60 Jahre Brd: Nordhessen

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e-paper für: 6069489 Politik

Mitt och, 11. Mär 2

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KS-BRD

Das Jahr 1949 in unserer Region Chronik

Chronik 1949 Deutschland

Bad Hersfeld. Eine Goethe-Festspielwoche in der Stiftsruine zum 200. Geburtstag des Dichters legt den Grundstein für die Hersfelder Festspiele.

3.2. Die Fünferkommission des Parlamentarischen Rats einigt sich darauf, West-Berlin neben den elf Ländern der westlichen Besatzungszonen als zwölftes Bundesland in die Präambel des Grundgesetzes aufzunehmen.

Kassel. Die im Krieg nur wenig beschädigte Stadthalle wird wieder eingeweiht.

10.5. Bonn wird vom Parlamentarischen Rat zur vorläufigen Bundeshauptstadt gewählt. Von 62 gültigen Stimmen entfallen 33 auf Bonn, 29 auf Frankfurt.

Wolfhagen. Die Bürgermeisterwahl muss dreimal wiederholt werden – vor allem wegen juristischer Unklarheiten im hessischen Innenministerium. Zeitweise gab es zwei gewählte Bürgermeister, ehe am 14. Dezember der bereits im ersten Anlauf gewählte Berthold Kommalein bestätigt wurde.

12.5. Die Sowjetunion hebt die Berlin-Blockade auf. 18.-20.5. Alle westdeutschen Landtage mit Ausnahme Bayerns billigen das Grundgesetz.

Witzenhausen. Die erste große „Verkaufs- und Leistungsschau“ des Witzenhäuser Gewerbes mit 17 Betrieben aus Stadt und Umgebung lockt am ersten November-Wochenende fast 5000 Besucher in die Turn- und Festhalle. Es folgen große Modenschauen der Textilfachgeschäfte und des Schneiderhandwerks im Löwensaal. Arolsen. Alexandra zu Waldeck, die zweitälteste Tochter des Fürsten Josias und seiner Gemahlin Altburg, heiratet Prinz Botho zu Bentheim und Steinfurth. Josias war 1947 im Buchenwaldprozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Fritzlar. Erste Verkaufsmesse nach dem Krieg mit über 100 Ausstellern aus Industrie, Handwerk und Gewerbe.

23.5. Feierliche Verkündung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in Bonn. 30.5. Der Deutsche Volkskongress billigt die Verfassung der DDR.

Erste Fronleichnamsprozession – in Farbe verewigt Flatternde Fahnen, geschmückte Altäre und über 5000 festlich gekleidete Menschen: Im Juni 1949 fand in Fritzlar, der katholischen Enklave im protestantischen Nordhessen, die

erste Fronleichnamsprozession nach dem Krieg statt. Das Allerheiligste wurde von Altar zu Altar durch die Stadt getragen. Unser Foto: Auf dem Marktplatz versammelten sich

die Gläubigen zum Gottesdienst vor dem Hotel Nägel, das zu der Zeit auch CaritasHaus hieß. Damals wie heute spielte der Katholische Bläserchor dazu. Das farbenprächtige

Ereignis hielt der letzte US-Besatzungsoffizier in Fritzlar, Earl H. Lubeoansky, mit seinem Fotoapparat auf Farbfilm fest – 1949 eine echte Seltenheit. (ula) Foto: Stadtarchiv Fritzlar/nh

VON FRANK THONICKE KASSEL. Der Sat ar ebenso einfach ie folgenreich: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dass er im Grundgeset steht, erdanken ir der Kasseler Politikerin Elisabeth Selbert. Liest man Porträts der 1896 in Kassel geborenen Frau, dann erscheint sie oft unnahbar – als strenge Kämpferin, die unbeirrt ihr Ziel erfolgte. Aber Elisabeth Selbert ar iel mehr. Ehefrau, Mutter, Oma. Im hohen Alter spielte sie noch mit ihren Enkeln Federball. Sie machte Heu und kochte ein, pflegte ihre Rosen im Garten und trank abends gern ein Glas Rot ein. Als 22-Jährige ar Elisabeth Selbert 1918 in die SPD eingetreten. Sie ar eine junge Frau, die aus einfachen, christ-

lichen Verhältnissen stammte. So iale Benachteiligung hatte sie am eigenen Leib erfahren. Was auch heute noch sch er genug ist, ar in den 2 er-Jahren des origen Jahrhunderts eine ahre Herkules-Aufgabe: Elisabeth Selbert organisierte als Mutter on ei Kindern den Haushalt, holte gleich eitig das Abitur nach und schrieb 193 ihre Doktorarbeit um Thema „Zerrüttung als Ehescheidungsgrund“. Fast 5 Jahre später urde das 1977 durch die Eherechtsreform Geset . Gerade noch be or die Nais den Beruf für Frauen erboten, urde Elisabeth Selbert An ältin. Sie musste die Familie alleine durchbringen. Ihr Mann galt als Staatsfeind und bekam keine Arbeit. Elisabeth Selbert durfte sich des egen

Elisabeth Selbert 1940er-Jahren.

in

den

Foto: privat/nh

keine politischen Eskapaden leisten – einen Kotau or den Na is machte sie aber nie.

Durchsetzungsvermögen Sie usste also, über as sie sprach, enn sie die Gleichberechtigung forderte. Und sie set te sich gegen ihren Parteiorsit enden Kurt Schuma-

Helsa. Das Flüchtlingsdorf Waldhof wird übergeben. Hofgeismar. Aus dem Gericht: Ein Monat Gefängnis wegen Fahrens ohne Fahrkarte zwischen Kassel und Warburg, sechs Tage Gefängnis wegen Fahrens mit einem Traktor ohne Licht.

Spangenberg. Das am 1.4.1945 durch Brandbomben zerstörte Schloss, im Krieg Internierungslager für britische Offiziere, soll wieder aufgebaut werden.

cher durch, als sie sich mit überparteilichen Frauenorganisationen erband. Elisabeth Selbert reiste durchs Land, um für ihren Artikel im Grundgeset u erben und erhielt aschkörbe eise ustimmende Post. 1948 urde die Mutter der Gleichberechtigung als eine on ier Frauen in den Parlamentarischen Rat aufgenommen, der das Grundgeset entarf und erabschiedete. Am 18. Januar 1949 ar es dann so eit. Ohne Gegenstimmen urde der Selbert’sche Sat erabschiedet: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ So klar und schnörkellos lautet seitdem Artikel 3 Absat 2 Sat 1 des Grundgeset es. Elisabeth Selbert starb am 9. Juni 1986 im Alter on 89 Jahren in ihrer Heimatstadt Kassel.

Bonn stach Kassel aus

Fritzlar. 100 Jahre Liedertafel. Es gibt ein dreitägiges Fest, zum historischen Festzug kommen über 10 000 Menschen.

Immenhausen. Die Glashütte Süßmuth feiert 25-jähriges Bestehen. Richard Süßmuth baute die kriegszerstörte Hütte in drei Jahren mit 240 Beschäftigten wieder auf.

14.8. Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag.

   



 

Mutter der Gleichberechtigung Die Kasseler Solzialdemokratin Elisabeth Selbert schrieb das Grundgesetz mit

Neue Fuldabrücke: „Noch vor einem Jahr machten die Fahrzeuge einen weiten Umweg, um über die Fulle zu kommen. Heute gehört der brausende Verkehr auf der neuen Brücke zum Kasseler Alltag. Giganten der Landstraße wechseln mit flinken Personenwagen und gemütlichen Pferdegespannen, Spaziergänger mit hastenden Heimkehrern“, betexteten die Hessischen Nachrichten vom 26. März 1949 dieses Foto von Kurt W. L. Mueller.

10.7. In Stuttgart wird der VfR Mannheim mit einem 3:2 nach Verlängerung gegen Borussia Dortmund Deutscher Fußballmeister.

Erster Zissel in den Trümmern Nach langer Pause scholl er wieder durch Kassel, der so beliebte Schlachtruf: „Fullewasser, Fullewasser, hoi, hoi, hoi!“ Nach zehn Jahren Pause feier-

ten Zehntausende wieder ihr Volksfest, den Zissel. Kassel lag noch zu großen Teilen in Trümmern, doch alle Not und Sorgen hielten die Menschen

nicht ab, zum Rathaus zu stürmen. Gefeiert wurde dann auf den Plätzen der Schwimmund Rudervereine an der Fulda. Foto: HNA-Archiv

KASSEL. Am 1 . Mai 1949 fiel die Entscheidung: Nicht Kassel, sondern Bonn urde die erste bundesdeutsche Hauptstadt. Dabei hatte Kassels Oberbürgermeister Willi Seidel ge ichtige Argumente ins Feld geführt: Die günstige Lage an den „Reichsautobahnen“, die Lage im Her en Deutschlands, die nahen Flughäfen Waldau, Roth esten und Frit lar. Der Kan ler und die Bundesregierung sollten im ehemaligen Generalkommando und im Rote-Kreu -Krankenhaus sit en, das Schloss Wilhelmshöhe sollte für Staatsempfänge dienen, und die Stadthalle ar als Sit des Bundesrates orgesehen. Doch es half nichts: Bonn set te sich gegen Kassel, aber auch gegen Frankfurt und Stuttgart durch. (tho)

       

 







12.9. Die Bundesversammlung wählt den Bundespräsidenten: Im zweiten Wahlgang setzt sich Theodor Heuss (FDP) gegen Kurt Schumacher (SPD) durch. 15.9. Der Bundestag wählt den ehemaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer (CDU) zum Bundeskanzler. 20.9. Bildung des ersten Kabinetts Adenauer aus CDU/CSU, FDP und Deutscher Partei.

Erster Bundeskanzler: Konrad Adenauer (CDU). Foto: dpa 7.10. Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). SED-Chef Wilhelm Pieck wird Präsident der DDR, Otto Grotewohl Ministerpräsident. 12.-14.10. Gründungskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in München. Erster Vorsitzender wird Hans Böckler.

... und die Welt 4.4. Gründung der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft (Nato) in Washington. 11.5. Israel wird in die Vereinten Nationen aufgenommen. 25.9. Die Nachrichtenagentur Tass meldet den ersten Atombombenversuch in der UdSSR. 1.10. Proklamation der Volksrepublik China durch KP-Führer Mao Tsetung.

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60 Jahre Bundesrepublik

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BRD

Das Jahr 1950 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Die Kasseler Musiktage finden nach zwölfjähriger Pause erstmals wieder statt.

31.1. Gründung des Müttergenesungswerkes durch Elly Heuss-Knapp (1881-1952), Ehefrau des Bundespräsidenten Theodor Heuss.

Wolfhagen. Rege Bautätigkeiten: 1950/51 werden allein in Wolfhagen 92 Bauvorhaben behördlich genehmigt, davon 28 Wohnungsbauten.

3.3. Unterzeichnung der SaarKonventionen: Das Abkommen garantiert die politische Autonomie des Saargebiets und legt dessen wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich fest.

Kassel. In der Stadt leben jetzt 162 132 Menschen.

4.4. Das DDR-Ministerium für Volksbildung verbietet das Abspielen von anglo-amerikanischer Tanzmusik.

Witzenhausen. Nach elf Jahren Pause findet in Witzenhausen wieder das traditionelle, seit 1857 vom zylinderbehüteten Festausschuss ausgerichtete, Erntedank- und Heimatfest statt.

Mai: In der Bundesrepublik entfallen die letzten Lebensmittelrationierungen.

Korbach. Aus dem Kreis Waldeck werden noch 2158 Wehrmachtsangehörige und 44 Zivilpersonen vermisst. Korbach. Von 1939 bis 1950 hat sich die Zahl der Einwohner des Kreises Waldeck um 29 900 (plus 48 Prozent) erhöht. Grund: Zuzug der Flüchtlinge aus dem Osten. Ein enormes Bauprogramm läuft an, fast jeder Ort erhält seine „Ostlandsiedlung“ (wie sie in Wega heißt). Kassel. Die Kaufhalle GmbH eröffnet ein Warenhaus in der Oberen Königsstraße. Der Neckermann-Versand verschickt Kataloge an die Haushalte. Kassel. Der Verein Deutscher Ingenieure tagt im Mai in Kassel, Motto: „Über die Verantwortung des Ingenieurs“. Im selben Monat wird die Abendschule für Technik ins Leben gerufen.

3.6. Den erstmals vergebenen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält der jüdische Erzähler Max Tau (1897-1976). 25.6. Der VfB Stuttgart wird nach einem 2:1-Sieg über die Offenbacher Kickers Deutscher Fußballmeister. 8.7. Hans Globke wird Personalchef im Kanzleramt. Er ist wegen seiner Tätigkeit als juristischer

Die Werra ist wieder überbrückt Am 10. Dezember 1950 war es soweit: Nach knapp halbjähriger Bauzeit wurde in Witzenhausen die neue Brücke über die Werra dem Verkehr übergeben. Die Bevölkerung nahm starken Anteil. Es mutete wie ein Volksfest an, als der erste

Lkw über das Bauwerk rollte. Fünf Jahre zuvor, am 7. April 1945, hatten abziehende deutsche Truppen – wie andernorts auch – die Werrabrücke sowie die Eisenbahnbrücke beim nahen Unterrieden gesprengt, als die US-Armee von Westen

kommend anrückte. In Witzenhausen sollte die Brücke im früheren Zustand wieder hergestellt werden, doch dagegen protestierten die Bürger beim Landesbauamt in Eschwege. Denn die alte Bauweise hatte bei Hochwasser einen Stau be-

wirkt, der den Fluss vor Witzenhausen 40 bis 50 Zentimeter höher steigen ließ. Im September 1949 sprach sich das Stadtparlament für den Bau einer modernen Variante aus. Im Folgejahr begannen die Arbeiten. (sff) Archivfoto: Stadtarchiv Witzenhausen Umstrittener Berater: Kanzler Adenauer mit Personalchef Hans Globke (rechts). Foto: dpa

Die Trümmer sind weg Tausende von Tonnen Schutt aus der Altstadt landeten an der Schönen Aussicht

5.8. Verkündung der „Charta der Heimatvertriebenen“ in Stuttgart: In der Charta verzichten die Landsmannschaften auf Rache und Vergeltung und fordern die Anerkennung des Rechts auf Heimat.

VON THOMAS SIEMON

Der Dampfer Elsa rollt durch Kassel: Zum 25. Zissel-Geburtstag gibt es außerdem wieder einen Wasserfestzug auf der Fulda Willingen. Die Mühlenkopfschanze wird zur Großschanze mit Anlaufturm umgebaut. Kassel. Die Waggonfabrik Wegmann baut zweistöckige Personenwagen für die Bundesbahn. Kassel. Auf dem Friedrichsplatz präsentiert die „Nordhessische Landesausstellung“ wirtschaftliche Erzeugnisse. An der Gartenbauausstellung auf dem Stadthallengelände nehmen 66 Firmen teil. Fritzlar. Bei einem Großbrand werden vier Familien obdachlos. Unsere Zeitung ruft zu Spenden auf. Kassel. Das vom ADAC auf dem Gelände des späteren Auestadions veranstaltete zweite Sandbahnrennen für Motorräder wird ein großer Erfolg. Wabern. In der Zuckerfabrik wird der Zucker knapp. Der Bürgermeister bittet die Bundesregierung um Rohmaterial. Immenhausen. Am 22. Mai zerstört ein verheerendes Unwetter die Mittelstraße. Hofgeismar. Die Volkshochschule des Landkreises Hofgeismar wird durch Professor Dr. Heinrich Grupe gegründet.

KASSEL. Es ar eine Herkulesaufgabe nach der Zerstörung im Z eiten Weltkrieg. Tausende on Tonnen Schutt mussten aus der Kasseler Altstadt geräumt erden. Vom Friedrichsplat bis ur Schönen Aussicht ( ischen dem heutigen Staatstheater und der Neuen Galerie) hatte man pro isorisch Schienen erlegt. Darauf urden Loren mit den Trümmern bis an den Rand des Hanges geschoben und dann ausgeschüttet. „Der Hang ar früher iel steiler, da ist jede Menge Schutt gelandet“, erinnert sich Zeit euge Hans Germandi (83). Auch das Auestadion ist auf Trümmerschutt gebaut. 195 ar das Stadtbild ar noch on Ruinen geprägt, Plät e und Straßen aber aren freigeräumt. Der Wiederaufbau konnte beginnen. Trot der erheblichen Zerstörungen durch die Bomben – E perten sehen Kassel auf einer Stufe mit Dresden – hätte in den Nachkriegsjahren noch einiges an historischer Bausub-

Kampf der Rattenplage KASSEL. Eine Rattenplage führt u außerge öhnlichen Maßnahmen. Vom 5. bis 11. No ember erden die Kasseler erpflichtet, die Nager u bekämpfen. Ein Rattenpaar hat jährlich 8 Nachkommen, die 6 Zentner Brot fressen, schreiben die Hessischen Nachrichten. Jeder Grundstücksbesit er muss in der Drogerie ein Ratten ernichtungsmittel kaufen und den Kassen ettel bei einer Kontrolle durch die Stadt orlegen. (tos)

Kommentator der NS-Rassengesetze umstritten.

1.9. Die Firma Henkel bringt mit einer großen Werbekampagne erstmals seit elf Jahren das Waschmittel Persil wieder auf den Markt. 7.9. Der erste deutsche Nachkriegsfarbfilm, „Schwarzwaldmädel“ mit Rudolf Prack und Sonja Ziemann, läuft in bundesdeutschen Kinos an. 9.10. Bundesinnenminister Gustav Heinemann (damals CDU) tritt aus Protest gegen die Haltung der Regierungsmehrheit zur Wiederbewaffnung zurück. Loren für den Abtransport: Vom Friedrichsplatz wurde der Trümmerschutt auf provisorischen Schienen zur Schönen Aussicht transportiert. Foto: Archiv Germandi/nh stan gerettet erden können. Viele alte Kasseler trauern bis heute dem längst nicht öllig erstörten Staatstheater nach. Auch das Karlshospital und die Garnisonkirche hätte man ieder aufbauen können.

Doch damit hielt man sich nicht lange auf. Die Menschen brauchten ein Dach über dem Kopf. Binnen kür ester Zeit urden iele Hausruinen in der Innenstadt abgerissen und Wohnungen gebaut. Anfang

der 5 er-Jahre aren 25 neue Quartiere fertig. Die beteiligten Hand erker konnten selbst eine der fertigen Wohnungen für günstiges Geld mieten. Entsprechend flott ging es oran.

19.10. Der Bundestag verabschiedet das Versorgungsgesetz für Kriegsopfer, das rückwirkend zum 1. Oktober in Kraft tritt. Es sieht für Kriegsbeschädigte je nach Umfang ihrer Erwerbsminderung Grundrenten zwischen 15 DM und 75 DM sowie Ausgleichsrenten zwischen 40 DM und 90 DM vor.

... und die Welt

„Rund um Battenberg“ lockt Motorrad-Fans Am 24. September 1950 startete das erste Motorrad-Rennen „Rund um Battenberg“. Bei der Premiere bejubelten 6000 Zuschauer an der Strecke vor allem Frieder Marc aus Bad Wildungen, der auf einer 500er-BMW in 5:16 Minuten die schnellste Runde fuhr. (had) Foto: HNA-Archiv Repro: Steber

4.4. Winston Churchill (Foto), der britische Premierminister, spricht sich als erster prominenter westlicher Politiker für einen deutschen Verteidigungsbeitrag aus. 6.6. Polen und die DDR erklären die Oder-Neiße-Linie zur endgültigen deutsch-polnischen Grenze. 25.6. Nordkoreanische Streitkräfte rücken in Südkorea ein: Beginn des Koreakrieges.

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Das Jahr 1951 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Bad Hersfeld. 13 150 Besucher sehen die ersten Hersfelder Festspiele in der Stiftsruine. Intendant ist der Max-Reinhard-Schüler Johannes Klein.

18.1. Premiere des Films „Die Sünderin“ in Frankfurt. Der Film wird wegen einer kurzen Nacktszene mit Hildegard Knef zu einem Skandal.

Kassel. Im Bergpark Wilhelmshöhe veranstaltet Hans Laugs das erste Lichterfest. 3000 Mitwirkende unterhalten 12 000 bis 15 000 Besucher mit Gesang und Tanz. Frankenberg. Der Neubau des Kreiskrankenhauses wird eingeweiht. Alle Patienten werden vom seit 1946 als Klinik dienenden Hotel Lengemann in die neue Klinik verlegt. Spenden kommen sogar vom „Frankenberger Krankenhausunterstützungsverein“ aus New York.

„Die Sünderin“: Hildegard Knef im Kino. Foto: dpa 10.4. Der Deutsche Bundestag verabschiedet das Gesetz über die Montan-Mitbestimmung. 19.4. Eröffnung der ersten Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt.

Wellerode. Ein Schäfer erschießt im Wald bei Wellerode einen Korbacher Viehhändler und raubt ihm 500 Mark. Kassel. Die „Gemeinnützige Bauunion Kassel“, eine Selbsthilfeorganisation der Heimatvertriebenen, errichtet für 800 000 Mark auf der Hasenhecke 78 Wohnungen. Rotenburg. Die Stadt schenkt dem Land Hessen das Schloss, den Marstall und die Remisen. Das ist der Grundstein für die spätere Landesfinanzschule.

Sepp Weiler (1921-1997) WILLINGEN. Skispringerlegende Sepp Weiler (Foto) macht die Mühlenkopfschane über Nacht berühmt: Am 13. Januar 1951 springt der Oberstdorfer 1 1 Meter eit: Willingen erfügt nun über eine der größten Schan en der Welt. Fast 2 Jahre hat Weilers Rekord Bestand. (gge) Kassel. Bei der Wohnraumbewirtschaftung von Altbauwohnungen und möblierten Zimmern tritt eine Lockerung ein. Die Eigentümer dürfen sich jetzt unter drei von der Wohnungsbehörde bestimmten Wohnungssuchenden einen Bewerber auswählen. Hofgeismar. Die im Krieg zerstörten Weserbrücken in Gieselwerder und Karlshafen werden wieder aufgebaut. Schwalmstadt. Aus ehemaligem Kriegsgefangenenlager wird ein Dorf: Die Siedlung Trutzhain wird zur selbständigen Gemeinde und ist damit die 79. im Kreis Ziegenhain.

29.4. Eröffnung der ersten Bundesgartenschau in Hannover.

Streit um Wiederaufbau des Staatstheaters Soll das alte preußische Staatstheater, das im Krieg schwere Bombentreffer abbekommen hat, am Hang oberhalb der Kasseler Karlsaue wieder aufgebaut werden? Oder soll am Friedrichsplatz ein neues Theater errichtet werden? Diese Frage

spaltet im Jahr 1951 die Kasseler Bevölkerung. Die Gegner des Wiederaufbaus meinen, der kaiserliche Bau erfülle nicht die Anforderungen eines modernen Theaters, er verstelle den Blick in die Landschaft. Auch müsse das Theater mehr ins Stadtzen-

werden verkauft – der Hauptgewinn ist ein Auto, ein Borgward Hansa. 230 000 Mark werden so für den Wiederaufbau gesammelt. Dazu kommt es trotzdem nicht. Es wird neu gebaut. Eröffnet wird das neue Haus aber erst 1959. (w.f.)

21.6. Die Vollkonferenz der Unesco in Paris beschließt die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland.

Protest gegen hohe Preise

30.6. Der 1. FC Kaiserslautern wird durch ein 2:1 gegen Preußen Münster Deutscher Fußballmeister.

Witzenhäuser Hausfrauen boykottierten Fleischer, die sperrten ihre Kunden aus

1.7. Auf der Berliner Avus wird erstmals seit Kriegsende wieder ein Autorennen ausgetragen.

WITZENHAUSEN. Anfang der 196 er-Jahre stieg die Nachfrage, gleich eitig kletterten aber auch die Preise. Darunter hatten or allem die noch immer ahlreichen Arbeitslosen soie die Flüchtlinge u leiden. Doch in Wit enhausen urde das nicht einfach stillsch eigend hingenommen. Bereits im Februar 1951 andte sich das Ortskartell des DGB in unge ohnt scharfer Form an die Öffentlichkeit, um u protestieren „gegen die dauernden Preissteigerungen, elche die an sich schon unureichenden Löhne usät lich schmälern“. Die Proteste allein fruchteten – auch damals schon – nur enig, der offene Konflikt ar nur eine Frage der Zeit. Er entündete sich im Sommer an den gesunkenen Einkaufspreisen für Sch einefleisch. Die hatte die Wit enhäuser Fleischerinnung ar ohl ollend ur Kenntnis genommen, nicht aber daran gedacht, sie an die Verbraucher eiter ugeben.

Selbsthilfe gegen Missstand Da forderte das DGB-Ortskartell am 28. Juni öffentlich „ on den Fleischermeistern, nun endlich ihre Preise mit den Einkaufspreisen in den richtigen Einklang u brin-

29.7. In Bayreuth finden die ersten Wagner-Festspiele nach dem Zweiten Weltkrieg statt. 31.8. Premiere des Films „Der Untertan“ von Wolfgang Staudte nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Mann in der DDR. 10.-14.9. Außenministerkonferenz der drei Westmächte in Washington zur Deutschlandpolitik. Die drei Westmächte beschließen, die Bundesrepublik „auf der Grundlage der Gleichberechtigung in eine kontinental-europäische Gemeinschaft“ zu integrieren. Die Bundesrepublik soll ferner an der westlichen Verteidigung beteiligt werden. Werbung im Festzug: Beim Erntefestumzug 1950 hatte die Fleischerinnung noch Werbung gemacht, im Jahr darauf verärgerte sie mit ihrer Preispolitik die Kunden. Foto: Stadtarchiv Witzenhausen gen“. Andernfalls sehe man sich ge ungen, „diesem unglaublichen Missstand durch Selbsthilfe ein Ende u bereiten“. Gespräche ischen Geerkschaft und Innung schlugen fehl. Nun kündigte das Ortskartell als Gegenmaßnahme einen Käuferstreik an, um Preisdruck aus uüben – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte Wit enhausens.

Schwarzenborn. Während eines Tanzvergnügens an Himmelfahrt wird in Schwarzenborn ein 21-Jähriger ermordet.

In einer Kundgebung auf dem Marktplat forderte der DGB-Vorsit ende Karl Henkel or 7 Zuhörern die „Hausfrauen auf, jet t durch uhalten“. Sonst könnten sie die in enigen Wochen „in unersch ingliche Höhen steigenden Preise“ nicht mehr be ahlen. Die Fleischer ant orteten am 8. Oktober mit der Schließung ihrer Läden, as prak-

tisch die Aussperrung der Kunden bedeutete. Wenige Tage später hatten sich die Gemüter aber ieder beruhigt. Und nach einem Gespräch ischen Innung, Geerkschaft und Bauern erband als Vertreter der Zulieferer einigte man sich auf einen on allen Seiten ak eptierten Kompromiss. Der schloss eine Preiskontrolle durch alle Beteiligten ein. (sff)

60 000 pilgerten in den Bergpark

Wickersrode. Ein junger Mann schießt bei einer Feier mit einem Gewehr um sich. Der Amoklauf kostet drei Menschen das Leben, vier werden verletzt. Battenberg. 20 000 Zuschauer kommen zum Motorradrennen „Rund um Battenberg“. Die deutschen Gespann-Asse Wilhelm Noll und Fritz Cron, später zweifache Weltmeister, drehen drei Demonstrationsrunden.

trum rücken. Die städtischen Gremien loben einen bundesweiten Architektenwettbewerb für einen Neubau aus. Doch sie haben große Teile der Bevölkerung gegen sich. Ein Aufbauverein startet eine Wiederaufbaulotterie. Über 700 000 Lose

6.6. Eröffnung der 1. Internationalen Berliner Festspiele (Berlinale) im Steglitzer Titania-Palast. Als bester Film wird „Das doppelte Lottchen“ nach dem gleichnamigen Roman von Erich Kästner ausgezeichnet.

Am 19. August dröhnten dort wieder die Motoren

Gerd Duthe aus Kassel auf seiner DKW.

Foto: Pauly/nh

KASSEL. Nach den Autorennen in den Z an igerjahren urde das Wilhelmshöher Bergrennen am 19. August 1951 als reine Motorrad eranstaltung ausgetragen. 6 Motorsportfans säumten den Bergpark und sahen bei sechs Rennen ei Kasseler Siege.

Die Klasse 25 ccm dominierte Gerd Duthe auf einer DKW, ährend Adolf Nölker die Klasse 1 ccm auf einer NSU ge ann. Im Rennen der Halblitermaschinen stür te der Kasseler Rudi Edelmann (BSA), aber er kam mit einigen Schrammen da on. (geb)

1.11. Die DDR-Volkskammer beschließt das Gesetz über den Fünfjahresplan 1951-1955. Damit beginnt die zentrale staatliche Planwirtschaft für langfristige Wirtschaftslenkung. 16.11. Verbotsantrag der Bundesregierung gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) beim Bundesverfassungsgericht.

... und die Welt 15.4. In Tirol wird das erste SOSKinderdorf eröffnet. Es soll heimatlosen Kindern Betreuung in familienähnlichen Gemeinschaften bieten. Initiator des Projektes ist der österreichische Sozialpädagoge Hermann Gmeiner (1919-1986). 9.7. Großbritannien erklärt als erste der drei Westmächte die Beendigung des Kriegszustands mit Deutschland. Frankreich folgt am 13. Juli, und die USA folgen am 19. Oktober.

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Das Jahr 1952 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Der wiederhergestellte Stadtverordneten-Sitzungssaal im Rathaus wird eingeweiht. Die Sitzungen des Stadtparlaments können wieder im eigenen Haus stattfinden.

24.1. In der Bundesrepublik tritt das Mutterschutzgesetz in Kraft. Danach werden der Kündigungsschutz, die Verdienstsicherung und die Bestimmungen am Arbeitsplatz für werdende und stillende Mütter verbessert.

Gensungen. Im Torbogen der Burg Heiligenberg bei Gensungen weiht der Bund der Vertriebenen am 20. Juli die Glocke der Heimat ein. Zu diesem Zeitpunkt haben sich rund 10 000 Vertriebene im Kreis Melsungen angesiedelt.

14.2.-25.2. Olympische Winterspiele in Oslo. Deutschland nimmt zum ersten Mal seit Kriegsende wieder an den Spielen teil und erringt seine ersten Goldmedaillen im Zweierbob durch Anderl Ostler und Lorenz Nieberl.

Helmarshausen. Jetzt ist Zeit, die 1944 kriegsbedingt ausgefallene 1000-Jahr-Feier nachzuholen. Guntershausen. Die im Krieg zerstörte große Guntershäuser Eisenbahnbrücke über die Fulda wird wieder hergestellt. Elgershausen. Der Basaltabbau am Hirzstein wird eingestellt.

Märchenhaft: In der Kaskade tanzt das Wasser Die Attraktion des Kaskade-Kinos am Kasseler Königsplatz waren zweifelsohne die tanzenden Wasser, ein buntes, mit Musik untermaltes Wasserspiel, das nach jeder Vorführung der Wochenschau stattfand. „Märchenhaft“, fanden es

die Zuschauer, schrieb die Zeitung. Mit dem Kino, das am 12. Dezember 1952 feierlich eröffnet wurde, bekam Kassel seine zweite Kaskade. Verantwortlich war Architekt Paul Bode. Der Bruder von documenta-Gründer Arnold

Bode, der wie kaum ein anderer die Kasseler Nachkriegsarchitektur prägte, wurde vor allem mit diesem und weiteren Kinobauten auch überregional bekannt. Bauherr war Georg Reiss, Besitzer des gleichnamigen

Filmbetriebs. Das Kaskade wurde zur Attraktion, und zwischen 1953 und 1960 kamen oft Filmstars, darunter Hildegard Knef und Heinz Erhardt, zu Kinopremieren. Endgültig geschlossen wurde das Kino im Jahr 2002. (nix)

Mildes Urteil für Gestapo-Chef Franz Marmon ließ 78 italienische Zwangsarbeiter erschießen, kam aber auf freien Fuß VON FRANK THONICKE

Kopf ab: Im September wurde der Kopf des Kasseler Wahrzeichens Herkules zur Reparatur abgenommen und in die Pyramide heruntergelassen. Foto: Lengemann

Korbach. Hitzewelle im Kreis Waldeck: 36,4 Grad sind der Höhepunkt am 2. Juli. Landwirte müssen Vieh notverkaufen. Kassel. Bei einer Erfindermesse auf dem Friedrichsplatz zeigen die Aussteller Neuheiten aus Frankreich, England, Schweden, Südamerika und den USA.

KASSEL. Es ist das Jahr 1949, und in Kassel stand ein Erschießungskommando or Gericht. Unter dem Befehl des ehemaligen Kasseler GestapoChefs Fran Marmon hatte es ier Jahre u or am Ostersamstag 78 italienische Z angsarbeiter erschossen. Z ei Tage or Kriegsende urden die Männer ermordet – die Amerikaner standen schon or Kassel. Die Mitglieder des Kommandos urden freigesprochen. Das Gericht begründete es damit, dass sie in dem Erschießungsbefehl kein Verbrechen gesehen hatten. Schließlich habe es überall in der Stadt Hin eisschilder gege-

ben, dass Plünderer erschossen ürden. Außerdem hätten sie Marmons Befehl nicht ereigern können, ohne ihr eigenes Leben u riskieren – Gestapo-Chef Fran Marmon galt als äußerst brutaler Mann. Als die Soldaten or Gericht standen, ar jener Fran Marmon bereits untergetaucht. Er ar über Wit enhausen Richtung Har geflohen, anschließend lebte er unter dem Namen Peter Pfriemer in Hit elrode bei Esch ege. Im Juni 195 urde Marmon dann doch in Karlsruhe erhaftet. Der Pro ess in Kassel egen des Massenmordes an den Italienern am Bahnhof Wilhelmshöhe konnte nun Anfang 1952 beginnen. Plöt lich aber sagten alle ehemali-

Knapp an einer Medaille vorbei

Hofgeismar. Die Evangelische Akademie wird von Guntershausen nach Hofgeismar verlegt. Homberg. Graf Luckner, der legendäre „Seeteufel“ des Ersten Weltkriegs, hält zwei Vorträge in Homberg. Der Mann, der ein Telefonbuch zerreißen konnte, appelliert an seine Zuhörer, dem „leck gewordenen Schiff“ westliche Zivilisation wieder „ein echtes Menschentum“ zu schenken. Witzenhausen. Das über 100 Jahre alte Krankenhaus in Witzenhausen wird durch einen Neubau ersetzt. Der 1,3 Millionen Mark teure Trakt wird am 6. September eingeweiht. Battenberg. Als „schwarzer Sonntag“ geht der 10. August in die Motorsportgeschichte ein. Der Düsseldorfer Gespannfahrer Arno Günzel verunglückt tödlich. Ein weiteres Gespann rast in die Zuschauer und tötet den Allendorfer Architekten Hermann Winter. Zehn weitere Besucher erleiden schwere Verletzungen. Gespannfahrer Adolf Jünger stirbt drei Tage später im Kreiskrankenhaus Frankenberg.

Franz Marmon, berüchtigter Gestapo-Chef von Kassel.

gen Gestapo-Mitglieder und auch Angehörige der Kripo für Marmon aus: Er sei ein ausgeeichneter Chef ge esen und habe den Erschießungsbefehl nur erteilt, um die Kasseler Beölkerung or Übergriffen u schüt en. Am 5. Februar 1952 erkündetet das Sch urgericht sein Urteil: Marmon erhielt ei Jahre Haft, seine eineinhalb Jahre dauernde Untersuchungshaft urde angerechnet. Das erbliebene halbe Jahr urde auf dem Gnadeneg erlassen. Fran Marmon, der or Kassel stell ertretender Gestapo-Chef on München ge esen ar, erließ als freier Mann den Gerichtssaal. Er starb mit 45 Jahren ein Jahr später in Karlsruhe.

Irmgard Hermand-Schmelzer war Olympia-Vierte HELSINKI. Der KSV Hessen ar bei den Ol mpischen Spielen 1952 in Helsinki mit Irmgard Hermand, die damals noch Schmel er hieß, ertreten. Es ar das erste Mal nach dem Krieg, dass eine deutsche Mannschaft an den Ol mpischen Spielen teilnehmen durfte. Wäre die damals 31Jährige Kasselerin nur ei

Baggerführer waren die Helden des Jahres 1952 war auch das Jahr des Aufbruchs und Wiederaufbaus. Helden des Wiederaufbaujahres waren die Baggerführer, die die Kasseler Altstadt von Trümmern befreiten. Aber es wurde natürlich auch neu gebaut: Allein 1000 Arbeiter schufteten an Kassels größter Baustelle, der

Belgierkaserne. Insgesamt wurden 1952 rund 150 Straßen ausgebaut und instandgesetzt, wurden 2500 neue Wohnungen in Kassel gebaut, vier neue Volksschulen und drei Turnhallen. Am Tannenwäldchen entstand die bis dahin größte Jugendherberge Hessens. (tho) Irmgard Hermand-Schmelzer

Zentimeter eiter gesprungen, dann hätte sie in Finnlands Hauptstadt die Bron emedaille ge onnen. 5,9 m urden für Irmgard Schmel er gemessen, ährend für die Britin Shirle Ca le 5,92 m u Buche standen. Gold holte sich damals – am 24. Juli 1952 – Y ette Winifred Williams aus Neuseeland mit 6,24 Meter, der eitgrößten Weite, die bis dahin je on einer Frau gesprungen urde. Kur or den Spielen in Helsinki ar Irmgard Schmel er Deutsche Weitsprung-Meisterin ge orden, und mit ihrer Best eite (5,98 m) der damaligen Traumgren e on sechs Metern sehr nahe gekommen. Irmgard Hermand, die im De ember 2 2 im Alter on 82 Jahren gestorben ist, entdeckte später ihre Liebe um Tennis und sch ang noch als 8 -Jährige den Schläger. (geb)

Gold im Zweierbob: Anderl Ostler und Lorenz Nieberl 1.3. Rückgabe der Insel Helgoland durch die Briten an die deutsche Verwaltung. 10.3. Der sowjetische Parteiund Regierungschef Josef Stalin schlägt den drei Westmächten vor, einen Friedensvertrag mit einer gesamtdeutschen Regierung unter folgenden Bedingungen abzuschließen: Wiedervereinigung in den Grenzen, wie sie die Potsdamer Konferenz festgelegt habe. Neutralisierung Deutschlands nach Abzug aller ausländischen Truppen. 25.3. Die Westmächte lehnen die in der „Stalin-Note“ geforderten Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit ausdrücklicher Billigung Bundeskanzler Adenauers ab, solange keine freien gesamtdeutschen Wahlen stattgefunden haben. 2.5. Bundespräsident Heuss und Kanzler Adenauer einigen sich auf das Deutschlandlied als Nationalhymne. Bei staatlichen Anlässen soll künftig die dritte Strophe gesungen werden. 22.6. Der VfB Stuttgart wird in Ludwigshafen durch ein 3:2 gegen den 1. FC Saarbrücken Deutscher Fußballmeister. 11.10. Verkündung des Betriebsverfassungsgesetzes, in dem die Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten festgelegt wird. 23.10. Das Bundesverfassungsgericht verbietet die neonazistische Sozialistische Reichspartei. 15.12. Bundesweit werden die Notrufnummern 110 (Polizei) und 112 (Feuerwehr) eingeführt. 26.12. Ausstrahlung der ersten „Tagesschau“ im Fernsehen.

... und die Welt 6.2. Nachdem König Georg VI. gestorben war, wird seine Tochter Elizabeth (geb. 1926, Foto) noch am selben Tag als Elizabeth II. zur Königin proklamiert. 1.11. Auf dem Eniwetok-Atoll im Pazifik lassen die USA die erste Wasserstoffbombe detonieren. 4.11. Der Republikaner Dwight D. Eisenhower wird zum neuen Präsidenten der USA gewählt.

e-paper für: 6069489 Montag, 16. Mär 2

60 Jahre Bundesrepublik

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BRD-L

Das Jahr 1953 in unserer Region Chronik Nordhessen Kassel. Rechtzeitig vor der Übertragung der Krönung von Königin Elizabeth II. wird auf dem Hohen Gras ein Fernsehsender in Betrieb genommen. Kassel. Das Haus der Jugend an der Fuldabrücke wird seiner Bestimmung übergeben. Frankenberg. An der Edertalschule in Frankenberg fällt der Unterricht wegen Kohlenmangels aus. Es kann nicht geheizt werden. Korbach. Eine Coca-Cola-Abfüllstation nimmt den Betrieb auf. 14 Mitarbeiter füllen pro Stunde 4000 Flaschen. Korbach. Die neuen MauserWerke werden eingeweiht. Kassel. Hans Schallenberger präsentiert die von ihm erfundene Doppelglasscheibe mit Vakuum: das Thermofenster.

Zaun aus Stacheldraht Nach dem Volksaufstand in der DDR: Die Zonengrenze wird zum Eisernen Vorhang WITZENHAUSEN. An der Nahtstelle ischen Westund Ostdeutschland erschärfte sich die Situation nach dem 17. Juni 1953, dem Volksaufstand in der DDR. Fortan prägte die Zonengren e bis um Fall 1989/199 das Leben in der nordosthessischen Region. Bis Anfang 1953 ar die Gren e ischen Hessen und Thüringen noch relati durchlässig. Reisen aren ebenso möglich ie das Be irtschaften on Ackerland in den jeeiligen Zonen. Die Menschen ersuchten trot der Spannungen, persönliche Verbindungen eiter u pflegen. Wenn der VfB Wit enhausen die Fußballmannschaft aus Heiligenstadt im Eichsfeld empfing – und umgekehrt –, ar das ein Zeichen dafür, dass die Gren e noch nicht ihren später undurchdringlichen Charakter hatte. Dennoch bestimmte die Demarkationslinie seit ihrer endgültigen Festlegung in unehmendem Maße das Leben der

Menschen. Die beiden Wit enhäuser Stadtteile Werleshausen und Neuseesen gehörten ursprünglich ur so jetischen Zone und aren erst nach dem „Wanfrieder Abkommen“ om 17. September 1945 im Tausch gegen die um Bad Sooden-Allendorf gelegenen Dörfer Asbach, Sickenberg, Vatterode und Weidenbach um amerikanischen Einflussgebiet gelangt. Neben den großen irtschaftlichen Problemen des Zonenrandgebiets, die nur durch massi e Sub entionen gemildert urden,

spielte die ideologische Konfrontation der S steme an der Nahtstelle ischen Ost und West eine immer größere Rolle.

Sender Meißner als Bollwerk

So nah, aber über Jahrzehnte unerreichbar: Warnschilder und Sperranlagen der thüringisch-hessischen Zonengrenze bei Burg Hanstein. Foto: Stadtarchiv Witzenhausen

Vier Schröders sagen Ja 30. August : Geschwister heiraten am selben Tag in Treysa

Sensation in Kassel: Die Treppenstraße ist die erste deutsche Fußgängerzone. 104 Stufen verbinden Hauptbahnhof und Friedrichsplatz. Kassel. Die Berliner Brücke wird für den Verkehr frei gegeben. Treysa. Die Grippe-Epidemie fordert am 2. Februar das erste Todesopfer. 14 Schulen im Kreis müssen geschlossen werden.

Chronik Deutschland

TREYSA. Das hatte die Sch alm noch nicht erlebt: Am 3 . August 1953 heiraten ier Kinder der Familie Schröder: Ernst (22), Günter (25), Willi (31) und Ottilie (33). Das liegt ohl in der Familie, denn auch ihre Mutter Elisabeth feierte einst gemeinsam mit ihrer Sch ester Sophie eine Doppelhoch eit – die beiden urden im Jahr 1919 mit den Brüdern Gusta und Ernst Schröder getraut. 1953 geht es bei der ierfachen Schröder-Hoch eit in Tre sa hoch her. Viele Schaulustige bestaunen die Brautpaare an der Stadtkirche. Übrigens: Die ier Paare haben heute ehn Kinder, 15 Enkel und drei Ur-Enkel. Vor sechs Jahren feierten drei der ier Eheleute das Fest der Goldenen Hoch eit. (ciß)

So erstand der Hessische Rundfunk seinen neuen Sender Meißner neben der Verbesserung des Empfangs in Nordhessen in erster Linie als „Boll erk“ gegen die Sender der DDR. „Wir ünschen, dass auch drüben die Stimme der Freiheit gehört erden kann“, erklärte Intendant Eberhard Beckmann. Im Frühjahr 1953 schon erschärfte sich die Lage an der Gren e usehens. Und als am 21. April berichtet urde, dass „auch an der Gren e unterhalb der Burg Hanstein bei Werleshausen Volksarmisten mit der Errichtung eines Stacheldraht aunes“ begannen, aren die Kontaktmöglichkeiten drastisch eingeschränkt. Jet t trennte der Eiserne Vorhang die Menschen hüben und drüben. (sff) Mehr auf

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„Papa Heuss“ besucht Kassel

Vierfache Hochzeit: In Treysa heirateten am 30. August 1953 Willi und Käthe Schröder, Günter und Gertrud Schröder, Ernst und Maria Schröder sowie Heinz und Ottilie Pütz. Foto: privat/nh

KASSEL. Großer Bahnhof für den Bundespräsidenten: Hunderte fanden sich schon frühmorgens auf Theodor dem Kasseler Heuss Hauptbahnhof ein, um die Ankunft on Theodor Heuss mit uerleben. Der beliebte Präsident, om Volk „Papa Heuss“ genannt, lobte die „heitere, gelöste Atmosphäre“ in der Stadt und den Stand des Wiederaufbaus. „Theodor Heuss be auberte alle durch Charme und sch äbischen Humor“, hieß es in der Zeitung.

8.5. Der DDR-Ministerrat ordnet eine Erhöhung der Arbeitsnormen um 10,3 Prozent an. 17.6. Ein Streik gegen die Normenerhöhung in Ost-Berlin weitet sich auf 72 Städte und zahlreiche Ortschaften in der DDR zum Aufstand gegen das kommunistische Regime aus. Die Demonstrationen werden von sowjetischen Soldaten und DDRVolkspolizisten gewaltsam zerschlagen.

Mit Steinen gegen Sowjetpanzer: Ost-Berlin am 17. Juni 1953. Foto: dpa 18.6. In Ost-Berlin, Leipzig, Magdeburg und Jena werden etwa 20 000 Personen vorübergehend in Haft genommen. Von ihnen werden in den ersten Tagen 29 von sowjetischen Standgerichten zum Tode verurteilt und hingerichtet. In den nächsten Monaten erhalten außerdem mindestens 1400 teilweise mehrjährige Freiheitsstrafen. 21.6. Der 1. FC Kaiserslautern wird durch ein 4:1 über den VfB Stuttgart Deutscher Fußballmeister. 25.6. Der Bundestag verabschiedet ein neues Wahlgesetz, mit der so genannten Fünf-ProzentHürde. Danach dürfen Parteien nur noch in den Bundestag einziehen, wenn sie mindestens fünf Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten oder in einem Wahlkreis mindestens ein Direktmandat gewinnen. 4.8. Der 17. Juni wird durch Bundesgesetz zum „Tag der deutschen Einheit“ bestimmt. 6.9. Zweite Bundestagswahl:    

Wasenberg. Gold im Hühnermagen: Eine Frau vermisst ihren Ohrring, am Wochenende bringt der Nachbar ihr den Schmuck. Er hatte ein Huhn geschlachtet und beim Zerkleinern des Magens das edle Stück gefunden.

    

 

       

Helmarshausen. Die Diemelbrücke ist wieder aufgebaut, vorher gab es nur eine Notbrücke aus Holz.

  

    

  

 

 

  

                    

Abriss des Staatstheaters empört Bürger KASSEL. Jahrelang hatte der Streit angedauert, ob das on Kriegsbomben getroffene preußische Staatstheater ieder aufgebaut oder durch einen Neubau erset t erden sollte. Nun urden Fakten geschaffen: Das sch er beschädigte Gebäude am Auehang urde kur erhand abgerissen, as u lautstarker Empörung unter Kasseler Bürgern führte. Es ar nicht der let te Aufreger rund ums Staatstheater: Z ei Jahre später urde der Siegerent urf für den Neubau on Hans Scharoun gekippt und durch einen on Paul Bode erset t. ( .f.)

10.5. Chemnitz wird auf Beschluss der DDR-Regierung in Karl-Marx-Stadt umbenannt.

CDU/CSU, FDP, Deutsche Partei und der Gesamtdeutsche Block/ Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten bilden die Regierung. 27.12. Ruth Leuwerik und O. W. Fischer werden als beliebteste Schauspieler des bundesdeutschen Films mit dem „Bambi“ ausgezeichnet.

... und die Welt

20 000 feiern die Auestadion-Einweihung 20 000 Zuschauer verfolgen am 23. August das FußballOberligaspiel zwischen dem KSV Hessen und Viktoria Aschaffenburg. Zwar verliert der KSV mit 1:2, aber an diesem

Tag ist das Ergebnis zweitrangig, denn die Massen feiern die Einweihung des Auestadions. Am 3. Mai 1953 war der KSV in die Oberliga aufgestiegen, und die Feldhandballer des SV Har-

leshausen holten sich mit einem 12:10 gegen Frisch-Auf Göppingen die Südmeisterschaft. Der KSV spielte mit: Laue - Knothe, Hutfles - Windisch, Zimmer, Hosung -

Bründl, Metzner, Daubert, Hellwig und Schmidt. Im Trikot des SV Harleshausen: Stora - Spies, Balzk, Führer, Ullrich, Schilling, Czybik, Horchler, Sutter, Lingelbach, Gibhardt. Repro: Koch

5.3. Der 73-jährige sowjetische Partei- und Regierungschef Josef Stalin stirbt in Moskau an den Folgen eines Schlaganfalls. 29.5. Erstbesteigung des Mount Everest durch den Neuseeländer Edmund Hillary und den Nepalesen Tenzing Norgay.

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Dienstag, 17. Mär 2

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BRD-R

Das Jahr 1954 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Der Bau des Staatstheaters erregt weiterhin die Gemüter in Kassel. Als beim Ausheben der Grube für den preisgekrönten Entwurf von Hans Scharoun (Berlin) und Herrmann Mattern (Kassel) alte Festungsmauern gefunden werden, stoppt die Landesregierung die Arbeiten.

4.1. In Duisburg werden die ersten Parkuhren der Bundesrepublik aufgestellt.

Witzenhausen. Das Autokennzeichen WIZ für den Kreis Witzenhausen wird erstmals ausgegeben.

6.2. Eröffnung der ersten umfassenden Ausstellung der Werke des Malers Max Liebermann seit 1927 in Hannover.

29.1. Das erste Reparaturfahrzeug des Allgemeinen Deutschen Automobil Clubs (ADAC) für die Pannen-Soforthilfe wird in Deutschland eingesetzt.

26.2. Der Bundestag beschließt die erste Wehrergänzung zum Grundgesetz. Diese regelt die Zuständigkeit des Bundes in Verteidigungs-, Wehrpflicht- und Zivilschutzangelegenheiten und gibt ihm damit das Recht zur Gesetzgebung über die Verteidigung einschließlich der Einführung einer Wehrpflicht.

Willingen. Bei einem Springen ohne internationale Beteiligung startet Max Höfer vom KSV Hessen Kassel und stürzt zu Tode. Kassel. Die erste Rolltreppe in der Stadt lockt die Kasseler ins Kaufhaus Neckermann am Ständeplatz. Homberg. Skandal im Finanzamt: Der Kassenleiter hat 36 000 Mark unterschlagen und sich davon ein Häuschen gebaut. Calden. An der Holländischen Straße wird ein Hortfund aus der Jungbronzezeit gemacht.

23.3. Bayern beschließt als letztes Bundesland das Ende der Entnazifizierung.

Vor dem Abflug in die Schweiz: Von links: Max Morlock (1. FC Nürnberg), Hans Schäfer (1. FC Köln), Gala Metzner (KSV Hessen Kassel), Fritz Laband (Hamburger SV), Heinz Kubsch (FK Pirmasens) und Toni Turek (Fortuna Düsseldorf). Foto: nh

Weltmeister Gala Metzner Der Kasseler Fußballer war beim Triumph der deutschen Elf in der Schweiz dabei VON GERD BREHM iebe Sportkameraden! Wir freuen uns, Ihnen mitteilen u können, dass Sie um Kreis der Spieler gehören, die den Deutschen Fußball-Bund bei der Weltmeisterschaft in der Sch ei ertreten sollen. Wir hoffen gerne, dass ir Sie bei guter Gesundheit und ohl orbereitet auf die kommenden Aufgaben am Mitt och, den 9.6.1954 in der Sportschule Karlsruhe-Schöneck er arten dürfen und erbleiben mit sportlichen Grüßen! Deutscher Fußball-Bund, i. A. Paßlack. Das stand in dem Brief, der am 5. Juni in der Kasseler Zentgrafenstraße 118 landete. Empfänger: Karl-Hein Met ner. Kassels bester Fußballspieler, genannt Gala, hatte es also geschafft und ählte u den 22 Glücklichen, die Bundestrainer Sepp Herberger für die WM-Endrunde berufen hatte.

L Der Edersee ist ein beliebtes Ausflugsziel – nicht nur , wenn er voll ist, sondern auch dann, wenn man mal wieder trockenen Fußes die alte Brücke betreten kann. Homberg. Gegen den Widerstand der Bürger wird die städtische Müllabfuhr eingeführt. Treysa. Wilhelm Kalte kommt als letzter Kriegsgefangener nach Treysa zurück. Der Magistrat lässt ihn mit einem Auto aus dem Lager Friedland abholen. Borken. Die Preag plant ein neues Kraftwerk mit 128 000 Kilowatt in Borken. Kosten für die erste Ausbaustufe: 28 Millionen Mark. Die Bergwerk Frielendorf AG liefert Rohbraunkohle.

Gala Metzners Spielerpass für die WM 1954 in der Schweiz. Auch für Met ner kam die Berufung uner artet. Z ar spielte der KSV damals in der Oberliga Süd, ar also erstklassig, aber die Kasseler Akteure standen nicht so im Rampenlicht ie ihre Kollegen aus den Fußball-Hochburgen. Aber Herberger kannte Met ner gut. Er hatte den Kasseler, der damals noch für den

VfL Kassel kickte, bereits als Reichstrainer 1941 u Lehrgängen geholt und erinnerte sich recht eitig or der WMEndrunde in der Sch ei an die Fähigkeiten Met ners.

Der perfekte Joker Jet t ar er berufen orden, eil er als Außenläufer und Halbstürmer ielseitig

er endbar ar. Heute äre Gala Met ner der ideale Joker, doch damals durfte selbst bei sch eren Verlet ungen noch kein Spieler ausge echselt erden. Da sich Herberger allerdings früh eitig auf das magische Viereck mit Horst Eckel (1. FC Kaiserslautern), Karl Mai (SpVgg. Fürth), Ma Morlock (1. FC Nürnberg) und Frit Walter (1. FC Kaiserslautern) festgelegt hatte, blieb für Gala Met ner in der Sch ei nur eine Rolle auf der Reser ebank. Doch anders als Helmut Rahn (Rot-Weiß Essen), der den Kummer über die eit eilige Zurückset ung ins eite Glied bei unge ählten Bierchen ergessen ollte, blieb Met ner stets solide. Und freute sich schließlich am 4. Juli über den 3:2-Triumph im Endspiel gegen die als unbesiegbar geltenden Ungarn genau so sehr ie die Spieler, die auf dem Rasen des Berner Wankdorf-Stadions standen.

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17.6. Erstmals wird in der Bundesrepublik Deutschland der „Tag der deutschen Einheit“ als gesetzlicher Feiertag begangen. 4.7. Mit einem 3:2 Sieg über Ungarn wird die bundesdeutsche Elf in Bern überraschend Fußballweltmeister.

Theodor Heuss.

Foto: dpa

17.7. Theodor Heuss wird in West-Berlin als Bundespräsident wiedergewählt. 23.7. Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Otto John (1909-1997), gibt in einer Rundfunkansprache aus Ost-Berlin seinen Wechsel in die DDR bekannt. 29.9. Als erste deutsche TV-Familienserie geht „Unsere Nachbarn heute abend: Familie Schölermann“ auf Sendung. 13.12. Der Rechtsausschuss des Bundestages lehnt es ab, unverheirateten Frauen die Anrede „Frau“ für den Umgang mit Behörden zuzugestehen. Damit bleibt die Bezeichnung „Fräulein“ im amtlichen Sprachgebrauch gültig.

Lauritzen macht Karriere KASSEL. Am 6. Juli 1954 ird der gebürtige Kieler Laurit Laurit en Oberbürgermeister in Kassel. Das Nordlicht bleibt bis 1963 in der Fuldastadt. Danach macht der Soialdemokrat eiter KarrieLauritz re. Er ird JusLauritzen ti minister in Wiesbaden und echselt später als Bau- und Verkehrsminister in die Bundespolitik. In seine Kasseler Amts eit fallen unter anderem die Bundesgartenschau 1955 so ie die beiden ersten documenta-Ausstellungen. (tos)

14.6. Konstituierung des Kuratoriums „Unteilbares Deutschland, Volksbewegung für die Wiedervereinigung“ aus 128 führenden Vertretern aller Gebiete des öffentlichen Lebens.

30.12. Premiere des Film „Canaris“. O. E. Hasse spielt den ehemaligen Chef der deutschen Abwehr, Wilhelm Canaris.

... und die Welt 7.5. Die letzte Bastion Frankreichs in Indochina (Dien-BienPhu) fällt. Am 21. Juli endet die französische Kolonialherrschaft in Indochina.

Immer auf der Flucht vor stürmischen Fans Hildegard Knef kam zur Uraufführung des Films „Gefährlicher Urlaub“ für ein paar Stunden nach Kassel KASSEL. Während die Fans im Kaskade-Kino sehnsüchtig auf die Autogrammstunde des Filmstars arteten, plauderte Hildegard Knef im Hotel Hessenland mit der Presse über ihren neuen Agentenfilm „Ge-

fährlicher Urlaub“ on Carol Reed, u dessen Uraufführung sie für ein paar Stunden nach Kassel gekommen ar. Im Bildte t heißt es: „Ist die Luft auch rein?“ Hildegard Knef benut t am liebsten Sei-

tenpforten, denn Garderobe und Make-up könnten leiden, enn die Verehrer all u stürmisch erden. (...) Am glücklichsten aren die jungen Leute, die sich am Seitentor des Hessenland aufge-

baut hatten. Sie konnten enigstens einen raschen Blick in den eilig da onrauschenden Wagen erfen und ein Lächeln on Hildegard Knef mit nach Hause nehmen.“ (hpo) Foto: Lengemann

1.11. Kriegsausbruch im französischen Überseegebiet Algerien. Der Krieg endet erst 1962 mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Algeriens endet. 10.5. Bill Haley and the Comets nehmen in den USA das Lied „Rock Around The Clock“ auf, mit dem die neue Musikrichtung „Rock’n’ Roll“ begründet wird.

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Mitt och, 18. Mär 2

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KS-BRD

Das Jahr 1955 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Wolfhagen. Die geplante Einrichtung einer Meisterschule für Friseure in Wolfhagen scheitert, weil man starke wirtschaftliche Einbußen für die bestehenden Friseurbetriebe befürchtet.

25.1. Die Sowjetunion erklärt den Kriegszustand mit Deutschland für beendet. 23.2. Premiere des Films „Des Teufels General“ nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Carl Zuckmayer.

Kassel. Das Schlosshotel und das Hotel Hessenland werden vollendet, die Empfangshalle des Hauptbahnhofs mit dem Bali als Non-Stop-Kino und das Auebad ebenfalls. Fertiggestellt und freigegeben wird auch der Flugplatz Waldau – angeblich mit Anschluss an den internationalen Luftverkehr. Korbach. Am Berndorfer Tor wird der erste Selbstbedienungsladen eröffnet Ziegenhain. „Aus dem Nichts“ heraus errichtet der 50-jährige Fabrikant Erich Rohde am Südbahnhof eine neue Schuhfabrik. Die alte hatte er in Guben (Niederlausitz) verloren. Karlshafen. Auf ehemaligem Salinengelände entsteht eine Weberei mit 96 Webautomaten und 130 Mitarbeitern.

Herleshausen: Die ersten 600 Spätheimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft treffen über Herleshausen im Lager Friedland ein. Noch immer gelten 1,5 Millionen Soldaten als vermisst. Deshalb stehen viele verzweifelte Frauen auf dem Bahnsteig und halten Schilder mit den Namen ihrer Männer und Söhne hoch. Foto: dpa

1.3. Nachdem die Bundesrepublik die Lufthoheit erhalten hat, nimmt die Deutsche Lufthansa den Luftverkehr auf. 27.3. Die erste Jugendweihe findet in Ost-Berlin statt.

Schriftzug vor dem Ausstellungsgebäude: Das Fridericianum am Kasseler Friedrichsplatz mit dem Hinweis auf die documenta. Schon damals schrieb sich die Ausstellung mit kleinem d. Foto: documanta Archiv/ nh

Kunst in der Ruine

9.5. Beitritt der Bundesrepublik zur Nato.

Parallel zur Bundesgartenschau schlug die Geburtsstunde der documenta KASSEL. Lücken schließen ollte der Kasseler Künstler und Hochschullehrer Arnold Bode (19 -1977) mit der Kunstausstellung documenta. Die Lücken, die durch ölf Jahre Na i-Herrschaft in der Kunst ahrnehmung in Deutschland entstanden aren. In der Einladungskarte ur Eröffnung hieß es, es sei für die Kunst an der Zeit, „die Wege und Punkte des Erreichten auch in Deutschland einmal sinnfällig u markieren“. Als Begleitausstellung ur Bundesgartenschau öffnete die erste documenta im Fridericianum am 15. Juli 1955. Sie eigte um einen die international bedeutenden Werke der klassischen Moderne seit Anfang des 2 . Jahrhunderts und bot um anderen einen Überblick über den aktuellen Stand der europäischen Kunst. Arnold Bode und seine Mitstreiter erhielten 2 Mark Fördergeld on Stadt, Land und Bund, um das Projekt stemmen u können.

Mädchen vor dem Spiegel (1932): Arnold Bode (links) und Bundespräsident Theodor Heuss vor Pablo Picassos Gemälde. Foto: dpa Als Standort ählte man das Fridericianum, jenes erste öffentlich ugängliche Museumsgebäude des europäischen Festlandes. Nach der Kriegs erstörung ar der Ba-

rockbau nur äußerlich pro isorisch hergestellt orden, innen aber noch ein Rohbau. Ziegelsteine als Hintergrund für die Bilder boten ebenso rei olle Kontraste ie trans-

parente Vorhänge, die Bode anbringen ließ. Wie ichtig die Ausstellungsarchitektur für die Wirkung einer Kunstschau ist, hat Bode mit seiner isionären Bilder- und Skulpturen-Dramaturgie ge eigt. Präsentiert urden unter anderem Arbeiten on Henr Moore, Wilhelm Lehmbruck, Picasso, Kandinsk , Giorgio de Chirico, Oskar Schlemmer, Paula Modersohn-Becker und Ma Ernst. Ausgestellt aren 67 Werke on 148 Künstlern. 13 Besucher ließen sich om Kunsterlebnis anlocken. Schon damals eränderte die Kunstschau (und da u natürlich die Bundesgartenschau) die Stadt. Die Flaneure auf den Straßen aren internationaler, das Treiben lebendiger als sonst. Das Café Paulus auf der Treppenstraße reagierte auf die eränderte Stimmung mit einer Maßnahme, die damals fast so re olutionär und unerhört irkte ie manches Kunst erk: Man stellte draußen Stühle auf. (fra)

Karl Schmidt absolviert erstes Länderspiel WABERN. Als Karl Schmidt am 25. September 1955 beim 1:3 in Belgrad gegen Jugoslaien sein erstes Länderspiel absol ierte, hatte er sich ar schon dem 1. FC Kaiserslautern angeschlossen, aber u Beginn der Fünf igerjahre hatte der Waberner als Akteur des KSV Hessen auf sich aufmerksam gemacht. Schmidt, der in Belgrad linker Verteidiger spielte, Karl ar um 1. FC Schmidt Kaiserslautern ge echselt, eil er in Main ein Jura-Studium begonnen hatte. 1958 ollte Sepp Herberger den Nordhessen mit ur WM nach Sch eden nehmen, aber Schmidt, der insgesamt neun Länderspiele absol ierte, lehnte ab, eil er mitten in seinem juristischen Staatse amen stand. Von 1992 bis 2 1 ar Karl Schmidt Schat meister des Deutschen Fußball-Bundes. Von 2 1 bis 2 7 fungierte er als DFB-Vi epräsident. (geb) Mehr auf

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5.5. Die Pariser Verträge treten in Kraft. Abgesehen von einigen alliierten Sonderrechten (Truppenstationierung, Berlin-Status) erlischt das Besatzungsstatut. Die Bundesrepublik wird bedingt souverän.

6.6. Die „Dienststelle Blank“ wird umgewandelt in das Bundesministerium der Verteidigung. Theodor Blank wird Verteidigungsminister. 8.-14.9. Bundeskanzler Konrad Adenauer reist mit einer Regierungsdelegation nach Moskau. Ministerpräsident Nikolai A. Bulganin und Adenauer unterzeichnen eine Vereinbarung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Rückführung der letzten deutschen Kriegsgefangenen. 22.9. Adenauer verkündet vor dem Bundestag die so genannte Hallstein-Doktrin, nach der die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen mit Staaten unterhalten könne, die die DDR anerkennen (mit Ausnahme der Sowjetunion).

Ernennungsurkunden: Die Bun deswehr wird gegründet.Foto: dpa 12.11. Die ersten 101 Freiwilligen der Bundeswehr erhalten von Verteidigungsminister Theodor Blank ihre Ernennungsurkunde. Damit ist die Gründung der Bundeswehr vollzogen. 23.12. Uraufführung des österreichischen Spielfilms „Sissi“ in München mit Romy Schneider (Foto) und Karlheinz Böhm in den Hauptrollen. Romy Schneider starb 1982. In bundesdeutschen Wohnstuben hält die Kultur der Nierentische, Schalensessel und Tulpenlampen Einzug.

... und die Welt

2,8 Millionen Besucher erleben die Bundesgartenschau Zur Eröffnung der Bundesgartenschau bekamen die Kasseler Kinder schulfrei. Bundespräsident Theodor Heuss gab am 29. April 1955 das Startsignal für eine Ausstellung, die zu einem großen Publikumsmagneten werden sollte. 2,8 Millio-

nen Besucher wurden gezählt. Zu den Attraktionen gehörte ein Sessellift, mit dem man von der Schönen Aussicht bis in die Karlsaue schweben konnte. Zentraler Anlaufpunkt war die Orangerie. Die Ausstellungshalle, die auf dem Foto zu se-

hen ist, wurde in die Ruine des im Krieg stark beschädigten Gebäudes integriert. Für die immer noch von den Bomben des Zweiten Weltkriegs gezeichnete Stadt war die perfekt inszenierte Schau eine enorme Anstrengung, doch sie hat auch

einen großen Schub für den Wiederaufbau gebracht. Mit dem Blumenmeer und den bunten Farben brachte die Bundesgartenschau ein Stück Lebensfreude in die Nachkriegszeit zurück. (tos) Foto: HNA- Archiv

5.4. Der britische Premierminister Winston Churchill gibt seinen Rücktritt bekannt. Sein Nachfolger wird der bisherige Außenminister Anthony Eden. 14.5. Regierungsvertreter der DDR, Albaniens, Bulgariens, Polens, Rumäniens, Ungarns, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion unterzeichnen in Warschau den „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“. Der Warschauer Pakt ist als Gegengewicht zur Nato gedacht.

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60 Jahre Bundesrepublik

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BRD

Das Jahr 1956 in unserer Region Chronik Deutschland

Chronik Nordhessen

2.1. Einberufung der ersten Bundeswehr-Soldaten: In Andernach, Wilhelmshaven und Nörvenich ziehen die ersten Freiwilligen in die Kasernen ein.

Ziegenhain. Die Meteorologen verzeichnen den härtesten Wintereinbruch seit 1928/1929. Bereits am 18. Februar sind die Brennstoffvorräte aufgebraucht.

16.2. Übertritt der Bundesminister des „Gesamtdeutschen Blocks/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (GB/ BHE) zur CDU.

Kassel. Die letzten Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft werden vom Magistrat der Stadt empfangen. Kassel. Ein „Großflugtag“ lockt tausende auf den Flugplatz Waldau.

23.2. Die FDP-Bundestagsmitglieder beschließen unter der Führung von Thomas Dehler die Aufkündigung der Koalition mit der CDU/CSU und gehen damit in die Opposition. 16 Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion, darunter die vier Minister, spalten sich von der Partei ab, bilden die „Freie Volkspartei“ und bleiben in der Koalition.

Melsungen. Die Bartenwetzerbrücke, Wahrzeichen der Stadt, wird zum Heimatfest wieder freigegeben. Im Krieg waren zwei Bögen der Brücke gesprengt worden. Bis zum Wiederaufbau behalf man sich mit einer Holzkonstruktion. Kassel. Sara Nussbaum (1868 1956), im Dritten Reich von den Nazis schwer verfolgte Kasseler Bürgerin jüdischen Glaubens, wird die erste Ehrenbürgerin der Stadt. Im KZ Theresienstadt hatte sie als Krankenschwester zahlreichen Häftlingen das Leben gerettet.

1.4. Der Bundesnachrichtendienst (BND) nimmt in Pullach bei München offiziell seine Tätigkeit auf.

Filmstars auf der Treppenstraße Filmstadt Kassel: Wieder einmal war Kassel Drehort eines Spielfilms. Viele Schaulustige fanden sich in der Treppenstraße von Klose-Moden ein, um hautnah mitzuerleben, wie Curd Jürgens und seine damalige Ehefrau Eva Bartok (links am

Tisch) auf der Terrasse des Café Paulus eine Szene des Films „Ohne Dich wird es Nacht“ drehten. Der „normannische Kleiderschrank“ spielt einen Rechtsanwalt, der allerdings nur brilliert, wenn er Morphium genommen hat. Erst Gina

24.6. Borussia Dortmund wird nach einem 4:2-Sieg über den Karlsruher SC in West-Berlin Deutscher Fußballmeister.

(Eva Bartok) kann ihn zu einer Entziehungskur überreden. Als er dann doch rückfällig wird, will sie sogar selbst Rauschgift nehmen, um sein Schicksal zu teilen. Regie in dem Melodram führte der Star persönlich: Curd Jürgens. (hpo)

7.7. Der Bundestag verabschiedet das Wehrpflichtgesetz. Damit wird die künftige Bundeswehr eine Wehrpflichtarmee. Im September wird die Dauer des Wehrdienstes auf zwölf Monate festgelegt. Außerdem wird ein ziviler Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer geschaffen.

Korbach. Mit Start des Sommerfahrplans erhält Korbach fünf Eilzugverbindungen. Kassel. Die junge Bundeswehr tritt zum ersten Mal in Kassel an die Öffentlichkeit. 20 000 Bürger erleben vor dem ehemaligen Generalkommando den Großen Zapfenstreich.

50 kleine Italiener Die ersten Gastarbeiter kamen als Erntehelfer nach Homberg, Melsungen und Fritzlar VON THOMAS SCHATTNER

Baunatal. Mit viel Eigenleistung der Bürger entsteht die Kulturhalle Großenritte. Willingen. Der Oberstdorfer Skispringer Max Bolkart wird am Mühlenkopf mit Weiten von zwei Mal 88,5 Metern Deutscher Meister. Wolfhagen. Der 1946 wieder aufgenommene Braunkohlebergbau am Hundsberg bei Oelshausen wird eingestellt. Zuletzt arbeiteten dort noch etwa 65 Kumpel.

egen 22.2 Uhr kamen sie freitags planmäßig mit dem D-Zug aus Frankfurt in Wabern an: die ersten 5 italienischen Gastarbeiter im Landkreis. Die Süditaliener aren in der Regel ischen 2 und 3 Jahre alt als sie sich entschlossen, eitab ihrer Heimat Geld beim Ernte-Einsat u erdienen. Vertreter der Kreisbauernschaft und des Arbeitsamtes begrüßten die Neuankömmlinge am Waberner Bahnhof, be or diese anschließend mit Kraftfahr eugen u ihren neuen Arbeitsstätten gebracht urden. 34 urden im Kreis-

G

Eisschollen stapeln sich auf der Werra

Mit Musik: Die Bundeswehr zieht in Fritzlar ein. Repro: HNA

Fritzlar wieder Militärstandort FRITZLAR. Mit einem offi iellen Einmarsch am 14. De ember urden in Frit lar 1956 das Pan er-Aufklärungs-Bataillon 5 und das Grenadier-Bataillon 22 begrüßt. Nach dem Krieg aren bis 1951 amerikanische und anschließend franösische Truppen in Frit lar stationiert ge esen. Die Bundes ehrsoldaten sollten Hüter und Beschüt er der Freiheit sein, sagte der Standortälteste Oberstleutnant Fren el. Mehr auf

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Das Jahr 1956 war von extremem Wetter geprägt: Bevor die Werra im März und erneut Mitte Juli über die Ufer trat und im Frühsommer die Kirschen wegen des vielen Regens an den Bäumen verfaulten, ließ sibirische Kälte bis unter minus 20°C den Fluss Anfang Februar zufrieren. Treibeis staute sich nicht nur vor Brücken zu riesigen Schollenstapeln (das Foto entstand bei Kleinvach nahe Bad Sooden-Allendorf), sondern rutschten auch über die Ufer. Aus technischen Gründen war es nicht möglich, das Eis zu sprengen, sodass der Natur freier Lauf gelassen werden musste – mit fatalen Folgen: In Blickershausen schloss aufgestautes Wasser die Gastwirtschaft Elend ein. Riesige Eisschollen zerbrachen den Zaun, zertrümmerten die Laube, stießen gegen das Haus und rissen eine Ecke der Scheune mit. (sff) Foto aus: „Die Werra“ von Manfred Lückert

teil Homberg untergebracht, je eils acht kamen nach Melsungen und in den alten Kreis Frit lar. Von einer Ausnahme abgesehen, ent ickelte sich ein um Teil her liches Verhältnis ischen den Gastarbeitern und ihren Arbeitgebern – trot eines anstrengenden Zehn-Stunden-Arbeitstags.

Vorurteile widerlegt Z ar aren die nordhessischen Bauern unächst furchtbar erschrocken, als sie die aus ihrer Perspekti e kleinüchsigen Italiener um ersten Mal sahen. Schnell erflog jedoch dieser Eindruck, denn die Männer aus dem Süden

„ erstanden es ortrefflich, überall an upacken“. Wit e über die Gastarbeiter urden nun kaum noch gemacht. Für die Italiener aren in der Bundesrepublik die Verdienstmöglichkeiten esentlich höher als in ihrer Heimat um Neapel herum, o die meisten on ihnen Familien u ernähren hatten. Fast alle behielten nur enig Geld für den eigenen Lebensunterhalt und schickten den Rest des Verdienstes nach Hause. Das iederum imponierte so manchem nordhessischen Bauern. Als am 26. No ember die Rückreise der Italiener anstand, hatten sich schon fünf on ihnen um Bleiben ent-

schlossen, um hier „einem geregelten Broter erb nach ugehen“. Der Rest der Gastarbeiter kam gutgelaunt nach Wabern. Auf dem Bahnhof „ ar ein buntes Ge irr ausländischer Laute, aufgeregten Rufens und freudiger Versprechen, im nächsten Jahr ieder nach Deutschland u kommen, um über die Sommermonate in der Land irtschaft aus uhelfen“, schrieb das Kreisblatt.

Einer war bald wieder da Vier ehn Tage nach Abfahrt kam ein Italiener „mit Sack und Pack“ urück nach Wabern. „Ihm gefiel es hier doch besser“, schrieb die Zeitung.

Paraderolle: Heinz Rühmann als Hauptmann von Köpenick. Foto: dpa

16.8. Premiere des Films „Der Hauptmann von Köpenick“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von Carl Zuckmayer; die Titelrolle spielt Heinz Rühmann. 17.8. Das Bundesverfassungsgericht erklärt die KPD für verfassungswidrig und verfügt ihre Auflösung. Noch am selben Tag werden die Parteibüros geschlossen. 1.10. Das „Deutsche Fernsehen“ beginnt mit der täglichen Ausstrahlung der „Tagesschau“. Die IG Metall erreicht die 45Stunden-Woche mit vollem Lohn- und Gehaltsausgleich. 11.10. Der Bundestag beschließt die Einführung einer zentralen Verkehrssünderkartei mit Sitz in Flensburg.

... und die Welt 25.2. Auf dem XX. KP-Parteitag enthüllt Parteichef Nikita Chruschtschow die vom ehemaligen Staatschef Josef W. Stalin begangenen Verbrechen. 28.6. Ein Arbeiteraufstand in der polnischen Stadt Posen wird durch Armee-Einheiten niedergeschlagen. 29.10. Israelische Streitkräfte greifen Ägypten an und besetzen innerhalb kürzester Zeit die Sinai-Halbinsel. Sie reagieren damit auf die ägyptische Verstaatlichung des Suezkanals. 4.11. Sowjetische Panzereinheiten marschieren in Budapest ein, schlagen den Volksaufstand nieder und beenden so den Versuch Ungarns, demokratische Reformen einzuleiten.

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Freitag, 2 . Mär 2

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Das Jahr 1957 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Die Altmarkt-Kreuzung ist fertig. Auf der modernsten Straßenkreuzung in Europa haben Rechtsabbieger stets freie Fahrt. Kontaktschwellen in den Straßen steuern die Ampeln. Fußgänger kommen durch Tunnel gefahrlos auf die andere Seite oder die Straßenbahninseln.

1.1. Das Saarland wird zehntes Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. 21.1. Der Bundestag verabschiedet das Gesetz über die Rentenreform und führt damit die dynamische Rente ein. 23.3. Das Bundesarbeitsgericht in Kassel stellt fest, dass das Gleichberechtigungsgesetz auch beim Abschluss von Tarifverträgen gilt. Dementsprechend sind tarifliche Bestimmungen nichtig, die für Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Lohn vorsehen als für Männer.

Witzenhausen. Die Innenstadt erstrahlt vor Weihnachten erstmals im Glanz ungezählter Lichterketten. Der Einzelhandel macht es möglich. Da will die Stadt nicht zurückstehen und übernimmt die Beleuchtung des Marktplatzes. Kassel. Wegmann & Co. wird von der Bundesregierung mit der Instandsetzung und Umrüstung von amerikanischen Zugmaschinen sowie dem Bau von Panzerattrappen beauftragt. Baunatal. Am 5. Oktober unterzeichnet Volkswagen den Kaufvertrag für das Werksgelände in Altenbauna; das besiegelt endgültig den Niedergang der Henschel-Flugmotoren-Werke. Mengeringhausen. Vor 1800 Teilnehmerinnen des Internationalen Frauentags warnt Hessens Ministerpräsident Georg August Zinn (Foto) davor, die Bundeswehr mit Atomwaffen auszurüsten. Kassel. Das CVJM-Gebäude an der Wolfsschlucht wird im Rahmen einer internationalen Tagung des Dachverbands YMCA im Juni eingeweiht. 200 Gäste aus 38 Nationen kommen nach Kassel, darunter der – wie die Zeitung schreibt – „37-jährige Neger-Präsident Dr. Charles D. Sherman“ aus Liberia. Hofgeismar. Meisterfotograf Fritz Brill, ein Pionier der Fotoanalyse und das Farbfilms im Mikro- und Makrobereich, erhält den Bundesfilmpreis, das Silberne Filmband. Kassel/Chicago. Oberbürgermeister Lauritz Lauritzen berichtete unserem USA-Korrespondenten in Chicago, dass er wenige Tage zuvor beim Besuch des Grand Canyons den steilen Weg zu Fuß gehen musste. Grund: Er war zu schwer. Die Reitesel dürfen nur Personen bis 90 Kilo tragen. In New Orleans wurde Lauritzen zum Ehrenbürger ernannt.

Günter Beck Weltmeister im Kanu-Slalom AUGSBURG. Zusammen mit den Brüdern Stumpf aus Celle ar der Kasseler Günter Beck für die Weltmeisterschaft im Kanu-Slalom in Augsburg nominiert orden. Im EinerKanadier gelang dem Trio eine große Überraschung, und Beck kehrte Günter als WeltmeisBeck ter nach Kassel urück. Auf Plat ei landete die DDR – damals in den Westdeutschen Medien noch So jet one genannt – or der CSSR. (geb) Mehr auf

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12.4. Im „Göttinger Manifest“ fordern 18 führende deutsche Atomwissenschaftler die Bundesregierung zum Verzicht auf die atomare Bewaffnung der Bundeswehr auf.

Wettkochen: Ehemänner gegen Junggesellen Auf dem Platz zwischen Schöner Aussicht und Frankfurter Straße, wo heute die Kasseler Gerichtsgebäude stehen, lockte im Juni die Ausstellung „ABC der Hausfrau“ die Besucher in Scharen an. Einer der Höhepunkte des Rahmenpro-

gramms war ein Wettkochen zwischen zwei Junggesellen und zwei Ehemännern. ZisselVater Willi Schmidt und Solotänzer Max Jacubowskij vom Staatstheater, der HenschelAngestellte Georg Leszinski sowie Wolfgang Hahl wollten den

Besucherinnen beweisen, dass auch Männer kochen können. Und was kam dabei heraus? „Gut lecken konnte Solotänzer Max Jacubowskij“, textete unsere Zeitung unter dem rechten Foto. Allerdings: „Das von ihm bereitete Hammelragout

nach indischer Art soll nicht nur scharf, sondern auch ziemlich angebrannt gewesen sein. Auf jeden Fall war Max ein netter Verlierer, Zisselvater Willi Schmidt dagegen ein ausgesprochen überlegener Gewinner.“ (hpo) Foto: HN

Das neue Gesicht der Stadt 50er-Jahre-Architektur prägt den Wiederaufbau - Zu den Klassikern gehört die AOK VON THOMAS SIEMON

23.6. Borussia Dortmund wird nach einem Sieg über den Hamburger SV Deutscher Fußballmeister. 15.9. Wahlen zum 3. Deutschen Bundestag. Die CDU/CSU erreicht die absolute Mehrheit.       

 

KASSEL. Es ging Schlag auf Schlag. 1957 bekam der Wiederaufbau in Kassel immer mehr Konturen. T pisch für den Baustil in dieser Zeit ist das AOK-Gebäude am Rand des Friedrichsplat es. Es gilt bis heute als Perle der oftmals u Unrecht geschmähten 5 er-Jahre-Architektur. In dieser Zeit entstand eine gan e Reihe on modernen Ver altungsgebäuden. Die Wintershall-Zentrale (Friedrich-Ebert-Straße) mit ihren 1 88 Fenstern gehört ebenso da u ie das EAM-Hochhaus an der Treppenstraße. Neue Schulen so ie Kindergärten und Kirchen prägten unehmend das Stadtbild.

  



   

    

    

 

      

                    

16.9. Die ersten Einwegflaschen ersetzen die Mehrwegflaschen für Wein und Traubensäfte in der Bundesrepublik.

Die Türme der Martinskirche

Klassiker der 50er-Jahre: Das Verwaltungsgebäude der AOK am Friedrichsplatz kurz nach der Fertigstellung 1957. Foto: HNA-Archiv

Besonders markant sind bis heute die Türme on Kassels größtem Gotteshaus, der im Krieg stark beschädigten Martinskirche. Auf die Stümpfe der beiden Türme urde ein neuer, moderner Aufbau geset t. Nach dem Krieg uchs die Zahl der Katholiken in Kassel durch Flüchtlinge und Vertriebene beträchtlich. Zu den Kir-

chenneubauten aus dieser Zeit gehören die katholischen Gotteshäuser St. Bonifatius (Wesertor), Her Mariä (Harleshausen) und Fatima (Bad Wilhelmshöhe). Sie gelten heute als Vor eigebauten für markante 5 er-Jahre-Architektur. Deutlich sichtbar sind auch die Fortschritte im Wohnungsbau. Das ist auch drin-

gend nötig, denn allein in der Kasseler Altstadt urden im Krieg 8 Wohnungen erstört.

Licht, Luft und Sonne Z ölf Jahre später müssen immer noch ahlreiche Familien mit mehr als drei Personen in einem Zimmer leben. Licht, Luft und Sonne, lautet

das Motto des Wohnungsbaus. Neue Siedlungen entstehen im Auefeld, am Lindenberg, in Bad Wilhelmshöhe und Helleböhn. Der Bedarf ist groß. Am 17. April 1957 melden die Hessischen Nachrichten, dass noch 25 Menschen in Kassel darauf arten, eine Wohnung u bekommen.

Sechs Tote nach Grippewelle Jeder zweite Bewohner im Schwalmkreis infiziert – Schulen wochenlang geschlossen SCHWALMSTADT. Die Schulen im Kreis Ziegenhain blieben geschlossen, Herbstferien urden erlängert: Die Hälfte aller Schulkinder ar an Grippe erkrankt. Während der Epidemie im September und Oktober steckten sich 26 Frauen, Männer und Kinder mit dem Virus an. Sechs Menschen starben an den Folgen. Sechs Wochen ütete die Grippe-Epidemie im Sch almkreis. Von den 55 Be ohnern ar laut Kreisgesundheitsamt die Hälfte krank.

3.5. Der Bundestag verabschiedet ein Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Darin wird die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand in der Ehe eingeführt. Außerdem wird entschieden, dass Männer weiterhin bei Uneinigkeit in Bezug auf die Kindererziehung einen „Stichentscheid“ haben.

Z ei Jugendliche aus Ziegenhain starben an der Krankheit. Vier eitere Todesopfer aren höheren Alters. Besonders stark hatte die Grippe elle die Stadt Neukirchen, Heilbach und Rommershausen er ischt. Hier blieben die Schulen ochenlang geschlossen. Im Gilserberger Hochland aren mehr als die Hälfte aller Schüler erkrankt. Das Kreisgesundheitsamt ordnete daher auch hier die Schulschließung an. Auch für die Ortskranken-

kassen ar die Grippe eine große Belastung. Der Leiter der AOK Ziegenhain sagte, ehn Pro ent aller Pflicht ersicherten seien krank gemeldet. Täglich urden 9 DM Krankengeld mit der Post erschickt, das Zehnfache des sonst üblichen Betrags. Einen derartig hohen Stand hatte die AOK bis dahin noch nie erlebt. Ge öhnlich lag die Zahl der Erkrankten bei 3,3 Pro ent. Die Belastung für die Krankenkassen ar so hoch, dass sie sich Sorgen um ihre Reser-

en machten. Die AOK ar geungen, Bankkredite auf unehmen, um Krankengeld an die Versicherten aus ahlen u können. Die Grippe elle hatte mehrere hessiche Landkreise erfasst. Ende Oktober ebbte die Epidemie ab. Im Sch almkreis aren nur noch et a 55 Be ohner krank. Das ließ die Krankenkassen aufatmen. Die Schulen urden ieder geöffnet, die Krankengeldahlungen sanken auf Normalmaß. (aba)

21.9. Das deutsche Segelschulschiff „Pamir“ sinkt südwestlich der Azoren. Nur sechs der 86 Besatzungsmitglieder können gerettet werden. 1.11. Die 24-jährige Prostituierte Rosemarie Nitribit (Foto), die offensichtlich Kontakte zu hohen Persönlichkeiten aus Industrie, Politik und Wirtschaft hatte, wird erwürgt in ihrer Wohnung in Frankfurt aufgefunden. Ihr Leben und der nicht aufgeklärte Mord entwickeln sich zur meistdiskutierten Affäre der Nachkriegszeit.

... und die Welt 25.3. Vertreter der BeneluxStaaten, Frankreichs, Italiens und der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnen die „Römischen Verträge“ über die Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). 4.10. Die UdSSR starten den ersten künstlichen Erdsatelliten „Sputnik1“ und eröffnen damit die Ära der Raumfahrt. Der technologische Erfolg der Sowjets löst in den USA den SputnikSchock aus.

e-paper für: 6069489 Samstag, 21. Mär 2

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Das Jahr 1958 in unserer Region Chronik Nordhessen Wolfhagen. Die Arbeiten an den ersten Gebäuden für die Pommernkaserne beginnen. Eichenberg. Mit der Ernst-Reuter-Schule entsteht zwischen Eichenberg, Hebenshausen und Berge die erste Mittelpunktschule Deutschlands. Kassel. Der Lokomotivbauer Henschel & Sohn GmbH ist zahlungsunfähig. Fritz Aurel Goergen (Foto) wird Hauptaktionär, Vorstandsvorsitzender und rettet das Unternehmen. Riebelsdorf. Bei einem Wirbelsturm im Schwälmer Land stürzt die Reithalle in Riebelsdorf ein. Menschen und Tiere werden nicht verletzt, aber der Sachschaden beträgt 250 000 DM. Kassel. Nach Fertigstellung der neuen Türme wird die im Krieg stark zerstörte Martinskirche mit einem feierlichen Gottesdienst wieder eingeweiht. Homberg. So bleibt das Bier kalt: Die Homberger Brauerei bekommt eine Anlage zur Eiserzeugung und produziert im heißen Sommer 100 Zentner Eis.

Der Motor VW läuft an Am 23. Juni beginnt die Produktion beim größten Arbeitgeber der Region VON INGRID JÜNEMANN BAUNATAL. Es ist der 23. Juni 1958, als es richtig losgeht im Altenbaunaer Loh äldchen: Volks agen startet dort mit der Aufbereitung on Z linderköpfen, Vergasern, Kraftstoffpumpen und Kupplungen. Der Motor der nordhessischen Wirtschaft läuft an. Bis um Jahresende erden es bereits 855 Mitarbeiter sein im VW-Werk Kassel, so der offiielle Name, das auf dem Gelände der heutigen Stadt Baunatal liegt. Doch deren Geburtsstunde schlägt erst in den 6 er-Jahren. In jenem Sommer 1958 sind die Hallen 4,5 und 6, ehemals Produktionsstätten der Henschel-Flugmotoren erke (HFM), bereits instand geset t. Denn die neuen Herren aus Wolfsburg haben das Areal ein Drei ierteljahr früher für 6,5 Millionen Mark übernommen, am 5. Oktober 1957 urde der Kauf ertrag für eine Million Quadratmeter Fläche or einem Notar in Frankfurt untereichnet.

206 000 Besucher werden bei der 2. Hessischen Landwirtschaftsschau an der Kasseler Damaschkestraße gezählt.

Pokalfinale im Auestadion

Der Held von Augsburg

KASSEL. Am 16. No ember urde das Kasseler Auestadion um Schauplat des Endspiels um den DFB-Pokal ischen dem VfB Stuttgart und Fortuna Düsseldorf. Nach Ende der regulären Spiel eit stand es 3:3. Die Entscheidung für die Sch aben fiel erst sechs Minuten or Ende der Verlängerung. Stuttgarts Mittelstürmer Weise über and den Düsseldorfer Tor art Klose per Kopf. 25 Zuschauer sahen sieben Nationalspieler. Für den VfB Stuttgart spielten Tor art Sa it ki, Schlien , Waldner und Geiger, und für Fortuna Düsseldorf liefen Jusko iak, Steffen und der spätere Bundestrainer Jupp Der all auf. Und eil es so schön ar, fand auch das nächste DFB-Pokalfinale im Kasseler Auestadion statt. Am 27. De ember 1959 ge ann Sch ar -Weiß Essen gegen Borussia Neunkirchen mit 5:2. (geb)

AUGSBURG. Der deutsche Sieg im Leichtathletik-Länderkampf am 2 . und 21. September in Augsburg gegen die So jetunion ar eine große Überraschung. Eine Sensation aber ar es, dass Lud ig Müller die beiden Langstrecken 5 und 1 Meter or seinen hoch fa orisierten Konkurrenten aus der UdSSR geLudwig ann. Müller Und eil Müller mit seinen fantastischen Läufen den Länderkampf für die Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland entschieden hatte, gaben die Journalisten dem Langstreckler aus Wesel in Westfalen einen Beinamen. Seit dem 21. September 1958 heißt der heute 77-Jährige, der im Fuldabrücker Ortsteil Bergshausen ohnt, „Held on Augsburg“. Als Müller um Helden urde, startete er noch für Wesel, aber ein paar Jahre später schloss sich der Langstreckler dem KSV Hessen an. (geb)

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14.3. Im Deutschen Fernsehen wird die erste Sendung der Krimi-Serie „Stahlnetz“ ausgestrahlt, in der tatsächliche Kriminalfälle nachgestellt werden. 19.4. In mehreren bundesdeutschen Großstädten finden Massenkundgebungen der Aktion „Kampf dem Atomtod“ gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit Kernwaffen statt. 18.5. Schalke 04 wird nach einem Sieg über den Hamburger SV mit 3:0 Deutscher Fußballmeister. 1.7. In der Bundesrepublik Deutschland tritt das 1957 verabschiedete Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Kraft. 30.7. Das Bundesverfassungsgericht erklärt die von Hamburg und Bremen geplante Volksbefragung über die atomare Bewaffnung der Bundeswehr für verfassungswidrig. 23.8. In Hamburg läuft das erste Segelschulschiff der Bundesmarine, die „Gorch Fock“, vom Stapel. 1.10. Der amerikanische Rock ’n’ Roll-Sänger Elvis Presley trifft als

Der alte Fuchs „Jupp“ Köcher Dass VW damals nach Altenbauna kommt und nicht ins enige hundert Meter entfernte Kassel, ird dem legendären Landrat Josef „Jupp“ Köcher (19 7-1997) ugeschrieben. Der alte Fuchs hatte die irtschaftliche Bedeutung für den Landkreis Kassel und die gesamte Region als erster erkannt. Otto Schmied (77), heute in Baunatal-Altenritte uhause, ist im Januar 1958 der Mann mit der Stammnummer Null – der erste Mitarbeiter, der speiell für Altenbauna eingestellt ird. Eine neue Zähl eise beginnt: Erstmals steht die „4“ für das neue Werk auf einem Personalpapier. 4 , so lautet Schmieds Nummer e akt. Mit ihm beginnt die Reihe on fast 7 Beschäftigten, die seitdem bei den Autobauern angeheuert haben. Der gelernte Maurer ergän t das Team um Rudolf Leiding, den ersten Werkleiter

Chronik Deutschland

Die Anfänge der Produktion: Aggregateaufbereitung bei Volkswagen in einer der ehemaligen Henschel-Hallen. Archivfoto: VW / nh und späteren Kon ernboss, das Ende 1957 aus Wolfsburg angerückt ist. Die Pioniere säubern die alten HenschelHallen und richten sie her, machen das eitere Gelände urbar. „Das ar alles Waldgebiet“, er ählt Schmied.

Eine Ver altung ird aufgebaut. Fran Kutsche (Kassel), erster Personalchef im hiesigen Werk, muss noch Möbel on der Krankenkasse mausen, damit seine Mitarbeiter loslegen können. Eine rasante Ent icklung nimmt ihren

Lauf. Zu Best eiten hat das Werk, das keine kompletten Autos, sondern Komponenten baut, 2 Mitarbeiter. Heute sind es beim größten Arbeitgeber der Region 13 in Produktion und Vertrieb Originalteile. Empfang in Friedberg (Hessen): Elvis Presley und Fans. Foto: dpa Wehrpflichtiger zu seinem Dienst in der Bundesrepublik ein und wird von vielen hundert Fans jubelnd empfangen. 26.10. Im Anschluss an ein Konzert des Rock ’n’ Roll Sängers Bill Haley kommt es in West- Berlin zu Krawallen.

Start im Juni 1958: VW-Eingangsgebäude (rechts) und Verwaltungstrakt (links). Das Haus hinter dem Torgebäude steht als letzter Bau von Henschel noch heute. Archivfoto: VW / nh

Wikus: Es begann im Pferdestall

10.11. Der sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow (Foto) fordert auf einer Kundgebung in Moskau die Revision des Potsdamer Abkommens und kündigt an, die Sowjetunion werde ihren Teil der Kontrolle über Berlin an die DDR übertragen. Damit löst Chruschtschow die so genannte Berlin-Krise aus. 16.11. Bei den Wahlen zur Volkskammer und zu den Bezirkstagen in der DDR erhalten die Einheitslisten 99,7 Prozent der Stimmen. 1.12. Gründung der Ludwigsburger Zentralstelle zur Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen.

... und die Welt

In einem ehemaligen Pferdestall begann die Erfolgsgeschichte des Spangenberger Sägeband-Herstellers Wikus. Wilhelm Hubert Kullmann gründet die Firma kurz vor seinem 30. Geburtstag unter dem Namen Wiku. Mit seinem Bru-

der Josef sowie einem Arbeiter und einem Lehrmädchen nimmt er schon vier Tage später die Produktion von Sägebändern auf. Sein dritter Bruder Karl hilft mit einer großen Bürgschaft. Erstes Firmenfahrzeug ist ein Fahrrad. Nur weni-

ge Monate später sind bereits sieben Mitarbeiter beschäftigt. Ein VW-Käfer wird angeschafft. Der erste große Auftrag lässt nicht lange auf sich warten. Er kommt von Debras, der Einkaufsgesellschaft für DaimlerBenz do Brasil. (and)

16.6. Der ungarische Reform Politiker Imre Nagy (Foto) wird durch sowjetische Truppen hingerichtet. Sein Tod löst weltweit Empörung aus. 9.10. Papst Pius XII. stirbt in Rom, sein Nachfolger wird Papst Johannes XXIII. (1881-1963).

e-paper für: 6069489 Montag, 23. Mär 2

60 Jahre Bundesrepublik

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Das Jahr 1959 in unserer Region Chronik Nordhessen

134 000 Besucher erlebten die documenta 2

Schwarzenborn. Wie eine dicke Decke liegt Nebel am 14. Januar über dem Knüll. Die Besatzung eines Bundeswehr-Hubschraubers verliert die Orientierung. Beim Absturz sterben acht Soldaten.

Die zweite documenta, die unter der Leitung von Arnold Bode vom 11. Juli bis 11. Oktober 1959 ihre Tore öffnete, lockte 134 000 Besucher nach Kassel. Am beliebtesten war der große Skulpturenpark vor der Orangerie. Im Zentrum der zweiten Kunstschau der Moderne stand aber die

Kassel. Die Tageszeitungen „Hessische Nachrichten“ und „Kasseler Zeitung“ schließen sich zur zur „Hessischen Allgemeinen“ zusammen.

abstrakte Malerei, etwa von Wassily Kandinsky. Einen Skandal gab es wegen der Zurückweisung des Bildobjekts „Bed“ des späteren Pop-Künstlers Robert Rauschenberg. Laken, Bettdecke und Kopfkissen waren auf Holz montiert wie ein an der Wand hängendes Bett. (w.f.)

Frankenberg. Es ist so heiß wie seit Menschengedenken nicht. Die einen sprechen vom Jahrhundertsommer, die Landwirte klagen allerdings über die Dürre. Im gesamten Sommer gibt es nur zwei Regentage. Am 19. Oktober fällt der erste Regen auf die ausgetrocknete Erde.

Am 12. September wurde der Neubau des Kasseler Staatstheaters eingeweiht ür die Ein eihung des neuen Kasseler Staatstheaters am 12. September hatte die hessische Landesregierung eigens die Komposition einer Oper in Auftrag gegeben. Im Beisein on Ministerpräsident Georg August Zinn und Kassels Oberbürgermeister Laurit Laurit en urde das 953 Besucher fassende Opernhaus mit dem Musiktheater erk „Prometheus“ on Rudolf Wagner Régen eröffnet. Intendant Dr Hermann Schaffner hatte selbst die Ins enierung übernommen. Der Erfolg des Stücks ar mäßig. Heute ist es on den Spielplänen ersch unden. Doch die Kasseler Be ölkerung ar stol auf den modern irkenden, on Paul

F

KASSEL. 3 Zuschauer genossen am 18. Oktober im Auestadion eine Doppel eranstaltung. Zunächst ge ann der KSV Hessen seine Partie der 2. Fußball-Liga Süd gegen den SV Waldhof Mannheim mit 2: . Anschließend ging das Halbfinale um die Deutsche Feldhandball-Meisterschaft über die Bühne. Die SV Harleshausen mit dem legendären Spielertrainer Otmar Sutter erlor gegen den TuS Lintfort mit 12:13. Harleshausen spielte mit: Stora - Bürger, Wienke - Führer, Bork (ein Tor), Gibhardt Kaletta (5), Lingelbach (1), Sutter (1), Beisheim (1), Lumm (3). (geb) Mehr auf

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19.3. In einer Presseerklärung erkennt der sowjetische Parteiund Regierungschef Nikita Chruschtschow die Berlin-Rechte der früheren westalliierten Besatzungsmächte an und nimmt das Berlin-Ultimatum von 1958 zurück.

Das Hauptereignis der documenta 2: Der Skulpturenpark vor der Ruine der Orangerie. Foto: nh

Mit Pomp und Prometheus

Harleshausen verpasst knapp das Finale

20.2. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin entscheidet, dass die Streitkräfte der Bundesrepublik mit Atomwaffen der USA ausgerüstet werden dürfen.

28.6. Eintracht Frankfurt wird nach einem 5:3-Sieg über die Offenbacher Kickers Deutscher Fußballmeister.

„Die zerstörte Stadt“: Plastik des russischstämmigen französischen Künstler Ossip Zadkine vor der Orangerie. Foto: Archiv

Wolfhagen. Rege Bautätigkeit führt zur Vollbeschäftigung im Handwerk. Die Großbaustellen in der Kreisstadt : Kasernenanlagen, Gymnasium mit Aula und Turnhalle, Kreisjugendheim und Landwirtschaftsschule.

Tausende harrten im strömenden Regen aus, um Belgiens erst 28-jährigen König Baudouin (Foto) in Kassel zu begrüßen. Der Monarch inspizierte seine in der Stadt stationierten Truppen. Es war der erste Besuch eines gekrönten Hauptes seit 52 Jahren. Damals hatte Kaiser Wilhelm II. Englands König Edward VII. auf Schloss Wilhelmshöhe empfangen.

6.2. Das Bundesverteidigungsministerium bestellt 96 Starfighter F-104 in den USA.

7.4. Premiere des bundesdeutschen Spielfilms Hunde, wollt ihr ewig leben? von Frank Wisbar (1902-1967), der eine Aufarbeitung der Schlacht um Stalingrad 1942/43 zum Inhalt hat.

Rotenburg. Am 13. Juni wird die Gedenkstätte für die Kriegsopfer auf dem Alheimer eingeweiht. Hofgeismar. Umfangreiche Sanierungsarbeiten beginnen an der Sababurg im Reinhardswald. Das Dornröschenschloss wird zu einer Gaststätte mit Hotelbetrieb ausgebaut.

Chronik Deutschland

Großer Bahnhof vor dem neuen Staatstheater: Zur feierlichen Eröffnung reisten zahlreiche Ehrengäste an. Foto: Lengemann

Bode ent orfenen Bau mit der großflächigen Glasfassade und dem repräsentati en Kupfer ordach. Das langjährige Opern-Pro isorium im Blauen Saal der Stadthalle ging damit uende. Mancher trauerte allerdings auch dem alten preußischen Staatstheater nach. Das Schauspielhaus mit seinen 54 Plät en urde am folgenden Tag mit Schillers „Maria Stuart“ einge eiht. Der Anbau des kleinen Hauses ar erst durch die Initiati e Kasseler Bürger möglich ge orden. 714 163 Tombola-Lose u 5 Pfennig aren dafür erkauft orden. Organisiert hatte die Aktion der Wiederaufbau erein, Vorläufer der heutigen Fördergesellschaft des Staatstheaters. ( .f.)

Neue Wege für süße Früchtchen Selbsthilfe: Obstanbauer bilden die Absatzgenossenschaft Witzenhäuser Kirschen WITZENHAUSEN. Schon u Beginn der 5 er-Jahre hatten es die Obstanbauer im Werratal immer sch erer, am Markt gute Preise u er ielen: Import are und fliegende Händler machte den heimischen Kirschenanbauern unehmend Konkurren . Ein elne Ortschaften (Dohrenbach, Roßbach, Unterrieden) schlossen sich u Verkaufsgemeinschaften usammen. Am 1 . Mai 1959 griffen die Obstanbauer ur Selbsthilfe. 59 on ihnen gründeten die Absat genossenschaft Wit enhäuser Kirschen, die die süßen Früchtchen on Unterrieden aus u den Kunden (Großhandel, Märkte, Industrie) in gan Deutschland brachte. Die AGU uchs bis 1984 auf 8 Mitglieder an und konnte in der Nach ende eit noch einmal kräftig auf 16 ule-

Zweiter Bundespräsident: Heinrich Lübke 1.7. In West-Berlin wird Heinrich Lübke (CDU) zum neuen Bundespräsidenten gewählt. 29.7. Das Bundesverfassungsgericht korrigiert das so genannte Gleichberechtigungsgesetz und hebt die Vorrechte des Vaters bei der Erziehung der Kinder auf. 26./27. 8. Als erster US-Präsident besucht Dwight D. Eisenhower die Bundesrepublik. Dabei bekräftigt er die Garantie der westlichen Verbündeten zum Schutz West-Berlins. 12.9. Im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück wird eine Mahn- und Gedenkstätte eröffnet. 13.-15.11. Auf dem Parteitag der SPD wird das Godesberger Programm verabschiedet. Mit ihrem fünften Parteiprogramm vollzieht die SPD einen programmatischen Wandel zur Volkspartei und distanziert sich vom Marxismus. Wesentliche Inhalte sind das Bekenntnis zur Landesverteidigung, die grundsätzliche Bejahung der freien Marktwirtschaft bei öffentlicher Kontrolle wirtschaftlicher Machtkonzentration, die Einführung einer staatlichen Mindestrente und die Gleichstellung der Frau.

... und die Welt 8.1. General Charles de Gaulle (Foto) wird in Frankreich zum Staatspräsidenten der V. Republik proklamiert.

Archivbild: Kopietz

16.2. In Kuba übernimmt Revolutionsführer Fidel Castro (geb.1926) das Amt des Ministerpräsidenten.

rige Tradition. Zeitungsmeldungen aus dem 19. Jahrhundert berichten on guten und schlechten Ernten. ( ke)

3.9. Der UdSSR gelingt es, den ersten Flugkörper, die Sonde Lunik 2, auf den Mond zu schießen.

Naturschauspiel zu allen Zeiten: die malerische Kirschblüte im Werratal , hier bei Wendershausen. gen. Nicht nur Anbauer aus dem Raum Wit enhausen, sondern auch aus den Nachbarkreisen Hersfeld-Roten-

burg und Kassel set ten auf die gemeinsame Vermarktung. Der Süßkirschenanbau im Werratal hat eine 4 -jäh-

e-paper für: 6069489 Dienstag, 24. Mär 2

60 Jahre Bundesrepublik

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Das Jahr 1960 in unserer Region Chronik Deutschland

Chronik Nordhessen

12.-24.3. Bei seinem USA-Besuch trifft Bundeskanzler Konrad Adenauer am 14. März erstmals auf den israelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion.

Kassel. Am Warteberg wird eine neue Vertriebenensiedlung eingeweiht, die den Namen des Widerstandskämpfers Adam von Trott zu Solz erhält.

16.3. Bundestagsbeschluss zur Privatisierung des Volkswagenwerks in Wolfsburg.

Immenhausen. im Bereich Grebensteiner Straße werden zahlreiche Keramikbruchstücke aus der Jungsteinzeit gefunden. Sie beweisen die Existenz einer bandkeramischen Besiedlung zwischen 5600 und 4800 v. Chr.

30.4. Das US-amerikanische Hilfsprogramm CARE für die nach dem Krieg Not leidende Bevölkerung der Bundesrepublik wird beendet.

Rotenburg. Bundeswehr-Soldaten ziehen in die Alheimerkaserne, im Dezember beginnt die Rekrutenausbildung in der Garnisonstadt.

3. 5. Der Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer (1905-1998) tritt wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, an Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg beteiligt gewesen zu sein, von seinem Amt zurück.

Kassel. Fabrikant Dr. ing. e. h. August Bode (Foto), Inhaber der Waggonfabrik Wegmann & Co., wird zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Im Dezember desselben Jahres stirbt Bode im Alter von 85 Jahren. Frankenberg. 50 Jahre lang haben die Frankenberger in der Badeanstalt an der Eder Schwimmen gelernt. Im Juni 1960 ist es damit vorbei: Das Gesundheitsamt verbietet es, weil die Eder zu schmutzig ist. Kassel. Mit knapp 216 000 Einwohnern ist die Stadt fast wieder so groß wie vor dem Krieg. Zur Höchstzahl aus dem Jahr 1939 fehlen nur 10 000. Wolfhagen. Richtfest des Krankenhauses und Schwesternwohnheims am Kleinen Ofenberg.

23.5. Der israelische Ministerpräsident David Ben Gurion gibt bekannt, dass Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann in Argentinien gefasst haben.

Soldaten ziehen in Wolfhager Kaserne ein Ein Befehl der 2. Panzergrenadierdivision schaffte am 24. Februar 1960 die Grundlage für die Gründung der Bundeswehrgarnison Wolfhagen. Dieser Befehl ordnete die Verlegung der Panzerjägerkompanie 50 von Marburg und des

Panzerbataillons 54 (später 64) von Wetzlar in die neu eingerichtete Kaserne nach Wolfhagen an. Der gemeinsame Weg des Panzerbataillons 64 und der Stadt Wolfhagen begann. Unser Foto entstand beim Appell am 5. April. Generalmajor

Herrmann übergab die Kaserne im Gasterfelder Holz ihrer Bestimmung. Am Abend erlebten tausende den Großen Zapfenstreich auf dem Sportplatz an der Liemecke. Mitte Juni wurde Richtfest für 18 Häuser mit 74 Wohnungen gefeiert. Erst 1963

Der Drache dampfte schon 1848 Die Henschel-Werke werden

KASSEL. Im Jahr 1959 ar das Kasseler Brüder-Grimm-Museum gegründet orden. Im Januar 196 ar es dann so eit: In Gebäude der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel urde das Museum mit E ponaten u Leben und Werk der Märchensammler und Sprachforscher Jacob und Wilhelm Grimm eröffnet. Ein Erfolg der Bemühungen der Brüder-Grimm-Gesellschaft und ihres Präsidenten, des Bärenreiter-Verlegers Karl Vötterle. Das Museum, das sich in gemeinsamer Trägerschaft on Brüder-Grimm-Gesellschaft und Stadt Kassel befindet, og dann im Jahr 1972 um ins Palais Belle ue, o es sich bis heute befindet. In Zukunft soll auf dem Kasseler Weinberg ein neues Grimm-Museum entstehen, das eine Märchenelt einschließt. ( .f.)

KASSEL. Im Jahr 196 besteht ein Unternehmen, das u Kassel gehört ie der Herkules oder die Fulda, seit 15 Jahren: Henschel. 181 ar es, als der Glockengießer Georg Christian Carl Henschel und sein Sohn Johann Werner, ein Bildhauer, eine kleine Gießerei gründen. Sieben Jahre später steigt Carl Anton, der Ober-Berginspektor ist, in die Firma ein. Damit ist der Weg u einer der größten und ichtigsten Maschinenbaufirmen dieser Zeit frei. Carl Anton Henschel ist ein genialer Erfinder und ent ickelt neuartige Dampfkessel und Turbinen. Sein Sohn Georg Ale ander Carl Henschel startet 184 schließlich den Lokomoti bau. Die Nummer 1, der „Drache“, erließ 1848 die Fabrik.

Alles für die Arbeiter Die e pandierende Firma achtet darauf, dass es den Arbeitern gut geht. Henschel ahlt Spit enlöhne, hat eine

Fabrikkrankenkasse, unterhält die Walderholungsstätte Kragenhof, ermöglicht eine beitragsfreie Unfall ersicherung, richtet eine In alidenWit en- und Waisenkasse ein. Es gibt eine HenschelSchule für Kleinkinder, der Chor hat einen eigenen Übungsraum, und man kann sich in einer Henschel-Badeanstalt aschen. Ein Wannenbad kostet 15 Pfennig – halb so iel ie in den städtischen Bädern. Und Henschel baut für seine Arbeiter in Kassel Wohnungen, die sie sich auch leisten können. Mit dem Ersten Weltkrieg ird Henschel ur Rüstungsschmiede. Man baut das Werk

Drache hieß die erste Lokomotive von Henschel. Sie wurde an die Hessische Friedrich-Wilhelms-Nordbahn ausgeliefert. Mittelfeld für den Geschüt bau. Die Rüstungsproduktion läuft auf Hochtouren. Parallel ur Rüstungsprodution läuft der Lokbau. Henschel liefert der Reichsregierung 798 Feldbahn-Lokomoti en. 1917 erlässt die erste so genannte Kriegs-Einheitslok das Werk. Die Baureihe umfasst insgesamt 433 E emplare. Nach dem Ende des Krieges muss Henschel die Rüstungsmaschinen auf Druck der Siegermächte erschrotten. Man in estiert in den Lokbau, errichtet ein eigenes Dampfkraft erk und eine Gießerei.

Unwetter tobt über Homberg Bäume entwurzelt – Viele Dächer beschädigt – Stromzufuhr unterbrochen

Domizil für Grimms: Die Murhardsche Bibliothek. Foto: Koch Mehr auf

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HOMBERG. Menschen flüchten in Kellerge ölbe, ein Wirbel ind beschädigt ahlreiche Dächer, der Regen schießt in Strömen die Straßen entlang, mannsstarke Äste on jahrhundertealten Bäumen erden abgerissen: Über dem Homberger Land ütet am 3 . Juli ein unge öhnlich sch eres Un etter. Frei illige Feuer ehr, Technisches Hilfs erk und iele Helfer aus der Be ölkerung gingen un er üglich an die Arbeit, um als erstes die Durchgangsstraßen ieder

25.6. Durch einen 3:2-Sieg über den 1. FC Köln wird der Hamburger Sportverein Deutscher Fußballmeister. 9.8. Das Jugendarbeitsschutzgesetz tritt in der Bundesrepublik in Kraft. Das Mindestalter für eine Beschäftigung wird auf 14 Jahre festgelegt, Akkord- und Fließbandarbeit für Jugendliche werden verboten.

150 Jahre alt – Der Lokomotivbau läuft wieder

VON FRANK THONICKE

Ein Museum für die Brüder Grimm

wurde der Standort Pommernkaserne genannt. Die größte Einheit war das Panzergrenadierbataillon 62. In Spitzenzeiten waren über 1500 Soldaten in der Kaserne, die im Juni 2008 von der Bundeswehr verlassen wurde. (awe) Foto: nh

21.6. Der Deutsche Armin Hary (geb. 1937) läuft bei einem Leichtathletiksportfest in Zürich als erster Mensch die 100-Meter-Strecke in 10,0 Sekunden.

frei u machen. „Die Alarmsirenen konnten nicht betätigt erden, da die Strom ufuhr durch Kur schluss unterbrochen ar“, heißt es in einem Zeitungsbericht der Hessischen Nachrichten. Der Schaden in der Landirtschaft ar unächst nicht ab uschät en. In den Fluren der Umgebung lag das Getreide am Boden, an den Waldrändern, o der Sturm gute Angriffspunkte hatte, knickten die Bäume ie Streichhöl er um oder urden mitsamt dem Wur elstock ausgerissen. In

Lüt el ig urden Dächer abgedeckt. In der Homberger Klinik und ielen anderen Häusern standen die Keller unter Wasser. Erheblicher Schaden entstand auch am Dach der Homberger Stadtkirche, das erst in der Vor oche reno iert orden ar. Viele Mopeds und Motorräder hatte der Sturm umge orfen und beschädigt. Als Wunder kann es beeichnet erden, dass durch die ahlreichen Blit einschläge kein offenes Feuer entstand. (ula)

1922 erreicht die Beschäftigungs ahl ihren Höchststand – es gibt in Kassel 1 773 Henschelaner. Ab 1925 erden im Werk Mittelfeld Last agen und Busse hergestellt. Die Welt irtschaftskrise trifft Henschel hart. 1931 ird die Arbeit eingestellt, doch kur danach startet man neu. Der Z eite Weltkrieg bringt ieder Rüstungsaufträge – usammen mit Porsche erden sch ere Pan er gebaut. Im Jahr 1942 beschäftigt Henschel 6 Z angsarbeiter.

Ziel der Bomber Natürlich ar die Rüstungsschmiede ein ichtiges Ziel für die Bombenangriffe der Alliierten. Die Werke urden fast ollständig erstört. 1946 bekam man schließlich die Erlaubnis, kleine Industrielokomoti en u bauen und beschädigte Last agen u reparieren. Ab 1948 urden ieder größere Loks gebaut, und 1961 übernahm Henschel die Diesellokfertigung der Maschinenfabrik Esslingen.

Größte Mühle muss schließen WITZENHAUSEN. Im Zuge des so genannten MühlenStilllegungsgeset es musste die Rit -Mühle in Wit enhausen ihren Betrieb einstellen. Sie ar die mit eitem Abstand größte Mühle in Nordhessen und nach den beiden Großmühlen im Frankfurter Mainhafen die drittgrößte Mühle in Hessen. So lagen fast über Nacht 85 Paar Mahl alen mit einer Kapa ität on 25 Zentnern Getreide täglich still. Und 85 Mitarbeiter standen auf der Straße. 1977 urde die Mühle schließlich abgerissen. (sff)

Durchbruch in Hamburg: Drei Beatles (George Harrison, Stuart Sutcliffe und John Lennon). 18.8. In einem Hamburger Nachtclub tritt die Band The Beatles erstmals außerhalb Großbritanniens auf. 12.9. Nach dem Tod von Wilhelm Pieck wird das Amt des Staatspräsidenten abgeschafft und durch ein kollektives Staatsoberhaupt, den Staatsrat der DDR, ersetzt. Erster Vorsitzender wird Walter Ulbricht.

... und die Welt 1.5. Ein US-Spionageflugzeug vom Typ U2 wird über sowjetischem Gebiet abgeschossen. Pilot Gary Powers kann sich mit Schleudersitz retten und gerät in sowjetische Gefangenschaft. 14.10. Während der 15. UNVollversammlung in New York protestiert im Verlauf einer stürmischen Debatte um die Entkolonialisierung der sowjetische Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow gegen die Erwähnung von Moskaus osteuropäischen Satellitenstaaten, indem er mit seinem Schuh auf das Rednerpult hämmert. 8.11. In den USA wird John F. Kennedy (Foto), der 43-jährige Kandidat der Demokraten, zum neuen Präsidenten gewählt.

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Das Jahr 1961 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. 727 Arbeitslose, aber 5000 offene Stellen sind im Bezirk des Arbeitsamts Kassel gemeldet. Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt.

4.1. Der letzte Band des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859), die vor 123 Jahren mit der Arbeit begonnen hatten, wird fertiggestellt.

Hofgeismar. Die Fertigstellung der B 7-Ortsumgehung für Westuffeln und Obermeiser bringt eine Verkehrsberuhigung.

3.4. Die ersten Kriegsdienstverweigerer treten den Zivildienst an. 17.6. In Bayern liefert nach drei Jahren Bauzeit das erste deutsche Atomkraftwerk Strom.

Kassel. Die AEG eröffnet eine neue Produktionshalle in Bettenhausen. Über 1000 Menschen finden dort Arbeit.

24.6. Der 1. FC Nürnberg wird nach einem 3:0-Sieg über Borussia Dortmund Deutscher Fußballmeister.

Korbach. Ein Bundeswehr-Starfighter stürzt aus 12 000 Meter Höhe ab. Die beiden Piloten retten sich mit dem Schleudersitz. Kurz bevor ein Zug in den Bahnhof einfährt, prallen die JetTrümmer am Bahndamm auf.

28.6. Der Bundestag beschließt eine Änderung des Familienrechts. Scheidungen werden ab sofort schwerer. 1.7. Die Banken führen die FünfTage-Woche ein. Samstags bleiben die Schalter geschlossen.

Kassel. In allen Wagen der KVG gilt jetzt absolutes Rauchverbot – nicht wegen der Gefahren für die Gesundheit, sondern wegen der vielen Brandlöcher in der Kleidung der Fahrgäste. Ziegenhain. Der Kreistag beschließt, in Ziegenhain ein Krankenhaus zu bauen. Es ist das größte Bauprojekt in der Geschichte des Schwalmkreises.

Kassel. 24 000 Besucher kommen zur Erfinder- und Neuheitenausstellung in die Stadthalle und bestaunen Nützliches wie das aufblasbare Pannenwarngerät, aber auch manch kuriose Idee wie eine Kombination aus Eierkocher und Brotröster. Kassel. Autos raus: Die Obere Königsstraße zwischen Fünffensterstraße und Königsplatz wird Fußgängerzone.

Parkscheibe in Kassel erfunden

Die Bergshäuser Brücke wird errichtet Im Zuge des Autobahnbaus entschied man sich für den Bau einer Stahlfachwerkbrücke bei Bergshausen. 1959 wurde mit dem 700 Meter langen Bauwerk begonnen. Unser Foto aus dem Jahr 1961 zeigt die fast fertige Brücke, die sich in 55

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Schlosser in luftiger Höhe arbeitete. Bei einem Arbeitsunfall stürzten zwei Arbeiter trotz Sicherung in den Tod. Die Brücke hatte nur einen Fahrstreifen pro Richtung. 1971 wurde ein zweites Brückenbauwerk daneben gesetzt, dann konn-

ten die Autos zweispurig in beide Richtungen fahren. Lärmprobleme gab es anfangs nicht, erinnert sich Erika Semler aus Bergshausen. Die Brücke stand damals außerhalb des Dorfes, und der Verkehr war gering. (hog) Foto: Geschichtsverein Fuldabrück/nh

Flucht im Bremserhaus

Teilung: Der Mauerbau trennt Ost und West für 28 Jahre.

Mauerbau 1961 in Berlin war Signal für die Befestigung der Zonengrenze

5.9. In der DDR beseitigen FDJMitglieder alle nach Westen ausgerichteten Fernsehantennen.

VON WERNER KELLER WITZENHAUSEN. Es ar enige Wochen nach dem 13. August 1961: Im thüringischhessischen Gren gebiet gegenüber den damaligen Kreisen Esch ege und Wit enhausen rückten DDR-Arbeitskommandos an. Unter scharfer Beachung begannen sie damit, Hol beobachtungstürme und Stacheldraht äune in drei Linien u set en. Denn die mittler eile eit fortgeschrittene Abriegelung Ost-Berlins ar das Signal dafür, nun auch an der Gren e u Westdeutschland mit dem Ausbau u beginnen. Bis dahin gab es nur einen ehn Meter breiten Kontrollstreifen und einen einfachen Draht aun: Der Ackerstreifen diente da u, die Spuren on Flüchtlingen u erkennen.

Tote und Verletzte

KASSEL. Eine bahnbrechende Erfindung beginnt 1961 in Kassel ihren Sieges ug durch deutsche Innenstädte: die Parkscheibe. Vater dieses Gedankens ist der damalige Polieipräsident und spätere Bürgermeister Hein Hille. „Mit der Parkkontrollscheibe soll die Verkehrskrankheit des Dauerparkens bekämpft erden“ ermeldet die Hessische Allgemeine. Die Scheibe, eine 14 mal 14 Zentimeter große, drehbare Zeigerscheibe, ird gut sichtbar hinter der Windschut scheibe angebracht und garantiert unächst eine, später sogar ei Stunden kostenloses Parken. (chr)

Meter Höhe über die Fulda spannt; 1962 wurde die Brücke eingeweiht. Die Bauarbeiten waren schwierig. Beim Einbau eines tonnenschweren Stahlträgers senkte sich die Brücke um einen Meter, berichtet Herbert Wehrmann (67), der als

13.8. Bewaffnete Volkspolizisten der DDR riegeln Ost-Berlin gegen West-Berlin ab. Der Mauerbau beginnt.

Das Gelände ischen dem eiten und dritten Zaun urde nun im Raum Neuseesen/ Bornhagen ermint. Die Arbeiten forderten nach den Aufeichnungen der bundesdeutschen Gren behörden Tote und Verlet te. Denn die Bodenminen reagierten auf ge-

17.9. Bei den Bundestagswahlen verlieren CDU/CSU (45,3 Prozent) die absolute Mehrheit.    

   

 

Komplett getrennt: Mit mehreren Zäunen riegelte die DDR die Grenze nach Hessen ab, hier ein Blick über die gesprengte Werrabrücke ins thüringische Dorf Lindewerra. Archivfoto: Stadtarchiv Witzenhausen ringen Berührungsdruck. Kamen bis 1961 noch täglich Flüchtlinge aus der DDR in die Kreise Esch ege und Wit enhausen, urden dies mit dem Ausbau der Gren sperranlagen immer eniger. Allein am Wochenende 16./17. Juli trafen im hessischen Notaufnahmelager Gießen 15 Menschen aus der DDR ein. Die Welt hielt den Atem an, als in der Nacht um 13. August 1961 in Ost-Berlin die Bauarbeiter akti urden. Die Lage ar gespannt, aber ruhig, berichteten die Lokal eitungen aus dem östlichen Hessen.

Der Esch eger Landrat Eitel O. Höhne (SPD) appellierte an die Parteien, den Wahlkampf im Gren kreis u beschränken: „Jet t heißt es usammenstehen.“ Das Wit enhäuser Erntefest, das stets im August gefeiert ird, sollte um Bekenntnis für Deutschland erden. Nach Zeitungsberichten urde bei Linde erra erstmals ein Pan erspäh agen an der Zonengren e gesehen. Und bei Wartha flüchtete eine Reichsbahnerin im Bremserhäuschen eines Zuges in den Westen: Sie og in Herleshausen die Notbremse.

Zoll und Gren schut hatten auf estlicher Seite iel u tun, um um Beispiel Konflikte on Gren besuchern mit den DDR-Organen u erhindern. „Wir schafften es allein nicht, sondern mussten Kollegen on der internationalen Gren e hin u iehen“, erinnerte sich der frühere Leiter des Zollgren kommissariats Witenhausen, Albert Nickel. Bis eit in die 195 er-Jahre hinein aren die Vopos aus dem Eichsfeld noch häufig Gäste bei der Kirmes in hessischen Gren dörfern. Auch diese Episode urde mit dem Mauerbau beendet.

Stolz auf 400 Tiefkühltruhen Im Februar fusionieren die Edeka-Organisationen in Melsungen und Kassel MELSUNGEN/KASSEL. Der Wettbe erb im regionalen Ein elhandel nimmt u, der Rationalisierungsdruck bei den Kaufleuten ächst. Deshalb schließen sich die Genossenschaften Edeka Kassel und Edeka Hessenring Melsungen Mitte Februar 1961 ur Edeka Nordhessen usammen. Die neue Großgenossenschaft hat ihren Sit in Kassel, Ver al-

tung und Lagerhäuser befinden sich jedoch in Melsungen. Das Geschäftsgebiet umfasst seiner eit Stadt und Landkreis Kassel so ie die Kreise Melsungen, Frit larHomberg, Wolfhagen und Hofgeismar. Insgesamt gehören der neuen nordhessischen Edeka 7 Ein elhändler an. Et a die Hälfte ihres Gesamtumsat es on 84,5 Millionen

Markenzeichen im Wandel: Dieses alte Edeka-Logo wurde 1965 durch das heute bekannte blaue E auf gelbem Grund in Blockschrift abgelöst. Repro: nh

Mark machen sie mit Lebensmitteln und anderen Waren, die sie on Melsungen aus über ihren Einkaufs usammenschluss be iehen. Damals noch längst nicht selbst erständlich: Die Edeka Nordhessen ist stol auf insgesamt 4 Tiefkühltruhen, die im Genossenschaftsgebiet für eine geschlossene WarenKühlkette sorgen. (as )

    

  



 



  

      

27.10. Am Berliner Sektorengrenzübergang Checkpoint Charlie stehen sich erstmals amerikanische und sowjetische Panzer gegenüber. 7.11. Konrad Adenauer wird zum vierten Mal zum Bundeskanzler gewählt. 15.12. Der ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann wird in Jerusalem als einer der Organisatoren des Völkermordes an den europäischen Juden zum Tode verurteilt.

... und die Welt 12.4. Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin (Foto) startet als erster Mensch ins Weltall. 17.-20.4. In der kubanischen Schweinebucht scheitert eine vom amerikanischen Geheimdienst CIA geplante Invasion von Exilkubanern. 30.10. Die KPdSU beschließt, den Leichnam des 1953 gestorbenenDiktators Josef Stalin aus dem Mausoleum am Roten Platz in Moskau zu entfernen.

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Das Jahr 1962 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Der Hauptvorstand der Gewerkschaft Gartenbau, Landund Forstwirtschaft (GLF) verlegt seinen Sitz nach Kassel und bezieht das neue Hauptverwaltungsgebäude in der Druseltalstraße.

20.1. Die deutsche Erstaufführung des Dramas Andorra von Max Frisch findet in Düsseldorf, Frankfurt und München statt. 7.2. Bei einer Schlagwetter-Explosion in der Grube Luisenthal bei Völklingen im Saarland kommen 300 Bergleute ums Leben.

Witzenhausen. Ab dem Frühjahr wird am Riesenprojekt Kanalisation für die Stadt gearbeitet. Bis dato waren lediglich 52 Prozent der Wohnhäuser ans Kanalnetz angeschlossen.

17.2. Norddeutschland wird von der schwersten Flutkatastrophe seit 1855 heimgesucht. 330 Menschen sterben.

Kassel. An der Damaschkestraße wird die dritte Brücke über die Fulda innerhalb des Stadtgebiets für den Verkehr freigegeben. Frankenberg. Die Burgwaldkaserne wird eingeweiht. Sie existiert bis heute und beheimatet das Bataillon Elektronische Kampfführung. Arolsen. Fürstin Bathildis zu Waldeck und Pyrmont, die letzte regierend waldeckische Fürstin, stirbt am 6. April im Alter vom 67 Jahren in Arolsen. Eine Ära geht damit zu Ende. Kassel. Das erste Bürgerhaus der Stadt, das Philipp-ScheidemannHaus, wird in der Nordstadt eingeweiht.

Schüler demonstrieren für Pressefreiheit Die „Spiegel-Affäre“ beschäftigt auch Kasseler Gymnasiasten: Einige hundert Schüler beteiligen sich im November an einer Demo in der Königsstraße für den Erhalt der Pressefreiheit. Vorausgegangen war die Verhaftung des Spiegel-He-

rausgebers Rudolf Augstein sowie mehrerer Redakteure unter der Beschuldigung des Landesverrats. In dem Artikel „Bedingt abwehrbereit“ hatte sich Conrad Ahlers kritisch mit Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß und dem

Zustand der Bundeswehr auseinandergesetzt. Spiegel-Büros in Hamburg und Bonn wurden durchsucht und wochenlang besetzt. Auf Veranlassung von Strauß wurde Ahlers im Spanien-Urlaub verhaftet. Bundeskanzler Konrad Adenauer

spricht im Bundestag von einem „Abgrund von Landesverrat“, Strauß hingegen beteuert zunächst, mit der Sache nichts zu tun zu haben. Auf Druck der FDP-Minister im Kabinett verliert Strauß schließlich sein Amt. (hpo) Foto: HNA-Archiv

Kassel. Im Hessenkolleg wird der Unterricht aufgenommen. Waldeck. Binnen weniger Tage fahren zwei Autos in den Edersee und versinken. Sieben Insassen ertrinken – einmal zwei von sechs, dann alle fünf Personen. Kassel. Der KSV Hessen schafft den Aufstieg in die FußballOberliga Süd. Kassel. Die Kreuzung Holländischer Platz ist fertig. 26 Häuser mit 59 Wohnungen sowie 33 Firmen und Geschäfte mussten weichen.

Mäuseplage in Homberg HOMBERG. Mäuse bedrohen Wald und Flur. Die flinken Nager fressen die Felder kahl, unterminierten Raine und Böschungen und laufen sogar Wanderern ungeniert über die Füße. Da u kommen ihre Ver-

Blind und erfolgreich Konrad Gumbel – Eine beispiellose Karriere aus der Arbeiterbewegung VON THOMAS SCHATTNER FALKENBERG. Am 29. De ember 1962 starb der SPD-Politiker Dr. Konrad Gumbel. Seine Karriere beeindruckt und ist für ein armes nordhessisches Dorfkind eher unge öhnlich: Konrad Gumbel aus Falkenberg bei Wabern (Sch almEder-Kreis) urde om Kriegsblinden u einem einflussreichen Landespolitiker in Hessen. Geboren urde er am 2 . Oktober 1886 als Sohn des Wagners Johann Heinrich Gumbel in Falkenberg. Nach dem Besuch der Volksschule durchlief Konrad eine Ausbil-

dung als Former. Als Soldat im Ersten Weltkrieg urde er erlet t und kam erblindet nach Hause.

Bildung war Voraussetzung Konrad Gumbel gab jedoch nicht auf. Stattdessen begann bald schon eine große politische Karriere, die in ge isser Hinsicht für die Arbeiterbe egung t pisch ar, denn Bildung ar Vorausset ung für alles. Grundlage des späteren Aufstiegs bildete der Besuch der Marburger Blindenstudienanstalt und das anschließende Studium der Volks irtschaft in Marburg und Gießen, das Gumbel als Diplom-Volks-

irt und mit Doktore amen abschloss. Später arbeitete Gumbel als Do ent an Volkshochschulen und in Bildungseinrichtungen der So ialdemokratie. 1945 bekam er die Leitung des Gießener Versorgungsamtes übertragen. Dabei kam ihm ugute, dass er sich u or über einen langen Zeitraum politisch betätigt hatte. Vom 7. De ember 1931 bis um 7. Juli 1933 ar Gumbel Landtagsabgeordneter.

Verfassung mit erarbeitet Schon bald nach Kriegsende urde der Mann aus Falkenberg aber erneut politisch ak-

ti . Vom 15. Juli bis um 3 . No ember 1946 ar Dr. Konrad Gumbel in der Verfassungsberatenden Landes ersammlung für Groß-Hessen tätig, und om 1. De ember 1946 bis um 3 . No ember 1954 ertrat er die SPD als Landtagsabgeordneter für ei Wahlperioden. Damit ar der blinde Politiker auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Hessischen Landtag 1954 urde es ruhig um ihn. Gumbel starb 1962 in Gießen. Der Protestant ar erheiratet mit Margaretha Johanna Ida, geborene Sader.

Conny und Peter drehen in der Schwalm

andten, die Rötelmäuse (Foto). Die machen sich an die arte Rinde des Junghol es im Wald. Sie schaffen es, bis u fünf Meter die Stämme hinauf u klettern. Eschen und Buchen, Douglasien und Fichten ertrocknen reihen eise, eil die Pflan en ohne Rinde keine Möglichkeiten haben, das Wasser u transportieren. Allein im Homberger Stadtald sind fünf Hektar geschädigt – eine Fläche fast so groß ie sieben Fußballfelder. Mit Gift für 1 Mark rückt man den Nagern im Staatsforst Homberg auf den Pel . (rbg) Mehr auf

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Gefeierte Stars des deutschen Films drehten im Juni 1962 in Schrecksbach: Cornelia Froboess, Georg Thomalla und Peter Weck kamen zu Außenaufnahmen für eine Verfilmung der Operette „Der Vogelhändler“ ins Schwälmer Dörfchen Schrecksbach. Zwar war das Wetter für die Filmaufnahmen günstig, aber die Geduld des Regisseurs Geza von Chiffra und seiner Kameraleute wurde auf eine harte Probe gestellt: Häufig störten Geräusche aus der großen Zuschauermenge die Aufnahmen, so dass manche Szene bis zu fünfmal wiederholt werden musste. Vor allem Conny Froboess, auf unserem Zeitungsausriss mit ihrem Kollegen Peter Weck zu sehen, wurde während der Drehpausen von jugendlichen Zuschauern um Autogramme bestürmt. (syg)

Sturmflut an der Nordsee: Viele Deiche brechen. Foto: Archiv 22.3. Die DDR-Regierung führt für Bundesbürger den Visumzwang ein. 12.5. Der 1. FC Köln wird mit einem 4:0-Sieg über Titelverteidiger 1. FC Nürnberg Deutscher Fußballmeister. 10.6. Bei der Fußball-WM in Chile scheidet Deutschland im Viertelfinale nach einer 0:1-Niederlage gegen Jugoslawien aus. Weltmeister wird Brasilien. 13.7. Die tägliche Werbezeit im Fernsehen wird auf 20 Minuten begrenzt. 17.8. Bei einem Fluchtversuch über die Berliner Mauer wird der 18-jährige Ost-Berliner Bauarbeiter Peter Fechter von DDRVolkspolizisten angeschossen. Er verblutet qualvoll. 26.10. Beginn der Spiegel-Affäre. Im Auftrag der Bundesanwaltschaft durchsucht die Polizei die Redaktionsräume des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Herausgeber Rudolf Augstein wird wegen Verdachts auf Landesverrat 103 Tage inhaftiert. 14.11. Eröffnung des Ernst-Barlach-Museums in Hamburg. 12.12. Premiere des Films Der Schatz im Silbersee nach dem Roman von Karl May . 14.12. Gründung der deutschen Welthungerhilfe.

... und die Welt 3.7. Mit dem Abkommen von Évian-les-Bains endet nach acht Jahren der Algerienkrieg. Das Land wird von Frankreich unabhängig. 5.8. Die USFilmschauspielerin Marilyn Monroe (Foto) wird in ihrer Wohnung in Los Angeles tot aufgefunden. 22.-28.10. Kuba-Krise: Die USA fordern den Abbau aller sowjetischen Raketen und Abschussrampen auf Kuba. Die USA und die Sowjetunion stehen kurz vor einem Krieg, der erst durch den endgültigen Abbau der Raketen verhindert wird.

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Das Jahr 1963 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Amtsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft nehmen ihre Tätigkeit in den neuen Gerichtsgebäuden an der Frankfurter Straße auf.

20.2. In der Freien Volksbühne in West-Berlin wird Rolf Hochhuths Drama Der Stellvertreter uraufgeführt. Es kritisiert die passive Haltung des Vatikans gegenüber der Judenverfolgung im NS-Deutschland.

Rotenburg. Das Waldschwimmbad wird eingeweiht. Es hat über 1,1 Millionen Mark gekostet.

1.4. Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) nimmt seinen Sendebetrieb auf.

Ziegenhain. Ministerpräsident Georg-August Zinn setzt den ersten Spatenstich für die kreisübergreifende Schwalmregulierung, mit der Überschwemmungen vermieden werden sollen. Es gehört zu den größten Projekten der öffentlichen Hand in Hessen. Kassel. Neuer Oberbürgermeister wird der bisherige Bürgermeister Karl Branner (Foto). Er löst Lauritz Lauritzen ab, der hessischer Justizminister wird. Treysa. Die Besitzer von Fernsehgeräten in Treysa sind verärgert: Das Zweite Programm ist nicht zu empfangen. Abhilfe soll der neue Sender auf dem Rimberg bringen. Kassel. Im Februar liefern die Henschel-Werke der Deutschen Bundesbahn die bisher stärkste und schnellste dieselhydraulische Lokomotive, die V 320 mit 4000 PS Motorleistung. Witzenhausen. Die neuen Gebäude der Deutschen Landmaschinenschule (Deula) werden ihrer Bestimmung übergeben.

Keine Kohle: Eine Woche schulfrei KASSEL. Mit einer Schussfahrt ins Neue Jahr auf dem Schlitten begrüßen iele junge Leute das Jahr 1963, doch die Freude über den Winter soll den Menschen bald ergehen: Die Schneemassen behindern den Verkehr derart, dass es u heftiger Kritik in der Öffentlichkeit kommt und am 4. Januar die Bundes ehr eingeset t erden muss, um beim Schneeräumen in der Innenstadt u helfen.

30.4. Die 963 Meter lange Fehmarnsundbrücke, die die Insel Fehmarn mit dem schleswigholsteinischen Festland verbindet, wird eröffnet. 10.5. In West-Berlin wird Joghurt erstmals im EinwegKunststoffbecher verkauft. 23.-26.6. Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in der Bundesrepublik und in West-Berlin. Seine Rede vor dem Schöneberger

Neckermann zieht an den Kasseler Königsplatz Die letzte Baulücke am Kasseler Königsplatz, dort, wo früher die alte Hauptpost stand, wird vom Deutschen Lloyd mit einem betont modernen Stahlbeton-Zweckbau der Berliner Architekten Schwebes und Schloßberger geschlossen –

nachdem zuvor 12 000 Kubikmeter Trümmerschutt beseitigt worden sind. Durch den eiskalten Winter gestalteten sich die Bauarbeiten besonders schwierig. Um die Termine einhalten zu können, betonierte man auch bei

Frost unter schützenden Zeltplanen weiter. Am 8. Mai ist es so weit: Die Neckermann KG kann eines ihrer schönsten und größten Kaufhäuser eröffnen. Das Kaufhaus zieht vom Ständeplatz ins Herz der Stadt. 10 000 Quadratmeter Ver-

kaufsfläche sind dort entstanden, 700 Menschen finden in den 30 Verkaufsabteilungen sowie der Verwaltung Arbeit. Und im autofreundlichen Kassel wird das Parkdeck mit 184 Plätzen besonders begrüßt. (wet) Foto: privat

Jubel über „Schulecho“ Homberger Schülerzeitung gewinnt bei landesweitem Wettbewerb den ersten Preis VON THOMAS SCHATTNER HOMBERG. Das „Schulecho“ der Homberger August-Vilmar-Schule urde Ende 1962 ur besten Schüler eitung Hessens gekürt. Am 8. Januar 1963 aren der Hessische Rundfunk und die Tages eitung im heutigen Theodor-Heuss-G mnasium u Gast. Stol präsentierten die Mädchen und Jungen ihre Schüler eitung „Schulecho“. Für dieses Blatt hatten sie den mit 3 DM dotierten 1. Preis eines Wettbe erbs des hessischen Er iehungsministeriums erhalten. Be orben hatten sich Schulen mit 5 Zeitungen. Bereits 1959 hatten die Homberger den 2. und 1961 den 3. Preis erhalten.

Schuleiter Dr. Horst Clément über seine neun Redakteure lobend: „Unbeirrt on aller Kritik, brachten die Schülerredakteure das Homberger Schulecho eiter heraus. Ihre fleißige und selbstständige Arbeit fand eine schöne Anerkennung.“ Wie stol der Direktor auf seine mitunter rebellische Redaktion ar, da on eugt auch dieses Zitat: „Unbeirrt on aller Kritik ar unsere Schul eitung eiterhin bemüht, dem eltbeVorbild Das siegreiche „Homberger Schulecho“ rüchtigten (Spiegel) nach uei1963.

fern. Trot dem gelang es orläufig nicht, eine Echo-Affäre u kreieren. Sämtliche Redakteure befinden sich ur eit noch auf freiem Fuß.“ Chefredakteur ar damals der Schüler Rolf Mänken, heute ist er Fachbereichsleiter in diesem G mnasium. Kur e Zeit später aber beklagte Clément bitterlich: „Unser Homberger Schulecho, or einem Jahr im Wettbeerb mit allen hessischen Schul eitungen preisgekrönt, hat sich auf den bereits erelkten Lorbeeren ur Ruhe begeben und ist sanft entschlafen.“ Schmer haft machte sich bemerkbar, dass einige der Redakteure nach dem Abitur die Schule erlassen hatten.

Tödliche Gasvergiftung Doch es soll noch schlimmer kommen. Als Gasrohre brechen, stirbt ein NordstadtBe ohner an Gas ergiftung. Klirrender Frost behindert die Müllabfuhr, stellen eise bricht die Wasser ersorgung usammen. Grund sind nicht geplat te Rohre, sondern leere Speicher. Regen asser konnte nicht durch den gefrorenen Boden dringen. Menschen müssen in der Kälte an Tankagen anstehen. Eher Jubel er eugt dann eine andere Maßnahme der Stadt: Ab dem 22. Januar gibt es schulfrei, denn Kohlen sind knapp ge orden, und die Zechen an der Ruhr eigern sich, Kohle per Lk u schicken. Man set t dort auf die Bahn, aber die ist mit ihren Kapa itäten auch am Ende. Als am 28. Januar 3 Tonnen Kohle eintreffen, erden die Schulen mit Ausnahme der Berufsschulen ieder geöffnet. ( et) Mehr auf

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Letzte Förderschicht fuhr ein In der Grube Christiane bei Adorf wurde am 16. April der Eisenerz-Abbau beendet ADORF. Nach 1,7 Millionen Tonnen gefördertem Eisener ar Schluss: Am 16. April 1963 urde in der Grube Christiane in Diemelsee-Adorf die let te Förderschicht gefahren. Die Grube Christiane ar nach dem Z eiten Weltkrieg die größte Eisener grube in Hessen. Mit dem Ende des Er abbaus nach 25 Jahren in der Grube Christiane ging auch die Geschichte des Bergbaus im Raum Diemelsee insgesamt u Ende. Diese reicht mindestens bis ins 13. Jahrhundert urück. Am 5. Januar 1273 urde die älteste Urkunde über den Adorfer Eisener bergbau ausgestellt. In dieser Urkunde ird das Schürfrecht im Raum Esbeck (Wüstung im Adorfer Raum, südlich des damaligen Schachtes Webbel), Upspringe (das heutige Giershagen, Nachbarort auf estfälischem Boden) und Amesl th (das heutige Arnstein) ischen den Feinden des Klos-

Das Ende: Ein mit einem Kranz geschmückter Hunt – ein Förderwagen im Bergbau – wurde bei der letzten Schicht aus dem Förderkorb des Adorfer Bergwerkes geschoben. Foto: Privat ters Bredelar und den begüterten Adelshäusern geregelt. Seit dem Jahr 1935 bemühten sich die gegenüber anderen Ruhrkon ernen nur über eine ergleichs eise geringe inländische Eisener grundlage erfügende Mannesmann-

röhren-Werke um eine Verstärkung ihrer Er basis. Da heimisches Eisener u dieser Zeit ein begehrter Rohstoff ar, konnten abbau ürdige Vorkommen nur sch er er orben erden. Unter Vermittlung des Amtes für deut-

sche Roh- und Werkstoffe pachtete Mannesmann die Grubenfelder der Ge erkschaft Christiane im Juli 1936 für 25 Jahre und führte den Betrieb unter dem Grubennamen „Christiane“. Bei einer Gesamtbelegschaft on 26 Personen (daon et a 18 Mann unter Tage) urden im Jahr 196 fast 156 Tonnen Er mit einem durchschnittlichen Eisengehalt on 3 ,35 Pro ent gefördert. Hierbei handelt es sich um die höchste Jahresförderung eines Grubenbetriebes im hessischen Eisener bergbau seit 1918, die auch in der Folge eit nicht mehr übertroffen urde. Im Rahmen der Stilllegung des gesamten inländischen Eisener bergbaus on Mannesmann urde im Re ier Martenberg am 16. April 1963 der let te mit einem Kran geschmückte Wagen abge ogen und der Abbau eingestellt. (emr)

„Ich bin ein Berliner“: John F. Kennedy, der fünf Monate später ermordet wird. Foto: ddp Rathaus beendet er auf Deutsch mit den Worten: „Ich bin ein Berliner.“ 29.6. Borussia Dortmund wird mit einem 3:1-Sieg über den 1. FC Köln deutscher Fußballmeister. 15.7. Der SPD-Politiker Egon Bahr formuliert in einer Rede in der Evangelische Akademie Tutzing eine neue Konzeption der deutschen Ostpolitik unter der Devise Wandel durch Annäherung. 15.10. Bundeskanzler Konrad Adenauer tritt zurück, Wirtschaftsminister Ludwig Erhard wird zu seinem Nachfolger gewählt. 1.11. In Lengede (Niedersachsen) werden elf Bergleute zwei Wochen nach dem Grubenunglück lebend geborgen. Das Wunder von Lengede ist die bisher spektakulärste Rettungsaktion in der Geschichte des Bergbaus. 17.12. Unterzeichnung eines Passierscheinabkommens zwischen der DDR und dem Senat, das den Besuch von West-Berlinern in Ost-Berlin über Weihnachten und Silvester regelt. Heinrich Bölls (Foto) Roman Ansichten eines Clowns ist eines der erfolgreichsten Bücher des Jahres.

... und die Welt 8.8. Beim bis dato größten Geldraub in der britischen Geschichte, dem Überfall auf den Postzug Glasgow-London, erbeuten 15 Männer umgerechnet 30 Millionen DM. Die meisten Täter werden schnell gefasst. 22.11. Bei einer Fahrt im offenen Wagen durch Dallas/Texas wird US-Präsident John F. Kennedy erschossen. Der mutmaßliche Täter Lee Harvey Oswald wird kurz darauf festgenommen und zwei Tage später selbst von einem Nachtclubbesitzer erschossen. Die Spekulationen um mögliche Hintermänner des Attentats dauern bis heute an.

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Das Jahr 1964 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Hessen feiert seinen 700. Geburtstag beim dreitägigen Hessentag in Kassel. Die Prominenz geht zum feierlichen Festakt ins Große Haus des Staatstheaters, die Bevölkerung strömt in Scharen zum Musikfest der „Gemeinschaft der Vier Nationen“ im Auestadion. Und 200 000 Zuschauer sehen den sieben Kilometer langen Festzug durch die Innenstadt.

11.1. Nominierung der letzten gesamtdeutschen Olympiamannschaft für die Olympischen Spiele in Innsbruck und Tokio. 15./16.2. Auf dem Sonderparteitag der SPD wird Willy Brandt zum Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten gewählt.

Baunatal. Altenbauna, Kirchbauna und Altenritte schließen sich zur Gemeinde Baunatal zusammen.

12./13.3. Die SED-Parteileitung der Ost-Berliner Humboldt-Universität schließt Professor Robert Havemann wegen kritischer Äußerungen aus dem Lehrkörper der Universität und aus der Partei aus.

Treysa. Die beliebte Fernsehsendung „Zum Blauen Bock“ wird aus Treysa übertragen.

9.5. Der 1. FC Köln wird in der neuen Bundesliga deutscher Fußballmeister.

Kassel. 15 000 Sänger feiern in Kassel den 125. Geburtstag des Mitteldeutschen Sängerbundes. Witzenhausen. Die Bahnstrecke zwischen Kassel und Göttingen ist elektrifiziert: Am 25.September befährt der erste elektrisch betriebene Zug, der „RheingoldExpress“, mit Ehrengästen die Strecke und macht mittags In Witzenhausen Station. Kassel. Der Neubau der Volkshochschule in der Wilhelmshöher Allee wird seiner Bestimmung übergeben. Niedermöllrich. Leichtathlet Josef Klik aus Niedermöllrich bei Wabern wird Deutscher Meister im Diskuswerfen. 1954 hatte er diesen Titel bereits im Kugelstoßen und 1955 im Zehnkampf gewonnen.

Die Kunst geht neue Wege auf der documenta 3 Bei der documenta 3, die vom 27. Juni bis 5. Oktober 1964 in Kassel ihre Tore öffnete, wurde wieder ein Besucherrekord erzielt: 200 000 Menschen sahen die Weltkunstausstellung. Ge-

Strahlend in Tokio: Stabhochspringer Klaus Lehnertz. TOKIO. Der Kasseler Klaus Lehnert tritt am 17. Oktober 1964 gan entspannt um Stabhochsprung-Wettbe erb bei den Ol mpischen Spielen in Tokio an. „Ich hatte mir gar nichts ausgerechnet und ar entsprechend locker“, erklärte der damals 26-Jährige später. Doch der Mann, der sich als Außenseiter fühlt, holt sich die Bron emedaille und ist damit der erste Kasseler Medaillenge inner bei Ol mpischen Spielen. Die on Lehnert übersprungenen fünf Meter urden nur om amerikanischen Ol mpiasieger Fred Hansen übertroffen, der 5,1 m überquerte. Der Göppinger Wolfgang Reinhardt, der Silber geann, schaffte ebenso ie Lehnert fünf Meter. Klaus Lehnert ar auch nach seiner StabhochsprungKarriere erfolgreich und urde Hochschullehrer an der Uni ersität Kassel im Bereich Sport issenschaften. (geb) Mehr auf

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Art und kinetischen (bewegten) Kunst gewidmet war. Der damals in Paris lebende Künstler Harry Kramer hatte mit seinen Objekten aus Eisendraht Gegenmodelle zu den glatten und

massiven Skulpturen geschaffen. Unser Archivfoto zeigt seine „Automobile Skulptur“. Kramer war später Professor in Kassel und ist Begründer der Künstler-Nekropole. (w.f.)

Krimi um Henschel-Chef Fritz-Aurel Goergen wurde spektakulär verhaftet und erst Jahre später rehabilitiert VON FRANK THONICKE

Kasseler Klaus Lehnertz gewinnt Bronze

leitet wurde sie wieder vom documenta-Gründer Arnold Bode zusammen mit Werner Haftmann. Eine besondere Attraktion war die Abteilung „Licht und Bewegung“, die der jungen Op-

KASSEL. Es ar der 26. April 1964, und Henschel-Chef Frit -Aurel Goergen hatte es sich un eit des Kan lers Konrad Adenauer bequem gemacht. Beide nahmen an einem Bankett in Hanno er teil. Adenauer mochte Goergen – schließlich ählte er u den Kapitänen des deutschen Wirtschafts unders ie Ma Grundig, Helmut Horten und Josef Neckermann. Nichts und niemand schien Goergen etas anhaben u können. Doch da erschienen plöt lich Kriminalbeamte und nahmen den Henschel-Boss om Bankett eg fest. Der Vorurf: Goergen soll Ersat teile für Pan er der Bundes ehr aus Ne York importiert und sie der Bundesregierung u

überhöhten Preisen in Rechnung gestellt haben. 4 Mark sollen so in seine Tasche geflossen sein. Bereits ier Tage u or, am 22. April 1964 hatten 5 Poliisten in Kassel die Henschelei durchsucht. Alle Mitarbeiter mussten das Bürogebäude erlassen, ährend Beamte Berge on Akten sicherstellten. Frit -Aurel Goergen ar 1958 als Retter on Henschel nach Kassel gekommen. Der eigen illige und ego entrische Goergen ar ein renommierter Wirtschaftsboss – uor hatte er die Phoeni Rheinrohr AG geleitet, das größte Hütten erk an der Ruhr, und er ar Generalbeollmächtigter des OetkerKon erns. Henschel befand sich 1958 in einer sch ierigen Lage. Die Banken fürchteten

Fritz-Aurel Goergen Foto: Lengemann um ihr Geld und hatten Goergen geholt. Er bekam dafür 27,5 Pro ent der Henschel-Aktien u niedrigem Preis. Goergen hatte in Kassel schnell Erfolg. Lag der Henschel-Umsat 1958 noch noch bei 193 Millionen Mark, so aren es drei Jahre später schon 5 Millionen. Goergen baute

Henschel om reinen Lok- und Lk -Werk u einer Sch ermaschinenfabrik um. Z ei Monate nach seiner Festnahme urde Goergen im Juni 1964 gegen eine hohe Kaution aus der Haft entlassen. Der Kapitän des Wirtschafts unders hatte on Deutschland die Nase oll. Er erkaufte seinen Henschel-Anteil für fast 6 Millionen Mark an die Rheinischen Stahl erke Essen und og in die Sch ei . Erst 1969 erhob man Anklage gegen Goergen egen Betrugs und Untreue. 1974 urde das Verfahren auf Kosten der Staatskasse eingestellt – faktisch ein Freispruch. Frit -Aurel Goergen starb am 4. No ember 1986 im Alter on 77 Jahren in Cologn bei Genf.

Wiederwahl als Bundespräsident: Heinrich Lübke 1.7. Heinrich Lübke (CDU) wird in Berlin erneut zum Bundespräsidenten gewählt. 10.9. In Köln trifft der millionste Gastarbeiter ein: Der Portugiese Armando Rodriguez (19261981) erhält bei seiner Ankunft ein Moped als Geschenk. 16.9. Die Bundesregierung beschließt die Gründung der Stiftung Warentest mit Sitz in West-Berlin. 31.10. Der Rationalisierungsverband Ruhrbergbau meldet 31 Großzechen im Ruhrgebiet zur Stilllegung an. In den folgenden Wochen gehen Tausende von Bergleuten auf die Straße und demonstrieren für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. 28.11. Gründung der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in Hannover. Im deutschen Fernsehen wird erstmals zu Spenden für geistig und körperlich behinderte Kinder aufgerufen. Die Aktion Sorgenkind (heute: Aktion Mensch) wird zu einem großen Erfolg.

... und die Welt

KSV Hessen verpasst den Aufstieg in die Bundesliga 28. Juni 1964: Der Blick auf die Tabelle der Bundesliga-Aufstiegsrunde ist ernüchternd. Mindestens mit vier Toren Unterschied muss der KSV Hessen bei Hannover 96 gewinnen, wenn der Aufstieg noch klappen soll. Doch die Aufgabe ist für Nolte, Vollmer, Istel, Michel, Dittel, Alt, Assmy, Fritzsche, Kuster, Jendrosch und Burjan zu schwer. Mit einem 3:1 sichert sich Hannover den Aufstieg. Zwar hatte der KSV die 1:2-Auftakt-Niederlage gegen Hannover schnell verkraftet und das erste Auswärtsspiel in Aachen 4:2 gewonnen, aber schon beim zweiten Heimspiel fiel die Vorentscheidung gegen die Löwen. Gegen den FK Pirmasens gab es ein 1:4. Siege in Pirmasens (4:2) und zuhause gegen Aachen (2:0) verbesserten die Lage nicht, weil sich Hannover keine Blöße mehr gab. – Unser Foto: Peter Jendrosch (links) trifft beim 4:2 in Pirmasens. (geb) Foto: nh

25.2. Der erst 22-jährige USAmerikaner Cassius Clay (Foto), der sich nach seinem Übertritt zum Islam Muhammad Ali nennen wird, erkämpft gegen Sonny Liston den Titel eines Boxweltmeisters im Schwergewicht. 1.6. Gründung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), deren erklärter Gegner der Staat Israel ist. 4./5.8. Nach US-Angaben haben nordvietnamesische Kriegsschiffe im Golf von Tongking zwei US-Zerstörer angegriffen. Dieser Zwischenfall wird zum Anlass für die Bombardierung von Zielen in Nordvietnam durch US-Flugzeuge genommen. 14.10. Der sowjetische Parteiund Regierungschef Nikita Chruschtschow wird vom Zentralkomitee der KPdSU aller Ämter enthoben.

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Das Jahr 1965 in unserer Region Chronik Deutschland

Chronik Nordhessen

29.1. Die NRW-Landesregierung stellt den so genannten SmogPlan auf. Danach kann bei SmogGefahr der private Kraftfahrzeugverkehr in einigen Städten ganz oder teilweise stillgelegt werden. Smog ist ein Kunstwort aus der Kombination der englischen Wörter „Smoke“ (Rauch) und „Fog“ (Nebel).

Kassel. Im wieder aufgebauten historischen Marstallgebäude wird erstmals Markt abgehalten. Die Fleischer und Wurstmacher sind vom Entenanger zunächst in das Obergeschoss eingezogen. Als sie nach einigen Monaten in das Erdgeschoss umziehen, ist Platz für die Obst- und Gemüsehändler vom Königsplatz.

10.2. Der Bundestag hält erstmals eine „Aktuelle Stunde“ ab. Sie soll der Opposition die Möglichkeit bieten, aktuelle Themen im Plenum zu erörtern.

Treysa. Carl Freudenberg eröffnet ein Kunststoff-Industriewerk. Grebenstein. Das Neubaugebiet Riethweg mit 315 Ein- und Mehrfamilienhäusern entsteht.

7.4. Sowjetische Düsenjäger überfliegen die Berliner Kongresshalle während der Plenarsitzung des Bundestages in West-Berlin. Außerdem werden aus Protest gegen die Abhaltung

Treysa. 1000 Soldaten aus Treysa machten mit bei Aufnahmen für einen Film über die Bundeswehr als „die modernste Artillerie Europas“. Kassel. Die KVG beginnt, die Schaffner abzuschaffen. Entwertungsautomaten machen in Straßenbahnen und Bussen nun ihre Arbeit. 100 Schaffner verlieren ihren Job. Kassel. Automatisch geht es ab dem 20. März im Parkhaus in der Neuen Fahrt im Herzen Kassels zu. Dort wird die bundesweit erste elektronische Steuerungsanlage in Betrieb genommen. Ampeln zeigen dem Autofahrer, ob in irgendeinem der fünf Stockwerke noch ein Plätzchen frei ist. Kassel. Flutlicht für Fußballer: Begeistert können Spieler, Trainer und Vereinsmitglieder des CSC 03 miterleben, wie die 24 Scheinwerfer der ersten Kasseler Flutlichtanlage den roten Bodenbelag des Hartplatzes an der Jahnstraße in 24 000 Watt starkes Licht tauchten.

Knöllchen von zarter Hand

Nur mit Mühe erreichte unser Fotoreporter Jochen Baron am 16. Juli die Gemeinde Obermeister im Kreis Hofgeismar. Sein Bild von einem Bauern, der eine Kuh in Sicherheit bringt, dokumentiert, wie hoch das Wasser durch den Ort strömte.

Menschen sterben in den Fluten Nach heftigen Überschwemmungen gleicht die Region einem riesigen Trümmerfeld VON FRANK THONICKE KASSEL. Zehn Menschen ertrinken in den Fluten, überall erstörte Brücken und eingestür te Häuser, unterspülte Bahndämme, riesige lehmbraune Seenplatten und totes Vieh, das in reißenden Strömen treibt: Im Juli 1965 gleichen eite Teile Nordhessens, Ost estfalens und Südniedersachsens einem riesigen Trümmerfeld. Die sch erste Un etterkatastrophe seit Jahre ehnten richtet Millionenschäden an.

Das Jahr 1965 galt bei den Meteorologen als das größte Regenjahr seit 1 Jahren. Überall auf der Welt kam es u Stürmen und Übersch emmungen. Und auch unsere Region in der Mitte Deutschlands ar betroffen. Lang anhaltende, sintflutartige Wolkenbrüche hatten das Unglück ausgelöst. Am härtesten traf es in Nordhessen die Kreise Waldeck und Hofgeismar. Als das Wasser abfloss, aren eite Landstriche mit einer Schlammschicht bedeckt.

KASSEL. Einen unge öhnlichen Dienst treten Mitte Oktober Gisela Knauf, Heidemarie Jacob und Isolde Germeroth an. Als die ersten drei Poli eihelferinnen Kassels, auch „Politessen“ genannt, sollen sie „Parkscheibensündern“ auf Kur eitparkplät en „ on arter Hand“ gebührenpflichtige Ver arnungen hinter die Scheiben ischer stecken, aber auch alten Leuten helfen, Kinder sicher über die Straße bringen und aus ärtigen Gästen Auskunft erteilen. Analog u den Kasseler Stadtfarben Blau und Weiß sind eiße Bluse, blaues Kostüm und ein rundes Käppi ihre Dienstkleidung. Als Ledige im Alter on 25 Jahren erdienen die Poli eihelferinnen et a 6 Mark und als Verheiratete 65 Mark im Monat. (tos)

Nachrichten- und Telefon erbindungen aren errissen. Bei der Rettung on Flutopfern spielten sich mitunter dramatische S enen ab. So in Helmarshausen bei Hofgeismar: Dort stüt te eine Frau ab, die bereits das Rettungsseil eines Hubschraubers ergriffen hatte. Sie starb an den Verletungen, die sie dabei erlitt. In Wre en (Waldeck) starb eine 64 Jahre alte Frau unter den Trümmern ihres Hauses, das durch einen Erdrutsch um Einstur gebracht orden ar.

Gegen die Fluten kämpften Bundes ehr, belgische, holländische und britische Einheiten so ie Feuer ehr und ahlreiche Hilfsorganisationen. Hessens Ministerpräsident Georg August Zinn sagte nach einem Flug über das Katastrophengebiet: „Das ist niederschmetternd und furchtbar.“ Unsere Zeitung startete eine „Hilfsaktion Hoch asser“. Tausende Leser machten mit. Nach enigen Tagen aren schon über 233 Mark usammengekommen.

Jubel um Tamara und Irina Press Berühmte Schwestern glänzen mit Weltrekorden VON GERD BREHM

Start an der Brauhausstraße: Häuser müssen weichen, um Platz für eine neue Fuldabrücke in Rotenburg zu schaffen. Archivfoto: nh

Fachwerk muss für Brücke weichen

KASSEL. Am 19. September 1965 ar das Kasseler Auestadion Nabel der Sport elt. Die sechs besten Frauen-Leichtathletik-Teams Europas traten um Europacup-Finale an. Die So jetunion ge ann or der DDR (Mitteldeutschland genannt), Polen, der Bundesrepublik, Ungarn und Holland. 2 Zuschauer sahen ei Weltrekorde der PressSch estern aus der So jetunion. Tamara steigerte ihre eigene Bestleistung im Kugelstoßen auf 18,59 m, und Irina stellte mit 1 ,4 Sekunden den 8 -Meter-Hürden-Weltrekord der Australierin Pamela Kilborn ein. Auf einen Sieg einer bundesdeutschen Starterin arteten die LeichtathletikFans ergebens. Die beste Platierung erreichte die Sprinterin Erika Pollmann aus Gel-

senkirchen, die über 1 Meter in 11,6 Sekunden hinter der Polin E a Klobuko ska (11,3) Rang ei belegte. Und eine schöne Anekdote gibt es auch noch u er ählen: Der Fahrer des Wagens mit holländischem Kenn eichen, der in die Fußgänger one Obere Königsstraße einbog, ar kein Geringerer als Adrian Paulen, der Präsident des Internationalen LeichtathletikVerbandes. Als Paulen on einem Poli isten höflich gefragt urde, as Ziel seiner Reise sei, ant ortete der Holländer: „Ich möchte u meinem Freund Ma .“ Gemeint ar Dr. Ma Dan , der Kasseler Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Und überliefert ist, dass die Irrfahrt durch die Fußgänger one damals nicht mit einem Strafmandat geahndet urde.

In Rotenburg werden über 40 Häuser abgerissen Gisela Knauf ist eine der drei ersten Kasseler Politessen. Mehr auf

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ROTENBURG. Die Bagger rollen im Juli 1965: Mehr als 4 alte Häuser, darunter iele Fach erkgebäude, erden in Rotenburg abgerissen, um Plat für Neues u schaffen: Eine moderne, breite Brücke über die Fulda ist geplant. Sie soll die alte Brücke, die Neuund Altstadt erbindet, entlas-

ten und dem stetig unehmenden Auto erkehr gerecht erden. Die Abbrucharbeiten beginnen an der Brauhausstraße. Die neue Fuldabrücke ar jedoch kein Bau für die E igkeit. Schon jet t, nach gut 4 Jahren, gilt sie als marode und muss mit Millionenauf and saniert erden. (sis)

Hürdenfinale mit Weltrekord: Irina Press (links) stürmt zum Sieg, Inge Schell (Mitte) aus München wird Dritte. Foto: Baron

Bundestag in Berlin: Düsenjäger über der Kongresshalle der Sitzung des Bundestages zeitweilig die Zugänge zu Wasser und zu Lande nach West-Berlin durch sowjetische und DDRSoldaten blockiert. 5.5. Der Bundestag verabschiedet das 624-DM-Gesetz. Danach können Arbeitnehmer nach tarifvertraglicher Vereinbarung jährlich bis zu 624 Mark steuerbegünstigt mit Unterstützung des Arbeitgebers sparen. 12.5. Die Bundesrepublik Deutschland kündigt die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zu Israel an. 15.5. Werder Bremen wird in der Bundesligasaison 1964/65 Deutscher Fußballmeister. 19.8. Verkündung der Urteile im Auschwitz-Prozess in Frankfurt. Die zum Teil milden Strafen führen zu Protesten im In- und Ausland. 19.9. Wahlen zum 5. Deutschen Bundestag. Union und FDP bilden erneut die Regierung.    

   

      

  

  

   

    

  

17. 12. In bundesdeutschen Kinos startet der James-Bond-Film „Feuerball“ mit Sean Connery (geb. 1930) in der Hauptrolle.

... und die Welt 24.2. Der DDR-Staatsratsvorsitzende und Parteichef Walter Ulbricht (Foto) trifft zu einem Staatsbesuch in Kairo ein, wo er und seine Frau Lotte mit allen Ehren empfangen werden. Der Besuch ist die erste Reise Ulbrichts in einen Staat außerhalb des Warschauer Paktes. 18.3. Der sowjetische Kosmonaut Alexej Leonow (geb. 1934) schwebt als erster Mensch 20 Minuten frei im Weltraum.

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Das Jahr 1966 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Frankenberg. Aus für das Fräulein vom Amt, wie die Damen in der Telefon-Fernvermittlung genannt wurden. Jetzt kann man auch im Kreis Frankenberg andere Orte in Deutschland per Vorwahlnummer erreichen.

12.1. Der Inspekteur der Bundesluftwaffe berichtet vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages, dass 1965 insgesamt 26 Starfighter-Kampfflugzeuge abgestürzt sind und 15 Piloten dabei ums Leben kamen. 1.4. Der regimekritische Wissenschaftler Robert Havemann wird aus der Ost-Berliner Akademie der Wissenschaften ausgeschlossen.

Witzenhausen. Für die Entwicklung der Stadt zu einem zentralen Ort landwirtschaftlicher Ausbildung werden entscheidende Weichen gestellt: Die „Deutsche Ingenieurschule für Tropenlandwirtschaft“ wird eröffnet und die „Höhere Landbauschule“ in eine sechssemestrige Ingenieurbauschule für Landwirtschaft umgewandelt.

5.5. Borussia Dortmund gewinnt mit einem 2:1-Sieg über Liverpool als erste deutsche Mannschaft den Europapokal der Pokalsieger. 28.5. Der TSV 1860 München wird deutscher Fußballmeister.

Kassel. Sensation im Auestadion: Der KSV Hessen wirft Eintracht Frankfurt mit 6:2 aus dem DFB-Pokalwettbewerb.

30.7. Im Londoner WembleyStadion unterliegt die deutsche Nationalmannschaft im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft dem Gastgeber durch ein umstrittenes drittes Tor mit 4:2.

Grebenstein. Gründung des Schulverbandes Mittelpunktschule Grebenstein (erster Schulverband auf Kreisebene) mit Schülern aus Grebenstein, Burguffeln, Schachten, Westuffeln und Udenhausen, ab 1968 auch Obermeiser. Homberg. Die 25-jährige Helga Duchac (Foto) aus Homberg ist die erste deutsche Chefstewardess im internationalen Luftverkehr. Bei der US-Fluggesellschaft TWA ist sie für die Auswahl und Schulung der Kolleginnen verantwortlich. Hofgeismar. Das bekannte Hotel Hessischer Hof stürzt ein. An seiner Stelle wird später ein umstrittener Flachdachbau für einen Supermarkt errichtet. Kassel. Die Söhrebahn von Kassel-Bettenhausen nach Wellerode-Wald stellt ihren Betrieb ein.

VW schafft die Basis: Baunatal wird Stadt

Schilderwechsel: Großenritte ist jetzt Ortsteil der neuen Stadt Baunatal. Foto: nh BAUNATAL. Immer mehr Menschen ollen in der Nähe ihres Arbeitsplat es im Altenbaunaer VW-Werk ohnen: Straßen und Wohnungen erden in den Dörfern rundherum benötigt, doch das lässt sich finan iell nur gemeinsam schultern. Daher schließt sich Großenritte am 1. Juli 1966 dem Trio aus Altenbauna, Kirchbauna und Altenritte an, das sich 1964 ur Gemeinde Baunatal formiert hatte. Die neue Kommune erhält auch Stadtrechte. 12 Menschen leben dort damals, 2 eniger als bei VW arbeiten. Heute hat die Stadt Baunatal sieben Stadtteile und 28 Ein ohner, Volks agen ählt 13 Beschäftigte. (ing) Mehr auf

Theaterskandal um „Lysistrata“ Heute gehören die Nanas, die prall-bunten Figuren der Künstlerin Niki de Saint Phalle (19302002) zu den beliebtesten Objekten der neueren Kunst. Das war 1966 noch anders. Und als im Kasseler Schauspielhaus die Komödie des Aristophanes „Ly-

sistrata“ in und vor einem von Niki de Saint Phalle geschaffenen weiblichen Torso gespielt wurde, war der Skandal groß. In dem Stück verweigern sich die Frauen Athens den Krieg führenden Männern. Die Inszenierung von Rainer von Diez zeige

te den Kritiker besonders. Auch die Mitwirkung der britischen Beat-Band „The Sonics“ sorgte für Aufregung. Zahlreiche Theaterabos wurden gekündigt. Immerhin: Das Kasseler Staatstheater war bundesweit im Gespräch. (w.f.) Archivfoto: Lengemann

Aus für die Herkules-Bahn Am 11. April 1966 wurde die beliebte Straßenbahn-Verbindung eingestellt VON THOMAS SIEMON KASSEL. Der Andrang ar so groß, dass die Kasseler Verkehrsgesellschaft einen Zusat agen einset en musste. Geschmückt mit Tannengrün und Weidenkät chen machte sich die Herkulesbahn am 11. April 1966 um let ten Mal auf den Weg hinauf u Kassels Wahr eichen. Nach über ier Jahr ehnten kam das Aus für die beliebte Schienen erbindung. Statt der Straßenbahn fuhren on nun an Linienbusse um Herkules. Eine unge öhnliche Enticklung für Kassel, denn im Gegensat u anderen Städten hatte man hier immer auf die Straßenbahn geset t. Doch in diesem Fall set te sich die Bundes ehr durch, die mehr Plat auf der Druseltalstraße beanspruchte. Auf dem Weg um Übungsplat im Habichts ald störte die Bahn. Es ar das Ende einer traditionsreichen und sehr beliebten Verbindung. Ab 19 2 transportierte die Herkulesbahn unächst die im Habichts ald geförderte Braunkohle und den Abbau der ie-

27.10. Die FDP verlässt die Bonner Regierungskoalition mit CDU und CSU wegen eines Streits über Steuererhöhungen bzw. -senkungen. 6.11. Bei den Landtagswahlen in Hessen erreicht die NPD 7,9 Prozent der Stimmen. Damit zieht die rechtsextreme Partei erstmals in ein Landesparlament ein. 30.11. Nachdem die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP gescheitert sind und die Unionsparteien sich mit der SPD geeinigt haben, tritt Bundeskanzler Ludwig Erhard von seinem Amt zurück. 1.12. Kurt Georg Kiesinger wird zum Bundeskanzler einer Regie-

Große Koalition: Kanzler Kiesinger (CDU, rechts) und Außenminister Brandt (SPD) Wehmütiger Abschied: Der Start zur letzten Tour der Herkules-Bahn am 11. April 1966 wurde mit Musik begleitet. Archivfoto: Lengemann len Steinbrüche. Der Personen erkehr startete kur e Zeit später. Insbesondere am Wochenende ar der preis erte Ausflug mit der Herkulesbahn eine Attraktion. Wintersportler nut ten die Verbindung hi-

nauf auf Kassels Hausberg, das Hohe Gras. Der Güter erkehr urde bereits 1961 eingestellt, da nach dem Z eiten Weltkrieg der Bergbau stark urückging. Dem Ende des Personen er-

kehrs mit der Herkulesbahn im Jahr 1966 trauern heute noch iele Menschen nach. Mittler eile gibt es Bestrebungen, die Linie mit neuen Schienen und modernen Fahr eugen ieder ubeleben.

Die wilden Zwillinge kamen bis Hollywood Gisela und Jutta Schmidt suchten das Abenteuer

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„geistiges Halbstarkentum auf besonders grobianische Weise“, ereiferte sich der Kritiker Hans Ludwig Schulte in der „Hessischen Allgemeinen“. Beim Premierenpublikum kam das Stück dagegen gut an. Gerade diese „lautstarke Zustimmung“ ärger-

1.10. Der frühere NS-Rüstungsminister Albert Speer und der frühere NS-Reichsjugendführer Baldur von Schirach werden nach zwanzigjähriger Haft aus dem Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau entlassen.

Kassel wurde ihnen schnell zu klein: Die glamourösen Zwillingsschwestern Gisela Getty (links) und Jutta Winkelmann. Foto: Reichhardt/nh

KASSEL. Sie aren blutjung, bildhübsch und ollten hinaus in die große Welt. Die Kasseler Z illinge Gisela und Jutta Schmidt erfüllten sich diesen Traum Beide studierten on 1966 bis 197 an der Kasseler Kunsthochschule. Über Berlin und Rom og es die beiden nach Holl ood. Dort lernten sie Größen ie Dennis Hopper, Bob D lan und Wim Wenders kennen.

Gisela ar unächst mit dem Schauspieler Rolf Zacher usammen. Mitte der 7 er-Jahre heiratete sie Paul Gett III, den Enkel des Multimillionärs Gett , et a ein Jahr nach dessen spektakulärer Entführung. Jutta Winkelmann ar mit dem Regisseur Helmut Winkelmann erheiratet. Nach über 2 Jahren in den USA leben die beiden seit einigen Jahren in München. (tos)

rung der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD gewählt. Vizekanzler und Außenminister wird Willy Brandt.

... und die Welt 19.1. Indira Gandhi (Foto), die Tochter des ehemaligen Premierministers Pandit Javaharlal Nehru (18891964), wird zur Premierministerin Indiens gewählt. 1.7. Der von Staatspräsident Charles de Gaulle angekündigte Austritt Frankreichs aus der Nato beginnt: Frankreich zieht seine Truppen aus dem Kommandobereich der Nato zurück. 2.7. Frankreich nimmt seinen ersten Atomwaffenversuch auf dem Muroroa-Atoll im Südpazifik vor.

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Das Jahr 1967 in unserer Region Chronik Nordhessen

Werratal wählt erstmals eine Kirschenkönigin

Kassel. Als erste mittlere Großstadt installiert Kassel eine elektronische Verkehrssteuerungsanlage „zur maximalen Ausnutzung der vorhandenen Straßenkapazität“.

Eigentlich nur probehalber veranstaltet, sollte aus der Witzenhäuser Kesperkirmes ein Erfolgsmodell werden. Um den Tourismus zu stärken und für das Kirschenanbaugebiet im Werratal sowie die rote Frucht selbst zu werben, lässt der Verkehrsverein von Witzenhausen Anfang Juli sechs heimische Bands zu einem Beat-Festival in der Festhalle auftreten, Kirschsaft aus dem Marktbrunnen fließen und eine Kirschenkönigin wählen. Publikum und Jury entscheiden sich unter den zehn Bewerberinnen für die jüngste, die 17 Jahre alte Ute Hoffmann aus dem Dorf Roßbach. Eingehüllt in eine rote Samtrobe, werden ihr ein Krönchen aufgesetzt und ein Zepter in die Hand gedrückt. Damit besaßen die Kirschengemeinden um Witzenhausen erstmals eine gemeinsame Symbolfigur. Seither wird jedes Jahr im Juli aufs Neue eine Kirschenkönigin gekrönt. (sff)

Ziegenhain. Beim Brand einer Lagerhalle verbrennen 120 000 Schuhe. Hofgeismar. Das neue Postamt wird eingeweiht. Ende des Jahres wird auch in Hofgeismar der Telefon-Selbstwählferndienst eingerichtet. Kassel. 143 000 Besucher werden bei der Hausfrauenausstellung gezählt. Nach dem großen Erfolg des Vorjahres findet sie zum zweiten Mal in einer Zeltstadt auf den Giesewiesen an der Damaschkestraße statt. Witzenhausen. Mit dem Aus für die Feinpapierfabrik Staffel, eine der ältesten Papierfabriken Deutschlands und industrielles Herz der Region um Witzenhausen, verlieren 400 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.

Chronik 1967 Deutschland 14.2. Auf Initiative des Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller kommen Vertreter von Arbeitnehmer- und Unternehmerverbänden sowie des volkswirtschaftlichen Sachverständigenrates und der Bundesregierung zu informellen Gesprächen über eine Konzertierte Aktion zusammen, mit der die Rezession bekämpft werden soll. 19.4. Altbundeskanzler Konrad Adenauer stirbt im Alter von 91 Jahren in Rhöndorf. 26.5. Der Deutsche Sportbund und die Deutsche Olympische Gesellschaft gründen die Stiftung Deutsche Sporthilfe, deren Ziel in der materiellen Unterstützung der Sportler liegt. 27.5.-4.6. Besuch des persischen Schahs Mohammad Resa Pahlawi (1919-1980) und seiner Frau Farah Diba (geb. 1938) in der Bundesrepublik und in

Foto: Stadtarchiv Witzenhausen

Ein Hoch auf den Herkules Kasseler Wahrzeichen feiert 250. Geburtstag – Immer wieder muss es saniert werden VON THOMAS SIEMON

Spaziergang mit Geparden auf der Kasseler Fuldabrücke. Edith Weidmann vom Zirkus Sarrasani nutzt das Gastspiel zu einem Stadtbummel mit ihren beiden Lieblingen. Foto: Archiv

Prinz Josias stirbt in Diez

KASSEL. 25 Jahre Herkules, enn das kein Grund um Feiern ist. 1967 ar es so eit, die Kasseler ließen ihr Wahreichen hochleben. Doch damals ie heute bereitete der sagenhafte Held on Wilhelmshöhe auch einige Sorgen. Seit seiner Geburtsstunde im Jahr 1717 nagten Wind und Wetter an der Figur. Zum 25 . Geburtstag ar der Herkules mal ieder eingerüstet. Für eine bessere Standfestigkeit hatten ihn die Mitarbeiter des Staatsbauamtes ein Zementkorsett und jede Menge Betonsprit en erpasst.

Ist angefangen anno 1714 und fertig worden anno 1717 d. 3 . Nov.“ INSCHRIFT AUF DER PLAKETTE IM KOPF DES HERKULES

Josias Prinz zu Waldeck und Pyrmont in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Foto: nh AROLSEN. Josias Georg Wilhelm Adolf Prin u Waldeck und P rmont (71) stirbt am 3 . No ember auf dem Familienschloss Schaumburg in Die an der Lahn. Der Arolser, ältester Sohn des let ten Regenten des Fürstentums Waldeck-P rmont, machte im Dritten Reich steile Na i-Karriere um Poli ei- und SS-General. Als Adjutant des ReichsführersSS, Heinrich Himmler, ar Waldeck in die Organisation der E ekutionen nach dem „Röhm-Putsch“ 1934 er ickelt. 1947 urde er als Kriegs erbrecher on einem US-Militärgericht im Buchen aldHauptpro ess u einer lebenslangen Freiheitsstrafe erurteilt. Die Strafe urde 1948 auf 2 Jahre Haft erkür t. 195 urde Waldeck aus gesundheitlichen Gründen oreitig entlassen. ( rk) Mehr auf

Das genaue Geburtsdatum ar erst im Jahr 19 aktenkundig ge orden. Damals hatte man ihm bei Sanierungsarbeiten um ersten Mal den Kopf abgenommen. Darin fand sich eine Plakette mit folgender Inschrift: „Carolus Landgr. . H. hat dieses Bild

West-Berlin. Dabei kommt es zu Ausschreitungen bei einer Demonstration vor der Deutschen Oper in Berlin. In dem Tumult wird der 26-jährige Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Eintracht Braunschweig wird Deutscher Fußballmeister. 13.6. Die Bundesregierung erklärt sich bereit, im gesamtdeutschen Sportverkehr die Flagge der DDR zu dulden.

Standfest auch im Orkan Bereits dreimal in der jüngeren Vergangenheit stand der Herkules kopflos auf der P ramide des Oktogon. Und ar in den Jahren 19 , 1951 und 2 6. Auch bei der Verjüngungskur or drei Jahren stellten die E perten fest, dass die 8,25 Meter große Figur aus her orragendem Material hergestellt urde. Nur das beste Kupfer ar dem Schmied im Messinghof (Bettenhausen) gut genug. Bei der jüngsten Sanierung urde in erster Linie das Innenleben des Herkules auf Vordermann gebracht. Der soll nicht nur bei Sonnenschein glän en, sondern auch Orkanböen bis u 18 Stundenkilometer aushalten, ohne mit der Wimper u ucken.

3.8. Zwischen der Bundesrepublik und der Tschechoslowakei wird die Errichtung von Handelsvertretungen vereinbart. 25.8. Die Live-Fernsehshow Der Goldene Schuss ist die erste Farbsendung, die das ZDF ausstrahlt. 20.10. Die erste Folge der neuen Serie Aktenzeichen XY ungelöst ... wird im ZDF ausgestrahlt. In der Sendung werden von Eduard Zimmermann unaufgeklärte Kriminalfälle präsentiert und die Zuschauer um Mithilfe gebeten. Thront seit 1717 über der Stadt: Der Herkules ist das Wahrzeichen Kassels. Die kolorierte Postkarte stammt aus der Zeit der Jahrhundertwende. Foto: nh

Stolz auf das Stadtbad Mitte Modernes Schwimmbad in bester Innenstadtlage - Millionen für den Wohnungsbau

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Von einem Polizisten erschossen: Benno Ohnesorg, Student und Demonstrant. Foto: Archiv

machen lassen durch Joh. Jacob Anthoni ein Goldschmid gebürtig aus Augsburg. Ist angefangen anno 1714 und fertig orden anno 1717 d. 3 . No .“ Seitdem steht der 3 . Noember 1717 als Geburtstag des Herkules fest. Zum 25 . gratulierten ihm die Kasseler auf besondere Weise: „Der Herkules kommt in die Stadt“, hieß das Motto des Wasserfest ugs auf der Fulda am Zissel-Sonntag.

Festlich geschmückt: Das Stadtbad Mitte wurde am 20. Juni 1967 eröffnet. Foto: Archiv/nh

KASSEL. Es galt als eines der modernsten Hallenbäder Deutschlands. Entsprechend stol ar Kassels damaliger Oberbürgermeister Karl Branner bei der Eröffnung des Stadtbades Mitte am 2 . Juni 1967. Doch die Zeiten haben sich grundlegend geändert. Gut ier Jahr ehnte später hat das Bad in bester Innenstadtlage keine Zukunft mehr. Es soll nur noch so lange stehen bleiben, bis der Ersat am Auedamm fertig ist. Danach ird es der Abrissbirne um Opfer fallen. Eine Sanierung, das haben Baue perten festgestellt, lohnt sich nicht mehr. Dafür

hofft die Stadt Kassel darauf, dass das Grundstück in direkter Nachbarschaft um Cit Point am Königsplat einige Millionen Euro bringt. Das Stadtbad Mitte ar nicht das ein ige große Bauprojekt in Kassel, das im Jahr 1967 für Schlag eilen sorgte. Z ischen den Stadtteilen Ober ehren und Nordshausen uchsen die Wohnblocks der Brückenhofsiedlung schnell empor. 17 Wohnungen entstanden dort, die Gemeinnüt ige Wohnungs- und Siedlungsbaugesellschaft (Geobag) in estierte 4 Millionen Mark in neuen Wohnraum. (tos)

... und die Welt 29.4. Uraufführung des RockMusicals Hair in New York. Für Jugendliche in aller Welt wird es innerhalb kürzester Zeit zu einem Kultstück. 5.6. Im Sechs-Tage-Krieg besetzen israelische Truppen unter anderem die Altstadt von OstJerusalem, den Gazastreifen und die Golanhöhen. 9.10. Der Guerilla-Kämpfer Ernesto Che Guevara stirbt bei einem Gefecht mit bolivianischen Regierungstruppen. 3.12. In Kapstadt verpflanzt Christiaan Barnard erstmals einem Menschen ein fremdes menschliches Herz. Obwohl der Eingriff gelingt, stirbt Patient Louis Washkansky 18 Tage später an einer Lungenentzündung.

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Das Jahr 1968 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

85 Meter verpackte Luft bei der documenta 4 Kunst im Aufbruch: Die documenta 4 vom 27. Juni bis 6. Oktober 1968 war die letzte, an deren Leitung der Gründer Arnold Bode beteiligt war. Obwohl neue Kunstformen wie Pop-Art und Minimal Art Einzug hielten, gab es viel Kritik an

Frielendorf. Der letzte Zug mit Braunkohle verlässt die Zeche Frielendorf. Immenhausen. Die Tuberkuloseheilstätte Philippstiftung wird Fachklinik für Lungenerkrankungen.

der Ausstellung, weil die politisch-kritische und die AktionsKunst keinen Zugang hatten. Beim Publikum war die documenta 4 aber ein Erfolg. Mit 207 000 Besuchern wurde ein Rekord erzielt. Wochenlang hielten der bulgarische Künst-

ler Christo (zweiter von links) und seine Frau Jeanne-Claude die Öffentlichkeit mit der Frage in Atem, ob er seine 85 Meter hohe Skulptur verpackter Luft zum Stehen (linkes Foto) bringen würde. Er schaffte es. (w.f.) Fotos: Archiv

1.1. In der Bundesrepublik wird die Bruttoumsatzsteuer durch die Mehrwertsteuer ersetzt. 1.1. Premiere des Sexualaufklärungsfilms „Das Wunder der Liebe“ von Oswalt Kolle. 2.4. Aus Protest gegen die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse setzen vier radikalisierte Anhänger der Außerparlamentarischen Oppositon (APO) zwei Frankfurter Kaufhäuser in Brand.

Kassel. Beim ersten Wilhelmshöher Bürger- und Parkfest hat die neue Beleuchtungsanlage für Kaskaden und Herkules Premiere. Calden. Die Bauarbeiten für den Flugplatz Calden beginnen.

11.4. Studentenführer Rudi Dutschke wird in West-Berlin von einem 23-jährigen Arbeiter niedergeschossen und schwer verletzt. Der Anschlag führt in vielen Teilen der Bundesrepu-

Kassel. Die Hochschule für bildende Künste an der Menzelstraße wird offiziell eingeweiht. Burghasungen. Die A 44 wird von Kassel-Süd bis Burghasungen (Abfahrt Zierenberg) für Verkehr frei gegeben. Kassel. Die Henschel-Werke bauen die erste Fluggastbrücke. Sie geht an den Flughafen Frankfurt.

Attentatsopfer: Studentenführer Rudi Dutschke. Foto: dpa

Das dez lockt Kunden an KASSEL. Mit Erstaunen und auch ein enig Unbehagen urde der Plan aufgenommen, auf dem Werksgelände der ehemaligen Waggonfabrik Credé in Kassel-Nieder ehren ein Einkaufs entrum mit 22 Geschäften u bauen. So etas hatte es in Nordhessen noch nicht gegeben. Doch enige Monate nach der Eröffnung aren alle Z eifel beseitigt: Kunden aus der gesamten Region hatten das de , eines der ersten deutschen Einkaufs entren überhaupt, sofort sehr gut angenommen. Nach mehreren Um- und Ereiterungsbauten präsentiert sich das de heute als moderne Shopping Mall mit über 7 Fachgeschäften und 26 Quadratmetern Verkaufsfläche. (hpo)

Soldaten auf Kassels Bühne

blik zu Demonstrationen und teilweise blutigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. 14.4. Bundesjustizminister Gustav Heinemann mahnt in einer selbstkritischen Rundfunk- und Fernsehansprache zur Gewaltlosigkeit.

Demo vor der Stadthalle Studentenproteste erreichen Kassel - Nur der Hubschrauber kam durch KASSEL. Am Ostersamstag 1968 ar die Kasseler Innenstadt Austragungsort einer der ersten größeren Demonstrationen des Jahres. 1 junge Leute schoben sich durch die Obere Königsstraße. Das Berliner Attentat om 11. April, bei dem der Studentenführer Rudi Dutschke lebensgefährlich erlet t urde, set te auch in Kassel eine Protestbeegung in Gang. Noch blieb alles friedlich, und die Poli ei ar stol auf die gute Zusammenarbeit ischen Demonstranten und E ekuti e. Anders als in Berlin oder Frankfurt flogen in Kassel keine Steine, brannten eder Autos noch urden Fensterscheiben einge orfen. Als sub ersi galt da schon das Befestigen roter Fahnen am SpohrDenkmal, die man unter dem Beifall des Publikums jedoch schnell ieder entfernte. Die Presse kommentierte: „Statt

Im Laufschritt zur Stadthalle: Der Protest gegen die Notstandsgesetze begann friedlich. Später kam es zu Handgreiflichkeiten. Foto: Archiv

der Faust ie anderorts urde der Verstand gebraucht.” Wenige Wochen später urde die Gangart rauer. Am 29. Mai, einen Tag, be or die

Notstands erfassung das Bonner Parlament passieren sollte, traf sich in der Kasseler Stadthalle die Führungsspit e der Bundes ehr ur 14. Kom-

mandeurstagung. Von 12 Uhr bis in die Abendstunden hinein belagerten rund 1 Schüler und Studenten die Stadthalle. Um 12.5 Uhr set ten sie die Deutschlandflagge auf Halbmast. Dann urde im Chor die Melodie des Deutschlandliedes angestimmt: „Notstand, Notstand über alles!” Als die ersten Ehrengäste u einem Empfang eintrafen, plat ierten sich Demonstranten u einem Sit streik auf der Stadthallentreppe. Poli eibeamte errten sie ur Seite. Ohne Erfolg. Prominente Tagungsgäste ie der damalige Wissenschaftsminister Gerhard Stoltenberg mussten per Hubschrauber in den Innenhof geflogen erden. Kur nach 18 Uhr eskalierte die Lage. Es kam um Schlagabtausch ischen Demonstranten, Pol isten und Feldjägern. Auf beiden Seiten gab es Leicht erlet te. (tos)

Szene aus Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die Soldaten“ in Kassel. Foto: privat/nh

Sex statt Mathe und Chemie

KASSEL. Eigentlich galt diese Oper on Bernd Alois Zimmermann als unspielbar. Mehrere Orchester und Handlungsstränge laufen in der Vertonbung des Dramas „Die Soldaten“ on J. M. R. Len parallel. Doch kur nach der Kölner Uraufführung be ies das Staatstheater Kassel 1966, dass ein mittleres Haus u Großem in der Lage sein kann: In der Ins enierung on Intendant Ulrich Brecht und musikalisch geleitet on Gerd Albrecht sorgte die Premiere für Aufsehen in der Opern elt. ( .f.)

Homberger THS soll zur „Gegenschule“ werden und nach John Lennon heißen

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scheinen ist keine Pflicht: Die Veranstalter empfehHOMBERG. Um ein Haar len, sich lieber mit der äre das Homberger G mFreundin oder dem Freund nasium 1968 in John-Lenu beschäftigen.“ Weiternon-Schule umbenannt hin sollte die Schul eit orden. Wenn die Schüler nach einem Flugblatt auf ihren Willen bekommen ei Monate erkür t erhätten, äre nicht der eheden, der Rest des Jahres malige Bundespräsident sollte für Ferien reser iert Theodor Heuss, sondern bleiben. ein Beatle Namenspatron. Aufmüpfig waren die Schüler der Homberger Theodor-Heuss-Schule, die in Am Tag nach den OsterDie Euphorie der 68er- der Boulevard-Presse bald „Pornoschule“ genannt wurde. aren die Wände Foto: Schattner/nh ferien Be egung sch appte in mit teils deftigen Sprüeiner großen Welle on Berlin Hans-Peter Bernhardt, ei schule“, die statt Mathe und chen beschmiert. Das ging der und Frankfurt direkt nach ehemaligen THS-Schülern und Chemie lieber Se unterrich- Schulleitung dann doch u Homberg. Die THS sollte ur damaligen Frankfurter So io- ten ollte – in Theorie und eit. Man klagte. Ein Tre saer „Gegenschule“ erden, auf logiestudenten, stieß bei den Pra is. Überhaupt sollte es an Gericht erurteilte Bernhardt dem Stundenplan sollte or al- Schülern auf offene Ohren. der „Gegenschule“ locker uu 18 Monaten und Bott u lem eines stehen: Se . Die ForBundes eit berichtete die gehen. So hieß es in der Schü- drei Monaten Gefängnis auf derung on Dieter Bott und Presse über die erste „Gegen- ler eitung: „Regelmäßiges Er- Be ährung. VON THOMAS SCHATTNER

25.5. Der 1. FC Nürnberg wird Deutscher Fußballmeister. 30.5. Der Bundestag beschließt eine Ergänzung des Grundgesetzes durch die Notstandsverfassung. Sie genehmigt unter anderem den Einsatz der Bundeswehr bei inneren Unruhen. 28.10. Außenminister Willy Brandt erklärt die Bereitschaft, von der Existenz der DDR als eines zweiten deutschen Staates auszugehen und der Regierung der DDR auf gleichberechtigter Basis zu begegnen. 7.11. Auf dem CDU-Parteitag in West-Berlin ohrfeigt die 29-jährige Beate Klarsfeld (geb. 1939) Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger. Sie will damit auf seine NS-Vergangenheit als stellvertretender Abteilungsleiter der Rundfunkabteilung des Reichsaußenministeriums hinweisen.

... und die Welt 16.3. US-Soldaten verüben ein Massaker in dem südvietnamesischen Dorf My Lai. 507 Menschen kommen ums Leben. 4.4. In Memphis/USA wird der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King (geb. 1929) von einem weißen Attentäter erschossen. 10.5. In Frankreich rufen die Gewerkschaften aus Solidarität mit den rebellierenden Studenten zu einem Generalstreik auf, bürgerkriegsähnliche Zustände stürzen das Land ins Chaos. 5.6. US-Senator Robert F. Kennedy, jüngerer Bruder von ExPräsident John F. Kennedy, wird bei einem Attentat angeschossen und stirbt einen Tag später. 20./21.8. Truppen des Warschauer Paktes besetzen die CSSR und beenden damit den Prager Frühling, das Experiment einer Demokratisierung von Staat und Gesellschaft.

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Das Jahr 1969 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Baunatal. VW wächst und wächst und wächst. Im Baunataler Werk arbeiten jetzt 16 140 Menschen.

23.1. Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier kündigt nach heftiger Kritik an seinem Verhalten in Zusammenhang mit Wiedergutmachungszahlungen den Rücktritt an.

Melsungen. Schwere Unwetter mit sintflutartigem Regen verursachen im Kreisgebiet Schäden von 3 Millionen Mark. 21 Orte sind betroffen.

5.2. Das Bundeskabinett billigt das so genannte Airbus-Projekt. Dabei handelt es sich um die gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien geplante Produktion eines MittelstreckenGroßflugzeuges.

Treysa. Festtag für die Anstalten Hephata in Treysa: Das bisher größte Bauwerk der Anstalten, die für fünf Millionen Mark errichtete Nervenklinik, wird feierlich eingeweiht.

5.3. In West-Berlin wird der SPDPolitiker Gustav Heinemann im dritten Wahlgang mit 512 Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt. Auf Gerhard Schröder, den Kandidaten der CDU/CSU, entfallen 506 Stimmen. Heinemann spricht von einem „Stück Machtwechsel“.

Kassel. Die belgischen Soldaten verlassen die Stadt. Hofgeismar. Die Altstadtsanierung beginnt. Kassel. Auf dem Bahnhof KasselUnterneustadt wird die erste Container-Umschlagstelle in Nordhessen in Betrieb genommen.

Das letzte „Fräulein vom Amt“ Ihnen wurden allein wegen ihrer netten Stimme Heiratsanträge gemacht, ungeduldige Zeitgenossen wünschten sie manchmal allerdings auch auf den Mond: Jahrzehntelang wa-

Lothar Behnke (26) aus Wilhelmshaven, besser bekannt als DJ Ralf, stellt in der Kasseler Diskothek „Old Ranch“ einen Weltrekord im Plattendauerauflegen auf: 685 Stunden. Zwischendurch muss er Sauerstoff aus einem Atemgerät der Feuerwehr tanken. Foto: Lengemann

Baader und Ensslin im Beiserhaus RENGSHAUSEN. Im Juli und August 1969 rumorte es im Beiserhaus in Rengshausen (Kreis Frit lar-Homberg). Immer ieder kamen Akti isten der Studentenbe egung in den Ort und riefen um Widerstand gegen Er ieher und Heimleitung auf. Z ei Mal aren Andreas Baader und Gudrun Ensslin unter ihnen. Einige Heimbe ohner ogen u den Studenten nach Frankfurt, darunter Peter-Jürgen Boock, der später als einer der Schle er-Entführer traurige Berühmtheit erlangte.

Ulrike Meinhof Auch das Mädchener iehungsheim in Gu hagen geriet massi in die öffentliche Kritik. Die Journalistin Ulrike Meinhof recherchierte und quartierte sich mehrere Tage in Gu hagen ein. Das Ergebnis ar frappierend: Schüler organisierten sich. Das Schülerkomitee an der Melsunger Gesch ister-Scholl-Schule lud Ulrike Meinhof ein. Sie nahm an einem ihrer Gesprächsforen im De ember 1969 teil. Meinhof prangerte auch die Verhältnisse im Waberner Eriehungsheim an: den Kar er, die Prügel und die geschlossene Abteilung. Bald darauf ging sie in den Untergrund, utiefst frustriert, dass Veränderungen aus ihrer Sicht auf friedlichem Weg nicht möglich aren. (t.s.) Mehr auf

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ren die „Fräuleins vom Amt” die Bindeglieder, um die Verbindung zwischen zwei Telefonen herzustellen. Dieser Abschnitt Postgeschichte endete in Kassel am 4. März 1969

pünktlich um 11 Uhr. Doris Schenk (Foto), das letzte „Fräulein vom Amt”, beendete in der Hauptvermittlungsstelle Kassel ihren Dienst. Von diesem historischen Augenblick an

wurden die letzten handvermittelten Gespräche vom Fernamt Hannover übernommen, und Doris Schenk wechselte zur Fernsprechauskunft. (use)

Hanomag-Henschel Fahrzeugbau baute leichte bis schwere Nutzfahrzeuge KASSEL. Die komplette Bandbreite on Nut fahr eugen aus einer Hand: Die Ehe ischen der Lk -Sparte der Kasseler Maschinen- und Fahreugschmiede Henschel und der Hanno erschen Maschinenbau AG (Hanomag) im Jahr 1969 hat das ermöglicht. Hanomag-Henschel Fahr eugbau lieferte allerdings nicht lange Modelle om leichten Transporter bis um 2 -Tonner. In den 197 ern schluckte Daimler-Ben den Betrieb. Henschels Stern beim Nut fahreugbau ging unter, der on Daimler stieg eiter auf. Die Henschel-Werke, die 1848 den Grundstein für den Lokomoti bau mit dem legendären „Drachen“ legten, produ ierten seit 1925 neben Omnibussen mittelsch ere bis sch ere Lk . Geringe Stückahlen und das fehlende eigene Händler- und Ser icenet steckten enge Gren en, den E port in die Höhe u schrau-

196Aus Henschel (links) wird Daimler-Benz (rechts): Die HanomagHenschel Fahrzeugbau GmbH bestand nur wenige Jahre. Foto: Archiv ben. Henschel arb daher in den Nachbarländern um Partner bei der Programmgestaltung und -abstimmung. 1961 biss der fran ösische Nut fahr eugbauer Sa iem an, 1963 die britische RootesGruppe. Be or die internationale Zusammenarbeit Früchte tragen konnte, übernahmen die Rheinischen Stahl erke

4 die Kasseler Henschel Werke AG. Hanomag gehörte schon länger u den Stahl erken – ein Spe ialist für Traktoren, Kleintransporter und leichte bis mittelsch ere Lk . Die Modellpallette ergän te sich, die Kon ernspit e straffte die Strukturen. Henschels Nut fahr eugsparte kümmerte

sich um Vertrieb und Wartung der Hanomag-Fahr euge. Die Stahlkrise leerte Ende der 196 er-Jahre die Kassen der Rheinischen Stahl erke. Das Unternehmen musste sich einen finan starken Partner suchen, der sich an der gemeinsamen Lk -Sparte on Hanomag und Henschel beteiligen sollte. Bei der Gründung der Fahr eugbau GmbH 1969 griff Daimler-Ben u und sicherte sich 51 Pro ent. Da die Finan sorgen bei den Stahlerken anhielten, erkaufte der Kon ern Ende 197 auch die erbliebenen Anteile an die Stuttgarter. Der neue Eigentümer stellte die Lk on Hanomag-Henschel kontinuierlich auf Daimler-Technik um, sortierte die Modellpalette nach und nach aus. Mitte der 7 er-Jahre tilgte DaimlerBen den Markennamen Hanomag-Henschel om Markt.

Auch der Landrat war sauer Fernsehfilm stempelte die Frankenberger zu typischen deutschen Kleinstädtern FRANKENBERG. Skandal um einen Dokumentarfilm: Der NDR-Film „Der deutsche Kleinstädter“ erschütterte 1969 nicht nur Frankenberg, sondern die gan e Republik. Drei Wochen lang hatten die Regisseure Theo Gallehr und Rolf Schübel Frankenberg mit der Kamera inspi iert. Ihr Film präsentierte entlar ende Stammtischkommentare, selbst ufriedene Kommunalpolitiker, enig streikbereite Arbeiter und kritische Schüler, Hinterhöfe mit erfallender Bausubstan . Es hagelte Zuschauerbriefe, Landrat Heinrich Kohl er-

24.5. Zwei Spieltage vor Ablauf der Bundesligasaison steht der FC Bayern München als Deutscher Fußballmeister fest.

Foto: Lengemann

Kurzes Leben einer Marke VON ANDREAS NORDLOHNE

9.5. Der Bundestag verabschiedet einige rechtliche Neuerungen, die als erster Schritt zu einer großen Strafrechtsreform gesehen werden. Unter anderem wird ab dem 1. April 1970 die Zuchthausstrafe abgeschafft, und ab dem 1. September werden Ehebruch und Homosexualität straffrei.

12.6. Verabschiedung des Gesetzes über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Danach sind die Arbeitgeber verpflichtet, auch Arbeitern (ebenso wie bisher den Angestellten) den vollen Bruttolohnausgleich während der ersten sechs Krankheitswochen zu zahlen. 28.9. Nach den Wahlen zum 6. Deutschen Bundestag schließen Willy Brandt (SPD) und Walter Scheel (FDP) trotz knapper    

   

  

         



     

    

Mehrheiten die erste sozialliberale Koalition. Sie will – so Brandt – vor allem „mehr Demokratie wagen“.

Mehr Demokratie Kanzler Willy Brandt.

wagen: Foto: ap

... und die Welt

langte gar eine „Gegendarstellung“. Bei den Frankenberger

Kommunalpolitikern löste der Film einen

übereilten Einstieg in die Altstadtsanierung aus. ( e)

21.7. Über 500 Millionen verfolgen weltweit live am Bildschirm, wie der Amerikaner Neil Armstrong als erster Mensch den Fuß auf die Mondoberfläche setzt. Er sagt dazu: „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit“.

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Das Jahr 1970 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik 1970 Deutschland

Kassel. Der 18. Februar markiert ein historisches Datum in der Stadtgeschichte: An diesem Tag beschloss die Hessische Landesregierung in einer Sitzung im Kasseler Rathaus die Gründung der Gesamthochschule.

13.2. Bei einem Brandanschlag vermutlich arabischer Terroristen auf das Altersheim der Israelitischen Kultusgemeinde in München kommen sieben Menschen ums Leben. 29.3. Die Fernsehsender ARD und ZDF benutzen für die Wettervorhersage erstmals eine Karte Europas ohne Grenzen. Bisher zeigten die Sender auf ihren Wetterkarten die Grenzen des Deutschen Reichs von 1937.

Hofgeismar. Der Landkreis Hofgeismar kauft das Jugendheim Panorama in BerchtesgadenSchönau. Karlshafen. Im November wird das älteste Schiff der Oberweserdampfschiffahrtsgesellschaft , der 70 Jahre alte Schaufelraddampfer „Kaiser Wilhelm“, an das Elbschifffahrtsmuseum Lauenburg verkauft, wo er bis heute vor allem Touristen befördert. Der Verkauf wird an der Oberweser schon bald bedauert. Homberg. Hoffnung auf Ansiedlung eines VW-Zweigwerks mit 500 Arbeitsplätzen in Homberg . Der Grundstücksvertrag wird unterschrieben, doch das Werk bleibt ein Traum. Kassel. Die Deutschen packt das Fernweh. Deshalb ist der Andrang zur ersten Messe „Reise Urlaub - Freizeit + Hobby“ (RUF 70) in der Stadthalle groß.

Glashütte Süßmuth an die Mitarbeiter

Richard Süßmuth (1900-1974) Foto: privat/nh

IMMENHAUSEN. Weil die eltbekannte Glashütte Süßmuth in Immenhausen nach einer Wirtschaftsflaute und egen ersäumter Rücklagenbildung in Not geraten ist, übergibt Richard Süßmuth am 17. Mär 197 die Firma in einer be egenden Ansprache an die Mitarbeiter. Sie sind bereit, die Firma bei Lohn ericht und unbe ahlten Überstunden u übernehmen. Unter einem neuen Geschäftsführer produ iert die 1898 gegründete und 1946 on Süßmuth iedereröffnete Hütte eiter, ist aber doch nicht u retten. Im Oktober 1996 schließt sie endgültig die Tore. (tt )

Damen schnüren Fußballstiefel WABERN. Die Eman ipation hat auch auf dem Fußballplat begonnen: Im damaligen Kreis Frit lar-Homberg urde die erste Damenfußballmannschaft gegründet. Sie gehörte um Tuspo 19 Wabern. Das erste Spiel bestritt die Elf gegen die Alten Herren und erlor or 8 Zuschauern nur mit 5:6. Die Idee ur Gründung der Damenmannschaft ar beim Karne al entstanden, als das Ballett in Fußballerkostümen auftrat. (rbg) Mehr auf

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4.5. Borussia Mönchengladbach wird erstmals Deutscher Fußballmeister.

Linke gegen Rechte und Polizisten gegen Demonstranten: Wie hier in der Weinbergstraße kam es beim deutsch-deutschen Gipfel in Kassel mehrfach zu schweren tätlichen Auseinandersetzungen. Polizeipräsident Herbert Ahlborn musste sich in den Tagen danach kritische Fragen zu seinem Einsatzkonzept gefallen lassen. Foto: Lengemann

14.5. Der 1968 wegen Kaufhaus-Brandstiftung verurteilte Andreas Baader wird unter Mitwirkung von Ulrike Meinhof (Foto) befreit. Dabei wird ein Justizbeamter lebensgefährlich verletzt. Die Gewalttat gilt als Geburtsstunde der Roten Armee Fraktion (RAF).

Die Welt blickt auf Kassel

21.6. Bei den Fußballweltmeisterschaften in Mexiko wird Brasilien nach dem 4:1-Sieg über Italien Weltmeister.

Zweites innerdeutsches Gipfeltreffen Brandt/Stoph – Eine Stadt im Ausnahmezustand

31.7. Durch eine Grundgesetzänderung wird in der Bundesrepublik das aktive Wahlalter auf 18 Jahre herabgesetzt.

VON WOLFGANG BLIEFFERT

A

m Donnerstag, 21. Mai, ist für Kassel der große Tag endlich gekommen: Gegen 9:3 Uhr trifft die DDRDelegation mit einem Sonderug auf dem Bahnhof Wilhelmshöhe ein. An Gleis 3 begrüßt ein ernst irkender Bundeskan ler Will Brandt seinen Gast, DDR-Ministerpräsident Willi Stoph. Es ist erst das eite Treffen der Regierungschef der beiden deutschen Staaten nach dem historischen Besuch Brandts enige Wochen u or in Erfurt. Die Menschen im geteilten Deutschland hoffen, dass on Kassel aus ein Signal für erbesserte Be iehungen ausgehen möge. 1 Journalisten aus dem In- und Ausland sind u dem mit Spannung er arteten Gipfel angereist, freie Hotel immer gibt es schon seit Tagen nicht mehr. Vor dem Schlosshotel ragen Fernsehsendemasten in die Höhe. Begleitet on sieben Motorradfahrern der Kasseler Poliei fahren Brandt und Stoph durch ein dichtes Spalier inkender Menschen über die Wilhelmshöher Allee Richtung Schlosshotel. Die Stimmung ist durch Demonstranten jeglicher Couleur aufgehei t. Knallkörper e plodieren, Flugblätter ir-

beln durch die Luft, ein Mann irft sich auf die Kühlerhaube der mit den Standern der Bundesrepublik und der DDR geschmückten Mercedes-Limousine. Endlich erreicht die Wagenkolonne den eiträumigen Sperrbe irk, der rund um das Schlosshotel errichtet orden ist.

Flaggen-Zwischenfall Be or die Gespräche überhaupt inhaltlich erden können, unterbricht Stoph den Bundeskan ler. Gerade hat man ihm einen Zettel in den Tagungssaal gereicht: Drei Rechtse tremisten aus Schlesig-Holstein, die sich als Journalisten getarnt in den Sperr-

bereich schleichen konnten, haben die DDR-Flagge or dem Schlosshotel om Mast geholt. Stoph protestiert, Brandt entschuldigt sich, die Gesprächsatmosphäre ist gerei t. Gegen Mittag be irtet Brandt seinen Gast mit Stangenspargel in Sauce Vinaigrette, Neunahrer Rindfleisch, gespicktem Rehrücken mit Rahmtunke, Pfifferlingen, Stangensellerie, Spät le und frischen Erdbeeren. Gereicht ird unter anderem ein 1963er Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder. Nachmittags steht das Gipfeltreffen plöt lich or dem Abbruch. Stoph ill ie geplant am Mahnmal für die Op-

fer des Faschismus im Fürstengarten am Weinberg einen Kran niederlegen. Doch dort und an anderen Stellen in der Stadt prügeln in ischen rechte und linke Demonstranten aus der gan en Bundesrepublik aufeinander ein, es kommt ur Auseinandersetungen mit der trot Verstärkung überforderten Kasseler Poli ei. Die DDR-Delegation bläst die Kran niederlegung ab, eil „die BRD-Behörden die Sicherheit des Ministerpräsidenten nicht ge ährleisten“ könnten. Die Stimmung sinkt auf den Nullpunkt. Erst am Abend, als die meisten Demonstranten abge ogen sind und die Poli ei die Lage ieder im Griff hat, kann Stoph seinen Kran doch noch niederlegen. Eine neue Peinlichkeit ird erst am nächsten Morgen bekannt: Unbekannte ent enden nachts die Schleifen des Kran es.

Denkpause

Gespannte Atmosphäre: DDR-Ministerpräsident Willi Stoph (links) und Bundeskanzler Willy Brandt im Kasseler Schlosshotel.

Doch da on eiß noch niemand et as, als Kan ler Brandt seinen DDR-Besucher gegen 22 Uhr auf dem Bahnhof erabschiedet. Man ill eine Denkpause einlegen, aber den Dialog fortset en. Kassel atmet auf, der aufregendste Tag der Nachkriegsgeschichte ist u Ende.

Linienflüge nach Köln/Bonn

5.9. Beim Training zum Großen Preis von Monza verunglückt der in der WM führende Formel-IFahrer Jochen Rindt tödlich. 9.10. Die FDP-Abgeordneten Erich Mende, Heinz Starke und Siegfried Zoglmann wechseln aus Protest gegen die sozial-liberale Koalition zur CDU/CSU über.

Erfolgreiche Serie: Schulmädchen-Report. Foto: dpa 23.10. Mit der Premiere des als Aufklärungs-Film bezeichneten Schulmädchen-Reports beginnt eine erfolgreiche, 13-teilige Sexfilmserie. 7.12. Kanzler Willy Brandt und Polens Ministerpräsident Jozef Cyrankiewicz unterzeichnen den Warschauer Vertrag zur Normalisierung der Beziehungen. Bei einer Kranzniederlegung am Denkmal für die Opfer des Warschauer Gettos kniet Brandt spontan nieder. Das Bild von Brandts Kniefall geht um die Welt. Erfolgreichstes Buch des Jahres ist Hildegard Knefs „Der geschenkte Gaul“.

Zwei Tage Hochbetrieb bei der Eröffnung des Regionalflughafens Kassel-Calden VON FRANK THONICKE KASSEL. Am 11. Juli 197 ar es so eit: Der Regionalflughafen Kassel-Calden urde eröffnet. Prominentester Gast ar der hessische Ministerpräsident Albert Os ald, der mit einer 4 -sit igen Passagiermaschine aus Frankfurt gekommen ar und on Kassels Oberbürgermeister Karl Branner begrüßt urde. In Frankfurt hatte es geregnet, in Calden schien die Sonne – doch die Miene des Ministerpräsidenten erfinsterte sich usehens. Denn auf der Pressekonferen anlässlich der Eröffnung urde kriti-

siert, dass das Land nur sechs Millionen Mark u den Kosten on 21 Millionen für den Flugplat da u gab. Os ald damals: „Wir müssen sehen, ie sich die Dinge ent ickeln.“ Zu or hatte Albert Os ald die Prognose ge agt, dass Kassel-Calden die Drehscheibe des regionalen Flug erkehrs in Hessen sein erde. Als Geschenk hatte der Ministerpräsident 25 Mark mitgebracht – ein Zuschuss für das Funkfeuer des Flugplat es. Kassels Oberbürgermeister Branner hatte erklärt, der Plat habe nicht nur für Kassel, sondern für „den gan en nordhessischen Raum“ Bedeu-

tung: „Sonst hätten nicht gebaut.“

ir ihn

Gelbe Nelken für die Ersten Vor der Feierstunde aren 8 Flug euge in Kassel-Calden gelandet – Teilnehmer eines Sternfluges mit dem Motto „Ab nach Kassel“. Und am Morgen der Feierlichkeiten ar eine „Con air Metropolitan“ mit 4 Tagesausflüglern aus Hamburg nach Calden geflogen. Die ersten Flugtouristen in Nordhessen bekamen gelbe Nelken überreicht. Anlässlich der Eröffnung herrschte ei Tage Hochbetrieb auf dem Flugplat . Blechla inen äl ten sich nach

Calden. Die ein ige Zufahrtsstraße ar hoffnungslos überlastet. Und auch die Rundflüge aren heiß begehrt. Am Eröffnungstag ählte man in Kassel-Calden 7 Flugbe egungen. Z ei Tage nach der Eröffnung erließ die erste Linienmaschine der Gesellschaft General Air Calden. Ihr Ziel: Köln/Bonn und Düsseldorf. Außerdem gab es eine Linienerbindung nach Hanno er. Die Flüge urden on der Kasseler Flughafen GmbH sub entioniert. Geflogen urde mit Hochdeckern des T ps „Dornier-Sk ser ant“, die Plat für ölf Passagiere hatten.

... und die Welt 30.4. Auf Befehl von US-Präsidenten Richard Nixon marschieren US-Truppen von Südvietnam aus in Kambodscha ein. 18.9. Der Rockgitarrist Jimi Hendrix (27) stirbt an den Folgen überhöhten Alkoholgenusses und der Einnahme von Schlaftabletten in London. Am 4.10. stirbt die Sängerin Janis Joplin (Foto) in Los Angeles an einer Überdosis Heroin.

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Das Jahr 1971 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Die Landkreise Kassel, Hofgeismar und Wolfhagen schließen sich am 1. November 1971 zum Landkreis Kassel zusammen. Zum Landrat wird Herbert Günther (SPD) gewählt, bisher Landrat des Untertaunuskreises.

8.2. Das Bundesverteidigungsministerium erlässt den Haarnetz-Befehl. Dementsprechend müssen Soldaten, deren Haare über den Hemdkragen reichen, aus Sicherheitsgründen ein Haarnetz tragen. 7.5. Die Kreditinstitute in der Bundesrepublik , in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg beschließen die Ausgabe einheitlicher „eurocheques“ und „eurocheque“-Karten.

Schwalmstadt. Seit Jahresbeginn gibt es die Stadt Schwalmstadt. In dem Ort, zu dem sich Ziegenhain, Treysa und Nachbargemeinden zusammenschlossen, leben jetzt 17 000 Einwohner.

13.5. Bundesfinanzminister Alex Möller (1903-1985) tritt auf Grund der kritischen Haushaltslage zurück. Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller (ebenfalls SPD) übernimmt dessen Ministerium mit.

Kassel. Auf der Strecke der Kleinbahn Kassel-Naumburg verkehrt die letzte Dampflokomotive, danach fahren nur noch Dieseltriebwagen und Busse.

6.6. 374 Frauen aus der Bundesrepublik geben in der Hamburger Illustrierten „stern“ bekannt:

Baunatal. Das neue Altenzentrum des Landkreises Kassel mit 156 Plätzen, für knapp 8 Millionen Mark erbaut, geht in Betrieb.

Bohrung stößt in Arolsen auf Mineralwasser AROLSEN. Die Suche nach einer Mineral asserquelle ist erfolgreich. Im Park hinter dem Neuen Schloss stößt man in 4 Meter Tiefe auf eine Wasserader. Anal sen ergeben einen Mineralgehalt, der die Verleihung des Prädikats Heil asser im Jahr 1976 rechtfertigt. Die Heilquelle Schlossbrunnen bringt die Stadt einen großen Schritt eiter in ihrem Bestreben, den Namen Bad Arolsen führen u dürfen. 1977 ist es dann so eit. Als Luftkurort ar Arolsen schon 1956 anerkannt orden. Das milde Bitter asser irkt lokal auf die MagenDarm-Schleimhäute, die Leber ellensekretion und die Gallenfunktion. Da u ist es kochsal arm und hat mit einem Fluoridgehalt on 1,5 Milligramm eine günstige Relation für die Zahn-Karies-Proph la e. (hpo)

Spengler/Stock Weltmeister im Wildwasser

Ein Schluck auf die Weltmeister (von links): Walter Spengler, Günter Beck und Peter Stock. Foto: nh

KASSEL. Eines der drei Boote, die beim Mannschafts ettbeerb der Kanu-Wild asserWM 1971 in Meran an den Start gehen, ist mit einem nordhessischen Duo beset t. Der Kasseler Walter Spengler (26) und der Melsunger Peter Stock (31) kehren als Weltmeister urück und knüpfen damit an den Erfolg an, den der Kasseler Günter Beck 1957 mit dem Titelge inn in Augsburg im Kanu-Slalom gefeiert hatte. (geb) Mehr auf

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Sababurg wieder Heimat für bedrohte Tiere Anfangs kritisch beobachtet (die Junge Union forderte sogar einen Baustopp), wird der 1571 geschaffene erste Wildpark Europas vom Landkreis Hofgeismar 1971 zum 400-jährigen Bestehen wieder ins Leben gerufen. In dem Jahr wird

der Tiergarten an der Sababurg zunächst provisorisch für Besucher freigegeben – mit einem Eintrittskarten-Automaten. Der Park, der dann Pfingsten 1973 offiziell eröffnet wird, widmet sich vor allem dem Erhalt und der Rückzüchtung be-

drohter heimischer Tierarten wie Wisenten, Ure und Wildpferden. Später kommen Luchse, Wölfe und andere Arten hinzu. Experimentell war die Unterbringung der drittstärksten Wisentherde Europas. Das Technische Hilfswerk setzte

schweres Gerät ein, um eine Umzäunung aus Baumstämmen anzubringen. Man wusste nicht, dass es für den Leitbullen ein Kinderspiel gewesen wäre, den Zaun umzudrücken. Später wurde entsprechend nachgebessert. (tty) Foto: Archiv

GhK nimmt Fahrt auf Am 25. Oktober 1971 wurde die Hochschulgründung mit wenig Pomp gefeiert VON BEATE EDER KASSEL. Im Rückblick ar die Gründung der damaligen integrierten Gesamthochschule (GhK) das beste, as Kassel je passieren konnte. Die Hochschule hat das Gesicht dieser Region grundlegend erändert: Sie ist ein ichtiger Wirtschaftsfaktor mit der Ausgründung des Solartechnikherstellers SMA als Zugpferd. Die Uni hat junge Leute in die Stadt geholt, er ielt ichtige Forschungsergebnisse in Um elt issenschaften so ie moderner Technologie. Sie hat Maßstäbe für die Lehrerbildung geset t, und sie bietet den Studenten ein breites Fächerspektrum aus ihren Kompeten feldern Natur, Technik, Kultur, Gesellschaft. Die Uni ist Motor für die Stadtent icklung rund um den Holländischen Plat . Denn die Tage des Standorts in Ober ehren sind ge ählt. Aber bei der enig pompösen Gründungsfeier am 25. Oktober 1971 mit Kultusminister Lud ig on Friedeburg und Ministerpräsident Albert Oss ald ar diese Ent icklung nicht ab usehen und die

Hochschul-Neubau auf der Grünen Wiese: Zur Eröffnung der Kasseler Gesamthochschule in Oberzwehren am 25. Oktober 1971 durften auch die Schilder nicht fehlen. Archivfoto: Baron Diskussion, in elche Richtung sich die Uni baulich entickeln sollte, gerade am Anfang. Damals begannen 2913 junge Leute mit dem Studium, heute studieren über 18 . Die Grundlagen für eine Unigründung aren in der Nordhessenmetropole durchaus gegeben: Es gab eine Hochschule für bildende

Künste, eine Ingenieurschule, die Höhere Wirtschaftsfachschule und die land irtschaftliche Hochschule in Wit enhausen. Vor allem hielten die Stadt Kassel und eine kleine Gruppe on Bürgern hartnäckig an der Idee einer Hochschule fest. Damit sollte das Bildungsangebot für die nordhessischen Schulabsol enten

erbessert erden. Die GhK gab sich reformbe egt und e perimentierfreudig, as u der Aufbruchstimmung der 197 er-Jahre passte. Statusunterschiede ischen Fachhochschule und Uni sollten abgebaut erden; in den gestuften Studiengängen, die damals „integrierte“ hießen, studierten alle gemeinsam. Chancengleichheit und Eman ipation hießen die Zauber orte. Interdis iplinäre Themen, übergreifende Arbeit an Projekten und Pra isanteile im Studium urden obligatorisch. Das bildungspolitische E periment urde bald Gegenstand konser ati er Kritik und der Ruf nach einer „richtigen“ Uni laut. Die Reformhochschule hat diese Stürme überstanden, sich in nun fast 4 Jahren an manchen Punkten selbst immer ieder reformiert. Aber sie steht mit ihrem Her stück, den gestuften Studiengängen, nach ie or an der Spit e der Be egung: Unter dem Etikett Bachelor/ Master prakti iert heute jede Hochschule in Europa genau dieses Modell aufeinander aufbauender Abschlüsse.

B. Braun rechnet mit Tempo Konzern wird zur AG umgewandelt und nimmt neues Rechenzentrum in Betrieb MELSUNGEN. Die Firma B. Braun Melsungen urde um 3 . September 1971 in eine Aktiengesellschaft umge andelt. „Mit diesem Schritt soll langfristig der Bestand der Gesellschaft als Familienunternehmen unter einheitlicher Leitung gesichert erden“, meldete der Wirtschaftsteil der „Welt“. Die beiden Inhaber Otto Braun und Dr. Bernd Braun aren fortan als Vorstandsmitglieder tätig, ebenso ie

Dr. Joachim fristig das notSchnell. Der endige Kapiheutige Kontal u beschafernchef Ludfen. Im Gegenig Georg sat u andeBraun trat ren Aktiengeum 1. Oktosellschaften ber in den Vor- Von Firmenchefs zu AG-Vor- hatte die B. standsmitgliedern: Otto (links) Braun Melsunstand ein. Die Um- und Dr. Bernd Braun. Fotos: Archiv gen AG keinerandlung in lei Aktien im eine AG schaffte die Voraus- öffentlichen Umlauf. Bis heute set ung, um bei ständig ach- befinden sich die Anteile des senden In estitionsbedürfnis- Unternehmens ausschließlich sen auf dem Geldmarkt kur - in Familienbesit .

Ein eiterer Meilenstein für B. Braun ar 1971 die Eröffnung eines Rechen entrums, um eine neue, größere Datenearbeitungsanlage u beherbergen. Deren große Stärke liege darin, dass sie „mit Gesch indigkeiten rechnet, die für iele Menschen un orstellbar sind“, hieß es in der Mitarbeiter eitschrift om De ember 1971. Heute, 38 Jahre später, hantiert mancher Schüler mit einem schnelleren Taschenrechner. (as )

Spektakulärer „stern“-Titel: Wir haben abgetrieben. „Wir haben abgetrieben“. Die Selbstbezichtigungskampagne erregt großes Aufsehen. 6.6. Einen Tag nach Beendigung der Fußballsaison 1970/71 enthüllt der Präsident des Absteigers Kickers Offenbach, Horst Gregorio Canellas, dass durch Geldzuwendungen Spiele der Bundesliga manipuliert wurden. Meister wird erneut Borussia Mönchengladbach. 1.7. In der Bundesrepublik haben Frauen ab 30 und Männer ab 45 einmal pro Jahr gesetzlichen Anspruch auf kostenlose KrebsVorsorgeuntersuchungen, damit vor allem Erkrankungen schon im Frühstadium erkannt und behandelt werden können. 10.9. Die Bundesregierung beschließt die Verkürzung des Grundwehrdienstes von 18 auf 15 Monate. 10.12. Bundeskanzler Willy Brandt wird in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die Ostpolitik des Bundeskanzlers wird als Beitrag zur Überwindung der Konfrontation zwischen den Machtblöcken in Europa betrachtet. Modehit des Jahres sind HotPants – Hosen in der Länge eines Minirocks.

... und die Welt 7.2. In der Schweiz wird durch Volksabstimmung das passive und aktive Wahlrecht für Frauen auf Bundesebene eingeführt. 3.5. Walter Ulbricht tritt aus Altersgründen vom Amt des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees (ZK) der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zurück. Sein Nachfolger wird Erich Honecker (Foto).

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60 Jahre Bundesrepublik

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BRD-LI

Das Jahr 1972 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Helsa. Die erste hessische Bürgerinitiative bildet sich in Helsa. Die Bürger stemmen sich erfolgreich gegen den Beschluss der Gemeindevertreter, für eine autogerechte Ortsdurchfahrt im Zentrum Fachwerkhäuser abzureißen. Der historische Ortskern bleibt erhalten, die Bürgerinitiative wird von der PaulDierichs-Stiftung ausgezeichnet.

28.1. Auf dem Höhepunkt der Fahndung nach Mitgliedern der Rote Armee Fraktion (RAF) beschließen die Regierungschefs von Bund und Ländern unter Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt den so genannten Radikalenerlass. Danach können Mitglieder extremer Organisationen aus dem öffentlichen Dienst fern gehalten werden.

Witzenhausen. Mit dem Bau von Hochwasserschutzanlagen an der Werra haben die Überflutungen in der Stadt endlich ein Ende.

27.4. Im Bundestag scheitert das Konstruktive Misstrauensvotum der CDU/CSU gegen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). Der Antrag, Oppositionsführer Rainer Barzel (CDU) zum Kanzler zu wählen, verfehlt um zwei Stimmen die Mehrheit.

Kassel. Der Neubau des Kommunalen Gebietsrechenzentrums (KGRZ) wird von Ministerpräsident Albert Osswald seiner Bestimmung übergeben.

1.6. Die RAF-Terroristen Andreas Baader, Holger Meins und Jan Carl Raspe werden nach einem Schusswechsel mit der Polizei in Frankfurt festgenommen. -

Weniger Arbeit, aber die Preise steigen KASSEL. Waren bis or kurem noch die Arbeitskräfte knapp, so beklagt Kassels Oberbürgermeister Karl Branner jet t eine steigende Arbeitslosigkeit. 25 Stellen in sechs Großbetrieben urden gestrichen. Gleich eitig ird das Leben spürbar teurer. „Mehr Groschen”, die durch den Auspuff der Autos gejagt erden, beklagt die Zeitung. Der Ben inpreis ird um iereinhalb Pfennig angehoben. Ein Liter Superben in kostet jet t 64,5, Normalben in 56,9 Pfennig. Die Post erhöht das Porto. Die Beförderung des Standardbriefs kostet ab 1. Juni 4 (statt 3 ) Pfennig, die Postkarte nun 3 statt 25 Pfennig. Elektrischer Strom ird ebenfalls teurer. Die Städtischen Werke in Kassel heben den Grundpreis um 1,6 DM und die Zählergebühr um 5 Pfennig an. Der Kilo attstundenpreis bleibt bei 1 Pfennigen. (tos)

Ab sofort gilt auf Landstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geschwindigkeitsbegrenzung: „Tempo 100“.

Im Rückblick gilt die documenta 5, die vom 30. Juni bis 8. Oktober 1972 in Kassel zu sehen war, als eine der wichtigsten Kunstausstellungen des 20. Jahrhunderts. Doch von den 220 000 Besuchern empfanden viele die von Harald Szeemann konzi-

pierte Schau als Skandal. Weil sie Kunst und Nichtkunst gleichsetzte, Kitsch und Werbung integrierte und zahlreiche Aktionen von AvantgardeKünstlern zeigte. Joseph Beuys diskutierte 100 Tage lang in seinem „Büro für direkte Demo-

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kratie“ mit Besuchern. So gewann die Ausstellung eine politische Dimension. Eine wichtige Entdeckung waren die Fotorealisten. Witzig: Das Plakatmotiv zur documenta 5 wurde durch Ameisen auf rotem Grund gebildet. (w.f.) Fotos: Archiv

Ameisen bildeten den Namen der documenta 5.

26.8.-11.9. Die XX. Olympischen Sommerspiele finden in München und Kiel statt. Mitglieder der arabischen Organisation

Eine Spur der Verwüstung Sturmtief „Quimburga“ erreichte Orkanstärke – Hohe Schäden im Reinhardswald VON PETER OCHS

Als Köhler vom Olympiasieg träumte RHODEN. Hermann Köhler aus Diemelstadt-Rhoden durfte am 1 . September kur on der Goldmedaille träumen. Die deutsche 4 4 -MeterStaffel ging bei den Ol mpischen Spielen in München als heiHermann ßer Fa orit Köhler ins Rennen. Köhler auf Position drei bekam den Staffelstab on HorstRüdiger Schlößke als Erster, erteidigte den knappen Vorsprung und übergab an Karl Hon . Der ar eigentlich damals Deutschlands bester 4 -Meter-Läufer, aber im Finale außer Form. So musste Hermann Köhler machtlos usehen, ie Hon on den Schlussläufern aus Kenia, Großbritannien und Frankreich überholt urde. „Den ierten Plat haben ir damals als totalen Misserfolg empfunden“, sagt Köhler heute noch. (geb)

18.6. Durch einen 3:0-Sieg über die UdSSR wird das deutsche Team in Brüssel Fußball-Europameister. Die meisten Spieler stellt Meister Bayern München.

documenta 5 schockte das Publikum

Im Reinhardswald sah es nach dem Orkan aus, als hätten Riesen Mikado mit ganzen Bäumen gespielt. Rund 200 000 Festmeter Holz fielen dem Sturm zum Opfer. Foto: Baron

KASSEL. Als „NiedersachsenOrkan“ ging er in die Geschichte ein. Sch erste Schäden richtete das Sturmtief „Quimburga“ am 13. No ember aber auch in Nordhessen und hier or allem im Reinhards ald an. Zehn Meter über dem Boden erreichte der Orkan Spit engesch indigkeiten on 17 km/h. In Esch ege starb ein 81Jähriger, als eine Böe ihn on der Leiter blies. In den Wäldern hinterließ er eine Spur der Ver üstung. Straßen und Bahnstrecken aren on umgestür ten Bäumen blockiert. Auf dem Flugplat Kassel-Calden urden ei Sportmaschinen auf den Rücken ge orfen. In Frit lar stür te on der Haube des süd-

lichen Domturms ein ei Zentner sch eres Steinkreu in die Tiefe und durchschlug das Dach des Altenheims St. Peter. Menschen kamen nicht u Schaden. In Kassel-Waldau riss der Sturm die Flachdächer on ei Hochhäusern. Die Trümmer stür ten auf Geh ege und einen Kinderspielplat . Glücklicher eise urde niemand erlet t. Auf dem Werksgelände on HanomagHenschel in Kassel erfet te der Orkan eine Traglufthalle. Viele Autos urden durch Bäume, Äste und Dach iegel sch er beschädigt. Wer keine Kasko ersicherung abgeschlossen hatte, blieb auf seinen Kosten sit en. Der Schaden in den deutschen Wäldern urde mit mehr als einer Milliarde Mark be iffert.

Anschlag auf die Spiele: Terroristen im Olympischen Dorf. „Schwarzer September“ verüben im Olympischen Dorf ein Attentat auf die israelische Olympiamannschaft. Bei dem Anschlag sowie bei dem polizeilichen Versuch, die von den Terroristen als Geiseln genommenen Israelis zu befreien, werden elf Israelis, ein deutscher Polizist und fünf Terroristen getötet. 29.10. Arabische Terroristen entführen eine Lufthansa-Maschine nach Libyen. Passagiere und Besatzung werden gegen drei nach dem Olympia-Anschlag inhaftierte Attentäter ausgetauscht. 19.11. Bei der Bundestagswahl wird die SPD erstmals stärkste Fraktion. Die SPD/FDP-Koalition regiert weiter.    

Der Kanzler gab den Start frei

   

     

Viel Prominenz kam zur Einweihung des Presse+Druckzentrums in Kassel VON FRANK THONICKE KASSEL. Großer Bahnhof bei der Ein eihung des neuen Presse+Druck entrums unserer Zeitung in Kassel. Der Kan ler, ei Bundesminister und der Parlamentspräsident kamen. So iel Prominen , urde damals angemerkt, habe es „im Zonenrandgebiet“ ohl noch nie gegeben. Erschienen aren Bundeskan ler Will Brandt (SPD), Bundestagspräsident Kai U e on Hassel (CDU), Bundesaußenminister Walter Scheel (FDP), Bundesinnenminister Hans Dietrich Genscher (FDP) und natürlich der hessische Ministerpräsident Albert Osald (SPD). Der Kan ler höchst persönlich gab den Start für das Pres-

se+Druck entrum frei, und allgemein urde die In estition für das neue Haus an der Frankfurter Straße in Kassel als gutes Beispiel für Strukturpolitik gelobt. Bundeskan ler Brandt sprach ausdrücklich on einen Beispiel für „ irtschaftliche Weitsicht und unternehmerische Risikobereitschaft.“ Viel Lob heimste bei den Eröffnungsfeierlichkeiten aber auch eine Initiati e des Verlegers Dr. Paul Dierichs ein: Er richtete für unächst ein Jahr einen Ombudsman ein, eine Besch erdeinstan , an die sich die Leser enden konnten. Will Brandt eigte sich beeindruckt da on, „ as in diesem Haus probe eise und frei illig auf den Weg gebracht erden soll.“

 



 

 

 

 

  

  

... und die Welt

Bundeskanzler Willy Brandt drückte auf den Knopf, und die große Zeitungsrotation begann sich zu drehen. Foto: Archiv

17.6. Fünf Männer werden bei einem Einbruch in das Wahlkampfhauptquartier der US-Demokraten im Watergate-Hotel in Washington ertappt und festgenommen. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Helfer des Komitees für die Wiederwahl des republikanischen Präsidenten Richard Nixon. Im Laufe der Watergate-Affäre geraten immer mehr Mitarbeiter des USPräsidenten - und schließlich er selbst - ins Zwielicht.

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60 Jahre Bundesrepublik

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Das Jahr 1973 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Rotenburg. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen wird in Rotenburg für zehn Millionen Mark eine Bundesschule errichten - auf einem von der Stadt zur Verfügung gestellten Grundstück. Aus der Bundesschule wurde die BKK-Akademie.

8.1. Das 1. Programm der ARD sowie 3. Programme beginnen mit der Ausstrahlung der amerikanischen Kinderserie Sesamstraße in deutscher Sprache. 3.2. Als erste Frau moderiert Carmen Thomas das Aktuelle Sportstudio im ZDF.

Witzenhausen. Im Gelstertal nimmt eine neue Papierfabrik die Produktion auf, 170 Arbeitsplätze sind entstanden. Wegen unkalkulierbarer Umweltbelastungen gibt es aber auch Proteste.

1.5. In Dortmund wird die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) eingerichtet. Der FC Bayern München wird mit elf Punkten Vorsprung wieder Deutscher Fußballmeister. Die Bayern waren seit dem ersten Spieltag Tabellenführer der Bundesliga.

Grebenstein. Funde der Archäologie-AG der Albert-SchweitzerSchule Hofgeismar weisen nach: Vor 80 000 bis 100 000 Jahren lebten Neandertaler in der Gemarkung Grebenstein. Korbach. In der Kreisstadt wird eine der seltenen Stradivari-Geigen entdeckt. Das 1714 gebaute Meisterstück hat einen Schätzwert von 800 000 Mark.

18.-22.5. Der sowjetische KPChef Leonid Breschnew besucht erstmals die Bundesrepublik.

Peterskopf: Eine der größten künstlichen Höhlen der Welt Drei Jahre lang haben sich die Bauarbeiter in den Berg vorgegraben, dann war sie fertig: 1973 wurde die Kaverne für das Pumpspeicherkraftwerk Waldeck II am Edersee fertiggestellt. Für den Bau dieser Kaverne wurde der Peterskopf von

Auf und am neuen Flughafen Kassel-Calden findet im Juni der „air market Kassel 1973“ statt, eine internationale Fachmesse der Luftfahrt. Witzenhausen. Im Dezember kommt das endgültige Aus für die Gelstertalbahn, die 1915 erstmals fuhr. Sie verband Witzenhausen mit Großalmerode und Hessisch Lichtenau.

Zur Premiere seines neuen Films „Oh Jonathan, oh Jonathan“ im Kaskade-Kino schwebt Hobbypilot Heinz Rühmann (72) mit seiner eigenen Sportmaschine in KasselCalden ein.

Harleshausen Vizemeister auf dem Großfeld KASSEL. 1973 urde noch Handball auf dem Großfeld gespielt, und um ein Haar äre der Deutsche Meister aus Kassel gekommen. Die SV Harleshausen traf im Finale in Wet lar auf den TV Groß allstadt und führte kur or Schluss 9:8. Den Ausgleich aber konnte Tor art Henne nicht erhindern, und in der folgenden Verlängerung dominierte der TV Groß allstadt, der schließlich mit 13:1 die Oberhand behielt. Für Harleshausen spielten: Henne - Behrend, Bock, H. Bork, Dekaris, Dippel, Fendler, Gau, Himmelmann, Koslo ski, Mögling, Nagelschmitt, H. Nordheim, Sattler. (geb) Mehr auf

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1970 bis 1973 regelrecht ausgehöhlt, wobei aus einer Tiefe von mehr als 800 Metern rund 107 600 Kubikmeter Ausbruchmaterial von den Bauarbeitern aus dem Berg geräumt werden mussten. Die fertige Höhle (links) hat eine Länge

von 106 Metern, ist 33,5 Meter breit und 54 Meter hoch. Die Maschinenhalle (rechtes Bild) befindet sich damit in einer der größten von Menschenhand geschaffenen künstlichen Höhlen der Welt. 1976 wurde das Pumpspei-

cherkraftwerk dann in Betrieb genommen. Zwei Maschinensätze, bestehend aus einer Turbine, Generator und Pumpe, produzieren bei Volllastbetrieb in dem Kavernenkraftwerk zusammen 440 Megawatt. (ukl) Fotos: nh

Lok zermalmte 1.-Klasse-Wagen 13 Tote bei Eisenbahnunglück vor Guntershausen: D-Zug schlitterte in Interzonenzug KASSEL. Eines der sch ersten Eisenbahnunglücke, die es bisher in Deutschland gegeben hatte, ereignete sich am 5. Noember 1973 or den Toren Kassels. Am Bahnhof Guntershausen (Landkreis Kassel) starben 13 Menschen, 25 Reisende urden sch er, eitere 4 leicht erlet t. Um 14.29 Uhr ar der DZug „Ederland“ trot einer Z angsbremsung noch mit Tempo 6 auf den auf freier Strecke or dem Bahnhof stehenden Inter onen ug D 435 geprallt. Der Inter onen ug, unter egs on Mönchengladbach nach Leip ig, ar or Guntershausen egen eines Schlauchschadens liegengeblieben. Bei dem Aufprall hatte die sch ere Elektrolokomoti e einen Erste-Klasse-Wagen am Zugende auf et a ein Drittel seiner ursprünglichen Länge usammengeschoben.

Hilfskräfte on Feuer ehr, DRK und ASB, Poli ei, Gren schut , des Zi ilen Be ölkerungsschut es so ie ahlreiche Är te aren noch die gane Nacht hindurch bemüht, die Verlet ten und Toten u bergen. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich besonders sch ierig, eil die Menschen in einem Stahl- und Blechgeirr eingeklemmt aren. Bei der Suche nach den Ursachen für das Unglück fiel schnell auf, dass an diesem Tag ischen Guntershausen und Rengershausen insgesamt fünf Züge über einen ungeöhnlich langen Abschnitt ie auf Schlittenkufen über die Gleise gerutscht aren. Herbstlaub, Nässe und Schmut hatten, ie E perten später ermittelten, für einen Schmierfilm auf den Schienen gesorgt, sodass die Brems irkung sehr stark erringert urde. (tho/hpo)

1.6. Der frühere CDU-Abgeordnete Julius Steiner erklärt, beim Misstrauensvotum 1972 für Willy Brandt gestimmt zu haben. Daraufhin wird ein Untersuchungsausschuss des Bundestags eingesetzt, der klären soll, ob Korruption im Spiel war. 12.6. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, wird als Nachfolger des zurückgetretenen Rainer Barzel neuer CDU-Bundesvorsitzender. 30.6. Das restaurierte Reichstagsgebäude in West-Berlin wird an den Deutschen Bundestag übergeben. 31.7. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet, dass der zwischen der Bundesrepublik und der DDR geschlossene Grundlagenvertrag mit dem Grundgesetz vereinbar ist. 30.8. Im ZDF wird die erste Folge der Kinderserie Rappelkiste ausgestrahlt. 18.9. Bundesrepublik und DDR werden in die Vereinten Nationen (UN) aufgenommen. 25.11. Im Zuge des Energiesicherungsgesetzes werden Fahrverbote an Sonntagen sowie Geschwindigkeitsbegrenzungen verhängt.

Ein Gewirr aus Stahl und Blech: Viele Unfallopfer waren in den Trümmern des Interzonenzugs eingeklemmt. Foto: Archiv

Haft hinter Klostermauern

Leere Autobahnen: Fahrverbote an Sonntagen. Foto: Archiv

Nach Bericht von Ulrike Meinhof: Mädchenerziehungsheim Fuldatal wird geschlossen ... und die Welt GUXHAGEN. Schon dreimal hier und immer noch nicht besonnen: Dieser Sat stand auf kahlem, grauem Put . Eine Insassin des Mädchener iehungsheims Fuldatal hatte ihn in die Wand ihrer Zelle gerit t. Ein Dokument eines düsteren Kapitels. Bis um Jahr 1973 urden hinter den Mauern der id llischen Klosteranlage Gu hagen-Breitenau Mädchen untergebracht, die als sch ierig galten. Die Bedingungen aren unmenschlich. „Alle persönlichen Sachen mussten ir abgeben, auch die eigene Kleidung“, erinnert sich Renate Schmidt, die im Er iehungsheim Fuldatal 31 Monate erbrachte. Ihr Alltag bestand damals or allem aus Arbeit - auf dem Feld oder in der Werkstatt. Pri atsphäre gab es nicht, Hunger ar an

der Tagesordnung, und er sich den strengen Aufseherinnen iderset te, musste mehrere Tage in so genannten Besinnungs ellen erbringen. Zimmer, die an dunkle Kerker erinnern. Erstmals in die Kritik geriet das Gu hagener Heim 1969. Eine Studie über Legasthenie brachte utage, dass die Mädchen, die dort untergebracht aren, ps chische Schäden auf iesen. Nach VeröffentliBeklemmend: Der Blick in eine so genannte der Besinnungszelle im ehemaligen Erziehungs- chung des Artikels heim Fuldatal. Archivfoto: Sangerhausen machten auch Me-

dien ie Der Spiegel und die Frankfurter Rundschau auf die Zustände im Heim aufmerksam. Auch Journalistin Ulrike Meinhof, später Mitglied der RAF, recherchierte or Ort. Ihre Ergebnisse präsentierte sie anschließend im Hessischen Rundfunk. Unter dem Titel „Gu hagen – Mädchen in Fürsorgeer iehung“ prangerte sie den Führungsstil der Heimleitung an. Der Druck auf den damaligen Betreiber, den Landesohlfahrts erband Hessen (LWV), uchs. 1973 schloss er das Jugendheim Fuldatal. Erst iele Jahre später meldeten sich Betroffene u Wort, die ihre Erinnerungen an die Zeit in Gu hagen schilderten. Der LWV entschuldigte sich erst im Jahr 2 6 öffentlich bei ihnen. (som)

1.9. In Chile nimmt sich der sozialistische Präsident Salvador Allende das Leben, als das putschende Militär den Präsidentenpalast erstürmt. 6.10. Die Überraschungsangriffe ägyptischer und syrischer Streitkräfte auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur lösen den Jom-Kippur-Krieg aus. Beim Waffenstillstand am 25. Oktober haben die Israelis die an beiden Fronten die Oberhand. 26.-28.11. Auf der Arabischen Gipfelkonferenz in Algier wird erklärt, dass der Kampf gegen Israel auch durch die Ölwaffe, also die Reduzierung der Öllieferungen nach Europa und in die USA, geführt werden soll.

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Das Jahr 1974 in unserer Region Chronik Nordhessen

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Bad Hersfeld. Mit nur 34 000 Besuchern verzeichnen die Bad Hersfelder Festspiele das vergleichsweise schlechteste Ergebnis seit ihrer Gründung. Schuld war der Fußball: Mit Rücksicht auf die Weltmeisterschaft waren der Beginn um 14 Tage in die Sommerferien verschoben worden.

13.2. In der Bundesrepublik werden die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst um 11 Prozent erhöht. 1.5. Um Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung besser kontrollieren zu können, beginnt das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg, in der Verkehrssünderkartei Strafpunkte aufzuzeichnen.

Kassel. Der weltweit beachtete Wagner- „Ring“ von Ulrich Melchinger findet im Opernhaus mit der „Götterdämmerung“ seinen Abschluss.

6.5. Bundeskanzler Willy Brandt tritt wegen der Agentenaffäre um den DDR-Spion Günter Guillaume, seinem persönlichen Referenten, überraschend zurück.

Naumburg. Das Freizeitzentrum wird Einwohnern und Gästen übergeben. Bad Hersfeld. Stolzes IndustrieJubiläum: Vor 100 Jahren gründete Benno Schilde sein Maschinenbauunternehmen, in dem „Exhaustoren“ (Ventilatoren) hergestellt wurden. Kassel. Harleshausen feiert 900jähriges Bestehen mit einem großen Festumzug. Der Ort wurde 1074 erstmals in einer Urkunde des Klosters Hasungen erwähnt.

Die Alten Meister ziehen ins Schloss Wilhelmshöhe Als am 3. April 1974 die Gemäldegalerie Alte Meister in Schloss Wilhelmshöhe eröffnet wurde, war dies ein Neuanfang. Gleichzeitig war es auch das Ende einer fast unendlichen Geschichte. 1960 hatte das Land Hessen den Wiederaufbau des

zerstörten Schlosses beschlossen. 1972, zur documenta 5, sollte die Gemäldegalerie eröffnet werden. Doch es dauerte weitere zwei Jahre, bis Kultusminister Ludwig von Friedeburg endlich die Schlüssel an den Direktor der Staatlichen Kunst-

sammlungen, Erich Herzog, übergeben konnte. Unser Bild zeigt Herzog (rechts) mit dem hessischen Ministerpräsidenten Albert Osswald (vorn). 600 Bilder, darunter die Paradewerke von Rembrandt, Rubens und Hals, konnten gezeigt werden,

viel mehr als zuvor im Landesmuseum. Die „Hessische Allgemeine“ freute sich über „Kunst für den Bürger im Schloss des Fürsten“. Und die „Welt“ schrieb: „Nicht nur Deutschland, Europa hat ein bedeutendes Museum mehr.“ (w.f.) Foto: Archiv

Hessenkarte neu gezeichnet Die Kreise Schwalm-Eder, Waldeck-Frankenberg und Werra-Meißner entstanden VON FRANK THONICKE Die Heinemanns in Kassel. Mit einem zweitägigen Besuch in Kassel und Eschwege verabschieden sich Bundespräsident Gustav Heinemann und seine Frau Hilda Mitte Juni von Hessen. Mit dem Hubschrauber landeten sie in der Karlsaue (unser Foto). Tausende hatten sich bereits vor dem Rathaus versammelt, um den Besuchern zuzujubeln. „Die Stadt hat Zukunft und ist auf Zukunft ausgerichtet“, rief der beliebte Präsident den Menschen zu. Schwalmstadt. Der Stadtteil Ascherode erhält auf der Grünen Woche in Berlin die bronzene Plakette beim Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Kassel. Die Bundesbahndirektion Kassel hört auf, als eigene Behörde zu existieren. Der Bezirk wird in die Bundesbahndirektion Frankfurt eingegliedert. Kassel. Thyssen-Henschel beginnt mit den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Magnetfahrtechnik.

Kurzarbeit auch bei VW BAUNATAL. Fast 68 der 18 5 Mitarbeiter im Baunataler VW-Werk sind on Kur arbeit betroffen. Volks agen reagiert damit, ie andere Autohersteller auch, auf die Ölkrise, die die Automobilindustrie besonders sch er trifft. Ab Juni bietet der Vorstand um ersten Mal altersunabhängige Aufhebungs erträge an. (phe) Mehr auf

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KASSEL. Von 197 bis 1977 urde Hessen neu strukturiert. Mit der Gebietsreform sollte die Ver altungskraft der Gemeinden und Kreise gestärkt erden. Vor allem Kleinstgemeinden unter 3 Ein ohnern, die keine hauptamtlichen Ver altungsbeamten hatten, sollten in größere Einheiten integriert erden. Die Gebietsreform urde so usagen in ei Teilen umgeset t: Bis 1971 schlossen sich Gemeinden und Kreise frei illig usammen, ab 1972 folgte eine geset liche, also angs eise Neugliederung.

Nachdem es auch in Kassel und seinem Umland Probleme gegeben hatte – das reiche Baunatal hatte sich mithilfe on Landrat Josef Köcher erfolgreich gegen eine Eingemeindung nach Kassel geehrt und der Landkreis Kassel ar am 1. August 1972 Wirklichkeit ge orden, – stand in Nordhessen um 1. Januar 1974 eine eitere riesige Neugliederung an: Die Landkreise Sch alm-Eder, Waldeck-Frankenberg und WerraMeißner entstanden. Auch da knirschte es an manchen Ecken: Vor allem ischen Waldeckern und Frankenbergern, so urde kri-

tisiert, gebe es keine gemeinsame Identität. Insofern sei der Landkreis Waldeck-Frankenberg ein fauler Kompromiss. Im neuen Sch alm-EderKreis hatten seit 1821 die Landkreise Frit lar, Homberg, Melsungen und Ziegenhain e istiert. 1932 gab es eine Veraltungsreform – die beiden Landkreise Frit lar und Homberg urden um Landkreis Frit lar-Homberg ereinigt. Die danach noch selbstständigen drei Landkreise urden schließlich 1974 um Sch alm-Eder-Kreis erschmol en. Als Kreisstadt urden Homberg (Ef e) ge ählt,

da die Stadt in et a in der Mitte des Kreisgebiets liegt. Im Werra-Meißner-Kreis – er entstand 1974 durch die Zusammenlegung der bis dahin selbständigen Landkreise Esch ege und Wit enhausen – hatte es bereits 1972 Änderungen der Kreisgren en gegeben. Teile des Kaufunger Waldes gingen om Landkreis Kassel nach Wit enhausen, Sontra ar aus Hersfeld-Rotenburg herausgelöst dem Landkreis Esch ege ugeordnet orden. Kreisstadt urde ab 1974 Esch ege – die Stadt ar größer als Wit enhausen und liegt im Landkreis et as entraler.

Nach 312 Tagen stand das HKZ ROTENBURG. Eines der größten deutschen Her entren urde am 17. Januar 1974 in Rotenburg einge eiht – das Her - und Kreislauf entrum (HKZ). Hein Meise, der bereits 1948 in Rotenburg und 196 in Wiesbaden Architekturbüros eröffnet hatte, plante und baute das HKZ. In nur 312 Arbeitstagen entstand das Klinikum mit dem Hotel Pergola auf dem Rodenberg. 1989 kamen Heinz Meise das Hotel Rodenberg so ie die Her chirurgie hin u. Im Herbst origen Jahres urde der 3 . Her patient in Rotenburg operiert. Im HKZ urden im Vorjahr über 14 Patienten stationär und eitere 37 ambu-

lant behandelt. Mit heute 75 Mitarbeitern ist das HKZ größter Arbeitgeber Rotenburgs. Mit dem HKZ sei der große Wurf für Rotenburg gelungen, hieß es 1974 bei der Ein eihung. Meise urde mehrfach als Glücksfall für Rotenburg und die Region ge ürdigt. Er hat das HKZ immer ieder ereitert und neue medi inische Angebote gemacht, baute drei eitere Hotels, den Seepark Kirchheim und die Meirotels-Halle. Bei seinem 7 . Geburtstag 1997 hatten seine Unternehmen 3 87 Betten und 15 Mitarbeiter. Das let te Werk des HKZGründers blieb un ollendet. Im Frühjahr 1998 ollte er neben der Heil asserquelle ein Thermalbad mit Kurmittelhaus bauen. Sein ichtigster Partner, die Fröhlich Bau AG, ging in Konkurs. Der Rotenburger Ehrenbürger starb 71jährig Pfingsten 1998.

11.5. Als erstem Bundesligaverein gelingt es Bayern München, zum dritten Mal hintereinander Deutscher Fußballmeister zu werden. Am 17. Mai gewinnt Udo Latteks Elf auch den Europapokal der Landesmeister. 15.5. Walter Scheel wird zum Bundespräsidenten gewählt. 16.5. Der Deutsche Bundestag wählt Helmut Schmidt zum Kanzler. Die sozial-liberale Koalition wird fortgesetzt. 22.6. Bei der Fußball-WM verliert die Bundesrepublik ihr Vorrundenspiel gegen die DDR durch das Tor von Jürgen Sparwasser mit 0:1, wird aber am 7. Juli durch einen 2:1-Erfolg gegen Holland dennoch Weltmeister. 26.6. Das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen entzieht dem privaten Kölner Bankhaus Iwan D. Herstatt die Erlaubnis zur Fortführung des Bankgeschäfts. Hohe Verluste und betrügerische Aktivitäten leitender Angestellter hatten zur größten Bankenpleite seit der Weltwirtschaftskrise 1929 beigetragen. 17.7. Der Iran erwirbt 25,04 Prozent des Grundkapitals der Bochumer Tochtergesellschaft Krupp Hüttenwerke AG. 14.10. Der schwedische Möbelkonzern Ikea eröffnet in Eching bei München sein erstes deutsche s Möbelhaus. 9.11. RAF-Häftling Holger Meins stirbt an den Folgen seines Hungerstreiks. Daraufhin wird am Tag danach in West-Berlin Kammergerichtspräsident Günter von Drenkmann von Terroristen ermordet.

Herzzentrum Rotenburg im Januar eingeweiht VON MANFRED SCHAAKE

Der Kanzler und der Spion: Willy Brandt (links) und Günter Guillaume. Archivfoto: dpa

... und die Welt 12./13.2. Die Sowjetunion erkennt dem Schriftsteller Alexander Solschenizyn die Staatsbürgerschaft ab und weist ihn aus. 6.4. Schwedens Popgruppe Abba gewinnt mit „Waterloo“ den Grand Prix de la Chanson.

Schwälmer Trachtenkinder Christel Schmieling und Thomas Schmerer waren 1974 das Hessentagspaar in Fritzlar. „Ich habe völlig neue Welten kennengelernt“, sagt die Frau aus Kirchbauna heute. Sie war damals in der Grundschule des 800-Seelen-Orts Seigerts-

hausen in der Schwalm ausgewählt worden, zusammen mit Thomas Schmerer das Hessentagspärchen zu sein. Ministerpräsident Albert Osswald hatte sich für die beiden zehnjährigen Trachtenkinder entschieden. (rbg)

9.8. US-Präsident Richard Nixon (Foto) erklärt in der WatergateAffäre um einen Einbruch ins Wahlkampfhauptquartier der Demokraten seinen Rücktritt. Nachfolger wird Vizepräsident Gerald R. Ford.

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Das Jahr 1975 in unserer Region Chronik Nordhessen

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Schwalmstadt. Bernd Heyn (10) aus Treysa darf die Fußball-Nationalmannschaft begrüßen - als Anerkennung für seine Mitarbeit in der Jungschargruppe Treysa. Trainer Helmut Schön stellt ihn Beckenbauer so vor: „Unser junger Sportsfreund aus Treysa.“

1.1. In der Bundesrepublik wird das Volljährigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt. 27.2. Der CDU-Politiker Peter Lorenz wird von Terroristen der „Bewegung 2. Juni“ entführt. Am 5. März wird Lorenz freigelassen, nachdem die Bundesregierung fünf inhaftierte Mitglieder der Bewegung in die Volksrepublik Jemen ausfliegen lässt.

Baunatal. Das Heim der Nationen, eine internationale Begegnungsstätte der Stadt Baunatal, öffnet in Altenbauna. Willersdorf. In Willersdorf stürzt die 250 Jahre alte Kirche ein, als die Glocken gerade 20 Uhr schlagen. Organist Willi Engel hatte die Kirche erst 30 Minuten vorher verlassen. Kassel. Die hessische Landesregierung gibt grünes Licht für eine zweite Bundesgartenschau in Kassel. Nach 1955 soll die nordhessische Metropole im Jahr 1981 wieder Schauplatz einer Buga sein.

Gefangener der „Bewegung 2. Juni: Der CDU-Politiker Peter Lorenz. Archivfoto: dpa

Endlich freie Fahrt bis Dortmund Freie Fahrt zwischen Kassel und dem Ruhrgebiet: Im Sommer 1975 wird das letzte Teilstück der Autobahn 44 zwischen Wünnenberg und Soest-Ost freigegeben. Damit war die

149 Kilometer lange Autobahn endlich fertig. Die Idee einer Ost-West-Autobahn war schon 1927 entstanden, aber erst im November 1964 begann der Bau der A 44: Zwischen den

Anschlussstellen Kassel-Süd und Zierenberg bei Burghasungen wurden die Bauarbeiten für ein 16 km langes Teilstück aufgenommen. Im Oktober 1968 war es fertig. Die weite-

ren Freigaben der Autobahn: 1970 Zierenberg–Breuna, 1971 Breuna–Diemelstadt, 1972 schließlich Diemelstadt–Wünnenberg und Soest–Dortmund/Unna. (tho) Foto: Archiv

Superfund vom Dachboden Lehrer spürte wertvolle Gutenberg-Bibel auf – Experten zweifelten bis zuletzt VON THOMAS THIELE Eckhard Baum eröffnet in Kassel seinen „Film-Shop“ und ahnt nicht, dass er die erste Videothek der Welt ins Leben ruft. Foto: nh Kassel. Die neue Hauptpost an der Unteren Königsstraße wird eröffnet. Frankenberg. Die Stadtverwaltung schafft den ersten Computer an. Der Haushaltsplan kann jetzt statt in mehreren Tagen in wenigen Stunden geschrieben werden.

IMMENHAUSEN. Die Geschichte gäbe das Drehbuch für einen spannenden Spielfilm ab: Ein Lehrer findet beim Aufräumen eines Dachbodens ein altes Buch. Er ist über eugt, ein bis dahin unbekanntes E emplar einer echten, berühmten Gutenberg-Bibel gefunden u haben, doch jahrelang ill ihm keiner glauben. Vor allem nicht die E perten in der Region. Schließlich jedoch hat er doch Recht - und die Nachricht om Weltkulturfund geht on Immenhausen aus um die Welt. Diese Geschichte trug sich 1975 im Landkreis Kassel u. 1958 ar nach einem Pfarrerechsel der Dachboden des e angelischen Pfarrhauses in Immenhausen aufgeräumt orden. Immenhausen ar die nordhessische Stadt, in der uerst protestantisch gepredigt urde ( as dem ugereisten Prediger Bartholomäus Riseberg sogleich Gefängnis einbrachte). Aus jener Früh eit des Protestantismus stammten etliche auf dem Dachbo-

Stolzer Entdecker: Der Immenhäuser Lehrer Friedrich-Karl Baas mit dem millionenteuren Dachbodenfund. Foto: Margot Baas/nh den eingestaubte Früh- und Reformationsdrucke, die sich in die Zeit um 15 datieren ließen. Nur eine große, alte Bibel gab ihre Herkunft nicht preis. Der Immenhäuser Lehrer Friedrich-Karl Baas befasste sich ab 1965 intensi mit dem Buch. Er bildete sich auf eige-

ne Faust eiter, eignete sich issenschaftliche Methoden ur Druckt penanal se an (Haeblersche Methode) und ar über eugt: Das Buch ar das 48. E emplar des 5 Jahre u or om Erfinder des Buchdrucks angefertigten 1. Bibelbandes (Altes Testament). Doch die E perten des

Staatsarchi s in Marburg inkten ab, auch Fußnoten sollten nicht darauf er eisen. Die Murhardsche Uni-Bibliothek in Kassel sah sich auch nach sechs Wochen Prüfung nicht in der Lage, die Bibel u bestimmen. „Der Wunsch eines Schulmeisters sei Vater des Gedankens, meinte man damals. Das konnte nicht ahr sein“, erinnert sich Baas heute. Alles änderte sich, als Baas im Sommer 1975 Eins- u-einsKopien einer Seite eitgleich an das Gutenberg-Museum in Main , die Staatsbibliothek München und die Landesbibliothek Darmstadt schickte: Praktisch post endend kamen Telegramme: „Kein Z eifel, die Gutenbergbibel ist echt“. Friedrich-Karl Baas bekam später sogar das Bundeserdienstkreu . Die Bibel, damals auf fünf Millionen Mark ta iert, in ischen auf einen Wert on acht Millionen Euro, ist heute in der Tresoranlage der Uni ersitätsbibliothek am BrüderGrimm-Plat in Kassel u besichtigen.

Mit einem Strauß Nelken gratuliert Dr. Karl Branner seinem Nachfolger im Amt des Kasseler Oberbürgermeisters, Hans Eichel. Foto: Lengemann

Werrataler feiern mit Franzosen

Hans Eichel neuer OB

VON STEFAN FORBERT

KASSEL. Hans Eichel (33), bisher Vorsit ender der SPDFraktion in der Stadt erordneten ersammlung on Kassel, ird neuer Oberbürgermeister. Er löst Karl Branner (65) ab, der nach 13 Amtsjahren abtritt. „D’r Karle“, ie ihn die Kasseler liebe oll nennen, ird um Ehrenbürger der Stadt ernannt ird. Eichel ist der jüngste OB in der Bundesrepublik. (hpo) Mehr auf

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Historischer Festzug war Höhepunkt der 750-Jahr-Feier der Stadt Witzenhausen WITZENHAUSEN. Unbekannt ist, ie alt die Stadt an der Werra ist. Die urkundliche Erster ähnung ist ugleich die Verleihung der Marktrechte – am 3 . Mär 1225. So stand Wit enhausen 1975 im Zeichen der 75 -Jahr-Feier. Von der Verleihung der Freiherr- om-Stein-Plakette über das Gastspiel des FußballBundesligisten Hertha BSC Berlin, ein Sängerfest auf der Freilichtbühne, die Jahreshaupt ersammlung des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, Ausstellungen und Sport eranstaltungen bis hin ur Fest oche mit Erntedank- und Heimatfest reichte das Programm.

Höhepunkt des Jahres ar der historische Fest ug Ende August. Z ei Stunden lang ogen 88 Gruppen, Fest agen und Musik üge nach einem heftigen Ge itter bei Sonnenschein durch die Straßen. „An Buntheit und Vielfalt ar bisher in Wit enhausen nichts Gleich ertiges geboten orden,“ berichtete die HNA. Die 75 -Jahr-Feier urde ugleich genut t, um eine Städtepartnerschaft mit Saint Vallier sur Rhône u besiegeln. 3 Fran osen aren da u mit Tan gruppe und Spielmannsug an die Werra gereist. Der Kontakt ar drei Jahre u or durch den fran ösischen Bürgermeister ustande gekommen. Sein Name: Robert E. Witsenhausen.

15.4. Das Kernkraftwerk Biblis am Rhein nimmt den Betrieb auf. 24.4. RAF-Terroristen überfallen die deutsche Botschaft in Stockholm. Als die Bundesregierung die Freilassung inhaftierter RAF-Mitglieder verweigert, werden zwei Botschaftsmitglieder getötet. Die restlichen Geiseln werden von der Polizei befreit, die Terroristen festgenommen. 21.5. In Stuttgart-Stammheim beginnt der Prozess gegen die führenden RAF-Mitglieder Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Jan Carl Raspe und Gudrun Ensslin. 14.6. Borussia Mönchengladbach wird Deutscher Fußballmeister. 8.-12.7. Als erster israelischer Ministerpräsident besucht Yitzhak Rabin die Bundesrepublik . 30.9. Der Prozess gegen Spieler von FC Schalke 04 beginnt. Die Fußballer sollen dafür, dass sie 1971 ein Spiel gegen Arminia Bielefeld verloren, insgesamt 40 000 Mark Bestechungsgeld erhalten haben. Die Spieler streiten dieses unter Eid ab. 1.10. Die ersten weiblichen Offiziere treten in die Bundeswehr ein. Die fünf Ärztinnen werden im Sanitätsdienst eingesetzt. 9.10. In den Kinos läuft der Film „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta nach der gleichnamigen Erzählung Heinrich Bölls an. 15.12. Günter Guillaume wird wegen Spionage für die DDR zu 13 Jahren Haft und seine Ehefrau zu acht Jahren Haft verurteilt.

... und die Welt 1.4. US-Wissenschaftler entdecken , dass die Ozonschicht der Erde gefährdet ist – besonders durch das in Spraydosen verwendete Treibgas. 30.4. Nach der Einnahme Saigons durch den kommunistischen Vietkong endet der seit 1946 dauernde Vietnamkrieg. 7.9. Die tschechoslowakische Tennisspielerin Martina Navratilova stellt einen Asylantrag in den USA.

Visionen der Schüler: Von Witzenhausen als Weltstadt 2750 träumte die Schuljugend im Festzug. Archivfoto: Stadtarchiv Witzenhausen

20.11. Francisco Franco (Foto), der Spanien 36 Jahre lang mit diktatorischen Mitteln regiert hat, stirbt im Alter von 82 Jahren in Madrid.

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Das Jahr 1976 in unserer Region Chronik Nordhessen

Neue Galerie wieder eröffnet

Bad Hersfeld. Günther Fleckenstein ist neuer Festspiel-Intendant. Carl Zuckmayer nimmt an der Premiere seines Schauspiels „Rattenfänger“ teil.

31 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs war es endlich so weit: Die Kasseler Neue Galerie an der Schönen Aussicht war wieder erstanden, und die Kunst konnte einziehen. Zu sehen war nach dem zwölf Millionen Mark teuren Wiederaufbau vor allem Kunst der 20. Jahrhunderts. Ein Raum war dem Künstler Joseph Beuys gewidmet. Aber auch ältere Kunst ab 1750 fand Platz in der Neuen Galerie, darunter Bilder der Malerfamilie Tischbein. Weitere 30 Jahre später, 2006, musste die Neue Galerie erneut schließen. Zunächst, um Platz für die documenta 12 zu schaffen. Seither wird das Gebäude im Zuge des Ausbaus der Kasseler Museumlandschaft umgebaut. (w.f.)

Baunatal. Das Ozon-Hallenbad geht in Betrieb. Witzenhausen. Das das Bürgerhaus mit Hallenbad ist fertig, die Kosten von 9,5 Millionen DM liegen ein Drittel über dem Plan. Kassel. Die Orangerie kann Richtfest feiern. 16 Millionen Mark wurden mit Landeshilfe für die Restaurierung aufgebracht. Hofgeismar. Ein schwerer Orkan richtet vor allem im Altkreis Hofgeismar, Knüll und Kellerwald große Schäden an. Bad Hersfeld. Die Fußgängerzone wird eingeweiht.

Diplomaten zu Besuch KASSEL. „Ihre E ellen on...“ Mit dieser Formel erden Hessens Ministerpräsident Albert Oss ald die Herrschaften des Diplomatischen Korps aus Bonn am 6. Juli im Schloss Wilhelmshöhe orgestellt. Diplomaten aus 5 Ländern samt Begleitung sind u einem Besuch nach Kassel gekommen. Am Empfang der Landesregierung im Weißensteinflügel des Schlosses nehmen außerdem 7 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und kulturellem Leben Nordhessens teil. Das mehrtägige Programm für die Gäste sieht Besuche der Gemäldegalerie, des Tapetenmuseums und on Th ssen Henschel or.

Eine elegant-charmante Erscheinung: Die Gattin des Botschafters der Elfenbeinküste (rechts) trug ein grünes Abendkleid, das mit dem Bild einer afrikanischen Maske geschmückt war. Foto: Baron

80 Mark für Gehenkten Historienepos „Der Winter, der ein Sommer war“ wurde in Nordhessen gedreht VON THOMAS SCHATTNER FRITZLAR. Halb Nordhessen ar 1976 die Bühne für große Film- und Fernsehstars. An mehreren Orten drehte Frit Umgelter für die ARD den Dreiteiler „Der Winter, der ein Sommer ar“ nach dem Roman on Sandra Paretti. Das Historienepos dramatisierte den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg on 1776 bis 1783. Der hessische Landgraf Friedrich II. hatte für 3 Taler pro Kopf 12 Landessöhne an den englischen König ermietet, um die Aufständischen in Amerika u bekämpfen. Günter Strack, Christian Quadflieg und Siegmar Solbach, Horst Frank, Pinkas Braun, Klaus Höhne, Hans Caninenberg, Anneliese Uhlig, Hein Baumann, Georg Lehn und Nicole Heesters irkten mit. Insgesamt aren 98 Rollen u beset en. Einige S enen urden auf der Tannenhöhe bei Wabern und in den Ederauen bei Obermöllrich gedreht. Aber auch in Frit lar, Oberurff, Ziegenhain, Bad Karlshafen, in Wilhelmshöhe und im Schlosspark Wilhelmsthal, auf dem bei Hofgeismar gelegenen Gut

Autogrammstunde: Christian Quadflieg in schmucker Uniform bei Wabern. Foto: Frisch/nh Wülmersen und in Bodenfelde an der Weser machte das ielköpfige Fernsehteam Station. Bei Wabern urde eine Pappelallee u einer herrlichen Eichenallee umgebaut, die im Film um Gut Ha nau führte. Außerdem ar das Filmteam in der Ederau bei Obermöllrich akti . Da u urden in den Baumkronen Reiherhorste mit ausgestopften Vö-

Eishalle KSV Baunatal entsteht neben steigt in Zweite dem Auestadion Bundesliga auf

Panzer stoppen Waldbrand KASSEL. Der Sommer bringt brütende Hit e und Trockenheit. Ende Juli kämpfen 9 Feuer ehrleute, Soldaten und Forstbedienstete auf einen Fläche on 25 Hektar im Habichts ald ischen Zeche Marie und Bismarckturm ergeblich gegen einen Waldbrand. Erst durch den Einsat on Bergepan ern der Bundesehr können die Flammen gestoppt erden. Die Pan er schlagen eine 5 Meter lange und fünf Meter breite Schneise ischen einer Schonung und den bereits in Brand geratenen Hoch ald. Mehr auf

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geln angebracht, um an die Tradition der Reiherjagd in Wabern u erinnern. Die S enen mussten so oft iederholt erden, dass am Ende die Jagdhunde on den Reitern nur noch mitgeschleift urden. Unterstüt t urde das Filmteam bei den Dreharbeiten durch die Feuer ehr, die mit ihrem Schaumlöschfahr eug

künstlichen Schnee produierte. In Ziegenhain drehten die Filmemacher auf dem großen Paradeplat . In Frit lar ar der gan e Marktplat gesperrt orden, um einige S enen u drehen. Als Statisten irkten Landfrauen aus Willingshausen in der Sch alm, der Reiter erein Borken und der Domorganist Wilhelm Kohnen als Trommler mit. Wenn Sigmar Solbach als Robert on Ha nau im Film über den Marktplat reitet, dauert das nur enige Sekunden. Gedreht urde aber eineinhalb Stunden. Die Verschiffung der hessischen Soldaten nach Amerika urde in Bad Karlshafen mit 3 Komparsen gedreht. Mit dabei aren 3 Pioniere on der 2. Jägerdi ision in Hann. Münden. Für ahlreiche Ein ohner er ies sich der Film als eine Chance, einen kleinen Nebenerdienst ein ustreichen. Statisten bekamen pro Tag 6 Mark, ein Gehenkter urde mit 8 Mark belohnt. Verärgert registrierten Fernseh uschauer in Nordhessen bei der Ausstrahlung des Films, dass die angeblichen Nordhessen Frankfurter Platt sprachen.

Mary Roos in Korbach Einen Schlagerstar und einen strahlenden Bürgermeister zeigt dieses Foto, das bei der Einweihung der Korbacher Stadthalle entstand. Bürgermeister Dr. Dr. Horst Bökemei-

er (Mitte in der hellen Jacke) findet sichtlich Gefallen an Mary Roos, die ihren Gesangsauftritt im schulterfreien Abendkleid absolviert. Foto: nh

KASSEL. Direkt neben Kasseler dem Auestadion entstand 1976 die Eissporthalle. 6 mal 8 Meter sollte sie groß erden. 38 Sit - und Stehplät e aren unächst orgesehen. Die Kasseler Unternehmer Edith und Simon Kimm in estierten drei bis dreieinhalb Millionen Mark in das Vorhaben. Schon kur nach Baubeginn standen die Mitglieder der Eissport-Gemeinschaft (ESG) in den Startlöchern: Sie ollten eine Eishocke mannschaft aufbauen und in der neuen Halle spielen lassen. Ferner olle die ESG Eiskunstlauf, Eistan und Eisstockschießen in ihr Programm aufnehmen, ie der Sport art ankündigte. Den Beteiligten ar klar: Die Halle kann irtschaftlich nur überleben, enn es gelingt, Groß eranstaltungen nach Kassel u holen.

BAUNATAL. Ein anderer KSV im Auestadion als der KSV Hessen Kassel? So sollte es mit dem Aufstieg des KSV Baunatal 1976 in die 2. Fußball-Bundesliga kommen. Die beiden Städte ereinbarten, dass die Baunataler ihre Heimspiele im Auestadion absol ieren durften. Bei mehr als 5 Zuschauern mussten sie allerdings 15 Pro ent der Einnahmen, bei unter 5 Besuchern nur ehn Pro ent ins Kasseler Stadtsäckel ahlen. „OB Eichel und Bürgermeister Hille als Sportde ernent betonten, dass der KSV Baunatal gegenüber den übrigen Vereinen das Vorrecht habe“, schrieb die Hessische Allgemeinen. „Es erde jedoch sichergestellt, dass auch die Hessenligisten in Kassel (KSV Hessen und SV Ol mpia), die auf das Stadion ange iesen seien, ersorgt ürden.“ (tos)

Chronik Deutschland 1.1. In der Bundesrepublik wird die Gurtpflicht für Autofahrer eingeführt. Außerdem wird eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen empfohlen. 12.2. Der Bundestag reformiert den Paragraphen 218. Danach wird bei einem Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten bei ethischer, medizinischer oder sozialer Notlage der Frau Straffreiheit gewährt. 9.5. Die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof wird erhängt in ihrer Zelle aufgefunden. Laut Angaben der Gefängnisleitung beging sie Selbstmord. 21.5. Borussia Mönchengladbach sichert sich die Deutsche Fußballmeisterschaft. 15.6. Bei Eschwege bringen DDR-Grenzsoldaten zwei Beamte des Bundesgrenzschutzes in ihre Gewalt, die bei einem Streifengang die Grenze zur DDR überschritten hatten. Nach dreitägigen Verhören werden die West-Beamten abgeschoben. 1.7. In der Bundesrepublik tritt ein neues Namensrecht in Kraft. Ehepaare können künftig entscheiden, ob sie den Familiennamen des Mannes, der Frau oder einen Doppelnamen annehmen. 18.8. Der Pfarrer Oskar Brüsewitz setzt sich auf dem Marktplatz der Stadt Zeitz aus Protest gegen die DDR-Regierung selbst in Brand. Vier Tage später erliegt er seinen Verletzungen. 29.10. SED-Chef Erich Honecker wird zum Vorsitzenden des DDR-Staatsrates und des Verteidigungsrats gewählt. Damit unterstehen ihm die drei wichtigsten Ämter im Staat. 16.11. Während einer Tournee des Liedermachers Wolf Biermann durch die Bundesrepublik

Der DDR zu kritisch: Liedermacher Wolf Biermann wird ausgebürgert. Archivfoto: dpa beschließt das Politbüro der DDR dessen Ausbürgerung. 14.12. Der Industriellensohn Richard Oetker wird entführt. Nach Zahlung von 21 Millionen DM Lösegeld wird er am 16. Dezember schwer verletzt freigelassen. 15.12. Der Bundestag wählt Helmut Schmidt erneut zum Bundeskanzler einer sozial-liberalen Koalition.

... und die Welt 31.1. In Frankreich werden 119 Bilder des Künstlers Pablo Picasso aus dem Papstpalast in Avignon geraubt. 19.6. König Karl XVI. Gustav von Schweden heiratet in Stockholm die deutsche Stewardess Silvia Sommerlath (Foto). 9.9. Der Tod des chinesischen Parteichefs Mao Tsetung (82) wird bekanntgegeben.

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Das Jahr 1977 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Bad Hersfeld. Hartmut H. Boehmer (36) wird zum Bürgermeister von Bad Hersfeld gewählt. Er ist es heute immer noch.

1.2. Die erste Ausgabe der Zeitschrift Emma erscheint. Herausgeberin ist die Feministin Alice Schwarzer.

Rengshausen. Peter-Jürgen Boock, ehemaliger Bewohner des Beiserhauses in KnüllwaldRengshausen, ist einer der Schleyer-Entführer.

7.4. Generalbundesanwalt Siegfried Buback wird zusammen mit seinem Fahrer in Karlsruhe auf offener Straße von RAF-Terroristen erschossen.

Treysa. Eine Massenschlägerei auf offener Straße vor einer Disco in Treysa lieferten sich 60 türkische Gastarbeiter und amerikanische Soldaten. Die Polizei musste Tränengas einsetzen, um der Lage Herr zu werden.

28.4. Das Stuttgarter Oberlandesgericht verurteilt die Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe zu lebenslanger Haftstrafe.

Der „Diarahmen“ der Künstlergruppe Haus-Rucker-Co ermöglicht heute noch einen besonderen Blick in die Karlsaue.

Spektakuläre Kunst auf der documenta 6

Homberg. 500 Schüler demonstrieren gegen die hessische „Schulmisere und Rotstiftpolitik“. Kirchhof. Die SG Kirchhof steigt in die Handball-Bundesliga der Frauen auf. Kassel. Die „Beamtenlaufbahn“ genannte Brücke über die Frankfurter Straße, die Aue und Weinberg verbindet, wird gesprengt, weil die Straße verbreitert werden soll. Die neue Brücke ist rollstuhltauglich. Naumburg. Die Naumburger Kleinbahn stellt den Personenverkehr nach Kassel auf der Schiene ein. Bad Hersfeld. Am Hainberg entsteht die Psychosomatische Klinik mit 188 Betten. Fürstenwald. Die Fachklinik für Suchtkrankheiten wird nach zweijähriger Bauzeit eröffnet. Korbach. In Lengefeld wird eine aus dem 7. Jahrhundert stammende Schmuckscheibe gefunden, die jetzt im Heimatmuseum ausgestellt wird.

Ein Stern geht auf: Hier ist Behle

Der junge Jochen Behle. Foto: Archiv

WILLINGEN. Anfang Januar geht in Braunlage der Stern eines nordhessischen Sportlers auf: Jochen Behle om SC Willingen, 17 Jahre jung, stürmt aus dem Schatten des legendären Ski-Langläufers Walter Demel und ird im 15-km-Lauf erstmals Deutscher Meister. Dem Triumph ließ der junge Mann aus Sch alefeld eitere 41 Deutsche Meisterschaften folgen, urde 198 bei Ol mpia in Lake Placid berühmt, als ihn TV-Reporter Bruno Mora et ergeblich suchte („Wo ist Behle?“), und ist seit 2 2 nun selbst erfolgreicher Bundestrainer, der Weltmeister und Ol mpiasieger geformt hat. „Aber bis heute bin ich der jüngste deutsche Meister aller Zeiten“, sagt der 48-Jährige stol . (sam) Mehr auf

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Bohrturm auf dem Kasseler Friedrichsplatz: Hier wurde kein Öl gefördert, sondern eines der spektakuklärsten Kunstprojekte in der Geschichte der documenta realisiert: der vertikale Erdkilometer des amerikanische Konzept- und Land-ArtKünstlers Walter de Maria. Am Ende war an der Oberfläche des des versenkten Erdkilometers nur eine Messingsscheibe zu sehen.

Walter de Marias „Vertikaler Erdkilometer“ war das spektakulärste Kunstwerk der an Aufsehen errregenden Arbeiten reichen documenta 6. Vom 26. Juni bis 2. Oktober sahen 355 000 Besucher die vom künstlerischen Leiter Manfred Schneckenburger konzipierte Ausstellung. Nicht nur die Kuntswerke waren gigantisch. Auch mit der Zahl von 492 Künstlern stellte die documenta 6 einen Rekord auf. Bekannt wurde sie als Medien-documenta, weil die Werke nach Medien getrennt (Malerei, Skulptur, Fotografie, Video, Zeichnung) gezeigt wurden. (w.f.)

Zur documenta 6 leuchtete erstmals Horst H. Baumanns Laser über Kassel.

Bei einem Säure-Attentat im Oktober 1977 wurden drei Rembrandts schwer beschädigt KASSEL. Bei seinem Säure-Attentat auf ier bedeutende Gemälde der Staatlichen Kunstsammlung in Kassel hinterließ Deutschlands gefährlichster Kunstschänder Hans-Joachim Bohlmann im Oktober 1977 einen Schaden in Höhe on 4,2 Millionen Mark. Drei Rembrandt-Bilder, darunter das eltbekannte Gemälde „Der Segen Jakobs“, hatte der damals 39-Jährige mit Sch efelsäure um Teil sch er beschädigt. Bohlmann selbst hatte seinen Anschlag auf die Kunsterke im Schloss Wilhelmshöhe als sein größtes Werk beeichnet. Aus Kassel aren or 32 Jahren auch die entscheidenden Hin eise gekommen, die Stunden später in Hamburg ur Ergreifung des Bilderstürmers geführt hatten. Allein der Wert der drei Rembrandt-Gemälde urde seiner eit auf 5 Millionen. Mark geschät t.

Ein Bild der Zerstörung: Rembrandts Gemälde „Der Segen Jakobs“ von 1656 nach dem Säure-Anschlag. Foto: Archiv

Geisterzug rollt durch Lohfelden „Ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist.“ Das war am 8. Dezember die erste Reaktion von Beobachtern des Eisenbahnunglücks zwischen Kassel und Lohfelden. 13 zum Teil mit Kühlschränken beladene Waggons hatten sich selbstständig gemacht, waren die abschüssige Strecke entlang des Waldauer Wegs hinab gerollt und hatten im ehemaligen Fieseler-Werk eine stehende Lok mit drei Wagen gerammt. Der 56-jährige Lokführer wurde dabei glücklicherweise nur leicht verletzt. Der Sachschaden belief sich auf rund 500 000 Mark. (hpo)

27.5. Der Bundestag verabschiedet eine Wehrdienst-Novelle, nach der Wehrpflichtige künftig ohne Gewissensprüfung zwischen Bundeswehr und Zivildienst wählen dürfen. 30.7. Der Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, wird in seiner Villa bei einem Entführungsversuch von RAFTerroristen erschossen.

Anschlag auf Alte Meister VON WERNER FRITSCH

21.5. Borussia Mönchengladbach wird zum dritten Mal in Folge Deutscher Fußballmeister.

Bohlmann hatte eine Säurespur hinterlassen, die on Hambrug, Lübeck, Hanno er über Kassel und Düsseldorf bis nach Bochum reichte. Insgesamt richtete der ps chisch kranke Täter einen Schaden on 135 Millionen Euro an. Den Anschlag im Schloss Wilhelmshöhe be eichnete er als seine größte Tat. Den entscheidenden Hineis ur Ergreifung Bohlmanns lieferte die Kasseler Galerieaufseherin Ruth Gass und Bernd Wolf om Empfang des Schlosshotels. Bohlmann urde 1977 erurteilt und schlug ährend eines Hafturlaubs 1988 in München erneut u. Er urde in eine Ner enklinik einge iesen. Anfang 2 9 starb er 71-jährig an Krebs. In Kassel rollte eine Spenden elle an. Den Restauratoren gelang die Wiederherstellung der Bilder. Das let te, on Willem Drost, kehrte 2 8 urück. Heute ist „Der Segen Jakobs“ on Rembrandt mit einer Glasscheibe geschüt t.

Und dann kam ein Panzer ZIEGENHAIN. Am 17. September kam es in der Ziegenhainer Hessenallee u einem Verkehrsunfall, ie er glücklicher eise nicht oft passiert. Ein Pk -Fahrer stellte seinen Wagen, as dort erlaubt ist, halb auf der Straße und halb auf dem Bürgersteig ab. Dann ging er um Einkaufen in eine Fleischerei. Kur darauf rollte eine amerikanische Armeekolonne durch die Hessenallee. Der Fahrer eines Schüt enpan ers übersah das parkende Auto und überrollte mit seinem Kettenfahr eug den Pk in oller Länge. Der Sachschaden betrug 1 DM.

5.9. Der Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer wird von der RAF entführt. Schleyers Fahrer und drei Sicherheitsbeamte werden erschossen. Die Entführer fordern die Freilassung von elf inhaftierten RAF-Terroristen. 11.9. Die Bundesbahn stellt ihre letzten beiden Dampflokomotiven außer Dienst. 9.10. Der Journalist Günter Wallraff präsentiert sein Buch „Der Aufmacher“, in dem die journalistische Praxis der „Bild“Zeitung dargestellt werden.

Entführt: Die Lufthansa-Maschine „Landshut“ in der Hand von Terroristen. Foto: ap 13.10. Palästinensische Terroristen entführen die LufthansaMaschine Landshut nach Mogadischu, um die Forderung der Schleyer-Entführer nach der Entlassung inhaftierter RAF-Mitglieder unterstützen. 18.10. Die Spezialeinheit GSG 9 des Bundesgrenzschutzes stürmt die „Landshut“ und befreit die Geiseln. Am selben Tag begehen die RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe in Stuttgart-Stammheim Selbstmord. 19.10. Hanns Martin Schleyer wird im Kofferraum eines Autos in Mülhausen/Elsaß erschossen aufgefunden.

... und die Welt 20.1. Der Demokrat Jimmy Carter wird als 39. Präsident der USA vereidigt. 27.3. Beim bislang schwersten Luftfahrtunglück stoßen auf Teneriffa zwei Jumbo-Jets m BOden zusammen, 575 Passagiere sterben. 16.8. Rock-’n’-Roll-Star Elvis Presley (Foto), Idol einer ganzen Generation, stirbt im Alter von 42 Jahren in Memphis, Tennessee, an Herzversagen.

Donnerstag, 16. April 2

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Das Jahr 1978 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Witzenhausen. Die Innenstadt erhält eine Fußgängerzone, die erste Phase ist am 1. September abgeschlossen.

19.1. Der letzte in Deutschland gefertigte VW-Käfer läuft in Emden vom Band. 12.2. In Hofheim wählen die Jungsozialisten (Jusos) den damals 33-jährigen Gerhard Schröder zum neuen Vorsitzenden.

Melsungen. Das Kasino, 1837/ 83 von einer Bürgergesellschaft als Ballhaus für die bessere Gesellschaft erbaut, wird nach umfangreicher Sanierung als Stadthalle eingeweiht. Ursprünglich wollte die Stadt auf dem Gelände ein neues Bürgerhaus errichten. Doch der Landeskonservator verhinderte den Abriss, da das Kasino ein herausragendes Beispiel des Kurfürstlichen Kasseler Klassizismus sei.

27.2. Einführung eines Gütezeichens für umweltverträgliche Produkte. Es zeigt einen von einem Eichenkranz umgebenen blauen Engel.

Kassel. Das neue Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer wird in Waldau eingeweiht. Neukirchen. Im Sitzungssaal des Rathauses wird der Schrecksbacher Farbfilm „Schwälmer Hochzeit“ von 1942 wiederaufgeführt. Der Streifen galt als verschollen, bis ihn der Sohn des Holzburger Pfarrers Heinz Metz in den USA wiederentdeckte. Frielendorf. Die ersten Gäste kommen ins neue Feriendorf am Silbersee. 30 Jahre nach dem Ende des Braunkohle-Abbaus sind 200 Holzhäuser entstanden. Großropperhausen. Wie ein Meteor schlägt im Oktober ein neun Kilo schwerer Stein neben der Friedhofshalle ein. Eine Frau, die 40 Meter weiter am Grab ihres Mannes steht, erleidet einen Schock. Die Ermittlungen ergeben, dass der Brocken von einer Sprengung im 700 Meter entfernten Steinbruch stammt. Kassel. Bei der documenta 6 bohrte die Firma H. Angers Söhne (Lichtenau) das Loch für Walter de Marias Vertikalen Erdkilometer, jetzt sucht sie in Wilhelmshöhe eine Thermalsolequelle . Vor dem ersten Weltkrieg sowie in den 30er-Jahren waren entsprechende Bohrungen erfolglos.

Streik: Nur Notzeitungen KASSEL. Mal gab es sie, dann ieder nicht: die Zeitung. Wenn sie erschien, dann ar das redaktionelle Programm stark gekür t, eiße Flecken rissen die Te tstücke auseinander, und sie konnte nur erspätet um Leser gelangen. Der Grund ar der Set erstreik in deutschen Druckereien und Zeitungsbetrieben ährend des Tarifkonflikts im Februar und Mär 1978. Das Kasseler Druckhaus ar eines der enigen, die im Mär auf unbefristete Zeit bestreikt urden. Hintergrund der bundes eiten Protestaktionen, an denen 1 Set er teilnahmen, ar der Ein ug des Computers. In den nächsten fünf bis ehn Jahren sollten die alten Bleiset maschinen rechnergesteuerten Te ts stemen eichen. Um die Leser trot dem mit Informationen u ersorgen, tippte, klebte und druckte die Redaktion eine Not eitung, bis am 21. Mär die Einigung gelang. Kan leramtsminister Hans-Jürgen Wischne ski und der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Josef Stingl, hatten ermittelt. (nh) Mehr auf

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Neues Gütezeichen: Der so genannte blaue Engel kommt auf den Markt. Archivfoto: dpa

Der Hessentag macht vieles möglich Einen solchen Innovations- und Finanzschub wünschten sich die Kommunalpolitiker gern noch einmal. Vom 24. Juni bis 2. Juli 1978 war Hofgeismar, die ehemals nördlichste Kreisstadt Hessens, Austragungsort des 18. Hessentags. Eine Wo-

che lang blickte das Land auf die Stadt, in der Ausnahmezustand herrschte. Beim Hessentag erfüllten sich viele Wünsche, von denen einige erst durch das Landesfest möglich wurden. Unter anderem wurde im mittelalterlichen Gewölbe-

keller des sanierten Rathauses das wiedergegründete Stadtmuseum eröffnet, das dort bis 1986 residierte und dann in größere eigene Gebäude umzog. Beim Hessentag wurde auch die vom Architekten Franz Kersting geplante Stadt-

halle eingeweiht. In jener Zeit wurde außerdem die neue Fußgängerzone eingerichtet. Hessentagspärchen waren Doris Fassmann (14) und Thomas Laubert (16). Der Umzug (Bild) zum Abschluss dauerte drei Stunden. (tty) Foto: Archiv

Kassel setzt aufs Gewerbe Erster Spatenstich für die Bauarbeiten im geplanten Industriepark Waldau VON ANDREAS NORDLOHNE KASSEL. Den ersten Spatenstich set te eine Baggerschaufel: Am 19. Oktober 1978 startete Stadtkämmerer Gerhard Kühne offi iell den Ausbau des Industrie- und Ge erbegebiets Waldau in Kassel. Das Großprojekt sei „das bedeutendste Vorhaben im nordhessischen Raum ur Industrieund Ge erbeansiedlung“, sagte Karlhein Zahn, Geschäftsführer der Hessischen Landesent icklungs- und Treuhandgesellschaft (HLT). Die Stadt Kassel schnürte dort für Unternehmen ein rei olles Paket: Erschlossenes Land, ergän t um eine gute Verkehrsanbindung. „Man muss den Unternehmen et as bieten“, lobte HLT-Geschäftsführer Zahn das Konept – und ar mehr als nur eine grüne Wiese. Die Planer be ifferten die Kosten auf 8 Millionen Mark. Da on schul-

Große Projekte erfordern großes Gerät: Mit einem Bagger vollzog Kassels Stadtkämmerer den ersten „Spatenstich“ für das Industrie- und Gewerbegebiet Waldau. Foto: Baron terte die Fuldastadt 23 Millionen. Das Geld floss in den Straßenbau, unter anderem in einen Autobahn ubringer und einer Verbindungsstraße ischen den Bundesstraßen 7 und 83. Zudem bauten Arbeiter Ab asserkanäle, erlegten

Strom- und Wasserleitungen. Das Ziel: Bis 1985 sollten 12 Hektar Land erschlossen sein. Damit das Großprojekt gut aus den Startlöchern kam, hatte die Gemeinde Lohfelden 1975 einen Teil des Geländes an die Stadt abgetreten. Für

die Stadt ein not endiger Schritt: In schöner Regelmäßigkeit hatten u or Unternehmen ihren Sit in den Landkreis erlegt. Kassel und Lohfelden hofften, durch den Industriepark Geld in die Kassen u spülen. Steuereinnahmen und Arbeitsplät e sollten die In estitionskosten ettmachen. Zunächst bemühten sich die Planer um kleinere Industrie- und Ge erbebetriebe, die größeren Unternehmen sollten folgen. Kein schnell umset bares Unterfangen, schließlich planen Unternehmen die größeren In estitionen nicht über Nacht. Dennoch ermochte der Industriepark u über eugen. Nachdem Stadtkämmerer Kühne 1978 mit einer Baggerschaufel den Boden aufgerissen hatte, ist das Gelände auf gut 3 Hektar Fläche angeachsen – mit der eit gut 4 Unternehmen und 9 Beschäftigten.

Gensungen schafft Aufstieg Handballer mischen 1978/1979 in der Bundesliga bei den ganz großen Namen mit GENSUNGEN. Das Abenteuer Bundesliga dauerte für Jahn Gensungen ar nur ein Jahr, aber die Saison 1978/1979 ird für die Handballfans der Region un ergessen bleiben. Stets ar die Kreissporthalle bis auf den let ten Plat gefüllt, enn die Teams mit den großen Namen aus Gummersbach, Groß allstadt, Göppingen oder Kiel in Nordhessen auftauchten. Und umindest bei den Heimspielen hielt Außenseiter Gensungen gegen die erfahrenen Gegner meistens prima mit. Und er ein echter Gensungen-Fan ar, der erinnert sich noch gan genau an die Spieler, die als lu-

penreine Amateure Großartiges leisteten. Das Tor hüteten Manfred Umbach oder Ralf Stremet ne, Fran Wagner ar der erfolgreichste Torschüt e, Uli Faber fungierte als Spielmacher, Jörg Anacker und Jochen Boland hatten ihre Stärken in der Ab ehr, U e Waldschmidt hieß der Kreisläufer, Uli Kran agierte im rechten Rückraum, der in ischen leider schon erstorbene Jörg Steinbach urde auf der linken Seite eingeset t, Frank Reiss ar Rechtsaußen und Frank Döring so ie Walter Reinhardt ählten u den Rückraumspielern. (geb)

29.4. Der 1. FC Köln wird Deutscher Fußballmeister. 6.6. Für die Fahndungspannen im Entführungsfall Schleyer übernimmt FDP-Bundesinnenminister Werner Maihofer die Verantwortung und tritt zurück. Nachfolger wird Gerhart Rudolf Baum. 21.06. Titelverteidiger Deutschland scheidet nach einer 2:3Niederlage gegen Österreich bei der Fußballweltmeisterschaft in Argentinien aus. 26.7. Das Hamburger Landgericht weist die „Sexismus“-Klage von zehn Frauen, darunter Alice Schwarzer und Inge Meysel, gegen die Hamburger Illustrierte „stern“ ab. 7.8. Der baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) tritt auf Drängen seiner Parteifreunde zurück. Gegen ihn waren Vorwürfe wegen seiner Tätigkeit als Jurist in der NS-Zeit laut geworden. Sein Nachfolger wird Lothar Späth. 26.8-3.9. Als erster Deutscher nimmt der DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn an einem Weltraumflug teil. 22.10. Die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren wird in Frankfurt mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. 16.11. In Ost-Berlin unterzeichnen Vertreter der Bundesrepublik und der DDR das Verkehrsabkommen. Darin werden unter anderem der Bau einer neuen Transitautobahn zwischen Berlin und Hamburg vereinbart.

... und die Welt 8.5. Reinhold Messner (Foto) und Peter Habeler besteigen als erste Bergsteiger den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät. 9.5. Terroristen der Organisation „Rote Brigaden“ erschießen 55 Tage nach dessen Entführung den früheren italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro 26.7. In Großbritannien wird das erste Retortenkind geboren. Die Befruchtung wurde im Reagenzglas vorgenommen.

Die Aufstiegshelden: Hinten von links: Masseur Steidler, Trainer Peter Barthelmey, Karl-Otto Barthelmey, Selec, Steinbach, Faber, Wagner, Betreuer Bernhardt. Vorn von links: Kranz, Anacker, Boland, Busse, Umbach, Waldschmidt. Archivbild: Becker

27.8. Der schnellste Eisenbahnzug der Welt, der TGV, wird in Frankreich erfolgreich getestet. Der Zug erreicht eine Geschwindigkeit von 260km/h.

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Freitag, 17. April 2

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Das Jahr 1979 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Baunatal. Flutlicht-Premiere im Parkstadion beim Spiel des KSV Baunatal gegen den FC Hanau 93. Das Spiel ging 1:3 verloren.

17.1. Im Ruhrgebiet wird zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wegen zu hohen Schwefeldioxidgehalts in der Luft Smogalarm ausgelöst.

Calden. Eine Mineralwasserabfüllanlage entsteht in Wilhelmsthal.

17.3. In Frankfurt beginnt ein zweitägiges Treffen von Parteien, Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen, bei dem die politische Vereinigung Die Grünen gegründet wird.

Ermschwerd. Beim Flugtag am 26. August auf dem Burgberg bei Witzenhausen-Ermschwerd stürzt ein Kunstflieger vor mehreren tausend Besuchern ab und erliegt seinen Verletzungen.

17.4. In West-Berlin erscheint die erste Ausgabe der alternativen „Tageszeitung“ (taz).

Borken. Die ganze Region atmet auf: Pläne, in Borken ein Atomkraftwerk zu bauen, sind vom Tisch.

23.5. Der bisherige Bundestagspräsident Karl Carstens (CDU) wird zum fünften Bundespräsidenten gewählt. 23.5. Borussia Mönchengladbach wird zum 2. Mal nach 1975 Uefa-Cup-Sieger gegen Roter Stern Belgrad

Der Laser strahlt wieder über Kassel Schon während der documenta 6 im Jahr 1977 hatte über Kassel der Laserstrahl des Künstlers Horst H. Baumann geleuchtet. Am 13. Januar 1979 feierte der Kasseler Laserstrahl ein zweites Mal Premiere. Eine Spende des

HNA-Verlegers Rainer Dierichs machte es möglich, die Lichtskulptur wieder in Betrieb zu nehmen. Die äußerst energieintensive Lasertechnik im Zwehrenturm des Fridericianums wurde 1992 entwendet und an-

schließend zerstört. Auf Initiative des documenta-Forums wurden ab 2006 rund 200 000 Euro für einen neuen, Energie sparenden Laser gesammelt. Symbolische Lasermeter wurden für 10 Euro verkauft. Im November

2007 ging der Laserstrahl – jetzt gespeist durch Solarenergie – wieder in Betrieb. Seither strahlt er immer samstags und zu besonderen Anlässen grünlich vom Zwehrenturm in Richtung Herkules. (w.f.) Foto: Koch

Für eigenständiges Leben Das erstmals gefeierte Stadtfest in Kassel endet mit einem Weltrekord: 7000 Gäste versammeln sich am „längsten Tisch der Welt“ in der Oberen Königsstraße, um gemeinsam Ahle Worscht zu essen. Foto: Baron

Demonstration gegen Treffen von SS-Soldaten BAD AROLSEN. 15 Menschen demonstrierten am 28. April or dem Arolser Bürgerhaus gegen das Suchdienstund Kameradschaftstreffen der Hiag (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS). Es fand enige Kilometer entfernt in der Stadthalle on Mengeringhausen statt. Es ar das ierte Treffen der SS-Ehemaligen in Arolsen, aber das erste, bei dem es breiten Widerstand gab. Während sich in Mengeringhausen, geschüt t durch starke Poli eikräfte, 3 Ehemalige der SS-Di ision Totenkopf ersammelten, fand or dem Bürgerhaus die Gegendemonstration statt, u der die „Waldecker Bürgeriniati e gegen Neofaschismus“ aufgerufen hatte. Spruchbändern ie „Arolsen ist kein Na i-Kurort“, „Seid achsam“ und „Na is raus“ urden ge eigt. Einer der Redner ar der Bundes orsit ende der Jusos, der spätere Bundeskan ler Gerhard Schröder. Er be eichnete es als „eine Frechheit seitens der offi iellen Stellen“, Treffen ie das der TotenkopfKameradschaft u ermöglichen. Auch enn sie nicht als Verbrecher erurteilt orden seien, trügen sie „historische Schuld“. (aha/emr) Mehr auf

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Das Diakoniezentrum Hephata baut eine neue Wohnsiedlung für Behinderte VON JÜRGEN KÖCHER SCHWALMSTADT. Das Hessische Diakonie entrum Hephata in Tre sa ächst und ächst: Beim Neujahrsempfang im Januar im Kirchsaal kündigt Direktor Karl Biskamp an, dass im neuen Jahr eine Wohnsiedlung für Behinderte errichtet erden soll. Gebaut ird auch an anderer Stelle: Der bisher teuerste Neubau des Diakonie entrums, die neue Versorgungsentrale, soll in Kür e eingeeiht erden. Dem Ausbau Hephatas als Tagungsstätte müsse Rechnung getragen erden, erklärt Pfarrer Biskamp im Jahr 1979 or rund 8 HephataMitarbeitern. Schließlich erde der Planung on eiteren Bauabschnitten iel Zeit geidmet, um den Fachbereich Heiler iehung und Pflege ausubauen. Nach dem or sechs

Zum Jahresanfang noch ein Modell: Beim Hephata-Neujahrsempfang wird die Planung für eine neue Wohnsiedlung vorgestellt. Repro: HNA

Jahren on einer Planungsgruppe erstellten Programm soll in der Sanierung und Ereiterung des Diakonie entrums in Tre sa eine Wohnsiedlung für Behinderte er-

richtet erden. Mit einem Modell urde 1979 erdeutlicht, ie das Kon ept aussieht: Eigenständige Wohnbereiche erden in Gruppen geschaffen. Neu geordnet ird auch

die Arbeit des Jugendhilfebereichs und seiner Außenstellen: Kinder und Jugendliche erden außerhalb Hephatas gefördert. Jugendliche hätten in angemieteten Zimmern im Umfeld des Diakonie entrums die Chance, selbständiges Wohnen u erlernen, erklärt Biskamp. Die Fachbereiche Jugendhilfe und Schule für Diakonie und So ialpädagogik hätten hierbei neue Ak ente geset t. Mit finan ieller Unterstütung des Sch alm-Eder-Kreises sei es möglich, dass bisher ier Mitarbeiter Hephatas in Familien innerhalb des Kreisgebiets tätig seien. Ohne diese Hilfe hätten Kinder aus den betreuten Familien in Heimen untergebracht erden müssen. Die Kosten bei der Arbeit in den Familien ürden nur einen Bruchteil on dem ausmachen, as die Heimer iehung erlange, heißt es da u.

674 Meter unter der Erde Grundsteinlegung für die Kurhessen-Therme ebnet den Weg für eine neue Badekultur VON WILHELM DITZEL KASSEL. Als im April 1979 aus einer Tiefe on 85 Metern die ersten Liter 25,2 Grad arme, dreipro entige Thermalsole sprudelten, ar klar, dass die Vision einer Therme auf dem Gelände Unter den Eichen am Rande des Bergparks Wilhelmshöhe konkrete Gestalt annehmen ürde. Dass daraus ein neues Kasseler Wahreichen und ein An iehungspunkt für Menschen aus gan Deutschland er achsen ürden, hat seiner eit ohl kaum jemand ermutet. Vorausset ung für den Bau der Kurhessen-Therme ar eine Heilquelle, nach deren Wasser um ersten Mal am 2 . Juli 1978 gebohrt urde. Neun Monate ar der 4 Meter hohe

Die Quelle sprudelt: Der Kasseler Stadtrat Dr. Herbert Michaelis, Geologe Dr. Hans-Jürgen Pickel, Dieter Meibert, seinerzeit Leiter des Kasseler Verkehrs- und Wirtschaftsamtes und der Bauherr der Kurhessen-Therme, Werner Wicker (von links), nehmen den ersten Schluck Sole-Wasser.

Bohrturm auf dem späteren Thermen-Gelände im Einsat , bis er in einer Tiefe on 674 Metern schließlich auf die 25 Grad arme dreipro entige Thermalsole stieß, deren chemischer Charakter dem Wasser on Bad Reichenhall, Bad P rmont und Bad Nauheim ähnelt. Die Bauarbeiten erstreckten sich über einen Zeitraum on drei Jahren. Im Februar 1982 urde die Ein eihung des

Bades mit allerlei Prominen gefeiert. Fraglos ar die Therme mit ihrer Badephilosophie ihrer Zeit eit oraus. Asiatisch anmutende Architektur und eitläufige Bade- und Saunalandschaften legten neben der hauseigenen Thermalquelle den Grundstein für den Erfolg des Hauses. Kannte man u or nur sit en, sch iten und duschen, urde das Saunaerlebnis in der Therme u einer eigenen Kultur. Was seiner eit mit enigen Saunen begann, hat sich mittler eile u einer WellnessOase mit neun Sch it tempeln und einem römischen Dampfbad ent ickelt. Das Ziel on 1979, ein ordentliches Rheuma-Bad u etablieren, ist in ischen eit übertroffen orden.

Wurde 1979 Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers FranzJosef Strauß. Archivfoto: ap 2.7. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion entscheidet sich für den bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß als Kanzlerkandidaten der Union bei den Bundestagswahlen 1980. 9.6 Der Hamburger SV wird deutscher Fußballmeister . 3.7. Der Bundestag hebt die Verjährungsfrist für Mord auf, so dass auch neu entdeckte NSVerbrechen verfolgt werden können. 16.9. Zwei Familien gelingt in einem selbstgebastelten Heißluftballon die Flucht aus der DDR in die Bundesrepublik. Die abenteuerliche Fahrt sorgt weltweit für Schlagzeilen. 18.9. Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass eine Leugnung der Judenvernichtung („Auschwitz-Lüge“) einen Beleidigungstatbestand bildet. 7.10. Die Partei „Die Grünen“ erringt bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen erstmals Mandate in einem Landesparlament. 24.12. Der frühere Anführer der Studentenbewegung, Rudi Dutschke, stirbt im dänischen Aarhus an den Spätfolgen des im Jahr 1968 auf ihn verübten Attentats.

... und die Welt 12.2. In Genf beginnt die erste Welt-Klima-Konferenz. Im Mittelpunkt steht die Beeinflussung des Klimas durch den Menschen. 3.5. Bei den britischen Unterhauswahlen erringen die Konservativen einen überwältigenden Wahlsieg. Ihre Parteivorsitzende Margaret Thatcher wird erste Premierministerin Großbritanniens. 28.3. Im Kraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg ereignet sich der bisher schwerste Störfall in der Geschichte der Kernenergie. 27.12. Sowjetische Truppen überschreiten die Grenze nach Afghanistan und erobern Kabul.

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Samstag, 18. April 2

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Das Jahr 1980 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Zur Eröffnung der 20. Herbstausstellung sind die neuen festen Messehallen in den Fuldaauen fertig, die für 5,5 Mio. DM in nur 100 Tagen errichtet wurden. Den Besuchern stehen 4000 Parkplätze kostenlos zur Verfügung.

1.1. In der Bundesrepublik tritt das Gesetz zur Neuregelung des Rechtes der elterlichen Sorge in Kraft. Es schränkt die elterliche Gewalt zugunsten des Kindes ein. 13.1. Die Partei Die Grünen konstituiert sich auf ihrem Kongress in Karlsruhe als Bundespartei.

Breuna. Beim Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ gewinnt Breuna den zweiten Platz.

6.2. Das Bundesverfassungsgericht erklärt die friedliche Nut-

Kassel. Aus für das kostenlose Parken in der Innenstadt. In den Parkhäusern kostet die erste Stunde jetzt 1,50 DM, jede weitere eine Mark. Witzenhausen. Am Abend des 29. Mai erschüttert die Explosion zweier Propangasflaschen die Altstadt. Folgen: Neun zum Teil erheblich verletzte Menschen und Schaden an 30 Gebäuden „das größte Unglück in Witzenhausen seit Kriegsende“. Kassel. Die Südtangente ist fertig. Der Verkehr muss sich nicht mehr über die Damaschkebrücke quälen. Bad Emstal. Der neue Kur- und Festsaal am Thermalbad wird eingeweiht. Er bietet Platz für bis zu 800 Personen.

Gewichtheber Horst Appel holt EM-Silber KASSEL. Riesenerfolg für Horst Appel: Der damals 25jährige Ge ichtheber om Post SV Phöni Kassel kehrt 198 mit einer Silbermedaille in der Ge ichtsklasse bis 82,5 Kilogramm on der Europameisterschaft in Belgrad urück. Appel bleibt Wochen später die Ol mpiaHorst teilnahme in Appel Moskau egen des Bo kotts estlicher Staaten er ehrt. Er ird insgesamt ehnmal deutscher Meister und beendet seine akti e Laufbahn 1987. (bre)

KSV steigt in die zweite Liga auf KASSEL. Am 3. Mai 198 ist es endlich ieder so eit: Sechs Jahre nach dem Abstieg in die Oberliga Hessen ist der KSV Hessen Kassel ieder eitklassig. Mit einem 2:1-Sieg über den FCA Darmstadt machen die Lö en unter Trainer Rudi Kröner am orlet ten Spieltag ihr Meisterstück und damit den Aufstieg in die 2. Bundesliga Süd perfekt. Für die Treffer or 8 Zuschauern im Auestadion sorgen Helmut Hampl und Edard Kott per Foulelfmeter. Z eiter ird übrigens der KSV Baunatal. Die Bilan der beiden nordhessischen Teams untereinander ist damals ausgeglichen. Beide Teams ge innen ihre Heimspiele je eils mit 2:1. Die KSV-Hessen-Mannschaft beim 2:1 über den FCA Darmstadt: Sie ert - Horch - Damerau, Hüter, Hofmann, Frohnapfel, Kott - Zac k (37. Willi Nebe), Hampl, Grau. (bre) Mehr auf

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Schlammlawine überrollt Helsa-Wickenrode Am 18. Juni 1980 gegen 15 Uhr vernehmen die Menschen in Helsa-Wickenrode ein Donnern und Brausen. Eine Abraumhalde der ehemaligen Zechenanlage ist mit Wasser voll-

gelaufen, der Damm hält dem Druck nicht stand. Eine drei Meter hohe Schlammlawine schießt Richtung Ortsmitte, entwurzelt Bäume, reißt Autos mit sich und ergießt sich in die

Häuser. Betroffen sind die Bewohner der Siedlung Ringenkuhl. Die Kasseler Berufsfeuerwehr, zahlreiche freiwillige Feuerwehren und Einheiten der Bundeswehr haben Tage zu

tun, bis der stinkende Schlamm beseitigt ist. Der Schock bei den Menschen sitzt tief, aber wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. (zvl/nh) Foto: Geschichtsverein Helsa/nh

Der Kampf um Enka Das Chemiefaserwerk in Bettenhausen war ein Stück Kasseler Industriegeschichte KASSEL. Die Nachricht schlug ein ie eine Bombe: Betriebsrats orsit ender Helmut Haase informierte im De ember 198 ohne Absprache mit der Werksleitung die Öffentlichkeit über die be orstehende Schließung des Kasseler EnkaWerks mit seinen 84 Arbeitsplät en. Die ur Enka AG in Wuppertal (Muttergesellschaft: Ak o in den Niederlanden) gehörende Fabrik stellte Pol esterfasern und Pol amidfasern her. Werksleiter Manfred Schüt e betonte ar, es gebe noch keinen Vorstandsbeschluss, doch die Beschäftigten kämpften um ihre Arbeitsplät e. Das Werk urde bis Ende des Jahres beset t, im nächsten Jahr erneut. Helmut Haase trat in den Hungerstreik. Doch alles nüt te am Ende nichts: Das Enka-Werk Kassel urde geschlossen. Betriebsrats orsit ender Helmut Haase gab daraufhin sein Bundes er-

dienstkreu urück. Dreieinhalb Jahre lang urde um die Zukunft des Enka-Werkes gerungen, doch dann gab es keine Zukunft mehr. Nach 49 Jahren ging ein Stück Kasseler Industriegeschichte u Ende. Bereits seit Jahren ar die Chemiefaserproduktion in einer Krise. Durch den Aufbau neuer Standorte im Ausland für die kapital- und arbeitsintensi e Produktion on Kunstfasern ar eine Überkapa ität entstanden. Damit begründete die Enka AG die Schließung des Werkes in Bettenhausen, die Kassel und die Region hart traf. Die Wut der Mitarbeiter, Bürger und Kommunalpolitiker ent ündete sich daran, dass Enka gleich eitig Millionenge inne machte und den Aktionären die Di idende erhöhte. Peter Wedemeier, damals Kassels DGB-Chef, ertete die Werksschließung als kapitalistische Untat.

23.3. Eine Gruppe, die sich „Revolutionäre Zellen in der IG Metall“ nennt, verübt einen Sprengstoffanschlag auf das Bundesarbeitsgericht in Kassel. Dort wird über die Rechtmäßigkeit von Aussperrungen als Reaktion der Arbeitgeber auf Streiks verhandelt. 6.4. In der Bundesrepublik gilt erstmals die Mitteleuropäische Sommerzeit.

31.5. Der FC Bayern München wird Deutscher Fußballmeister. 25.8. Bei Krawallen anlässlich einer Wahlkampfveranstaltung des CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß in Hamburg wird ein Demonstrant getötet. Über 100 Polizeibeamte und zahlreiche Demonstranten erleiden Verletzungen. Protest gegen die Werksschließung: Aller Einsatz nutzte nichts, drei Jahre später kam das Aus. Das Foto entstand 1981. Foto: Archiv/nh 1935 hatte die Produktion on Zell olle auf dem früheren Gelände einer Munitionsfabrik an der Lilienthalstraße in Bettenhausen begonnen. Heute erden Gelände und

Beispiel für hervorragende Stadtsanierung staltet und mit der Fertigstellung des Mehrzweckhauses - in der Bildmitte - ein Beispiel für hervorragende Stadtsanierung geschaffen. Dafür gab es einen Preis des Landes Hessen. Die Restaurierung, der Neubau

zung der Kernenergie für vereinbar mit dem Grundgesetz.

30.4. Die Bundesrepublik und die DDR schließen eine Vereinbarung über die Verbesserung der Verkehrswege nach WestBerlin.

Flächen in den noch erhaltenen und teil eise denkmalgeschüt ten Gebäuden om Unternehmenspark Kassel an Geerbebetriebe ermietet. (hos/ ach)

Richtungsstreit an der GhK

1980 wurde Rotenburg mit der Verwaltungsfachhochschule – heute Studienzentrum der Finanzverwaltung und Justiz – nicht nur jüngste Hochschulstadt. Der historische Marktplatz wurde neu ge-

Von nun an erlaubt: Die Nutzung der Kernenergie ist grundgesetzkonform. Archivfoto: dpa

und Umbau des Rathauses wurden von der Jury als vorbildliche Leistung ausgezeichnet. Rechts das Rathaus aus dem Jahre 1656, hinten das Buchenau’sche Haus von 1682. (m.s.) Foto: Schaake

KASSEL. Als der Kon ent der Gesamthochschule (später: Uni ersität) Kassel den 32-jährigen Hochschuldidaktiker Michael Da ner um neuen Präsidenten ählt, geht Kultusminister Hans Krollmann (SPD) der Reformeifer an der Fulda u eit: Er er eigert dem mit studentischer und geerkschaftlicher Mehrheit geählten Radikalreformer am 13. Oktober die Bestätigung. Da ner erden e treme Positionen nachgesagt. Er lehne überprüfbare Maßstäbe für die Forschung ab und olle die Hochschule im Kampf gegen Kernkraft erke einseten, heißt es. Das läuft den Plänen des Landes u ider, das die junge Hochschule schnell an das Qualitätsni eau herkömmlicher Hochschulen angleichen ill. Nach langen Auseinanderset ungen erichtet Da ner am 7. No ember. Später ird er Präsident der Uni Osnabrück. ( .f.)

26.9. Auf dem Münchner Oktoberfest werden bei einem Bombenanschlag 13 Menschen getötet und 219 verletzt. Der mutmaßliche Attentäter, der als Rechtsextremist bekannte Gundolf Köhler, kommt ebenfalls ums Leben. 5.11. Helmut Schmidt wird erneut zum Bundeskanzler einer sozial-liberalen Koalition gewählt. 15.-19.11. Papst Johannes Paul II. besucht die Bundesrepublik.

... und die Welt 26.1. Die Grenzen zwischen Israel und Ägypten werden geöffnet. Beide Länder haben sich nach mehr als 30 Jahren der Feindseligkeit auf eine friedliche Nachbarschaft geeinigt. 30.6. Mit 5,46 Millionen produzierten Kraftfahrzeugen verdrängen die Japaner die USA erstmals vom Spitzenplatz in der Automobilherstellung. 4.11. In den USA siegt der Kandidat der Republikaner, der frühere Schauspieler Ronald Reagan, bei den Präsidentschaftswahlen. 8.12. Der Sänger der Beatles, John Lennon, wird in New York auf offener Straße erschossen.

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Das Jahr 1981 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Lohfelden. Jahrhundertwinter im Landkreis Kassel: Die Landstraße zwischen LohfeldenCrumbach und Vollmarshausen ist meterhoch zugeschneit und kann erst nach längerer Zeit von Schneefräsen wieder befahrbar gemacht werden.

14.1. Der Film Lili Marleen von Rainer Werner Fassbinder wird in West-Berlin uraufgeführt. 13.2. Die britische Rockgruppe Pink Floyd gastiert an acht Tagen hintereinander in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle mit der JahrhundertShow „The Wall“.

Baunatal. VW stellt in der Aggregate-Aufbereitung den fünfmillionsten Austauschmotor fertig.

6.3. Bei dem Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder ihrer siebenjährigen Tochter erschießt Marianne Bachmeier den Angeklagten Klaus Grabowski im Saal des Lübecker Schwurgerichts.

Kassel. Nach 25 Jahren Vorherrschaft büßt die SPD ihre absolute Mehrheit im Stadtparlament ein. Erstmals sind die Grünen vertreten. Sie stützen den SPDMinderheits-Magistrat.

24.3. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe spricht das Sorgerecht für nichteheliche Kinder allein der Mutter zu.

Loshausen. Das Schwälmer Storchenpaar ist 1981 das einzige in Hessen, das für Nachwuchs gesorgt hat. Neben dem in Loshausen gab es nur drei Storchenpaare in Südhessen. Kassel. Weltrekord: Das von dem Kasseler Jens Knobloch gesteuerte, elektrisch angetriebene Fahrzeug (Hagen-Elobil) erreicht in Hockenheim 161 km/h auf einen Kilometer. Altenbauna. Das VW-Kraftwerk beliefert 550 Wohnungen am Baunsberg mit Fernwärme. Bad Hersfeld. Die neue Hauptstützpunktfeuerwache Knottengasse ist mit Baukosten von 7 Mio. DM der vermutlich am besten ausgestattete Feuerwehrstützpunkt Hessens. Kassel. Der Bau der Bundesbahn-Neubaustrecke Hannover - Würzburg beginnt jetzt auch in Hessen. Zwischen Kassel und Vellmar wird feierlich der Grundstein gelegt. Homberg. Nach langer Vorbereitungszeit rockt im August der Homberger Burgberg. Jugendliche aus der Stadt veranstalten mit viel Idealismus (aber wenig Geld) das erste Burgbergfestival. Das Open-Air-Festival hoch über den Dächern der Stadt vor der einzigartigen Kulisse der Burgruine ist seitdem ein Highlight im Szene-Terminkalender. Kassel. Mit einer Live-Sendung des „Blauen Bocks“ aus der diesjährigen Patenstadt Kassel wird die ARD-Fernsehlotterie „Ein Platz an der Sonne“ eröffnet.

Lockruf nach Kassel kostet SPD die Macht WITZENHAUSEN. Einen für die in Wit enhausen regierenden So ialdemokraten fatalen Scherbenhaufen hinterließ Ende August 1981 Hans Koch. Er ar erst seit Mär 198 als Bürgermeister im Amt und kündigte eineinhalb Jahre später öllig überraschend und kur fristig seinen Rücktritt an. Er ar einem „Lockruf aus Kassel” erlegen. Schon Mitte September saß Koch als Vorstands orsit ender der Städtischen Werke und der Kasseler Verkehrsgesellschaft an seinem neuen Schreibtisch. Im Wit enhäuser Stadtparlament bildete sich ein neues Bündnis: Die FDP machte nun gemeinsame Sache mit der CDU. So urde mit einer Stimme Mehrheit ein Liberaler, Georg-Michael Primus, neuer Bürgermeister. (sff) Mehr auf

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16.4. Der Terrorist Sigurd Debus stirbt im Krankenhaus Hamburg-Barmbek an den Folgen eines Hungerstreiks für bessere Haftbedingungen. Blütenpracht in der Karlsaue: Vor der Orangerie wurden anlässlich der Bundesgartenschau große Blumenbeete angelegt. Allerdings gab es Probleme mit der Be- und vor allem mit der Entwässerung. Archivfotos: nh

Blumen für Millionen Kasseler Bundesgartenschau 1981 schuf Naherholungsgebiete in der Stadt VON THOMAS SIEMON KASSEL. Es regnete mal ieder, doch der anderfreudige Bundespräsident ließ sich daon die Laune nicht erderben. Beim Rundgang ur Eröffnung der Kasseler Bundesgartenschau am 3 . April 1981 ar Karl Carstens so unteregs, ie er ielen heute noch in Erinnerung ist: Mit grünem Lodenmantel und Wanderhut. Freundlich grüßte er in die Menge und sch enkte den Hut. Auch enn der Auftakt buchstäblich ins Wasser fiel, kamen schon am Eröffnungsochenende 7 Besucher. Dabei aren die neuen Wege durch die Karlsaue teil eise kaum nut bar. Der so genannte Teutokies hielt nicht, as die Hersteller ersprachen. Gerade bei Regen sollte der Belag eine feste, elastische Oberfläche ent ickeln. Stattdessen hing der knöcheltiefe Matsch an den Schuhen fest. Trot dieser Startsch ierigkeiten sollte die nach 1955 eite Bundesgartenschau in Kassel u einer Veranstaltung

der Superlati e erden. 5,5 Millionen Besucher sorgten um ersten Mal in der Geschichte der Gartenschauen dafür, dass der Etat nicht überschritten urde. Bis heute irkt diese Gartenschau nach. Mit dem BugaSee entstand damals ein grandioses Frei eitgelände mit Badeseen und Vogelreser aten. Dieses Kon ept, Naherho-

lungsgebiete in der Stadt u schaffen, ar so über eugend, dass es auch ier Jahre später in Berlin übernommen urde. An die Kasseler Besucher ahlen kam die Millionenstadt mit 5,2 Millionen Gartenfreunden allerdings nicht gan heran. Von der Erneuerung der Treppenstraße über die Erschließung der ehemaligen

Attraktion: Mit Zügen des Auen-Expresses konnten die Besucher das Gelände auf einer 5,5 Kilometer langen Strecke durchfahren.

Kiesabbaugebiete an der Fulda bis um Neubau der Sch immbad- und Gärtnerplat brücke brachte die Gartenschau 1981 ahlreiche Impulse für die Kasseler Stadtent icklung. Stand die Schau 1955 noch gan im Zeichen des Wiederaufbaus, so sollte diesmal der Zugang ur Fulda on den östlichen Stadtteilen aus gan neu geschaffen erden. Berechtigte Kritik gab es im Vorfeld an der Umgestaltung des Bo linggreens or der Orangerie. Hier urden mit sch eren Maschinen große Blumenbeete angelegt. Was die Gärtner nicht ussten: Unter dem Grün befand sich ein ausgeklügeltes Drainages stem. Z ei Jahrhunderte hatten Schilfrohr und feine Kanäle für die Ent ässerung gesorgt. Jet t sch ammen die frisch gepflan ten Blumen in einem See, das Wasser musste ieder mühsam abgepumpt erden. Aus heutiger Sicht ist das ein Schönheitsfleck in der ansonsten überragenden Ausstellungsbilan .

Waldecker auf den Barrikaden Geplante Wiederaufbereitungsanlage in Volkmarsen: Atomkraftgegner machen mobil VOLKMARSEN. Da ging staltung ur geplanten so mancher Ein ohner Wiederaufbereitungsim Landkreis Waldeckanlage egen ÜberfülFrankenberg auf die Barlung geschlossen orrikaden: 198 /81 gab es den. Über 1 Leute, Pläne, abgebrannte or allem die direkt BeKernbrennstoffe bei troffenen aus der KuVolkmarsen, Diemelgelsburgstadt und dem stadt-Wethen oder Franbenachbarten Breuna, kenberg-Wangershausen ollten Informationen u lagern. Heftige Deon den E perten, die monstrationen und sich ier Stunden lang Wahlerfolge on Atomüber das Pro und Kontra kraftgegnern sorgten einer WAA einen heftimit dafür, dass das Progen Schlagabtausch liejekt scheiterte. ferten – begleitet on Fast täglich stand daBuh-Rufen und Pfiffen. mals et as um Thema Vor den Mikrofonen Wiederaufbereitungsanfürs Publikum bildeten lage (WAA) in der Wal- Ausriss aus der HNA am 17. Januar 1981: In Volkmarsen machten Bürgerinitiati- sich lange Warteschlandeckischen Allgemei- ven mobil gegen die geplante WAA und veranstalteten Info-Abende, wie hier im gen, iele Fragesteller nen. Überall bildeten Ortsteil Ehringen. kamen nicht u Wort. Repro: Jordan sich Bürgerinitiati en. Die Pläne der hessiMit Vorträgen prominenter gestoßen. Bei einer Veranstal- nach Hause geschickt, der Saal schen Landesregierung ur Kernkraftgegner im Volkmar- tung in der Volkmarser Stadt- der Stadthalle, die on einem Realisierung der Anlage in ser Ortsteil Ehringen, in Breu- halle Ende Januar 1981 ging es starken Poli eiaufgebot gesi- Volkmarsen urden nach der na und Arolsen aren die Ini- dann hoch her. Hunderte on chert urde, ar schon or heftigen Kritik let tlich aufgetiatoren auf großes Interesse Menschen urden ieder Beginn der Diskussions eran- geben. (ler)

Opfer eines Terroranschlags: FDP-Politiker Heinz Herbert Karry. Archivfoto: ap 11.5. Der hessische Wirtschaftsminister Heinz Herbert Karry (FDP) wird von Terroristen erschossen. 23.5. In Bonn wird das erste Frauenmuseum der Welt eröffnet. 31.8. Auf das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Ramstein/ Pfalz wird ein Sprengstoffanschlag verübt, bei dem zwei Deutsche und 18 Amerikaner verletzt werden. 18.9. In den Kinos der Bundesrepublik läuft der Film Das Boot von Wolfgang Petersen an. 1.10. In der Bundesrepublik wird ab sofort auf den Zigarettenschachteln vor den gesundheitlichen Gefahren des Rauchens gewarnt. 15.11. Auf dem Frankfurter Flughafengelände kommt es zu schweren Ausschreitungen zwischen der Polizei und Gegnern der geplanten Startbahn West. 4.12. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilt das RAFMitglied Stefan Wisniewski zu lebenslanger Haft.

... und die Welt 1.1. Griechenland tritt der Europäischen Gemeinschaft bei. 12.-14.4. Erster Weltraumflug der amerikanischen Raumfähre Columbia. 13.5. Papst Johannes Paul II. wird auf dem Petersplatz in Rom durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt. Der Attentäter Mehmet Ali Agca wird sofort überwältigt. 6.6. Der Handel mit Großwalen und ihren Erzeugnissen wird weltweit verboten. 29.7. Der britische Thronfolger Prinz Charles und Lady Diana Spencer heiraten in London.

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Das Jahr 1982 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Bad Wildungen. Das Kurorchester wird aufgelöst, nachdem die Zahl der Kurgäste im Jahresvergleich um 28 Prozent sank.

15.1. Bei einem Bombenanschlag auf ein jüdisches Restaurant in West-Berlin kommt ein Kind ums Leben.

Helsa. Am 31. August um 7.45 Uhr macht sich der Reisebus der französischen Partnergemeinde Trebes an der steil abfallenden Ringenkuhler Straße in Wickenrode selbstständig. Nachdem er zwei Autos niedergewalzt hat, reißt er die Außentreppe der Grundschule nieder. Verletzt wird niemand. Der Schaden beträgt 150 000 DM.

5.2. Alle SPD- und FDP-Bundestagsabgeordneten sprechen Bundeskanzler Helmut Schmidt das Vertrauen aus. Schmidt hatte die Vertrauensfrage gestellt hat, um sich Klarheit über den politischen Kurs zu verschaffen. Noch heute ein Blickfang an der Fulda: Die Spitzhacke des Pop-Künstlers Claes Oldenburg (80). Der Künstler ist bekannt dafür, Alltagsgegenstände in momentale Skulpturen zu verwandeln. Die Spitzhacke wurde in der Verlängerung der Achse vom Herkules über die Wilhelmshöher Allee positioniert - so als habe Herkules das Gerät ans Fuldaufer geschleudert.

Kassel. Oscar R. Henschel, der frühere Inhaber der Firma Henschel & Sohn, stirbt im Alter von 92 Jahren in Zürich und wird in Kassel beigesetzt. Er stand von 1924 bis 1958 an der Spitze der traditionsreichen Firma. Kassel. Der Enka-Aufsichtsrat in Wuppertal beschließt, das Werk Kassel aufzugeben. Am 12. Dezember wird die Polyamidfaserproduktion eingestellt. Kassel. Die Ausstellung „Motorrad ’82“ in den Messehallen ist Ziel der 36. Internationalen Polizei-Sternfahrt, an der sich Teilnehmer aus allen europäischen Ländern beteiligen.

Flugzeug explodiert: Acht Tote CALDEN. Im Jahr, als eine Dauerserienbriefmarke das Rokokoschloss Calden-Wilhelmsthal bundes eit bekannt macht, gibt es auch dramatische Schlag eilen: Bei Calden-Fürsten ald streift am 19. Mai 1982 ein eimotoriges Flug eug die Baum ipfel am Postenberg. Die Treibstofftanks reißen auf, das elfsit ige Flug eug e plodiert in der Luft. Wrack und Leichenteile erden im Umkreis on 6 Metern erstreut. Alle acht Insassen, darunter fast die gesamte Führungsriege eines Münchner Unternehmens, kommen ums Leben. Ursache des Unglücks ar eine kur fristig entstandene Nebelbank. Sechs Jahre später bekommt der Flugplat Kassel-Calden ein Instrumentenlandes stem für Schlecht etterlandungen. (tt )

Rundsporthalle wird auch zur Konzertbühne BAUNATAL. Wie ein Ufo thront sie am Rande des Baunataler Stadtparks: 1982 geht die Rundsporthalle in Betrieb. Gekostet hat sie 7,5 Millionen Mark (3,8 Mio. Euro). Außer dem Parkett für den Sport bietet sie – je nach Bestuhlung – Plat für rund 25 Zuschauer. Besonderheiten sind knapp 5 Sit plät e auf einer Teleskoptribüne und ei Rundlaufbahnen mit je 133,33 Metern Länge. Die Baunataler Halle, eine der größten in Nordhessen, ird nicht nur schnell ur stark genut ten Sportarena. Mittler eile ist sie auch ein beliebter Veranstaltungsort für Kon erte und ähnliche Groß eranstaltungen. (ing) Mehr auf

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Stellte die Vertrauensfrage und wurde bestätigt: Helmut Schmidt. Archivfoto: dpa 24.2. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt in der Parteispendenaffäre gegen Spitzenpolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien und gegen Manager des Flick-Konzerns.

Prägte die documenta 7: Joseph Beuys, oben, inmitten der Stelen des Projekts „7000 Eichen“. Außerdem schmolz er eine Nachbildung der Krone Iwans des Schrecklichen zu einem Friedenshasen um (rechts).

documenta 7: Lauter Steine und Eichen Heute freuen sich die Einwohner Kassels über ihre grüne Stadt. Nicht alle wissen, dass all die Bäume, neben denen eine Basaltstele eingelassen ist, Teil des Kunstwerks „7000 Eichen“ sind, das der Künstler Joseph

Beuys zur documenta 7 startete. 380 000 Besucher sahen die vom Niederländer Rudi Fuchs geleitete Weltkunstaustellung vom 19. Juni bis 28. September. Obwohl die Malerei im Zentrum der Schau stand, waren es

18.3. Erstmals gibt es in Ost-Berlin offizielle Kontakte zwischen Abgeordneten des Bundestages und der DDR-Volkskammer.

die „7000 Eichen“, die die Gemüter erregten. Die zugehörigen Stelen waren zunächst auf dem Friedrichsplatz aufgehäuft. Beuys, der 1986 starb, erlebte die Vollendung seines Werks 1987 nicht mehr. (w.f.)

16.4. Das erste deutsche „Retortenbaby“ kommt in Erlangen zur Welt. 24.4. Mit dem Titel „Ein bisschen Frieden“ gewinnt die Sängerin Nicole den „Grand Prix Eurovision de la Chanson“.

Der 26. Tote

31.5. In Hamburg verbrennt sich die Türkin Semra Ertan Bilir aus Protest gegen die Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik.

Tragisches Ende eines Fluchtversuchs VON STEFAN FORBERT BAD SOODEN-ALLENDORF. Nur enige Meter, nur enige Sekunden fehlten Hein -Josef Große bis ur Freiheit, um estdeutschen Gebiet oberhalb on Bad Sooden-Allendorf. Z ei DDR-Gren soldaten streckten den 35-Jährigen aus dem eichsfeldischen Dorf Thal enden am Nachmittag des 29. Mär 1982 mit acht, neun Schüssen aus Maschinenge ehren in den Rücken nieder. Noch auf DDR-Gebiet, enngleich auf estlicher Seite des Metallgitter aunes, erblutete der Baggerführer im Schifflersgrund.

Über die Schaufel seines Überkopfladers ar der Arbeiter über den mit Selbstschussanlagen ersehenen drei Meter hohen Metallgitter aun gesprungen und dann eine Böschung hinauf gerannt. Eine bundesdeutsche Zollstreife beobachtete den Flucht ersuch, eingreifen konnte sie nicht. Der 35-Jährige soll das 26. und let te Todesopfer an der thüringisch-hessischen Grene ge esen sein. Nach dem Fall der Mauer urden die beiden Schüt en, um Tat eitpunkt 2 und 21 Jahre alt, 1996 u Freiheitsstrafen on je eils 15 Monaten erurteilt – ausgeset t ur Be ährung.

26.10. Helmut Schmidt verzichtet aus gesundheitlichen Gründen auf eine weitere Kanzlerkandidatur. 3.11. Das Bundeskabinett beschließt, die Ausbildungsförderung für Studenten künftig nur noch als Darlehen zu gewähren.

Den Gren aun hatte der Flüchtling schon über unden, dann fielen die Schüsse.

Kaufungen bietet das erste Sammeltaxi an

„Fuldanixe“ auf Jungfernfahrt Auf der Fulda zwischen Morschen und Melsungen nimmt am 1. Juli 1982 das erste speziell für den Tourismusverkehr gebaute Floß seinen Betrieb auf. Das Wasserfahrzeug mit

leichtem Motor bietet Platz für 26 Fahrgäste und kann von Gruppen gechartert werden. Während der Jungfernfahrt mit Politikern wird das Floß auf den Namen „Fuldanixe“ ge-

tauft. Manche Fahrgäste hätten sich für „August der Starke“ entschieden - nach dem Spitznamen von Landrat August Franke, von dem die Initiative kam. (asz)

KAUFUNGEN. In der Lossetalgemeine Kaufungen geht 1982 das erste Sammelanrufta i (AST) Deutschlands auf Fahrt: Für die Strecke ur Straßenbahnhaltestelle Lindenberg in Kassel-Bettenhausen können die Kaufunger jet t per Anruf einen Miet agen bestellen, der unter egs mehrere Kunden einsammelt und sie für je 2,5 Mark ur Tram bringt. Es ist der Startschuss für diese Art des flächendeckenden Ergän ungs erkehrs in der Bundesrepublik, der an der Uni Wuppertal um Schließen on Fahrplanlücken ent ickelt urde. Der rührige Kaufunger Bürgermeister Gerhard Iske sparte damit richtig Geld: 1 DM Zuschuss ahlte die Gemeinde jährlich für das AST, entsprechende Bus erbindungen hätten 16 DM gekostet. (tom)

11.11. In einem Waldstück bei Frankfurt werden die beiden mutmaßlichen RAF-Terroristen Adelheid Schulz und Brigitte Mohnhaupt gefasst. Am 16. November wird auch Christian Klar festgenommen. 10.12. In den Kinos der Bundesrepublik läuft der US-amerikanische Spielfilm „E.T. - der Außerirdische“ an.

... und die Welt 2.4. Argentinische Streitkräfte besetzen die britische Kronkolonie Falkland-Inseln, die von Argentinien beansprucht wird; Auslöser für den Falkland-Krieg. 25.4. Israel gibt die Sinai-Halbinsel vollständig an Ägypten zurück und erreicht damit eine gewisse Entspannung des Nahostkonfliktes. 29.4. In Paris stirbt die Filmschauspielerin Romy Schneider im Alter von 43 Jahren. 30.5. Spanien tritt der Nato bei. 18.9. Christliche Milizen richten unter den Augen israelischer Besatzungstruppen in Beiruter Flüchtlingslagern ein Massaker an.

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Das Jahr 1983 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. 1,55 Millionen Besucher kommen auf das 3. Kasseler Stadtfest und sehen Weltrekorde: Der mit 1722 Metern längste Tisch der Welt wird aufgebaut, 6000 Haxen verspeist, eine viereinhalb Kilometer lange Polonaise zieht durch Kassel.

20./21.1. In Bonn und Paris finden aus Anlass des 20jährigen Bestehens des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages Feiern statt. 20.2. Das Bundesjustizministerium teilt mit, dass alle Urteile des NS-Volksgerichtshofs im Bundeszentralregister gelöscht worden sind.

Schwalmstadt. Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand spendet im Juni für die Gedenkstätte Trutzhain. Mitterrand war dort Kriegsgefangener.

6.3. Bei den vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag ziehen die Grünen mit 5,6 Prozent der Stimmen erstmals in den Bundestag ein.

Baunatal. Die Unterhaltungsshow Zum Blauen Bock gastiert im Juli in Baunatal.

10.4. Ein Transitreisender aus der Bundesrepublik Deutschland stirbt während der Vernehmung durch DDR-Sicherheitsorgane an Herzversagen.

Kassel. Im Dezember schlägt die letzte Stunde der Söhrebahn. Nach über sieben Jahrzehnten wird der Verkehr auf der Strecke, die von Bettenhausen nach Wellerode-Wald führte, eingestellt.

Kurhessen-Therme wird eröffnet Am 25. Februar 1983 öffnet die Kurhessen-Therme in Wilhelmshöhe erstmals ihre Pforten. Der Bau hatte vier Jahre gedauert. Zur Eröffnung tritt unter anderem das Wasserballett des KSV Hessen auf (Foto). Die Bäder- und Saunawelt am Fuße

Weltmeister 1983: Hannelore Laske und Dieter Baumeister. Foto: nh

Kasseler Keglerin Laske holt WM-Titel KASSEL / AMNIVILLE. Große Freude in Kassel über eine Keglerin: Im Mär 1983 sichert sich die damals 31-jährige Hannelore Laske usammen mit ihrem Partner Dieter Baumeister (34, Wanne-Eickel) im fran ösischen Amniille den Weltmeister-Titel im Mi ed-Paarkampf. Laske, die heute in Staufenberg ohnt, beendet ihre Karriere 1993. Zu or ird sie 1991 noch Weltmeisterin mit der Mannschaft so ie Vi e eltmeisterin im Ein elkegeln. (bre)

Polier findet Silberschatz unter Kirchhof HELSA. Gute Augen hatte der Polier einer Baufirma, der sich im No ember 1983 mit seiner Baggerschaufel durchs Erdreich auf dem Kirchhof on Helsa buddelte. Beim Abriss der alten Kirchhofmauer stieß er auf 39 Silbermün en, die ermutlich or dem 3 -jährigen Krieg ischen 134 und 15 geprägt urden. Der Polier brachte die Münen, sogenannte „sächsische Groschen“, u Helsas Bürgermeister Lud ig Dann. Die Silberling tragen lateinische Worte an den Rändern. Ein Mün e perte des Landesamtes für Landesgeschichte ermutete damals, dass es sich um Ersparnisse oder um erlorengegangenes Geld handelt. Einige Mün en erblieben beim Geschichts erein Helsa, andere gingen ans Hessische Landesmuseum. (tom) Mehr auf

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des Bergparks ist von Beginn an eine Attraktion. Noch bevor die ersten Besucher in einer Sauna Platz nehmen, verspricht Bauherr Werner Wicker: „Es wird das schönste und attraktivste Bad Europas.“ Die Badegäste nehmen das 55-Millionen-

Mark-Projekt an, strömen sogar aus dem Ausland nach Wilhelmshöhe. Das fernöstliche Flair mit dem Pagodendach wird in der Stadt zu einem Symbol für ein Kultur- und Erholungsangebot, wie es anderenorts in dieser Form nicht zu

finden ist. Zum Erfolg der Therme trug vor allem auch Hendrik Schellinger bei. Er war über 25 Jahre lang Geschäftsführer der Therme. Schellinger starb im Januar 2009 im Alter von 56 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. (red) Archivfoto: Baron

SS-Treffen sorgt für Eklat Künstler sagen Teilnahme an Hersfelder Festspielen ab – Tausende demonstrieren VON KARL SCHÖNHOLTZ BAD HERSFELD. Mehr als 5 Menschen demonstrieren in Bad Hersfeld am Pfingstsamstag gegen das gleich eitig stattfindende Jahrestreffen des Kameradschafts erbandes des I. Panerkorps der ehemaligen Waffen-SS. Bei der om Deutschen Ge erkschaftsbund (DGB) initiierten Protestkundgebung kommt es nur am Ende u Zusammenstößen, die om starken Poli eiaufgebot bereits im Keim erstickt erden. Seit 1979 hatten sich die SSKameraden mit et a 5 Teilnehmern alljährlich in Bad Hersfeld getroffen, unächst ohne dass die breite Öffentlichkeit Kenntnis genommen hätte. 1981 urde im Stadtparlament erstmals gegen das Treffen protestiert. Ein Jahr später demonstrierte dann der DGB, und 1983 diskutierte neben den Stadt erordneten sogar der Hessische Landtag

Plakate gegen Nazis: Tausende demonstrieren in Bad Hersfeld gegen ein Kameradschaftstreffen der Waffen-SS. Foto: Archiv über die Möglichkeiten, die Veranstaltung u erbieten – ohne Erfolg. Zum Eklat kommt es, als der DGB-Kreis orsit ende Julius Klausmann einige Mit irkende der Bad Hersfelder Fest-

spiele auf das SS-Treffen aufmerksam macht. Daraufhin sagen der Regisseur Imo Mos ko ic , der den „Amadeus“ ins enieren sollte, und der Schauspieler Günter Mack ihre Teilnahme ab.

Millionen für Buch aus Nordhessen Ein Buch aus Nordhessen sorgt für Schlagzeilen: Am 6. Dezember wird das Evangeliar Heinrichs des Löwen im Londoner Auktionshaus Sotheby’s für 32,5 Millionen DMark für Deutschland ersteigert. Lange Zeit war es damit das teuerste Buch der Welt. Entstanden ist das Buch, das der Herzog für den Marienaltar des Braunschweiger Doms vorgesehen hatte, um 1180 in den Werkstätten der Benediktinerabtei Helmarshausen (heute Stadtteil von Bad Karlshafen). Den Kaufpreis brachten die Bundesregierung, die Länder Niedersachsen und Bayern, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie private Spender auf. Das Evangeliar wird in Wolfenbüttel aufbewahrt. In Helmarshausen liegt eine Kopie. (tty)

An der Spit e des Protest uges marschiert dann die für den „Sommernachtstraum“ erpflichtete Schauspielerin E a Ren i und tritt bei der anschließenden Kundgebung auf dem Linggplat auch als Rednerin auf. Ren i hatte u or bereits den Schirmherrn der Festspiele, den egen seiner NS-Vergangenheit umstrittenen Bundespräsidenten Karl Carstens, als „Na i“ be eichnet. Sie ird des egen abgemahnt und schließlich fristlos gekündigt. Am Pfingstmontag erklärt der Vorsit ende des Kameradschafts erbandes, Albert Stenedel, gegenüber Bürgermeister Hartmut H. Boehmer und Intendant Hans Gerd Kübel, dass sich sein Verein nicht mehr in Bad Hersfeld treffen erde, um den Festspielen „jegliche Sch ierigkeiten u ersparen“. Als neuer Regisseur für den „Amadeus“ kommt Peter Lotschak, der spätere Dauer-Intendant der Festspiele.

1100 Frauen pilgern ins Lossetal KAUFUNGEN. Zum 95 . Todestag on Kaiserin Kunigunde geschah in Kaufungen Ungeheuerliches: 11 katholische Frauen aus den Diö esen Bamberg und Fulda pilgerten am 3. Mär 1983 ins Lossetal und feierten in der in ischen protestantischen Stiftskirche den ersten katholischen Gottesdienst seit der Reformation. Kaiserin Kunigunde, Frau on Heinrich II., hatte 1 17 ein Benediktinerinnen-Kloster in Kaufungen gegründet und die Stiftskirche bauen lassen. In Kaufungen ar sie 1 33 gestorben, im Bamberger Dom neben ihrem Gatten beigeset t orden. Nach der Feier in der Kirche tan ten die Wallfahrerinnen fröhlich auf dem Stiftshof. (tom)

21.4. Bei den Feierlichkeiten zum 500. Geburtstag von Martin Luther wird die restaurierte Wartburg in Thüringen wiedereröffnet.

Restauriert: Die Wartburg bei Eisenach. Archivfoto: dpa 25.4. Das Magazin „stern“ kündigt auf einer Pressekonferenz die Entdeckung und Veröffentlichung von Tagebüchern Adolf Hitlers an und beginnt mit deren auszugsweisem Abdruck. Am 6. Juni werden die Tagebücher als Fälschung entlarvt. 4.6. Der Hamburger SV verteidigt seinen deutschen Meistertitel, er hatte zuvor den Europapokal der Landesmeister gewonnen. 18.10. Eine Erhebung der Bundesregierung ergibt, daß ein Drittel des deutschen Waldes erkrankt ist. 2.11. Verbot und Auflösung des Vereins „Hell’s Angels MotorClub“ durch den Bundesinnenminister. Den Mitgliedern wird unter anderem Zuhälterei und Erpressung vorgeworfen. 7.11. In München wird feierlich die erste öffentliche Zapfsäule für bleifreies Benzin in Betrieb genommen. 14.11. Als erste Gemeinde in der Bundesrepublik führt Buxtehude in seiner Innenstadt versuchsweise „Tempo 30“ ein.

... und die Welt 5.2. Der ehemalige SS-Hauptsturmführer und Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, wird in Frankreich verhaftet. 18.4. Durch einen Sprengstoffanschlag wird die US-Botschaft in Beirut weitgehend zerstört, 66 Menschen sterben. 19.6. Die Regierungschefs der zehn EG-Mitgliedstaaten unterzeichnen die „Feierliche Deklaration zur Europäischen Union“. 20.-27.8. Bei den Europameisterschaften in Rom gewinnt der Offenbacher Schwimmer Michael Groß viermal die Goldmedaille und einmal Silber.

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Das Jahr 1984 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Obermeiser. Nach verheerenden Wolkenbrüchen im Frühjahr werden große Teile des Ortes Obermeiser bei Zierenberg von einer Flutwelle bislang unbekannten Ausmaßes überschwemmt. Hunderte von Feuerwehrleuten aus dem Landkreis sind mit Rettungsarbeiten beschäftigt.

1.1. Das erste Kabelfernsehprojekt nimmt in Ludwigshafen im Rahmen eines Pilotprojektes seinen Sendebetrieb auf. 6. 1. Die Deutsche Bundespost stellt die Nachtleerungen ihrer Briefkästen ein. 19.1. Der Regisseur Wolfgang Staudte stirbt bei Dreharbeiten in Jugoslawien an einem Herzinfarkt.

Kassel. Bundespräsident Richard von Weizsäcker besucht Kassel und trägt sich ins Goldene Buch der Stadt ein. Anlass ist das 100-jährige Bestehen der sozialgerichtlichen Rechtsprechung in Kassel.

24.1. DDR-Bürger, die in die Ständige Vertretung der BRD in Ostberlin geflüchtet waren, dürfen ausreisen.

Ahnatal. Im Herbst 1984 hat die Gemeinde Ahnatal an allen sechs Ortseingängen Schilder aufgestellt: Keine Atomwaffen in Ahnatal.

Eichenlaub wird jüngster Bürgermeister FRANKENBERG. Er ar der jüngste Bürgermeister Hessens: Helmut Eichenlaub (CDU), der heutige Landrat on Waldeck-Frankenberg, urde am 24. September 1984 als Bürgermeister der Stadt Frankenberg ereidigt - mit 29 Jahren. Am 1. Oktober löste der CDU-Politiker den bisherigen Rathauschef Sepp Waller ab, der dieses Amt 18 Jahre inne hatte. Bis 1997 blieb Helmut Eichenlaub Bürgermeister in Frankenberg, dann urde er Landrat. (jul)

Bei der Vereidigung: Helmut Eichenlaub. Foto: Archiv

Natur schlug zu: AufHochwasser folgte Orkan MELSUNGEN. Das schlimmste Hoch asser seit ielen Jahren suchte den Kreis Melsungen im Februar 1984 heim: Etliche Orte im Fuldatal aren on der Außen elt abgeschnitten, in der Melsunger Altstadt sorgten Schlauchboote und Kähne für Bilder ie aus Venedig. Die Rettungsdienste aren pausenlos im Einsat , um Keller und Baugruben leer u pumpen. Glücklicher eise kam niemand ernsthaft u Schaden. Im No ember folgte dann der nächste Schlag durch die Natur: Ein Orkan on bislang ungekannter Heftigkeit brachte im Forst rund um Melsungen 4 Festmeter Hol u Fall. Forstamtsleiter Wolfgang Seidenschnur sprach on einem „Jahrhundertereignis im negati en Sinne“. Bis um Sommer des Folgejahres aren Spa iergänger im Wald nicht sicher - dann hatten Forstarbeiter die dringendsten Aufräumarbeiten geschafft. (as ) Mehr auf

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Erinnerungen an ein düsteres Kapitel Wer die idyllisch am Fuldaufer gelegene Klosteranlage Breitenau (Guxhagen) sieht, wird kaum vermuten, dass sich hinter den Mauern während des Zweiten Weltkrieges ein Konzentrationslager befand. Und auch danach war das Kloster ein

trauriger Ort: Von 1952 bis 1973 gab es dort ein Mädchenerziehungsheim, das vor allem durch seine unmenschlichen Methoden in die Schlagzeilen geriet. Die Geschichte des Klosters wird seit Beginn der Achtzigerjahre detailliert aufgearbei-

tet. 1984 richtete die Gesamthochschule Kassel in Zusammenarbeit mit dem Landeswohlfahrtsverband Hessen in der Klosteranlage eine Gedenkstätte ein. Besucher können sich seitdem über die Vergangenheit der Klosteranlage informie-

ren, Akten anschauen und Filmausschnitte ansehen. Inzwischen gibt es zudem eine Dauerausstellung, in der Künstler Stephan von Borstel an die Schicksale von KZ-Häftlingen und Insassen des Erziehungsheims erinnert. (som) Foto: nh

1800 Jobs gehen verloren

1.2. In Stuttgart-Stammheim beginnt der Prozess gegen die RAFTerroristen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt. Ihnen wird unter anderem die Ermordung des Vorstandssprechers der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, im Jahre 1977 vorgeworfen. 23.2. Im Volkswagenwerk in Wolfsburg wird eine vollautomatische Fertigungsstrecke für die Golf-Produktion vorgeführt. 5.4. Als erstes Bundesland verankert Bayern den Umweltschutz in der Verfassung. 12.4. Die umstrittene StartbahnWest des Frankfurter Flughafens wird in Betrieb genommen. 19. 5. Der VfB Stuttgart wird Deutscher Fußballmeister.

Entlassungen und der Kampf um die 35-Stunden-Woche bewegt die Kasseler VON CLAUDIA HOHMANN KASSEL. Hohe Arbeitslosigkeit und die Sorge um die Arbeitsplät e be egen die Kasseler 1984. Die Streiks der Metallindustrie für die 35-Stunden-Woche schlagen auch in Kassel hohe Wellen. 147 Beschäftigte im Bundesbahn-Ausbesserungs erk Kassel bangten um ihre Arbeitsplät e. 28 arbeitslose Bauarbeiter im Arbeitsamtsbeirk Kassel und 12 Kur arbeiter standen für die Krise der Bau irtschaft. Im Mär erreichten die Warnstreiks in der Metallindustrie Kassel. 315 Mitarbeiter in sechs Kasseler Betrieben legten die Arbeit nieder, um ihrer Forderung nach der 35-Stunden-Woche Nachdruck u erleihen. Während die Metaller für mehr Arbeitsplät e kämpften, gingen bei Enka am 3 . Juni endgültig die Lichter aus. Die

Für die 35-Stunden-Woche: Tausende Arbeitnehmer demonstrieren auf dem Friedrichsplatz. Foto: Archiv Chemiefaserproduktion urde eingestellt, über 3 Beschäftigte urden in die Arbeitslosigkeit entlassen. Unter dem Begriff Unternehmenspark Kassel erden auf dem Gelände neue Unternehmen angesiedelt. Weitere 17 Beschäftigte standen auf der

Straße, als die Firma Landehr+Schult , Haus- und Sicherheitstechnik Konkurs anmeldete. Unterdessen stand die Streikfront der Metaller in Kassel. 4 Arbeitnehmer des Daimler-Ben -Werkes, der Firmen Wegmann, Gebrüder

Bode befanden sich im Ausstand für die Forderung nach der 35-Stunden-Woche bei ollem Lohnausgleich. Die Arbeitgeber reagierten mit Aussperrung. Auf einer Kundgebung protestierten 75 Arbeitnehmer des VW-Werkes. Im Juli endete der sechs Wochen dauernde Arbeitskampf, 38,5-StundenWoche lautete der Schlichterspruch. Während sich die Lage an der Metallfront normalisierte, gingen die Arbeitskämpfe in der Druckindustrie eiter. Mit 16,1 Pro ent ar die Zahl der Arbeitslosen in Kassel Ende 1984 so hoch ie nirgends sonst in Hessen. Ein Minus on 18 Arbeitsplät en im ge erblich-technischen Bereich sei durch neue Arbeitsplät e auf dem Dienstleistungssektor nicht aus ugleichen, beklagte Kassels Oberbürgermeister Hans Eichel.

DDR-Knast statt Adventskonzert Arolser Bürgermeister im Osten verhaftet - Vorwurf: „Staatsfeindlicher Menschenhandel“ VON WOLFGANG RIEK BAD AROLSEN. Von Ost-Grenern aus der Warteschlange ge inkt, über Stunden in einer Gitterbude am AutobahnÜbergang Helmstedt-Marienborn geschmort, dann ab in den DDR-Knast: So endete am 14. De ember 1984 im noch geteilten Deutschland für Arolsens Bürgermeister Ernst Hubert on Michaelis die Reise u einem Ad entskon ert in Berlin. Die DDR ollstreckte einen alten Haftbefehl gegen den damals 35-jährigen CDUNach uchspolitiker. Von Michaelis hatte 1977 ei entfernten Ver andten in Eisenach, die raus aus der DDR ollten, Kontakte u Westberliner Fluchthelfern ermittelt. Im Februar 1985 erurteilte das Ostberliner Stadtgericht ihn deshalb egen „Staatsfeindlichen Men-

schenhandels“ u sechs Jahren Gefängnis. Der Flucht ersuch ar damals nicht nur aufgeflogen, sondern ins Tragische gekippt. Die dilettantisch organisierte Aktion im Kofferraum eines schrottreifen Opel endete tödlich für das sechs Monate alte Bab des Eisenacher Paares. Das Kind ar mit Medikamenten ruhiggestellt orden. Während der CDU-Politiker aus Nordhessen in der Haftanstalt Baut en II „leichte Schraubarbeiten“ errichtete und sich die Frei eit hinter Gittern mit Lesen, Skat und Doppelkopf ertrieb, glühten die diplomatischen Drähte ischen Bonn und Ostberlin. Aus estdeutscher Sicht ar on Michaelis kein strafrechtlicher Vor urf u machen. Kopfschütteln und hämische Kommentare handelte sich der Rathauschef dennoch ein:

andten und deren Fluchthelfer umindest geahnt haben. Im August 1985, acht Monate nach seiner Festnahme, kam on Michaelis ieder frei. Der übliche Ost-WestBus brachte ihn mit anderen freigekauften DDRHäftlingen um Gren übergang Wieder im Westen: Ernst Hubert von Michae- Herleshausen ulis steigt nahe Herleshausen aus einem Strei- rück. Die mittlerfenwagen des Bundesgrenzschutzes. eile rot-grüne Archivfoto: Forbert Mehrheit im ArolWäre er nicht ins Auto gestie- ser Stadtparlament ollte on gen, sondern nach Berlin ge- Michaelis nach seiner ersten flogen, hätten die Ost-Gren er Amts eit nicht mehr als Bürihn nicht gekriegt. germeister. Seit 199 ist er GeDass die DDR ihn auf dem schäftsführer der NasKieker hatte, musste er nach sauischen Heimstätte/WohnHafturteilen gegen seine Ver- stadt GmbH in Kassel.

Neuer Bundespräsident: chard von Weizsäcker.

Ri-

Arch ivfoto: dpa

23.5. Richard von Weizsäcker (CDU) wird zum sechsten Bundespräsidenten gewählt. 27.6. Mit einem 2:0 über Spanien wird die französische Nationalelf Fußball-Europameister. Titelverteidiger Deutschland schied in der Vorrunde aus. 1.8. In der Bundesrepublik wird das Anlegen von Sicherheitsgurten auf Pkw-Rücksitzen Pflicht. 20.11. Hessens Grüne kündigen die Zusammenarbeit mit der SPD-Landesregierung unter Holger Börner. 30.11. Die DDR baut die letzten Selbstschussanlagen ab.

... und die Welt 9.2. Der sowjetische Staats- und Parteichef Jurij Andropow stirbt in Moskau. Nachfolger wird Konstantin Tschernenko (72). 11.8. Weltweites Aufsehen erregt US-Präsident Ronald Reagan während einer Mikrofonprobe mit dem Satz: „Die Bombardierung Russlands beginnt in fünf Minuten“. 31.10. Die indische Ministerpräsidentin Indira Gandhi wird von zwei Leibwächtern erschossen. 10.12. Bischof Desmond Tutu aus Südafrika erhält für seine Anti-Apartheids-Bemühungen den Friedensnobelpreis.

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Das Jahr 1985 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Die Einwohnerzahl der Stadt Kassel ist mit 184 500 auf einen Tiefstand gesunken.

1.1. In der Bundesrepublik startet das erste private SatellitenFernsehprogramm SAT 1.

Baunatal. Bis 1985 baut VW 790 Wohnungen in Baunatal und Schauenburg - bis zum selben Jahr fördert das Werk mit 42 Millionen Mark den Eigenheim- und Eigentumswohnungsbau.

18.1. Erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik gilt im westlichen Ruhrgebiet Smog-Alarm der Stufe III (Absolutes Fahrverbot für Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren).

Bad Hersfeld. Im November wütet ein Orkan im Kreis Bad Hersfeld. Es kommt zu Hochwasserschäden.

4.2. Die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen (DWK) entscheidet sich für das bayerische Wackersdorf als Standort für die erste kommerzielle Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in der Bundesrepublik Deutschland.

Melsungen. Stararchitekt James Stirling plant für B. Braun in Melsungen das Werksgelände Pfieffewiese.

23.2. Martin Bangemann wird Nachfolger von Hans-Dietrich Genscher als FDP-Parteichef.

0:2 beim Club: KSV verpasst den Aufstieg KASSEL. Was für ein Drama. Die Aufstiegsfeier ar orbereitet und dann das: Der KSV als Tabellenerster der 2. Fußball-Bundesliga erliert sein let tes Saisonspiel beim Club mit :2, stür t auf den ierten Plat und erfehlt damit das Relegationsspiel um Aufstieg in die Bundesliga. Dabei hatte alles so gut ausgesehen. Seit dem 16. Spieltag führen die Lö en 1985 die Tabelle an. Die ersten Chance ergeigen die Lö en am orlet ten Spieltag uhause or 23 Zuschauern gegen Hanno er 96. Ein Sieg hätte um Aufstieg gereicht und alles deutet ur Halb eit bei einer 2: -Führung darauf hin.

Riesenchance bei Zitterpartie Doch Hanno er holt auf, eringt ein 2:2. So geht’s in die Verlängerung nach Nürnberg. Hier reicht dem KSV ein Punktge inn. Nach 6 Minuten geht Nürnberg in Führung, nachdem der Lö e Panierschk om Plat geflogen ar. Aufopferungs oll kämpft der KSV. Kur or Schluss ergibt Michael Deuerling eine Riesenchance, im Gegen ug erhöht der Club auf 2: . Die KSV-Mannschaft on damals: Wulf - Grei er (72. Kirchberg), Panierschk , Münn, Kahlhofen - Eplinius, Freudenstein - Bakalor , Hampl, Cestonaro, Deuerling. (bre)

Irene Eiermann startet Bau des Lohbergtunnels FULDATAL. Mit einem Knopfdruck auf den Sprengautomaten startet Irene Eiermann, die Frau des Kasseler Landrates Willi Eiermann, am 29. Mai den Bau des Lohbergtunnels in Fuldatal-Ihringshausen (Kreis Kassel). Das 58 Meter lange Tunnelbau erk ist Teil der Bundesbahn-Neubaustrecke Hanno er-Wür burg. Irene Eiermann ist Patin des Lohbergtunnels, der mit Kosten on 21 Millionen Mark durch den Berg getrieben ird. Er ählt egen besonderer geologischer Bedingungen u den sch ierigsten bergmännischen Aufgaben auf der neuen Schnellbahnstrecke. Als Tunnelpatin ist Irene Eiermann die ein ige Frau, die den Tunnel ährend der Bauarbeiten betreten darf. (mic) Mehr auf

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Hessencourrier steht wieder unter Volldampf Als der Hessencourrier am Samstag, 7. September 1985 wieder unter Volldampf stand, waren die Zweifel vergessen, die im Januar 1983 aufkamen, als die Dampflok vom Denkmal vor dem Naumburger Bahnhof entfernt wur-

de, um mit Restaurierungsarbeiten zu beginnen. Denn die 16 000 Arbeitsstunden und 153 000 Mark, die die 28 Mitglieder des Arbeitskreis investierten, lohnten sich. Die Fahrt der „neuen alten“ Lok von 1941 und der mit viel Beifall

bejubelte Empfang in Naumburg glichen einem Festtag. Auch der damalige Bürgermeister Ludwig Noe, seine Frau Luise, die die Lok auf „Naumburg“ taufte, begrüßten, die Reaktivierung der Lok mit den Worten „Wir freuen uns, dass die dampfloklo-

se Zeit für Naumburg zu Ende ist.“ Die Ungewissheit, ob die Strecke des Hessencourrier stillgelegt werde oder nicht, stellt sich heute so dar, dass die Strecke nur für die Fahrten der Lok offen ist, die etwa einmal im Monat stattfinden. (nix) Archivfoto: Koch

2.4. In Stuttgart-Stammheim werden Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt wegen ihrer Mitgliedschaft in der Rote Armee Fraktion (RAF) und ihrer Beteiligung an mehreren Morden und Mordversuchen zu lebenslanger Haft verurteilt. 15.4. Als erster Deutscher gewinnt der 27 Jahre alte Golfprofi Bernhard Langer das MastersGolfturnier in Augusta/USA. 8.6. Mit vier Punkten Vorsprung auf Bremen wird Bayern München Deutscher Fußballmeister. 19.6. Ein Bombenanschlag auf dem Frankfurter Flughafen fordert drei Tote und 42 Verletzte.

Smog löst Alarm aus

7.7. Boris Becker gewinnt als bislang jüngster Tennisspieler und als erster Deutscher das Tennisturnier in Wimbledon/ England.

VON THOMAS SIEMON

22.9. In West-Berlin stirbt im Alter von 73 Jahren der Zeitungsverleger Axel Springer.

Stadt Kassel ruft zum Autoverzicht auf – Umweltschützer blockieren Straße KASSEL. Am 15. Januar ird in Kassel erstmals Smogalarm ausgelöst. Die dringende Empfehlung: Das Auto stehen lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Wie eine Dunstglocke lag die Luft über Kassel, und sie urde immer schlechter. Die Abgase der Fabrikschlote, Heiungen und Kraft erke machten sich ebenso breit ie die aus den Auspuffrohren der Autos. Unten hing die kalte Winterluft im Kasseler Becken, oben hielt sie arme Mittelmeerluft fest. Solche Wetterlagen hatte es schon früher gegeben, Anfang 1985 griff aber um ersten Mal eine neue Verordnung. Alarmstufe I urde am 15. Januar ausgerufen, das ar der erste Kasseler Smogalarm. Fahr er-

Trotz dicker Luft: Die Appelle zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel brachten nicht viel. Foto: Archiv bote gab es noch nicht, aber jede Menge Appelle, das Auto stehen u lassen. Die Stadt sperrte den ansonsten als Parkplat genut -

ten Innenhof des Rathauses und forderte die Mitarbeiter auf, mit öffentlichen Verkehrsmitteln ur Arbeit u kommen. Außer Appellen gab

es für die Kommunalpolitik nur begren te Möglichkeiten, den Schadstoffausstoß u erringern. Die städtische Müllerbrennungsanlage urde ebenso heruntergefahren ie das Kraft erk an der Dennhäuser Straße. Um eltschüt ern ar das noch iel u enig. Eine Gruppe on Demonstranten blockierte die Rathauskreu ung. Die Autofahrer reagierten mit einem Hupkon ert und konnten nach einer Viertelstunde ieder Gas geben. Nach Rücksprache mit der Poli ei set ten die Demonstranten ihre Aktion or dem Kasseler Rathaus fort. Eine der Forderungen aus dieser Zeit ar ein Nulltarif bei Smog für Busse und Straßenbahnen der Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG). Daraus ist nichts ge orden.

Loriot erhält Preis für grotesken Humor Als erster Preisträger erhielt Vicco von Bülow alias Loriot 1985 den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. Der Preis wurde vom Schriftstellerehepaar Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner gestiftet und war mit 15 000 Mark dotiert. Deutschlands bekanntester Humorist trug sich auch ins Goldene Buch der Stadt Kassel ein. Unser Archivbild zeigt von links Loriots Fernsehpartnerin Evelyn Hamann, Otto Heinrich Kühner, Vicco von Bülow, Stadtverordnetenvorsteher Günter Kestner, Christine Brückner und Oberbürgermeister Hans Eichel. Loriot wurde in Kassel später noch einmal geehrt: 2004 erhielt er den Jacob-Grimm-Preis für deutsche Sprache. (w.f.)

16.10. Nach über dreiwöchigen Verhandlungen kommt es in Hessen zu einer Koalition zwischen SPD und Grünen.

Erster grüner Landesminister: Joschka Fischer (rechts) wird von Ministerpräsident Holger Börner vereidigt. Archivfoto: dpa 8.12. Die ARD beginnt mit der Ausstrahlung Familienserie „Lindenstraße“ von Hans W. Geißendörfer. Sie läuft noch heute.

... und die Welt 10.3. Der sowjetische Staatsund Parteichef Konstantin Tschernenko stirbt. Michail Gorbatschow (Foto) wird tags darauf zum neuen Generalsekretär der KPdSU gewählt. 16.8. Die UdSSR schlägt ein internationales Abkommen über die Nichtmilitarisierung des Weltraums vor und regt eine Zusammenarbeit bei der Erforschung des Weltraums an. 1.9. Ein Team von französischen und US-amerikanischen Forschern findet in fast 4000 Metern Tiefe vor der Küste Neufundlands das Wrack des 1912 gesunkenen britischen Passagierdampfers „Titanic“.

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Das Jahr 1986 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Kassel. Die Stadt Kassel führt Tempo-30-Zonen ein und schafft Radarwagen an.

7.1. Mehrere tausend Polizisten räumen das Hüttendorf, das Gegner der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf im Taxöldner Forst errichtet haben.

Witzenhausen. Im Bürgerhaus in Witzenhausen wird das erste Blockheizkraftwerk in Betrieb genommen. Das mit Erdgas betriebene Kraftwerk besaß Pilotfunktion weit über Witzenhausen hinaus und erlangte hessenweites Interesse.

23.1. In Düsseldorf stirbt der Künstler Joseph Beuys im Alter von 64 Jahren. 13.2. Das Bundeskartellamt genehmigt die Übernahme der AEG durch den Daimler-BenzKonzern. Damit ist der größte Unternehmenszusammenschluss in der Geschichte der Bundesrepublik perfekt.

Vellmar. In Vellmar wird der große Ahnepark gebaut. Homberg. Die Emanzipation schreitet fort: In Homberg nehmen fünf Männer bei der Heirat den Familiennamen ihrer Frauen an.

26.3. Der italienische Weinskandal, der bereits mehrere Menschenleben in Italien gefordert hat, greift auf die Bundesrepublik über. Erstmals wird auch hier mit Methylalkohol vergifteter Wein sichergestellt.

Rekordzahl: VW hat 20 520 Beschäftigte BAUNATAL. Im Jahr 1986 erreicht VW in Baunatal den Höchststand an Mitarbeitern: 2 52 Menschen erdienen dort ihr Brot. Es ist auch das Jahr, in dem die Leichtmetallgießerei um ein Aluminium-Umschmel erk er eitert ird. Im Rec cling erfahren sollen Rohstoffe für Getriebe und Kurbelgehäuse ge onnen erden. Das ist kostengünstiger als Aluminium-Flüssigmetall on außen u be iehen. Außerdem stellt die Aggregate-Aufbereitung 1986 das einmillionste Schaltgetriebe für den Austauschdienst fertig. Heute arbeiten im Baunataler Werk und im Vertrieb Originalteile on VW knapp 13 Menschen. (ing)

Müll wird nun getrennt HABICHTSWALD. Seit dem 1. Januar läuft in Habichts ald ein Pilotprojekt ur Mülltrennung. Das Trenns stem soll da u beitragen, Gebührenerhöhungen des Müll eck erbandes für den Verbraucher u ermeiden. Die aufgestellten Container für Glas und Papier erden oft genut t. (ni )

Konvekta baut neue Fabrik in China SCHWALMSTADT. In Yue ang, einer Stadt mit 3 Ein ohnern in der südchinesischen Pro in Hunan, soll eine Fabrik ur Herstellung on Klimaanlagen entstehen. Die Sch almstädter Firma Kon ekta hat im Rahmen eines Li en ertrages den Zuschlag für die Errichtung der Produktionsstätte erhalten – und sich damit gegen internationale Konkurren aus den USA und Japan durchgeset t. Die Fertigung im Ausland sei not endig, um aufgrund des hohen Lohnni eaus in Deutschland keine Anteile am Weltmarkt u erlieren, erklärte Geschäftsführer Carl Heinrich Schmitt. Zur Vorbereitung des Projektes empfing er in Ziegenhain eine Gruppe chinesischer Wirtschaftsfachleute. (jkö) Mehr auf

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Kasseler haben Angst vor Tschernobyl-Folgen Am 26. April kommt es im Atomkraftwerk von Tschernobyl zum schwersten Reaktorunglück der Geschichte. Auch auf Deutschland fallen radioaktiver Staub und Regen herab. Obwohl die deutsche Regierung zunächst gesundheitliche

Gefahren ausschließt, sind die Bürger besorgt. Zu Recht: Am 2. Mai schließt Hessen den Grenzübergang Herleshausen für strahlenbelastete Lkw aus dem Ostblock. Im Kindergarten gibt es Tiefkühlspinat mit Ei, denn Freilandgemüse soll

besser nicht verzehrt werden. 1000 besorgte Bürger demonstrieren vor dem Rathaus (Bild mit Schlagzeile vom 1. Mai) gegen die Informationspolitik der Behörden über die Folgen der Katastrophe. Bei einer Stadtverordnetensitzung werfen

Demonstrantinnen Sand auf die Stadtverordneten und spritzen mit Wasser. Mit Erleichterung wird in Nordhessen aufgenommen, dass die Landesregierung den Bau eines Kernkraftwerks in Borken untersagt. (red) Foto: Archiv

Eine Mutter als Mörderin

5.4. Bei einem Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek La Belle werden zwei Menschen getötet und rund 200 verletzt. 26.4. Am letzten Spieltag verliert Bremen durch ein 1:2 in Stuttgart die Fußballmeisterschaft an Bayern München. 30.6. Im Finale der FußballWeltmeisterschaft schlägt die argentinische die deutsche Nationalmannschaft mit 3:2. 1.7. In der Bundesrepublik müssen Autoinsassen künftig 40 DM Bußgeld zahlen, wenn sie auf den Rücksitzen keine Sicherheitsgurte angelegt haben.

Im August 1986 wurden Melanie und Karola Weimar umgebracht VON FRANK THONICKE KASSEL. Um Philippsthal-Röhrigshof hat bis 1986 kein Hahn gekräht. Das Dorf am Zonenrand kannte nur der, der dort ohnte. In der Nähe urde Kali abgebaut, und hinter den Mehrfamilienhäusern in Röhrigshof türmten sich die Abraumhalden. Alles ar ie immer am osthessischen Zonenrand, bis am 4. August 1986 die 28 Jahre alte Krankensch ester Monika Weimar die Poli ei alarmierte: Sie ermisse ihre Kinder Melanie (7) und Karola (5). Die beiden Mädchen seien aus dem Sandkasten spurlos ersch unden. Es begann eine Suche, an der sich neben Nachbarn und Freunden auch die Mutter beteiligte. Drei Tage später urden die Mädchen gefunden tot. Ein Busfahrer hatte Melanie an einem Parkplat der

Untertagedeponie Herfa-Neurode entdeckt, nur eineinhalb Stunden später fand die Poliei an einem anderen Parkplat die tote Karola. Die Mädchen aren erstickt be iehungs eise er ürgt orden. Die Kripo richtete eine 19köpfige Sonderkommission ein. Ihr Verdacht richtete sich gegen die Eltern. Erst präsentierte die Staatsan altschaft Monika Weimar als Haupt erdächtige, nur einen Tag später sollte es der Ehemann und Vater der Kinder, der 34jährige Schlosser Reinhard Weimar, ge esen sein. Beide urden festgenommen, mussten aber ieder auf freien Fuß geset t erden. Dreieinhalb Wochen nach der Tat erklärte Monika Weimar plöt lich, ihr Mann habe die Kinder umgebracht. Sie habe die Töchter tot im Bett gefunden, ihr Mann habe die Leichen eggebracht.

Verurteilt: Monika Weimar tötete ihre Töchter. Foto: Archiv Doch die Ermittler glauben Monika Weimar nicht. Die Mädchen aren oll angekleidet gefunden orden, ihre Haare aren mit Spangen hergerichtet - da u habe dem unbeholfenen Reinhard Weimar das Geschick gefehlt. Die Ermittlungen kon entrieren sich nun ieder auf Monika Weimar. Nur sie, da sind sich Poli ei und Staatsan-

altschaft mittler eile sicher, könne ihre Töchter getötet haben. Weimar sei ereifelt ge esen: Sie ollte mit ihrem Geliebten, einem US-Bürger, nach Amerika. Der ollte die Kinder nicht mitnehmen. Monika Weimar iederum ollte aber Karola und Melanie nicht ihrem Mann überlassen - darum habe sie die Mädchen umgebracht. Am 27. Oktober 1986 urde Monika Weimar egen Morderdachts erhaftet. Sie leugnete die Tat, und Deutschland diskutierte, ob eine Mutter tatsächlich ur Mörderin ihrer Kinder erden kann. Was niemand ahnte: Der Indi ienpro ess gegen die spröde Frau sollte drei Verfahren und 14 Jahre dauern. Schließlich urde sie u lebenslanger Haft erurteilt. Heute ist Weimar, die ihren Mädchennamen Böttcher trägt, frei. Sie soll in Frankfurt leben.

Herbstausstellung feiert Jubiläum Über 500 Aussteller aus dem Inund Ausland sind vom 12. bis 21 September bei der JubiläumsHerbstausstellung in der FuldaAue dabei. Seit 25 Jahren locken die Veranstaltungen der Messegesellschaft zehntausende Besucher aus der Region an. Auf dem Messegelände in den FuldaAuen stehen nun 40 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung, davon 10 500 in festen Hallen. Bei der Eröffnung sagt Oberbürgermeister Hans Eichel, dieses „Kasseler Schaufenster nach draußen“ leiste einen großen Beitrag zur wirtschaftlichen Stärkung der Region. Damit habe die Messegesellschaft bewiesen, dass auch in Nordhessen ein Markt vorhanden sei, wenn Initiativen genutzt würden. (red) Foto: Archiv

Tod im gepanzerten BMW: Die RAF ermordet Siemens-Manager Beckurts. Archivfoto: dpa 9.7. Der Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts wird bei München getötet. Zu dem Mordanschlag bekennt sich die RAF. 15.9. Greenpeace-Mitglieder demonstrieren vor dem DDRMinisterium für Umweltschutz in Ost-Berlin gegen die Salzeinleitung der Kalibergwerke der DDR in die Werra. 31.12. Panne bei der Ausstrahlung der Neujahrsansprache von Bundeskanzler Helmut Kohl: Es wird die Ansprache vom Vorjahr wiederholt. Die ARD liefert die korrekte Fassung am Neujahrstag 1987 nach.

... und die Welt 28.1. Kurz nach dem Start explodiert die amerikanische Raumfähre Challenger. Alle sieben Besatzungsmitglieder kommen ums Leben. Die Nasa setzt daraufhin alle bemannten Raumflüge auf unbestimmte Zeit aus. 27.2. Schwedens Ministerpräsident Olof Palme wird in Stockholm von einem Unbekannten erschossen. 26.4. In dem Kernkraftwerk von Tschernobyl nördlich von Kiew in der UdSSR schmilzt der Reaktorkern und verursacht die bisher größte Katastrophe in der Geschichte der friedlichen Nutzung von Atomenergie.

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Das Jahr 1987 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Bad Hersfeld. Im Januar schließen die Pepsi-Cola Werk in Hersfeld.

25.1. Wahl zum 11. Deutschen Bundestag    

Wolfhagen. Im Juni halten drei Großbrände in fünf Tagen die Feuerwehr in Emstal-Sand auf Trab. Im Juli führt ein Sommergewitter im Wolfhager Land zu Millionenschäden durch Überschwemmungen in Naumburg und Wolfhagen-Ippinghausen.

   

        

Witzenhausen. Im Stadtteil Gertenbach hinterlässt eine Windhose am 23. September eine 500 Meter breite Schneise der Verwüstung.

    

KASSEL. Der Aschrott-Brunnen in Kassel ist ieder da: Als Sinnbild für den on den Nationalso ialisten im Dritten Reich erstörten Brunnen, lässt Künstler Horst Hoheisel seinen neuen Aschrott-Brunnen or dem Rathaus ersenken. Tonnensch ere Betonteile erden in den Untergrund hinabgelassen. (red)

Unter der Erde: Der neue Aschrott-Brunnen. Foto: Archiv

Intendant der Festpiele stirbt vor Premiere BAD HERSFELD. Mit gleich ei Unglücksfällen haben die Hersfelder Festpiele 1987 u kämpfen: Intendant Karl Vibach stirbt am 9. Juni kur or der ersten Premiere der Spieleit im Alter on 58 Jahren. Er erliegt den Folgen sch erer Knochenbrüche, die er sich bei einer Theaterprobe ugeogen hatte. Oberspielleiter Jochen Schmidt springt bis um Ende der Saison ein. Vibachs designierter Nachfolger Peter Lotschak tritt sein Amt um 1. September 1987.

Darstellerin erleidet Infarkt Dramatisch ird es auch bei Generalprobe für den „Besuch der alten Dame“: Hauptdarstellerin Heidemarie Hathe er erleidet einen Her anfall. Die Suche nach einem Ersat hat Erfolg: Bei der Premiere steht E a Kotthaus auf der Bühne, die nur als Zuschauerin nach Bad Hersfeld gekommen ar. Kotthaus hatte die Rolle schon gespielt, und ein „Knopf im Ohr“ - erbunden mit einem Walkie-Talkie – übertrug Te t und Regieaneisungen. (ks) Mehr auf

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9.2. In Hessen zerbricht die seit Dezember 1985 regierende rotgrüne Koalition mit Holger Börner (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) an der Diskussion über die Plutoniumfabrik in Hanau.

Kassel. Bei ersten Entwürfe zum Bau des Intercity-Bahnhofs in Kassel-Wilhelmshöhe sind keine Toiletten vorgesehen. Am meisten verwundert: Es handelt sich nicht um eine planerische Panne, sondern Vorsatz.

Neuer Brunnen wird versenkt

 

Thema Leben und Tod: Die im Auepark aufgestellte Reihe von vier Gouillotinen „A View to the Temple“ des britischen Künstlers Ian Hamilton Finlay sorgte für Diskussionsstoff. Archivfotos: nh

11.3. Der CDU/CSU/FDP-Koalition wählt Helmut Kohl erneut zum Kanzler.

Blitzschlag und Gouillotine

23.3. Nach Querelen um die von ihm vorgeschlagene Pressesprecherin Margarita Mathiopoulos und seinen Führungsstil erklärt Willy Brandt nach 23-jähriger Amtszeit seinen Rücktritt als SPD-Parteivorsitzender.

VON WERNER FRITSCH

14.6. Auf einem Sonderparteitag der SPD wird Willy Brandt zum Ehrenvorsitzenden ernannt Neuer Parteichef wird Hans-Jochen Vogel.

Manfred Schneckenburgers documenta 8 lebte von spektulären Einzelwerken KASSEL. Eigentlich hätte die documenta 8, die om 12. Juni bis 2 . September die Kunstinteressierten in aller Welt beschäftigte, on dem Duo Ed de Wilde und Harald S eemann geleitet erden sollen. Jenem Harald S eemann, dessen documenta 5 aus dem Jahr 1972 ielen nach ie or als die ichtigste aller documenta-Ausstellungen gilt. Doch es ar anders gekommen. Der Sch ei er S eemann und der Niederländer de Wilde konnten sich nicht auf ein Kon ept einigen. Und so urde ieder als Nothelfer ieder Manfred Schneckenburger geholt, der schon ehn Jahre u or die documenta 6 erant ortet hatte. Es gab eine gan e Reihe bedeutender und auch spektakulärer Werke, die Aufsehen erregten. Zum Beispiel die ier Gouillotinen des Briten Ian Hamilton Finle im Auepark mit Blickrichtung auf den Sch anentempel: „A Vie to the Temple“. Damit ies er darauf hin, dass ischen dem Bau der Orangerie und dem des Sch anentempels die Fran ösische Re olution lag.

Blickfang im Fridericianum: Die Installation „Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch“ des ein Jahr zuvor gestorbenen Joseph Beuys. Ein Kunst erk, das or allem die Kinder liebten, hatte der amerikanische Künstler Charlemagne Palestine hergestellt: „Godbear“ nannte er

seinen dreiköpfigen, fünf Meter hohen Riesen-Tedd bär, der aus der Steifftier-Stadt Giengen nach Kassel gekommen ar.

Für die Kunst-E perten gab es aber keinen Z eifel, elches das bedeutendste Kunsterk der Ausstellung ar: Joseph Beu s’ ein Jahr nach seinem Tod im Fridericianum plat ierte, raumfüllende Installation „Blit schlag mit Lichtschein auf Hirsch“. Allerdings gab es Streit, ob die einelnen Gegenstände der Installation tatsächlich korrekt angeordnet aren. Eine neue Kunstform geann bei der documenta 8 an Bedeutung: die aus mehreren Monitoren gebaute Videoskulptur. Nam June Paik, Marie-Jo Lafontaine und Fabri io Plessi aren bedeutende Vertreter dieser Richtung. Trot solcher spektakulärer Arbeiten gilt die documenta 8 heute im Rückblick insgesamt als eine der sch ächeren Ausstellungen. Allerdings ereichnete sie fast 9 Besucher mehr als die Vorgängerdocumenta. Hatte die documenta 7 rund 38 Kunstliebhaber angelockt, so aren es bei der documenta 8 schon 468 . Auch dieser Erfolg beahrte die Schau aber nicht or einem Defi it on 91 Mark. Doch er ollte dem Retter aus der Not grollen?

Hessentag bei den Bartenwetzern Den 27. Hessentag haben die Melsunger, Spitzname: Bartenwetzer, ausgerichtet. Aprilwetter begleitete das Landesfest, doch zum Umzug am 14. Juni, strahlte die Sonne. 10 000 Mitwirkende in 300 Gruppen ließen sich bewundern. Bis dahin hatte das Hessentagspaar Beate Apel und Volker Salzmann bei ungezählten Auftritten die Stadt zu vertreten. Mal ging es sportlich zu, mal musikalisch, mal war es was für Kinder, mal für Senioren - kein Tag ohne eine Riesenauswahl an Veranstaltungen, für die Hessentagsmacher Werner Hollstein und sein Team geplant und geschwitzt hatten. Profitiert hat Melsungen vom Fest nicht nur, weil es bekannter wurde, sondern auch, weil viel Geld vom Land in die Stadt floss, um Fachwerkhäuser herauszuputzen. (bmn) Foto: nh

17.6. Bayern München erringt seinen zehnten Deutschen Meistertitel. 14.7. Im Grenzdurchgangslager Friedland treffen in einer Woche 1440 deutsche Übersiedler aus Ostblockstaaten ein - die höchste Zahl in einer so kurzen Frist. 17.8. Der ehemalige Stellvertreter Adolf Hitlers, Rudolf Heß, stirbt im Alter von 93 Jahren im britischen Militärhospital in West-Berlin durch Selbstmord. 7.9. Zum ersten Mal in der Geschichte der beiden deutschen Staaten besucht mit Erich Honecker ein Staats- und Parteichef der DDR die Bundesrepublik. 11.10. Ende der Affäre um den wenige Tage zuvor zurückgetretenen Kieler Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU): Ein Stern-Reporter findet ihn tot in der Badewanne eines Genfer Hotels - wahrscheinlich ein Freitod angesichts einer ausweglosen Situation. Barschel hatte sich in Widersprüche verwickelt, als er Vorwürfe um schmutzige Wahlkampftricks zurückwies.

... und die Welt 28.5. Der deutsche Sportpilot Mathias Rust (Foto) landet mit einer Cessna auf dem Roten Platz in Moskau. Die Folgen: Verteidigungsminister Sergej Sokolow wird pensioniert, Luftabwehrchef Alexander Koldunow abgesetzt, Rust zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt. 12.6. US-Präsident Ronald Reagan fordert in einer Rede vor dem Brandenburger Tor er den Parteichef Gorbatschow auf, die Berliner Mauer niederzureißen.

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Dienstag, 28. April 2

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Das Jahr 1988 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Bad Hersfeld. Der größte Heißluftballon der Welt muss im Maiin Hersfeld notlanden.

10.1. Jürgen Sparwasser, einer der prominentesten Fußballspieler der DDR, setzt sich in die Bundesrepublik ab.

Ziegenhain. Im Juni findet im Chinapark in Ziegenhain die erste Schwalm-Eder-Schau statt. Handel, Handwerk, Industrie und Landwirtschaft der Region stellen ihre Leistungskraft vor.

1.3. Einwohner von West-Berlin können künftig bei Reisen nach Ost-Berlin einmal übernachten. 9.3. Der frühere Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) stirbt 83jährig in Tübingen.

Kassel. Wohnraum ist knapp. Im Juli verbarrikadieren sich 17 Hausbesetzer in einem leeren Haus in der Breitscheidstraße. Als die Polizei ins Gebäude vordringt, ziehen die Besetzer ab.

1.5. Der ICE stellt bei Fulda mit 406,9 km/h einen Weltrekord für Schienenfahrzeuge auf. 21.5. Mit vier Punkten Vorsprung vor München wird Werder Bremen Fußballmeister.

Breuna. Breuna stellt als erste Gemeinde in Nordhessen neue Tafeln an den Ortseingängen auf, die zuoberst die Namen der Ortsteile zeigen.

Bürgerinitiative rettet die Söhre: Kein Bergbau SÖHREWALD. Seit 1823 urde in der Söhre Braunkohle abgebaut - schönste Hinterlassenschaft ist der heute bei Badefreunden beliebte Stellbergsee. Doch im Jahr 1967 urde nach einem Feuer in der Verladestation der Bergbau eingestellt, die let ten 43 Kumpel nach Hause geschickt. Als jedermann dachte, das Kapitel Bergbau in der Söhre sei geschlossen, kündigte 1988 das Unternehmen Wait on Eschen an, alte Abbaurechte in einem Untertagebetrieb mit 15 Bergleuten ieder nut en u ollen, um Braunkohle ab ubauen.

Protest hatte Erfolg Rasch formierte sich die Bürgerinititi e „Rettet die Söhre“, die sich gegen die Kohleförderung aussprach. Parteien, Pri atleute und Vereine kämpften für die Un ersehrtheit der id llischen Waldlandschaft - und hatten Erfolg. Am 15. April 2 erklärte das Regierungspräsidium Kassel, der Schut on Grund- und Trinkasser sei ichtiger als der Kohleabbau. (tom)

Neues Fleischwerk geht in Betrieb MELSUNGEN. Im September 1988 geht in Melsungen eines der modernsten Fleisch erke der Bundesrepublik in Betrieb. Darin kann die Fleischerk Hessengut GmbH - eine Tochtergesellschaft der EdekaHandelsgesellschaft - täglich über 7 Tiere mit einem Geicht on et a 5 Tonnen erarbeiten. Das ischen 2 und 25 Millionen DM teure Werk - auf eine genaue In estitionssumme legt sich das Unternehmen nicht fest - soll den Kundenstamm der Edeka mit 1 Ein elhandelsgeschäften in Nord- und Mittelhessen und Südniedersachsen mit Wurst-, Schinken- und Fleischartikeln ersorgen. Das neue Fleischerk bietet 15 Arbeitsplät e, erfügt über 16 Meter Transportbahnen, ein modernes EDV-S stem und automatische Wiege-Anlagen. Mehr auf

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3.8. Die Sowjets begnadigen den Sportflieger Mathias Rust und weisen ihn aus aus. Rust war 1987 mit einer Cessna auf dem Roten Platz in Moskau gelandet. Die sechs Überlebenden von links: Heinz Röse, Wilfried Dönch, Helmut Gessner, Ahmet Batkan, Egon Dehn und Thomas Geppert. Es ist der 4. Juni 1988 und seit der Explosion sind mehr als 65 Stunden vergangen. Archivfoto: Berger

Wunder von Stolzenbach Ein Grubenunglück verändert die ganze Region - Sechs Bergleute werden gerettet VON FRANK THONICKE OLAF DELLIT

UND

STOLZENBACH. Um 12.29 Uhr ar am 1. Juni 1988 die Welt noch in Ordnung in Borken-Stol enbach. Die Kumpel der Frühschicht aren ie eh und je eingefahren. Eine Minute später ar nichts mehr so ie früher: Eine ge altige Detonation erschütterte um 12.35 Uhr die Braunkohle eche. Wie sich später herausstellt, handelte es sich um eine Kohlestaube plosion. So et as hatte es u or im Braunkohlebergbau nie gegeben. 51 Bergleute sterben in den Stollen, acht erden über Tage erlet t. Drei Tage später geschieht dann das, oran niemand mehr geglaubt hatte - das Wunder on Stol enbach tritt ein: Sechs Kumpel erden gerettet. Sie überlebten in einer Art Sauerstoffblase. Das Unglück on Stol enbach ar die größte Katastrophe, die die Region seit dem Z eiten Weltkrieg erschütterte. Noch nie aren so iele Menschen bei einem ein igen Unglück ums Leben gekommen, noch nie aren Trauer und Betroffenheit so groß. Aber auch die Hilfe ar so über ältigend ie nie. Das Programm ur Unterstüt ung

Geiseldrama von Gladbeck: Dieter Degowski bedroht die Geisel Silke Bischoff. Archivfoto: dpa 16.8. In Gladbeck überfallen zwei Gangster eine Bank, und fliehen mit zwei Geiseln nach Bremen. Dort kapern sie einen voll besetzten Bus und erschießen einen 15jährigen Insassen. Bei der Verfolgungsjagd in Bremen stirbt ein Polizist. Am 18. September stellt die Polizei die Verbrecher auf der Autobahn bei Siegburg und beendet die Geiselnahme in einer blutigen Schießerei, bei der die 18jährige Geisel Silke Bischoff ums Leben kommt.

Trauerfeier für die Opfer: Die Särge der türkischen Toten waren mit Nationalfahnen bedeckt. Archivfoto: Koch

on Betroffenen und Hinterbliebenen urde beispielgebend. Stol enbach ar die Geburtsstunde für die Betreuung on Katastrophen-Opfern. Nach Stol enbach ussten Är te und Ps chologen, ie man anderen Menschen, die unter den massi en Folgen on Unglücken leiden, helfen kann und muss.

Borken-Stol enbach, das ar auch der Beginn einer neuen Epoche: Das Medieneitalter begann an der Kohlegrube - mit all seinen negatien Begleiterscheinungen. Noch nie aren so iele Journalisten aus gan Deutschland bei einem Unglück auf der Jagd nach Informationen und Sensationen. Dabei aren alle erlaubten und unerlaubten

Mittel Recht, um et a an Bilder der Opfer u kommen. Die Hilfskräfte aren mit dem Ansturm des Fernsehens und der Presse anfangs überfordert, erst nach und nach schüt ten sie die Hinterbliebenen der Opfer. Trot dem kam es u dramatischen S enen: Hinterbliebene, die sich erfolgt fühlten, arfen mit Steinen nach den Journalisten.

Lebenslang für Monika Weimar Fasern gaben den Ausschlag – Zuschauer bejubelten das Urteil in Fulda VON FRANK THONICKE FULDA Das Landgericht Fulda erurteilt am 8. Januar 1988 die 29 Jahre alte Krankensch ester Monika Weimar aus Philippsthal u lebenslanger Haft. Monika Weimar hat, so die Über eugung des Gerichts, ihre Töchter Melanie (7) und Karola (5) ermordet. Monika Weimar leugnete die Tat on Anfang an. Auch iele Pro essbeobachter hatten Z eifel an der Schuld der Mutter. Das Publikum im Saal und or dem Gericht bejubelte dagegen das Urteil über die Mutter.

Motiv blieb im Dunkeln Die Fuldaer Richter gaben u, dass das Moti der Tat „ eitgehend im Dunkeln“ geblieben ar. Reinhard Wei-

hätte belasten können. So blieb als Moti let tlich die Vemutung, die Kinder hätten der Be iehung Monika Weimars u ihrem amerikanischen Geliebten im Weg gestanden. Es ar ein Indi ien-Urteil: Rund 1 Zeugen aren befragt orden, und 14 Zellulose-Fasern spielten eine entscheidende Rolle.

Gelbe Bluse am Tattag

Von der Mutter ermordet: Undatiertes Archifoto von Melanie (links) und Karola Weimar. Archivfoto: ap mar, der Vater der Kinder und der on Monika Weimar betrogene Ehemann, hätte er-

mutlich ein besseres Moti gehabt. Doch das Gericht fand Nichts, as den Schlossser

Diese Fasern hatten am TShirt und an der Hose der ermordeten Melanie gehaftet. Das Besondere: Genau diese Fasern stammten on einer gelben Bluse, die Monika Weimar am Tattag getragen haben soll. Für das Landgericht genügte dies als Be eis, dass die Mutter die Mörderin ihrer beiden Töchter Melanie und Karola ar.

28.8. Bei einer Flugschau auf dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz kommen beim Absturz dreier Flugzeuge einer italienischen Kunstflugstaffel 70 Menschen ums Leben. 3.10. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß stirbt an einem Herz-Kreislauf-Versagen. 11.11. Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) tritt nach Kritik an seiner Rede zum 50. Jahrestag der Pogromnacht zurück. Nachfolgerin wird die Göttinger Bundestagsabgeordnete Rita Süssmuth (CDU). 18.12. Zum ersten Mal in der 88jährigen Geschichte des Davis-Cup gewinnt eine deutsche Mannschaft die höchste TeamTrophäe im Tennis.

... und die Welt 8.2. Der sowjetische Staats- und Parteichef Gorbatschow kündigt den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan an. 8.5. François Mitterrand wird für weitere sieben Jahre zum französischen Präsidenten gewählt. 30.6. Der traditionalistische Erzbischof Marcel Lefebvre weiht in der Schweiz trotz päpstlichen Verbots vier Bischöfe. Für den Papst bedeutet dies einen endgültigen Bruch: Lefebvre wird exkommuniziert.

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Mitt och, 29. April 2

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BRD-RE

Das Jahr 1989 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Bad Hersfeld. Im Stadtparlament Hersfeld kommt es im April zu Tumulten gegen den Einzug der NPD.

6.2. DDR-Grenzsoldaten erschießen den 20-jährigen Schlosser Chris Gueffroy beim Versuch, von Ost- nach WestBerlin zu flüchten.

Kassel. Der lange Donnerstag wird am 5. Oktober eingeführt. Geschäfte öffnen erstmals bis 20.30 Uhr.

7.5. Bei den Kommunalwahlen in der DDR entfallen nach offiziellen Angaben 98,8 Prozent der Stimmen auf die Kandidaten der Einheitslisten. Von Oppositionellen werden vielerorts Wahlfälschungen festgestellt.

Fritzlar. Die Fritzlarer FliegerAsse Konrad Hanses und Ludger Schulter-Bisping werden bei der Hubschrauber-Weltmeisterschaft das beste europäische Team.

17.6. Der FC Bayern München wird deutscher Fußballmeister. 4.9. In Leipzig findet die erste Montagsdemonstration im Anschluss an das traditionelle Friedensgebet in der Nikolaikirche statt. Es wird mehr Reisefreiheit gefordert.

Kassel. Bei der Kommunalwahl erreicht die SPD knapp die absolute Mehrheit mit 50,5 Prozent. Weitere Ergebnisse: CDU 29,5 Prozent, Grüne 12,3 und FDP 6,6.

Mahler-Fest wird eröffnet KASSEL. Es ar am 7. Juli, dem 129. Geburtstag des Komponisten Gusta Mahler, als in der Stadthalle mit einem Festkon ert das erste „Gusta Mahler-Fest“ in Kassel eröffnet urde. Die Stadt, in der Mahler on 1883 bis 1885 als Musikdirektor ge irkt hatte, geriet ins Mahler-Fieber. Das Fest ging auf eine Initiati e des Generalmusikdirektors Adam Fischer urück, der die künstlerische Leitung übernahm. Ein begeistertes Publikum erlebte sechs Festkon erte, ei Liederabende und Begleit eranstaltungen mit namhaften Musikern aus aller Welt. Die Verbindung ischen Friedrichsplat und Karlsaue heißt seitdem Gusta -Mahler-Treppe. (red)

Nun auch Operationen am offenen Herzen ROTENBURG. 1989 erteilt die Hessische Landesregierung dem Her - und Kreislauf entrum Rotenburg die Genehmigung für Operationen am offenen Her en – der Start der Her - und Gefäßchirurgie. Im selben Jahr legte Hein Meise, der das HKZ gebaut und am 17. Januar 1974 eröffnet hatte, den Grundstein für das Hotel Rodenberg, das iele Jahre um Zentrum gehörte. Meise ar auch HKZ-Geschäftsführer. Er starb 1998. Die Her chirurgie ar dem HKZ unter der SPD-Landesregierung stets ersagt orden. Ab 1987 regierte unter Walter Wallmann eine CDU-Landesregierung, die mit der Her chirurgie für Rotenburg ein Wahl ersprechen einlöste. Im Herbst 2 8 urde im HKZ der 3 her chirurgische Patient behandelt. (m.s.)

MonikaWeimar bleibt in Haft KARLSRUHE. Monika Weimar muss im Gefängnis bleiben. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt am 17 . Februar 1989 das Urteil des Landgerichts Fulda und er irft die Re ision. Monika Weimar ar in Fulda egen Mordes an ihren Kindern Melanie (7) und Karola (5) u lebenslanger Haft erurteilt orden. (tho) Mehr auf

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Blick in die Innenstadt: 20 000 Menschen aus der DDR besuchten am 12. November Kassel. Ein massenhafter Sonntagsausflug – und eine freudige deutsch-deutsche Begegnung. Archivfoto: Koch

30.9. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher verkündet auf dem Balkon der bundesdeutschen Botschaft in Prag, dass alle DDR-Flüchtlinge, die sich in den deutschen Missionen in Prag und Warschau befinden, ausreisen dürfen.

Im Trabbi ab nach Kassel Die DDR-Grenze ging auf, und die Region feierte ein wahres Volksfest KASSEL. Als am 9. No ember die innerdeutsche Gren e aufging, ar das ein Feiertag für die Region. Tausende DDRBürger kamen - in Trabbis oder auf Mofas im Blaumann, um ischen Nacht- und Spätschicht eine Freischicht im Westen ein ulegen. Andere aren ohlorganisiert, hatten einen Atlas in der Hand. Als sie urückfuhren, hatten sie or allem eines im Gepäck: Bananen. Schnell überholten Tatsachen das Klischee, Südfrüchte urden das S mbol des ersten deutsch-deutschen Tages in der Region. Die Thüringerin Brigitte Glock, die in Bebra mit Apfelsinen und Bananen in der Hand stand und der Tränen über die Wangen liefen, sagte es für alle anderen: „So as gibt‘s bei uns einfach nicht.“

Geld zur Begrüßung Überall kullerten die Freudentränen, und die Sektkorken knallten. Es ar ein Volksfest. Verbrüderungs enen überall. Am 11.11., dem ersten gemeinsamen deutschen erkaufsoffenen Samstag, herrschte so et as ie Narrenfreiheit. Da radelte um Beispiel ein Bürger (Ost) nach

kapelle aus Diedorf/Wendehausen in Wanfried ein. DDRSoldaten bauen eine pro isorische Gren kontrollstelle, in der es Ausreise-Visa gibt. Auf der Straße ischen Ober- und Untersuhl stehen tausende Westler und klatschen Beifall, als sich on Osten her die Kara ane in Be egung set t.

Für Flüchtlinge gerüstet

Einkaufsbummel in Kassel: Bepackt mit Tüten traten viele Besucher aus der DDR schließlich die Heimreise an. Archivfoto: Herzog Deutschland-West über die Autobahn und passierte ohne Behelligung den Gren übergang Herleshausen. Der estdeutsche Gren schut applaudierte dem Mann. Die DDR-Deutschen urden in der Region her lich begrüßt. Die Westler halfen den Ostlern, o sie konnten. Und es gab Geld für die DDR-Bürger: 1 Mark für jeden ur Begrüßung. Bei der Aus ahlung gab es egen des Ansturms nicht nur in Herleshausen Probleme:

Dort halfen Frei illige der Kreis er altung bei der Ausahlung des Begrüßungsgeldes. Fast immer urde es in Naturalien umgeset t: Neben Apfelsinen und Bananen urden mit Süßigkeiten gefüllte Nikolausstiefel und Weihnachtsmänner aus Schokolade gekauft. Alle hofften: Der Einkaufsbummel im Westen soll keine Eintagsfliege bleiben. In Wanfried schufften die DDR-Gren er, um die Sperranlagen eg uschaffen. Danach marschiert aus Osten die Blas-

An den Gren übergang bei Eichenberg im Norden des Werra-Meißner-Kreises sind 6 Menschen geströmt. Rudi Müller heißt der erste, der mit seinem Trabbi kommt. Im Gegen ug schreitet Artur Kün el, Chef des Werratal ereins Wit enhausen, über die offene Gren e. Schon or der Gren öffnung hatte es einen Flüchtlingsstrom in die Region gegeben. Viele DDR-Bürger kamen über den Um eg Ungarn. Die nordhessischen Kommunen hatten sich darauf eingestellt. Frit lar um Beispiel ar für 35 Flüchtlinge gerüstet, im Knüll urden ölf Kasernen für 8 Menschen freigemacht. In Frielendorf am Silbersee konnten 6 Gäste untergebracht erden. (red)

Hessentag startet in Frankenberg Fast eine halbe Million Besucher strömten zwischen dem 24. Juni und dem 2. Juli 1989 zum Hessentag nach Frankenberg. Der erste Hessentag im Landkreis Waldeck-Frankenberg war ein voller Erfolg – und eine teure Angelegenheit: Ausgaben in Höhe von 1,4 Millionen DM standen Einnahmen von 460 000 Mark gegenüber. Allerdings bekam die Stadt im Vorfeld 10 Millionen DM Zuschüsse vom Land, mit denen unter anderem die Ederberglandhalle und das Sportzentrum gebaut und die Altstadtsanierung vollendet wurden. Außerdem wurde ein neues Parkdeck in der Altstadt gebaut. Investitionen flossen auch in das Radwegenetz und den Fremdenverkehr. (jul)

Die Mauer ist offen: Berliner Grenzübergang am Abend des 9. November. Archivfoto: dpa 7.10. 40. Jahrestag der DDRGründung. Der sowjetische Staats- und Parteichef Gorbatschow erklärt die Notwendigkeit von Reformen: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ 18.10. Das Zentralkomitee der SED stürzt Erich Honecker. Egon Krenz wird neuer Generalsekretär. 9.11. SED-Politbüromitglied Günter Schabowski erklärt bei einer Pressekonferenz zur neuen Ausreiseregelung: „Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.“ Daraufhin drängen am selben Abend Tausende von Ost-Berlinern nach West-Berlin. Kurz vor Mitternacht öffnen sich die ersten Schlagbäume. Das Ende der Mauer ist da. Millionen DDRBürger besuchen in den nächsten Tagen den Westen. 10. 11. Vor dem Schöneberger Rathaus in West-Berlin sagt der SPD-Ehrenvorsitzende Willy Brandt: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.“ 30.11. Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, wird in Bad Homburg von Terroristen der Roten Armee Fraktion durch einen Bombenanschlag ermordet. 11.12. Erstmals wird bei den mittlerweile traditionellen Montagsdemonstrationen in der DDR der Ruf nach Wiedervereinigung deutlich.

... und die Welt 25. 12. Bei der Revolution in Rumänien werden Staatschef Nikolai Ceausescu und seine Frau von einem Militärtribunal zum Tode verurteilt und sofort hingerichtet. Zuvor waren bereits die anderen kommunistischen Systeme in Osteuropa zusammengebrochen.

e-paper für: 10216894 Donnerstag, 3 . April 2

60 Jahre Bundesrepublik

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BRD-LI

Das Jahr 1990 in unserer Region Chronik Nordhessen

Chronik Deutschland

Frankenberg. Drei Orkanstürme sorgen zum Jahresanfang für große Schäden in Frankenberg

18.3. Bei den ersten und einzigen freien Volkskammerwahlen erreicht die konservative „Allianz für Deutschland“ aus CDU, DSU und DA mit 48,1 Prozent der Stimmen einen überwältigenden Sieg. Der CDU-Vorsitzende Lothar de Maizière wird Ministerpräsident.

Bad Hersfeld. Die Berliner Krone AG übernimmt das Siemenswerk mit damals 1500 Mitarbeitern in Bad Hersfeld und gibtweitreichende Bestandsgarantien.

25.4. Auf den saarländischen Ministerpräsidenten und SPDKanzlerkandidaten, Oskar Lafontaine, wird auf einer Wahlveranstaltung in Köln-Mühlheim ein Attentat verübt, bei dem er lebensgefährlich verletzt wird.

Kassel. Die Kasseler Uni platzt aus allen Nähten: Fast 15 000 Studenten sind im Wintersemester an der für 7500 Studenten geplanten und gebauten Uni eingeschrieben.

2.5. Die beiden deutschen Regierungen vereinbaren Umtauschkurse für die Währungsunion.

Bahn fährt von West nach Ost EICHENBERG. Über die Wieder ereinigung urde ischen den beiden deutschen Staaten noch heftig diskutiert, da schritten die Eisenbahner aus Ost und West schon ur Tat: Anfang 199 begannen die Arbeiten für die Wiederaufnahme des Zug erkehrs ischen Kassel und Halle im Bereich der Bahnhöfe Eichenberg (Werra-Meißner-Kreis) und Arenshausen (DDR-Kreis Heiligenstadt). Seit 1945 ar der Schienen erkehr hier unterbrochen. Am 26. Mai urde die Wiederinbetriebnahme der Strecke u einem Volksfest. Die Chefs beider Staatsbahnen, Bundes- und DDR-Regierung saßen in den ersten Zügen, die nach Thüringen rollten. ( ke)

Feier zur Eröffnung: Der Zugverkehr wurde wieder aufgenommen. Foto: Archiv

Die letzte Zigarrenfabrik macht dicht WITZENHAUSEN. Am 3 . September endete in Wit enhausen eine 15 -jährige Industrietradition: Die let te Zigarrenfabrik schloss ihre Pforten. Dabei hatte es Ende der 7 er Jahre für die Firma Leopold Engelhardt noch gut ausgesehen. Nach der Übernahme on Betrieben in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen befand sich der Zigarrenhersteller auf dem Zenit des Erfolges. Das Unternehmen gehörte mit einem Umsat on 55 Millionen Mark und 6 Mitarbeitern u den sechs Großen der Branche. Allerdings änderten sich die Verbraucherge ohnheiten. Die Zigarre erlor den Kampf gegen die Zigarette. Bereits 1985 musste Engelhardt Konkursantrag stellen. Auffanggesellschaften konnten das Sterben nur erlängern. Mit der Schließung 199 erloren schließlich 82 Beschäftigte ihre Arbeit. Die Gebäude an der Nordbahnhofstraße übernahm die Uni ersität Kassel. ( ke) Mehr auf

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12.5. Der FC Bayern München wird Deutscher Fußballmeister. 7.6. In der DDR werden Susanne Albrecht und später noch andere mutmaßliche RAF-Terroristen festgenommen. „Palast der Winde“: Das umstrittene Riesendach am künftigen ICE-Bahnhof Wilhelmshöhe veränderte einen ganzen Stadtteil. Im Oktober werden die Haltestellen für Busse und Straßenbahnen unter dem Säulendach eingerichtet. Archivfoto: Herzog

Kassel wird zur Baustelle Ein Wechsel der Verkehrspolitik verändert stark das Gesicht der Stadt VON JÖRG STEINBACH KASSEL. Mit einem Generalerkehrsplan stellt das Stadtparlament Kassel die Weichen für eine neue Verkehrspolitik. „Vorfahrt für den Um elt erbund“ ist die Leitidee für den Plan, mit dem Kassel als Lebensraum für 2 Menschen so ie in der Funktion als Ober entrum für rund eine Million Menschen aufge ertet erden soll. Den Pk -Verkehr um 2 Pro ent u redu ieren, jedes fünfte Auto aus der Stadt u erbannen, lauten die Ziele. Millionen D-Mark fließen in Nah erkehr, Fuß- und Rad ege. Dahinter steckt auch die Angst, Kassel könnte im Autoerkehr ersticken. Anfang 199 sind erstmals in der Geschichte Kassels über 1 Fahr euge ugelassen. Auch in der Region nimmt die Motorisierung ständig u.

Die Lollies kommen Sichtbarer Ausdruck des Bemühens, den Fußgängern und Radlern so ie dem öffentlichen Nah erkehr Vorrang or den Autos u erschaffen, sind später die umstrittenen Kasse-

Streit um den Königsplatz: Diese Planung von Gustav Lange wird trotz Kritik an der Treppe umgesetzt. Archivfoto: Herzog ler „Lollies“, die rot- eißen Warnbarken, und die starke Aus eitung der Tempo-3 -Zonen. Parkplät e sollen u StadtPlät en erden und or allem die Innenstadt ieder attraktier und menschenfreundli– cher machen. Das „Ja“ um Bau der umstrittenen Tiefgarage unter dem Friedrichsplat ird erknüpft mit dem Z ang um Abbau on oberirdischen Parkplät en. Das Autoblech soll om Kasseler

Theater orplat ersch inden. In der Innenstadt bestimmen Baukräne das gan e Jahr über das Bild. Für die Kurfürsten-Galerie an der Mauerstraße ird das Richtfest gefeiert, im Mär ird am Hang ischen Staatstheater und Orangerie mit kleinen Hol pflöcken ein großes Projekt abgesteckt. Die Vorarbeiten für den Bau der neuen documenta-Halle beginnen. Auf dem Weinberg

Reim: 16 Wochen auf Platz eins 16 Wochen auf Platz eins der deutschen Charts: Das schaffte der Homberger Matthias Reim im Jahr 1990 mit seiner Hitsingle „Verdammt, ich lieb’ dich“. Der Schlagersänger, 1957 in Korbach geboren, hatte während seiner Schulzeit in der Homberger Theodor-Heuss-Schule erste musikalische Versuche unternommen. Nach dem Abi studierte er in Göttingen, zog jedoch die Musikstudios den Hörsälen vor. So komponierte er für Sänger wie Roberto Blanco und Jürgen Drews, bis ihm der Durchbruch mit „Verdammt, ich lieb’ dich“ gelang. Gleichzeitig wurde der Song fast schon zum Fluch: Keines seiner folgenden Alben konnte an den Erfolg der Hitsingle anknüpfen. (bf) Foto: Archiv

starten die Bauarbeiten für das Museum für Sepulkralkultur. Im Westen der Stadt ird mit Hochdruck am neuen ICEBahnhof Wilhelmshöhe gebaut. Das Riesendach, das einen gan en Stadtteil prägt, nimmt Gestalt an und sorgt für hit ige Diskussionen. Auch für das „große Spiel“ in Wilhelmshöhe erden die Weichen gestellt: Im Mär geben Magistrat und Stadt erordneten ersammlung grünes Licht für die Einrichtung einer Spielbank im Schlosshotel mit dem Hin eis, die Spielbank erde für Kassel in jeder Hinsicht ein Ge inn sein.

21.6. Gleichzeitig verabschieden der Bundestag und die Volkskammer den Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. 8.7. Die Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland wird durch einen 1:0-Sieg über Argentinien Fußballweltmeister. 14.-16.7. Bundeskanzler Helmut Kohl trifft in der Sowjetunion mit Präsident Michael Gorbatschow zusammen. Dieser billigt einem vereinten Deutschland die volle Souveränität zu. 12.9. Die Außenminister der vier Siegermächte und der beiden deutschen Staaten (Vier-plusZwei) unterzeichnen den „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“. Damit erhält das geeinte Deutschland die volle Souveränität und faktisch einen Friedensvertrag.

Streit um die Treppe Über die Umgestaltung des Königsplat es ird heftig gestritten. Anlass ist die Planung on Gusta Lange, ein „skulpturartiges Gebäude“ auf den Plat u set en. Gegen erheblichen Widerstand ird der preisgekrönte Ent urf schließlich durchgeset t. Eine on mehreren politisch brisanten Entscheidungen der Kasseler So ialdemokraten, die über die Köpfe der Bürger hin eg getroffen erden.

Erster großer Unfall nach Grenzöffnung BAD HERSFELD / WILDECK. Bei der bisher größten Massenkarambolage seit der Gren öffnung urden auf der A4 am 1. No ember 5 Menschen um Teil sch er erlet t. Es entstand ein Sachschaden on über 6 DMark. Der Unfall ereignete sich in einer Senke ischen Hönebach und Obersuhl, als bei einem Sattel ug die Bremsen ersagten und der Lk auf ein Stauende auffuhr. Bei den Rettungsarbeiten aren alle erfügbaren Kranken agen des Kreises im Einsat . Die Verlet ten urden in die Krankenhäuser in Bad Hersfeld, Rotenburg und Esch ege gebracht. Die Autobahn A4 ar mehrere Stunden gesperrt. (kai)

3. Oktober 1990: Tag der deutschen Einheit. Archivfoto: dpa 3.10. Die Vereinigung: Die Ostländer treten dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei. Die Bundesrepublik verfügt von nun an über die volle Souveränität. 2.10. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble erleidet bei einem Attentat im südbadischen Oppenau lebensgefährliche Verletzungen, die zu einer Querschnittslähmung führen. 2.12. Erste freie gesamtdeutsche Wahlen seit 1932.    

   

       

  



 



   

  

 

 

  

... und die Welt 11.2. Der südafrikanische Bürgerrechtler Nelson Mandela wird nach über 27 Jahren aus der Haft entlassen.

e-paper für: 10216894 Freitag, 1. Mai 2

60 Jahre Bundesrepublik

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BRD-li

Das Jahr 1991 in unserer Region Chronik Nordhessen

Kraftwerk schließt seine Pforten

Bad Hersfeld. Am 23. März wird TV Eitra Meister in der zweiten Bundesliga Gruppe Süd und steigt in die erste Bundesliga auf.

Am 15. März 1991 geht mit der Abschaltung des Blocks III die fast 70 Jahre währende Geschichte des Braunkohlekraftwerks in Borken zu Ende, die Blöcke I und II waren in den 80er Jahren bereits abgeschaltet worden. Seit 1923 hatte das Kraftwerk 66 Millionen Tonnen Braunkohle verstromt, 61 Millionen Tonnen aus Betrieben im Borkener und Ostheimer Bergbau-Revier. Zu Spitzenzeiten verdienten über 2000 Menschen im Kraftwerk und im Bergbau ihren Lebensunterhalt. Die Erinnerung an die Bergwerksgeschichte der Region lebt im Borkener Bergbaumuseum und im dortigen Themenpark des Museums „Kohle & Energie“ fort. (bf)

Witzenhausen. Ab August wirkt sich die Abrüstung auf die Bundeswehr in Hessisch Lichtenau aus: Knapp die Hälfte der 1200 Soldaten muss die Blücher-Kaserne verlassen. Bad Hersfeld. 25 Jahre Hoechst in Bad Hersfeld. Das Chemiefaserwerk hat 1400 Mitarbeiter.

VW legt Grundstein für das OTC BAUNATAL. Der Volks agenKon ern hat eine für die nordhessische Region ukunftsträchtige Entscheidung getroffen: In Baunatal soll das neue Ersat teil entrum entstehen. Am 21. No ember ird in Anesenheit on Ministerpräsident Hans Eichel östlich der Autobahn 49 der Grundstein für das Original-Teile-Center (OTC) gelegt. Im Sommer 1994 ird es in Betrieb genommen.

Mehrfach erweitert Auf einer Fläche on 125 Quadratmetern erden 145 erschiedene Teile der Marken Volks agen, Audi, Seat, Skoda und VWNut fahr euge für den Versand in 185 Länder bereitgehalten. Im Laufe der Jahre ird das OTC mehrfach er eitert. In ischen lagern 38 Teile in den riesigen Hallen, im Jahr 2 11 sollen es 515 Teile sein. (hog)

Genscher erhält das Glas der Vernunft KASSEL. Anlass ar die deutsche Wieder ereinigung: Eine Gruppe Kasseler Bürger stiftete 1991 den Preis „Das Glas der Vernunft“ für Persönlichkeitren, die sich besonders für die Ma imen der Aufklärung, Vernunft und Toleran eingeset t haben. Erster Preisträger der mit 1 Euro dotierten Auseichnung ar Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Bisher urde der Preis 18-mal ergeben. ( .f.)

US-Soldaten aus Hersfeld ziehen in den Golfkrieg BAD HERSFELD. 1 Soldaten der 3. Sch adron/11. Kaallerieregiment sind im Juni on Bad Hersfeld nach Doha in Ku ait am Persischen Golf erlegt orden. Ihr Aufenthalt dort ist auf drei bis sechs Monate angelegt. In Bad Hersfeld bleiben 2 bis 3 Soldaten ur Be achung der rund 2 Familienangehörigen und der Militäranlagen urück. Die Hersfelder GI’s sollen mit den in Fulda und Bad Kissingen stationierten Soldaten des 11. „Blackhorse“-Regiments die Stabilität in dem nach der Operation Desert Storm befreiten Golfstaat sichern. (kai) Mehr auf

www.hna.de

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Chronik Deutschland 13.1. Der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) tritt wegen der Traumschiff-Affäre zurück. Späth weist die Vorwürfe, auf Kosten der Industrie Ferienreisen und Dienstflüge unternommen zu haben, von sich. 15.2. Im Montagewerk der Volkswagen Sachsen GmbH in Mosel bei Zwickau beginnt die Fertigung des VW-Golf. 1.4. Der Präsident der Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder, wird in seinem Haus bei Düsseldorf Opfer eines Mordanschlages, zu dem sich die Rote Armee Fraktion (RAF) bekennt.

Foto: nh

Das ICE-Zeitalter beginnt Im neuen Bahnhof fällt der Startschuss für die Hochgeschwindigkeitszüge KASSEL. Der Start in die neue Bahn-Ära fand in Kassel statt, und kein geringerer als Richard on Wei säcker gab das Signal. Am 29. Mai stellte der Bundespräsident mittags um 12 Uhr die Weichen für die neuen Intercit -E press-Züge (ICE) mit einem s mbolischen Knopfdruck auf grün. Es ar der Beginn des Hochgesch indigkeits eitalters der Bahn. Und es ar ugleich die Ein eihung des eit über 1 Millionen Mark teuren Fernbahnhofs Wilhelmshöhe.

Kassel stand bis u diesem Tag bei der Bahn im Abseits. Die ichtigste Nord-Süd-Strecke führte on Hamburg über Hanno er, Göttingen, Bebra und Frankfurt eitläufig an der Fuldastadt orbei. Erst die Neubaustrecke on Hanno er nach Wür burg rückte Kassel ins Zentrum. Nur noch 3 Vier Tage wurde gefeiert Minuten dauerte Bei dem offi iellen Akt die Fahrt mit dem blieb die geladene Prominen ICE nach Fulda, mit 25 Menschen noch unu or aren es Prominentenauflauf bei der Eröffnung (vorne, von links): Karin Eichel, Minister sich. 1 Menschen fast eineinhalb terpräsident Hans Eichel und Richard von Weizsäcker. aus der Region feierten das Stunden. Kasseler Ereignis des Jahres Sieben Jahre or Eschede ten Menschenmenge emp– on 12 auf 17,5 Mark pro 1991 anschließend mit einem ird der erste ICE im neuen fangen. Die Kasseler sind Quadratmeter. Mancher Iniertägigen Bahnhofsfest. Bahnhof on einer begeister- trot der relati hohen Preise estor legte für einen Quaoffensichtlich begeistert on dratmeter Grund und Boden dem Verkehrsmittel. locker 8 Mark auf den Weniger Begeisterung Tisch. macht sich über den Bahnhof Befürchtung nicht erfüllt selber breit. Bahnkunden schimpften über die ugige Eine on ielen gehegte BeEmpfangshalle, über steile fürchtung erfüllte sich im ZuRampen, über lange Wege, sammenhang mit dem Fernfehlende Förderbänder und bahnhof Wilhelmshöhe übriRolltreppen. gens nicht: dass der Kasseler Der Bahnhof gab WilhelmsHauptbahnhof dadurch let thöhe ein neues Gesicht. Das endlich in die Bedeutungsloneue Verkehrs entrum lenksigkeit absinken und eröden te die Augen ieler In estoren ürde. in die Gegend: die EinkaufsVier Jahre nach der Eröffentren „Atrium“ und „Cit nung des Wilhelmshöher Center“ entstanden, das InterBahnhofs nahmen die Kassecit - und das Ramada-Hotel ler Besit on dem schließebenfalls. Z ischen den Jahlich um Kulturbahnhof umren 1989 und 1991 stieg der gebauten alten HauptbahnKurz vor der Einweihung: der Bahnhof Wilhelmshöhe im Jahr Mietpreis für Büroflächen anhof. Und hier tobte später oft 1991. Einige Eigenheiten des Gebäudes stoßen bis heute auf Krigesichts der gestiegenen Angenug noch das pralle Leben. tik. Archivfotos: Herzog iehungskraft des Stadtteils (uli)

Bordell-Betreiber für Morde verurteilt Täter räumte Rivalen auf brutale Weise aus dem Weg – Urteil lautete lebenslang VON KARL SCHÖNHOLTZ BAD HERSFELD. Als am Morgen des 25. April 1987 auf einer Wiese bei Hilperhausen (Kreis Hersfeld-Rotenburg) in einem ausgebrannten Pk die Leiche des Wirtschaftsberaters Peter H. aus Berlin entdeckt ird, glaubt die Kripo in Bad Hersfeld noch, dass der 54-Jährige nur ufällig in ihrem Zuständigkeitsbereich erschlagen urde. Die Ermittler erfolgen in den nächsten Wochen und Monaten Spuren im gesamten

Bundesgebiet. Die Auflösung des Falles fanden die Hersfelder Poli isten jedoch gan in der Nähe, im Bordell „Villa Tina“ im Lud igsauer Ortsteil Rohrbach.

Überreste im Wald Vier Jahre danach, am 22. Mär 1991, erurteilt das Sch urgericht des Landgerichts Fulda nach 112 Verhandlungstagen den BordellBetreiber Günter S. (54) aus Bad Hersfeld und seinen Kompagnon Otto S. (32) aus Konstan u lebenslanger Frei-

heitsstrafe. Gemeinsam haben sie den Geschäftsmann H., Günther S. darüber hinaus einen Konkurrenten namens Peter W. umgebracht. Seine erstückelten Überreste fanden Spa iergänger im Wald bei Rohrbach. Der Mord an einem eiteren Ri alen, dessen Leiche am Bodensee gefunden urden, bleibt mangels Beeisen ungesühnt. Moti für den Mord an Peter H. ar Geldgier. Dem klammen Finan makler hatten die Angeklagten ein Darlehen über 3 Mark in Aussicht

gestellt und dafür als Sicherheit eine Risiko-Lebens ersicherung erlangt. Diese urde ar abgeschlossen, doch in Rohrbach erhielt H. kein Geld, sondern einen Knüppelschlag.

Auto angezündet Seine Leiche fuhr Günter S. auf besagte Wiese und ündete das Auto an. Ob ohl Kompli e Otto S. ur Tat eit in Lugano seine Verlobung feierte, urde er erurteilt: Beide Angeklagten hätten auf den Mord hingearbeitet, hieß es in der Urteilsbegründung.

Opfer der RAF: Detlev Karsten Rohwedder, Chef der Treuhand. Foto: ap 30.4. In Zwickau läuft nach fast 35 Jahren der letzte Trabant vom Band. 14.5. In seiner ersten Arbeitssitzung im Berliner Reichstagsgebäude beschließt der Deutsche Bundestag u.a. den Solidaritätszuschlag für den Aufbau der neuen Bundesländer. 15.6. Der 1. FC Kaiserslautern wird nach 1951 und 1953 zum dritten Mal Deutscher Fußballmeister. 20.6. Mit 338 gegen 320 Stimmen entscheiden sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestags für Berlin als künftigen Regierungssitz. 17.8. Die Sarkophage der Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) und Friedrich II. (1712-1786, Bild) werden gemäß testamentarischem Wunsch Friedrichs II. nach Potsdam überführt. 20.9. Der Überfall von Rechtsextremisten auf vietnamesische Gastarbeiter und das Eingreifen der Polizei lösen im sächsischen Hoyerswerda schwere Ausschreitungen Rechtsradikaler gegen Ausländer und Asylbewerber aus, in deren Verlauf unter dem Beifall vieler Zuschauer auch ein Asylbewerberwohnheim angegriffen wird. 14.11. Der Bundestag verabschiedet das Stasi-Unterlagengesetz. Damit erhalten alle bespitzelten Bürger das Recht, Einsicht in die von der DDR-Staatssicherheit über sie geführten Akten zu nehmen.

... und die Welt 17.1. Eine multinationale Truppe unter Führung der USA beginnt im Rahmen der Operation Wüstensturm mit Luftangriffen auf den Irak, das den Nachbarstaat Kuwait im Jahr zuvor besetzt hatte. Am 28. 2. enden die Kampfhandlungen. 7.6. Mit dem Einsatz der Bundesarmee gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Kroaten und Slowenen beginnt der jugoslawische Bürgerkrieg. 19.8. In der Sowjetunion versuchen reformfeindliche Kräfte vergeblich, Präsident Michail Gorbatschow zu stürzen.

Der bescheidene Anfang

Am 23. Mai 1949 wurde in Bonn das Grundgesetz unterzeichnet - die Entstehungsstunde der Bundesrepublik VON SYLVIA GRIFFIN

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ür den Anfang der Bundesrepublik hat das kollektive Gedächtnis der Deutschen Bilder parat. Etwa die Menschen, die 1948 nach der Währungsreform staunend vor vollen Schaufenstern stehen. Oder den Jubel nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954. Die optische Erinnerung an den Parlamentarischen Rat, der im Bonner Museum König 1948 seine Beratungen aufnimmt und sie am 23. Mai 1949 vollendet, gehört kaum dazu. Die Umstände sind schmucklos, die wirtschaftliche Versorgung im Lande ist bescheiden. Politik gilt als verrufen. Die Besatzungsmächte bestimmen den Alltag. Sie bestimmen auch, angesichts des Kalten Krieges und der Berlin-Blockade durch die Sowjets, dass in den drei Westzonen die Grundlagen eines künftigen Staates erarbeitet werden sollen. In den „Frankfurter Dokumenten“ machen sie ihre Vorgaben. Sie gehen an die Ministerpräsidenten der Länder, die bis dahin höchste Instanz einer staatlichen Ordnung, die seit dem Kriegsende entstanden ist. Es ist der Beginn eines Tauziehens. Denn die Deutschen, gedemütigt von der bedingungslosen Kapitulation, voll böser Ahnungen hinsichtlich einer Ost/West-Teilung des Landes, wollen höchstens vorläufige Strukturen.

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er Konvent von Herrenchiemsee findet im August überraschend schnell in nur 13 Tagen eine erste Antwort. Er reicht einen fast fertigen Entwurf an den Parlamentarischen Rat (ausdrücklich keine „verfassungsgebende Versammlung“) weiter, der nun an den Details feilt. Immer wieder greifen die Alliierten ein, wollen bestimmte Inhalte verbindlich machen. Aber die gewählten Vertreter des Rates setzen sich in vielen Punkten durch; manchmal, indem sie Vorgaben einfach ignorieren.

Bayern lehnt ab Sie schaffen ein „Grundgesetz“, keine endgültige Verfassung. Die föderale Ordnung, die die Siegermächte wünschen, wird zwar beachtet, aber der Bundesstaat hat dennoch weit mehr Vollmachten

INHALT

60 Jahre Bundesrepublik Auf den nächsten sechs Seiten beschäftigen wir uns ausführlich mit der Verkündung des Grundgesetzes und der Gründung des Bundesrepublik Deutschland vor 60 Jahren. Lesen Sie: • Die Kasseler Juristin Elisabeth Selbert setzte den Gleichberechtigungs-Artikel im Grundgesetz durch - ein Porträt. • Wie sich unser Grundgesetz in den vergangenen 60 Jahren verändert hat eine Analyse. • Von Theodor Heuss über Richard von Weizsäcker bis Horst Köhler - Porträts unserer Bundespräsidenten. • Ein Tag zum Feiern - was unsere Leser zum Verfassungstag am 23. Mai meinen. • Wie die dritte Strophe des Deutschlandliedes zur Nationalhymne wurde.

Historischer Tag: Unter einer schwarz-rot-goldenen Standarte liegt am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zur Unterschrift bereit. Ort der Handlung: die ehemalige Aula der Pädagogischen Akademie in Bonn. Foto: dpa als zunächst verlangt. (Bayern, das seinem Königreich nachtrauert, wird deshalb nicht zustimmen. Der Landtag verfährt aber vorsichtshalber nach der alten politischen Regel: Ablehnen, wenn die Annahme gesichert ist.) Denn es gibt nicht die von den Besatzern gewünschte Volksabstimmung über das Dokument, sondern Voten der Landesparlamente. Die Grundrechte sind das Neue, das gänzlich Andere,

das dieses Grundgesetz prägt. Die Weimarer Verfassung dient sozusagen als negative Richtschnur, die Hitler-Diktatur als abschreckendes Beispiel. Die ersten 20 Artikel lassen sich so zusammenfassen: Der Staat hat der Freiheit seiner Bürger zu dienen, nicht die Bürger der Sicherheit des Staates. Freilich: Das Grundgesetz beschreibt die Ordnung des Staates, wie sie ein sollte. Die Praxis wird dem nicht immer entsprechen. Lange sind

wesentliche Inhalte strittig: Bundesrat oder Senat? Wie soll das Parlament heißen? Wer hat welche Gesetzgebungskompetenzen? Welche Rolle spielt der Präsident? Wie weit soll die Regierung vom Parlament abhängig sein?

Nicht mal ein Komma Und hinter den Kulissen laufen nicht nur schwierige Abstimmungen mit den Allierten, sondern bereits Machtkämpfe der künftigen Spitzen-

politiker. Während Carlo Schmid (SPD) Eloquenz und Herzblut in die Formulierungen gießt und den wichtigen Hauptausschuss beherrscht, zieht Konrad Adenauer (CDU) im Hintergrund die Fäden künftiger politischer Verbindungen. Er ist zwar Präsident des Parlamentarischen Rates, er prägt die Beratungen jedoch nicht. „Nicht mal ein Komma“ des Textes geht auf ihn zurück, spotten Teilnehmer. Aber am 23. Mai bei der

• Der Mercedes-Stern ersetzte das Eiserne Kreuz, sagt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler - ein Interview.

Unterzeichnung ist es Adenauer, der die bescheidene, aber feierliche Zeremonie leitet. Dann erheben sich die Anwesenden in der mit Birkengrün geschmückten Aula der Bonner Pädagogischen Akademie von ihren schlichten Holzstühlen und singen - in Ermangelung einer Nationalhymne - das Volkslied: „Ich hab mich ergeben, mit Herz und mit Hand, dir Land voll Lieb und Leben, mein deutsches Vaterland.“

Keine große Eile bei der Staatsgründung der DDR

Zwei Provisorien: Die „Deutsche Demokratische Republik“ sollte die Antwort sein auf die „Bundesrepublik Deutschland“

VON SYLVIA GRIFFIN

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ie DDR ließ sich Zeit. Ihre Gründung erfolgte als Reaktion auf die staatlichen Anfänge der Bundesrepublik, aber ganz so eilig wie in den West-Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich war es den Sowjets in ihrem Einflussbereich nicht. Ihr Statthalter Walter Ulbricht, späterer Staatsrats-

vorsitzender, hatte die Sache knapp, aber richtig beschrieben: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Am 7. Oktober 1949 trat in Ostberlin eine provisorische Volkskammer zusammen und setzte die Verfassung der DDR in Kraft. Ausgearbeitet worden war sie von der SED-Führung und gebilligt worden von einem „Volksrat“, der nicht

durch Wahlen zustande gekommen war. Die Legitimation durch die Bevölkerung geschah erst ein Jahr später. Die erste Volkskammerwahl erfolgte am 15. Oktober 1950. Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei 98 Prozent. 99,7 Prozent der Stimmen entfielen angeblich auf die Einheitlisten der Nationalen Front, die aus dem „Zusammenschluss der Parteien

und Massenorganisationen“ gebildet wurde. Die Volkskammer tagte selten und durfte nichts entscheiden, was die SED-Führung nicht vorher gebilligt hatte. Im Vergleich dazu waren die Aktivitäten, welche die Bundesrepublik an ihrem Anfang entfaltete, geradezu hektisch. Am 8. Mai 1949 beschloss der Parlamentarische Rat das Grundgesetz. Am

12. Mai billigten es die drei westlichen Militärgouverneure, am 23. Mai wurde es verkündet und in Kraft gesetzt. Bereits am 14. August war die erste Bundestagswahl; am 7. September traten Bundestag und Bundesrat das erste Mal zusammen. Am 12. September wählte die Bundesversammlung den ersten Bundespräsidenten: Die wichtigsten Institutionen waren komplett.

Schlangestehen für das alltägliche Brot.

Erster Bundeskanzler: Konrad Adenauer (CDU) 1949.

Die 40er-Jahre: Totale Niederlage - schwieriger Aufbau

Die Städte sind Trümmerwüsten: Deutschland 1945.

Millionen Flüchtlinge und Vertriebene müssen aufgenommen werden.

Die Alliierten sitzen zu Gericht: Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg.

Zur Person

STICHWORT

Die Präambel des Grundgesetzes Mit der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 wurde der Wortlaut der Präambel durch Grundgesetzänderung neu gefasst, denn das Ziel der Einheit Deutschlands – das die Präambel ursprünglich forderte – war nun erreicht. Außerdem wurden die neuen Länder der Präambel hinzugefügt. Die Präambel lautet nun: Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, RheinlandPfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk. #!" %$(#"&*)(#"' 9*1%:3(-4!6>%30:-A

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Unsere Autorin

Plakate, Flugblätter und Fotos aus dem Nachlass von Elisabeth Selbert sind in Kassel im Archiv der deutschen Frauenbewegung zu sehen. Foto: dpa

Die hartnäckige Grundsatz-Frau

Elisabeth Selbert, die Kasseler Juristin, setzte den Gleichberechtigungs-Artikel durch - ein Porträt VON SYLVIA GRIFFIN

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igentlich spricht alles gegen sie. Sie ist eine Frau, und hat damit mindere Rechte. Sie ist Mutter, damit ist ihre Rolle angeblich festgelegt. Sie kommt aus armem Elternhaus, deshalb bleibt ihre Schulbildung zunächst lückenhaft. Elisabeth Selbert hat alle diese Hindernisse hinter sich gelassen. Sie macht ihr Abitur mit 29 Jahren als Externe, während sie noch im Telegrafenamt arbeitet und für die Erziehung ihrer beiden Söhne sorgen muss. Sie ist eine der wenigen Frauen, die in den Zwanzigerjahren Jura studieren. Und sie gibt nicht nach, bis der Parlamentarische Rat den schlichten, aber folgenreichen Satz ins Grundgesetz aufgenommen hat: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

rin werden - auch das scheitert an den Kosten. Ein ganz normales Frauenschicksal zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aber mit Adam Selbert heiratet Elisabeth Rhode einen außergewöhnlichen Mann. Er ist Buchdrucker, seit 1913 Mitglied der SPD und bereits mit zwanzig Jahren Abgeordneter im Kommunal- und Provinziallandtag für Hessen-Nassau und Vorsitzender des Arbeiterund Soldatenrates während der Novemberrevolution 1918 in Niederzwehren. Er erkennt ihr Talent, unterstützt und fördert sie. Als promovierte Rechtsanwältin wird sie gerade noch rechtzeitig als Anwältin in Kassel zugelassen, ehe die Nationalsozialisten diese Berufe für

Frauen verbieten. Sie betrachten eine solche Tätigkeit als „Einbruch in den altgeheiligten Grundsatz der Männlichkeit des Staates“. Wirtschaftsstrafsachen, Meineidverfahren und Jugendgerichtsdelikte bringen ihrer Kanzlei genügend ein, dass sie ihre Familie finanziell über Wasser halten kann. Ihr Mann gilt als Staatfeind, ist zeitweise inhaftiert und darf nicht arbeiten. Die Sozialdemokratin muss vorsichtig agieren, „obwohl ich nie einen Kotau vor den Nationalsozialisten ge-

Böse Überraschung

Sylvia Griffin (61) lernte das journalistische Handwerk in Studium und Praxis in den Vereinigten Staaten. Nach fünf Jahren kam sie zurück nach Deutschland und arbeitet seit 37 Jahren für die HNA; seit 1991 als Hauptstadt-Korrespondentin.

• Elisabeth Selbert wurde 1896 in Kassel geboren. Sie absolvierte die Gewerbe- und Handelsschule und wurde Auslandskorrespondentin. • Als Postbeamtenanwärterin lernte sie 1914 ihren späteren Mann Adam Selbert kennen. Er förderte ihr politisches Interesse. 1918 trat sie in die SPD ein. 1925 holte sie ihr Abitur nach und studierte Rechts- und Staatswissenschaften. 1930 promovierte sie. • 1934 legte sie das zweite Staatsexamen ab, wurde als Anwältin zugelassen und ernährte mit diesem Beruf ihre Familie. • 1946 arbeitete sie an der Hessischen Verfassung, 1948 am Grundgesetz mit. Gegen viele Widerstände gelang es ihr, den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ dort zu verankern. • Drei Wahlperioden lang war sie Landtagsabgeordnete, danach arbeitete sie wieder als Rechtsanwältin mit Spezialgebiet Familienrecht. Sie war bis zu ihrem 85. Lebensjahr beruflich aktiv. • Als Ehrenbürgerin von Kassel starb sie 1986.

Bis zu ihrer „Sternstunde“, dem Augenblick, als dieser Artikel drei ohne Einschränkung in der Verfassung steht, war es ein steiniger Weg. Die am eigenen Leibe verspürte Benachteiligung muss es gewesen sein, die die Tochter eines Justizwachtmeisters antreibt. Wegen besonderer Leistungen braucht ie auf der Mädchenrealschule kein Schulgeld zu bezahlen, das die Familie sich nicht hätte leisten können. Aber anders als die Jungen erhalten die Mädchen kein Reifezeugnis. Sie möchte Lehre-

Elisabeth Selbert (1896-1986) liebte große Hüte, Zigaretten und einen Rotwein zur Entspannung im Familienkreis.

macht habe. Ich konnte mir keine politischen Eskapaden erlauben, ohne meine Existenz und die meiner Familie aufs Spiel zu setzen.“ Eine zerbombte Praxis und entbehrungsreiche Jahre sind nach Kriegsende vor allem Ansporn für Elisabeth Selbert, politisch tätig zu werden, in der Stadt Kassel und im Land Hessen. Aber es sind die Niedersachsen, die sie als eine von vier Frauen in den Parlamentarischen Rat entsenden. Kein reines Vergnügen: Züge fahren unregelmäßig und sind überfüllt. Mittagund Abendessen gibt es nur gegen Lebensmittelkarten. Für Übernachtungen muss die eigene Bettwäsche mitgebracht werden. Das Tagegeld beträgt 15 Reíchsmark, für Übernachtungen gibt es sechs Mark extra. Eine böse Überraschung ist der Widerstand gegen die Idee der Gleichberechtigung, die Selbert „in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet“ hätte. „Ich wollte die Gleichberechtigung als imperativen Auftrag an den Gesetzgeber, im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, verstanden wissen.“ Das genau aber wollen die 61 Männer (und zwei konservativen Frauen) im Parlamentarischen Rat nicht. Denn das bedeutet, dass weite Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches überarbeitet werden müssen.

Erst der Protest, den sie unter den Frauen der drei Westzonen entfacht, durch unermüdliche Vorträge vor überparteilichen Frauenorganisationen und Gewerkschaftsfrauen, bringt ein Umdenken. Die Frauen überschütten den Parlamentarischen Rat mit Post. Das bleibt nicht ohne Eindruck, wenn auch der Liberale Theodor Heuss über das „Quasi-Stürmlein“ spöttelt, das da entfacht worden sei.

I

hrer Partei ist die Frau zu eigenständig, die darauf beharrt, für sich selber zu denken. Dabei sieht sie sich nicht als ungewöhnlich: „Ich bin Jurist und unpathetisch und ich bin Frau und Mutter und zu frauenrechtlerischen Dingen gar nicht geeignet.“ Weil die Unterstützung für politische Ämter fehlt, widmet sie sich vor allem ihrer Anwaltskanzlei und ihrer Familie. Bis ins hohe Alter, mit über 80, bleibt sie als Rechtsanwältin tätig. Immerhin hat sie die Genugtuung erlebt, dass die bürgerlichen Rechte der Frauen 1958 (wenn auch verspätet, die gesetzte Frist war 1953) ins Gesetzbuch Einzug fanden. Und der Grundsatz der „Zerrüttung als Ehescheidungsgrund“, Gegenstand ihrer Dissertation, wird 1977 in der Eherechtsreform Gesetz. Ganz schön viel für eine Frau, für die in der Schule Sticken, Stricken und Nähen ursprünglich reichen sollte.

Die 50er-Jahre: Wirtschaftswunder und das Wunder von Bern

Freude in Friedland: Kriegsgefangene kehren heim.

Aufruhr im Osten: Panzer walzen am Das Wunder von Bern: Deutschland wird 1954 durch 17. Juni 1953 die Proteste nieder. ein 3:2 gegen Ungarn Weltmeister.

Symbol des Wirtschaftswun- Helm auf: Die Bundeswehr wird geders: der VW-Käfer. gründet.

Gefahr droht aus Europa

Stuft EU-Vertrag das Grundgesetz herab? VON DETLEF SIELOFF

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ährend Deutschland das 60. Jubiläum des Grundgesetzes feiert, sehen andere düstere Wolken am Horizont aufziehen. Ursache ist der Vertrag von Lissabon, der nach Ansicht der Kritiker das Grundgesetz in eine Verfassung von untergeordnetem Rang herabstuft und das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts unterhöhlt. Sie sind deshalb gegen den EU-Vertrag vor Gericht gezogen. Einer der Klageführer in Karlsruhe ist der CSUAbgeordnete Peter Gauweiler, der vom Freiburger Rechtsprofessor Dietrich Murswiek vertreten wird. Die Regelungshoheit des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg, die bisher für wirtschaftliche Angelegenheiten gelte, werde durch den EU-Vertrag auf nationale Verfassungsfragen ausgedehnt, die zum Kern nationaler Souveränität gehörten, kritisiert Murswiek: „Er macht den EUVertrag zur europäischen Oberverfassung und den Europäischen Gerichtshof zum Oberverfassungsgericht für alle EUStaaten.“ Die Karlsruher Richter verlören ihre Kompetenz, über Fragen des deutschen Verfassungsgerichts letztverbindlich zu entscheiden.

Unbestimmte Rechtsbegriffe

Eine Einbruchstelle in nationales Recht sei die Normierung der Grundrechte. Bisher nur eine politische Verpflichtung, über die der EuGH nicht urteilen könne, seien sie nach dem Lissabonner Vertrag direkt anzuwenden: „Das bedeutet, dass künftig jedes Amtsgericht ein deutsches Gesetz unangewendet lassen kann und muss, wenn es meint, es sei mit einem der EU-Grundwerte unvereinbar“, warnt Murswiek. In den Grundwerten seien auch so unbestimmte Rechtsbegriffe wie „Gerechtigkeit“ und „Solidarität“ hinzugefügt, was dem Gerichtshof die Möglichkeit eröffne, sich in die Innen- und Sozialpolitik der Mitgliedsstaaten einzumischen. Murswiek: „Wird der Gerichtshof beispielsweise eine nationale Vorschrift für rechtswidrig erklären, die Managergehälter begrenzt, weil das ‚ungerecht‘ sei? Oder wird er umgekehrt entscheiden, es verstoße gegen die Grundwerte, wenn die Managergehälter nicht begrenzt werden?“ Schränkt der EU-Vertrag die Souveränität Deutschlands zu stark ein? Welche Grenzen zieht das Bundesverfassungsgericht? Spannende Fragen, die voraussichtlich im Juni beantwortet werden.

Ein flexibles Dokument

HINTERGRUND

Die Veränderung eines Grundrechts

Vom Grundgesetz zur Verfassung: Änderungen fügten hinzu und schränkten ein

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht

VON SYLVIA GRIFFIN

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as Provisorium hat sich verselbständigt. Denn es sollte eigentlich weichen. Im Artikel 146 des Grundgesetzes war das Verfahren formuliert: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Auf die Volksabstimmung, die das Grundgesetz offiziell zu einer Verfassung aufstuft, warten die wiedervereinten Deutschen noch heute. Zwar gab es nach dem Fall der Mauer und dem Beitritt der früheren DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes eine Verfassungskommission, die Änderungen erarbeiten sollte. Was nicht heißt, dass es in den 60 Jahren seit Bestehen des Grundgesetzes nicht einschneidende Änderungen gegeben hätte. Insgesamt waren es 52, die 109 Artikel geändert, neu hinzugefügt oder aufgehoben haben. Durchgreifend waren die Neuerungen von 1956 und 1968. Die erste betraf die Aufstellung der Bundeswehr und die Wehrpflicht, während das Grundgesetz bis dahin nur das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gekannt hatte. Die zweite Änderung fügte die heftig umkämpften Notstandsgesetze ein.

„Wir stellen nicht erst seit gestern fest, dass dem Grundrecht auf Datenschutz nicht nur von staatlicher, sondern auch von privater Seite Gefahren drohen können.“ HANS-JÜRGEN PAPIER, PRÄSIDENT DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTES

Weniger beachtet wurden 1969 die Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, die Änderungen 1990 und 1994 nach der deutschen Einheit und die Föderalismusreform 2006: Sie betreffen den sperrigen Teil des Dokumentes, der gelegentlich detailversessen, grammatisch fragwürdig und verworren anmutet. Denn die Verfassung (der Begriff hat sich inzwischen eingebürgert) ist - vor allem im verwaltungstechnischen Teil - wesentlich länger geworden, lesbarer wurde sie nicht. Viel wichtiger für die Bürger ist jedoch, was sich bei den Grundrechten getan hat. Sie befinden sich im Zustand der Belagerung. Als erstes traf es das Asylrecht. Es war der Er-

Man könne das Grundgesetz nicht ständig unter dem Arm tragen, hat Hermann Höcherl, CSU-Innenminister in den 60er-Jahren, einmal gesagt. Aber eine Miniaturausgabe haben manche Politiker stets bei sich - wie hier SPD-Chef Franz Müntefering. Foto: dpa fahrung der Kriegsgeneration geschuldet, dass es so einfach und uneingeschränkt formuliert war: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Denn sie hatte erleben müssen, dass für die verfolgten Nazigegner, für die vom Tode bedrohten Juden, sogar für Schriftsteller und Künstler, die Grenzen alltenhalben dicht waren. Viel zu wenige Länder nahmen Deutsche auf, die vor Hitler auf der Flucht waren.

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nd so schrieben die Verfassungsväter und -mütter in der kriegszerstörten Bundesrepublik, inmitten von Armut und Elend, dieses glänzende Versprechen auf dem 1993 der Totenschein ausgestellt wurde. Politisches Asyl gibt es noch immer - nur darf man es nicht in Deutschland begehren. Die Bedingungen, unter denen Flüchtenden Schutz gewährt würde, sind praktisch kaum erfüllbar. Aber nicht nur jene, die sich erst unter den Schutz des

Grundgesetzes begeben wollen, stellen fest, dass der Schirm löchrig geworden ist. Besonders die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Post- und Fernmeldegeheimnis gerieten im Namen der Sicherheit unter Druck. Vorratsdatenspeicherung, großer Lauschangriff, Online-Durchsuchung, automatische Erfassung von Kfz-Kennzeichen, Rasterfahndung, Volkszählung - sie alle dienten dem Gesetzgeber dazu, versuchsweise den Hammer anzusetzen, Splitter aus dem großen Block zu hauen und Grundrechte kleiner zu machen.

Auf der Höhe der Zeit Das Verfassungsgericht hat dem immer wieder Einhalt geboten - zuletzt mit einem wahren Paukenschlag, als es das Luftsicherheitgesetz wegfegte, das dem Staat die Tötung von Verbrechensopfern erlauben wollte, die in einem von Terroristen gekaperten Flugzeug sitzen.

Allerdings - es gab auch positive Veränderungen. So wurde die Gleichberechtigungsklausel präzisiert: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Auch das Verbot der Benachteiligung von Behinderten wurde neu aufgenommen.

N

icht der Bundestag, sondern die Karlsruher Richter waren auf der Höhe der Zeit, als sie die Grundrechte fortschrieben, die heute noch nicht in der Verfassung stehen, aber dennoch existieren. Um Datenschutz geht es beim „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ und der „Gewährleistung von Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.“ Das Grundgesetz hat all das ausgehalten und sich als anpassungsfähig an neue Lebenswirklichkeiten erwiesen.

lautete in schlichter Schönheit der Artikel 16, wie ihn das Grundgesetz 1949 formulierte. Angesichts steigender Asylbeweberzahlen ergänzte der Bundestag den Artikel. Er lautet nun (in Auszügen): Artikel 16a (1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden. (3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird. (4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen. (Ein fünfter Absatz beschäftigt sich mit entsprechenden völkerrechtlichen Verträgen.)

Die 60er Jahre: Bewährungsprobe für die Demokratie

13. August 1961: Die DDR baut die Mauer.

Bedrohte Pressefreiheit: „Spiegel“-Affäre 1962.

Die

Die studentische Jugend protestiert gegen den „Muff unter den Talaren“: Rudi Dutschke führt die Außerparlamentarische Opposition.

Sozialliberale Koalition: Kanzler Willy Brandt und Walter Scheel (FDP).

Papa Heuss - der erste Mann

Das Thema

1949-1959: Theodor Heuss versöhnt die Deutschen in zwei Amtszeiten behutsam mit sich selbst VON SYLVIA GRIFFIN

E

r war wie geschaffen für das Amt und die Zeit. Nach dem Dritten Reich, in dem Zackigkeit, Pathos und Selbstüberschätzung Markenzeichen der handelnden Politiker waren, wirkte Theodor Heuss als erster Bundespräsident wie ein guter, weiser Vater auf die Deutschen. Sie nannten den damals 65-jährigen Geschichtsprofessor, der so anheimelnd schwäbelte, denn auch „Papa Heuss“. Seine nordwürttembergische Herkunft und die Revolution von 1848, an der seine Vorfahren aktiv teilgenommen hatten, prägten Heuss. Hinzu kam der Einfluss des Liberalen Friedrich Naumann, zu dessen Kreis Heuss nach dem Abitur 1902 stieß und der ihn für die Parteipolitik im linksliberalen Sinne gewann. Heuss war umfassend gebildet: Er studierte Nationalökonomie, Geschichte, Philosophie, Kunstgeschichte und Staatswissenschaften in München und Berlin, war als Publizist und Dozent tätig. Sein Promotionsthema „Weinbau und Weingärtnerstand“ war für

Umfassend gebildet und anheimelnd schwäbelnd: Theodor Heuss. ihn nicht nur von theoretischem Interesse: Bei Besuchen des Bundespräsidenten passierte es zu fortgeschrittener Stunde, dass er den offizellen Teil für erledigt erklärte - und

hatte er bereits im Reichstag erworben. Obwohl er sich intensiv und kritisch mit dem Nationalsozialismus beschäftigt hatte, (in seiner Publikation „Hitlers Weg“) stimmte er

Der Bürgerpräsident

In aller Welt unterwegs

1969-74: Gustav Heinemann, erster Sozialdemokrat im Amt VON WOLFGANG BLIEFFERT

1959-69: Heinrich Lübke

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on Heinrich Lübke (CDU) sind vor allem seine rhetorischen Fehltritte in Erinnerung geblieben. Bei einem Staatsbesuch 1962 in Liberia soll er seine Rede mit der Begrüßung „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“ begonnen haben. Der stramm konservative Katholik, der mit 64 Jahren gewählt wurde, übernahm das Amt, nachdem Konrad Adenauer seine Pläne zur Präsidentschaft verworfen hatte. Lübke selbst schätzte sich als „wenig geeignet ein: „Ich komme vom kleinen Dorf im Sauerlande, von kleinen Leuten, und man hat mir an der Wiege nicht gesungen, dass ich Kandidat für den Posten des Bundespräsidenten sein sollte“. Der passionierte Landwirt, der nach dem Krieg maßgeblich den Gemeinsamen Agrarmarkt der EWG entwickelt hatte, war politisch durchaus aufgeschlossen. Er forcierte eine Regierungsbeteiligung der SPD in einer großen Koalition und machte sich für die Entwicklungshilfe stark. Mit seiner Frau Wilhelmine unternahm er 15 Reisen in 35 Staaten. Sein bescheidenes, ver-

„hocken blieb“, um dem Wein zuzusprechen. Seine Erfahrung als Abgeordneter, die er im Parlamentarischen Rat an der Arbeit für das Grundgesetz einbrachte,

Foto: dpa

als Reichstagsabgeordneter im März 1933 trotz schwerer Bedenken dem „Ermächtigungsgesetz“ zu, was aber nicht verhinderte, dass Heuss sein Reichstagsmandat, seine Lehrtätigkeit und später auch die Erlaubnis zu publizieren verlor. Dennoch galt Heuss, nicht zuletzt aufgrund seiner Verbindungen zu Widerstandskreisen, 1945 als unbelastet, und wurde von den Amerikanern in die Nachkriegspolitik geholt. Sein Mandat im ersten Bundestag trat er nicht an, weil er zum Präsidenten gewählt wurde. In dieser Funktion sah er seine Aufgabe vor allem in der Ausbildung einer bürgerlichdemokratischen politischen Kultur, deren Entstehung er durch seine Reden zu fördern versuchte. Als einer der ersten sorgte Heuss für eine politische Neubewertung des Widerstandes gegen Hitler und der Attentäter des 20. Juli 1944. Seine Frau Elly HeussKnapp, mit der er einen Sohn hatte, gründete das Müttergenesungswerk. Heuss gilt zusammen mit Adenauer als Gründungsvater der Bundesrepublik.

Auch in Togo hoch angesehen: Heinrich Lübke 1966 in Häuptlingstracht auf einem Gemälde. Foto: dpa

ständnisvolles Auftreten brachte den Deutschen viel Sympathien. Das größte Handicap seiner Amtszeit war die von Lübke selbst stets ebenso ungeschickt wie unvollständig dargestellte eigene Vergangenheit während des Nationalsozialismus. Die von der DDR groß angelegte Propagandakampagne gegen den „KZ-Baumeister Lübke“ im Dienst von Albert Speer weitete sich fast zur Staatskrise aus, obwohl Lübke strafrechtlich unschuldig war. Ein halbes Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit trat Heinrich Lübke zurück. (rie)

om Habitus her ein biederer Bürger, im Herzen ein Rebell - Gustav Heinemann war ein Mann des Widerspruchs und des Infragestellens. Zu Zeiten der Demonstrationen gegen Vietnam-Krieg, Notstandsgesetze und „Muff unter den Talaren“, in einer Zeit der Reformsehnsucht war Heinemann für die SPD der ideale Präsidentschaftskandidat. Seine Wahl 1969 mithilfe der oppositionellen FDP sah er selbst als „ein Stück Machtwechsel“, nur wenige Monaten später bildeten SPD und FDP tatsächlich die erste sozialliberale Koalition auf Bundesebene. Heinemann, in der Nazizeit Mitglied der Bekennenden Kirche und vor seiner Wahl bereits Justizminister der großen Koalition, wusste, dass die eigentliche Macht des neuen Amtes in der Wirkung auf die Öffentlichkeit liegt. Er sah seine vornehmste Aufgabe deshalb darin, das demokratische Bewusstsein zu fördern und die unruhige Jugend für diesen Staat (zurück)zugewinnen. Immer wieder rügte er auch das mangelnde Geschichtsbewusstsein der Deutschen und forderte zur Besinnung auf die

demokratischen Wurzeln die- Parteifreunde, ob er über seises „schwierigen Vaterlandes“ ne repräsentativen Pflichten auf. Heinemann baute proto- hinaus nicht mehr tun könne. kollarischen Pomp ab, lud Bundeskanzler Willy Brandt „einfache“ Bürger in die Villa mußte dies bedauernd verneiHammerschmidt und suchte nen. So verzichtete Heinedas Gespräch mit Minderheiten. Auch bei seinen Auslandsreisen gemeinsam mit Ehefrau Hilda bemühte er sich erfolgreich, das neue, demokratische Deutschland zu repräsentieren. Heinemann tat dies ohne Pathos und ohne aufgesetzte Jovialität. Es gelang dem „Bürgerpräsidenten“ ebenso, die „Ich liebe nicht Staaten, ich liebe meine Frau.“ anfängliche Gustav Heinemann mit Ehefrau Hilda. Skepsis seiner Foto: Bundesarchiv ehemals eigenen Partei - Heinemann hatte die mann 1974, auch gesundheitCDU 1952 aus Protest gegen lich schon angeschlagen, auf Kanzler Adenauers Aufrüs- eine Kandidatur für eine zweitungspolitik verlassen - abzu- te Amtszeit. Zwei Jahre später, bauen. Schon zu Beginn der am 7. Juli 1976, starb er in Esneuen Ostpolitik riet er - strikt sen. auf Neutralität im Amt beEin Ausspruch kennzeichdacht - vergeblich zu einer en- net bis heute am besten diegen Zusammenarbeit zwi- sen manchmal schwierigen schen SPD/FDP-Regierung und Sozialdemokraten und sein CDU/CSU-Opposition. Staatsverständnis: „Ich liebe Zunehmend fragte Heine- nicht Staaten, ich liebe meine mann aber auch die eigenen Frau.“

Es hat sich eingebürgert, dass am 23.Mai, dem Tag der Verkündung des Grundgesetzes vor 60 Jahren, der Bundespräsident gewählt wird. Auf diesen beiden Seite porträtieren wir unsere bisherigen Staatsoberhäupter.

Walter Scheel der singende Präsident

Der nach Heuss zweite Liberale im Amt war zuvor Außenminister. Zur Heiterkeit der rheinischen Frohnatur gesellte sich Härte in der Sache. So war er sich vor Amtsantritt nicht zu schade für einen Fernseh- 1974-79: auftritt als Walter Scheel Sänger des beliebten Volksliedes „Hoch auf dem gelben Wagen“. Im „deutschen Herbst“ 1977 brandmarkte er Sympathisanten und Helfer der Terroristen öffentlich als „mitschuldig“. Weil sich die politischen Mehrheiten Ende der 70er-Jahre geändert hatten, verzichtete er auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit. Der fast 90-Jährige lebt heute - nach dem Tod seiner Ehefrau Mildred inzwischen wieder verheiratet - in der Nähe von Freiburg. (dpa)

Karl Carstens wanderte durch Deutschland

Karl Carstens,1914 in Bremen geboren, hatte eine lange Diplomaten- und Beamtenlaufbahn hinter sich, ehe er 1972 für die CDU in den Bundestag einzog. Dort machte er sich als scharfzüngiger Kritiker 1979-1984: der Ostpolitik Karl Carstens einen Namen. Als Staatsoberhaupt war er als Wanderpräsident bekannt, weil er Deutschland in mehreren Etappen durchwanderte und dabei mit vielen Menschen Gespräche führte. Sein größte Herausforderung im Amt war die Neuwahl des Bundestages 1983, die von der CDU/CSU/FDP-Koalition mittels einer bewusst verlorenen Vertrauensabstimmung herbeigeführt wurde. Der penible Jurist Carstens machte das nur mit größten Bedenken mit. 1992 starb Carstens. (dpa)

Die 70er Jahre: Entspannungspolitik und RAF-Terror

Versöhnungspolitik: Kanzler Brandt kniet 1970 in Warschau.

Das Ende der heiteren Spiele: Terroristen überfallen 1972 in München Israels Olympiateam.

In der Ölkrise: Sonntagsfahrverbote in Deutschland 1973.

In den Händen von Terroristen: Hanns-Martin Schleyer 1977.

Wyhl und Brokdorf: Anti-AKW-Protest wird zum Widerstand.

„Volk nach dem Mund geredet“ Historiker Paul Nolte über Horst Köhler

Das Idealbild eines Präsidenten

1984-1994: Richard von Weizsäcker - gebildet, charmant, nachdenklich

Meister des geschliffenen Wortes: Richard von Weizsäcker. Foto: dpa VON SYLVIA GRIFFIN

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r ist einer, der die Wirksamkeit des Wortes vortrefflich unter Beweis gestellt hat. Hätte Richard von Weizsäckerwährend seines langen politischen Lebens nur eine einzige Rede gehalten, die vom 8. Mai 1985, dann hätte sie ausgereicht, um ihn zu einem großen Bundespräsidenten zu machen. Einfühlsam, aber mit unnachsichtiger Deutlichkeit verband Weizsäcker das Datum des Kriegsendes mit der Machtergreifung

Hitlers, schlug den Bogen von der Schuld zur Befreiung. Die Deutschen mahnte er, ihre Geschichte zu akzeptieren, und dem Ausland demonstrierte er, dass sie sich ihrer Verantwortung stellen. Damit hatte der Diplomatensohn, dessen Vater selbst dem nationalsozialistischen Staat gedient hatte, mehr für das Ansehen Nachkriegsdeutschlands in der Welt getan als viele Diplomaten. Und es war vielleicht auch die Fernwirkung dieser Rede, die es 1989 ermöglichte, die Angst

vor einem wieder vereinigten Deutschland klein zu halten. Der Fall der Berliner Mauer war für den früheren Regierenden Bürgermeister der damals noch geteilten Stadt der Höhepunkt seiner zehnjährigen Präsidentschaft. Demonstrativ verlegte er lange vor der Regierung seinen Dienstsitz nach Berlin. Es gibt Leute, die nennen ihn „Richie“, aber das verbietet sich bei diesem souveränen, gebildeten Mann, der standesgemäß in Oxford und Grenoble studierte und stan-

desgemäß die adelige Marianne von Kretschmann ehelichte. Nach dem Militärdienst wurde er Jurist und stand seinem Vater während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse als Hilfsverteidiger zur Seite. Sein Sohn Richard fand vom Wirtschaftsanwalt für Banken und Industrie bald den Weg in die Politik. Sein Förderer hieß Helmut Kohl. Doch der unabhängige Kopf Weizsäckers störte bald das Verhältnis zum CDU-Vorsitzenden - Kohl nutzte zwar

Weizsäckers diplomatisches Geschick in der Bundestagsfraktion, schob ihn dann aber auf Posten außerhalb des unmittelbaren Machtzirkels der Bundesregierung ab. In den Neunzigerjahren hielt Weizsäcker der Politik vor, gleichzeitig „machtversessen und machtvergessen“ zu sein. Kohl fühlte sich getroffen. Als „Elder Statesman“ ist der mit vielen in- und ausländischen Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden bedachte Weizsäcker (89) auch heute noch rastlos tätig,

Der Mann mit der Ruckrede 1994-1999: Roman Herzog wollte die Deutschen aufrütteln

VON WOLFGANG BLIEFFERT

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aum ein Bundespräsident hatte es beim Start schwerer als Roman Herzog (CDU): Der Schatten des Vorgängers Richard von Weizsäcker war lang, sein Start stotternd. Doch spätestens als Herzog in Polen eine bedingungslose Entschuldigung für die deutschen Verbrechen aussprach, wurde klar: Auch der neue Mann im Amt äußert sich nicht minder ernsthaft und nachdenklich.

Dieses unkomplizierte Staatsoberhaupt mit seinem Hang zu unbändigem Spott und mildem Zynismus hat nationales Pathos und schwülstige Überhöhungen stets vermieden. Sein deftiger Stil trug dem Landshuter viel Sympathie ein. Und die Ungeduld angesichts der politischen und gesellschaftlichen Stagnation artikulierte der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident im April 1997 in seiner inzwischen berühmt gewordenen

Rede im Hotel Adlon. „Durch Deutschland muß ein Ruck gehen“, forderte der Präsident. „Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen“. Weil Herzog dabei aber kaum einen Adressaten seiner Kritik benannte, blieb die Ruck-Rede letztlich im Diffus-Unverbindlichen. Es fühlte sich von ihr jeder und niemand angesprochen. Eindeutige Spuren hat Herzog dagegen auf anderem Gebiet hinterlassen. 1996 prokla-

mierte er den 27. Januar, den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Er hoffe, „Alle müssen Opfer bringen“: Roman Herzog. dass gemeinsame Formen des Erinnerns ge- len auf große Resonanz. funden werden könnten, die Heute lebt Herzog - inzwiin die Zukunft wirkten. Die schen 75 - mit seiner zweiten Initiative stieß vor allem bei Frau Alexandra Freifrau von Jugendgruppen und an Schu- Berlichingen in Landshut.

Bruder Johannes blieb sich treu

1999-2004: Rau lebte auch im Amt sein Motto „Versöhnen statt Spalten“

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Skat im Schloss Bellevue: Johannes Rau. Fotos: dpa, ap

iner der ganz großen Bundespräsidenten war er vielleicht nicht, aber einer der beliebtesten: Johannes Rau, der Präsident von nebenan, ein Skatspieler und Biertrinker, ein begeisterter Sänger und begnadeter Anekdotenerzähler. Menschenfischer und Bruder Johannes hat man den fröhlichen Christen oft genannt. Rau verfügte über die Macht des Wortes - und hatte als Präsident zunächst schein-

bar nichts zu sagen. Doch er schwamm sich frei, setzte eigene Akzente. Und manche Rede von damals wirkt noch heute aktuell, ja fast prophetisch. Etwa als er eindringlich warnte: „Eine Gesellschaft, die alle Lebensbeziehungen den Gesetzen des Marktes unterwirft, trägt Anzeichen von autoritärer Ideologie, die lebensgefährlich ist für den Staat“. Da war er, dessen Lebensmotto „Versöhnen statt Spal-

ten“ oft als naiv belächelt wurde, ein höchst politischer Präsident. Wie denn auch der Eindruck täuscht, Raus Karriere sei immer friedlich und geradeaus verlaufen. Er sei kein entscheidungsschwacher Festredner, nicht „der gute Onkel aus Wuppertal“, hat er solche Charakterisierungen stets zurückgewiesen. Stolz durfte er sein auf seinen Staatsbesuch in Israel zu Beginn seiner Amtszeit als Bundespräsident. Als erstes

deutsches Staatsoberhaupt sprach der engagierte Christ vor der Knesset und bat in deutscher Sprache um Vergebung für die Verbrechen am jüdischen Volk in der NaziZeit. Ein schwerer Gang. Er meisterte ihn mit Bravour. Nach dem Ende der Präsidentschaft blieb ihm nicht mehr viel Zeit für Ehefrau Christina und die drei Kinder. Wenige Tage nach seinem 75. Geburtstag starb Johannes Rau. (bli)

Wie fällt Ihre Bilanz von Horst Köhler aus? PAUL NOLTE: In der Finanzund Wirtschaftskrise hätte er gut daran getan, den Menschen den Spiegel vorzuhalten. Mir hat seine Beschreibung der Finanzmärkte als Monster nicht gefallen. Es wäre besser Seit 2004: Horst Köhler gewesen, wenn er erklärt hätte: Das sind komplizierte Mechanismen, wir können uns nicht auf populistische Vorurteile einlassen. Da hat er zu stark versucht, bei der Bevölkerung anzukommen. Da hätte er Grenzen ziehen und nicht dem Volk nach dem Munde reden sollen. Welche Debatten hat Köhler in seiner Amtszeit angestoßen? NOLTE: Dazu zählt sicherlich das Schicksal von Afrika, auch wenn mit dem Thema nicht viel Aufmerksamkeit zu holen ist. Umso bemerkenswerter ist sein Engagement. Dann hat er immer wieder klar gemacht, die Agenda 2010 war richtig, aber die Reformen müssen fortgesetzt werden, auch wenn wir den Menschen nicht zuviel abverlangen dürfen. Sein Thema Zivilgesellschaft und bürgerliches Engagement scheint mir dagegen inzwischen etwas in den Hintergrund getreten zu sein. Sehen Sie das als Defizit? NOLTE: Ich würde mir gerade in der Krise einen Präsidenten wünschen, der sagt: Klagt nicht nur, tut selbst was. In seiner letzten Berliner Rede hat Köhler eine Abkehr vom Wachstumsdenken gefordert. Wie realistisch ist das? NOLTE: Ich sehe das mit Skepsis. Welcher Entwurf steht dahinter? Der Verzicht auf Wachstum klingt einleuchtend, aber verzichten wir damit nicht zugleich auf dringend notwendige Innovation? Oder denken Sie an die Bildungsdebatte: Wir wollen mehr junge Menschen mit Abitur und Studium, in gut qualifizierten und gut bezahlten Jobs. Was heißt das ökonomisch? Wachstum!

• Zur Person: Paul Nolte (46, Foto), in Geldern geboren, lehrt Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Er gilt als Neokonservativer und hat wiederholt Sympathie für schwarz-grüne Bündnisse bekundet. (ap)

Die 80er Jahre: Nachrüstungsstreit und Versöhnungsgeste

Neue Gesichter: Die Grünen im Bundestag.

Marsch auf Bonn: Der Protest gegen die NatoNachrüstung mobilisiert 1983 Hunderttausende.

Versöhnungsgeste in Verdun: Kanzler Kohl und Präsident Mitterrand 1984.

Steuerbefreiung für den Konzern, Spenden für die Parteien: die Flick-Affäre.

9. November 1989: Die Mauer fällt, die Einheit kommt.

Das Thema Ist das Grundgesetz gelungen? Ist der 23. Mai ein Tag zum Feiern? Und welcher Bundespräsident gefiel am besten? fragten wir unsere Leser. Hier Auszüge aus den Antworten.

„Ein Tag zum Feiern“

STICHWORT

Schwarz-Rot-Gold als Nationalfarben

Unsere Leserüber den 60. Geburtstag des Grundgesetzes und die Bundespräsidenten

I

ch freue mich, in einem solch demokratischen Land mit dieser guten Infrastruktur und diesen unterschiedlichen Mentalitäten der Menschen zu leben. Kritik an gewissen Auswüchsen und Fehlern der Politik ist berechtigt, aber das System funktioniert grundlegend. Hagen Mukerjee, Melsungen

Ich war damals 18 Jahre alt. Leider muß ich zugeben, dass ich das Einsetzen des Grundgesetzes nicht wahrgenommen habe, denn es standen uns ja kaum, wie heute, die Medien zur Verfügung. Der seinerzeitig älteren Generation bedeutete es wohl mehr. Daher ist das 60jährige Jubiläumen für mich auch kein Tag zum Feiern. Viel wichtiger ist für mich der Tag der Einheit, denn die Wiedervereinigung habe ich mit vollem Bewußtsein erlebt. Roswitha Gruber, Hann. Münden Der 23. Mai ist natürlich ein Tag zum Feiern! Ich ... bin stolz darauf, was Deutschland in den letzten 60 Jahren erreicht hat (bin im Zweiten Weltkrieg geboren). Renate Dickel, Bad Hersfeld

Theodor Heuss war eine einmalige Mischung aus überragender Bildung, politischem Sachverstand, Volkstümlich-

Schwarz-Rot-Goldener Jubel - hier auf der Berliner Fanmeile während der Fußball-Europameisterschaft 2008. keit und köstlichem Humor. Einmal gab er Bischof Döpfner Feuer für die Zigarre. Es erlosch sofort. Döpfner: „Das Feuer der Politik erlischt“. Heuss: „Immer, wenn es die Kirche in die Hand nimmt.“ Dr. Otmar Einwag, Grebenstein/Udenhausen Ich denke, dass der 60. Geburtstag der Verfassung ein Tag zum Feiern ist. Besonders vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, aus welchem unsere Verfassung entstand, wird die Bedeutsamkeit deutlich. Mit ihr wurde verhindert, einen solchen Terror zuzulas-

sen, wie er während des Nationalsozialismus herrschte. Seit nunmehr 60 Jahren leben die Menschen Deutschlands in einer von der Verfassung gestützen Demokratie, in der Mann und Frau, egal welcher Abstammung vollkommen gleichgestellt sind. Sebastian Streit, Meensen Unser Grundgesetz ist top und hätte einen Feiertag verdient. Unser jetziger Bundespräsident ist von allen der Beste. Karl Battefeld, Frankenberg 60 Jahre Grundgesetz ist

schon ein Grund, es zu feiern. Denn es ist viel Positives erreicht worden. Johannes Rau war für mich des beste Bundespräsident. Uwe Thielke, Bad Wildungen Das Grundgesetz war eine reine Kopfgeburt, die auf Anordnung der drei Westalliierten erfolgte... Aber die Mütter und Väter des Grundgesetzes schufen die beste Verfassung, die Deutschland je hatte. Man hatte aus der Vergangenheit gelernt und die Mängel der Weimarer Verfassung korrigiert. Rainer Degethoff, Grebenstein

Hymne im Handstreich

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onrad Adenauer grollt. „Heidewitzka, Herr Kapitän“, tönt es ihm bei einem Besuch in Chicago entgegen. Eine Verlegenheitslösung der Gastgeber, Westdeutschland hat nun mal nach dem Krieg noch keine offizielle Hymne. Den Bundeskanzler nervt es gehörig, bei offiziellen Empfängen Schunkelschlager und Verballhornungen wie „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ - eine Anspielung auf die drei Zonen der Westmächte - zu hören. Im April 1950 reicht es ihm, im Berliner Titania-Palast fordert er das Publikum nach einer Rede auf, mit ihm die dritte Strophe des Deutschlandliedes zu singen. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ ertönt. Die SPD wettert gegen

Adenauers „Handstreich“, der der jungen Bundesrepublik wenig später eine Nationalhymne beschert. Nach Angaben des Historikers Theo Schwarzmüller war es der CDU-Politiker Albert Finck Mitglied des Parlamentarischen Rates und einer der Väter des Grundgesetzes -, der zuvor die Initiative ergriffen und Adenauer zum Vorschlag mit der dritten Strophe des Deutschlandlieds inspiriert hatte. 1952 gibt Bundespräsident Theodor Heuss nach langem Zögern nach, die dritte Strophe wird nun auch offiziell akzeptiert - wenngleich das bis heute - anders als die Bundesflagge (Artikel 22/Grundgesetz) - nicht im Grundgesetz verankert ist. Im entsprechenden Briefwechsel mit dem Kanzler

kommt eine gewisse Resignation Heuss’ gegenüber dem Beharrungswillen des alten Rheinländers Adenauer zum Ausdruck. Er habe „den Traditionalismus und sein Beharrungsbedürfnis unterschätzt“, schreibt Heuss. Wenn er der Bitte der Bundesregierung nachgebe, obwohl er angesichts des „tiefen Einschnitts in unsere Staatsgeschichte“ eine neue Symbolgebung für notwendig erachte, so geschehe dies nur „in Anerkennung dieses Tatbestandes“, so Heuss. Er verbindet die Erklärung des Deutschlandsliedes zur deutschen Nationalhymne mit der Bitte, bei staatlichen Anlässen nur die dritte Strophe zu singen. Denn die erste Strophe war verpönt: Die Nazis hatten 1933 das 1922 vom ersten Reichspräsidenten der

Das Grundgesetz ist gut, nur die Leute, die es beachten sollten, nämlich in erster Linie die Politiker, sind schlecht. Seit mehr als vierzig Jahren haben sie unser Land derart verschuldet, daß an eine Rückzahlung auch in vielen Generationen nicht gedacht werden kann. Peter Fricke, Bad Hersfeld Im Grundgesetz steht, dass sich das deutsche Volk eine Verfassung geben soll, aber dieser Auftrag wird von unseren Politikern seit nunmehr 60 Jahren einfach ignoriert... Genau wie eine Verfassung

enthält man dem deutschen Volke Abstimmungen (Volksbegehren – Volksentscheid) weiterhin vor und wie das mit den Wahlen aussieht wissen wir alle: man darf die Katz im Sack wählen und was wirklich dabei herauskommt, erfahren wir dann nach der Wahl. Meine Meinung: Es gibt keinen Grund, ... diese Demokratieauffassung zu feiern. Heidemarie Wegener, Osterode

Das Grungdsetz ist Klasse... Es geht aber noch besser: statt des nur für einen Bevölkerungsteil sinnvollen Gottbezuges besser die universelle „Ehrfurcht vor dem Leben“, und ergänzt um die bisher den Pflanzen und Tieren vorenthaltenen Rechte. Uwe Muster, Vellmar

DOKUMENTATION

Das Deutschlandlied, dritte Strophe

Konrad Adenauer ließ 1950 „Einigkeit und Recht und Freiheit“ singen VON GEORG ISMAR

Foto: dpa

Am 18. Februar 1919 bestimmte der Staatsausschuss der deutschen Nationalversammlung in Weimar die Einführung der deutschen Nationalfarben. Die Flagge ist eine Trikolore aus drei gleich großen horizontalen Balken in Schwarz, Rot und Gold. Woher diese Farbkombination kommt, ist auch heute noch umstritten. Eine Rolle spielten jedoch die „Lützowschen Jäger“, ein Freikorps, das um 1813 gegen die von Franzosenkaiser Napoleon errichtete Fremdherrschaft kämpfte. Die Lützower trugen eine schwarze Uniform mit rotem Kragen und goldenen Knöpfen.

Weimarer Republik, Friedrich Ebert, (SPD), zur Nationalhymne erklärte Deutschlandlied zwar übernommen. Von 1934 an wurde aber auf Befehl des „Führers“ Adolf Hitler nur noch die erste Strophe „Deutschland, Deutschland über alles“ gesungen - zusammen mit dem nationalsozialistischem Horst-Wessel-Lied. Deshalb hielt Heuss das ganze Lied für „entehrt und besudelt“. Die Nazis brachten die Hymne in einen Kontext von Imperialismus und Größenwahn - eine Interpretation, die mit dem ursprünglichen Sinn nichts gemein hatte. Denn als Heinrich Hoffmann von Fallersleben den Text 1841 auf Helgoland dichtet, ist „Deutschland über alles“ als flammender Appell zur Überwindung der deutschen

Einigkeit und Recht und Freiheit Für das deutsche Vaterland! Danach lasst uns alle streben Brüderlich mit Herz und Hand! Einigkeit und Recht und Freiheit Sind des Glückes Unterpfand: Blüh im Glanze dieses Glückes, Blühe, deutsches Vaterland! Kleinstaaterei gemeint. Als Bekenntnis zu Nation und Einheit. Mit der Einheit flammt die Hymnen-Debatte neu auf. Durch einen Briefwechsel zwischen Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Kanzler Helmut Kohl - wie der Schriftverkehr von Adenauer und Heuss durch Veröffentlichung im Bulletin der Bundes-

regierung bekannt gemacht ist seit August 1991 nicht mehr das ganze Werk, sondern nun auch offiziell nur „die dritte Strophe“ des Liedes von Hoffmann von Fallersleben „die Nationalhymne für das deutsche Volk“. Gesungen wird das Deutschlandlied bis heute zur Melodie der „Kaiserhymne“ von Joseph Haydn. (dpa)

Die 90er-Jahre: Auf der Suche nach der neuen Rolle

3. Oktober 1990: Tag der deutschen Einheit vor dem Reichstag.

Verfallene Städte, marode Industrien: Milliarden für den Aufbau.

Gewalt gegen Ausländer: Tödliche Brandanschläge in Solingen, Mölln und anderswo.

Rot-Grüne Koalition: Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

Die Bundeswehr im Ausland: KforSoldaten nach dem Kosovokrieg.

Das Thema Die Währungsreform und das anschließende Wirtschaftswunder haben das Bewusstsein der Nachkriegsdeutschen bestimmt, politische Gründungsmythen fehlen dagegen. Über den 23. Mai 1949 sprachen wir mit dem Politikwissenschaftler Prof. Herfried Münkler.

„Der Mercedes-Stern ersetzte das Eiserne Kreuz“

Politikwissenschaftler Herfried Münkler über die Gründungsmythen der jungen Bundesrepublik

VON WOLFGANG BLIEFFERT

Die Franzosen haben ihren Sturm auf die Bastille, die Amerikaner ihren Befreiungskrieg, die Engländer die Erinnerung an das Empire - alles positiv besetzte politische Mythen. Warum haben die Deutschen nichts Vergleichbares? HERFRIED MÜNKLER: Die Brüche der deutschen Geschichte sind sehr viel tiefer. Und deswegen gibt es auch Abbrüche in der narrativen Kontinuität deutscher Geschichte. Das sehen wird gerade mit Blick auf den 23. Mai 1949. Man könnte ja fragten: Braucht ein Volk überhaupt Mythen? Sind sie wirklich wichtig? MÜNKLER: Es braucht sie nicht unbedingt. Aber sie stärken so etwas wie kollektive Identität. Es gibt ja auch Familien, die faktisch ohne kollektives Gedächtnis existieren, die sich nichts erzählen über die Vorfahren und deren Herkunft, die nie in alten Fotoalben blättern. Solche Familien sind – drastisch gesagt – vom Zerfall bedroht. Und so muss man sich das auch für den kollektiven Verband einer Nation vorstellen.

„Da können wir schon einen gewissen Stolz entwickeln“.

HERFRIED MÜNKLER ÜBER DIE ART UND WEISE, WIE SICH DIE DEUTSCHEN IHRER VERGANGENHEIT GEWIDMET HABEN

Sie haben geschrieben, den Nachkriegs-Deutschen bleibe, wenn es um politische Mythen gehe, nur die Erinnerung an die zweimalige Niederlage und den Völkermord. Haben die Deutschen sich daran nicht aber in einer Weise abgearbeitet, die selbst eine sinnstiftende Wirkung erzielen kann? MÜNKLER: Natürlich. Wir sind eine lernende oder gelernt habende Nation. Nicht aus unserer Schande, sondern aus der Art des offensiven und bewussten Umgangs damit kann ein kollektives Selbstbewusstsein entwickelt werden. Wobei dieses sich natürlich nur auf bestimmte sensibilisierte, in der Regel intellektuell-publizistische Eliten bezieht und weniger auf die Mas-

Die Deutschen zogen Identitätsgewinn aus wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit - Herfried Münkler über das Wirtschaftswunder. se der Bevölkerung. Aber wenn wir uns die Italiener anschauen, wie die in der politischen Erinnerung mit ihren „Duce“ verklären, oder wie unzureichend die Russen ihre sowjetische Vergangenheit aufarbeiten – da können wir schon einen gewissen Stolz entwickeln. Das Grundgesetz und der 23. Mai 1949 spielen im kollektiven Gedächtnis der Deutschen praktisch keine Rolle. Was hat das für Folgen? MÜNKLER: Dass sich das Mythenbedürfnis von der Politik auf die Wirtschaft verschoben hat. Die Währungsreform und das anschließende Wirtschaftswunder haben das Bewusstsein der Nation bestimmt. Das zeigt sich an der Bedeutung verschiedener Produkte: Das Erfolgsmodell VWKäfer war der zivilisierte Kübelwagen, und der Mercedesstern trat quasi an die Stelle des Eisernen Kreuzes Erster Klasse. Zeigt sich das bis heute noch? MÜNKLER: Ja. Wir waren stets darauf fixiert, Exportweltmeister zu sein, die Deutschen zogen Identitätsgewinn aus wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Dieses Denken hat aber seinen Preis. Vor allem in Zeiten, wo klar wird, dass dieser Identitätsgewinn aus wirtschaftlicher Potenz so nicht mehr eingestrichen werden kann. Zu den mythischer Ereignissen der 50er-Jahre gehört der WM-Sieg gegen Ungarn 1954. Wird die Bedeutung des Wunders von Bern nicht manchmal übertrieben? MÜNKLER: Die Bedeutung ist

schon groß. Nach der verheerenden Niederlage 1945 traten die Deutschen jetzt den Beweis an, doch noch siegen zu können, wenn die Übermacht von Feinden nicht zu groß ist. Etwas mehr als zehn Jahre zuvor - mitten im Krieg - hatte Zarah Leander in einem populären Propagandafilm gesungen „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. Das kam einer Verheißung gleich. Das Wirtschaftswunder und das Wunder von Bern konnten dann als die Einlösung dieser Verheißung begriffen werden. Geschichte als Abfolge von Wundern. Die Bundesrepublik blieb ein symbolarmer Staat. Liegt nicht aber ein Vorteil darin, keine Mythen zu besitzen, weil man Politik dann rationaler betreiben kann? MÜNKLER: Das könnte man

vermuten. Nach der MythenHypertrophie der Nazizeit fanden sich die Deutschen gewissermaßen auf der Quarantänestation wieder. Aber das sind therapeutische Maßnahmen, bei denen klar ist, dass sie zeitlich begrenzt bleiben. Wenn es darum geht, Identität auszubilden und Selbstbewusstsein zu entwickeln, braucht man eine Reihe von narrativierten Ereignissen und Figuren, auf die man stolz sein kann. In Deutschland hat sich das, wie gesagt, auf unpolitische Gebiete verlagert. Heute wird problemlos die Nationalhymne gesungen und Schwarz-Rot-Gold gezeigt. Sind das Zeichen einer normalen Nation? MÜNKLER: Wir sind auf dem Weg dahin. Das begann schon mit dem Umzug der Regierung aus dem Provinznest

Bonn in die Metropole Berlin. Seitdem haben wir wieder eine Hauptstadt, die neben Paris, London und Rom bestehen kann. Das Sommermärchen 2006, auch eine Wundergeschichte, hat die Deutschen dann mit einem integrativen, aber doch merklich gesteigerten Selbstwertgefühl gezeigt. Das braucht man auch angesichts der heutigen Herausforderungen. Die Gründung der Bundesrepublik war - wie beschrieben ein weitgehend mythenfreier Akt. Warum hat der 9. November, der Mauerfall, offenbar keine mythenbildende Wirkung entfaltet? MÜNKLER: Das hat mit der Entscheidung der westdeut-

Zur Person Herfried Münkler (57), in Friedberg/Hessen geboren, ist einer der profiliertesten Politikwissenschaftler Deutschlands. Die „Zeit“ nannte ihn einmal einen „One-Man-Think-Tank“, eine Ein-MannDenkfabrik“. Seit 1992 hat Münkler den Lehrstuhl für Theorie der Politik am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin inne. In diesem Jahr erhielt er den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik für sein neuestes Werk Die Deutschen und ihre Mythen. (Rowohlt) Weitere Veröffentlichungen: • „Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie“, Velbrück Wissenschaft, 2006 • „Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten“, Rowohlt Verlag, 2005 • „Machiavelli: die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz“. Fischer Taschenbuch-Verlag, 2004

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schen politischen Klasse zu tun, den 3. Oktober zum Nationalfeiertag zu machen, einen Tag, der das Schicksal des 23. Mai erleiden wird, der Tag, an dem das Grundgesetz in Kraft getreten ist. Woher rührt das? MÜNKLER: Der 3. Oktober war der nüchterne Schlusspunkt einer Entwicklung, die Monate vorher absehbar war. Der 9. November war dagegen ein emotional umstürzendes Ereignis, eine Beschleunigung der Geschichte. Er ist aber kein Tag, den die politische Klasse der alten Bundesrepublik feiern konnte. Sie wurde von dem Ereignis völlig überrascht, sie hatte nichts dafür getan. Der 3. Oktober war dagegen ein Tag, an dem sie sich selbst feiern konnte nach den Vier-plus-zwei-Verhandlungen. Was bleibt dann vom 9. November 1989? MÜNKLER: Es wird sich in diesem Jahr, wenn die Dokumentationen über den 9. November im Fernsehen laufen und die alten Bilder wieder gezeigt werden, herausstellen, welche Kraft und Bedeutung dieser Tag hat. Und wie blass, harmlos und zu einem ThomasGottschalk-Volksfest verkommen der 3. Oktober ist.

Herfried Münkler

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2000 bis 2009: Katastrophen, Krisen und eine Kanzlerin

Amoklauf in Erfurt: 17 Menschen ster- Die Reform des Sozialstaates: Kanzler Schrö- Trauer um Gefallene: Die Deutschland bekommt eine ben 2002 im Gutenberg-Gymnasium. der startet die Agenda 2010. Bundeswehr in Afghanistan. Kanzlerin: Angela Merkel 2005.

Finanzkrise, Rekordschulden, Arbeitslosigkeit: Die Bundesrepublik am 60. Geburtstag.

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