Bernd Kowallik fest- und gedenksprüche für siebenstimmigen chor a capella
I märchen
II das salz der erde
III dem wesen nach weich
I
fabel dachs: ein gesicht und strahlend weiß aber der viele kaffee, macht nur noch müdes gelb der mund ein kohlenschacht storch: deine weißheit fürchtet eines, still zu sein; den mund zu halten ziert den weisen, weswegen ich nicht aufhören kann dich deines nichtschweigens zu ermahnen; dich zu bitten, mir, wenn ich meine mich über weißheit äussern zu müssen, den mund zu verbieten; und zwar strikt.
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herodes und die kinder von bethlehem zuerst die und dann hitler mit seinen juden und jetzt die abtreibungen ich bitte sie jede epoche ist voller millionen toter für Kardinal
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II
antipodest wir sind antipoden für uns nur das niedergeknüppelte papier die finger wundzerrend gegen die zigaretten wir streichen krebs weg wahrsagen somit eher romantisch, näher den händen als der brust tabakkrümel zum kaffee zu uns die augen nah den fingern die augen gegen die zimmerflucht wir setzen uns ganz weit in einander es blutet aus der überschneidung zwei eloxierte zwischen eine welt gehockt die tektonik angst verkeilt sich unsere vierzigfache kraft bröckelt es sei denn wir gliedern begierig an uns entlang unseren albernheiten entlang jedes oder sich; unter sei wir! zu welchem wir? von jedem zu sich; unsere albernheiten es sei denn wir verwischen unsere abgehobelte art die sich einfach eingeschlichen hat wir bekommen zurück sowie einer litt zwei uneinse entlang einer welt gezogen wir heilen uns über einander die augen in denen es barst die augen zu den fingern zu uns tabakkrümel für kaffee eher in den händen als in der brust wegblasen wie wir den krebs ausatmen das fingerschneidende zigarettenpapier aus uns energiearmen wunden wir sind antipoden für Montana Etter
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abschied von Friedrich Rother-Fuchs I schneid mir die knospen vom mund mein falterflügelmund fliegt die uhr rennt das macht die freude II es ist spät geworden der morgen meilenstiefelschnell ich hab vergessen was ich dir sagen wollte irgendwas zwischen auf wiederbittesehenbleib schlaf mitgutmir abschiedskuss
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III
achtsamkeit die wahrheit furchtsamenvoll gesucht und daneben gegriffen so ist sie, denk ich mir. und du ganz unbeachtet. deine sorgenaugen die ganze zeit bei mir. und hatz! jetzt hab ichs gemerkt. du versuchst meine augen; irgendwie dahinter kommen. ich dagegen ganz popelineverhüllt ganz eingetüllt bin bei mir im sanften innenfutter unweit vom saum, ich im leeren raum ich satt für Cornelia Grün
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mein wissenwollen ist unendlich groß mein sagenkönnen genauso klein dieser anspruch gegen einen gott, ein gott der sich in das dazwischen gelegt hat, sich in ein dahinter versteckt sich nicht zeigen kann keinen stein nach mir wirft und auch nie trifft meinen fragen auf immer ausweicht und mich aufweicht wo ich meinen willen haben möchte und jeden zugang zu mir verschlossen halten muss so ein gott macht mich neugierig er ist hilflos wie ich ständig in sich gefangen möchte ich ihm helfen mehr als ich jemals einem menschen helfen wollen würde gott zuerst für Frau Ester Quall
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