Präsentation von S.-O. Tergan
Was macht Lernen erfolgreich? Die Sicht der Wissenschaft Sigmar-Olaf Tergan Institut für Wissensmedien (IWM) Tübingen www.iwm-kmrc.de
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Enttäuschte Erwartungen •
Lernen ist durch Verwendung der neuen Informationsund Komunikationstechnologien nicht wie erwartet erfolgreicher geworden • Viele Erwartungen an das E-Learning waren zu hochgesteckt • Viele Annahmen waren aus wissenschaftlicher Sicht naiv und unrealistisch • Statt der erhofften Lernerleichterung und Förderung des Lernerfolgs ergeben sich neue Probleme
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Gliederung des Vortrags Auf der Suche nach Antworten 1. Modell: Lernrelevante Kontexte und Komponenten technologiebasierter Lernangebote 2. Antworten in Lerntheorien und InstruktionsdesignAnsätzen 3. Antworten in Ansätzen zur Qualitätsevaluation 4. Was Lernen wirklich erfolgreich macht
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Auf der Suche nach Antworten • Erforschung der Bedingungen erfolgreichen Lernens und deren Zusammenwirken im Lernprozess • Praktische Umsetzung von Erkenntnissen im Lehr-Lern-Kontext durch ... > Entwicklung von Instruktions-Design-Modellen > Entwicklung von Kriterien und Standards für die Qualitätsbeurteilung
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(1) Lernrelevante Kontexte und Komponenten technologiebasierter Lernangebote
(Tergan, Hron & Mandl, 1992; Tergan, 1998)
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Individueller Lernkontext • Bildungsabschluss • Berufserfahrung • Lernerfahrungen • Zeitbudget
Lerner • Persönlichkeitsmerkmale • Kognitive Merkmale •
Merkmale individueller Emotion
• Ressourcen • Sozialer Kontext
•
Merkmale individueller Interessen
• Zugangsmöglichkeit zu Technologien
•
Soziale Merkmale
• Zugriffsmöglichkeiten auf Medien / Lernressourcen • Berufliche Anforderungen
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Anwendungskontext > Ort und Situation der Wissensanwendung (z.B. Arbeitsplatz, Studium, tägliches Leben) > allgemeine kognitive und soziale Anforderungen - Art des geforderten Wissens (kognitive und psychomotorische Fertigkeiten) - soziale Bedingungen (z.B. Teamarbeit)
Inhalt • Authentizität • Sachliche Korrektheit • Art der Inhalte • Kodierungsform • Sinnesmodalität • Kognitive Anforderungen 7
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Pädagogischer Kontext Handlungsleitende pädagogisch-psychologische Theorien der Lernförderung (behavioristische, kognitivistische, konstruktivistische Theorieansätze) Spezifisches Instruktionsdesign-Modell (z.B. Problemorientierter Unterricht, cognitive apprenticeship learning, anchored instruction)
Didaktische Methoden • Methoden der Aufbereitung, Organisation und Sequenzierung von Lerninhalten • Methoden der Mediendidaktik (Medienwahl, Mediendesign) •
Maßnahmen zur Lernunterstützung und -förderung 8
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• Stand der Informationsund Kommunikationstechnologie • Technische
• Merkmale der medialen Darstellung • Merkmale der LernerSystem-Interaktion
Rahmenbedingungen (z.B. Hardwareausstattung von
• Merkmale der medialen Umsetzung didaktischer Methoden
Lernplätzen, Kommunikationstechnologie)
Technologie-Kontext
Technologie / Medien 9
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(2) Antworten in Lerntheorien und Instruktionsdesign-Ansätzen Drei allgemeine Lernparadigmen Behaviorismus Kognitivismus Konstruktivismus
Drei Paradigmen des Instruktionsdesigns
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Behavioristisches Lern- und Instruktionsparadigma Lernparadigma: Lernen ist erfolgreich, wenn ein gezeigtes Verhalten belohnt wird (Lernen am Erfolg - Thorndike, 1898) Instruktionsparadigma: Förderung von Lernen erfolgt ... > durch „Verstärkung“ korrekten Antworten > durch häufige Wiederholung Instruktionsdesign-Ansätze: > Programmierte Instruktion > Drill & Practice-Programme (Übungsprogramme)
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Kognitives Lern und Instruktionsparadigma Lernparadigma: Erfolgreiches Lernen (Wissenserwerb) ist das Ergebnis der Integration kognitive verarbeiteter Informationen in bestehendes Wissensstrukturen
Instruktionsparadigma: > Lernförderung durch lernzielgerechte Gestaltung > Ziel: Erleichterung kognitiver Prozesse durch optimale Anleitung und Lernunterstützung (Individualisierung)
Instruktionsdesign-Ansätze: > (Intelligente) Tutorielle Systeme > Simulationen
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Konstruktivistisches Lern und Instruktionsparadigma Lernparadigma:
Lernen ist dann erfolgreich, ... > wenn Lernende neues Wissen selbständig konstruieren (Wissenserwerb als aktiver konstruktiver Prozess) > wenn Lernen in praxisnahen Kontexten (authentischen Situationen) erfolgt
Instruktionsparadigma: Lernförderung erfolgt durch ... > Unterstützung selbstgesteuerter, aktiver und konstruktiver Lernaktivitäten und Lernprozesse > Bereitstellung vielfältiger Informationen und Informationsquellen > Vorgabe von authentischen (d.h. praxisähnlichen) Problemsituationen)
Instruktionsdesign-Ansätze: > Cognitive apprenticeship-Ansatz (Collins, Brown & Newman, 1989) > Anchored instruction (Bransford et al., 1990) > Problemorientiertes Lernen 13
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(3) Antworten in Ansätzen der Qualitätsevaluation Expertenbeurteilung mittels Kriterienkatalog
Kriterienkataloge sind systematische Zusammenstellungen von Fragen und Einschätzungsskalen (Kriterien) zu den Merkmalen eines Lernangebotes Sie dienen der Beurteilung der Qualität von Lernangeboten ... - Zur Qualitätssicherung - zwecks Auswahl eines Lernangebotes - zum Vergleich von Lernangeboten
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Vorteile von Kriterienkatalogen *
Sie sind einfach handhabbar
*
Sie sind zeit- und kostensparend
*
Sie sind ökonomisch verwendbar
*
Sie unterstützen die formative Evaluation
*
Sie erleichtern einen Vergleich von Lernsoftware
*
Sie ermöglichen ein standardisiertes Vorgehen
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Implizite Annahme von Kriterienkatalogen: Je besser die Qualität der Merkmale eines Lernangebotes, desto höher der zu erwartende Lernerfolg
Diese Annahme ist falsch!
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Kritik an Kriterienkatalogen • Übergewicht technischer Kriterien • Unschärfe des Begriffs "Qualitätskriterium“
• Geringe Beurteilerübereinstimmung • Unbestimmte prognostische Validität der Kriterien • Mangelnde Berücksichtigung individueller Lernvoraussetzungen • Mangelnde Berücksichtigung situativer Rahmenbedingungen (Lernkontexte) • Mangelnde Berücksichtigung von Lernaktivitäten und Lernprozessen
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Grundlegende Erkenntnisse zum erfolgreichen Lernen > Erfolgreiches Lernen und der Erwerb neuen Wissens passieren nicht zwangsläufig und automatisch, wenn ein Lernangebot nur gut genug gestaltet ist ! > Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen objektiven Merkmalen eines Lernangebotes und den Lernergebnissen ! > Media will never influence learning" (Clark, 1994) > Die „Passung“ von Medien, Inhalt und Methoden macht´s ! (Kozma, 1994) Jedoch: Lernende haben durch die Art ihrer Lernaktivitäten und Lernprozesse ein absolutes Veto über ihren Lernerfolg ! 18
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(4) Was Lernen wirklich erfolgreich macht First principles of instruction Merrill (2002) http://www.id2.usu.edu/Papers/5FirstPrinciples.PDF
Grundannahme: Das Lernen mit einem gegebenen Lernangebot wird in dem Maße gefördert, wie die „First Principles of Instruction“ verwirklicht wurden
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„First principles of instruction“
1. Prinzip Lernen wird gefördert, wenn Lernende veranlasst und unterstützt werden, sich mit der Lösung authentischer (möglichst persönlich bedeutsamer) Probleme zu befassen
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„First principles of instruction“
2. Prinzip Lernen wird gefördert, wenn bestehendes Wissen als Basis für den Erwerb neuen Wissens aktiviert wird
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„First principles of instruction“
3. Prinzip Lernen wird gefördert, wenn Lernenden demonstriert wird, was das zu erwerbende Wissen ist
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„First principles of instruction“
4. Prinzip Lernen wird gefördert, wenn neues Wissen von den Lernenden aktiv angewendet wird
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„First principles of instruction“
5. Prinzip Lernen wird gefördert, wenn das neue Wissen in das bereits bestehende Wissen zur Bewältigung persönlich relevanter Anforderungssituationen integriert wird
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Entscheidende Lernaktivitäten und Lernprozesse Designing world-class e-learning Schank (2002)
Grundfragen: >> Welches sind die zentralen Lernprozesse, die bei allen Lernangeboten beteiligt sein sollten? >> Wie sollte ein Lernangebot gestaltet sein, das entsprechende Lernprozesse anregt und unterstützt?
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Lernprinzipien
1. Prinzip Lernen durch Tun Lernen erfolgt im Kontext aktiven Handelns und Denkens
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Lernprinzipien
2. Prinzip Selbstgesteuert Lernen (Reasoning) Lernen erfolgt durch die selbständige Bewältigung kognitiver Anforderungssituationen
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Lernprinzipien
3. Prinzip Explorieren Explorieren meint kognitive Prozesse des (selbständigen) Erforschens eines Lerngegenstandes
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Lernprinzipien
4. Prinzip Beobachten Beobachten ist eine wichtige Voraussetzung, um visuelle Reize mental abzubilden. Entscheidend ist die kognitive Verarbeitung der vorgegebenen Visualisierungen
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Lernprinzipien
5. Prinzip Motiviert sein Nur wer zum Lernen motiviert ist, lernt und behält auch etwas!
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Lernprinzipien
6. Prinzip Emotional engagiert sein Emotionen beim Lernern unterstützen die Motivierung und das Behalten des Gelernten
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Lernprinzipien
7. Prinzip Fehler machen Aus Fehlern und enttäuschten Erwartungen lernen, dient dem Wissenserwerb
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Weitere wichtige Aspekte Lernende sollten ... • ihr Wissen explizit machen • Wissen aus multiplen Perspektiven erwerben • Wissen im sozialen Kontext erwerben • Lernprozesse (metakognitiv) kontrollieren • Wissen festigen durch häufiges Anwenden • Kognitive Überlastung vermeiden
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Rahmenbedingungen sind häufig für den Lernerfolg entscheidend ! • Curriculare Integration eines Lernangebots • Betreuung durch personalen Tutor • Soziale (Direkt-)Lernphasen (Blended Learning) • Persönliches Lernumfeld (lernfördernd? Stichwort: lernende Organisation) • etc. • etc.
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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