Von Kaffee, Koffern Und Der Bahn

  • August 2019
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  • Words: 929
  • Pages: 2
Von Kaffee, Koffern und der Bahn Schon mal Bahn gefahr’n? Und zwischendurch Wartezeit gehabt? Dabei ’n Kaffee getrunken und ’ne Zigarette geraucht? Und keinen Bock gehabt, den Koffer die ganze Zeit mit hin- und herzuschleppen? Genau, ich auch. Aber, so eine Bahnfahrt kann auch ganz schön abenteuerlich werden, oder einfach auch nur teuer. Oder eben beides. Nu’ aber von vorn’. Es war an einem Freitag Nachmittag, ich war auf der Rückfahrt einer Dienstreise und hatte ‚’ne halbe Stunde Aufenthalt auf irgend so einem Provinzbahnhof in der Pampa. Also, was macht man? Richtig, man sucht den Kaffeeautomaten. Den Koffer aufs Band und ab in den Tunnel. Oder auch nicht, wenn’s am gleichen Bahnsteig gegenüber weitergeht, der Automat auf dem selben Bahnsteig ist und sonst niemand herumschwirrt. Die nächsten Leute waren 2 Gleise weiter und langweilten sich unter dem bewölkten Himmel. So, nu’ aber genug geguckt, Kaffee holen. Den Koffer neben ’ne Bank gestellt, ’ne Fluppe angezündet und die 10 Meter zum Automaten gelatscht. Ja, ja, ich weis; Bahnhöfe sind jetzt rauchfrei - aber mal ehrlich, wenn’s keinen stört, was soll’s? Zurück zum Automaten. Kleingeld zusammengesucht, reingeschmissen und auf den Kaffee gewartet. Nachdem der Automat das 2. Suchtmittel rausgerückt hat, wieder zurück zur Bank, hingesetzt und die Ruhe genossen. Ich hab’ den Becher noch nicht mal halbleer gehabt, da stürmten ein paar schwergerüstete und vermummte Sheriffs den Bahnsteig entlang. „Wie jetzt,“ hab’ ich gedacht, „ SEK weg’n rauchen auf dem Bahnsteig? Ist’s jetzt schon so weit?“ Aber die waren nicht gekommen, um mir Sünder ’nen Strafzettel zu verpassen, nein, die kamen um mich zu retten! Vor meinem Koffer!? Ich erinnere mich nur zu gut, wie der eine von denen laut „Kommen Sie von dem Koffer weg!“ brüllte. Tja, ich hab’ wohl wie ein Fragezeichen dagesessen und auf meinen Koffer gezeigt. „Den da?“ „Los, kommen Sie!“ fauchte der Kerl mich an und riss mich von der Bank weg. Er und sein ebenfalls vermummter Kollege brachten mich aus dem Bahnhof. Ich habe versucht, den beiden klar zu machen, dass das mein Koffer ist, voller Socken und Unterhosen. Aber die reagierten nur mit einem „Sie sind gleich in Sicherheit“. In Sicherheit wovor? Also, so schlimm riecht meine gebrauchte Unterwäsche nun auch nicht, als dass sie eine Gefahr darstellen würde. Ehrlich nicht. Hinter der Absperrung auf dem Bahnhofvorplatz habe ich dann versucht, einem der Polizisten klar zu machen, dass seine Kollegen gerade versuchen, getragene Socken zu entschärfen. Nur wollte der nichts davon hören und faselte irgendwas von SEK, Sprengmeister und Bombenräumkommando. Schon mal versucht, dem Held des Bahnhofvorplatzes was zu verklickern? Keine Chance, also hab’ ich’s erst einmal aufgegeben und mir eine angesteckt. Da hat er dann mich wahrgenommen und was zu meckern gehabt. War mir aber egal, ging mir echt am Allerwertesten vorbei. Nach 5 Minuten gab’s dann Entwarnung. „Nichts gefunden, nur Bekleidung, keine Bombe,“ quäkte es aus der alten Schrottfunke. „Hab’ ich doch die ganze Zeit gesagt,“ hab’ ich dann zu dem Sheriff gesagt. „Das hättet ihr euch echt klemmen können.“ „Was haben Sie gerade gesagt?“ fragte mich der Sheriff. „Wow,“ hab’ ich gedacht, „voll krass. Hört mir der Troll doch mal zu.“ „Also,“ hab’ ich dann geantwortet, „ich habe die ganze Zeit versucht, Ihnen klar zu machen, dass das mein Koffer da oben ist. Und dass da nur Klamotten drin sind. Aber Sie hat’s nicht interessiert, genauso wenig wie die Kollegen, von denen man nur die Augen sieht.“

Was war dann? Klar, der Sheriff hat meine Personalien aufgenommen und irgendwann konnte ich meinen Koffer zusammensammeln und nach Hause fahren. War echt scheiße, die Aktion von den Sheriffs. Also, nicht das die reagiert haben, nee, das is’ schon ok. Nein, dass die nicht zugehört haben, wenn man denen was sagt. Und sonst? Das Strafverfahren gegen mich wurde gnädigerweise eingestellt. Die SEKHeinis haben ausgesagt, dass ich etwas zu ihnen gesagt hatte, sie aber nicht zugehört hatten. Mein Bahnhofsvorplatzsheriff hat so ziemlich dass selbe ausgesagt und ich war raus aus der Sache. Der Frau, die die Sheriffs angerufen hat, mache ich keine Vorwürfe, auch wenn sie das alles ausgelöst hat. Die ist doch nur von der staatlichen Bedrohungspropaganda weichgeklopft. Genaugenommen tut sie mir leid, es muss schrecklich sein, ein Leben in Angst vor Koffern zu führen. Vor allem, wenn man Bahn fährt. Ach ja, der Trottel hinter der Überwachungskamera war zuerst wohl nur auf den Ausschnitt der Dame fixiert und nach dem Anruf auf meinen Koffer. Dass der Besitzer in den Nähe noch ’rumschwirren könnte, kam dem auch nicht in den Sinn. Auf dem Band war jedenfalls nichts, das hatte der abgestellt. So, das war’s jetzt mit dem abenteuerlichen Teil meiner Geschichte. Fehlt noch was? Ja genau, der teure Teil. Den hab’ ich gestern bekommen, die Rechnung für den Polizeieinsatz. Au weia, ganz schön teuer. Aber mein Anwalt hat gesagt, dass die damit nie durchkommen. Da ich mich nicht sehr weit von meinem Koffer entfernt hatte, ist mir nicht einmal Fahrlässigkeit als Haftungsgrund vorzuwerfen. Das würde auch für eventuelle Ansprüche der Bahn gelten, die bestimmt noch kommen. Schöne Aussichten. Und was ist jetzt die Moral der ganzen Sache? Nur keine Koffer stehen lassen, immer schön mitschleppen. Die Rücken-OP zahlt eh’ die Krankenkasse. Ach ja, und noch ganz wichtig: Passt lieber auf der Straße auf! Es dürfte derzeit immer noch unendlich wahrscheinlicher sein, im Straßenverkehr umzukommen, als durch die Kofferbombe eines Irren. Is’ wirklich so!

___________________________________________________________________________ ©2006 Dirk Schulte am Hülse (www.dirksgeschichten.de)

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