28 - Funktion Der Niere Und Regulation Des Wasser- Und Elektrolythaushaltes

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28 28

Funktion der Nieren und Regulation des Wasserund Elektrolyt-Haushalts Armin Kurtz

28.1

Die Niere – 895

28.1.1 28.1.2 28.1.3 28.1.4 28.1.5 28.1.6 28.1.7 28.1.8 28.1.9 28.1.10

Durchblutung der Niere – 895 Aufbau und Funktion der Glomeruli – 896 Aufbau des Harnkanalsystems – 899 Reabsorption von Elektrolyten und Wasser – 899 Reabsorption von Monosacchariden, Peptiden und Aminosäuren – 905 Säure-Basen-Transport der Tubulusepithelien – 906 Transport von Protonen und Hydrogencarbonat – 906 Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen – 909 Energiegewinnung in der Niere – 909 Die Niere als endokrines Organ – 910

28.2

Der Endharn (Urin) – 914

28.2.1 28.2.2 28.2.3 28.2.4

Eigenschaften des Urins – 914 Chemische Zusammensetzung des Urins Pathobiochemie des Urins – 915 Harn- und Nierensteine – 916

28.3

Der Wasserhaushalt – 917

28.3.1 28.3.2 28.3.3

Wasserbilanz – 917 Hormonelle Regulation des Wasserhaushalts – 918 Pathobiochemie des Wasserhaushalts – 920

28.4

Der Natriumhaushalt – 921

28.4.1 28.4.2 28.4.3

Natriumbilanzierung – 921 Hormonelle Regulation des Natriumhaushalts – 922 Pathobiochemie des Natriumhaushalts – 926

28.5

Der Kaliumhaushalt – 928

28.5.1 28.5.2

Regulation des Kaliumhaushalts – 928 Pathobiochemie des Kaliumhaushalts – 929

28.6

Der Calcium- und Phosphathaushalt – 930

28.6.1 28.6.2 28.6.3 28.6.4

Calciumhaushalt – 930 Phosphathaushalt – 932 Hormonelle Regulation des Calcium- und Phosphatstoffwechsels – 933 Pathobiochemie des Phosphat- und Calciumhaushalts – 938

– 914

28.7

Der Magnesium- und Sulfathaushalt – 939

28.7.1 28.7.2

Magnesiumhaushalt – 939 Schwefelhaushalt – 941

28.8

Der Säure-Basen-Haushalt – 942

28.8.1 28.8.2 28.8.3 28.8.4 28.8.5 28.8.6

Notwendigkeit der Konstanthaltung der Protonenkonzentration – 942 Entstehung von Säuren im Stoffwechsel – 942 Verteilung der Protonen zwischen Intra- und Extrazellulärraum – 943 Puffersysteme – 944 Regulation der Protonenkonzentration – 945 Pathobiochemie des Säure-Basen-Haushalts – 946

Literatur

– 950

895 28.1 · Die Niere

> > Einleitung Die Nieren scheiden endogen gebildete organische wasserlösliche Stoffwechsel-Endprodukte, anorganische Stoffe sowie exogen zugeführte, nicht abbaubare Substanzen wie Medikamente oder Vitamine aus. Sie dienen darüber hinaus der Erhaltung der Konstanz der Extrazellulärflüssigkeit, regulieren Volumen und Osmolarität der Körperflüssigkeiten durch selektive Reabsorption oder Ausscheidung von Ionen und Wasser. Sie greifen durch Ausscheidung überschüssiger Säuren und Basen im Zusammenwirken mit den Lungen in das Säure-Basen-Gleichgewicht ein. Darüber hinaus sind die Nieren an der Regulation des Blutdrucks, der Erythropoiese und des extrazellulären Calciumspiegels beteiligt und synthetisieren wichtige Verbindungen wie Glucose und γ-Aminobutyrat. Die Funktion der Nieren steht in engem Zusammenhang mit den Regelsystemen, die für den Wasser- und Elektrolythaushalt verantwortlich sind. Für die Regulation des Wasserhaushalts und des Natrium- und Kaliumstoffwechsels sind die Hormone Vasopressin, Aldosteron und das atriale natriuretische Peptid von besonderer Bedeutung. Ihr Ziel ist es, Natrium- und Kaliumverluste gering zu halten und eine ausgeglichene Wasserbilanz zu erreichen. Für die Regulation des wichtigen Calciumstoffwechsels stehen drei Hormone zur Verfügung, das Parathormon, das D-Hormon sowie das Thyreocalcitonin.

28.1

Die Niere

28.1.1

Durchblutung der Niere

Die Durchblutung der Niere bewirkt eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen, gleichzeitig bestimmt sie aber auch das zur Filtration gelangende Blutvolumen. Zudem beeinflusst die Nierenmarkdurchblutung noch die Salz- und Wasserreabsorption. Beim Erwachsenen erhalten im Normalfall beide Nieren zusammen ca. 20–25% des Herzminutenvolumens in Ruhe, d.h. ca. 1,0–1,2 l Blut pro Minute, was einer sehr hohen spezifischen Gewebedurchblutung von 4 ml u min–1 u g–1 entspricht.

Regulationsorte der Nierendurchblutung sind. Die physiologischen Regulationen von afferentem und efferentem Widerstand sind dahingehend ausgerichtet, den Blutdruck innerhalb der Glomeruluskapillaren und den Blutflussdurch die Glomeruluskapillaren konstant zu halten. Folgende Faktoren sind dabei von Bedeutung: 4 Die Autoregulation der Nierendurchblutung bewirkt, dass sich der renale Perfusionwiderstand in einem Druckbereich von ca. 70–180 mmHg parallel mit dem Perfusionsdruck ändert und somit der renale Blutfluss (RBF = 'P/R) in diesem Bereich konstant bleibt (. Abb. 28.1, Einzelheiten 7 Lehrbücher der Physiologie)

! Die Nierenrinde ist wesentlich besser durchblutet als das Nierenmark.

Die Blutversorgung des Nierenmarks erfolgt nur über die efferenten Arteriolen derjenigen Glomeruli, die tief in der Rinde, nahe an der Rinden-Mark-Grenze (juxtamedullär) liegen. Diese Arteriolen gabeln sich, ziehen geradlinig und unverzweigt als vasa recta in Richtung Pyramidenspitze und übernehmen so die Versorgung des Parenchyms der Außen- und Innenzone des Marks. Wegen dieses speziellen Verteilungssystems fließen mehr als 90% des renalen Blutstroms nur durch die Nierenrinde, womit das Mark, welches immerhin mehr als 60% der Nierenmasse ausmacht, entsprechend wenig Blut erhält. ! Die Nierendurchblutung wird über die Widerstände der afferenten und efferenten Arteriolen reguliert.

Der renale Blutfluss (RBF) wird von der treibenden Blutdruckdifferenz ('P) zwischen A. und V. renalis und dem gesamten intrarenalen Gefäßwiderstand R bestimmt:

Die für die Nierendurchblutung bestimmenden Gefäßwiderstände werden hauptsächlich von den afferenten und efferenten Arteriolen gebildet, welche daher die wichtigsten,

. Abb. 28.1. Abhängigkeit des renalen Blutflusses (RBF) und der glomerulären Filtrationsrate (GFR) vom Druck in der Nierenarterie. Im oberen Bildteil ist schematisch die Druckabhängigkeit des inneren Durchmessers von afferenten Arteriolen sowie die Bedeutung des transmembranären Calciumeinstroms durch L-Typ-Calciumkanäle dargestellt. Eine druckabhängige Reduktion des Innendurchmessers um 25% führt dabei zu einem 3-fachen Anstieg des präglomerulären Strömungswiderstands (Hagen-Poiseuille-Gesetz) und bewirkt damit eine Konstanz von RBF und GFR

28

896

28

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

4 Regulation durch Neurotransmitter, die aus den sympathischen Nierennerven freigesetzt werden. Noradrenalin führt über α1-Rezeptoren und Aktivierung des Phospholipase-C-(PLC)-Signalwegs zur Gefäßkontraktion und damit zur Widerstandserhöhung, während Dopamin über D-1-Rezeptoren und Aktivierung des cAMP-Signalwegs die Arteriolen relaxiert und damit den Widerstand senkt. Bei stärkerer Aktivierung der Nierennerven überwiegt die konstriktorische Wirkung des Noradrenalins, was dazu führt, dass im Kreislaufschock die Niere durch den Blutdruckabfall bei gleichzeitigem Anstieg des Nierenperfusionswiderstands sehr schlecht durchblutet wird, was ein akutes Nierenversagen nach sich ziehen kann 4 Die afferenten und efferenten Widerstände werden auch von einer Reihe von parakrinen Faktoren und von Hormonen beeinflusst. So erhöhen Angiotensin II, Serotonin, Endotheline und Thromboxan über den PLC-Signalweg den Widerstand, während PGE2, PGI2 über den cAMP-Signalweg und atriales natriuretisches Peptid (ANP) sowie das aus dem Endothel freigesetzte Stickoxid (NO) über den cGMP-Signalweg den Gefäßwiderstand erniedrigen

28.1.2

Aufbau und Funktion der Glomeruli

! In den Glomeruli werden wasserlösliche Plasmabestandteile nach ihrer Größe und Ladung als Primärharn abfiltriert.

Aufbau eines Glomerulus. Die 1–1,5 Millionen Glomeruli (. Abb. 28.2) in jeder Nierenrinde verbinden das Blutgefäßmit dem Harnkanalsystem. Sie haben einen Durchmesser von 150–300 μm und bestehen aus ca. 30 miteinander verbundenen Kapillarschlingen, die sich aus einer afferenten Arteriole aufteilen. Ein Glomerulus enthält 3 Zelltypen: 4 gefensterte Endothelzellen, welche die Kapillarschlingen innen auskleiden 4 Podozyten, welche mit langen fußförmigen Fortsätzen außen auf den Kapillarschlingen aufsitzen und 4 Mesangiumszellen im Inneren des Glomerulus, welche der mechanischen Halterung und Stützung der Kapillarschlingen dienen

Im Rahmen von immunologischen Abwehrprozessen können die Mesangiumszellen stimuliert werden, worauf sie über Expression von MHCII-Komplexen (7 Kap. 34.2.2) zur Antigenpräsentation fähig werden und große Mengen an Cytokinen (z.B. IL-1E, TNF-D) bilden. Diese Vorgänge spielen eine Rolle bei intraglomerulären Entzündungsvorgänge (z.B. Glomerulonephritis). Filtration nach Molekülgröße. Durch einen dreilagigen Fil-

ter, der aus dem fenestrierten Endothel im Kapillarinneren,

der Basalmembran an der Außenseite der Kapillaren und den Schlitzen zwischen den Fußfortsätzen der Podozyten besteht (. Abb. 28.2), wird in den Glomeruli aus dem Blutplasma der Primärharn abgefiltert und über die als Trichter wirkende Bowman-Kapsel dem Harnkanalsystem zugeleitet. Die Poren der Endothelzellen (Durchmesser 50– 100 nm) verhindern den Durchtritt von Blutzellen. Die dreischichtige 300 nm dicke Basalmembran enthält Laminin, Fibronectin und Kollagen-Typ IV und stellt einen mechanischen Filter für Stoffe dar, deren relative Molekülmasse größer als 400 kDa ist. Je 2 Kollagen IV-Monomere assoziieren am C-Terminus und jeweils 4 Monomere am N-Terminus. Durch diese Assoziation bildet sich ein supramolekulares Maschenwerk aus (7 Kap. 26.2.2). Die Tripelhelix des Kollagens IV wird aus unterschiedlichen D-(IV)Ketten aufgebaut. Insgesamt sind bisher 6 Varianten der D-(IV)-Ketten bekannt. Eine dieser Ketten, die D-III(IV), findet sich nur in der Basalmembran der Nierenglomeruli, der Lungenalveolen und einigen anderen Basalmembranen. Das erklärt warum bei einzelnen Erkrankungen, die mit Schädigungen der Basalmembran einhergehen, bevorzugt Lungen und Nieren betroffen sind. Die Fortsätze der Podozyten stehen mit verbreiterten Füßchen direkt auf der Basalmembran und lassen zwischen sich Schlitze frei, welche in vivo schmäler als 5 nm sind. Der effektive Porenradius des Glomerulusfilters beträgt etwa 1,5–4,5 nm. Damit können im Prinzip Moleküle mit einer Masse bis zu 5 kDa ungehindert filtriert werden (. Tabelle 28.1). Darunter fallen Stoffwechselendprodukte wie Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure etc., aber auch für den Körper wertvolle Substanzen wie Wasser, Monosaccharide, Aminosäuren, Peptide, Elektrolyte etc. Filtration nach Ladung. Die Fußfortsätze der Podozyten

sind von einer dicken negativ geladenen neuraminsäurereichen Glycocalix (Hauptprotein Podocalixin, Mw 144 kDa) überzogen, welche die Moleküldurchlässigkeit durch die Filtrationsschlitze noch zusätzlich hinsichtlich der Ladung der Stoffe beeinflusst. Damit spielt für die Filtrierbarkeit neben der mechanischen Einschränkung durch die Molekülgröße auch die Nettoladung der Moleküle eine . Tabelle 28.1. Glomeruläre Filtrierbarkeit biologischer Moleküle Molekül

Molekülmasse (Da)

Glomeruläre Filtrierbarkeit

Wasser

18

100%

Harnstoff

60

100%

Glucose

180

100%

Insulin

5500

99%

16000

75%

Ovalbumin

43500

22%

Hämoglobin

64000

3%

Albumin

66248

1%

Myoglobin

897 28.1 · Die Niere

. Abb. 28.2. a Schematische Darstellung eines Nierenglomerulus mit juxtaglomerulärem Apparat. Der juxtaglomeruläre Apparat besteht aus 3 Zelltypen, die alle miteinander in Kontakt stehen. Dies sind die extraglomerulären Mesangiumzellen, die sich zwischen der afferenten und efferenten Arteriole nach außerhalb erstrecken, die renin-

produzierenden Epitheloidzellen in der Wand der afferenten Arteriolen im Einmündungsbereich in das Glomerulus und die tubulären Macula densa-Zellen, welche den Endabschnitt der dicken aufsteigenden Henle-Schleife (. Abb. 28.3 in Kap. 28.1.3) bilden. (Aus Schmidt et al. 2000) b Schematische Darstellung der glomerulären Filtermembran

wichtige Rolle. Moleküle mit negativer Ladung treten schwerer als solche mit positiver Ladung in die Schlitze zwischen den negativ geladenen Podozytenfortsätzen ein. Das ist funktionell besonders bedeutsam für die Proteinfiltration, da die Plasma-Eiweißmoleküle in der Regel eine negative Überschussladung tragen, was neben ihrer Größe die Filtrierbarkeit zusätzlich reduziert.

Aufgrund einer Druckdifferenz zwischen dem Kapillarinneren und der Bowman-Kapsel werden ca. 20% des durchfließenden Plasmavolumens als wässriger, zellfreier und eiweißarmer Primärharn abfiltriert. In beiden Nieren eines Erwachsenen werden zusammen pro Minute im Normalfall ca. 125 ml Plasma-Ultrafiltrat als Primärharn erzeugt. Dieser Wert wird als glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bezeichnet. Da die Nierenfunktion des Menschen auf eine gleich bleibende Filtrationsleistung (GFR) ausgelegt ist, haben

! Mehrere Sicherungsmechanismen sorgen für eine Konstanz der glomerulären Filtration.

28

898

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

28

. Abb. 28.3. Anordnung der Nephronsegmente und des Sammelrohrsystems in den verschiedenen Nierenzonen. Zu beachten ist die charakteristische Ultrastruktur der jeweiligen Tubulusabschnitte, insbesondere die Ausbildung des Bürstensaums zur Oberflächenvergrößerung und die Größe und Dichte von Mitochondrien als Ausdruck aerober Energiegewinnung. 1 proximaler Tubulus, gewundener

Teil; 2 proximaler Tubulus, gerader Teil; 3 dünne absteigende HenleSchleife; 4 dünne aufsteigende Henle-Schleife; 5 dicke aufsteigende Henle-Schleife; 6 Macula densa; 7 distaler Tubulus, gewundener Teil; 8 Verbindungstubulus; 9 corticales Sammelrohr (Hauptzelle); 10 innermedulläres Sammelrohr (Hauptzelle). (Modifiziert nach Kaissling u. Kriz aus Seldin u. Giebisch 2000)

899 28.1 · Die Niere

sich verschiedene Mechanismen entwickelt, die möglichen Schwankungen der GFR entgegensteuern: 4 Die Autoregulation der Nierendurchblutung (7 o.), welche auf einer myogenen Reaktion der afferenten Arteriolen (. Abb. 28.1) und dem tubulo-glomerulären Feedback (TGF) beruht. Dabei setzen die Macula densa Zellen des juxtaglomerulären Apparates (. Abb. 28.2) bei erhöhtem Salztransport (infolge erhöhter GFR) ATP frei. Dieses wird durch die 5c-Ektonucleotidase in Adenosin gespalten, welches wiederum die afferenten Arteriolen konstringiert (A1-Rezeptoren) 4 Bei Abfall des Nierenarteriendrucks sezernieren Epitheloidzellen des juxtaglomerulären Apparats am glomerulären Ende der afferenten Arteriolen das gespeicherte Renin, welches über eine Reaktionskaskade (Renin-Angiotensin-System, 7 u.) zur Bildung von Angiotensin II führt. Angiotensin II erhöht den arteriellen Blutdruck und konstringiert in der Niere präferentiell die efferenten Arteriolen. Beide Ereignisse zusammen führen zu einem Wiederanstieg des hydrostatischen Drucks in den Glomeruluskapillaren und damit zur Aufrechterhaltung der GFR

28.1.3

Aufbau des Harnkanalsystems

! Die spezielle Struktur des Tubulussystems bestimmt die Ausscheidungsfunktion der Niere.

Im Primärharn befinden sich nicht nur ausscheidungspflichtige Verbindungen sondern auch Moleküle, welche für den Körper noch sehr wertvoll sind. Dazu gehören Monosaccharide, Aminosäuren, Oligopeptide, Salze und natürlich auch Wasser. Entsprechend findet sich im Anschluss an jeden Glomerulus ein Kanalsystem (Tubulussystem), dessen Aufgabe die Rückresorption der wertvollen Stoffe und die möglichst effiziente Eliminierung der giftigen Stoffwechselendprodukte ist. Das System der Harnkanälchen besteht aus den Nephronen und aus dem Sammelrohrsystem, die sich ontogenetisch separat entwickeln (. Abb. 28.3). Ein Nephron besteht aus: 4 dem Glomerulus 4 der Bowman-Kapsel 4 dem proximalen Tubulus 4 der Henle-Schleife 4 der Macula densa 4 dem Konvolut des distalen Tubulus sowie dem 4 geraden Verbindungstubulus Zwischen 8–10 Nephrone münden in die einzelnen Sammelrohre, die aus der Rinde in Richtung Papillenspitze ziehen. In der Innenzone des Marks konvergieren alle Sammelrohre zu immer größeren Röhren bis hin zu den 10– 20 Ductus papillares einer Pyramide, welche schließlich in

das Nierenbecken einmünden. Die Nephrone eines Menschen haben je nach Länge der Henle-Schleife eine Gesamtlänge von 3–4 cm, die Sammelrohre sind im Mittel noch 2 cm lang. ! Der Extrazellulärraum der Niere ist kompartimentiert.

Das Harnkanalsystem durchzieht zweimal die Nierenrinde und zweimal das Nierenmark und wechselt dabei jeweils die Umgebungsbedingungen im Extrazellulärraum: Zwischen Rinde und Mark bestehen wesentliche Unterschiede in den O2-Partialdrucken (. Abb. 28.4). Wegen der relativ geringen Durchblutung des Nierenmarks nimmt die O2Versorgung von der Nierenrinde bis zur Papille hin ab. Dementsprechend findet man die höchsten mittleren O2Drucke in der Rinde (ca. 80 mmHg), die dann zur Papillenspitze bis auf 10 mmHg abfallen. Zwischen Rinde und Mark bestehen auch wesentliche Unterschiede in der Osmolarität des Interstitiums, welche in der Rinde 290 mosmol beträgt und bis zur Papillenspitze auf 1300 mosmol/l ansteigt (. Abb. 28.4). Die Erhöhung der Osmolarität beruht je zur Hälfte auf einem Anstieg der interstitiellen NaCl und Harnstoffkonzentration. Dieser Osmolaritätsgradient ist für die Wasserresorption in der Niere essentiell (zu seiner Entstehung 7 Lehrbücher der Physiologie). ! Die verschiedenen Funktionen der Niere sind jeweils verschiedenen Tubulussegmenten zugeordnet.

Die verschiedenen Tubulusabschnitte haben jeweils spezifische Funktionen zu erfüllen. Entsprechend werden die dafür notwendigen Funktionsproteine auch streng lokal exprimiert. Das gilt nicht nur für die zelluläre Expression als solche (. Abb. 28.5), sondern auch für die subzelluläre Lokalisation der Funktionsproteine, wobei deren selektiver Einbau entweder in die luminale oder basolaterale Zellmembran das Funktionsverhalten der verschiedenen Tubuluszellen bestimmt. Das wird beispielsweise bei der tubulären Natriumresorption deutlich, für die die verschiedenen Tubuluszellen unterschiedliche luminale Transportsysteme entwickelt haben, während sie als Gemeinsamkeit alle in der basolateralen Membran die Na+/K+-ATPase enthalten, mit welcher sie aus der Tubulusflüssigkeit eintretendes Natrium wieder in die Blutbahn zurückpumpen.

28.1.4

Reabsorption von Elektrolyten und Wasser

Wegen der Größe der glomerulären Filtrationsrate erbringen die Nieren eine gewaltige Leistung bei der notwendigen Reabsorption von Elektrolyten und Wasser. Hieran sind die verschiedenen Abschnitte des Nephron in unterschiedlichem Ausmaß beteiligt (. Tabelle 28.2). Die Reabsorption von Wasser und Natrium-Ionen macht mengenmäßig den größten Anteil aus.

28

900

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

28

. Abb. 28.4. Profil des Sauerstoffdrucks (oben) und der Osmolarität (unten) im Interstitium der verschiedenen Nierenzonen

. Tabelle 28.2. Reabsorptionsleistung der verschiedenen Abschnitte des Nephrons Gesamt (mol/24 h)

Na+

Proximalem Tubulus

Henle-Schleife Dünnem Teil

Distalem Tubulus Dickem, aufsteigendem Ast

Sammelrohr

65%

25%

0.7

80%

10%

Ca

0.2

65%

25%

9%

Mg2+

0.1

15%

70%

10%

+

K

2+

Cl– HCO3– H2O

23

Reabsorbiert in

19

9%

65%

25%

10%

4.3

80%

10%

10%

4

65%

10

18%

10%

901 28.1 · Die Niere

. Abb. 28.5a–o. Zonal spezifische Expression von Membrantransport-Proteinen in der Rattenniere. Der Nachweis der Expression der jeweiligen Proteine erfolgte durch in situ Hybridisierung. a Natrium-Glucose-Cotransporter (SGLT2); b Natrium-Hydrogencarbonat Cotransporter; c Natrium-Vitamin-C-Cotransporter (SVCT1); d Peptid-Transporter (PEPT2); e Natrium-Dicarboxylat-Cotransporter (SDCT1); f Natrium-Glucose-Cotransporter (SLGT1); g Natrium-Dicar-

boxylat-Cotransporter (SDCT2); h Glutamat-Transporter; i KationenTransporter (DCT1); j Harnstofftransporter (UT3); k Natrium-CalciumAustauscher; l Harnstofftransporter (UT2); m Harnstofftransporter (UT1); n Glutamat-Transporter (GLAST); o Kontrolle. Der Balken in (o) bezeichnet eine Länge von 2 mm. (Nach Berger et al. aus Seldin u. Giebisch 2000)

28

902

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

28

. Abb. 28.6. Die Mechanismen der Natriumresorption in den verschiedenen Tubulusabschnitten. Geschlossene Symbole geben

ATP-abhängige, offene Symbole sekundär aktive oder passive Transportvorgänge wieder. AS = Aminosäuren (Einzelheiten 7 Text)

! Über 99% des filtrierten Natriums werden im Tubulussystem reabsorbiert.

ren oder Säureanionen (7 u.) oder durch Antiport mit Protonen. Der Na+/H+-Austauscher befördert pro eintretendem Na+-Ion ein Proton aus der Tubuluszelle in die Tubulusflüssigkeit (. Abb. 28.7). Der Mechanismus der Regenerierung der für den Na+-Transport benötigten Protonen ist in . Abb. 28.8 dargestellt und entspricht einem gleichartigen Transportsystem im Ileum (7 Kap. 32.2.4). Eine nicht selektive passive Na+-Resorption im proximalen Tubulus erfolgt zusätzlich durch den starken parazellulären Wasserfluss (solvent drag,7 u.). Die Na+-Resorption im proximalen Tubulus wird durch Angiotensin II stimuliert (7 Kap. 28.1.10).

Das glomerulär filtrierte Na+ (23 mol/Tag) wird zu etwa 65% im proximalen Tubulus, zu 25% in der aufsteigenden Henle-Schleife, zu 7% im distalen Tubulus und zu 3% im Verbindungstubulus/Sammelrohr rückresorbiert. Im Normalfall werden weniger als 1% des filtrierten Natriums mit dem Urin ausgeschieden (. Abb. 28.6). Allgemeine Triebkraft für die Na+-Resorption ist das zelleinwärts gerichtete Konzentrationsgefälle für Natrium zwischen der Tubulusflüssigkeit und der Tubuluszelle. Dieses Konzentrationsgefälle wird durch die Aktivität der Na+/K+-ATPase (7 Kap. 6.1.5) erzeugt, welche in der basolateralen Membran der Tubuluszellen lokalisiert ist. Der Mechanismus der Na+-Aufnahme in die Tubuluszellen hängt von deren Lokalisation ab: Proximaler Tubulus. Hier erfolgt die apikale Na+-Aufnah-

me hauptsächlich durch Symport mit Glucose, Aminosäu-

Dünner aufsteigender Teil der Henle-Schleife. Hier wird Natrium passiv reabsorbiert. Diese Tubuluszellen besitzen eine hohe Chloridpermeabilität wegen zahlreicher Chloridkanäle (ClC-Ka, chloride channel-kidney a) in der luminalen und basolateralen Membran. Da die Interzellularkontakte in diesem Tubulusabschnitt für Kationen permeabel sind, diffundiert aufgrund eines starken Konzentrations-

903 28.1 · Die Niere

. Abb. 28.7. Modell der Membranintegration des Na/H-Austauschers-1 (NHE-1). Die Zylinder stellen die transmembranären Domänen dar. Die für den Ionentransport verantwortlichen Domänen sind rot hervorgehoben. Die Regulation der Aktivität erfolgt über

das C-terminale cytosolische Ende. In der Zellmembran bilden wahrscheinlich zwei Antiportmoleküle ein Dimer. (Verändert nach Ritter M et al. Cell Physiol Biochem 2001)

gradienten zwischen der aufkonzentrierten Tubulusflüssigkeit und dem Interstitium NaCl passiv aus der Tubulusflüssigkeit in das Interstitium.

Seite. Dabei entsteht bei diesem Transport eine negative Überschussladung im Interstitium. Diese Potentialdifferenz treibt Kationen (Na+, Mg2+, Ca2+, NH4+) parazellulär in das Interstitium.

Dicker aufsteigender Teil der Henle-Schleife. Na+ wird

hier über einen Na+/K+-2Cl–-Symport in der luminalen Membran resorbiert. Über zahlreiche Kaliumkanäle in der luminalen Membran diffundieren die über den Cotransport in die Zelle eintretenden K+-Ionen zum größten Teil in die Tubulusflüssigkeit zurück und stehen somit wieder für den Cotransport zur Verfügung. Die Cl–-Ionen verlassen mittels Diffusion die Zelle über spezifische Chloridkanäle (ClC-Kb, chloride channel-kidney b) und zu einem geringeren Teil über einen KCl-Symport an der basolateralen

Konvolut des distalen Tubulus. Natrium wird über einen luminalen NaCl-Symport reabsorbiert, wobei auch hier das Konzentrationsgefälle für Natrium zwischen der Tubulusflüssigkeit und der Tubuluszelle die Triebkraft für den Cotransport liefert. Na+ wird basolateral hinausgepumpt und Chlorid verlässt die Zelle über einen KCl-Symport. Das hierfür benötigte K+ rezirkuliert über die Aktivität der Na+/K+-ATPase. Überleitungsstück und Sammelrohr. Die Na+-Reabsorp-

tion erfolgt über spezifische Na+-Kanäle in der apikalen Membran der Hauptzellen, während K+ im Gegenzug durch apikale K+-Kanäle aus der Hauptzelle in die Tubulusflüssigkeit diffundiert. Da basolateral über die Na+/K+-ATPase Na+ aus der Zelle und K+ in die Zelle gepumpt werden, findet in den Hauptzellen somit netto eine Natriumresorption und eine Kaliumsekretion statt. Die Zahl und Aktivität der Na+-Kanäle und der Na+/K+-ATPase in den Hauptzellen wird durch das Nebennierenrindenhormon Aldosteron (7 u.) gesteigert. ! Filtriertes Wasser wird zu 99% wieder reabsorbiert. . Abb. 28.8. Regenerierung von Protonen für den Na+/H+-Austausch im proximalen Tubulus bei gleichzeitiger Hydrogencarbonat-Resorption. CAII = Carboanhydrase II, im Cytosol lokalisiert; CAIV = Carboanhydrase IV, mit einem GPI-Anker in der Membran des Bürstensaums verankert

Das glomerulär filtrierte Wasser (180 l/Tag) wird zu etwa 65% im proximalen Tubulus, zu 18% in der dünnen absteigenden Henle-Schleife und im Konvolut des distalen Tubulus und zu 10% im Verbindungstubulus/Sammelrohr rückresorbiert (. Abb. 28.9). Im Normalfall wird daher nur

28

904

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

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. Abb. 28.9. Die Mechanismen der Wasserresorption in den verschiedenen Tubulusabschnitten. AP = Aquaporin (Einzelheiten 7 Text)

weniger als 1% des filtrierten Wassers mit dem Urin ausgeschieden. Durch die transzelluläre Resorption von Natrium und anderen osmotisch wirksamen Molekülen (z.B. Monosaccharide, 7 u.) im proximalen Tubulus sinkt die Osmolarität der Tubulusflüssigkeit gegenüber dem Niereninterstitium ab. Zum Osmolaritätsausgleich strömt nun Wasser aus dem Tubuluslumen in das Interstitium. Dies geschieht zum einen transzellulär durch spezifische Wasserkanäle (Aquaporin 1) in der Membran der proximalen Tubuluszellen und zum anderen parazellulär durch die Interzellularverbindungen zwischen den Zellen Bei diesem starken parazellulären Wasserfluss werden gleichzeitig Ionen (z.B. Na+, K+, Ca2+, Mg2+ und Cl–) entsprechend ihrer Konzentration mitgerissen (solvent drag) und so resorbiert. Das Tubulusepithel des dünnen absteigenden Teils der Henle-Schleife enthält spezifische Wasserkanäle (Aquaporin 1) und ist daher gut wasserdurchlässig. Da das Interstitium des Nierenmarks und der Papille hyperton gegenüber dem Plasma ist (. Abb. 28.4), wird im Bereich der dünnen absteigenden Henle-Schleife Wasser aus der Tubulusflüssigkeit entzogen, wodurch der Harn konzentriert wird. Wie stark, hängt von der Länge der Schleife ab. Das Epithel des Konvoluts des distalen Tubulus in der Nierenrinde ist

ebenfalls gut wasserdurchlässig. Da durch die ElektrolytResorptionsaktivität der vorgeschalteten wasserimpermeablen dicken aufsteigenden Henle-Schleife die Tubulusflüssigkeit hypoton (100 mosmol/l) wurde, strömt im distalen Tubulus zum Osmolaritätsausgleich Wasser aus dem Tubulus in das Interstitium und wird so resorbiert. Die Einstellung der endgültigen Urinosmolarität erfolgt über die Hauptzellen des Verbindungstubulus und des Sammelrohrs. Die Sammelrohre tauchen auf ihrem Wege von der Rinde (in den Markstrahlen) an die Papillenspitze in Regionen zunehmender Osmolarität ein (. Abb. 28.4). Da der aus dem distalen Tubulus in das Sammelrohrsystem geleitete Harn plasma-isoton ist, entsteht mit zunehmender Passage durch das Sammelrohrsystem ein immer größerer osmotischer Gradient zwischen dem Niereninterstitium und der Tubulusflüssigkeit und damit ein zunehmender Sog auf das Wasser im Tubuluslumen. Die Interzellularkontakte im Sammelrohr sind wasserimpermeabel. Deshalb kann das Wasser nur transzellulär durch die Zellen aus dem Tubulus in das Interstitium diffundieren. Die Diffusion durch die luminale und basolaterale Membran erfolgt durch Aquaporine (7 Kap. 6.1). In der luminalen Membran der Hauptzellen findet man Aqua-

905 28.1 · Die Niere

porin 2, in der basolateralen Membran die Aquaporine 3 und 4 (. Abb. 28.10). Die Anzahl der luminalen Aquaporin-2-Kanäle limitiert die transzelluläre Wasserdiffusion. Der Einbau der Aquaporinkanäle in die luminale Membran wird vor allem durch das Antidiuretische Hormon (ADH oder Synonym: Vasopressin) reguliert (. Abb. 28.11). Dabei erhöht es in der apikalen Membran der Sammelrohrepithelien die Zahl der Wasserkanal (Aquaporin 2)-Moleküle, indem es eine Translokation von präformierten aber funktionslosen Wasserkanälen, die sich in intrazellulären Vesikeln befinden, in die apikale Plasmamembran induziert. Diese Wirkung wird durch den V2-Rezeptor vermittelt. Ähnlich wie der V1-Rezeptor gehört er zu den G-Protein gekoppelten Rezeptoren. Im Gegensatz zu diesem ist er jedoch an die Adenylatcyclase gekoppelt. Bei optimalem Wasserdurchfluss durch die Sammelrohrzellen kann der Harn fast die Osmolarität des Niereninterstitiums annehmen, welche an der Papillenspitze bis zu 1300 mosmol/l beträgt. Je geringer die Wasserdurchlässigkeit der Sammelrohrzellen ist, umso weniger Wasser wird reabsorbiert, umso weniger konzentriert ist der Endurin und umso größer ist das produzierte Urinvolumen (Diurese). Die osmotische Konzentration des Urins kann dabei auf 50 mosmol/l absinken. ADH kontrolliert so mit seiner Aktivität ca. 10% der glomerulär filtrierten Wassermenge. Bei maximaler ADH-Sekretion kann das Urinvolumen auf etwa 0,7 Liter pro Tag reduziert werden (maximale Antidiurese), während bei starker ADH-Suppression das Urinvolumen auf 20 Liter pro Tag ansteigen kann (maximale Diurese).

28.1.5

. Abb. 28.10. Modellvorstellung zur Struktur eines Aquaporins (AP-1). Die Aquaporine bestehen aus 6 Transmembrandomänen (1–6). Die Verbindungsschleifen zwischen den Domänen 2 und 3 sowie 5 und 6 tauchen teilweise in die Lipiddoppelschicht ein und bilden darin jeweils eine halbe Pore. Durch Zusammenlagerung der beiden Halbporen entsteht dann ein Wasserkanal aus hydrophilen Aminosäuren. (Modifiziert nach Agre et al. aus Seldin u. Giebisch 2000)

Reabsorption von Monosacchariden, Peptiden und Aminosäuren

! Filtrierte Monosaccharide werden in der Regel im proximalen Tubulus vollständig reabsorbiert.

Die für die Reabsorption von Monosacchariden benötigten Transportsysteme sind in der luminalen und basolateralen Membran lokalisiert. Glucose wird aus dem Primärharn über luminale Na+-gekoppelte Cotransporter SGLT1 und SGLT2 (sodium dependent glucose transporter) in die proximale Tubuluszelle transportiert (. Abb. 6.8). SGLT1 und SGLT2 unterscheiden sich nicht nur in ihrer Struktur, sondern auch hinsichtlich ihrer Lokalisation, ihrer Transportaffinität und Transportkapazität. Im Anfangsbereich des proximalen Tubulus dominiert dabei der SGLT2, der ein Glucosemolekül zusammen mit einem Na+-Ion transportiert. Mit diesem Transportsystem, welches eine hohe Kapazität aufweist, kann mit vergleichsweise niedrigem Energieaufwand (1 Na+) bereits der Großteil der Glucose resorbiert werden. Da die Glucosekonzentration in der Tubulusflüssigkeit durch die Resorption immer weiter absinkt, müssen die Cotransport-Triebkräfte stärker werden, um

. Abb. 28.11. Wirkungsmechanismus von Vasopressin (V) an den Sammelrohrepithelien der Nieren. Über V2-Rezeptoren (V2-R) kommt es zu einem Anstieg der zellulären cAMP-Konzentration. Diese löst über unbekannte Mechanismen eine Translokation von Wasserkanälen aus intrazellulären Vesikeln in die Plasmamembran aus. PKA = Proteinkinase A

28

906

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Glucose weiter zu resorbieren. Dies wird dann durch den SGLT1 bewerkstelligt, der ein Glucosemolekül zusammen mit zwei Na+-Ionen transportiert. Dieses Monosaccharidtransportsystem hat zwar eine hohe Affinität für Glucose, kommt jedoch in geringerer Menge vor und hat deswegen eine niedrigere Transportkapazität. SGLT1, der auch die Glucoseresorption im Darm vermittelt, wird vor allem im Endabschnitt des proximalen Tubulus exprimiert und sorgt dafür, dass im Normalfall die gesamte filtrierte Glucose aus dem Primärharn rückresorbiert wird. Die luminal aufgenommene Glucose verlässt die proximale Tubuluszelle basolateral wieder mittels des spezifischen (Natrium-unabhängigen) Uniporters GLUT2 (7 Kap. 11.4.1). Die tubuläre Resorption von Galactose erfolgt ebenfalls über den SGLT1. Fructose hingegen wird luminal über einen Na-unabhängigen Uniporter (GLUT5) in die proximale Tubuluszelle transportiert. ! Filtrierte Proteine, Peptide und Aminosäuren werden fast vollständig resorbiert.

28

Trotz der weitgehenden Impermeabilität des glomerulären Filters gelangen täglich einige Gramm Albumin und eine Reihe anderer Proteine in das Primärfiltrat. Albumin wird wie auch andere Proteine mittels des Megalinrezeptors (7 Kap. 23.2.2) über clathrinabhängige Endozytose in die proximale Tubuluszelle aufgenommen und darin lysosomal abgebaut. Größere Peptide werden über Endozytose (Pinozytose) in die proximale Tubuluszelle aufgenommen und darin in Lysosomen in einzelne Aminosäuren zerlegt. Oligo- und Polypeptide werden durch Peptidasen des Bürstensaums in Bruchstücke zerlegt und dabei entstehende Di- und TriPeptide über einen protonengekoppelten Transport direkt in die proximale Tubuluszelle aufgenommen. Freie Aminosäuren, welche entweder durch glomeruläre Filtration oder durch luminalen Proteinabbau in den proximalen Tubulus gelangen, werden dort vollständig reabsorbiert. Anionische (Glutamat, Aspartat) und neutrale Aminosäuren (Alanin, Glycin etc.) werden durch verschiedene luminale Natrium-gekoppelte Cotransportportsysteme aufgenommen, kationische (Arginin, Glutamin, Lysin, Ornithin) Aminosäuren und Zystin werden über Natrium-unabhängige Transportsysteme resorbiert. Durch diese sehr effektiven Rückresorptionsmechanismen wird die Proteinurie im Endurin unter 30 mg pro Tag gehalten.

28.1.6

Säure-Basen-Transport der Tubulusepithelien

! Organische Basen und Säuren können im proximalen Tubulus sowohl resorbiert wie auch sezerniert werden.

Organische Kationen. Für die Ausscheidung zahlreicher kationischer Medikamente, die wegen ihres hydrophoben

Charakters häufig an Plasmaproteine gebunden sind und deshalb glomerulär nicht filtriert werden können, stellt die tubuläre Sekretion den Haupteliminationsmechanismus dar. Ebenso werden endogene Kationen, wie z.B. Cholin, biogene Amine etc. im proximalen Tubulus in der Regel sezerniert. Dazu werden die organischen Kationen mittels des polyspezifischen Uniporters OCT2 (organic cation transporter) basolateral in die Zelle aufgenommen und luminal über einen polyspezifischen Kationen/ProtonenAntiporter abgegeben. Säureanionen. Anorganische (z.B. Phosphat etc.) aber auch kleine organische (z.B. Acetat etc.) Anionen werden normalerweise mittels Na+-gekoppelten CotransportSysteme (Na+-Mono(Di)carboxylat-Cotransporter, Na+Phosphat-Cotransporter etc.) über die luminale Membran aufgenommen und in den Zellen des proximalen Tubulus angereichert. Durch die basolaterale Membran werden diese Anionen mit Hilfe passiver Transportsysteme wieder ausgeschleust. Zahlreiche größere Anionen, dazu zählen oft auch Medikamente, werden über den proximalen Tubulus in den Harn sezerniert. In diesem Fall werden die Anionen basolateral mittels des polyspezifischen Anionenaustauscher OAT1 (organic anion transporter) in den proximalen Tubulus hineintransportiert und luminal über einen anderen Anionentransporter ausgeschleust. Spezifität der Transportsysteme. Die Transportsysteme,

welche die renale Sekretion von organischen Säuren und Basen vermitteln, sind polyspezifisch, das heißt, sie akzeptieren Substanzen unterschiedlicher Struktur als Substrat und unterscheiden nicht zwischen körpereigenen Substanzen oder Fremdstoffen. Da alle Transportsysteme ein begrenztes Transportmaximum haben, kann durch Fremdstoffe wie z.B. Medikamente die Sekretion von körpereigenen Abfallstoffen vermindert werden, was zur Akkumulation dieser Stoffe im Körper führen und entsprechende Krankheitserscheinungen auslösen kann. Eine besondere Rolle spielen diese Zusammenhänge bei der Entstehung und der Therapie der Gicht (7 Kap. 19.4.1).

28.1.7

Transport von Protonen und Hydrogencarbonat

! Protonensekretion und Hydrogencarbonatresorption sind miteinander gekoppelt und erfolgen im proximalen Tubulus und im Sammelrohr.

Im Stoffwechsel des Menschen entstehen täglich je nach Nahrungszusammensetzung 50–100 mmol nichtflüchtige Säuren, deren Protonen über die Niere ausgeschieden werden müssen. Dafür stehen drei Mechanismen zur Verfügung:

907 28.1 · Die Niere

a

b . Abb. 28.12. Schaltzellen Typ A und B. a Protonen-sezernierende/ Hydrogencarbonat-reabsorbierende Schaltzelle Typ A. b Hydrogencarbonat-sezernierende/Protonen-reabsorbierende Schaltzelle Typ B. Links: Funktionsschema. Rechts: Ultrastruktur. Es sei auf die Umord-

nung der Mitochondrien und der oberflächenvergrößernden Mikrovilli hingewiesen. (Modifiziert nach Kaissling und Kriz aus Seldin u. Giebisch 2000)

4 Na+/H+-Austausch im proximalen Tubulus. Bei der Sekretion der Protonen in den Urin wird in der proximalen Tubuluszelle CO2, das entweder aus dem Stoffwechsel der Zelle selbst stammt bzw. aus der Tubulusflüssigkeit oder dem Blut entnommen wird, unter Katalyse des Enzyms Carboanhydrase II in Hydrogencarbonat und Protonen umgewandelt. Während letztere im Austausch gegen Natrium in die Tubulusflüssigkeit diffundieren, tritt Hydrogencarbonat im Cotransport mit Natrium (Stöchiometrie 3:1) in den Extrazellulärraum (. Abb. 28.8). Die intrazelluläre Kohlensäureproduktion ist dabei direkt abhängig vom pCO2. Je höher der pCO2 in der Zelle, umso mehr Protonen werden sezerniert und Hydrogencarbonat-Ionen reabsorbiert. Sinkt der pCO2, dann sinken ebenfalls die Protonenausscheidung und die Hydrogencarbonatresorption 4 Protonen- und Hydrogencarbonatsekretion im Sammelrohr. Schaltzellen des Typs A im Sammelrohr sezernieren Protonen in den Urin (H+-ATPasen) und führen Hydrogencarbonat dem Extrazellulärraum zu (. Abb. 28.12a). Schaltzellen des Typs B sezernieren Hydrogencarbonat in den Urin und führen Protonen

dem Extrazellulärraum zu (. Abb. 28.12b). Zugrunde liegt wiederum eine intrazelluläre Bildung von Hydrogencarbonat und Protonen. Das Verhältnis von Typ-Azu Typ-B-Schaltzellen ist dabei variabel, da sie ineinander übergehen können. Je höher die Protonenkonzentration im Blut ist, umso höher ist die Zahl der protonensezernierenden Typ-A-Zellen und umgekehrt 4 Desaminierung von Glutamin im proximalen Tubulus. Glutamin wird in den perivenösen Zellen der Leber unter Energieaufwand durch die Glutaminsynthetase aus Glutamat unter Verbrauch von NH3 und H+ synthetisiert (7 Kap. 13.1.2). Glutamin wird von der Leber in die Zirkulation abgegeben, wo es mit 600–800 mmol/l die weitaus höchste Plasmakonzentration aller Aminosäuren erreicht. Es wird glomerulär filtriert und im proximalen Tubulus mit anderen Aminosäuren resorbiert. Zusammen mit der zusätzlichen Aufnahme aus dem Blut steht dem proximalen Tubulus damit Glutamin in beträchtlichem Umfang zur Desaminierung zu Glutamat zur Verfügung (. Abb. 28.13). Das entstehende NH4+ enthält damit ein Proton, welches dem Leberstoffwechsel entnommen wurde. Durch eine weitere

28

908

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Urin-pH von 5,5 werden etwa nur 5 mmol H+ pro Tag in freier Form ausgeschieden. Dass die täglich produzierte Menge Protonen dennoch ausgeschieden werden kann, ist auf die Anwesenheit von Puffern im Urin zurückzuführen, die die sezernierten Protonen wegfangen und damit die weitere Protonensekretion in Gang halten. Dihydrogenphosphat-Hydrogenphosphat-System. Dieses

. Abb. 28.13. Verknüpfung von Glutaminabbau und Protonenausscheidung. (Einzelheiten 7 Text)

28

Desaminierung von Glutamat zu D-Ketoglutarat entsteht dann ein weiteres NH4+. Sein Proton entstammt der Protonierung der D-Aminogruppe des Glutamats und ist damit auch dem Stoffwechsel entzogen worden. Die Bereitstellung von Glutamin seitens der Leber und die Desaminierung von Glutamin in der Niere sind pH-abhängig: Beide Prozesse werden bei einem Anstieg der Protonenkonzentration aktiviert und bei einem Abfall entsprechend blockiert. Bei schwerer Azidose kann die Niere pro Tag 300–400 mmol NH4+ produzieren; allerdings benötigt sie für die erforderliche Anpassung mehrere Tage. NH4+-Ionen werden von der dicken aufsteigenden Henle-Schleife auch anstelle von K+ mit dem Na+/K+/2Cl–-Cotransporter resorbiert und so im Nierenmark akkumuliert, von wo sie direkt in das Sammelrohr diffundieren und so zum Teil zumindest den Weg durch die Rinde abkürzen ! Die Ausscheidung von Protonen über den Urin erfordert effektive Puffer.

Die Nieren des Menschen können so täglich bis zu 1000 mmol (1 mol) Protonen ausscheiden bzw. 300– 400 mmol einsparen. Die Nierentubuli sind imstande, die Wasserstoffionenkonzentration im Urin bis auf das 1000– fache zu erhöhen, von 40 nmol/l (der Konzentration im Blut und Glomerulumfiltrat) auf 40000 nmol/l (der Konzentration im Urin bei einem pH von 4,4). Diese 0,04 mmol/ l sind jedoch nur ein sehr geringer Teil der täglichen Produktion. Sollte die tägliche Bildung von durchschnittlich 60 mmol Protonen in der Tagesmenge von 1,5 l Urin ausgeschieden werden (entsprechend 40 mmol/l Urin), dann müsste ein Urin mit einem pH-Wert von 1,4 gebildet werden. Tatsächlich wird aber ein Urin-pH-Wert von 4,5 (Regelbereich 4,5–8,2) nicht unterschritten, weil die Protonenpumpen im Sammelrohr nur maximal gegen eine H+-Konzentration von 30 mmol/l (pH 4.5) arbeiten können. Folglich können die anfallenden Protonen nur zum geringen Teil in freier Form, sondern hauptsächlich nur in gebundener (gepufferter) Form im Endharn ausgeschieden werden (7 Kap. 28.2.1). Bei einem durchschnittlichen

Puffersystem weist im Glomerulumfiltrat eine annähernd gleiche Konzentration wie im Plasma auf (1 mmol/l) und liegt beim pH-Wert des Glomerulumfiltrats (7,40) zu 80% als Hydrogen- und zu 20% als Dihydrogenphosphat (Verhältnis 4:1) vor. Aufgrund der günstigen Lage seines pKcWerts mit 6,80 (pH = pKc ± 1 bei nichtflüchtigen Puffersystemen!) eignet es sich vorzüglich zur Urinpufferung. Erst bei einem pH-Wert von 4,5 ist nahezu das gesamte Hydrogenphosphat durch Aufnahme von Protonen nach der Gleichung

in Dihydrogenphosphat umgewandelt. Auf diese Weise werden bis zu 50% der Protonen im Urin von diesem Puffersystem aufgenommen. Durch Titration des Urins mit Base (NaOH 0,1 mol/l) wird diese Pufferung – in vitro – rückgängig gemacht und damit die abgepufferten Protonen quantitativ erfasst. Dieser als titrierbare Acidität des Urins bezeichnete Anteil beträgt beim Gesunden zwischen 10 und 40 mmol/24 h. Die titrierbare Acidität des Urins steigt bei Säurebelastung spontan an. Ammonium-/Ammoniak-System. Eine weitere Pufferungs-

möglichkeit ist die Bildung von Ammoniak, die im Gegensatz zu der des Phosphatpuffersystems in den Tubuluszellen erfolgt. Da die Konzentration von Ammoniak im Extrazellulärraum und damit auch im Glomerulumfiltrat aufgrund der entgiftenden Aktivität der Hepatozyten sehr niedrig ist, muss das von den Tubuluszellen in den Urin freigesetzte Ammoniak aus anderen Quellen stammen. Wesentlicher Ammoniakdonator ist die Aminosäure Glutamin, die in verschiedenen Geweben (Muskulatur, Gehirn, Leber) aus Glutamat und freiem Ammoniak gebildet wird, in den Extrazellulärraum übertritt und von den Tubuluszellen aus dem arteriellen Blut entnommen wird. Das in den Zellen des distalen und proximalen Tubulus sowie der Sammelrohre durch enzymatische Hydrolyse aus Glutamin freigesetzte Ammoniak diffundiert in das Lumen und wirkt dort als Protonenakzeptor nach der Gleichung

Das entstandene Ammoniumion kann aufgrund seiner Ladung die Tubulusmembran nicht permeieren und verbleibt daher im Urin.

909 28.1 · Die Niere

Die NH4+-Ausscheidung beträgt beim Gesunden etwa 30–50 mmol/24 h. Während das Phosphatpuffersystem auf eine Säurebelastung sofort anspricht, steigt die Ammoniumausscheidung erst innerhalb mehrerer Tage allmählich an. Sie kann dafür jedoch erheblich stärker gesteigert werden als die titrierbare Acidität und Werte bis zu 500 mmol/24 h erreichen. Ammoniak eignet sich besonders als Puffer, da es als Endprodukt des Stickstoffstoffwechsels in nahezu unbegrenzter Menge zur Verfügung steht. Es wird zwar in Aminierungsreaktionen (Glutamatdehydrogenase- und Glutaminsynthetasereaktion) teilweise wieder fixiert (wie Kohlendioxid in Carboxylierungsreaktionen), in der tierischen Zelle gibt es jedoch keine Nettofixierung dieser Endprodukte. Bei Säurebelastungen – wie z.B. bei länger dauerndem Hunger, der mit einer Ketoazidose einhergeht – wird deshalb mehr Stickstoff in Form von Ammoniak als in Form von Harnstoff ausgeschieden. Der pK-Wert des Ammonium-/Ammoniak-Puffersystems liegt mit 9,40 relativ ungünstig zum pH-Wert des Glomerulumfiltrats. Somit müsste dieser Puffer in einem geschlossenen System schlecht wirken. Da jedoch durch die Tubuluszellen ständig Ammoniak nachgeliefert wird, liegt der Puffer praktisch in einem offenen System vor. Dem Urin können hohe Säuremengen zugeführt werden, ohne dass sich der pH-Wert wesentlich ändert, weil in wässriger Lösung das Verhältnis von Ammonium-Ionen (NH4+) zu Ammoniak-Gas (NH3) sehr hoch ist (100:1 bei pH 7,40).

28.1.8

Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen

Die Eliminierung im Stoffwechsel entstehender toxischer Substanzen ist eine wichtige Funktion der Niere. Die dabei beteiligten Mechanismen sind in . Tabelle 28.3 zusammengestellt. ! Bei Niereninsuffizienz steht eine verminderte Ausscheidungsfunktion im Vordergrund.

Ist die Ausscheidungsfunktion beider Nieren aufgrund einer Erkrankung oder Schädigung chronisch eingeschränkt, so kommt es zunächst zu einem Anstieg der harnpflichtigen Substanzen ohne allgemeine Vergiftungs-

erscheinungen und später zur vollen Ausbildung des klinischen Bilds, zur Urämie. Neben der Erhöhung der harnpflichtigen Substanzen lassen sich regelmäßig Fehlregulationen des Wasser- (Wasserretention, Anstieg der Plasmaosmolarität durch Harnstoff), Elektrolyt- (ungenügende Kaliumausscheidung) und des Säure-Basen-Haushalts (verminderte Protonenausscheidung) beobachten. Diese Veränderungen, sowie das Auftreten von Urämietoxinen wie Guanidinen, Phenolen und Aminen, führen zu gravierenden Störungen des Zellstoffwechsels (z.B. Hemmung der mitochondrialen ATPBildung). Die Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz besteht in der Entfernung der Urämietoxine und harnpflichtigen Stoffe sowie der Korrektur der Elektrolytentgleisungen durch Dialyseverfahren wie Hämo- oder Peritonealdialyse. Durch die Entwicklung immer spezifischerer und nebenwirkungsärmerer Immunsuppresiva ist die Nierentransplantation zur Erfolg versprechendsten Therapieform der Niereninsuffizienz geworden.

28.1.9

Energiegewinnung in der Niere

! Die Natriumresorption determiniert wesentlich den Energieverbrauch der Niere.

Die Zellen des proximalen Tubulus, der dicken aufsteigenden Henle-Schleife und des Konvoluts des distalen Tubulus besitzen eine hohe Dichte an Mitochondrien, welche palisadenartig an der basalen Zellmembran angeordnet sind. Dieser Mitochondrienreichtum ist ein Hinweis auf den hohen Bedarf an oxidativ erzeugter Energie in Form von ATP. 80% des Energieumsatzes wird zum Betrieb der Na+/K+-ATPase verwendet, welche in der basalen Membran sitzt und den für den Natriumtransport wichtigen transzellulären Natriumgradienten erzeugt und aufrecht erhält. Entsprechend korreliert der Energieverbrauch der Niere mit der tubulären Na+-Resorption (. Abb. 28.14), da alle luminalen Na+-Aufnahmesysteme von diesem Gradienten abhängig sind. Weil die tubuläre Na+-Resorption von der filtrierten Na+-Menge abhängt, wird der Energieverbrauch der Niere von der glomerulären Filtrationsrate (GFR) bestimmt.

. Tabelle 28.3. Die Mechanismen der Eliminierung der im Stoffwechsel entstehenden toxischen Substanzen Verbindung

Entstehung

Mechanismus der Ausscheidung

Ausscheidung/24 h

Ammoniak

Aminosäurestoffwechsel

Tubuläre Desaminierung von Glutamin; Ausscheidung als Ammoniumionen

20–50 mmol

Harnstoff

Harnstoffzyklus

Glomeruläre Filtration, tubuläre Reabsorption

300–600 mmol

Harnsäure

Purinabbau

Glomeruläre Filtration, tubuläre Sekretion u. Reabsorption

2–12 mmol

Oxalat

Abbau von Glycin

Glomeruläre Filtration, tubuläre Sekretion u. Reabsorption

0,11–0,61 mmol

Kreatinin

aus Kreatinin

Glomeruläre Filtration

8–17 mmol

28

910

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

im proximalen Tubulus hat allerdings nachteilig zur Folge, dass diese Zellen unbedingt auf Sauerstoff zur Energiegewinnung angewiesen sind. Sie reagieren deshalb sehr empfindlich auf eine unzureichende Sauerstoffversorgung. In den nachgeschalteten Tubulusabschnitten wird dann Glucose verstoffwechselt und dabei nimmt die Aktivität des Glycolysestoffwechselwegs zum distalen Nephron hin zu. Der proximale Tubulus ist hingegen zur Gluconeogenese fähig. Hierfür nutzt er die Aminosäure Glutamin, aus welcher 2-mal NH3 abgespalten (Glutaminase und Glutamatdehydrogenase) wird und D-Ketoglutarat entsteht, welches als Ausgangssubstrat für die Gluconeogenese dient.

28.1.10 Die Niere als endokrines Organ

28

. Abb. 28.14. Sauerstoffverbrauch der Niere in Abhängigkeit von der Natriumresorption

! Die Sauerstoffversorgung der Niere ist inhomogen.

Die Niere erzeugt ATP hauptsächlich durch oxidative Phosphorylierung. Bei normaler GFR liegt der O2-Verbrauch bei 0,06 ml u min–1 u g–1. Da die Durchblutung mit 4 ml u min–1 u g–1 recht hoch ist, braucht die Niere damit nur ca 7% (0,015 ml O2/ml Blut) des antransportierten Sauerstoffes zu extrahieren, wodurch der Sauerstoffdruck im Nierenvenenblut mit etwa 60 mmHg noch sehr hoch bleibt. Diese Luxusdurchblutung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sauerstoffversorgung innerhalb der Niere recht inhomogen ist und die O2-Drucke im schlecht durchbluteten inneren Nierenmark bis auf 10 mmHg absinken (. Abb. 28.5). Entsprechend ist der spezifische O2Verbrauch in der Papille (0,004 ml u min–1 u g–1) um den Faktor 20 niedriger als in der Rinde (0,09 mlumin–1 u g–1). ! Fettsäuren und Ketonkörper sind die Hauptsubstrate für die renale Energiegewinnung.

Die quantitativ bedeutsamsten Substrate für die oxidative Phosphorylierung in der Niere sind Acetoacetat, β-Hydroxybutyrat und Fettsäuren. Glucose spielt hierbei eine geringere Rolle, da der für die Glucosenutzung notwendige Glycolysestoffwechselweg im proximalen Tubulus fehlt, der hinsichtlich seiner Zellmasse und seines Energieumsatzes in der Niere dominiert. Dadurch fehlt dem proximalen Tubulus allerdings auch das Pyruvat, welches normalerweise nach Decarboxylierung als Acetyl-CoA in den Citratzyklus zur oxidativen Energiegewinnung eingespeist wird, weshalb Acetyl-CoA aus der E-Oxidation der Fettsäuren oder dem Abbau von Ketonkörpern gebildet wird. Das Fehlen des glycolytischen Stoffwechselwegs, und damit der Möglichkeit der anaeroben Energiegewinnung

Renin-Angiotensin-System (RAS). Renin ist eine Aspartylprotease mit einer Molekülmasse von ca 40 kDa. Es wird als enzymatisch inaktive Vorstufe (Prorenin) von den Epitheloidzellen des juxtaglomerulären Apparats synthetisiert und darin in Speichergranula verpackt. In diesen Vesikeln wird es durch Proteolyse zu Renin aktiviert, welches durch regulierte Exozytose aus den Zellen ausgeschleust wird. Das Prorenin umgeht die teilweise Einschleusung in die sekretorischen Vesikel und wird konstitutiv sezerniert, weshalb im Plasma des Menschen im Gegensatz zu anderen Säugern sogar mehr Prorenin als Renin vorkommt. Für Renin kennt man nur ein Substrat, nämlich das Glycoprotein Angiotensinogen (Molekülmasse ca. 60 kDa), das hauptsächlich in der Leber, daneben aber auch vom Fettgewebe gebildet wird. Renin spaltet im Plasma vom Angiotensinogenmolekül ein N-terminales Dekapeptid ab, das Angiotensin I, welches durch das angiotensin-I-converting-enzyme (ACE) um zwei Aminosäuren zum Oktapeptid Angiotensin II (AngII) verkürzt wird. Wegen ihrer hohen Aktivität an converting enzyme spielen die Lunge und die Niere eine besonders wichtige Rolle (. Abb. 28.15). Das menschliche ACE ist über eine C-terminale, hydrophobe, D-helicale Region in der Plasmamembran vieler Zellen, vor allen Dingen von Endothelzellen und glatten Muskelzellen verankert. In geringer Aktivität lässt sich ACE auch im Plasma nachweisen. Es wird von einem Gen von 21 kb Größe codiert, welches aus der Duplikation eines Vorläufergens entstanden sein muss, da es 2 alternative Promotoren enthält: 4 Die unter Benutzung des 5c-gelegenen Promotors abgelesene mRNA codiert für das somatische ACE, welches ein Molekulargewicht von 170 kDa hat und zwei funktionelle Domänen mit je einem aktiven Zentrum enthält. Die Aminosäuresequenz am aktiven Zentrum entspricht derjenigen einer Zinkprotease 4 Außer diesem somatischen ACE gibt es noch ein Keimzell-ACE, welches in reifen Spermatiden exprimiert wird, und welches für die männliche Fertilität wichtig ist. Es entsteht dadurch, dass der zweite Promotor des

911 28.1 · Die Niere

dafür, dass AT2-Rezeptor-vermittelte Wirkungen die Blutdruckwirkungen des AT1-Rezeptors abschwächen. ! Die Aktivität des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) wird durch Rückkopplung reguliert.

. Abb. 28.15. Biosynthese und Abbau von Angiotensin II. Die Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II erfolgt vor allen an den Gefäßendothelien durch das angiotensin converting enzyme (ACE)

ACE-Gens benutzt wird und führt zu einer ACE-Form, die nur über ein aktives Zentrum verfügt AngII als das eigentliche Hormon des Systems, entfaltet verschiedene biologische Wirkungen, die in der Kontrolle des Extrazellulärvolumens und des Blutdrucks zusammenmünden. AngII löst in glatten Gefäßmuskelzellen eine Kontraktion aus, was in verschiedenen Gefäßgebieten zu einer Vasokonstriktion und damit zu einer Erhöhung des Kreislaufwiderstands führt. Diese rasch einsetzende Erhöhung des Kreislaufwiderstands führt so zu einem unmittelbaren Anstieg des Blutdrucks. Durch verschiedene Mechanismen bewirkt AngII weiterhin eine Zunahme des Natriumbestands und damit auch des Extrazellulärvolumens (7 Kap. 28.2.3). ! An der Signaltransduktion von Angiotensin II sind AT1und AT2-Rezeptoren beteiligt.

Alle Angiotensin II-Wirkungen werden über Angiotensin II-AT1-Oberflächenrezeptoren vermittelt. Sie gehören zur Familie der G-Protein gekoppelten Rezeptoren (7 Kap. 25.6). Ihre Effekte beruhen auf einer Aktivierung des Phosphatidylinositolkaskade und damit auf einer Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentration und Stimulation der Proteinkinase C (7 Kap. 25.4.5). AT1-Rezeptoren können außerdem die Adenylatcylase sowie bestimmte K+-Kanäle hemmen und damit Zellen depolarisieren. In zahlreichen (vor allem fetalen) Geweben finden sich als weitere Isoform der Angiotensin-Rezeptoren die AT2-Rezeptoren. AT1- und AT2-Rezeptoren sind in der Aminosäuresequenz zu 34% identisch. Die physiologische Bedeutung und der Signaltransduktionsmechanismus des AT2-Rezeptors sind noch nicht eindeutig geklärt. Beim Erwachsenen wird der AT2-Rezeptor im Areal von Hautverletzungen besonders stark exprimiert. Man nimmt daher an, dass er eine Rolle bei der Wundheilung spielt. Beobachtungen an AT2-Knockout-Mäusen sprechen weiterhin

Die wesentliche physiologische Funktion des RAS von Erwachsenen besteht in der Erhöhung oder Normalisierung eines erniedrigten Extrazellulärvolumens oder Blutdrucks. Dabei kommt dem Renin eine Schlüsselfunktion zu: 4 Seine Freisetzung wird durch einen Blutdruckabfall in den afferenten Arteriolen der Niere und durch eine Reduktion des Extrazellulärvolumens (z.B. bei Natriummangel) stimuliert (. Abb. 28.16a) 4 Weiterhin stimulieren Adrenalin und Noradrenalin (E1-Rezeptoren) und Dopamin (D1-Rezeptoren) die Reninfreisetzung über die Aktivierung des cAMPSignalwegs (. Abb. 28.16b). Entsprechend führt auch eine Aktivitätssteigerung der sympathischen Nierennervenfasern zu einer Stimulation der Reninsekretion, was erklärt, warum Stresssituationen mit einer verstärkten Reninsekretion einhergehen 4 Die blutdruck- und volumensteigernde Wirkung des RAS wird dadurch begrenzt, dass ein erhöhter Blutdruck bzw. Salzüberschuss die Reninfreisetzung wieder hemmt 4 Auch AngII selbst hemmt im Sinne einer direkten negativen Rückkopplung über AT1-Rezeptoren die Reninfreisetzung (. Abb. 28.16a), was sich auch daran erkennen lässt, dass die Behandlung mit AT1-Rezeptorblockern oder ACE-Inhibitoren zu einer deutlichen Steigerung der Reninsekretion führt Auf zellulärer Ebene wird die Reningenexpression durch cAMP und durch Calcium (Phosphatidylinositolweg) gegenläufig reguliert (. Abb. 28.16b). ! Pathobiochemisch ist nur die Hypersekretion von Renin relevant.

Ein durch eine primäre Renin-Überproduktion und -Übersekretion hervorgerufenes Krankheitsbild entwickelt sich bei einseitiger Stenose der Nierenarterien. Die dabei herabgesetzte renale Durchblutung löst in der befallenen Niere eine massiv gesteigerte Reninproduktion und -freisetzung aus, die zu einer Steigerung der Angiotensin-II-Konzentration im Blut und aufgrund der vasopressorischen Wirkung dieses Hormons zur massiven Hypertonie führt. Bei Patienten mit essentieller Hypertonie (ca. 95% aller Hypertonie-Formen!) sind zwar erhöhte Reninkonzentrationen im Plasma eher selten, trotzdem führt eine Behandlung mit ACE-Hemmstoffen meist zu einer sehr deutlichen Absenkung des Blutdrucks, woraus man auf die Existenz lokaler Renin-Angiotensin-Systeme (z.B. in der Gefäßwand, Herz etc.) schließt. Erythropoietin. Das Cytokinhormon Erythropoietin (EPO) ist der zentrale hormonelle Regulator der Erythropoiese. Daneben mehren sich die Befunde, dass EPO zusätzlich in

28

912

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

28 . Abb. 28.17. Abhängigkeit der Plasmakonzentration von Erythropoietin von der Hämoglobinkonzentration des Bluts bei Nierengesunden und Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz

. Abb. 28.16. Regulation von Reninsynthese und Reninsekretion in renalen juxtaglomerulären Epitheloidzellen. a Regulation der Reninsekretion durch negative Rückkopplung. b Antagonistische Regulation der Reningenexpression und Reninsekretion durch Adrenalin (über -Adrenorezeptoren) und Angiotensin II (über AngII-AT-1Rezeptoren). Aktivierung der Adenylatcyclase (AC) und der damit verbundene Anstieg von cAMP stimuliert die Reningentranskription und die Reninsekretion, während eine Aktivierung der Phospholipase C (PLC) und die damit verbundene Stimulierung der Proteinkinase C (PKC) und den Anstieg der cytosolischen Calciumkonzentration Reningentranskription und Reninsekretion hemmt

ischämischen Geweben (Gehirn, Herz) protektiv wirkt. Im Rahmen der Erythropoiese wirkt es als Mitogen, als Differenzierungsfaktor und als Überlebensfaktor für erythroid determinierte Vorläuferzellen im Knochenmark (7 Kap. 29.1). EPO ist ein Glycoprotein mit einer Molekülmasse von 30 kDa, wovon 16 kDa auf den Proteinanteil und 14 kDa auf den Kohlenhydratanteil entfallen. Der Kohlenhydratanteil (v.a. die terminalen Sialinsäuren) wird für die Interaktion von EPO mit seinem zur Familie der Cytokinrezeptoren zählenden Rezeptor auf der Zelloberfläche der erythroiden

Zielzellen nicht benötigt. Er ist aber sehr wichtig für die biologische Halbwertszeit und damit für die Verfügbarkeit von EPO. EPO wird in der Niere, Leber und im Gehirn gebildet. Während es vom Föten hauptsächlich noch in der Leber produziert wird, bilden ab dem Kindesalter die Nieren ca. 90% des gesamten EPO im Körper. In der Niere wird EPO von speziellen Fibroblasten zwischen den proximalen Tubuli in der Nierenrinde gebildet. Für die EPO-Bildung ist der O2- Gehalt des Bluts entscheidend. Eine verminderte O2-Zufuhr zur Nierenrinde stimuliert die EPO-Bildung, eine erhöhte O2-Zufuhr unterdrückt sie. Entsprechend führen arterielle Hypoxie und Anämie abhängig vom Schweregrad zu Steigerungen der EPO-Produktion und EPO-Plasmaspiegeln, wobei bis zu 10000-fache Erhöhungen gegenüber dem Normwert gemessen werden können. Ein O2-Überangebot an die Niere, z.B. bei Polyzythämie, führt zu einer Hemmung der EPO-Produktion. Zwischen der Hämoglobinkonzentration und der Plasma-EPO-Konzentration ergibt sich so ein inverser Zusammenhang (. Abb. 28.17). Die EPO-Bildung in den peritubulären Fibroblasten wird direkt vom Gewebesauerstoffdruck reguliert, welcher vom Verhältnis des O2Antransportes zu O2-Verbrauch bestimmt wird. Die EPO-Bildung ist dabei die Folge einer verstärkten Transkription des EPO-Genes. Diese wird durch den Transkriptionsfaktor HIF (hypoxia-inducible factor) ausgelöst, der als Heterodimer aus einer D- und einer E-Untereinheit besteht. Beide Untereinheiten werden ständig mit konstanter Rate synthetisiert, die Stabilität des HIF-D-Proteins

913 28.1 · Die Niere

ist jedoch abhängig vom O2-Druck. Bei höheren O2Drucken wird HIF-D durch eine O2-abhängige Prolinhydroxylase hydroxyliert. Dies ist ein Signal zur verstärkten Ubiquitinylierung mit anschließendem Abbau im Proteasom (7 Kap. 9.3). Mit verminderter Verfügbarkeit von O2 (sinkender pO2) nimmt daher die Ubiquitinylierung von HIF-D ab, weshalb es weniger rasch abgebaut wird. Damit steigt seine Konzentration in der Zelle, es wird mehr aktiver HIF gebildet und die Transkriptionsrate des EPO-Genes wird gesteigert (. Abb. 28.18). Zusätzlich hemmt eine O2-abhängige Asparaginhydroxylierung noch das Transaktivierungspotential von HIF-D. Dieser Mechanismus der O2-abhängigen Modulierung von HIF ist in vielen Körperzellen zu finden und dient den Zellen zum Schutz vor Sauerstoffmangelzuständen. HIF aktiviert nämlich nicht nur die Bildung von EPO, sondern auch die Bildung von z.B. Glucosetransportern, glycolytischen Enzymen und Gefäßwachstumsfaktoren (VEGF). Bei degenerativen Nierenerkrankungen ist die Regulation der EPO-Bildung deutlich gestört. Augenfällig wird dieser Defekt bei Betrachtung der Beziehung zwischen der Hämoglobinkonzentration und der Plasma-EPO-Konzentrationen. Die für den Nierengesunden charakteristische inverse Beziehung zwischen der Hämoglobinkonzentration und der EPO-Konzentration ist beim chronisch Nierenkranken dahingehend verändert, dass die kranken Nieren bei Anämie nicht vermehrt EPO bilden (. Abb. 28.17), weshalb eine kompensatorische Stimulation der Erythopoiese aus-

. Abb. 28.18. Transkriptionsregulation des Erythropoietingens durch den Hypoxie-induzierbaren Faktor (HIF). (Einzelheiten 7 Text)

bleibt. In der Folge bildet sich eine immer ausgeprägtere Anämie aus, welche charakteristisch für chronische Nierenerkrankungen ist, und als renale Anämie bezeichnet wird. Menschliches EPO wird mittlerweile gentechnisch hergestellt und steht so zur effektiven Therapie der renalen Anämie zur Verfügung.

In Kürze Die Niere besitzt ein streng organisiertes Blutgefäßsystem, das die Glomeruli speist. An diesen entspringt ein speziell aufgebautes Tubulussystem, das den filtrierten Primärharn zum Endharn aufbereitet und über das Sammelrohrsystem dem Nierenbecken zuleitet. In den Glomeruli wird der Primärharn als Ultrafiltrat des Blutplasmas gewonnen. Die Filtrationsrate des Primärharns hängt vom effektiven Filtrationsdruck und der filtrierenden Kapillaroberfläche ab. Die Zusammensetzung des Primärharns wird von der Filtereigenschaft des Glomerulus nach Molekülradius und Molekülladung bestimmt. Im proximalen Tubulus werden: 4 über 60% des filtrierten Wassers, Kochsalzes und Kaliums resorbiert, 4 filtrierte Glucose und Aminosäuren vollständig und Hydrogencarbonat zu über 90% resorbiert sowie 4 Ammoniak und Protonen in Form von Ammoniumionen ausgeschieden. Der proximale Tubulus hat die Fähigkeit: 4 zur Gluconeogenese, nutzt selbst aber keine Glucose sondern Fettsäuren zur oxidativen Energiegewinnung und

4 zur Resorption oder Sekretion anorganischer und organischer Säuren und Basen. Der interstitielle Osmolaritätsgradient zwischen Mark und Rinde ist die Voraussetzung für die Harnkonzentrierung im dünnen absteigenden Teil der Henle-Schleife und im Sammelrohr. Der distale Tubulus resorbiert aktiv über 30% des filtrierten NaCl, sowie Ammonium, Calcium, Magnesium und Wasser. Im konvergierenden Sammelrohrsystem wird die Endzusammensetzung des Harns festgelegt. Die tubuläre Natriumresorption bestimmt hauptsächlich den Energieverbrauch der Niere. Die Energiegewinnung erfolgt in der Rinde primär aerob, im Mark zunehmend auch anaerob, weil die Sauerstoffversorgung des Nierenmarks wesentlich schlechter als die der Rinde ist. Die Niere ist ein endokrines Organ: 4 Mit der Bildung und Freisetzung von Renin, kontrolliert die Niere die Aktivität des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, das wesentlich zur Regulation des Blutdrucks und des Extrazellulärvolumens beiträgt. 4 Mit der Bildung von Erythropoietin steuert die Niere essentiell die Neubildungsrate von Erythrozyten.

28

914

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

28.2

Der Endharn (Urin)

28.2.1

Eigenschaften des Urins

! Der gesunde Mensch bildet in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht täglich zwischen 500 und 2000 ml Urin.

Das Urinvolumen wird durch die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme sowie durch extrarenale Flüssigkeitsabgabe mit Schweiß (Klima!), Atmung und Stuhl (Durchfälle) beeinflusst. Man spricht von einer: 4 Oligurie bei einem Harnvolumen von weniger als 400 ml/24 h (16 ml/h) 4 Anurie bei einem Harnvolumen von weniger als 100 ml/24 h (4 ml/h) und 4 Polyurie bei einem Harnvolumen von mehr als 2,5 l/24 h

28

Stickstoffreiche Kost erhöht die Urinausscheidung, da beim Abbau der Aminosäuren Harnstoff gebildet wird, dessen Ausscheidung über die Nieren Lösungsvolumen erfordert, wohingegen das beim Fettsäuren- und Kohlenhydratabbau freigesetzte Kohlendioxid mit der Atemluft abgeatmet werden kann. Das spezifische Gewicht in g/l hängt von Konzentration und Art aller gelösten Stoffe ab. Es liegt bei ausgeglichener Flüssigkeitsbilanz zwischen 1015 und 1022 (H2O = 1000), sinkt bei extremer Harnverdünnung auf 1001 (50 mosm/l H2O) und steigt bei extremer Konzentrierung bis auf etwa 1040 (1300 mosm/l H2O). ! Normaler Urin ist stroh- bis bernsteingelb.

Die wichtigsten Urinfarbstoffe sind die beiden Urochrome A und B, die sich spektralphotometrisch trennen lassen und 25 bzw. 70% des Harnfarbwerts ausmachen. Von untergeordneter Bedeutung ist der Gehalt an Uroerythrin (etwa 4%). Urochrom und Uroerythrin entstammen dem Hämabbau. Die Farbe wird durch die Konzentration an gelösten Stoffen, durch pathologische Bestandteile, Arznei- und Nahrungsmittel beeinflusst. Die 3 klinisch wichtigsten Ursachen eines roten Urins sind Hämaturie, Hämoglobinurie und Porphyrinurie. Bilirubin färbt den Urin dunkelbraun. Medikamentös und alimentär bedingte Urinverfärbungen sind ziemlich häufig. Zahlreiche Pharmaka und einige Nahrungsmittel bzw. deren Metaboliten können einen roten Urin verursachen. Grün gelbliche Fluoreszenz des Urins wird sehr häufig nach Einnahme von Multivitaminpräparaten, die Riboflavin enthalten, beobachtet. ! Frisch gelassener Urin riecht aromatisch.

Der Harngeruch kann nach dem Genuss mancher Speisen, Gewürze und Arzneimittel verändert werden (z.B. durch Knoblauch und Spargel). Der normale Harngeruch wird

durch bakterielle Zersetzung von Harnstoff in Ammoniak (Ureasereaktion) stechend. Ein Obstgeruch weist auf die Ausscheidung von Aceton hin (Diabetes mellitus). Urin schmeckt bitter und salzig. ! Der Urin ist bei normaler Kost sauer.

Mit der pH-Messung (Normalbereich pH 5,6–7,0) werden nur die freien Protonen bestimmt, die weniger als 1% der von den Nieren täglich zu eliminierenden Wasserstoffionen ausmachen und somit keinen quantitativen Aufschluss über die Nierenleistung vermitteln. Daher müssen die »titrierbare Säure« sowie die Ammoniumionenkonzentration bestimmt werden. Bei der titrierbaren Säure handelt es sich um diejenige Menge von Basenäquivalenten, die benötigt werden, um den Urin auf einen pH-Wert von 7,4 zu bringen. Diese Menge entspricht damit praktisch den phosphatgebundenen Protonen im Urin (ca 30 mmol/l). Die im NH4+ gebundenen Protonen werden – wegen des hohen pK-Werts dieser Verbindung von 9 – damit nicht erfasst (sog. nicht titrierbare Säure). Nach längerem Stehen wird Urin durch die Aktivität harnstoffspaltender Bakterien (7 o.) alkalischer.

28.2.2

Chemische Zusammensetzung des Urins

Die chemische Zusammensetzung des Urins wird durch Menge und Zusammensetzung der Nahrung (pflanzliche und/oder tierische Kost) sowie Alter und Geschlecht bestimmt (. Tabelle 28.4). Da die Konzentration der gelösten Stoffe im Laufe eines Tages erhebliche Schwankungen zeigen kann (z.B. die Phosphatausscheidung), sind für quantitative chemische Analysen Durchschnittsproben des 24-hUrins erforderlich. Der täglich von den Nieren ausgeschiedene Urin enthält durchschnittlich etwa 60 g (50–72 g) Trockensubstanz. Die im Urin vorkommenden Substanzen werden eingeteilt in solche, die physiologischerweise ausgeschieden werden (normale Harnbestandteile), und solche, die nur infolge von Krankheiten nachgewiesen werden können (pathologische Harnbestandteile). ! Die meisten ausgeschiedenen organischen Stoffe enthalten Stickstoff.

Außer den in . Tabelle 28.4 genannten harnpflichtigen Substanzen enthält Urin: 4 Nitrat: Diese Substanz ist im Urin stets in geringen Mengen vorhanden und stammt aus dem Abbau von NO. Da bestimmte Bakterien Nitrat in Nitrit umwandeln, dient der Nitritnachweis im Urin (mit Teststreifen) als Hinweis für eine bakterielle Besiedelung der Harnwege 4 Freie Aminosäuren: Der normale Urin kann 1–3 g Aminosäuren/Tag enthalten. Bei Lebererkrankungen steigt die Ausscheidung sehr stark an (Entfall der Puf-

915 28.2 · Der Endharn (Urin)

. Tabelle 28.4. Organische Bestandteile des Urins Tägliche Ausscheidung Harnstoff (abhängig von der Aminosäurezufuhr)

0,33–0,58 mol

Harnsäure (abhängig von der Nahrungszufuhr)

2–11 mmol

Kreatinin Frauen: 88–222 μmol/kg Körpergewicht Männer: 160-280 μmol/kg Körpergewicht

8–17 mmol

Kreatin

54–135 μmol

Aminosäuren

1–3 g

Glucose

bis 1,1 mmol

Ketonkörper

30–150 mmol

δ-Aminolävulinat

unter 45 μmol

Porphobilinogen

unter 10 μmol

Koproporphyrine

unter 280 μg

Uroporphyrine

unter 20 μg

Proteine

3–40 mg

D-Amylase

100–2000 U/l

ferfunktion der Leber!) und kann zum Auskristallisieren von Leucin und Tyrosin führen 4 Aminosäurederivate (Hydroxyprolin, Methylhistidin und Pyridinolin-Derivate): Hydroxyprolin ist fast ausschließlich im Kollagen vorhanden. Da das beim Kollagenabbau freigesetzte Hydroxyprolin nicht für die Biosynthese dieses Bindegewebeproteins reutilisiert werden kann, sondern entweder zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert (85–90%) oder in den Urin ausgeschieden wird (10–15%), dient es als Indikator für einen veränderten Bindegewebestoffwechsel. Die Hydroxyprolinbestimmung wird zunehmend durch die Bestimmung der Pyridinolin-Abbauprodukte ersetzt (7 Kap. 24.2). 3-Methylhistidin, ein Bestandteil von Aktin und Myosin, gibt Informationen über den Muskelproteinumsatz (7 Kap. 30.2.2). Weitere stickstoffhaltige Substanzen sind Hippursäure (0,1–1,0g/24 h), N-haltige Phenole und Indican (4–20 mg/24 h). 4 Proteine: Je nach angewandter Untersuchungsmethode können 3–40 mg Protein im 24-h-Urin nachgewiesen werden. Sie bestehen zu 2/3 aus Plasmaproteinen (Albumin 60%, Immunglobuline und andere Globuline jeweils 20%) und zu 1/3 aus Gewebsproteinen. Glycoproteine (Mucine) stammen aus der Schleimhaut der Blase und kommen ebenfalls im normalen Urin vor 4 Schwefelhaltige Substanzen: Der mit dem Urin ausgeschiedene Schwefel besteht im Wesentlichen aus anorganischem Sulfat. Da dieses beim Abbau der Aminosäuren Methionin und Cystein entsteht, wird seine täglich ausgeschiedene Menge (von 3–60 mmol/d durch die zugeführte Proteinmenge bestimmt. Etwa 10% des

ausgeschiedenen Sulfats liegen als konjugiertes Sulfat (z.B. Phenole und Steroide) vor und werden deshalb als Ätherschwefelfraktion bezeichnet. Die übrigen schwefelhaltigen Verbindungen wie Cystein, Taurin und Thiocyanat werden unter dem Begriff Neutralschwefel zusammengefasst 4 Hormone und Vitamine: Im Urin vorkommende diagnostisch wichtige Hormone sind Adrenalin, Noradrenalin, Steroide, Gonadotropine, Serotonin bzw. deren Abbauprodukte (Vanillinmandelsäure, 17-Hydroxyund 17-Ketosteroide, 5-Hydroxyindolessigsäure). Von den Vitaminen sind – in Abhängigkeit von der zugeführten Menge – hauptsächlich die wasserlöslichen B-Vitamine und Vitamin C vertreten 4 Phosphat: Die Ausscheidung von Phosphat ist nahrungsabhängig und tageszeitlichen Schwankungen unterworfen. Im Glomerulumfiltrat liegt Phosphat – wie im Blutplasma – bei einem pH-Wert von 7,4 zu 80% als Hydrogenphosphat und zu 20% als Dihydrogenphosphat vor. Verschiedene Krankheitszustände gehen mit einer Erhöhung (Hyperparathyreoidismus, 7 Kap. 28.6.4) bzw. Erniedrigung (Hypoparathyreoidismus, 7 Kap. 28.6.4) der Phosphatausscheidung einher

28.2.3

Pathobiochemie des Urins

Pathologische Urinbestandteile sind nach Schädigungen der Nieren (Permeabilitätsänderung der glomerulären Kapillarmembran bzw. Einschränkung der Tubulusfunktion) oder bei pathologischer Erhöhung der Plasmakonzentration eines Stoffes (Überlaufmechanismus) nachweisbar. ! Eine pathologische Proteinausscheidung tritt bei entzündlichen und degenerativen Nierenerkrankungen auf.

Bei Nierenerkrankungen, welche auch die glomeruläre Filterfunktion miterfassen, wird mehr Protein filtriert als in der proximalen Tubuluszelle maximal reabsorbiert werden kann. Entsprechend wird vermehrt Eiweiß im Endurin ausgeschieden. Unter Proteinurie versteht man entweder eine Gesamtausscheidung von mehr als 150 mg Protein in 24 Stunden oder eine Abweichung vom Verteilungsmuster der physiologisch im Harn vorkommenden Proteine. Eine Sonderstellung nimmt die Mikroalbuminurie ein. Eine erhöhte Albuminausscheidung in den Urin von 20–300 mg/24 h weist auf glomeruläre Schäden bei Diabetikern hin. Als nephrotisches Syndrom wird eine große Proteinurie mit mehr als 3,5 g pro Ausscheidung in 24 Stunden bezeichnet. Beim Plasmocytom ist das Bence-JonesProtein nachweisbar. Einschränkungen der Reabsorptionsleistung können ebenfalls zur Proteinurie führen. Am bekanntesten hierfür sind genetisch bedingte Funktionsveränderungen von Aminosäuretransportern, welche zur Aminoazidurie führen.

28

916

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

! Die renale Glucoseresorption hat ein Transportmaximum; Glucosurie weist fast immer auf einen Diabetes mellitus hin.

Das Auftreten von Monosacchariden im Urin wird als Melliturie bezeichnet. Die wichtigste und häufigste Melliturie ist die Glucosurie (7 Kap. 26.4.1). Ausscheidungen anderer Monosaccharide (Fructose, Lactose, Galactose, Pentosen) haben wegen ihres seltenen Auftretens nur geringe Bedeutung. Die tubuläre Rückresorption von Glucose erfolgt über eine begrenzte Zahl von Transportmolekülen. Wenn die filtrierte Glucosemenge die maximale Transportkapazität der Na+-gekoppelten Symportsysteme überschreitet, erscheint Glucose im Endharn (Glucosurie) und geht damit dem Körper verloren. Das geschieht, wenn die Glucosekonzentration im Plasma (Normalwert 5 mmol/l) und damit auch im Primärharn 10 mmol/l überschreitet (sog. Nierenschwelle). ! Nahrungskarenz führt zur Ketonurie.

28

Muskelverletzungen (»Crush-Syndrom«; quetschen, engl. to crush) in den Urin übertreten. Bei intravasaler Hämolyse tritt Hämoglobin in den Urin über sobald die Haptoglobinbindungskapazität des Plasmas 7 Kap. 29.6.3) und die Reabsorptionskapazität der Tubuli für Hämoglobin überschritten werden. Das ist in der Regel bei Hämoglobinkonzentrationen über 1,2 g/l der Fall. Porphyrinurie. Das Vorkommen von Uroporphyrinen sowie vermehrter Mengen von Koproporphyrinen im Urin wird als Porphyrinurie bezeichnet (7 Kap. 20.2). Die normale Koproporphyrinausscheidung im Urin beträgt 90– 430 nmol (60–280 mg)/24 h. Über die Anwesenheit von Bilirubin, Urobilin und Urobilinogen und ihre Beziehung zur Gelbsucht informiert 7 Kapitel 20.

28.2.4

Harn- und Nierensteine

! Zwei Drittel aller Harnsteine sind Oxalatsteine.

Die normalerweise geringe Ausscheidung (3–15 mg/24 h bzw. 30–150 mmol/24 h) der Ketonkörper (Aceton, Acetacetat, E-Hydroxybutyrat) ist erhöht im Hungerzustand, bei Diabetes mellitus, während der Schwangerschaft und bei einigen Alkaloseformen. Bei kohlenhydratarmer und fettreicher Kost sind aufgrund der erhöhten Lipolyserate ebenfalls Ketonkörper im Urin nachweisbar. Die frühzeitige Diagnose der diabetischen Ketonurie ist wichtig, da sie eine Stoffwechselentgleisung anzeigt. Die Bestimmung muss mit frisch gelassenem Urin sofort durchgeführt werden, da Acetacetat spontan zu Aceton decarboxyliert, das flüchtig ist. ! Rotverfärbung des Urins tritt bei Hämoglobinurie, Hämaturie und Porphyrien auf.

Hämaturie. Treten Erythrozyten in den Urin über, so liegt

eine Hämaturie vor. Hämoglobinurie. Freies Hämoglobin kann nach schwerer Hämolyse oder schweren Verbrennungen, Myoglobin nach

Die Konzentrationsleistung der Nieren bei der Bildung des Urins ermöglicht die Ausscheidung mancher Stoffe in relativ hoher Konzentration. Dabei hängt die Löslichkeit derartiger Verbindungen weitgehend von der Protonenkonzentration des Urins ab, da die Wasserstoffionen des Lösungsmittels die Dissoziation gelöster Stoffe und damit deren Löslichkeit bestimmen (je polarer, desto wasserlöslicher). Unter bestimmten Umständen stellt der Urin für eine Reihe von Verbindungen, v.a. Calciumoxalat und Calciumphosphat, eine übersättigte Lösung dar. Citrat und einige Urinproteine (7 u.) verhindern normalerweise das Ausfallen dieser Verbindungen und die Bildung von Steinen. Bei einem verminderten Gehalt des Urins an diesen Regulationsfaktoren und entzündlichen Veränderungen von Nieren und Harnwegen kommt es jedoch in Nieren (Nephrolithiasis), der Harnblase oder Harnröhre (Urolithiasis) zu Ablagerungen und zur Bildung kleinerer oder größerer Steine oder Konkremente. Da die Zusammensetzung des Urins weitgehend durch die aufgenommene Nahrung bestimmt wird, ist es wichtig, die chemische Zusammenset-

. Tabelle 28.5. Zusammenstellung häufiger Nierensteine Bezeichnung

Konkremente aus

Ursache

Häufigkeit (%)

Calciumoxalat-Steine

Calciumoxalat und Calciumphosphat

Hypercalciurie, Hyperoxalurie (selten)

70

Struvit-Steine

Magnesium-Ammoniumphosphat

Harnwegsinfekte mit harnstoffspaltenden Mikroorganismen. Dadurch gesteigerte Ammoniakbildung mit alkalischem Urin

15

Harnsäuresteine

Harnsäure

Hyperuricosurie wegen gesteigertem Purinabbau (Gicht) oder erhöhtem Zellumsatz bei Hyperacidität des Urins

10

Cystinsteine

Cystin

Cystinurie

selten

917 28.3 · Der Wasserhaushalt

zung der Harn-(Nieren-)Steine zu kennen, um durch eine entsprechende Diät ihrer weiteren Bildung entgegenwirken zu können. Die häufigsten Steinformen sind in . Tabelle 28.5 zusammengestellt. Die Steine kommen selten in reiner Form vor, 90% enthalten einen oder mehrere zusätzliche kristalline Bestandteile. Außerdem sind immer Proteine und Glycoproteine, die etwa 3% des Gesamtgewichts des Steins ausmachen, vorhanden. Nierensteine gelangen oft in den Harnleiter und können dort eine Kolik auslösen. Kleinere Blasensteine verfan-

gen sich manchmal im inneren Harnröhrenostium und lösen so eine Kolik aus. Verschiedene Nierenproteine hemmen die Steinbildung. Nephrocalcin, ein saures Glycoprotein, das die Aminosäure J-Carboxyglutamat enthält, hemmt die Bildung von Calciumoxalatsteinen. Ähnlich wirkt das TammHorsfall-Glycoprotein. Uropontin, ebenfalls von den Nieren gebildet, hemmt das Wachstum von Calciumoxalatkristallen. Möglicherweise begünstigen Konzentrationsveränderungen derartiger Proteine die Entwicklung von Steinen.

In Kürze Der gesunde Mensch bildet in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht täglich 500–2000 ml sauren Urin, der normal stroh- bis bernsteingelb ist und aromatisch riecht. Der Urin enthält in höherer Konzentration die wasserlöslichen Endprodukte des Eiweißstoffwechsels, die damit stickstoffhaltig sind. Die Proteinausscheidung über den Urin ist normalerweise sehr gering, nur bei entzündlichen und degenerativen Nierenerkrankungen tritt eine pathologische Proteinausscheidung (Proteinurie) auf.

28.3

Der Wasserhaushalt

28.3.1

Wasserbilanz

! Das Körperwasser verteilt sich auf verschiedene Kompartimente.

Da das Fettgewebe im Vergleich zu anderen Körpergeweben einen sehr viel geringeren Wassergehalt besitzt, sollte das Körperwasser eigentlich auf die fettfreie Körpermasse (lean body mass) bezogen werden. Bei einer großen Zahl von Säugetieren einschließlich des Menschen beträgt der Wassergehalt der fettfreien Körpermasse konstant 72–74% (. Abb. 28.19). Da das Körperwasser mit der Isotopendilutionsmethode gut bestimmt werden kann, lässt sich diese Beziehung zur Berechnung des Körperfettgehalts verwenden:

Bezieht man den Wassergehalt auf die Gesamtmasse, so ist dieser im Wesentlichen vom Körperfett abhängig, das je nach Geschlecht und Lebensalter schwankt. Bei Säuglingen macht das Körperwasser noch etwa 75% der Körpermasse aus, beim erwachsenen Mann etwa 60%, und bei der erwachsenen Frau etwa 50% (wegen eines höheren Fettgewebsanteils).

Der Urin enthält normalerweise keine Glucose. Eine Glucosurie weist deshalb fast immer auf einen Diabetes mellitus hin. Bei Hungerzuständen steigt die Konzentration von Ketonkörpern im Urin (Ketonurie) an. Rotverfärbung des Urins tritt bei Hämoglobinurie, Hämaturie und Porphyrien auf. Durch Auskristallisieren von Salzen im Urin entstehen Harnsteine, wovon die häufigsten Oxalatsteine sind.

Innerhalb des Körpers lassen sich 2 Wasserräume unterscheiden, nämlich der größere Intrazellulärraum (60–65% des Körperwassers) und der kleinere Extrazellulärraum (35–40% des Körperwassers). Der Extrazellulärraum lässt sich weiter unterteilen in den interstitiellen Raum (75% des Extrazellulärvolumens), das Blutplasma (25% des Extrazellulärvolumens) und die transzelluläre Flüssigkeit (z.B. Liquor cerbrospinalis etc.), die aber nur etwa 1 Liter beim Erwachsenen ausmacht. ! Die Wasserzufuhr dient der Kompensation obligater und nichtobligater Wasserverluste.

Der Mensch kann wochenlang auf die Zufuhr von Nahrungsstoffen verzichten, jedoch nur wenige Tage auf die von Wasser und Elektrolyten. Die Wasserbilanz eines 70 kg schweren Erwachsenen ist in . Tabelle 28.6 zusammengestellt. Damit sie ausgeglichen ist, muss die Zufuhr die Wasserverluste kompensieren. Dabei ist zu beachten, dass fast 40% der Wasserverluste als Wasserdampf über die Lungen und die Haut erfolgen. Hierdurch gehen etwa 25% der Wärmeproduktion des Körpers verloren. Dieser obligate Wasserverlust spielt eine Rolle bei der Regulation der Körperwärme und nimmt auch bei hochgradigen Flüssigkeitsverlusten nur wenig ab. Im Organismus entsteht Wasser bei der mitochondrialen Oxidation der Nahrungsstoffe (Biooxidation). Die Oxidation von 100 g Fett liefert 107 ml, die von 100 g

28

918

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

. Tabelle 28.6. Tägliche Zufuhr und Verlust von Wasser beim Erwachsenen

28

Wasserzufuhr

ml

Wasserverlust

ml

Trinken (Wasser und Getränke)

1200 (500–1600)

Urin

1400 (600–1600)

Wasser der Nahrungsstoffe (Gehalt: 60–97% Wasser)

900 (800–1000)

Lungen und Haut (Perspiration)

900 (850–1200)

Oxidationswasser

300 (200–400)

Faeces

100 (50–200)

Insgesamt

2400 (1500– 3000)

2400 (1500–3000)

Kohlenhydraten 55 ml und die von 100 g Protein 41 ml Wasser. Die vom Menschen täglich gebildete Menge Oxidationswasser beträgt etwa 300 ml. Der darüber hinausgehende Teil der Wasserbilanz muss durch Getränke und den Wassergehalt der Nahrungsmittel ausgeglichen werden. In die Bilanz gehen die 5–10 l Verdauungssekrete, die in den Magen-Darm-Trakt abgegeben werden, nicht mit ein, da sie schließlich wieder reabsorbiert werden. Sie sind aber beim Erbrechen oder bei Durchfällen von Bedeutung. ! Die Regulation des Wasserhaushalts erfolgt hauptsächlich durch Osmoregulation.

Der Wasserhaushalt des Körpers wird über die Osmolarität der Extrazellularflüssigkeit geregelt, die normalerweise bei ca. 290–295 mosmol/l liegt und deren Konstanz vom Körper angestrebt wird. Entscheidend für die effektive Osmolarität im Extrazellulärraum sind vorwiegend Natriumionen, welche in einer Konzentration von 140 mmol/l vorliegen, zusammen mit Chlorid- und Hydrogencarbonat-Anionen. Die Osmolarität im Intrazellulärraum entspricht der des Extrazellulärraums. Im Intrazellulärraum sind die Träger der effektiven Osmolarität im Wesentlichen Kaliumionen und die organischen Phosphate bzw. die Proteine. Die Osmolarität wird ständig durch die Osmorezeptoren des Hypothalamus kontrolliert, die Änderungen der Osmolarität des Extrazellulärraums mit hoher Sensitivität erfassen. Diese regeln die Wasseraufnahme und -ausscheidung derart, dass die Osmolarität im Extrazellulärraum konstant bleibt, sodass sich im Normalfall Wasseraufnahme und -ausscheidung die Waage halten.

. Abb. 28.19. Beziehung zwischen Körperwasser und fettfreier Körpermasse bei verschiedenen Säugern. (Daten nach Wang Z et al. 1999)

28.3.2

Hormonelle Regulation des Wasserhaushalts

! Das antidiuretische Hormon (ADH) ist das zentrale Hormon in der Regulation des Wasserhaushalts.

Als blutdrucksteigerndes, antidiuretisches Peptid kommt im Hypophysenhinterlappen das aus 9 Aminosäuren bestehende antidiuretische Hormon, ADH (Synonym: Vasopressin oder Pitressin) vor (. Abb. 28.20). Die Cysteine in den Positionen 1 und 6 bilden eine Disulfidbrücke. Ein sehr ähnliches, ebenfalls im Hypophysenhinterlappen vorkommendes Peptidhormon ist das Ocytocin. Es unterscheidet sich vom Vasopressin lediglich in 2 Aminosäuren. Das Phenylalanin des Vasopressins ist im Ocytocin durch Isoleucin ersetzt, das Arginin durch Leucin. Ocytocin ist die wichtigste zur Uteruskontraktion führende Substanz und wird infolgedessen im Rahmen der Geburtshilfe verwendet. Außerdem führt es zu einer Kontraktion der glatten Muskulatur der Brustdrüse, wodurch es zur Milchexkretion kommt. ! ADH (Vasopressin) wird als Prohormon im Hypothalamus gebildet.

Vasopressin wird – wie Ocytocin – in den neurosekretorischen Neuronen der paraventrikulären Kerne des Hypothalamus gebildet. Das Vasopressin-Gen (. Abb. 28.21) ist ein Polyprotein-Gen, welches aus 3 Exons und 2 Introns besteht. Die nach Transkription und Entfernung der Introns entstehende mRNA codiert für Prä-Provasopressin. Nach Abtrennung der N-terminalen Signalsequenz entstehen Provasopressin und aus diesem durch weitere limitierte Proteolyse das N-terminal gelegene Nonapeptid Vasopressin, ein als Neurophysin II bezeichnetes Protein sowie ein Glycoprotein. Das Ocytocin-Gen ist sehr ähnlich aufgebaut und codiert für ein über weite Bereiche homologes Präproocytocin. Aus ihm entstehen Ocytocin sowie Neurophysin I. Eine zum Glycoprotein des Vasopressinpräkur-

919 28.3 · Der Wasserhaushalt

. Abb. 28.20. Chemische Struktur des Nonapeptids Vasopressin. Die Cysteinreste in Position 1 und 6 sind durch eine Disulfidbrücke

verknüpft, sodass eine zyklische Struktur entsteht. Im Ocytocin sind Phenylanalin durch Isoleucin und Arginin durch Leucin ersetzt

sors analoge Verbindung kommt beim Ocytocin nicht vor. Man nimmt an, dass das Vasopressin- und Ocytocin-Gen von einem gemeinsamen Vorläufer-Gen abstammen. Die Neurophysine dienen als Trägerproteine für Vasopressin bzw. Ocytocin während ihres Transports vom Ort der Biosynthese entlang entsprechender Axone in den Hypophysenhinterlappen, dem Ort ihrer Sekretion. Über die Funktion des C-terminalen Glycoproteins ist nichts bekannt.

Renale Wirkungen. Über V2-Rezeptoren wirkt ADH durch

! ADH (Vasopressin) wirkt vasokonstriktorisch über V1-Rezeptoren und fördert die renale Wasserrückresorption über V2-Rezeptoren.

Gefäßwirkungen. ADH (Vasopressin) löst über V1-Rezeptoren eine Kontraktion der glatten Muskelzellen der Blutgefäße aus. Das bewirkt einen Blutdruckanstieg durch die Erhöhung des Kreislaufwiderstands. Die V1-Rezeptoren gehören zur Familie der G-Protein gekoppelten Rezeptoren und sind an die Phosphatidylinositol-Kaskade gekoppelt, ihre Aktivierung führt also zu einer Erhöhung der cytosolischen Calciumkonzentration.

eine Stimulierung der Wasserrückresorption im Sammelrohrsystem der Niere (7 Kap. 28.1.4).antidiuretisch. Da die Halbwertszeit des zirkulierenden ADH als Peptidhormon ca. 5 Minuten beträgt, wirken sich Änderungen der ADHFreisetzung schnell auf die ADH-Konzentration im Plasma aus. So kann der Organismus sehr rasch auf Änderungen des Wasserbestands bzw. der Osmolarität reagieren und verhindern, dass es zu unerwünschten Volumenänderungen des Intrazellulärraums kommt. ! Die ADH-Freisetzung wird durch eine Erhöhung der Plasmaosmolarität, eine Verringerung des Extrazellulärvolumens und durch Hormone stimuliert.

Die Freisetzung von ADH aus dem Hypophysenhinterlappen wird durch osmotische und nichtosmotische Signale gesteuert: 4 Die Plasmaosmolarität ist für die ADH-Sekretion von besonderer Wichtigkeit. Die Schwelle für die ADHFreisetzung liegt bei ca. 275–280 mosmol/l, weshalb

28

920

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Auslösung des Durstgefühls liegt nur 5–10 mosmol über der für die ADH-Freisetzung. Dadurch wird vermieden, dass es zu einer Erhöhung des osmotischen Drucks über den physiologischen Bereich (290–295 mosmol/l) kommt.

28.3.3

28

. Abb. 28.21. Genstruktur und Biosynthese von Vasopressin. Das Vasopressin-Gen enthält 2 Introns und 3 Exons. Nach Transkription und posttranskriptionaler Prozessierung codiert die mRNA für das Präpro-Vasopressin, das posttranslational durch Entfernung der Signalsequenz sowie Spaltung zu Vasopressin, Neurophysin II und einem C-terminal gelegenen Glycoprotein prozessiert wird. ArgininVasopressin (AVP) ist ein Nonapeptid (rot)

auch bereits im Normalzustand ADH sezerniert wird. Ein Anstieg der Osmolarität um nur 1% führt bereits zu einer messbaren Zunahme der ADH-Sekretion. Der osmotische Druck wird kontinuierlich in verschiedenen Bereichen des Hypothalamus durch spezifische Osmorezeptoren erfasst, deren Signale auf die ADH produzierenden Zellen des N. suprapopticus und N. paraventricularis weitergegeben werden. Auch diese selbst sind an der Osmorezeption beteiligt 4 Der Füllungszustand des Extrazellulärraums bzw. der Blutdruck beeinflusst die ADH-Freisetzung über Barosensoren. Dadurch kann unabhängig von der Osmolarität eine Steigerung der ADH-Produktion bei signifikantem Volumenmangel und/oder Blutdruckabfall ausgelöst werden. Eine Überfüllung des Extrazellulärraums bzw. ein Blutdruckanstieg wirkt sich dagegen dämpfend auf die ADH-Freisetzung aus. Hierfür genügen bereits Wasserdefizite oder Wasserzufuhr von 0,3–0,5 l 4 Angiotensin II aktiviert die ADH-Sekretion durch einen direkten Effekt auf die Zellen des N. supraopticus und N. paraventricularis 4 Am Hypophysenhinterlappen stimulieren Acetylcholin, Nikotin und Morphin die ADH-Freisetzung, Adrenalin und Ethanol sind dagegen Hemmstoffe ! Das Durstgefühl wird von Osmorezeptoren vermittelt.

Auch das Durstgefühl wird wesentlich über hypothalamische Osmorezeptoren ausgelöst, die jedoch nicht genau lokalisiert sind. Angiotensin II wirkt ebenfalls fördernd auf die Entwicklung des Durstgefühls. Die Schwelle für die

Pathobiochemie des Wasserhaushalts

Abweichungen des Wassergehalts vom Normalwert bezeichnet man als Dehydratation bzw. Hyperhydration. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um isotone Veränderungen (Osmolarität bleibt normal) oder um hypo- bzw. hypertone Abweichungen handelt. Da hauptsächlich die Natriumkonzentration die Osmolarität des Extrazellulärraums bestimmt, definiert sie auch die Zuordnung der De- bzw. Hyperhydratation. Isotone Veränderungen des Wassergehalts treten in der Regel sekundär zur Veränderung des Natriumhaushalts auf. Sie werden deshalb in 7 Kapitel 28.4 beschrieben. Nichtisotone Veränderungen gehen bei Wasserverlust (ohne Natriumverlust) in der Regel mit einer Hypertonizität (Hypernatriämie, Na+ >150 mmol/l), bei Überwässerung (ohne zusätzliche Natriumzufuhr) mit einer Hypotonizität (Hyponatriämie, Na+ <135 mmol/l) einher. Dehydration bei Hypernatriämie. Sie entsteht durch den Verlust hypotoner Körperflüssigkeiten bei gleichzeitig unzureichender Wasserzufuhr. Beispiele hierfür sind: 4 starkes Schwitzen (Schweiß ist hypoton!) 4 Wasserverlust über die Atemwege bei anhaltender Hyperventilation (z.B. bei Höhenaufenthalt) 4 anhaltender Durchfall bzw. Erbrechen 4 anhaltende Produktion eines hypotonen Harns (z.B. bei Diabetes insipidus, Verabreichung von Diuretika etc.)

Wegen der hohen Membranpermeabilität für Wasser vermindert sich bei einer solchen hypertonen Dehydratation nicht nur der Extrazellulärraum, sondern auch entsprechend der Intrazellulärraum, d.h. die Körperzellen schrumpfen. Besonders empfindlich auf Volumenänderungen reagieren dabei Neurone, weshalb im klinischen Beschwerdebild Störungen des Zentralnervensystems im Vordergrund stehen. Rasche Dehydratation kann so zu Bewusstseinstrübung bis hin zu Koma und Tod führen. Wenn sich die hypertone Dehydratation langsam entwickelt, können Hirnzellen durch zusätzliche Bildung von Osmolyten (z.B. Inositol) ihre intrazelluläre Osmolarität erhöhen und so ihr Volumen weitgehend konstant halten. Wassermangel und der damit assoziierte Anstieg der Plasmaosmolarität führen normalerweise zu einer maximalen ADH-Freisetzung und in Folge zur maximalen Antidiurese, sowie parallel dazu zu einer Aktivierung des Durstgefühls. Durch die Kombination von renaler Wasserretention und oraler Wasseraufnahme können Flüssig-

921 28.4 · Der Natriumhaushalt

keitsdefizite und die damit verbundene Erhöhung der Osmolarität in kurzer Zeit ausgeglichen werden. Beim Diabetes insipidus centralis kann die Neurohypophyse kein ADH mehr sezernieren (z.B. Tumoren oder idiopathisch). Als Folge des fehlenden ADH-Effekts auf die Wasserreabsorption in der Niere werden große Volumina hypotonen Harns ausgeschieden, wobei im Extremfall Werte bis zu 40 l/Tag beobachtet wurden. Die Behandlung der Erkrankung erfolgt durch Vasopressinsubstitution. Der ADH-resistente Diabetes insipidus renalis ist eine seltene, meist X-chromosomal vererbte Krankheit. Bei ihr liegt der Defekt in den Tubulusepithelien, die entweder keinen intakten Vasopressin-Rezeptor besitzen oder Mutationen in den Aquaporinen tragen, wodurch die Sammelrohre selbst bei sehr hohen ADH-Konzentrationen die Wasserresorption nicht steigern können. Hyperhydratation bei Hyponatriämie. Sie entwickelt sich bei übermäßiger Zufuhr von hypotonen Flüssigkeiten (z.B. Wasser, Infusionen) wenn gleichzeitig die renale Wasserausscheidung vermindert ist. Durch den Abfall des osmotischen Drucks im Extrazellulärraum schwellen die Zellen

an, was bei raschen Änderungen ein lebensgefährliches Hirnödem hervorrufen kann. Eine gravierende Einschränkung der renalen Wasserausscheidung beobachtet man bei einer allgemeinen Einschränkung der exkretorischen Nierenfunktion (Niereninsuffizienz) oder bei pathologisch gesteigerter ADH-Sekretion. Ein mit gesteigerter ADH-Sekretion einhergehendes Krankheitsbild (SIADH: syndrome of inappropriate antidiuretic hormone secretion) findet sich relativ häufig. Es kommt besonders bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen, aber auch bei anderen Karzinomen (Pankreas-, Duodenal-, Blasenkarzinom, Lymphosarkom, Morbus Hodgkin) vor und wird durch eine ektopische Vasopressinsekretion der genannten Tumoren verursacht. Darüber hinaus kann das Krankheitsbild auch als Folge einer Reihe zentralnervöser Erkrankungen auftreten. Bei den Patienten findet sich eine Unfähigkeit, einen hypotonen Urin auszuscheiden. Dies führt zur Flüssigkeitsretention und infolge der dadurch ausgelösten Verdünnung zur Hyponatriämie. Die Patienten haben eine ausgeprägte Natriurese, die nicht durch Natriuminfusionen sondern nur durch Verringerung der Flüssigkeitszufuhr reduziert werden kann.

In Kürze 4 Der Wassergehalt des Körpers sinkt mit zunehmendem Lebensalter und ist bei Männern höher als bei Frauen 4 Die Wasserräume des Körpers gliedern sich in den größeren Intrazellulärraum und den kleineren Extrazellulärraum, welcher auch das Plasmavolumen umfasst 4 Der Wasserhaushalt des Körpers wird vor allem durch ADH reguliert, welches die orale Wasseraufnahme (über das Durstgefühl) und die renale Wasseraus-

28.4

Der Natriumhaushalt

28.4.1

Natriumbilanzierung

! Über 90% des Körpernatriums befinden sich in freier oder gebundener Form im Extrazellulärraum.

Der Gesamtnatriumbestand des Menschen liegt bei 55– 60 mmol/kg Körpergewicht, welches sich zu 95% auf den Extrazellulär- und zu 5% auf den Intrazellulärraum verteilt. Davon befinden sich 30–40% des Natriums in gebundener Form im Knochen, weshalb nur 60–70% des Körpernatriums rasch austauschbar sind (. Tabelle 28.7). Die obligaten täglichen Natriumverluste betragen bei normaler Schweißproduktion weniger als 3 g NaCl pro Tag. Normalerweise führt man mit der Nahrung täglich 5–20 g NaCl (80–320 mmol) zu. Diese Menge liegt damit über

scheidung aufeinander abgleicht. Die Sekretion von ADH wird wesentlich von der Osmolarität und dem Extrazellulärraum-Volumen bestimmt 4 Übermäßige Wasserverluste bzw. Zufuhr von hypotonen Flüssigkeiten können zu Dehydratation bzw. Hyperhydratation führen 4 Bei isotonen Veränderungen des Wasserbestandsverändert sich auch parallel der Natriumbestand des Körpers. Entsprechend ist die Regulation des Wasserhaushalts eng mit der Regulation des Natriumhaushalts verflochten

dem täglichen Bedarf. Dabei enthält die täglich zugeführte Nahrung selbst selten mehr als 200 mmol Natrium, der Rest wird in Form von Tafelsalz (Kochen und Würzen) aufgenommen. Die Ausscheidung erfolgt im Wesentlichen über den Urin und liegt in Abhängigkeit von der zugeführten Menge bei 100–150 mmol/24 h. Die Ausscheidung unterliegt einem 24-Stunden-Rhythmus. Eine geringe Menge (5 mmol/24 h) wird auch über den Stuhl ausgeschieden. Die Verdauungssäfte enthalten zwar viel Natrium, da sie aber normalerweise im Darm reabsorbiert werden, geht dem Organismus kein Natrium verloren. Störungen der Reabsorption (Durchfälle) können dagegen zu Natriumverlusten führen. Über die Haut geht bei starkem Schwitzen Natrium verloren (20–80 mmol/l). Dabei nimmt die Natriummenge mit steigendem Schweißvolumen zu.

28

922

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

. Tabelle 28.7. Daten zum Natriumstoffwechsel Verteilung von Natrium im Organismus



mmol/kg Körpergewicht

Plasma

6,5

Interstitielle Flüssigkeit, Lymphe

16,8

Sehnen und Knorpel

6,8

Transzelluläre Flüssigkeit

1,5

Knochen (gesamte Menge)

25,0

Knochen (austauschbare Menge)

8,0



Prozentualer Anteil an der Gesamtmenge 11,2 29,0 11,7 2,6 43,1 13,8

im Extrazellulärraum (austauschbar)

39,6

68,3

im Extrazellulärraum (gesamt)

56,6

97,6

1,4

2,4

58,0

100,0

Gesamtmenge im Intrazellulärraum im Organismus Natriumkonzentration des Blutplasmas Normalbereich Tägliche Ausscheidung mit dem Urin Tägliche Zufuhr mit der Nahrung

140 mmol/l 135–145 mmol/l 100–150 mmol 70–350 mmol

28 ! Eine Erhöhung der Natriumausscheidung erfordert oft auch eine Erhöhung der Wasserausscheidung.

Die natriumkonservierenden Mechanismen sind wie bei allen terrestrischen Lebewesen sehr effektiv, sodass es unter physiologischen Bedingungen und bei normaler Kost nicht zu einem signifikanten Natriummangel kommen kann. Da die durchschnittliche Natriumzufuhr deutlich über dem obligaten Natriumverlust liegt (7 o.), ist die Konstanz des auch das Extrazellulärvolumen bestimmenden Natriumbestands des Organismus an die fortlaufende renale Elimination von überschüssigem Kochsalz gebunden. Dabei ist zu bedenken, dass wegen der Harnstoffausscheidung bei maximaler Konzentration des Endharns (1200 mosmol/l) die Konzentration von NaCl im Endharn höchstens 200 mmol/l (entspricht 400 mosmol/l) betragen kann. Entsprechend können höhere NaCl-Mengen nur über ein erhöhtes Urinvolumen ausgeschieden werden, was natürlich auch eine erhöhte Trinkmenge an freiem Wasser erfordert (7 o.).

28.4.2

Hormonelle Regulation des Natriumhaushalts

Die Regulation der Natriumkonzentration des Intrazellulärraums erfolgt über die Na+/K+-ATPase (7 Kap. 6.1.5), die des Extrazellulärraums über das Renin-Angiotensin Aldosteron-System und das atriale natriuretische Peptid. ! Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) sorgt für eine Zunahme des Natriumbestands.

Angiotensin II. Dieses aus Angiotensinogen gebildete Peptid ist das eigentliche Hormon des Renin-AngiotensinSystems. Seine biologischen Wirkungen sind: 4 zentrale Auslösung von Durstgefühl und Salzappetit, was die Salz- und Wasserzufuhr in den Körper erhöht (7 Kap. 31.3.2) 4 Steigerung der ADH-Freisetzung aus dem Hypophysenhinterlappen, welches die Wasserreabsorption in den Sammelrohren der Niere erhöht (7 Kap. 31.3.2) 4 Steigerung der Natriumresorption direkt am proximalen Tubulus 4 Stimulation der Bildung des Mineralocorticoidhormons Aldosteron in der Zona glomerulosa der Nebennierenrinde

Der biochemische Mechanismus der Angiotensin II-Wirkung beruht auf den Angiotensin II-Rezeptoren AT1 und AT2, die zu den G-Protein gekoppelten Membranrezeptoren gehören (7 Kap. 25.6) ! Aldosteron ist das wichtigste Mineralocorticoid des Menschen.

Aldosteronbiosynthese. Die Mineralocorticoide 11-Des-

oxycorticosteron und Aldosteron werden aus Cholesterin synthetisiert (. Abb. 28.22). Durch Oxidation am C-Atom 3 und Verschieben der Doppelbindung entsteht Progesteron, durch Hydroxylierung an den Positionen 21E, 18E und 11E wird daraus 18-Hydroxycorticosteron. Das beim Menschen wichtigste Mineralocorticoid, das Aldosteron, wird aus 18-Hydroxycorticosteron durch Oxidation der Hydroxylgruppe am C-Atom 18 gebildet. Die dabei entstehende Aldehydgruppe, welche dem Aldosteron seinen Namen gibt, kommt der Hydroxylgruppe am C-Atom 11 so

923 28.4 · Der Natriumhaushalt

nahe, dass sich eine Halbacetalform des Aldosterons ausbilden kann, in der es in wässriger Lösung bevorzugt vorliegen dürfte. Durch Hydroxylierung in Position 11E wird 11-Desoxycorticosteron zum Corticosteron. ! Mineralocorticoide fördern die Natriumretention in der Niere.

Aldosteronwirkungen. Mit Ausnahme der Androgene

steigern alle Corticosteroidhormone, besonders jedoch die Mineralocorticoide, die Rückresorption von Natriumionen in den Verbindungstubuli und Sammelrohren der Niere. Parallel zur gesteigerten Natriumretention kommt es zu einer gesteigerten Ausscheidung von Kalium-, Wasserstoff- und Ammoniumionen, was zu einer Abnahme der Kaliumkonzentration im Serum führt. Auch in den Schweißdrüsen, den Speicheldrüsen sowie im Intestinaltrakt wird die Ausscheidung von Natriumionen verlangsamt. In ihrer Wirksamkeit auf den Mineralstoffwechsel unterscheiden sich die einzelnen Steroidhormone der Nebennierenrinde beträchtlich voneinander. Aldosteron ist 1000mal wirksamer als Cortisol und ungefähr 35-mal effektiver als 11-Desoxycorticosteron. ! Aldosteron wirkt über einen Rezeptor aus der Superfamilie der Steroidhormonrezeptoren.

Der molekulare Wirkungsmechanismus des Aldosterons ähnelt dem der anderen Steroidhormone der Nebennierenrinde. Das Hormon wird in die Zelle aufgenommen und bindet an einen cytosolischen Rezeptor, der zur Superfamilie der Steroidhormon-Rezeptoren gehört (7 Kap. 25.3.1).

. Abb. 28.22. Biosynthese der Mineralocorticoide 11-Desoxycorticosteron und Aldosteron. Für die Biosynthese des Aldosterons ist eine Hydroxylierung an den Positionen 21, 18 und 11 des Progesterons notwendig. Vgl. hierzu die Hydroxylierung bei der Biosynthese des Cortisols (7 Kap. 27.3.3)

. Abb. 28.23. Molekularer Mechanismus der Aldosteronwirkung auf die Tubulusepithelien. Aldosteron (A) bindet an ein Rezeptorprotein (R), das nach Konformationsänderung im Zellkern die Transkription spezifischer Gene induziert. Es kommt damit zur gesteigerten Biosynthese eines Natriumkanals, der Na+/K+-ATPase sowie verschiedener mitochondrialer Enzyme. (Einzelheiten 7 Text)

28

924

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Eine besonders hohe Konzentration von Aldosteronrezeptoren findet sich in den corticalen Abschnitten der Sammelrohre, darüber hinaus im Colon und den Schweißdrüsen, was auf diese Organe als besondere Zielgewebe für die Mineralocorticoidwirkung hinweist. Wie aus der . Abb. 28.23 hervorgeht, gelangt der Mineralocorticoid-Rezeptor-Komplex nach entsprechender Aktivierung in den Zellkern und beeinflusst dort die Expression spezifischer Gene. Das führt in Natrium-reabsorbierenden Zellen zur vermehrten Expression 4 eines in der apikalen Zellmembran gelegenen Natriumkanals (ENaC) 4 der Na+/K+-ATPase sowie 4 einer Reihe von Enzymen des Citratzyklus, welche wahrscheinlich einen gesteigerten Substratdurchsatz und damit eine vermehrte Bereitstellung des für den Transport benötigten ATP ermöglichen Spironolactone. Sie sind eine Gruppe von Aldosteron-ana-

28

logen Verbindungen, die über einen C-17-Lacton-Ring verfügen (. Abb. 28.24). Sie wirken als MineralocorticoidAntagonisten und werden als solche auch bei der Behandlung des primären Hyperaldosteronismus eingesetzt. Ihr Wirkungsmechanismus beruht darauf, dass sie Aldosteron kompetitiv vom cytoplasmatischen Rezeptor verdrängen. Der dabei gebildete Rezeptorantagonist-Komplex kann aber nicht die zum Übertritt in den Kern notwendige Konformationsänderung (Aktivierung) durchmachen, weswegen die Änderung der Genexpression unterbleibt. ! Die Bildung von Angiotensin II und von Aldosteron wird hauptsächlich durch die Größe des Extrazellulärvolumens reguliert.

Aldosteron. Folgende Faktoren sind für die Regulation der Aldosteronbiosynthese und Sekretion von besonderer Bedeutung: 4 AngII stimuliert über AT1-Rezeptoren die Aldosteronbiosynthese und -sekretion. ACTH (7 Kap. 27.3.1) hat dagegen nur eine geringe Bedeutung 4 Jeder Anstieg der Plasma-Kaliumkonzentration stellt einen starken direkten Reiz für die Aldosteronsynthese dar (7 u.) 4 Zu einem Sistieren der Aldosteronbildung und Sekretion kommt es dagegen, wenn die Natriumretention durch die Nieren bzw. die Kaliumausscheidung ansteigt und es zu einer Erhöhung des extrazellulären Volumens bei gleichzeitigem Kaliumverlust kommt ! Das atriale natriuretische Peptid senkt den Natriumbestand des Körpers.

Die Funktion von Mineralocorticoiden und ADH besteht in der Natrium- und Wasserretention. Damit regulieren sie eine speziell für terrestrische Lebewesen essentielle Funktion. Ein antagonistisches, natriuretisch wirkendes Hormon ist das vor allem im rechten Vorhof des Herzens synthetisierte, gespeicherte und sezernierte atriale natriuretische Peptid (ANP). ! ANP wird in den Herzvorhöfen als Prohormon gebildet.

ANP-Biosynthese und Sekretion. Das atriale natriuretische Peptid (ANP) wird in myoendokrinen Zellen des Herzmuskels synthetisiert und in Sekretvesikeln gespeichert, die sich vorwiegend im rechten Vorhof, daneben aber auch im linken Vorhof und nur ganz vereinzelt im Herzkammergewebe befinden. Die . Abb. 28.25 gibt einen Überblick über die ANP-Biosynthese.

Angiotensin II. Die Freisetzung des Renins als Schlüssel-

regulator des Renin-Angiotensin-Systems wird durch eine Reduktion des Extrazellulärvolumens (z.B. bei Natriummangel) stimuliert. Ein expandiertes Extrazellulärvolumen bei Salzüberschuss bewirkt eine Hemmung der Reninfreisetzung und damit eine Hemmung der AngIIBildung.

. Abb. 28.24. Struktur des Aldosteronantagonisten Spironolacton. Man beachte die Lactonstruktur an der Seitenkette des Rings D

. Abb. 28.25. Biosynthese des natriuretischen Atriumpeptids (ANP). Das zugehörige Gen besteht aus drei Exons und zwei Introns. Die Exons codieren für ein Präpro-ANP aus 151 Aminosäuren. Dieser Präkursor trägt C-terminal das aus 28 Aminosäureresten bestehende ANP (. Abb. 28.26)

925 28.4 · Der Natriumhaushalt

. Abb. 28.26. Schematische Darstellung der Struktur natriuretischer Peptide. Pro-ANP ist der Vorläufer für ANP und Urodilatin. BNP und CNP werden von eigenen Genen codiert. Charakteristisch für die natriuretischen Peptide ist die Ringstruktur, die durch eine Disulfid-

brücke zwischen 2 Cysteinen und 15 dazwischengeschalteten Aminosäuren entsteht. (Modifiziert nach Forsmann et al. (1998) Histochem Cell Biol 111:335)

4 Das Gen für ANP (beim Menschen auf Chromosom 1) enthält 3 Exons und 2 Introns 4 nach Transkription und posttranskriptionaler Prozessierung entsteht aus ihm die Prä-Pro-ANP-mRNA, welche für ein Protein mit 151 Aminosäuren codiert 4 Abtrennung des N-terminalen, aus 25 Aminosäuren bestehenden Signalpeptids führt zum Pro-ANP mit 126 Aminosäuren, welches in Vesikel gepackt wird 4 Vom Carboxyterminus des Pro-ANP wird ANP als ein 28 Aminosäuren umfassendes Peptid abgespalten. Hierfür ist die membrangebundene Serinprotease Corin verantwortlich

auch noch in anderen Organen wie Gehirn, Nebenniere und Niere gefunden. Dabei spalten die Sammelrohrzellen der Niere spezifisch ein 32 Aminosäure umfassendes Peptid vom Carboxyterminus des Pro-ANP ab, das als Urodilatin bezeichnet wird. ANP und Urodilatin zeigen dieselben biologischen Wirkungen (7 u.), haben aber eine unterschiedliche biologische Stabilität. So erscheint Urodilatin wesentlich resistenter als ANP gegenüber einer proteolytischen Degradation durch die neutrale Endopeptidase zu sein, die gerade in der Niere in hoher Aktivität vorkommt. Neben dem ANP (sog. Typ-A der natriuretischen Peptide gibt es mit BNP (B-Typ) und CNP (C-Typ) noch 2 weitere natriuretische Peptide, die wesentliche Struktur- und Funktionsähnlichkeiten mit ANP besitzen (. Abb. 28.26). Sie werden von jeweils eigenen Genen codiert, aber im gesunden Herzen im Vergleich zu ANP nur minimal exprimiert. Ihre physiologische Bedeutung ist noch nicht geklärt.

Da die Primärstruktur von ANP für die bislang untersuchten Säuger praktisch identisch ist, scheint das ANPSystem in der Evolution hoch konserviert zu sein. In wesentlich geringerem Ausmaß als im Herzen wird Pro-ANP

28

926

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Der auslösende Reiz für die ANP-Sekretion ist ein Anstieg des Vorhofdrucks, der zu einer Wanddehnung und damit Dehnung der Myozyten führt. Über einen calciumabhängigen Prozess führt eine solche Dehnung dann zur Sekretion von ANP. Der Anstieg des Vorhofdrucks kann durch eine Expansion des Extrazellulärvolumens (Plasmavolumen) z.B. durch vermehrte Kochsalzzufuhr, aber auch durch Hormone wie ADH, Katecholamine oder Angiotensin II, ausgelöst werden. ! ANP relaxiert Blutgefäße und fördert die renale Natrium- und Wasserausscheidung.

28

ANP-Wirkung. ANP hat wie alle natriuretischen Peptide folgende Wirkungen: 4 Eine Relaxation der glatten Muskulatur der Arteriolen. Dies senkt den arteriellen Gefäßwiderstand und wirkt damit blutdrucksenkend 4 Der vasodilatierende Effekt ist auch an den renalen präglomerulären Blutgefäßen sehr ausgeprägt. Dies führt zu einer Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate und zu einer Steigerung der Nierenmarksdurchblutung, was prinzipiell die renale Wasser- und Salzausscheidung erhöhen kann 4 Über luminale Rezeptoren an den Sammelrohren der Nierenpapillen vermindert ANP direkt die Natriumund Wasserresorption 4 ANP hemmt die Aldosteronfreisetzung sowohl durch einen direkten Effekt auf die Nebennierenrinde als auch indirekt durch Hemmung der Reninfreisetzung

In der Tat scheint diese Wechselwirkung mit dem ReninAngiotensin-Aldosteron-System sehr bedeutsam für die Wirkung zu sein, da man eine deutliche natriuretische Wirkung von ANP nur bei einem stimulierten Renin-Angiotensin-Aldosteron-System beobachten kann. Möglicherweise ist Urodilatin für die renalen Wirkungen wesentlich bedeutsamer als ANP selbst.

. Abb. 28.27. Aktivierung des A-Typ-Rezeptors für natriuretische Peptide durch ANP. Der Rezeptor besteht aus einer Extrazellulärund Transmembrandomäne, einer intrazellulären kinaseähnlichen und einer intrazellulären Guanylatcyclasedomäne. Bindung von ANP

Rezeptoren für natriuretische Peptide ANP sind in einer Reihe von Geweben, wie z.B. den Nierenglomerula, Sammelrohrzellen und den medullären und papillären Vasa recta der Nieren gefunden worden, daneben aber auch im Zentralnervensystem, der Nebennierenrinde sowie Gefäßmuskel- und Endothelzellen. Man kennt derzeit 3 Rezeptoren, welche als A-, B- und C-Rezeptor bezeichnet werden. Der A-Rezeptor ist selektiv für ANP und BNP, der B-Rezeptor für CNP und der C-Rezeptor bindet alle 3 Peptide. Der A- und B-Rezeptor sind membrangebundene Guanylatcylasen (7 Kap. 25.9.2), deren Aktivierung zu erhöhten cGMP-Konzentrationen in den Zielgeweben führt (. Abb. 28.27). Der C-Rezeptor vermittelt keine derzeit bekannte Signalwirkung. Man nimmt an, dass es sich dabei um einen sog. clearance-receptor handelt, der die natriuretischen Peptide bei hohen Konzentrationen abfischt und einer endosomalen Degradation zuführt. Dieser Mechanismus trägt so zur Elimination der natriuretischen Peptide bei, die hauptsächlich aber durch proteolytischen Abbau durch eine Metalloproteinase, die neutrale Endopeptidase (NEP), in Lunge, Leber und Niere erfolgt. Eine neue Strategie bei der Behandlung von Kreislauferkrankungen (v.a. Bluthochdruck) beruht auf der pharmakologischen Hemmung dieser Endopeptidase, wodurch die Konzentration der zirkulierenden vasodilatierenden natriuretischen Peptide erhöht werden kann.

28.4.3

Pathobiochemie des Natriumhaushalts

! Ein Natriumüberschuss entsteht durch eine autonome Sekretion von Aldosteron oder als Folge von Ödemen.

Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom). Er wird durch Adenome oder Karzinome der die Mineralocorti-

an die Extrazellulärdomäne führt zur Homodimerisierung des Rezeptors, wodurch ATP an die kinaseähnlichen Domänen bindet. Dies führt dann zur Aktivierung einer Guanylatcyclaseaktivität

927 28.4 · Der Natriumhaushalt

coide produzierenden Zellen der Nebennierenrinde verursacht. Das Krankheitsbild ist durch die Wirkung pathologisch erhöhter, autonom sezernierter Mineralocorticoide, meist Aldosteron, geprägt. Typischerweise findet sich bei den betroffenen Patienten eine erhöhte Natriumretention bei gesteigerter Kaliumausscheidung. Der letztere Effekt des Aldosterons bewirkt eine Hypokaliämie mit Folgeerscheinungen wie Müdigkeit, Muskelschwäche u.a. Die gesteigerte Natriumretention führt zu einer gleichzeitigen Wasserretention und damit zur Ausbildung von Ödemen, häufig mit Hypertonie. Sekundärer Hyperaldosteronimus. Dieser tritt oft bei generalisierten Ödemen auf. Grundlagen für deren Entstehung können sein: 4 eine eingeschränkte renale Ausscheidung von Natrium wie z.B. bei terminalem Nierenversagen 4 eine Erhöhung des kapillären hydrostatischen Drucks wie z.B. bei Herzinsuffizienz, Flüssigkeitsübertritt ins Interstitium und damit einer Reduktion des Plasmavolumens 4 eine Abnahme des kapillären kolloidosmotischen Drucks durch Proteinverlust (nephrotisches Syndrom) oder eingeschränkte Neubildung von Albumin (Hungerzustände, Lebercirrhose). Bei der Lebercirrhose löst die Erhöhung des Portalvenendrucks zusätzlich die Bildung von lokalen Ödemen im Bauchraum (Aszites) aus

Die mit den generalisierten Ödemen einhergehende Hypovolämie löst entsprechende gegenregulatorische Maßnahmen zur Wiederherstellung des Volumens aus und führt zur Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Durch die verstärkte AngII- und nachfolgend stimulierte Aldosteronbildung entwickelt sich daraus ein sekundärer Hyperaldosteronimus. Reninhypersekretion. Eine unregulierte Mehrsekretion von Renin und damit einhergehende Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems kann ebenfalls zu einer Erhöhung des Natriumbestands führen. Eine klassische Situation hierfür stellt die Nierenarterienstenose dar (7 o.). Ein vor allem nächtlich auftretender Abfall der Nierenperfusion bei Herzinsuffizienz führt ebenfalls zu einer Steigerung der Reninfreisetzung und Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems. Dies führt bei den Patienten in der Folge

zu einer Salz- und Wasserretention, welche die eingeschränkte Pumpfunktion des Herzens noch weiter verschlechtert. ! Natriumüberschuss und Ödeme können mit Hemmstoffen des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System beseitigt werden.

Klinisch machen sich Ödeme bemerkbar, wenn ca. 3–4 l Flüssigkeit in das Interstitium eingelagert wurden. Das erfordert eine zusätzliche Retention von 0,5 mol NaCl oder mehr, was ein Anzeichen für eine unangemessen hohe Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ist. Aus diesem Grunde werden bei erhaltener Nierenfunktion Ödeme häufig mit Diuretika oder Antagonisten des ReninAngiotensin-Aldosteron-Systems behandelt. Seine Hemmung gelingt mittlerweile therapeutisch sehr gut mit spezifischen Blockern der AngII-AT1-Rezeptoren oder durch Hemmer des angiotensin-I-converting-enzyme, welche die Bildung des biologisch aktiven AngII verhindern. ! Durch Salzverlust kann rasch ein Natriumdefizit entstehen.

Natriummangelzustände führen aus osmotischen Gründen zu einer Verringerung des Extrazellulärraums und damit auch des Plasmavolumens. Entsprechend ist die Füllung des Kreislaufsystems vermindert und es kann sich ein hypovolämischer Kreislaufschock entwickeln. Ursachen dafür können sein: 4 Verluste aus dem Magen-Darmtrakt durch Erbrechen oder Durchfall (Darminfektionen wie z.B. Cholera) 4 Starke Schweißproduktion: Bei einer Schweißproduktion von >3 l/Tag muss zusätzlich Natrium angeboten werden, da die in der Nahrung enthaltene Menge an Kochsalz (ca. 10 g/Tag) den Verlust nicht mehr kompensiert 4 Hypoaldosteronismus: Eine verminderte Biosynthese und Sekretion von Mineralocorticoiden, speziell von Aldosteron, ist ein relativ seltenes Krankheitsbild. Es entwickelt sich im Verlauf einer allgemeinen Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison) sowie gelegentlich beim adrenogenitalen Syndrom (7 Kap. 27.3.10). Die Folge derartiger Krankheitsbilder besteht in einem Salzverlustsyndrom mit Hyponatriämie und Hyperkaliämie 4 Unkontrollierter Einsatz von harnfördernden Mitteln

28

928

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

In Kürze Der Natriumbestand des Körpers wird vor allem über die Kontrolle des Extrazellulärvolumens reguliert. Eine Abnahme des Volumens aktiviert über arterielle Pressorezeptoren den Sympathikus, was in der Niere direkt die Na+-Reabsorption fördert und über eine Stimulation der Reninsekretion das Renin-Angiotensin-AldosteronSystem aktiviert. Auch die Aktivierung der Niederdruckrezeptoren (in Hohlvenen und Herzvorhöfen) stimuliert das ReninAngiotensin-Aldosteron-System über eine verstärkte Reninsekretion. Parallel dazu wird ADH freigesetzt und das Durstgefühl ausgelöst. Die durch Angiotensin II induzierte Bildung von Aldosteron fördert die renale Natriumresorption im

28

28.5

Der Kaliumhaushalt

28.5.1

Regulation des Kaliumhaushalts

! Das Körperkalium befindet sich zu 98% im Intrazellulärraum.

Kalium ist in mehrfacher Hinsicht ein biochemisch-physiologisch sehr bedeutsames Ion. Es bestimmt wesentlich das Membranpotential und damit das elektrische Verhalten von Zellen. Weiterhin aktiviert es eine Reihe von Enzymen. Es ist außerdem wichtig für die Regulation des Zellvolumens wie auch für die zelluläre pH-Regulation. Den obligaten Kaliumverlusten in Höhe von 25 mmol/ 24 h steht eine durchschnittliche Nahrungszufuhr von 50–150 mmol/24 h gegenüber. Dieser nahrungsbedingte Kaliumüberschuss muss eliminiert werden, wobei sich

Sammelrohr, begleitet von einer ADH-bedingten Wasserretention. Ein Anstieg des Natriumbestands des Körpers und damit verbunden eine Vergrößerung des Extrazellulärvolumens hemmt die: 4 Reninsekretion und damit die Angiotensin II-Bildung 4 Aldosteronproduktion und 4 ADH-Sekretion Ein Anstieg des Drucks im Niederdrucksystem aktiviert in den Herzvorhöfen die Freisetzung von ANP, welches die Ausscheidung von Natrium und Wasser in der Niere stimuliert.

die Kaliumausscheidung durch die Nieren problemlos auf 500 mmol/24 h steigern lässt. Etwa 10% der täglichen Kaliumausscheidung erfolgt im Intestinaltrakt. Die Gesamtkaliummenge des Körpers liegt bei 40– 50 mmol/kg Körpergewicht (d.h. 3,5 mol bei einer Person mit 70 kg), wovon sich 98% im Intrazellulärraum befinden. Die intrazelluläre Kaliumkonzentration liegt bei durchschnittlich 140 mmol/l. Die Kaliumkonzentration des Blutplasmas beträgt demgegenüber im Mittel nur 4 mmol/l (Normbereich 3,5–5,5 mmol/l), sodass der Gesamtbestand an extrazellulärem Kalium nur 60–80 mmol beträgt (. Tabelle 28.8). ! Enterale Kaliumaufnahme, Verschiebungen von Kalium zwischen dem Intra- und Extrazellulärraum sowie die renale Kaliumausscheidung sind die wesentlichen Determinanten der Plasmakaliumkonzentration.

. Tabelle 28.8. Daten zum Kaliumstoffwechsel Verteilung des Kaliums im Organismus

mmol/kg Körpergewicht

Plasma

0,2

Interstitielle Flüssigkeit, Lymphe

0,5

Sehnen und Knorpel

0,2

Knochen (gesamte Menge)

4,1

Transzelluläre Flüssigkeit

0,5

Gesamtmenge



Prozentualer Anteil an der Gesamtmenge 0,4 1,0 0,4 7,6 1,0

im Extrazellulärraum

5,5

10,4

im Intrazellulärraum

48,3

89,6

58,0

100,0

im Organismus Kaliumkonzentration des Blutplasmas Normalbereich Tägliche Ausscheidung mit dem Urin Tägliche Zufuhr mit der Nahrung

4,0 mmol/l 3,5–5,5 mmol/l 60–80 mmol 50–150 mmol (Durchschnitt 65 mmol)



929 28.5 · Der Kaliumhaushalt

Kaliumaufnahme. Das Membranpotential der meisten

Körperzellen hängt wesentlich vom elektrochemischen Gleichgewichtspotential (Nernst-Potential) für Kalium und damit vom Verhältnis der intra- und extrazellulären Kaliumkonzentrationen ab (7 Lehrbücher der Physiologie). Wegen der stark unterschiedlichen Konzentrationen von Kalium im Intrazellulärraum (ca. 140 mmol/l) und Extrazellulärraum (ca. 4 mmol/l) können bereits quantitativ geringe Relativverschiebungen von Kaliumionen zwischen den beiden Kompartimenten das Verhältnis der Konzentrationen und damit das Membranpotential stark beeinflussen. Besonders empfindlich auf solche Veränderungen reagieren dabei elektrisch erregbare Gewebe wie Nerven- oder Muskelzellen. Am Herzmuskel resultieren daraus Störungen der Erregungsbildung und -fortleitung im Herzen, die lebensbedrohlich (Kardioplegie!) sein können. Entsprechend müssen die intrazellulären und extrazellulären Kaliumkonzentrationen sehr genau reguliert werden. Nach der Resorption wird mit der Nahrung aufgenommenes Kalium zum größten Teil in den Intrazellulärraum überführt, wobei das während der Nahrungsaufnahme aus der Bauchspeicheldrüse freigesetzte Insulin eine wichtige Rolle spielt (7 Kap. 26.1). Es stimuliert die Na+/K+ATPase-Aktivität in Leber und Muskel, die dadurch zusätzlich Kalium aufnehmen. Der im Extrazellulärraum verbleibende Rest des Nahrungskaliums wird unmittelbar über die Nieren ausgeschieden. So wird eine Überflutung des Extrazellulärraums mit Kalium und damit eine Hyperkaliämie und in der Folge eine Depolarisation von Zellmembranen vermieden. Wenn die Insulinwirkung abklingt, verlässt das Kalium langsam die Zellen und wird über die Nieren ausgeschieden. Angesichts dieser Wirkung von Insulin wird die Hyperkaliämie bei entgleistem Diabetes Typ1 verständlich (7 Kap. 26.4.1). Renale Kaliumausscheidung. Die renale Kaliumausscheidung wird durch folgende Faktoren reguliert: 4 Aldosteron reguliert die renale Kaliumausscheidung indirekt, da es über die Steigerung der Natriumreabsorption die Kaliumausscheidung erhöht. Erhöhte Plasmakonzentrationen von Kalium stimulieren dabei die Sekretion von Aldosteron aus der Nebennierenrinde (. Abb. 28.28). Die aldosterongesteuerte Kaliumausscheidung in den Verbindungstubuli und Sammelrohren der Niere kann in einem weiten Bereich unterschiedlichen enteralen Kaliumaufnahmen angepasst werden, ohne dass es zu pathologischen Änderungen der Plasmakaliumkonzentration kommt, weil sich die renale Kaliumausscheidung bis auf 500 mmol/Tag steigern lässt (vgl. eine mittlere tägliche Aufnahme von 65 mmol). Bei erhöhter Kaliumzufuhr steigt unter der Wirkung von Aldosteron die Na+/K+-ATPase-Aktivität und die Kaliumsekretionsrate in den Sammelrohren

. Abb. 28.28. Abhängigkeit der Plasma-Aldosteronkonzentration von der Plasma-Kaliumkonzentration. (Modifiziert nach Guyton, Textbook of Medical Physiology. Saunders 1986)

4 Da die Aktivität der Kaliumkanäle im Sammelrohr auch durch die Protonenkonzentration reguliert wird, führt eine Alkalose zu verstärkten Kaliumverlusten und eine Azidose zu einer Verminderung der Kaliumsekretion und damit zur Kaliumretention 4 Der Harnfluss im Sammelrohr beeinflusst ebenfalls die Kaliumausscheidung. Je höher der Harnfluss, umso mehr Kalium kann ausgeschieden werden. Bei niedrigen Harnflussraten akkumuliert Kalium in der Tubulusflüssigkeit, wodurch der Ausstrom aus den Sammelrohrzellen gebremst wird

28.5.2

Pathobiochemie des Kaliumhaushalts

Da Kalium ganz vorwiegend intrazellulär lokalisiert ist, lassen Bestimmungen der Plasmakaliumkonzentration keine verlässlichen Abschätzungen des Gesamtkörperkaliums zu. Indirekten Aufschluss hierüber gibt die Messung von Kalium im Erythrozyten. Störungen des Kaliumhaushalts beruhen meist auf Störungen der renalen Kaliumausscheidung. Hyperkaliämie. Hyperkaliämien, die durch einen Anstieg

der Plasmakaliumkonzentration über 5,5 mmol/l gekennzeichnet sind, sind meist ein Zeichen einer unzureichenden Nierenfunktion (Niereninsuffizienz). Weiterhin kann auch eine ungenügende Produktion von Aldosteron (Hypoaldosteronismus), eine vermehrte Freisetzung aus dem Gewebe bei Verletzungen oder Hämolyse zu einer Hyperkaliämie führen. Auch ausgeprägte Azidosen gehen mit einer Hyperkaliämie einher (. Abb. 28.29). Eine Hyperkaliämie macht sich zuerst im EKG durch eine Veränderung des Kammerkomplexes (»hohe T-Welle«)

28

930

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Ionenaustauscherharzen kann die intestinale Resorption von Kalium gehemmt werden.

. Abb. 28.29. Verschiebung von Kaliumionen zwischen Intra(IZR) und Extrazellulärraum (EZR) bei Änderungen der Protonenkonzentration des Extrazellulärraums

28

bemerkbar; am Herzen treten Arrhythmien, bis hin zum Herzstillstand auf. Bei bedrohlicher Hyperkaliämie kann durch die gleichzeitige Verabreichung von Insulin und Glucose Kalium aus dem Extrazellulärraum in den Intrazellulärraum verschoben werden. Mit der oralen Gabe von

Kaliummangel und Hypokaliämie. Bei kaliumarmer Ernährung kann die tägliche renale Kaliumausscheidung bis auf ca. 8–10 mmol/Tag herabgesetzt werden. Voraussetzung für die Entwicklung eines Kaliummangels sind daher in der Regel neben einer reduzierten Zufuhr auch starke Verluste über die Niere oder den Magen-Darm-Trakt (Diarrhoe). Im Plasma liegt eine Hypokaliämie bei einen KaliumWert <3,5 mmol/l vor. Massive Essstörungen, wie z.B. bei Anorexia nervosa, aber auch Fehlernährung bei Alkoholismus, können die Kaliumzufuhr wesentlich vermindern. Ursachen für eine verstärkte renale Ausscheidung sind Hyperaldosteronismus oder massive Salzverluste durch Diuretika bzw. durch kongenitale genetische Salzverlustsyndrome, wie das Bartter-Syndrom oder das Liddle-Syndrom (7 o.). Chronischer Kaliummangel führt zu degenerativen Veränderungen im Myokard und am Skelettmuskel, die funktionelle Störungen, wie Muskelschwäche und Paralyse, zur Folge haben. Hypokaliämie zeigt im EKG charakteristische Veränderungen, so z.B. ein Abflachen der T-Welle und Auftauchen der sog. U-Welle.

In Kürze Kalium ist mengenmäßig das Hauption des Intrazellulärraums. Da das Membranpotential der meisten Körperzellen vom Verhältnis der intra- und extrazellulären Kaliumkonzentration abhängt, ist es lebenswichtig, dass die relativ niedrige extrazelluläre Konzentration von Kalium in engen Grenzen gehalten wird. Insulin stimuliert die Aufnahme von Kalium in die Zellen und senkt dadurch akut die Kaliumkonzentration im Extrazellulärraum.

28.6

Der Calcium- und Phosphathaushalt

28.6.1

Calciumhaushalt

Der Mensch nimmt mit der Nahrung mehr Kalium auf als er obligat abgibt. Entsprechend wird Kalium über die Nieren reguliert ausgeschieden. Ein wichtiger Regulator dabei ist das Nebennierenrindenhormon Aldosteron, dessen Produktion invers zur Plasmakaliumkonzentration reguliert wird und das die Kaliumausscheidung in der Niere stimuliert. Störungen des Kaliumhaushalts sind häufig mit Störungen des Säure-Basen-Haushalts vergesellschaftet.

Blutgerinnung. Als freies Ion ist Calcium durch Bildung von Komplexen mit Phospholipiden und Gerinnungsfaktoren (Bindung an J-Carboxyglutamylgruppen, 7 Kap. 23.2.4) an der Aktivierung des extra- und intravaskulären Systems der Blutgerinnung beteiligt (7 Kap. 29.5.3).

! Calcium ist an vielen zellulären Vorgängen beteiligt.

Stabilisierung des Membranpotentials. Die extrazelluläre Knochenmineralisierung. Gemeinsam mit anorganischem

Phosphat (7 u.) bildet Calcium in Form einer dem Hydroxylapatit ähnlichen Struktur den anorganischen Anteil des Knochens sowie des – prinzipiell gleich aufgebauten – Dentins und Schmelzes der Zähne (7 Kap. 24.7.1). Neben der mechanischen Funktion, die der Knochen als Stützgewebe erfüllt, dient das Knochengewebe auch als Speicherorgan für Calciumionen, aus dem es bei Calciummangel mobilisiert werden kann. Etwa 1% des Calciumpools der Knochen ist zu diesem Zweck verfügbar.

Calciumkonzentration beeinflusst die neuromuskuläre Erregbarkeit dahingehend, dass kleinere Membranpotentialsänderungen nicht zur Auslösung eines Aktionspotentials führen. Sinkt die Calciumkonzentration nur wenig unter den Normwert, so stellt sich eine neuromuskuläre Übererregbarkeit bis zu tetanischen Krämpfen ein. Zellaktivierung. Die Calciumkonzentration im Cytosol der

meisten Säugetierzellen beträgt im Ruhezustand weniger als 10–7 mol/l. Da die extrazelluläre Konzentration an freien

931 28.6 · Der Calcium- und Phosphathaushalt

Calciumionen bei etwa 1,7 u 10–3 mol/l liegt, besteht damit an der Plasmamembran ein etwa 10000-facher zelleinwärts gerichteter Calciumgradient. Der gesamte Calciumgehalt der Zelle und der Pool des austauschbaren Calciums sind hingegen viel höher als es die cytosolische Calciumkonzentration vermuten lässt. Wäre z.B. das gesamte zelluläre Calcium ionisiert und gleichmäßig in der Zelle verteilt, so würde die intrazelluläre Calciumkonzentration etwa 2–10 mmol/l betragen und damit sogar über der Konzentration im Extrazellularraum liegen. Da durch die zahlreichen Phosphat-übertragenden Prozesse ständig freies anorganisches Phosphat im Cytosol der Zelle entsteht, würde sich das freie Calcium – wenn es in so hohen Konzentrationen vorläge – mit dem Phosphat zu einem unlöslichen Komplex verbinden, wie es im Knochen zu beobachten ist. Daher sind über 90% des Zellcalciums nicht ionisiert, sondern befinden sich als CalciumphosphatKomplex in den Mitochondrien oder an Proteine gebunden im endoplasmatischen Retikulum. Als Zellaktivierung bezeichnet man die Anregung einer Zelle zur Ausübung ihrer spezifischen Funktionen, z.B. Muskelkontraktion, Nervenleitung, Sekretion, Ionentransport, Stoffwechselfunktionen etc. Bei vielen dieser Prozesse besitzt Calcium eine Signalfunktion, da es als second messenger bei der Signaltransduktion durch extrazelluläre Signalmoleküle wirkt (7 Kap. 25.4.5). Dabei steigt die cytosolischen Calciumkonzentration um den Faktor 10– 100 an. Hierfür stehen prinzipiell 2 Möglichkeiten zur Verfügung, nämlich: 4 Einstrom von Calcium aus dem Extrazellulärraum oder 4 Mobilisierung intrazellulärer Calciumspeicher

einem ständigen Auf- und Abbau unterliegt, befinden sich 99% des Körpercalciums. Der Rest des Körpercalciums ist auf den Extra- und Intrazellulärraum verteilt. Calcium im Blut. Erythrozyten enthalten sehr wenig Calcium, da sie dieses ständig aus ihrem Inneren herauspumpen (7 Kap. 29.2.1). So findet sich das gesamte Calcium im Blutplasma, und zwar in drei Fraktionen: 4 Ionisiertes Calcium. Da es durch die Kapillarmembran in den interstitiellen Raum übertreten kann, wird es auch als diffusibles Calcium bezeichnet 4 Proteingebundes Calcium. Es kann die Kapillarmembran nicht passieren (nichtdiffusibles Calcium). Albumin, aber auch Fetuin, ein spezielles, Calcium-bindendes Protein, spielen hierbei eine große Rolle 4 Komplexiertes Calcium. Es macht nur eine kleine Menge aus, die wahrscheinlich als Citrat- und Phosphatkomplex vorliegt, und die in dieser Form in den interstitiellen Raum übertreten kann

Die . Abb. 28.30 zeigt das Verhältnis der einzelnen Fraktionen, die miteinander im Gleichgewicht stehen. Die Calciumkonzentration liegt normalerweise zwischen 2,2 und 2,6 mmol/l (8,8–10,4 mg/100 ml). Obwohl sich mit weniger als 1% des Gesamtbestands nur ein sehr geringer Teil des Körpercalciums im Blutplasma befindet, und obwohl die tägliche Aufnahme und Ausscheidung im Stuhl und Urin wie auch die Ablagerungen im Knochen großen Schwankungen unterliegen, wird die Plasmakonzentration von Calcium bemerkenswert konstant gehalten.

! 99% des Körpercalciums befinden sich im Knochen.

Calciumbedarf. Der tägliche Bedarf an Calcium liegt bei

20 mmol (0,8 g) beim Erwachsenen, bei 37,5 mmol (1,5 g) in der Schwangerschaft und Lactation, bei 25 mmol (1,0 g) für Kinder und bei 30 mmol (1,2 g) in der Adoleszenz. Intestinale Resorption. Das Ileum ist quantitativ der wesentliche Resorptionsort für Calcium, wobei Vitamin D ein entscheidender Regulator ist (7 Kap. 23.2.2). Von der täglich zugeführten Menge werden 25–40% resorbiert. Je niedriger die Calciumzufuhr ist, desto höher ist die prozentuale Resorption und umgekehrt. Das Ausmaß der Calciumresorption fällt mit zunehmendem Alter ab. Die intestinale Calciumresorption kann durch in der Nahrung enthaltene Verbindungen, wie Phytinsäure (z.B. im Hafer) und Oxalsäure (z.B. im Spinat), die schwer lösliche Calciumkomplexe bilden, beeinflusst werden. Verteilung im Organismus. Der Gesamtbestand des Organismus beträgt 400 mmol/kg Körpergewicht (ca. 28 000 mmol beim Erwachsenen mit 70 kg). Im Knochen, der

. Abb. 28.30. Die einzelnen Fraktionen des Plasmacalciums. Dargestellt sind die Mittelwerte von 29 Normalpersonen. (Nach Moore EW (1970) J Clin Invest 49:318)

28

932

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Der freie (ionisierte) Anteil des Plasmacalciums ist der biochemisch entscheidende. Die Nebenschilddrüsen reagieren durch Sekretion von Parathormon auf Änderungen des ionisierten Calciums (Regulation der extrazellulären Calciumkonzentration, 7 Kap. 28.6.3). Die Bindung des Calciumions an die Carboxylat- und Phosphatgruppen der Plasmaproteine ist pH-abhängig (Dissoziation dieser Gruppen): 4 Eine Erhöhung der Protonenkonzentration des Bluts (Azidose) führt zu geringerer Dissoziation dieser schwach sauren Gruppen, sodass weniger Calcium gebunden werden kann 4 Eine Verringerung der Protonenkonzentration (Alkalose, 7 Kap. 28.8.6) bedingt eine vermehrte Bindung von Calcium an Plasmaproteine

28

Auch Änderungen der Proteinkonzentration der Bluts (7 Kap. 29.6.4) gehen mit einer entsprechenden Änderung der Konzentration an freien Calciumionen einher. Die Calciumkonzentration in der interstitiellen Flüssigkeit beträgt etwa 1,75 mmol/l (7 mg/100 ml), im Liquor cerebrospinalis zwischen 1,12 und 1,24 mmol/l (4,5–6 mg/100 ml). Diese Werte entsprechen ungefähr der Konzentration des ionisierten Calciums, da das an Plasamproteine gebundene Calcium nicht frei diffusibel ist. Ausscheidung. Calcium wird im Wesentlichen über die

Nieren ausgeschieden. Das nichtproteingebundene Calcium (60%) wird glomerulär filtriert. Etwa 90% der glomerulär filtrierten Ca2+-Menge wird im proximalen Tubulus und der dicken aufsteigenden Henle-Schleife vorwiegend parazellulär und ohne Regulation resorbiert. Die Regulation der Calciumausscheidung erfolgt im distalen Tubulus (Pars convoluta) durch Parathormon (7 Kap. 28.6.3) und 1,25-(OH)2-Cholecalciferol (7 Kap. 23.2.2), welche dort die Calciumreabsorption stimulieren und so die renale Calciumausscheidung vermindern. Im Normalfall werden nur etwa 1% der filtrierten Ca2+-Menge ausgeschieden, was bei normaler Ernährung einer täglichen renalen Ausscheidung von 3,75–11,25 mmol (150–450 mg) entspricht. Die maximale Ausscheidung liegt bei nur 25 mmol (1 g) pro 24 h. Bei höheren Urinkonzentrationen fällt Calcium zusammen mit anderen Stoffen in Form von Nierensteinen aus (7 Kap. 28.2.4), da Calcium und Phosphat sich im Urin in einer übersättigten Lösung befinden. Mit dem Darm gelangen ebenfalls etwa 3,75–11,25 mmol (150– 450 mg) zur Ausscheidung. Außerdem verliert der Organismus Calcium mit dem Schweiß (Konzentration 0,3– 15 mmol/l), mit dem plazentaren Kreislauf und der Milch (Lactation).

28.6.2

Phosphathaushalt

! Phosphor ist im Organismus als anorganisches oder organisches Phosphat vorhanden.

Zusammen mit Calcium ist Phosphat der Hauptbestandteil des anorganischen Anteils des Knochengewebes (Knochenmineral). Zusätzlich ist es in Form organischer Phosphatverbindungen (Nucleinsäuren, Phosphoproteine [Phosphorylierung und Dephosphorylierung von Proteinen], Phospholipide, Zwischenprodukte des Kohlenhydratstoffwechsels [Hexose- und Triosephosphate; 2,3-Bisphosphoglycerat] sowie Adenosintriphosphat und Kreatinphosphat) praktisch in jeder Zelle des Organismus zu finden. In der Zelle entsteht bei Reaktionen mit Adenylattransfer (z.B. Aktivierung von Fett- und Aminosäuren und Biosynthese von Carbamylphosphat) und bei der Bildung von cAMP Pyrophosphat, das durch Pyrophosphatasen zu Orthophosphat hydrolysiert wird. Als Dihydrogenphosphat-Hydrogenphosphat-System wirkt Phosphat als Puffer im Intrazellulärraum (pKc = 6,80!), Blutplasma und Urin (titrierbare Säure). ! Phosphat- und Calciumstoffwechsel sind eng verbunden.

Phosphatbedarf. Der tägliche Phosphatbedarf beträgt 25–30 mmol (800–900 mg). Milchprodukte, Getreide und Fleisch sind die besten Quellen. Intestinale Resorption. Phosphat wird im Jejunum wie im

proximalen Tubulus der Niere (7 Kap. 28.1.6) im Cotransport mit 2 Na+ durch die luminale Membran resorbiert. Das Cotransportsystem wird durch 1,25-(OH)2-Cholecalciferol stimuliert. Durchschnittlich werden 70% der zugeführten Menge resorbiert; der Prozentsatz steigt mit abnehmendem Phosphatangebot an. Da Phosphat mit Aluminium eine unlösliche – nicht resorbierbare – Verbindung eingeht, kann die Phosphatresorption therapeutisch durch Aluminiumhydroxidgel gehemmt werden. Organische Phosphatverbindungen werden durch Phosphatasen im Darm hydrolysiert. Die Resorption erfolgt ausschließlich als anorganisches Phosphat. Phytinsäure (der Hexaphosphatester des Inositols), die reichlich in Getreidekörnern vorkommt, ist eine schlechte Phosphatquelle, da im menschlichen Verdauungstrakt keine Phytathydrolase nachgewiesen werden kann. Verteilung im Organismus. Etwa 85% des Phosphatbe-

stands des Organismus befinden sich in Knochen und in den Zähnen. Die übrigen 15% verteilen sich auf die Muskelzellen (6%) und die übrigen Zellen (9%). Phosphat im Blut. Im Gegensatz zur Calciumkonzentra-

tion im Plasma, die in engen und während des gesamten Lebens gleichen Grenzen gehalten wird, fällt die Phos-

933 28.6 · Der Calcium- und Phosphathaushalt

phatkonzentration im Plasma mit dem Alter ab und liegt beim Erwachsenen zwischen 1 und 2 mmol/l. Davon sind etwa 10% nichtcovalent an Proteine gebunden. Zusätzlich zum anorganischen Phosphat finden sich im Plasma noch organische Phosphatverbindungen (Phosphatester und lipidgebundenes Phosphat). Phosphat wirkt im Blutplasma (und Urin) als Puffer, wobei seine Pufferkapazität allerdings nur 1% der Gesamtpufferkapazität des Bluts beträgt. Bei einem pH-Wert des Blutplasmas von 7,4 liegen 80% des anorganischen Phosphats als HPO42– und 20% als H2PO4– vor. Die Plasmaphosphatkonzentration ist die Resultante aus der Resorption im Darm, dem Einbau und der Freisetzung von Phosphat aus dem anorganischen Anteil des Knochengewebes, Verschiebung zwischen Extra- und Intrazellulärraum sowie der Ausscheidung durch die Nieren. Die Konzentration von anorganischem Phosphat im Plasma unterliegt einem ausgeprägten – durch Parathormon nicht beeinflussbaren – Tag-Nacht-Rhythmus und hängt außerdem von der mit der Nahrung zugeführten Menge ab. Mit diesem Rhythmus gehen Schwankungen der Phosphatkonzentration im Urin parallel (. Abb. 28.31). Die Konzentration des Plasma- und Urinphosphats ist am Vormittag am niedrigsten und am Abend am höchsten. Ausscheidung. Die Ausscheidung von Phosphat erfolgt

hauptsächlich über die Nieren, daneben auch über Schweiß und Stuhl. Da die Phosphatausscheidung in den Urin ebenso wie die Plasmakonzentration einem ausgeprägten TagNacht-Rhythmus unterliegt, muss ihre quantitative Erfassung über den 24-Stunden-Urin erfolgen. Anorganisches Phosphat wird glomerulär frei filtriert und ausschließlich im proximalen Tubulus zu 85–90% wieder reabsorbiert. Von den miteinander im chemischen Gleichgewicht stehenden Phosphaten der Tubulusflüssigkeit

wird HPO42– im Cotransport mit Na+ über spezifische Transporter (NaPi) in der luminalen Membran in die Zelle geleitet. Basolateral wird Phosphat über einen Uniporter wieder ausgeschleust. Die renale Phosphatausscheidung wird durch Parathormon, Calcitonin, Calciumzufuhr, Östrogene, Thyroxin und eine Azidose erhöht, durch Wachstumshormon, Insulin und Cortisol erniedrigt (7 u.). Die Regulation der renalen Phosphatausscheidung ist nicht nur für den Phosphatbestand des Körpers an sich von Bedeutung, sondern hat auch direkte Auswirkung auf die Protonenausscheidung im Urin. Da HPO42– ein sehr effektiver Protonenpuffer im physiologischen pH-Bereich des Harns ist (7 o.), werden bei verminderter Phosphatresorption wesentlich mehr Protonen (bis zu 30 mmol pro Tag mehr) ausgeschieden.

. Abb. 28.31. Schwankungen des Plasmaphosphats und der Phosphatausscheidung in den Urin Mittelwerte von 3 gesunden Probanden. (Nach Stanbury SW (1958) Adv Intern Med 9:31)

28.6.3

Hormonelle Regulation des Calcium- und Phosphatstoffwechsels

! Die Plasmacalciumkonzentration wird durch das Zusammenspiel von Parathormon, Thyreocalcitonin und 1,25-Dihydroxy-cholecalciferol in engen Grenzen konstant gehalten.

Die Konzentration des freien (ionisierten) Calciums in der extrazellulären Flüssigkeit wird durch das Zusammenspiel von Parathormon (PTH), Thyreocalcitonin (CT) und 1,25-Dihydroxycholecalciferol als biologisch aktive Form der D-Vitamine (7 Kap. 23.2.2) erstaunlich konstant gehalten. Die . Abb. 28.32 gibt eine Zusammenfassung der Wechselbeziehungen der 3 Hormone. Ein Absinken der Plasmacalciumkonzentration führt zu einer Sekretion von PTH durch die Nebenschilddrüsen. Dessen Effekt auf den Calciumstoffwechsel von Knochen und Nieren sowie die Biosynthese des D-Hormons bewirken eine rasche Normalisierung des Plasmacalciums. Steigt dieses über einen Sollwert an, kommt es durch eine gesteigerte Thyreocalcitoninfreisetzung zu einer Hemmung der Knochenresorption und damit zum Absinken des Plasmacalciums. Der wichtigste Faktor für die enterale Calciumresorption ist das 1,25-Dihydroxycholecalciferol (1,25-(OH)2-D3).

28

934

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

. Abb. 28.33 zeigt den Aufbau des auf dem kurzen Arm von

Chromosom 11 gelegenen Prä-Pro-PTH-Gens. Es codiert die aus 115 Aminosäuren bestehende Sequenz des PräPro-PTH. Cotranslational wird im rauen endoplasmatischen Retikulum die aminoterminale Signalsequenz abgespalten, welche aus 25 Aminosäuren besteht, sodass als Zwischenprodukt das Pro-PTH entsteht (über die Funktion der Signalsequenz 7 Kap. 9.2.2). Im Golgi-Komplex erfolgt unter Bildung des reifen PTH die proteolytische Abspaltung eines N-terminalen Hexapeptids aus meist basischen Aminosäuren. ! Die PTH-Sekretion wird durch die extrazelluläre Calciumkonzentration reguliert; PTH wird proteolytisch abgebaut.

Regulation der PTH-Sekretion. Da die Zellen der Neben-

28

. Abb. 28.32. Regulation der extrazellulären Calciumkonzentration. Ein Abfall des Plasmacalciums stimuliert die Freisetzung von Parathormon aus den Nebenschilddrüsen, das die Biosynthese von 1,25-(OH)2-D3 in den Nieren beschleunigt. Parathormon und 1,25-(OH)2-D3 fördern gemeinsam die Freisetzung von Calcium aus dem Skelettsystem. Außerdem fördert 1,25-(OH)2-D3 die intestinale Calciumresorption. Diese beiden Wirkungen führen dazu, dass der Plasmacalciumspiegel wieder den Normalwert erreicht. Das bei der Calciummobilisierung gleichzeitig aus dem Knochen freigesetzte oder im Darm resorbierte Phosphat hemmt direkt die Biosynthese von 1,25-(OH)2-D3 nach Art eines negativen Rückkoppelungsprozesses

! Parathormon entsteht durch limitierte Proteolyse eines Präkursors in den Nebenschilddrüsen.

Struktur des Parathormons. Parathormon (PTH) wird von den Nebenschilddrüsen sezerniert. Es sind meist 4 etwa linsengroße abgegrenzte Organe, die hinter den 4 Polen der Schilddrüse liegen. PTH ist ein Polypeptid aus 84 Aminosäuren. Die PTH verschiedener Spezies unterscheiden sich nur geringfügig, z.B. das des Rinds von dem des Schweins in nur 7 der 84 Aminosäuren. Untersuchungen mit synthetischen Teilsequenzen zeigten, dass für die biologischen Effekte des Hormons nur die ersten 27 N-terminalen Aminosäuren notwendig sind.

schilddrüsen nur relativ wenig Sekretgranula enthalten, kann man annehmen, dass PTH zum größten Teil kontinuierlich synthetisiert und konstitutiv sezerniert wird. Die Sekretion von PTH wird durch die Konzentration an ionisiertem Calcium im Blutplasma reguliert. Ein Abfall der Calciumkonzentration bewirkt einen Anstieg der cAMPKonzentration und eine gesteigerte PTH-Sekretion (. Abb. 28.34a). Bei erhöhter Plasmacalcium-Konzentration sinkt der intrazelluläre cAMP-Spiegel in den Epithelkörperchen und die PTH-Sekretion kommt zum Erliegen. Die Verbindung zwischen der extrazellulärer Calciumkonzentration und der intrazellulären cAMP-Konzentration besteht dabei in einem membranständigen »Calciumrezeptor«-Protein, welches zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren mit 7 Transmembrandomänen zählt. Ein Anstieg der extrazellulären Calciumkonzentration im physiologischen Bereich führt zur Aktivierung des Rezeptors und damit zur intrazellulären Calciummobilisierung über den Inositolphosphatweg. Ein Anstieg der Calciumkonzentration hemmt wahrscheinlich die Aktivität der Adenylatcyclase (Typ VI) und senkt so den intrazellulären cAMP-Spiegel, worauf sich die PTH-Sekretion vermindert (. Abb. 28.34b). Stoffwechsel des PTH. Sowohl innerhalb der Epithelkörperchen selbst als auch in der Leber und möglicherweise in den Nieren, erfolgt ein proteolytischer Abbau des PTH. Dabei kommt es zunächst zu einer Spaltung im ersten Drittel des PTH-Moleküls. Das dabei entstehende Bruchstück aus den Aminosäuren 1–33 besitzt noch die volle biologische Aktivität, das Bruchstück 34–84 ist dagegen inaktiv. Das N-terminale Fragment 1–33 wird offensichtlich schneller weiter abgebaut als das C-terminale. Jedenfalls geben Epithelkörperchen sehr viel größere Mengen dieses Fragments ans Blut ab als intaktes PTH und Fragment 1–33. Im Blut findet sich ein Gemisch aus vollständigem PTH sowie unterschiedlich biologisch aktiven Bruchstücken.

Biosynthese und Sekretion des Parathormons. Wie bei

vielen anderen Polypeptidhormonen erfolgt auch die Biosynthese des PTH als größeres Vorläufermolekül. Die

! PTH erhöht die Plasmacalciumkonzentration durch seine Wirkung an Knochen, Nieren und Dünndarm.

935 28.6 · Der Calcium- und Phosphathaushalt

. Abb. 28.33. Das Prä-Pro-PTH-Gen und die Prozessierung seines Transkriptions- und Translationsproduktes. (Einzelheiten 7 Text)

Nach Zufuhr von PTH findet sich im Plasma ein Anstieg des Calciums sowie ein Abfall der Konzentration des anorganischen Phosphats. Diese Effekte lassen sich auf die PTHWirkung an den Knochen, den Nieren sowie der intestinalen Mukosa erklären: 4 Am Knochen führt PTH durch die Aktivierung von Osteoklasten zu einer Freisetzung von Calcium. Darüber hinaus beeinflusst PTH die organische Knochenmatrix, in dem es zu einer Auflösung von Kollagen und Knochengrundsubstanz führt. Diese Wirkung beruht auf der Aktivierung von Kollagenasen und von lysosomalen Hydrolasen in den Osteoklasten. Als Folge wird vermehrt Hydroxyprolin aus dem Knochen freigesetzt. Die erhöhte Ausscheidung dieser Verbindung im Urin kann daher als diagnostischer Parameter für eine erhöhte PTH-Aktivität verwendet werden 4 Die Regulation der renalen Calciumausscheidung erfolgt im distalen Tubulus (Pars convoluta) durch PTH und 1,25-(OH)2-Cholecalciferol, welche dort die Calciumresorption stimulieren. Die Regulation der renalen Phosphatausscheidung erfolgt im proximalen Tubulus,

wo Phosphat über einen Natriumcotransport (NaPi) resorbiert wird. NaPi wird in seiner Aktivität und auch in der Zahl der Transportmoleküle durch Parathormon und Calcitonin gehemmt. Entsprechend führen PTH und Calcitonin zu einer verstärkten Phosphatausscheidung im Urin (Phosphaturie). Bis zu 20% des filtrierten Phosphates können so ausgeschieden werden, was zu einem Abfall der Phosphatkonzentration im Plasma führt. Da die Konzentrationen von freiem Calcium und freiem Phosphat zusammen mit ihrem Produkt Calciumphosphat im reversiblen chemischen Gleichgewicht stehen, führt ein Abfall der Phosphatkonzentration gleichzeitig zu einem Anstieg der Calciumkonzentration 4 Ein weiterer sehr wichtiger renaler Effekt des PTH besteht darin, dass es die Hydroxylierung von in der Leber gebildetem 25-Hydroxycholecalciferol zum biologisch aktiven 1,25-Dihydroxycholecalciferol stimuliert. Es führt zu einer gesteigerten Expression der für die 1,25(OH)2–Cholecalciferolbildung notwendigen 1α-Hydroxylase (7 Kap. 23.2.2). Damit schafft es die

28

936

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

Nieren führt sogar zu einer deutlichen Ausscheidung von cAMP im Urin. Der PTH-Rezeptor reagiert auch mit dem PTH related protein (PTHrP) (7 u.). Mittlerweile sind Rezeptoren für PTH bzw. PTHrP in einer Vielzahl weiterer Gewebe nachgewiesen worden. Da man von diesen Geweben eigentlich nicht annehmen kann, dass sie eine besondere Bedeutung für die Regulation des Calcium- und Phosphatstoffwechsels haben, muss man vermuten, dass PTH und/oder das PTHrP (7 u.) noch unbekannte weitere Funktionen haben. ! Parathormon-related-protein hat ähnliche Wirkungen wie PTH.

28

. Abb. 28.34. cAMP-Konzentration und PTH-Freisetzung in Epithelkörperchen. a 105 isolierte Zellen aus Epithelkörperchen wurden mit Calcium in den jeweils angegebenen Konzentrationen inkubiert und danach die intrazelluläre cAMP-Konzentration sowie die PTHAbgabe in das Medium gemessen. b Signalweg der Regulation der PTH-Sekretion aus Epithelkörperchen durch die extrazelluläre Calciumkonzentration. (Einzelheiten 7 Text)

Voraussetzung zur Steigerung der intestinalen Calciumresorption bei erniedrigten Serumcalciumkonzentrationen. An der Dünndarmmukosa stimuliert PTH die Resorption von Calcium und Magnesium. Dieser Effekt ist jedoch im Vergleich zu den anderen Wirkungen des Hormons nur von geringer Bedeutung. Interessanterweise lässt er sich auch nur dann demonstrieren, wenn die Kost relativ calciumarm ist ! Der Parathormonrezeptor ist über G-Proteine mit der Adenylatcyclase gekoppelt.

Parathormon wirkt auf seine Zielzellen über einen heptahelicalen Rezeptor, welcher an heterotrimere, große GProteine gekoppelt ist und die Adenylatcyclase stimuliert. Die meisten, wenn nicht alle Effekte des PTH können durch Behandlung mit cAMP imitiert werden. Der Effekt des PTH auf die Adenylatcyclase der Tubulusepithelien der

Es ist seit langem bekannt, dass bei verschiedenen malignen Tumorerkrankungen eine Hypercalciämie auftreten kann, welche auf die Bildung eines PTH-related-proteins (PTHrP) zurückzuführen ist. PTHrP ist ein aus 139 Aminosäuren bestehendes Protein, das jedoch in Fragmente mit biologischer Aktivität gespalten werden kann (PTHrP 1–36, 38–94 und 107–139). Die ersten 13 Aminosäuren sind identisch mit dem biologisch aktiven aminoterminalen Ende von PTH, was die dem PTH ähnliche biologische Wirkung erklärt. PTHrP wird auch in einer Reihe normaler Gewebe des Erwachsenen exprimiert, wie z.B. Epidermis, Placenta, laktierende Mamma, Nebenschilddrüsen, Hirn, Magen und Leber. PTHrP ist auch in der fetalen Nebenschilddrüse nachweisbar. Offensichtlich ist es wichtig für die Calciumhomöostase des Feten und für die Bereitstellung von Calcium für das fetale Knochenwachstum. PTHrP steuert die fetale Knochenentwicklung. Es wirkt relaxierend auf die Uterusmuskulatur, woraus geschlossen wurde, dass es für die Anpassung des Uterus an das fetale Wachstum und die Ruhigstellung des Uterus wichtig ist. Besonders auffallend ist, dass sehr hohe Konzentrationen von PTHrP in der Muttermilch nachweisbar sind. Geringere Mengen erscheinen in der mütterlichen Zirkulation und sind möglicherweise die Ursache der Calciummobilisierung aus dem mütterlichen Skelett. Die Ausschaltung des PTHrP-Gens durch knockout (7 Kap. 7.4.5) ist letal. PTHrP wirkt über den PTH-Rezeptor. Allerdings konnte gezeigt werden, dass PTHrP nicht nur sezerniert wird, sondern auch reversibel in den Zellkern transloziert werden kann. Sein dortige Funktion ist unklar. ! Thyreocalcitonin wird in der Schilddrüse gebildet.

Das in den C-Zellen der Schilddrüse gebildete, calciumsenkende (Thyreo)calcitonin scheint als spezifischer Gegenspieler des PTH besonders für die Feinregulation des Calciumspiegels im Blut verantwortlich zu sein. Thyreocalcitonin ist ein Peptid aus 32 Aminosäuren, welches N-terminal eine Disulfidbrücke aufweist und dessen C-terminales Ende ein Glycinamid ist. ! Die Sekretion von Thyreocalcitonin wird durch Calcium stimuliert.

937 28.6 · Der Calcium- und Phosphathaushalt

. Abb. 28.35. Aufbau des Thyreocalcitonin-Präkursors bei der Ratte

Thyreocalcitonin entsteht durch proteolytische Prozessierung eines aus 136 Aminosäureresten bestehenden Präkursors (. Abb. 28.35). Die Thyreocalcitonin-Sequenz ist von basischen Aminosäureresten flankiert, die die Signale für die proteolytische Abtrennung des Threocalcitonins sowie für die Aminierung des C-terminalen Glycins liefern. Ein über große Bereiche homologes Peptid, das calcitonin gene related product (CGRP) entsteht durch alternatives Spleißen desselben Gens, wird aber bevorzugt in Neuronen des zentralen und peripheren Nervensystems exprimiert. Es wirkt gefäßerweiternd und ist ein Chemokin für eosinophile Granulozyten. Jede Erhöhung des Spiegels an ionisiertem Calcium im Plasma führt zu einer Thyreocalcitoninabgabe aus der Schilddrüse. Ähnlich wirken die gastrointestinalen Hormone Gastrin oder Pankreozymin. ! Thyreocalcitonin senkt die Calciumkonzentration im Blut durch Wirkung auf Knochen, Darm und Niere.

Am Knochengewebe wirkt Thyreocalcitonin als direkter Antagonist des PTH, d.h. es hemmt die Calciumfreisetzung. Dabei wirkt sich der Hormoneffekt über eine Hemmung der Osteoklastentätigkeit und über die Stimulierung von Knochenanbauprozessen aus. Thyreocalcitonin senkt den Spiegel des ionisierten Calciums im Plasma in weniger als 30 Minuten, wirkt also rascher als PTH (60 min). Allerdings ist sein Effekt von kurzer Dauer, was auch aus den unterschiedlichen Halbwertszeiten für die beiden Hormone hervorgeht. Die Halbwertszeiten des Thyreocalcitonins sind mit 4–12 Minuten etwa 2- bis 3-mal kürzer als die des PTH. Neben der Hemmung der Osteolyse verringert Thyreocalcitonin auch die Magensaft- und Pankreassekretion sowie die intestinale Motilität. Das bewirkt eine Verlangsamung der Verdauungsvorgänge und damit der Calciumresorption, wodurch einer vorübergehenden Hypercalciämie entgegengewirkt wird. In den Nieren fördert es die Calciumausscheidung.

. Abb. 28.36. Signaltransduktion des Thyreocalcitonin an Osteoklasten. Die beiden Rezeptorsubtypen sind über entsprechende G-Proteine an die Adenylatcyclase bzw. die Phospholipase C gekoppelt. Man nimmt an, dass die Erhöhung der cAMP-Konzentration sowie der zellulären Calciumkonzentration zur Fixierung von Osteoklasten in der G0-Phase des Zellzyklus und zu der für ihre Inaktivität typischen Formänderung führt

! Calcitoninrezeptoren sind über G-Proteine mit der Adenylatcyclase oder der Phospholipase C verbunden.

Calcitoninrezeptoren kommen in 2 Subtypen vor und sind Mitglieder der Familie von G-Protein gekoppelten Rezeptoren, zu denen auch die Rezeptoren für PTH, Sekretin, vasoaktives intestinales Peptid (VIP), glucagon-like peptide 1 (GLP-1) und Glukagon gehören. Der Rezeptor ist je nach Subtyp, über G-Proteine an das Adenylatcyclasesystem bzw. die Phospholipase CE gekoppelt. Dementsprechend führt die Behandlung von Osteoklasten, aber auch anderer Zellen mit Thyreocalcitonin zur Erhöhung der cAMP- und Calciumkonzentrationen. Die . Abb. 28.36 zeigt eine schematische Übersicht der molekularen Wirkung von Thyreocalcitonin an Osteoklasten. ! 1,25-Dihydroxycholecalciferol reguliert die intestinale Calciumresorption.

Eine Schlüsselstellung bei der intestinalen Calciumresorption nimmt das hierfür unerlässliche 1,25-Dihydroxycholecalciferol ein (7 Kap. 23.2.2). Damit kommt den Nieren eine wesentliche Funktion bei der Regulation der Calciumresorption und damit des Calciumbestands des Organismus zu. Da die renale Biosyntheserate von 1,25Dihydroxycholecalciferol durch den Calciumspiegel reguliert wird, erhalten die Mukosazellen über diesen Metaboliten die Information über die Höhe des Plasmacalcium-

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938

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

spiegels, die die Grundlage zur Förderung oder Hemmung der intestinalen Resorption bildet. ! Die Plasmaphosphatkonzentration wird über verschiedene Hormonsysteme reguliert.

Eine Erhöhung der Plasma-Phosphatkonzentration kommt durch folgende Mechanismen zustande: 4 Wachstumshormon fördert die Phosphatreabsorption durch die Nieren und führt so zu einer höheren Plasmaphosphatkonzentration v.a. in der Wachstumsphase 4 Vitamin D, Parathormon, Thyroxin aber auch eine Azidose fördern den Knochenabbau und damit die Freisetzung von Phosphat und Calcium in den Extrazellulärraum

28

Zu einer Erniedrigung der Plasma-Phosphatkonzentration kommt es durch: 4 Parathormon, das eine Hemmung der Phosphatreabsorption im proximalen Tubulus auslöst 4 Thyreocalcitonin, das die Plasma-Phosphatkonzentration über eine Hemmung der Knochenresorption senkt 4 Insulin und Glucose, die zu einer vermehrten Aufnahme von Phosphat in den Intrazellulärraum führen und so einen Abfall der Plasmaphosphatkonzentration bewirken

28.6.4

Pathobiochemie des Phosphatund Calciumhaushalts

! Eine Hypophosphatämie beeinträchtigt den ATP-Haushalt.

Gründe für eine Hypophosphatämie sind 4 Phosphatverluste infolge Funktionsstörungen im Nierentubulus, denen entweder ein genetischer Defekt oder eine erworbene Schädigung zugrunde liegt, oder 4 eine Verteilungsstörung, wenn z.B. bei parenteraler Ernährung eine gesteigerte Aufnahme von Phosphat in den Muskel und ins Fettgewebe erfolgt Hypophosphatämien führen u.a. zum ATP- und 2,3-Bisphosphoglyceratmangel (2,3-BPG). Der Erstere löst u.a. eine allgemeine Muskelschwäche und Myokard-Insuffizienz aus, Letzteres führt zu einer Verschlechterung der Sauerstoffversorgung der peripheren Gewebe (7 Kap. 29.2.2) ! Eine Hypercalciämie ist meist osteolytisch bedingt und beeinträchtigt die Funktion zahlreicher Organsysteme.

Bild der Hypercalciämie. Erhöhungen des Calciumspiegels

im Blut über die obere Normgrenze (etwa 2,6 mmol/l) führen zu Funktionsstörungen verschiedener Organe. Hauptsächlich betroffen sind die Nieren (Polyurie, Polydipsie,

Hyposthenurie, Hypokalikämie), der Gastrointestinaltrakt und das Herz (EKG-Veränderungen). Verursacht werden Hypercalciämien durch eine gesteigerte Freisetzung von Calcium aus den Knochen oder eine vermehrte Resorption im Darm. Während ein Mangel an Thyreocalcitonin beim Menschen noch nicht als Ursache für eine Hypercalciämie nachgewiesen werden konnte, können Erhöhungen der Plasmacalciumkonzentration durch eine vermehrte Resorption bei der Überdosierung von Vitamin-D-Präparaten auftreten. Die wichtigste Ursache bilden jedoch die osteolytischen Syndrome, wobei man bedenken sollte, dass bei der Zerstörung von 1 g Knochen etwa 2,5 mmol (100 mg) Calcium freigesetzt werden. Primärer und sekundärer Hyperparathyreoidismus. Die klassische Form für die osteolytischen Syndrome ist der primäre Hyperparathyreoidismus, bei dem durch Tumoren der Nebenschilddrüsen oder auch durch eine ektopische Hormonproduktion anderer Tumoren unabhängig vom Bedarf Parathormon sezerniert wird, das dann eine gesteigerte Osteolyse in Gang setzt. Dies führt zu einer massiven Knochenentkalkung mit Knochenverbiegungen, cystischen Entkalkungsherden und schließlich Spontanfrakturen. Neben den erhöhten Calciumkonzentrationen sind erniedrigte Phosphatkonzentrationen im Serum typisch für den primären Hyperparathyreoidismus. Vom primären ist der sekundäre Hyperparathyreoidismus abzugrenzen, bei dem eine reaktive Überfunktion der Epithelkörperchen vorliegt. Sie wird durch Hypocalciämien aufgrund der verschiedensten Erkrankungen, wie Störungen der intestinalen Calciumresorption, Vitamin-DMangel, Nierenerkrankungen usw., ausgelöst. Typisch für dieses Krankheitsbild sind erniedrigte bis normale Serumcalciumspiegel bei erhöhten PTH-Konzentrationen. Tumorhypercalciämie. Auch Tumoren, bei denen Tochtergeschwülste im Skelettsystem auftreten (z.B. bei Mammaund Prostatakarzinom), können mit sog. malignen Hypercalciämien einhergehen. An der Entstehung von Tumorhypercalciämien sind von den Tumorzellen gebildete Hormone oder Cytokine (wie TNF-α oder PTH-relatedprotein) beteiligt, welche die Osteoklasten stimulieren. ! Eine Hypocalciämie kann verschiedene Ursachen haben; sie erhöht akut die neuromuskuläre Erregbarkeit und führt chronisch zu Entwicklungsstörungen.

Ursachen der Hypocalciämie. Erniedrigungen der Plasma-

calciumkonzentration treten bei intestinalen Resorptionsstörungen, Unterfunktion der Nebenschilddrüsen (Hypoparathyreoidismus, 7 u.), gesteigertem Calciumbedarf in der Schwangerschaft sowie gelegentlich bei Thyreocalcitoninüberproduktion auf. Ein akuter Abfall des ionisierten Calciums kann durch eine Hyperventilation bewirkt werden, da die dadurch verursachte Alkalose (7 Kap. 28.8.6) die Bindung von Calcium an die Plasmaproteine erhöht.

939 28.7 · Der Magnesium- und Sulfathaushalt

Der Abfall des ionisierten Calciums führt zu Muskelkrämpfen (Tetanie) (7 o.), die sich vor allem in der Perioralmuskulatur und der Fingermuskulatur bemerkbar machen. Hypoparathyreoidismus. Die häufigste Ursache für eine

Unterfunktion der Nebenschilddrüsen, einen Hypoparathyreoidismus, ist die unbeabsichtigte Entfernung der Nebenschilddrüsen bei Operationen an der Schilddrüse. In seltenen Fällen kann auch eine Autoimmunerkrankung zu einer Unterfunktion der Parathyreoidea führen. Die Hauptsymptome sind Muskelschwäche, erhöhte muskuläre Erregbarkeit und Tetanie. Hypoparathyreoidismus im frühen Kindesalter führt zu einem Wachstumsstillstand, einer defekten Zahnentwicklung und einer geistigen Retardierung. Das Serumcalcium ist erniedrigt, der Serumphosphatspiegel erhöht. Im Urin wird wenig bis kein Calcium ausgeschieden und auch die Phosphatausscheidung ist niedrig, ohne dass eine Nierenerkrankung vorliegt. Die Serumspiegel an Magnesium und Hydroxyprolin sind ebenfalls erniedrigt. Die PTH-Spiegel, die normalerweise schon sehr niedrig sind, sind weiter abgesenkt und liegen unterhalb der Nachweisgrenze.

Zur Behandlung des Hypoparathyreoidismus werden Calcium, PTH und besonders Vitamin D oder verwandte Verbindungen angewendet. Die Wirkung des Vitamins D beruht insbesondere auf einer Steigerung der Resorption von Calcium im Dünndarm und auf einer Stimulierung der Phosphatausscheidung durch die Nieren, der Calciumspiegel im Blut wird deshalb angehoben. Beim so genannten Pseudohypoparathyreoidismus liegt kein Hormonmangel vor, sondern die Nierentubuli sprechen wegen Rezeptordefekten nicht adäquat auf PTH an, weshalb die renale Ausscheidung von Calcium erhöht und von Phosphat vermindert ist. Thyreocalcitoninüberproduktion. Eine Thyreocalcitoninüberproduktion findet man bei Schilddrüsenkarzinomen, die von den C-Zellen der Schilddrüse ausgehen. Trotz der teilweise erheblichen Thyreocalcitoninsekretion derartiger Tumoren kommt es nur bei einer Minderzahl der betroffenen Patienten zu einer Hypocalciämie. Der meist normale Calciumspiegel im Blut wird offensichtlich durch eine effektive Gegenregulation durch PTH aufrechterhalten. Auch bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen sowie bei Pankreaskarzinomen kommt es häufig zu einer ektopischen Thyreocalcitoninproduktion.

In Kürze Der Calcium- und Phosphatstoffwechsel sind nicht nur mit dem Stoffwechsel des Skelettsystems eng verknüpft, sondern auch mit der Aufrechterhaltung nahezu aller zellulärer Funktionen. Die Regulation der extrazellulären Calciumkonzentration erfolgt durch die Hormone Parathormon (PTH), 1,25-Dihydroxycholecalciferol und Thyreocalcitonin. Zielgewebe dieser Hormone sind die Zellen der Darmmukosa, der Nierentubuli und der Knochen. Das in den Nebenschilddrüsen gebildete Parathormon ist der wichtigste Regulator des Calciumspiegels im Extrazellulärraum. Jeder Abfall der Konzentration des ionisierten Calciums führt über einen spezi-

28.7

Der Magnesium- und Sulfathaushalt

28.7.1

Magnesiumhaushalt

! Magnesium ist an intrazellulären Reaktionen von Phosphatgruppen beteiligt.

Magnesium nimmt an vielen Reaktionen teil, bei denen Phosphatgruppen übertragen, Phosphatester gespalten oder gebildet werden, da das Substrat dieser Enzyme (z.B. ATPasen in Membranen, alkalische und saure Phosphatasen, Pyrophosphatasen) ein ATP2–-Mg2+-Komplex ist. Magnesium macht dabei das Phosphat einem nucleophi-

fischen Calcium-Rezeptor in der Membran der Nebenschilddrüsenzellen zu einer erhöhten PTH-Sekretion. PTH erhöht die intestinale und renale Resorption von Calcium und verringert die tubuläre Reabsorption von Phosphat. 1,25-Dihydroxycholecalciferol, die aktive Form des Vitamin D, wird in Abhängigkeit von PTH in den Nieren aus 25-Hydroxycholecalciferol gebildet. Es fördert die Calciumresorption im Intestinaltrakt und erleichtert die Wirkung von Parathormon am Knochen. Das in den parafolliculären Zellen der Schilddrüse produzierte Thyreocalcitonin senkt die extrazelluläre Konzentration an freiem Calcium.

len Angriff zugänglich. Auch bei der oxidativen Phosphorylierung in den Mitochondrien, verschiedenen Stufen der Proteinbiosynthese im Cytosol (Assoziation der ribosomalen Untereinheiten, Aktivierung der Aminosäuren) und der Nucleinsäurebiosynthese im Kern ist Magnesium beteiligt. Von klinischer Bedeutung ist die calciumantagonistische Wirkung des Magnesiums. Es blockiert Calciumkanäle und damit den Einstrom von Calcium z.B. in synaptische Endköpfe (vermindert damit Transmitterfreisetzung), in die glatte Gefäßmuskulatur und die Herzmuskelzelle. Darauf beruht die Anwendung pharmakologischer Magnesiumgaben bei Muskelkrämpfen und Herzinfarkt mit Rhythmusstörungen.

28

940

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

! Über 95% des Körpermagnesiums befinden sich im Intrazellulärraum.

Magnesiumbedarf. Der Magnesiumbedarf des Menschen

ist unbekannt. Er hängt nicht nur vom Gesundheitszustand, sondern auch von der Zusammensetzung der Nahrung und insbesondere deren Calcium- und Proteingehalt ab. Mit 8,2–12,3 mmol (200–300 mg) pro Tag ist die Bilanz ausgeglichen. Von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung wird die tägliche Zufuhr von 14,4 mmol (350 mg) empfohlen. Reich an Magnesium ist grünes Blattgemüse aufgrund seines hohen Chlorophyllgehalts sowie Nüsse und Getreide.

28

Intestinale Resorption. Nur etwa 30% des mit der Nahrung zugeführten Magnesiums werden aufgenommen. Seine Resorption erfolgt über einen noch unbekannten Mechanismus durch die Dünndarmmukosa, in geringeren Mengen auch im Magen, nachdem das Magnesium des Pflanzenchlorophylls durch Salzsäure abgespalten worden ist. Vitamin D3, Parathormon, Wachstums- und Schilddrüsenhormone steigern die intestinale Resorption. Verteilung im Organismus. Die Magnesiumkonzentration

im Blut beträgt 0,8–1,0 mmol/l. Davon sind etwa 32% an Proteine (. Tabelle 28.9) gebunden. Der Liquor cerebrospinalis enthält mit 1,25–1,5 mmol/l fast doppelt soviel Magnesium. Aus dem Extrazellulärraum (1,3% des Gesamtbestands) gelangt Magnesium in die Körperzellen (95% des Gesamtbestands), wobei es v.a. in Apatit und Proteinen des Skeletts (67%) und in Organen mit hoher Stoffwechselaktivität wie Herz, Leber, Zentralnervensystem und Muskulatur (31%) angereichert wird. . Tabelle 28.9. Daten zum Magnesiumstoffwechsel Verteilung von Magnesium im normalen Plasma

mmol/l

Prozentualer Anteil an der Gesamtmenge

Ionisiert

0,53

55

Proteingebunden

0,30

32

Komplexiert

0,07

7

Nicht identifiziert

0,06

6

Gesamtmenge

0,96

100

Normalbereich im Blutplasma

0,8–1,0 mmol

Tägliche Ausscheidung mit dem Urin

3,0–6,0 mmol/24 h

Gesamtbestand des Organismus

115–165 mmol/kg Körpergewicht

Empfohlene tägliche Zufuhr mit der Nahrung

8–14 mmol

Da die intrazelluläre Konzentration höher als die des Extrazellulärraums ist, weisen auch die Erythrozyten eine höhere Konzentration als das Blut auf (2,5–2,75 mmol/l). Im Knochen ist Magnesium nicht fest gebunden, sondern rasch mobilisierbar. Der Gesamtbestand des 70 kg schweren Erwachsenen beträgt bei 11,5–16,5 mmol/kg Körpergewicht 800–1150 mmol (etwa 24–25 g) und nimmt mit dem Alter ab. Ausscheidung. Die Ausscheidung erfolgt fast ausschließ-

lich über glomeruläre Filtration in der Niere und wird durch die Reabsorption in den Tubuli begrenzt (7 o.). Im Normalfall werden ca. 5% des filtrierten Mg2+ mit dem Urin ausgeschieden (3–6 mmol/24 h). Wegen der Kompetition von Mg2+ mit Ca2+, führt jede Erhöhung des Serumcalciumspiegels zu einer stärkeren Magnesiumausscheidung und umgekehrt. In geringen Mengen wird Magnesium auch mit dem Schweiß und in den Darm ausgeschieden. ! Über die Regulation des Magnesiumstoffwechsels ist bisher nur wenig bekannt.

Die intrazelluläre Magnesiumkonzentration ist erstaunlich unabhängig von der extrazellulären Magnesiumkonzentration. In den Mitochondrien wird Magnesium in Form von Mg3(PO4)2-Komplexen angereichert, weswegen der Magnesiumspiegel in Mitochondrien höher als im Cytosol ist. Die Schilddrüsenhormone beeinflussen den Plasma- (Erniedrigung) und Zellgehalt (Erhöhung) sowie die Urinausscheidung von Magnesium (Erhöhung). Da auch die intestinale Resorption gesteigert wird, entsteht unter der Gabe von Schilddrüsenhormonen insgesamt eine positive Magnesiumbilanz. Genau die entgegengesetzten Wirkungen werden bei der Schilddrüsenunterfunktion beobachtet. ! Ein Magnesiummangel wird durch vermehrten Verbrauch oder verminderte Aufnahme hervorgerufen.

Die Magnesiumaufnahme beim Menschen kann durch proteinreiche Ernährung (hoher Magnesiumbedarf und Hemmung der Resorption), calciumreiche Kost, Mangel an Thiamin (B1) und Pyridoxin (B6), durch höheren Alkoholkonsum (hemmt Magnesiumresorption), und durch Magnesiummangelernährung verringert sein. Auch die Beeinträchtigung der renalen Reabsorption von Magnesium kann einen Mangelzustand herbeiführen. Symptome des Magnesiummangels sind nervöse Störungen mit Schwindelzuständen, Kribbeln in Händen und Füßen sowie Muskelkrämpfe, die sich mit der Funktion von Magnesium bei der synaptischen Erregungsübertragung (neuromuskuläre Endplatte!) erklären lassen.

941 28.7 · Der Magnesium- und Sulfathaushalt

. Abb. 28.37. Aktivierung von Sulfat

28.7.2

Schwefelhaushalt

! Sulfat ist Endprodukt des organischen Schwefelstoffwechsels.

Schwefel ist wesentlicher Bestandteil der Seitenketten der proteinogenen Aminosäuren Cystein und Methionin. Methionin kann in Cystein überführt werden, bei dessen Abbau zu Kohlendioxid, Wasser und ATP der Schwefel

. Abb. 28.38. Bildung, Verwendung und Ausscheidung von Sulfat

in Form von Schwefelwasserstoff frei wird. Dieser wird nach Oxidation zu anorganischem Sulfat (Plasmakonzentration 0,5–1,5 mmol/l) in der Niere glomerulär filtriert und im proximalen Tubulus im Cotransport mit 2Na+ wieder reabsorbiert. Basolateral verlässt es den proximalen Tubulus dann wieder im elektroneutralen Austausch mit Cl–. Nicht reabsorbiertes Sulfat wird in Begleitung von Kationen mit dem Urin ausgeschieden (anorganisches Sulfat). Die tägliche Sulfatausscheidung

28

942

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

beträgt in Abhängigkeit von der zugeführten Proteinmenge 30–60 mmol. ! Sulfat ist Bestandteil von Proteoglykanen und wichtig für Konjugationsreaktionen.

Sulfat kann auch zu Phosphoadenosylphosphosulfat (PAPS) aktiviert werden, das dann für Konjugationsreaktionen oder zur Biosynthese von Glycosaminoglykanen (7 Kap. 17.3.5) oder Sulfatiden (7 Kap. 18.2) verwendet wird (. Abb. 28.37).

Die Konjugation mit Sulfat in der Leber ist Teil der Phase 2 des Biotransformationssystems (7 Kap. 33.3.1); die dabei entstandenen Konjugationsprodukte werden nach Ausscheidung in den Urin insgesamt als Äther-SchwefelFraktion bezeichnet. Beim Abbau sulfatierter Verbindungen wie den Glycosaminoglykanen oder Sulfatiden wird Sulfat durch spezifische Sulfatasen freigesetzt und kann nach Aktivierung erneut verwendet werden. In den Urin ausgeschiedenes Cystein und Taurin werden als Neutralschwefel bezeichnet (. Abb. 28.38).

In Kürze 4 Über 95% des Körpermagnesiums befinden sich im Intrazellulärraum 4 Über die Regulation des Magnesiumstoffwechsels ist bisher nur wenig bekannt 4 Ein Magnesiummangel wird durch vermehrten Verbrauch oder verminderte Aufnahme hervorgerufen

4 Sulfat ist Endprodukt des organischen Schwefelstoffwechsels 4 Sulfat ist Bestandteil von Proteoglykanen und wichtig für Konjugationsreaktionen

28 28.8

Der Säure-Basen-Haushalt

28.8.1

Notwendigkeit der Konstanthaltung der Protonenkonzentration

! Änderungen der Protonenkonzentration beeinträchtigen eine Vielzahl von zellulären Reaktionen.

Die Interaktionen eines Enzyms mit seinem Substrat oder eines Hormons mit seinem Rezeptor werden u.a. von elektrostatischen Wechselwirkungen bestimmt. Sie werden deshalb durch Änderungen der Wasserstoffionenkonzentrationen beeinflusst, die eine Protonenabspaltung bzw. -anlagerung und damit Ladungsänderung der reagierenden Moleküle verursachen. Der pH beeinflusst somit die katalytische Aktivität von Enzymen, die Funktion von Ionenkanälen oder die Bildung von Signalsubstanzen. Damit die zahlreichen, zeitlich und räumlich nebeneinander ablaufenden enzymatischen Reaktionen und Reaktionsketten in der Zelle koordiniert funktionieren können, muss demzufolge die Protonenkonzentration durch Puffersysteme in engen Grenzen konstant gehalten werden. pH-bedingte Störungen auf zellulärer Ebene machen sich systemisch als Funktionsstörungen (z.B. Arrhythmien) bemerkbar.

28.8.2

Entstehung von Säuren im Stoffwechsel

Als Endprodukte des Stoffwechsels entsteht v. a. CO2 sowie je nach Nahrungszusammensetzung 50–100 mmol Säuren wie Schwefelsäure, Phosphorsäure und organische Säuren.

Während CO2 in der Lunge abgeatmet wird (. Abb. 28.39), müssen diese über die Nieren ausgeschieden werden. ! Täglich werden bei körperlicher Tätigkeit etwa 24 mol (1,2 kg) Kohlendioxid über die Lungen abgeatmet.

Kohlendioxid wird bei vielen katabolen Reaktionen durch dehydrierende oder nicht dehydrierende Decarboxylierung freigesetzt (. Tabelle 28.10). Ein geringer Teil des freien Kohlendioxids kann in Carboxylierungsreaktionen wieder fixiert werden, der überwiegende Teil – etwa 24000 mmol pro Tag beim gesunden Erwachsenen mit normaler körperlicher Aktivität – wird durch die Carboanhydrase in Hydrogencarbonat und Protonen umgewandelt:

Hydrogencarbonat wird im Plasma zu den Lungen transportiert, die bei der Bildung von Hydrogencarbonationen entstehenden Protonen werden vorwiegend durch Hämoglobinmoleküle abgepuffert. Im Bereich der Lungen werden die Protonen wieder abgegeben und für die Carboanhydrase-Rückreaktion verwendet. Das dabei entstehende CO2 wird abgeatmet. ! Der Abbau von Aminosäuren liefert einen Überschuss nichtflüchtiger Säuren.

Der Aminosäureabbau trägt wesentlich zur Produktion nichtflüchtiger Säuren bei: 4 Beim Abbau der schwefelhaltigen Aminosäuren Cystein und Methionen entsteht als Endprodukt Schwefelsäure 4 Der Abbau der basischen Aminosäuren Lysin, Arginin und Histidin liefert neben neutralen Produkten ein Proton

943 28.8 · Der Säure-Basen-Haushalt

. Tabelle 28.10. Stoffwechsel von Kohlendioxid in der tierischen Zelle: Decarboxylierungen und Carboxylierungen (Auswahl) Substrat

Produkt

Stoffwechselweg

Decarboxylierungen Dehydrierende Decarboxylierung von D-Ketosäuren D-Ketopropionat (Pyruvat)

Acetyl-CoA

Glucoseabbau

D-Ketobutyrat

Propionyl-CoA

Threonin- und Methioninabbau

D-Ketoisocapronat

Isovaleryl-CoA

Leucinabbau

D-Ketovalerianat

Isobutyryl-CoA

Valinabbau

D-Keto-β-Methylvalerianat

D-Methylbutyryl-CoA

Isoleucinabbau

D-Ketoglutarat

Succinyl-CoA

Citratzyklus

D-Ketoadipat

Glutaryl-CoA

Lysin- und Tryptophanabbau

Decarboxylierung von β-Ketosäuren Isocitrat

D-Ketoglutarat

Citratzyklus

β-Keto-1-Phosphogluconat

D-Ribulose-5-Phosphat

Pentosephosphatweg

β-Ketobutyrat (Acetacetat)

Aceton

Ketonkörper

D-Amino-β-Ketoadipat

δ-Aminolävulinat

Porphyrinbiosynthese

β-Keto-L-Gulonat

L-Xylulose

Urinsäureweg

Carboxylierungen Pyruvat

Oxalacetat

Gluconeogenese

Ammoniak bzw. Glutamin

Carbamylphosphat

Harnstoff- bzw. Pyrimidinbiosynthese

Acetyl-CoA

Malonyl-CoA

Fettsäurebiosynthese

Propionyl-CoA

D-Methylmalonyl-CoA

Fettsäureabbau

β-Methylcrotonyl-CoA

β-Methylglutaconyl-CoA

Leucinabbau

5-Aminoimidazolribonucleotid

5-Aminoimidazol-4-carboxylat-Ribonucleotid

Purinbiosynthese

4 Beim Abbau von Glutamat und Aspartat werden Protonen verbraucht, was einer Nettoproduktion von HCO3– entspricht. Insgesamt resultiert aus dem Proteinabbau ein Überschuss an nicht flüchtigen Säuren, was auch als sog. Säureüberschuss der Nahrungsproteine bezeichnet wird. Mit proteinreichen Nahrungsmitteln, wie z.B. Fleisch, Eiern oder Getreideprodukten entsteht ein saurer Urin, mit Milch, Obst und Gemüse (lactovegetabile Kost) ein alkalischer Harn. Die normale Mischkost aus säure- und basenüberschüssigen Nahrungsstoffen liefert täglich etwa 60 ± 20 mmol Protonen. Die durch extrem einseitige Ernährung erreichbaren Überschüsse sollen in beiden Richtungen bei etwa 150 mmol/24 h liegen. ! Das Phosphat der Nahrung ist ebenfalls eine Protonenquelle.

Die übrigen mit der Nahrung zugeführten Protonen stammen im Wesentlichen aus dem Nahrungsphosphat; anorganisches Phosphat, das z.B. in einem sauren Fruchtsaft überwiegend als Dihydrogenphosphat vorliegt, geht im alkalischen Milieu des Darmes in Hydrogenphosphat unter Freisetzung von Protonen über.

28.8.3

Verteilung der Protonen zwischen Intra- und Extrazellulärraum

Gebräuchlicherweise wird die H+-Ionenkonzentration als pH-Wert angegeben: 4 Im Blut und damit auch im Extrazellulärraum liegt der pH im Mittel bei 7,4 (40 nMol H+/l) mit einem physiologischen Schwankungsbereich von pH 7,36–7,44 4 Der intrazelluläre pH-Wert liegt in der Regel etwas unter dem extrazellulären im Bereich von pH 7,0–7,2 In fast allen Zellen existieren aktive Transportmechanismen für den H+-Export bzw. Basenimport. Im Stoffwechsel anfallende Säuren/Basen können die Zellmembran auf verschiedenen Wegen permeieren: 4 durch nichtionische Diffusion der ungeladenen Form schwacher Säuren und Basen wie z.B. NH3 oder CO2 4 über den Na+/H+-Antiport; hier wird der passive Na+Einstrom zum Export von H+ genutzt; es ist ein ubiquitäres System, das in allen Zellen vorliegt und bei intrazellulärer Azidose aktiviert wird 4 über H+/(K+)-ATPasen 4 über die in vielen Zellen vorkommenden Cl–/HCO3–Antiporter bzw. Na+/HCO3–-Cotransportsysteme, die

28

944

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

in Abhängigkeit von den aktuellen elektrochemischen Gradienten eine Nettoverschiebung von Base (HCO3–) zwischen Extra- und Intrazellulärraum erlauben

28.8.4

Puffersysteme

Während für die Pufferung im Intrazellulärraum Phosphat- und Proteinat-Puffer (7 u.) entscheidend sind, wird der pH-Wert des Extrazellulärraums durch verschiedene andere Puffersysteme eingestellt. ! Das Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-System und Proteine sind die wichtigsten extrazellulären Puffer.

Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-Puffersystem. Von den Puffern des Extrazellulärraums – zusammenfassend als Pufferbasen bezeichnet – stellt das Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-System, das vorwiegend im Plasma lokalisiert ist, etwa die Hälfte dar. Es ist als sog. offenes Puffersystem von ganz besonderer physiologischer Bedeutung.

28 Mit den im Plasma nachgewiesenen Konzentrationen ergibt sich mit der Henderson-Hasselbalch-Gleichung (7 Kap. 1.2.6) bei einem pKc von 6,1

Nicht-Hydrogencarbonatpuffer. Hierunter fallen die

Aminosäureseitenketten der Proteine (Proteinatpuffer). Proteine sind Ampholyte und können im physiologischen pH-Bereich Protonen vor allem an die Imidazolgruppen des Histidins und die SH-Gruppen des Cysteins assoziieren. Unter diesen Puffersystemen, deren Anteil an der Gesamtkonzentration 50%, an der Gesamtpufferkapazität (7 u.) jedoch nur 25% beträgt, nimmt das Hämoglobin aufgrund seiner hohen Konzentration (160 g/l Blut) und des hohen Gehalts an Imidazolgruppen (mehr als 50 mmol/l Blut), die vorrangige Stellung ein. Da der pK-Wert des desoxygenierten Hämoglobins mit 8,25 höher als der des oxygenierten Hämoglobins (6,95) liegt, ist Desoxyhämoglobin die schwächere Säure und damit der bessere Puffer. Die isoelektrischen Punkte der Plasmaproteine liegen ebenfalls im sauren Bereich (4,90–6,40). Sie sind daher bei pH 7,40 Anionen, deren Pufferkapazität etwa 5 mmol/l/pH beträgt. Ein weiterer relevanter Nicht-HydrogencarbonatPuffer ist das Dihydrogen-/Hydrogenphosphat-System (H2PO4– H+ + HPO42–). Für seine Pufferkapazität wirkt sich besonders günstig aus, dass der pK-Wert (6,880) fast mit dem Zell-pH von ca. 7,0 übereinstimmt. Wegen seiner geringen Plasmakonzentration (1 mmol/l) ist es

jedoch nur mit 1% an der extrazellulären Gesamtpufferkapazität beteiligt. In der Zelle findet sich Phosphat in wechselnd hohen Konzentrationen (100–150 mmol/l), wobei es allerdings überwiegend an Makromoleküle gebunden ist. Dem Ammoniak-/Ammonium-System kommt aufgrund seiner sehr geringen Konzentration (40 mmol/l) und des ungünstigen pK-Werts (9,40) keine Bedeutung bei der Pufferung im Extrazellulärraum zu. Alle genannten Puffersysteme stehen – als Bestandteile einer gemeinsamen Lösung – miteinander im Gleichgewicht:

! Pufferkapazität und Basenüberschuss des Bluts charakterisieren die Pufferfähigkeit des Körpers.

Pufferkapazität. Unter Pufferkapazität versteht man die

Menge an Säure oder Base (mmol/l), die benötigt wird, um den pH eines Liters Lösung um eine Einheit zu verändern. Die Pufferkapazität ist dabei von der Pufferkonzentration aber auch vom pH-Wert der Lösung und dem pK-Wert des Puffers abhängig. Sie ist am größten, wenn pH = pK ± 1. Da im offenen Puffersystem die Reaktionsprodukte der Pufferung entfernt werden, ist die Pufferkapazität deutlich höher als im geschlossenen System. . Tabelle 28.11 zeigt die Pufferkapazität des Bluts, von der rund 3/4 auf das CO2/HCO3–-System entfallen. Als geschlossenes System ergibt sich eine Pufferkapazität von rund 24 mmol/l/pH, als offenes System jedoch eine dreimal höhere. Durch die kompensatorischen Atemregulationen zur Einstellung des Kohlendioxidpartialdrucks, die aber streng genommen nicht mehr unter den Begriff der Pufferung fallen, können die Gesamtkapazität und auch der prozentuale Anteil des CO2-Hydrogencarbonat-Systems noch beträchtlich erhöht werden. Basenüberschuss. Die Gesamtheit aller puffernden Basenanionen im Blut (Hauptkomponenten HCO3– und Hämoglobin) ergibt die Gesamtpufferbasenkonzentration, die bei ca. 48 mmol/l liegt. Der so genannte Basenüberschuss (base excess = BE) ergibt sich aus der Differenz der aktuellen Gesamtpufferbasenkonzentration zum physiologischen Sollwert. Stimmen Sollwert und Istwert überein, ist der BE = 0. Als physiologisch werden BE-Werte zwischen –2,5 mmol/l bis +2,5 mmol/l angesehen. Bei einem stärker negativen BE ist Pufferbase verbraucht worden (z.B. metabolische Azidose), bei positiveren BE Werten hat sich die Pufferbasenkonzentration erhöht (metabolische Alkalose).

945 28.8 · Der Säure-Basen-Haushalt

. Tabelle 28.11. Aufschlüsselung der Pufferkapazität des Bluts Bestandteil

Pufferkapazität [mmol/l/pH]

%

Plasmaphosphat

0,4

1

Plasmaprotein

5,0

6

Plasmabicarbonat

2,6

3

Puffer im Blutplasma

8,0

10

Puffer in Erythrozyten (Hämoglobin)

16,2

21

Puffer im Gesamtblut (geschlossenes System)

24,2

31

Normale Ventilation

52,6

69

Gesamtblutpuffer einschließlich normaler Ventilation (offenes System)

76,8

100

Kompensatorische Atemregulation

41,6

Maximalwert

28.8.5

118,4

Regulation der Protonenkonzentration

Obwohl die Puffersysteme des Organismus die täglich gebildeten fixen Säuren leicht abpuffern können, wäre ein Überleben ohne Ausscheidung der Protonen und damit Regeneration der Puffer nicht möglich. Die beiden wesentlichen Regulationsvorgänge werden durch die Lungen und die Nieren, vermittelt (. Abb. 28.39). ! Die Lungen sind an der Regulation über das Hydrogencarbonat-Puffersystem beteiligt.

Durch die Atmung wird direkt nur das CO2/HCO3–-System betroffen. Da jedoch in einer Lösung mit mehreren Puffersystemen ein Gleichgewicht zwischen den einzelnen Puffern besteht, werden indirekt auch die anderen Puffer betroffen. Die Konzentration von Kohlendioxid in den Körperflüssigkeiten ist direkt vom Partialdruck des Kohlendioxids in den Lungenalveolen (40 mmHg) abhängig: CO2 = s u pCO2 (s = molarer Löslichkeitskoeffizient). Der alveoläre pCO2 ist dem Verhältnis aus CO2-Produktion des Körpers und alveolärer Ventilation proportional (7 Lehrbücher der Physiologie). Entsprechend führt eine erhöhte Ventilation bei gleich bleibender CO2-Produktion (Hyperventilation) zu einer Abnahme des CO2-Partialdrucks in den Alveolen, einer Abnahme der CO2-Konzentration im Plasma, zur Nachbildung von CO2 nach dem Massenwirkungsgesetz und dadurch zur Abnahme der Protonenkonzentration (Zunahme des pH-Wertes, Alkalose) (. Abb. 28.40). Diese Reaktion kann eine schnelle Änderung der Protonenkonzentration hervorrufen, dient jedoch nicht als primärer Mechanismus

. Abb. 28.39. Grundzüge des Säure-Basen-Haushalts. Im SäureBasen-Haushalt sind die Eliminationswege und Bilanzen für Kohlendioxid und die Protonen nichtflüchtiger Säuren völlig voneinander getrennt. Die Verknüpfung beider Komponenten zum Säure-BasenGleichgewicht erfolgt durch Puffersysteme

zur Ausscheidung von Protonen, da bei diesem Vorgang die gleiche Menge Hydrogencarbonat verbraucht wird. Ein Teil der Protonen wird von Nicht-Hydrogencarbonatpuffern (insbesondere dem Hämoglobin) nachgeliefert. Weil dadurch der Anteil des dissoziierten Hämoglobins (Hb–) als

28

946

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

! Die Nieren sind an der Regulation der Protonenkonzentration über die Ausscheidung von Protonen und die Resorption von Hydrogencarbonat beteiligt.

Die Funktion der Niere ist entscheidend für die langfristige Kontrolle des pH, da über sie die Ausscheidung der nicht flüchtigen Säuren erfolgt und sie die bei der Pufferung verbrauchten Basenäquivalente regeneriert. Die obligate Rückreabsorption von HCO3– im Bereich des proximalen Tubulus (7 Kap. 28.1.5) ist die Voraussetzung für die Konstanterhaltung der extrazellulären Pufferkapazität. Täglich werden ca. 4,8 mol Hydrogencarbonat in der Niere glomerulär filtriert, das entspricht etwa dem 13-fachen Bestand des gesamten Extrazellulärraums. Zusätzlich können auch noch die B-Typ Schaltzellen des Sammelrohrs HCO3– ausscheiden. Die Ausscheidung der Protonen in der Niere erfolgt über Na+/H+ Austausch, H+-ATPasen und Freisetzung von Ammoniak (7 o.).

28

. Abb. 28.40. Hyper- und Hypoventilation. a Die vermehrte Abatmung von CO2 bei Hyperventilation führt zur Abnahme des CO2Partialdrucks, der Hydrogencarbonat- und der Protonenkonzentration. Durch die Nicht-Hydrogencarbonatpuffer (Nb-PufferH) werden Protonen nachgeliefert und gleichzeitig Nicht-Hydrogencarbonatpufferanionen gebildet, die den Verlust des Pufferanions Hydrogencarbonat ausgleichen. Die Gesamtkonzentration der Pufferanionen bleibt deshalb unverändert. b Die verringerte Abatmung von CO2 bei Hypoventilation führt zum Anstieg des CO2-Partialdrucks, der Protonen- und Hydrogencarbonatkonzentration. Durch die Nicht-Hydrogencarbonatpuffer (Nb-Puffer–) werden Protonen aufgenommen und gleichzeitig Nicht-Hydrogencarbonatpufferanionen verbraucht, wodurch trotz der Erhöhung der Hydrogencarbonatkonzentration die Gesamtkonzentration der Pufferanionen konstant bleibt. Die Größen, deren Konzentration abfällt, sind mit einem grauen Raster, diejenigen, deren Konzentration ansteigt, mit einem roten Raster hinterlegt

Pufferbase zunimmt, ändert sich trotz des Abfalls der Hydrogencarbonatkonzentration die Gesamtpufferanionenkonzentration nicht. Auf der anderen Seite führt eine herabgesetzte Atmung (Hypoventilation) zu einer Erhöhung des CO2-Partialdrucks in den Alveolen, zu einer Zunahme der CO2-Konzentration im Plasma, zu der Verlagerung der Reaktion auf die rechte Seite und dadurch zur Zunahme der Protonenkonzentration (Abnahme des pH-Wertes, Azidose) (. Abb. 28.40). Diese Reaktionen, durch die der CO2-Partialdruck auf das 2- bis 3-fache (von 40 auf 80–120 mmHg) angehoben werden kann, führen zu einer Erhöhung der Hydrogencarbonatkonzentration. Da ein Teil der gebildeten Protonen durch Nicht-Hydrogencarbonatpufferanionen aufgenommen wird, ändert sich wegen des damit verbundenen Abfalls der Nicht-Hydrogencarbonatpufferanionen die Gesamtpufferbasenkonzentration trotz des Hydrogencarbonatanstiegs nicht.

! Die Leber nimmt über die Harnstoffsynthese an der Regulation des Protonenhaushalts teil.

Auch die Leber ist an der Regulation des Säure-BasenHaushalts beteiligt. Bei der Oxidation des Nahrungsproteins (etwa 90 g/Tag) entstehen Hydrogencarbonationen (etwa 60 g bzw. 1 mol/Tag), die nicht mit dem Urin ausgeschieden werden können, sondern stattdessen in die Harnstoffbiosynthese eingehen: Aus jeweils 2 mol HCO3– und NH4+ entsteht 1 mol Harnstoff, d.h. Hydrogencarbonatund Ammoniumionelimination sind miteinander gekoppelt (7 Kap. 33.2.2). Muss Hydrogencarbonat eingespart werden, so wird dadurch auch weniger Ammonium fixiert, sodass die NH4+-Ausscheidung auf alternative Stoffwechselwege verlagert werden muss. Bei einem Anstieg der Protonenkonzentration wird die Harnstoffbiosynthese zur Einsparung von Hydrogencarbonat gedrosselt, das überschüssige Ammonium wird vermehrt durch Bildung von Glutamin fixiert, welches von der Leber abgegeben wird. Die Ammoniumionen werden dann in den Urin durch renale Freisetzung aus Glutamin ausgeschieden. Umgekehrt fließt bei einem Abfall der Protonenkonzentration vermehrt Hydrogencarbonat in den Harnstoffzyklus; das in äquimolaren Mengen erforderliche NH4+ wird durch die vermehrte intrahepatische Hydrolyse (periportale Zellen) von Glutamin (Glutaminase-Reaktion) bereitgestellt, das in diesem Fall von der Leber aufgenommen wird (. Abb. 28.41).

28.8.6

Pathobiochemie des Säure-BasenHaushalts

! Azidosen und Alkalosen sind die Störungen des SäureBasen-Haushalts.

947 28.8 · Der Säure-Basen-Haushalt

. Abb. 28.41. Wechselwirkung zwischen Leber und Niere bei der Säure-Basen-Ausscheidung. Die Leber fixiert Protonen und Ammoniak zum einen direkt in der Harnstoffsynthese wie auch bei der Bildung von Glutamin aus Glutamat. Glutamin wird sowohl in der Leber wie auch der Niere durch Glutaminasen wieder desaminiert. In der Niere werden die Ammoniumionen mit dem Urin ausgeschieden, in der Leber werden sie wiederum zur Harnstoffsynthese verwendet. Da die Harnstoffsynthese Hydrogencarbonat benötigt, werden mit der Protonenausscheidung in Form von Harnstoff auch Pufferbasen verbraucht. Bei einer Säurebelastung des Körpers (Azidose)

wird die Glutaminase in der Leber gehemmt und in der Niere stimuliert. Somit werden Protonen und Ammoniak direkt in der Niere ausgeschieden, es wird weniger Harnstoff gebildet, wodurch Pufferbasen gespart werden. Bei einem Basenüberschuss (Alkalose) hingegen geschieht das Gegenteil. Durch die gegenläufige Aktivierung der hepatischen und renalen Glutaminasen, werden Protonen und Ammoniak in der Niere vermindert ausgeschieden. Entsprechend wird mehr Harnstoff gebildet wodurch auch vermehrt Pufferbasen verbraucht und ausgeschieden werden

Definitionen von Störungen. Da die Kenntnisse über die Regulation des pH-Wertes im Intrazellulärraum noch nicht weit fortgeschritten sind, muss man sich bei der Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts immer noch auf den Extrazellulärraum beschränken. Eine Abweichung des pH-Wertes des Extrazellulärraums in den sauren Bereich (ab 7,37) wird als Azidose (Azidämie), in den alkalischen (ab 7,44) als Alkalose oder Alkaliämie bezeichnet. Mit dem Leben vereinbar sind unter schwersten Komplikationen Abweichungen des pH-Wertes bis zu 6,80 (H+-Konzentration 160 nmol/l) nach unten und 7,70 (H+-Konzentration 20 nmol/l) nach oben. Dies bedeutet, dass der Mensch eine 8-fache Änderung der Protonenkonzentration im Extrazellulärraum ertragen kann, was dem 4-fachen des tolerablen Natriumbereichs (100– 200 mmol/l) und etwa demselben Bereich der Kaliumkonzentration (1,5–12 mmol/l) entspricht. Wird eine Azidose bzw. Alkalose durch eine Störung des pulmonalen Gasaustauschs verursacht, so handelt es sich um eine respiratorische Azidose bzw. Alkalose. Wird sie durch Stoffwechselprozesse hervorgerufen, so handelt es sich dagegen um eine nichtrespiratorischer oder besser metabolischer Azidose bzw. Alkalose. Zusätzlich gibt es auch gemischte Zustände, bei denen gleichzeitig respiratorische und nichtrespiratorische Störungen vorliegen.

Kompensation von Störungen. Primär respiratorische Stö-

rungen können durch nichtrespiratorische Vorgänge kompensiert werden, primär nichtrespiratorische Störungen durch respiratorische Vorgänge. Inwieweit es dabei dem Organismus gelingt, eine Störung durch Pufferung und aktive Kompensation auszugleichen, kann am pH-Wert abgelesen werden. ! Respiratorische Störungen resultieren aus einer Veränderung der CO2-Abatmung.

Die respiratorische Azidose ist durch die ungenügende Abatmung des im Zellstoffwechsel gebildeten Kohlendioxids gekennzeichnet. Der Basenüberschuss ist unverändert (7 o.). Hauptursachen dafür sind Störungen des zentralen Atemantriebs (z.B. Sedativa, Alkohol), Störungen der Atemmuskulatur und besonders Lungenfunktionsstörungen wie Asthma, chronische Bronchitis etc. Die dadurch verursachte Erhöhung des Kohlendioxidpartialdrucks (Hyperkapnie) (pCO2> 44 mmHg) bedeutet eine Vergrößerung des Nenners der Henderson-HasselbalchGleichung

(s = molarer Löslichkeitskoeffizient für CO2). Als Folge des erniedrigten Quotienten HCO3–/CO2 nimmt der pH-Wert ab (. Abb. 28.42).

28

948

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

28

. Abb. 28.42. Respiratorische und nichtrespiratorische Störungen des Säure-Basen-Haushalts. (Einzelheiten 7 Text)

Nach ca. 24 Stunden setzen dann renale Kompensationsmechanismen ein. Im proximalen Tubulus wird die HCO3–-Resorption verstärkt, da eine intrazelluläre Azidose die luminale H+-Sekretion steigert (7 o.). Gleichzeitig werden verstärkt Protonen im Sammelrohr sezerniert, was mit einer Abgabe von Hydrogencarbonat an den Extrazellulärraum verbunden ist. Somit kann die HydrogencarbonatKonzentration im Plasma stark erhöht und dadurch der HCO3–/ CO2-Quotient dem Normalwert von 20:1 wieder angenähert werden. Damit wird der pH-Abnahme entgegengewirkt (. Abb. 28.42). Die respiratorische Alkalose ist durch die vermehrte Abatmung von Kohlendioxid (Hyperventilation) gekennzeichnet. Der Basenüberschuss ist unverändert (7 o.). Die Hyperventilation kann physiologische Gründe haben (Höhenaufenthalt), sie kann aber auch andere Ursachen haben

(häufig: Angst als Hyperventilationssyndrom; Schmerz). Die dadurch verursachte Verringerung des CO2-Partialdrucks (Hypokapnie) (<36 mmHg) bedeutet eine Verringerung des Nenners der Henderson-Hasselbalch-Gleichung und damit eine Zunahme des pH-Wertes (. Abb. 28.42). Die renale Kompensation erfolgt durch eine Reduktion der Resorption von Hydrogencarbonat im proximalen Tubulus mit einer Einschränkung der luminalen H+-Sekretion aufgrund intrazellulärer Alkalose. Gleichzeitig werden vermehrt Typ-B-Schaltzellen im distalen Nephron gebildet, welche luminal Hydrogencarbonat sezernieren und an der basolateralen Seite Protonen in den Extrazellulärraum entlassen. So wird die Hydrogencarbonat-Konzentration gesenkt, um den HCO3–/CO2-Quotienten wieder dem Normalwert von 20:1 zu nähern und damit dem pH-Anstieg entgegenzuwirken (. Abb. 28.42).

949 28.8 · Der Säure-Basen-Haushalt

. Tabelle 28.12. Blutparameter bei Störungen des Säure-Basen-Haushalts Störung

pH

pCO2 (mmHg)

BE (mmol/l)

Keine

7,36–7,44

36–44

r2

Respiratorische Azidose

<< 7,36

> 44

r2

Nach Kompensation

d 7,36

> 44

>2

Respiratorische Alkalose

>> 7,44

< 36

r2

Nach Kompensation

t 7,44

< 36

<2

Metabolische Azidose

<< 7,36

36–44

<2

Nach Kompensation

d 7,36

< 36

<2

Metabolische Alkalose

>> 7,44

36–44

>2

Nach Kompensation

t 7,44

> 44

>2

! Nichtrespiratorische Störungen entstehen meist aus Säureüberproduktion oder Säurenverlust.

Metabolische Azidosen entstehen bei einer Erhöhung der endogenen Säureproduktion (Lactatazidose im Schock, diabetische Ketoazidose) oder bei gesteigerten Verlusten von Hydrogencarbonat (Diarrhoe). Entsprechend wird der Basenüberschuss negativ. Nach der Henderson-Hasselbalch-Gleichung führt die Abnahme der Hydrogencarbonat-Konzentration zu einem Abfall des pH-Wertes des Extrazellulärraums (. Abb. 28.42). Durch Pufferung und kompensatorische Senkung des CO2-Partialdrucks (Hyperventilation, weil Azidose das Atemzentrum stimuliert) wird versucht, den normalen HCO3–/CO2-Quotienten von 20:1 wieder herzustellen und damit dem pH-Abfall entgegenzuwirken (. Abb. 28.42). Die metabolische Alkalose ist durch den Verlust von nichtflüchtigen Säuren (z.B. durch Erbrechen von Mageninhaltausgelöster Verlust von HCl) oder durch einen Hydrogencarbonat-Überschuss charakterisiert. Entsprechend wird der Basenüberschuss positiv. Die Hydrogencarbonat-Zunahme bedeutet nach der Henderson-Hasselbalch-Gleichung eine pH-Erhöhung (. Abb. 28.42). Durch Pufferung und kompensatorische Erhöhung des CO2-Partialdrucks (Hypoventilation, weil Alkalose das Atemzentrum hemmt) wird der pH-Verschiebung entgegengewirkt ! Der Säure-Basen-Status kann durch Bestimmung der arteriellen Werte für pH, pCO2 und den Basenüberschuss beurteilt werden.

Die im klinischen Einsatz befindlichen Geräte zur Erfassung des Säure-Basen-Status messen bzw. berechnen alle

relevanten Parameter: pH, pCO2 und pO2 werden direkt mit Elektroden im arteriellen Blut gemessen. Ergänzend werden Messungen der Hämoglobinkonzentration (wird benötigt für die Gesamtpufferbasenkonzentration) und der arteriellen Sauerstoffsättigung durchgeführt. Die abhängigen Parameter wie Gesamtpufferbasenkonzentration, Basenüberschuss und Standard-Hydrogencarbonat werden aus den Messdaten berechnet. Der pH-Wert ist bei der Beurteilung Leitparameter, da er angibt, ob überhaupt eine Azidose oder Alkalose vorliegt: Geht eine Azidose mit einem erhöhten pCO2, bzw. eine Alkalose mit einem erniedrigten pCO2 einher, so ist von einer primär respiratorischen Störung auszugehen. Solange noch keine metabolischen Kompensationen eingesetzt haben, bleibt der Basenüberschuss normal. Erst bei metabolischen Kompensationen primär respiratorischer Störungen ändert er sich mit einem Anstieg bei einer Azidose bzw. einer Abnahme bei einer Alkalose. Geht eine Azidose mit einem normalen oder gar erniedrigten pCO2 bzw. eine Alkalose mit einem normalen oder gar erhöhten pCO2 einher, so ist von einer primär metabolischen Störung auszugehen. Der Basenüberschuss ist verändert, und zwar erniedrigt bei einer Azidose und erhöht bei einer Alkalose. Auffällige Abweichungen des pCO2 vom Normalwert zeigen hier bereits respiratorische Kompensationen an. Typische Konstellationen von kennzeichnenden Blutparametern für die verschiedenen Störungen des Säure-Basen-Haushalts sind in der . Tabelle 28.12 dargestellt.

28

950

Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts

In Kürze Im Stoffwechsel entstehen Kohlendioxid (Kohlensäure) und andere nichtflüchtige Säuren als Endprodukte. Da Änderungen der Protonenkonzentration eine Vielzahl von zellulären Reaktionen beinträchtigen, müssen die anfallenden Protonen zunächst gepuffert und anschließend ausgeschieden werden. Proteine und Phosphat sind die wichtigsten intrazellulären Puffer, das Kohlendioxid-HydrogencarbonatSystem und Proteine (Hämoglobin) die wichtigsten extrazellulären Puffer. Alle Puffersysteme stehen dabei miteinander im Gleichgewicht. Die Pufferfähigkeit des Körpers wird durch die Pufferkapazität und den Basenüberschuss des Bluts reflektiert. An der Ausscheidung von Protonen und Pufferbasen bzw. deren Rückgewinnung sind die Lunge, Nieren und

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Leber zentral beteiligt. Da die Ausscheidung von Protonen in den Nieren – im Gegensatz zur Lunge und Leber – nicht in chemisch gebundener Form erfolgt, sind im Urin effektive Puffersysteme wie Phosphat und Ammoniak erforderlich. Störungen des Säure-Basen-Haushalts werden als Azidosen oder Alkalosen bezeichnet und können primär respiratorisch oder metabolisch bedingt sein. Respiratorische Störungen resultieren aus einer Veränderung der CO2-Abatmung, nichtrespiratorische Störungen meist aus Säureüberproduktion oder -verlusten. Respiratorische und metabolische Störungen des Blut-pH-Werts können sich wechselseitig kompensieren. Der Säure-Basen-Status kann durch Bestimmung der arteriellen Werte für pH, pCO2 und den Basenexzess beurteilt werden.

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