist das folgende Vorgehen: Aufrichten darf sich der Reiter ausschließlich dadurch, dass er die Stellung seines Beckens verändert. Es muss in die so genannte neutrale Stellung gebracht werden, sodass es leicht nach vorne geneigt ist. Dadurch entsteht innerhalb der gesamten Wirbelsäule die doppelt geschwungene S-Form. Damit können die schwingenden Bewegungen durch den gesamten Reiterkörper fließen. Das Becken darf also niemals starr in einer Position verharren, sondern muss sich den Pferdebewegungen anpassen, sich flexibel dreidimensional bewegen können.

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Fundstelle 2: Zügelhilfen „Nachgebende und annehmende Zügelhilfen finden ihre Anwendung immer in Verbindung mit entsprechenden Gewichts- und Schenkelhilfen, z.B.: – bei allen halben Paraden, also Übergängen von einer Gangart in die andere oder innerhalb einer Gangart, – bei ganzen Paraden,…“ (S. 78) An dieser Stelle erfolgen Verbindungen der Hilfen untereinander, ohne dass jedoch der Zusammenhang genau formuliert würde. Es fehlen eindeutige Hinweise für die Bewegungsabläufe des Reiters. In der täglichen Praxis ist immer wieder zu erkennen, dass die Zügelhilfen hart und dominant erfolgen, weil die Reiter sie nicht fein genug aus dem Handgelenk heraus geben können. Viele Reiter ziehen die Zügel aus dem Unterarm heraus in Richtung Becken und wirken so kräftig und rückwärts mit den Zügeln ein. Grundsätzlich muss der Reiter seine Daumen dachförmig auf dem Zeigefinger platzieren können. Liegt der Daumen flach auf und wird zusätzlich auf den Zeigefinger gepresst, damit die Zügel nicht durchrutschen, dann wird das gesamte Handgelenk fixiert und die Hilfen kommen im Pferdemaul hart an. Wenn der Daumen aber dachförmig auf den Zeigefinger gelegt wird, kann das Handgelenk ein- und ausgedreht werden, das heißt die Knöchel der Hand können rhythmisch in Richtung Innenseite oder Außenseite des Unterarmes fließend bewegt werden. Fundstelle 3: Reiten der Gangarten „Bei Übergängen – Zulegen und Rückführung des Tempos – muss das Pferd durchlässig auf die verhaltenden und treibenden Hilfen reagieren. Beim Zulegen veranlasst der Reiter das Pferd nach einer oder mehreren halben Paraden durch die bestimmte, gleichzeitige und gleichmäßige Einwirkung von Gewicht und beiden Schenkeln zu einem größeren Raumgriff. Die Hand des Reiters gibt soviel nach, wie es die Dehnung des Halses zur Rahmenerweiterung erfordert. Die Verbindung zum Pferdemaul und die korrekte Selbsthaltung des Pferdes bleiben erhalten. Die Rückführung des Tempos wird ebenfalls mit einer oder mehreren halben Paraden vorbereitet. Gerade in diesem Moment wird das

Übergänge und Richtlinien

Übergänge und Richtlinien

Pferd vermehrt getrieben, da es sonst, anstatt mit der Hinterhand unterzutreten, auf die Vorhand kommt und sich möglicherweise auf den Zügel legt.“ (S. 101)

Fazit: Insgesamt fällt auf, dass in den Richtlinien nur äußere Abläufe genannt, die funktionalen Zusammenhänge beim Reiter jedoch weitestgehend nicht beschrieben werden. Die entsprechende Hilfengebung und ihre Koordination sind mehr zu erahnen als zu erfassen. Es entsteht also kein Gesamtbild dessen, was der Reiter mit seinem Körper in Koordination mit den Pferdebewegungen zu vollziehen hat. Durch die Darstellung in den einzelnen voneinander getrennten Kapiteln wird weder die fundamentale Bedeutung der Hilfen noch die Komplexität ihrer Anwendung transparent. Vielleicht mag darin ein Grund liegen, dass Übergänge oft schlecht geritten werden und somit viele Pferde weder losgelassen noch durchlässig gehen.

Diese Ausführungen versuchen den komplexen Zusammenhang von treibenden und verhaltenden Hilfen zu verdeutlichen. Das Tempo zu legen wird mit dem Einsatz von halben Paraden und „durch die bestimmte, gleichzeitige und gleichmäßige Einwirkung von Gewicht und beiden Schenkeln zu einem größeren Raumgriff“ erklärt. Dabei müsse die Hand des Reiters die Dehnung des Pferdehalses ermöglichen. Dieser Funktionsablauf mag ja korrekt beschrieben sein, doch wer von den Reitern kann diese Bewegungszusammenhänge so einfach koordiniert umsetzen? Der Reiter muss sich also aufrichten, wie es im Kapitel zu den Gewichtshilfen beschrieben wurde. Diese Aufrichtung ist ebenfalls für die Schenkeleinwirkung wichtig, weil die Beckenstellung gleichzeitig die Lage der Schenkel beeinflusst. Die Fußspitzen müssen leicht nach außen zeigen, damit die Treibemuskulatur (hinterer Teil der Oberschenkelmuskeln – Kniebeuger) wirken kann. Wenn diese Muskeln nicht korrekt eingesetzt werden, der Reiter durch nach innen geneigte Fußspitzen mehr mit den Adduktoren treibt, dann blockiert er sich im Becken und das Pferd im Rücken. Damit kann er den Bewegungen des Pferdes nicht mehr folgen. Durch ein blockiertes Becken entstehen automatisch Handfehler, die das Pferd im Maul stören und eben nicht zu einer Dehnung und Rahmenerweiterung führen.

Fundstelle 4: Halbe und ganze Paraden Halbe Parade: „In Verbindung mit einer belastenden Gewichtshilfe durch vermehrtes Kreuzanspannen und einer treibenden Schenkelhilfe gibt der Reiter eine wohlbemessene, annehmende oder durchhaltende Zügelhilfe, jeweils gefolgt von einem rechtzeitigen Nachgeben. Man sagt auch: Paraden sind das Zusammenwirken aller Hilfen und ermöglichen kontrolliertes Reiten.“ (S. 104) Ganze Parade: „Die Hilfengebung erfolgt wie bei halben Paraden, nur dass zum eigentlichen Halten das Pferd für einen kurzen Moment mit Gewichts- und Schenkelhilfen an die anstehende Hand getrieben wird.“ (S. 105)

Zur Zeit werden die bestehenden Richtlinien überarbeitet. Mögen die Verfasser der neuen Ausgabe des „Band 1 der Richtlinien für Reiten und Fahren“ sich dieser Problematik bewusst werden und sie entsprechend umfassend aufnehmen.

Bei der Erklärung der Parade tauchen ähnliche defizitäre Beschreibungen wie bei den bereits beschriebenen Passagen zu den Übergängen auf, nur dass an dieser Stelle im positiven Sinne das Zusammenwirken aller Hilfen (Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen) betont wird. Doch nur durch ihre Beschreibung ist eine Umsetzung noch nicht gewährleistet.

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Der Autor Eckart Meyners ist Bewegungswissenschaftler, im Fachbeirat der Dressur-Studien und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit den Bewegungsabläufen von Reiter und Pferd. Lesetipp: Eckart Meyners: „Aufwärmprogramm für Reiter“, Kosmos Verlag DS 01/09

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Heike Kemmer

Grundlektion: Übergänge Heike Kemmer ist eine der erfolgreichsten deutschen Dressurreiterinnen. Sie bildet Pferde von der Remonte bis zum Grand Prix-Niveau aus. Mit der Olympionikin sprach Claudia Sanders darüber, wie Übergänge richtig funktionieren. Wie erarbeiten Sie Übergänge mit einem jungen Pferd? Damit beginne ich sehr früh, wenn auch in großen Abständen: Also, eine Runde Trab auf dem Zirkel, dann eine Viertelrunde Schritt; wenn das Pferd so weit ist, nehme ich auch den Galopp mit dazu. Ich halte Übergänge für eine der wichtigsten Lektionen, um das Pferd darauf vorzubereiten, an den Hilfen zu sein. Ganz konkret, wie bereiten Sie bei einem jungen Pferd beispielsweise das Heike Kemmer. Foto: Bärbel Schnell Angaloppieren vor? Ich gehe auf den Zirkel und stelle das Pferd etwas nach innen, damit es eine Idee davon bekommt, in welche Richtung es gleich geht. Dazu verlagere ich mein Gewicht nach innen, damit das Pferd dem Reitergewicht folgt und nicht verkehrt anspringt. Ich versuche auch, eine halbe Parade zu geben. Beim jungen Pferd wird das nicht immer fruchten, aber das mache ich schon aus Gewohnheit. Die Galopphilfe gebe ich zur geschlossenen Zirkelseite hin, die Bande hilft dem Pferd dabei, richtig anzugaloppieren. Welche Lektionsabfolgen verbessern beim jungen Pferd die Übergänge? Um vom Trab in den Schritt durchzuparieren, lasse ich auch gerne einmal im Trab die Zügel aus der Hand kauen. So gelangt das Pferd schon in der Dehnungshaltung in den Schritt und ich gerate nicht in die Gefahr, die Schrittqualität zu verschlechtern. Um aus dem Trab anzugaloppieren, reite ich mit etwas älteren Pferden eine großzügige Volte, um sie daraus anzugaloppieren. Dadurch tritt das Pferd besser mit der Hinterhand unter und stürmt nicht davon, sondern trägt sich mehr selbst. Wobei ich das Pferd hieraus aber sofort wieder in das befreiende Vorwärts entlasse, weil jüngere Pferde sich natürlich noch nicht so lange selbst tragen können. Welche Rolle spielen für Sie Übergänge in der täglichen Arbeit? Übergänge sind für mich das A und O, und das gilt für jeden Ausbildungsstand. Übergänge bestimmen die tägliche Dressurarbeit. George Theodorescu hat immer gesagt: 58

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´Übergänge bestimmen 80 Prozent der Dressurarbeit`. Nicht selten fragen mich Reiter, ob sie mir bei meiner täglichen Arbeit zuschauen können. Einige von ihnen sind dann durchaus überrascht: Auch mit meinen Top-Pferden reite ich in erster Linie Übergänge dazu gehören Übergänge auf gebogenen Linien, Galopp-Schritt-Trab, Trab-Galopp. Das kann für manchen Zuschauer schon einmal langweilig wirken. Das führte selbst bei den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen in Hongkong bei manchen zu Verwunderung. Man meinte, ich müsse doch einen ganzen Grand Prix mit Bonaparte zur Vorbereitung reiten. Dabei geht Bonaparte schon seit acht Jahren Grand Prix, die Lektionen muss ich nicht jeden Tag mit ihm pauken. Mir ist wichtig, dass ich anhand von Übergängen immer wieder die Durchlässigkeit verbessern kann und die Pferde reell an den Hilfen stehen. Wenn die Übergänge sehr gut gelingen, dann sind auch die anspruchsvollen Lektionen gut zu reiten. Ich finde es schade, dass man heute auch bei vielen Grand Prix-Pferden beispielsweise schlechte Galopp-Trab-Übergänge sieht. Diese Übergänge sind selten geschmeidig, weil die Pferde nicht genug vor den treibenden Hilfen des Reiters sind und weil sie nicht genug aus dem Sitz heraus geritten sind. Ich finde, das müsste im Grand Prix noch viel mehr abgefragt werden. Übergänge unterrichte ich gerne auch bei Lehrgängen, was den ein oder anderen Teilnehmer schon einmal zur Verzweiflung treibt. Statt Piaffe und Passage zu trainieren, geht es dann erst einmal an die Grundlagen: Übergänge sollten ganz weich und geschmeidig sein, ohne dass das Pferd vom Galopp in den Trab hineingedrückt wird oder stockt. Eine Gangart herunterzuschalten bedeutet ja eben nicht, das Pferd mit der Hand auszubremsen und nur noch am Zügel zu ziehen. Was empfehlen Sie Reitern, die Probleme beim Reiten von Übergängen haben? Der Reiter sollte - um der Natur des Pferdes Rechnung zu tragen - in solchen Fällen im Galopp mehr vorwärts reiten. Damit bekomme ich wieder einen klaren Dreitakt im Ga-

Heike Kemmer

lopp und eine bessere Bergaufgaloppade ins Pferd. Zum Übergang sollte sich der Reiter dann in den Trab `fallen lassen´, sollte also schon während des letzten Galoppsprungs versuchen, losgelassener zu sitzen – fast so, als ob er schon traben würde - und vielleicht auch mit der Stimme nachhelfen und so in die neue Gangart hineinreiten. Absolut tabu ist es, am Zügel zu ziehen, das zerstört den Bewegungsfluss.

Was sind die häufigsten Reiterfehler? Reiter versuchen oft, zu stark mit der Hand einzuwirken. Dabei ist es viel wichtiger, mit den treibenden Hilfen - ein treffenderer Ausdruck wäre vielleicht: animierende Hilfen die Hinterhand fleißig zu erhalten. Reiter sind auch häufig zu inaktiv mit ihren Unterschenkeln - was nun nicht heißt, dass sie ihr Pferd ständig mit ihren Unterschenkeln malträtieren, aber sie sollten eine Art ´vibrierende` Wade haben und die Aktivität eben nicht verlangsamen. Frau Kemmer, vielen Dank für das Gespräch!

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Übergänge richtig reiten Maßarbeit: Übergänge im Schritt und Trab Am seidenen Faden: Vom Arbeitsgalopp zum fliegenden Wechsel Praktische Tipps von: Heike Kemmer Richard Hinrichs Kerstin Diacont Andrea Jänisch

Übergänge richtig reiten

Wie genau reiten Sie einen Übergang vom Galopp in den Trab? Ich muss erst einmal das Pferd im Galopp gut vor mir haben, muss also spüren, dass ich es am Sitz habe, das Pferd muss im Genick geöffnet sein und ich muss eine weiche Verbindung zum Maul haben. Das Pferd darf nicht hinter dem Zügel sein, das passiert leider häufig durch falsch gegebene halbe Paraden, wo dann vergessen wird, von hinten in den Übergang hinein zu treiben. Wenn die Vorbereitung stimmt, belaste ich beide Gesäßknochen und lasse beide Beine gleichmäßig am Pferdeleib hinunterhängen, sodass ich nicht mehr die auffordernde Galopphilfe gebe. Ich nehme auch etwas die Stimme hinzu und gebe eine kleine halbe Parade, indem ich die Hand eindrehe und gleich wieder ausdrehe. Dabei darf ich aber nicht die Zügel wegschmeißen, das passiert leider auch häufig.

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Weitere Informationen zu Heike Kemmer finden Sie im Internet unter www.heike-kemmer.de 60

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