nzz
29.03.05
Nr.72
Seite33
zh
Teil01
Altes bewahren statt Neues erschaffen Urs Räbsamen saniert den «Alten Löwen» in Oberstrass Nach jahrzehntelangem Ringen hat der Gemeinderat letzte Woche der Erhaltung des Restaurants Alter Löwen zugestimmt. Für 61 Jahre tritt die Stadt das Lokal dem Ingenieur Urs Räbsamen im Baurecht ab. Räbsamen hat ein Flair für alte Bauten; er hat unter anderem das Restaurant Hecht in Dübendorf erfolgreich umgebaut. luc. Es habe einige «Hochs und Tiefs» gegeben bei diesem Projekt, gesteht Urs Räbsamen ein. Lange war unklar, ob Räbsamen das Restaurant Alter Löwen in Oberstrass von der Stadt im Baurecht übernehmen kann. Zuletzt drohten FDP und SVP im Gemeinderat mit einem Behördenreferendum, das eine Volksabstimmung nach sich gezogen hätte. Die FDP verzichtete dann aber auf den Widerstand. Vor zwei Wochen stimmte der Gemeinderat dem Baurechtsvertrag zu. Gleichzeitig erteilte die Stadt die Baubewilligung – Räbsamen hatte das Baugesuch bereits im November vorsorglich eingereicht. Bis Ende April läuft die Rekursfrist; dann, endlich, kann Räbsamen mit dem Umbau beginnen. «Die Dachziegel», sagt er, «liegen schon bereit.»
Ein «Schandfleck» zum Beginn Urs Räbsamen führt seit 13 Jahren ein Ingenieurbüro in Zürich mit 10 Angestellten. Davor hatte er 15 Jahre lang beim städtischen Tiefbauamt als Bauingenieur gearbeitet. Sein Büro führt regelmässig Liegenschaftssanierungen durch; die Aufwertung alter Bausubstanz liege ihm, sagt Räbsamen. «Ich bin Ingenieur und nicht Architekt, deshalb sehe ich mich eher als Bewahrer denn als Erschaffer von Neuem», begründet er diese Vorliebe. Angefangen habe alles mit einer Liegenschaft an der Albisriederstrasse, einem «verlotterten Schandfleck», den Räbsamen wieder instand gesetzt hat. In Dübendorf hat Räbsamen von der Gemeinde das Restaurant Hecht erworben und saniert. Wie beim «Alten Löwen» wurde auch beim «Hecht» lange um die Zukunft der Liegenschaft gestritten. Das Gebäude beherbergt nun nebst der Wirtschaft zwei Firmen und Loft-Wohnungen und ist laut Räbsamen rentabel. Auch beim «Alten Löwen» soll eine verbesserte Nutzung zum Erfolg führen, erklärt der Ingenieur. Die Verlegung der Küche ins Untergeschoss schafft zusätzliche Plätze im Restaurant. Im Obergeschoss sollen vier Wohnungen entstehen. Der Umbau soll bis Ende Jahr abgeschlossen sein, Räbsamen rechnet mit Investitionen von 3 Millionen Franken. Er gehe damit ein erhebliches Risiko ein, sagt der Baurechtsnehmer, aber es habe ihn fasziniert, «wie die Leute im Quartier sich für den ‹Alten Löwen› eingesetzt haben». Enttäuscht hingegen war Räbsamen von einzelnen Voten in der Gemeinderatsdebatte. Die Gegner des Baurechtsvertrages argumentierten, dass die Stadt bei einem Konkurs des Baurechtsnehmers das Risiko trage. Zwar könne man einen Konkurs nie ganz ausschliessen, das Risiko dazu sei aber minimal, kontert Räbsamen: «Mein persönliches Engagement für das Projekt ist sehr gross.» Kritisiert wurde im Rat auch die aussergewöhnlich hohe Heimfallentschädigung von 90 Prozent des dannzumaligen Verkehrswertes, die nach Ablauf des 61 Jahre dauernden Baurechtsvertrages fällig werden. Der Prozentsatz sei höher als üblich, räumt Räbsamen ein, die Stadt sei aber schlau gewesen und habe vorsorglich eine Sicherung in den Baurechtsvertrag eingebaut, damit der dannzumalige Verkehrswert nicht «nach oben ausreissen» könne. Der Leiter der Liegenschaftsverwaltung der Stadt Zürich, Arno Roggo, führt
dazu aus, der Verkehrswert werde aufgrund der Mietzinse und des Gebäudewerts berechnet. Um einen längerfristig gültigen Wert zu errechnen, sehe der Baurechtsvertrag vor, bei Ablauf des Baurechts zur Berechnung nur den Mietzins der Wohnungen, nicht aber des Restaurants herbeizuziehen. Die Stadt, sagt Räbsamen zu dieser Klausel, «bekommt das Gebäude in gutem Zustand zu einem günstigen Preis zurück».
«Engel» in Ottenbach als nächstes Projekt Räbsamen glaubt fest daran, dass sich die Sanierung des «Alten Löwen» auch für ihn rechnen wird. Er geht von einem Mietertrag von insgesamt 150000 Franken pro Jahr aus. Und Räbsamen hat bereits neue Pläne: Er würde gerne das ehemalige Restaurant Engel in Ottenbach erwerben, das sich im Besitz des Kantons befindet und zurzeit leer steht. Der Kanton hatte das Objekt vor fünf Jahren erworben und plant nach Auskunft von Philippe Hauenstein von der Baudirektion nun den Verkauf. Räbsamen meint, im Moment seien die Verhandlungen mit dem Kanton noch etwas schwierig, aber das störe ihn nicht im Geringsten: «Der Kanton soll sich ruhig noch zwei Jahre Zeit lassen. Bis dann ist nämlich der ‹Alte Löwen› abgeschlossen.»