Hamburg 1009

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Dumm fickt gut Beim ersten „Hamburger Aidskongress“ steht die Aufklärung auf dem Prüfstand

Wie dumm sind die Hamburger? Diese Frage lässt Senator Dietrich Wersich Ende Oktober auf dem ersten Hamburger Aids-Kongress diskutieren – auch wenn der umgänglich Chef der Gesundheitsbehörde das nie so direkt sagen würde. Auf Drängen der GAL wurde im schwarz-grünen Koalitionsvertrag festgehalten, dass noch in dieser Legislaturperiode eine solche Veranstaltung nötig sei. Fachleute, aber auch ehrenamtliche Aidshelfer sollen sich zwei Tage lang darüber austauschen, wie die Ausbreitung des HIVirus verhindert werden kann. Die Neugier der Öffentlichkeit dürfte sich in Grenzen halten: Im Jahr 2008 ist die Anzahl der HIV-Neudiagnosen in Deutschland erstmals seit 2001 nicht nennenswert angestiegen, in Hamburg wurde sogar ein Rückgang verzeichnet. Dennoch hält Farid Müller (GAL) den Kongress für notwendig: „Nach mehr als zwei Jahrzehnten Prävention haben sich viele Botschaften abgenutzt. Deswegen müssen wir nach neuen Wegen in der Prävention suchen.“ Ein eigenes Arbeitsforum beschäftigt sich damit, warum sich Männer beim Sex mit anderen Männern gefährliche Erreger wie das HI-Virus einfangen – und wie man das verhindern kann. Aids hat für viele Menschen seinen Schrecken verloren, gilt nicht mehr als Todesurteil, sondern als schwere chronische Krankheit. Dazu kommt: Die Safer-Sex-Botschaft ist

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nicht mehr so klar wie früher. Das Schlagwort „Kondome schützen“ hat jeder im Kopf. Nun geht es um den nächsten Schritt der Aidsaufklärung. Und schon geht der Streit um die Dummheit los. Auf der einen Seite stehen Menschen wie Dirk Sander von der Deutschen Aidshilfe (DAH). Er sagt: „Eine wichtige Rolle bei diesem Prozess spielt die Entstigmatisierung von dem, was laienhaft unter dem Label ,unsafer sex‘’ läuft.“ Im Klartext: Sex kann auch ohne Kondom safe sein – solange die Sexpartner einschätzen können, wie hoch das Risiko ist, sich selbst oder den anderen anzustecken. Doch wer das Kondom in Frage stellt, erntet Empörung. So zum Beispiel die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen (EKAF). Die schweizerische Behörde hatte Anfang 2008 darauf hingewiesen, dass auch HIVpositive Menschen nicht infektiös sein müssen – vorausgesetzt, sie halten sich an ihre ärztliche Therapie. Zahlreiche Aidshilfen distanzierten sich aus Angst, ihre erfolgreiche Safer-Sex-Politik zu ruinieren. Auf der anderen Seite stehen Fachleute wie Wolfgang Müller von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Auf dem gerade in Berlin zu Ende gegangenen Kongress „HIV im Dialog“ warnte Müller davor, die „Allgemeinbevölkerung“ mit allzu komplexen Botschaften zu überfordern. Die schweizerische Einschätzung sei unter Umständen „ein Thema für Männer, die Sex mit Männern haben“, gehöre aber nicht auf BZgA-Plakate. Heißt das, die Menschen sind zu dumm, um die neuesten Erkenntnisse der Aidsforschung zu begreifen? Ob die Hamburger bereit sind für Safer-Sex-Kampagnen der nächsten Generation, wird ab dem 28. Oktober diskutiert. PHILIP EICKER

28./29.10., Patriotische Gesellschaft, Anmeldung bis 15.10. unter www.hag-gesundheit.de Der traditionelle Empfang des Senats zum Weltaidstag wird auf den ersten Kongresstag vorgezogen: 28.10., 20 Uhr, Bucerius Kunstforum

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Sicher gehen Kostenlose HIV-Testwochen in Hamburg In Deutschland leben derzeit rund 63500 Menschen, die mit HIV infiziert sind. Experten schätzen, dass etwa ein Drittel der Betroffenen nichts davon weiß: sie sind positiv, haben bislang aber keinen Test gemacht. Das will die Deutsche Aidshilfe ändern: Im Rahmen ihrer Kampagne „Ich weiß, was ich tu“ (IWWIT) wurden bundesweite Testwochen gestartet, die noch bis Ende November laufen. Auch in Hamburg können sich schwule Männer, die nach wie vor zu den Hauptbetroffenen zählen, mehrmals in der Woche auf HIV testen lassen. „Ziel der Testwochen ist es, Männer zu motivieren, sich Klarheit zu verschaffen, ob sie HIV-negativ oder HIV-positiv sind“ erklärt dazu Carsten Schatz aus dem Vorstand der Aidshilfe. Denn: „Je früher die eigene HIV-Infektion bekannt ist, desto effektiver kann schweren Folgen einer HIV-Infektion begegnet werden. Die modernen Therapien können das HI-Virus gut in Schach halten, vor allem, wenn sie rechtzeitig eingesetzt werden“, so Schatz. Sowohl Hein & Fiete als auch die Hamburger Aidshilfe bieten mehrfach in der Woche kostenlose und anonyme Testtermine an, die mit einer Beratung einhergehen. Mitmachen ist sinnvoll, so Schatz: „Wer über seine Infektion Bescheid weiß, kann sich und andere besser schützen und gegebenenfalls eine medikamentöse Therapie beginnen. So können wir nachhaltig und langfristig die Infektionszahlen senken.“

www.iwwit.de/testwochen

IWWIT-Rolemodel Raphael

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Foto: Andrey Ditzel

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Äußerst beweglich: Auch die Hamburger CDU unterstützt nun die Hauptforderung des CSD 2009

Aus der Hüfte

Die Hamburger Bürgerschaft schließt sich der CSD-Forderung „Lesben und Schwule ins Grundgesetz“ an

Plötzlich geht alles ganz schnell. Seit letztem Jahr wirbt der Lesben- und Schwulenverband LSVD dafür, Homo-Rechte im Grundgesetz ausdrücklich zu schützen. Bisherige Resonanz: schwach. Im Dezember 2008 kommt Bewegung in die Sache: Viele deutsche CSDs wollen die Forderung übernehmen, auch Hamburg schließt sich an („Flotter Dreier fürs Grundgesetz“). Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) erkennt die Wahlkampftauglichkeit des Themas und tingelt über die CSDs. Mitte Juli stellt die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft einen entsprechenden Antrag. Angesteckt von der Pride-Stimmung verkündet Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust auf der Demo am 8. August der Welt, es sei „an der Zeit, das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz zu verankern“. Nur 26 Tage später stimmt die Hamburger Bürgerschaft geschlossen für einen entsprechenden Antrag im Bundesrat – mit den Stimmen der CDU. Ob Lesben, Schwule und Transmenschen tatsächlich einmal im Grundgesetzartikel 3 erwähnt werden, bleibt ungewiss. Zwar werben nun die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg für eine Ergänzung,

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doch ihr bundesweiter Einfluss ist gering. Für eine Verfassungsänderung aber sind Zweidrittel-Mehrheiten notwendig, im Bundestag genauso wie im Bundesrat. Selbst wenn diese zustande kämen: Die Folgen blieben gering. „Mit der Änderung des Grundgesetzes erhalten Schwule und Lesben nicht ein Recht mehr als zuvor“, betont Bürgschaftsabgeordneter Farid Müller (GAL), der ebenfalls für die Hamburger Initiative gestimmt hat. „Da durch die Bundesregierung weiter diskriminiert wird, brauchen wir vor allem die Öffnung der Ehe.“ Überraschend ist die Zustimmung der CDU, denn sie bricht mit einem Tabu: Erstmals setzt sich eine unionsgeführte Landesregierung bundesweit für Homo-Rechte ein. Die CDU aber ist eine konservative Partei. Wenn sie etwas Neues wagt, muss es so aussehen, als sei es schon immer so gewesen. Also betonen alle Beteiligten, dass der Schutz sexueller Minderheiten schon lange ein Anliegen der Union ist. Eine gute Gelegenheit bot sich am 12. September: Die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) trafen sich in Hamburg zu ihrem Bundeskongress. „Vor zwanzig Jahren hätten wir das in der Partei

noch intensiv diskutieren müssen“, räumt dort Finanzsenator und Landesparteichef Michael Freytag ein, „aber inzwischen ist die CDU eine moderne Großstadtpartei, da hat es überhaupt keine Debatte mehr gegeben.“ Roland Heintze (CDU) organisierte lautlos die Unterstützung seiner Fraktionskollegen. Auch er spielt die Bedeutung des Bürgerschaftsvotums herunter: „Persönlich finde ich es deutlich wichtiger, die Lebenswirklichkeit schwuler und lesbischer Jugendlicher zu verbessern, als theoretische Debatten über Formulierungen im Grundgesetz zu führen.“ Auch der Erste Bürgermeister stattete der LSU seinen Besuch ab, um zu betonen, dass sich eigentlich nichts geändert hat – auch persönlich nicht: „Ich habe immer frei gelebt“, so von Beust. „Was wäre denn anders gewesen, wenn ich mich öffentlich geoutet hätte? Das Ziel ist doch, dass Schwulsein keine Nachricht mehr wert ist.“ Das ist Balsam auf die Seelen der homosexuellen Parteifreunde – und bleibt doch ein frommer Wunsch. Am Montag darauf berichtet Bild seitenfüllend vom LSU-Treffen. Die Überschrift: „Ole spricht über Schwule in der Politik.“ PHILIP EICKER

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Im Korsett CSD-Chef Lars Peters will weiter demonstrieren h Lars, im August hat der CSD gefordert: Homos ins Grundgesetz. Nun hat sich die Bürgerschaft dieser Forderung einstimmig angeschlossen. Zufrieden? Ich freue mich! Unser Anliegen ist offenbar so gut angekommen, dass es alle in der Hamburger Bürgerschaft vertretenen Parteien aufgegriffen haben. Aber diese Initiative bedeutet noch lange nicht, dass nun das Grundgesetz geändert wird. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat. Bisher haben sich nur die drei Stadtstaaten dafür ausgesprochen. Und die waren schon immer etwas weiter als die anderen Bundesländer. h Die ganze Stadt stellt sich einmütig hinter eine CSD-Forderung.

Ist Hamburg so frei oder sind eure Forderungen zu lasch? Auch wenn uns die Unterstützung freut – viele Forderungen der letzten Jahre sind bis jetzt nicht erfüllt! Ich erinnere an die volle Gleichstellung der Lebenspartnerschaft und an das Adoptionsrecht. Oder ein Hamburger Beispiel: der toleranzfördernde Unterricht an den Schulen. Ein großer Teil unserer Sozialisierung findet schließlich in den Klassenzimmern statt. Die Stadt ist in der Pflicht, hier etwas zu tun. Wir haben also noch viele Gründe, auch in Zukunft auf die Straße zu gehen. h Viele Sportfans machen sich Sorgen um den nächsten CSD-Termin. Er soll mit den Gay Games in Köln zusammenfallen.

Lars Peters (36), Vorsitzender des CSD-Vereins Hamburg Pride

Foto: Martin Stiewe

Noch gibt es keinen Termin für 2010. Wir achten darauf, dass sich der CSD nicht mit anderen schwullesbischen Ereignissen überschneidet. Aber wir stecken in einem engen zeitlichen Korsett: Der Jungfernstieg ist oft belegt, im Juli sind viele andere CSDs. Klar ist nur: Den 30. Hamburger CSD wollen wir groß feiern – mit der ganzen Szene. Und dazu gehören natürlich auch die Sportvereine. INTERVIEW: PHILIP EICKER

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Fotos: Stephan Pflug

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Papenhuder Str. 59, www.gerda-huesch.de

Hansekind Frank kann nur am Wasser leben: In Uhlenhorst gibt es genug davon

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dass er aus dem 6er-Bus heraus das weihnachtsrote Schild mit der goldenen Schrift gesehen hatte – obwohl er mit Weihnachten nur wenig anfangen kann. „Selbst Geburtstage finde ich leicht albern.“ Trotzdem ist Frank oft im Weihnachtsladen und freut sich an „unnützen Dingen, die keiner braucht, aber die das Leben schöner machen“.

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„Muss ich dich jetzt siezen?“, hat eine Klientin von Frank gewitzelt, als ihr der Krankenpfleger erzählt hat, wo er wohnt. „Uhlenhorst wirkt auf manche versnobbt, dabei ist es sehr gemischt“, erläutert der 24-Jährige: „Prächtige Stadthäuser am Alsterufer, Nachkriegsmietshäuser und dazwischen laute Straßen und eine große Tanke.“ Nicht zu vergessen: der Weihnachtsladen von Gerda Hüsch. Den mochte Frank schon, kaum

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Mittelpunkt

Kulturerbe

Frank lebt mittendrin. Das hat er im Hamburglexikon nachgelesen: Nur wenige Schritte von seiner Haustür entfernt liegt St. Gertrud. Die Kirche markiert das geografische Zentrum Hamburgs. Frank ist kirchenfern aufgewachsen. „Aber ich komme gerne hierher, wegen der Stille.“

Zwischen alter und neuer Heimat entdeckt der Stralsunder Parallelen: „Beides sind Hansestädte, bald auch Weltkulturerbe.“ Frank schätzt das Literaturhaus. Im Literaturhauscafé findet er alle wichtigen deutschen Zeitungen – an schweren hölzernen Haltern wie im Wiener Kaffeehaus.

Bei der St. Getrudkirche, www.st-gertrud-hamburg.de

Schwanenwik 38, www.literaturhaus-hamburg.de

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Vielfalt Das Außenalsterufer lockt selbst Frank zum Laufen. Er genießt die offensichtliche Vielfalt seiner Joggingstrecke: Gegenüber den exklusiven Ruderclubs hat sich eine iranische Gemeinde in den 60er Jahren die prächtige Imam Ali Moschee erbauen lassen. Schöne Aussicht 36, www.izhamburg.com

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'"--]8*/5&3 Aussichtspunkt Alster und Telemichel: „Ich mag den Blick soooo gerne“, schwärmt Frank im Anleger. Das Restaurant unter der Mundsburger Brücke bietet freie Sicht auf Hamburgs Westen – einmal quer über die Binnenalster. „In einer Stadt ohne Wasser könnte ich nicht leben!“ Hartwicusstraße 7, www.anleger1870.de

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Schwules Uhlenhorst

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English Theatre: Hamburgs englischsprachige Bühne bringt ihrem anglophilen Publikum oft schwule Themen näher. Hofweg 8, www.englishtheatre.de

Café-Bistro Osito: Bären servieren Snacks und eigenen Kuchen. Kanalstr. 9, www.cafe-osito.de

Prinsessan: Hamburgs erste Dessert-Bar setzt ganz auf Süßes.

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Hofweg 63, www.prinsessan.de

Uhlenhorster Reisedienst: Andreas Meyer organisiert Reisen – vom Last-minute-Schnäppchen bis zum Incentive-Trip. Hartwicusstr. 6, www.u-rd.de

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Die Hamburger IHWO-Gründer Claus Fischdick und Carl Stoewahs bei einer Feier im dänischen Axelhus.

Anständige Herren In Hamburg entstand vor 40 Jahren die „Homophile Welt-Organisation“, die sogar ein eigenes Clubzentrum betrieb – und an sich selbst scheiterte Schwule mit globalem Anspruch waren Carl Stoewahs und Claus Fischdick eher nicht. Auch wenn der Name ihres Vereins darauf schließen lässt: Kurz nach der Liberalisierung des Strafrechtsparagrafen 175 gründeten die beiden im Herbst 1969 in Hamburg den deutschen Ableger der IHWO – der Internationalen Homophilen Welt-Organisation. Der großspurige Name irritiert. „Die IHWO war nie eine internationale, geschweige denn eine Weltorganisation“, betont Raimund Wolfert, Autor eines Buches über die Vereinsgeschichte. Das Ziel von Stoewahs und Fischdick war etwas profaner: Sie kämpften „gegen Einsamkeit und Einsiedelei“ schwuler Männer – auch wenn sie selbst den Begriff „schwul“ mieden. Die beiden waren bürgerliche Homosexuelle und hatten mit der Radikalität der aufkommenden, studentisch geprägten Schwulenbewegung nichts am Hut. „Zentrales Ideal der IHWO war die gleichgeschlechtliche harmonische Dauerfreundschaft, wie sie von den beiden Vorstandsvorsitzenden Carl Stoewahs und Claus Fischdick vorgelebt wurde“, schreibt Wolfert. „Mit der schwulen Sau vom Bahnhof wollte man nicht identifiziert werden.“ Genau darin bestand zunächst ihr Erfolgsrezept. Schwule Männer lebten auch nach 1969 zumeist

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noch versteckt und angepasst an bürgerliche Konventionen, um ja nicht aufzufallen. „Scham, Sitte und Anstand, in deren Namen Homosexuelle abgewertet wurden, waren für die meisten von ihnen positive Kategorien“, urteilte Sexualwissenschaftler Martin Dannecker. Dabei war die IHWO in ihrem Ursprung genau hiervon weit entfernt. In Dänemark gegründet verbarg sich hinter dem Kürzel zunächst nicht mehr als ein Pornoversand, der sich erst später politisierte. „Die Gründer der Hamburger IHWO dürften indes kaum über das ursprüngliche Profil der dänischen Mutterorganisation orientiert gewesen sein“, glaubt Wolfert. Stoewahs und Fischdick bauten ihren Verein erfolgreich auf; in seiner Blütezeit um 1973 zählten sie rund 800 Mitglieder und sieben Regionalgruppen in ganz Deutschland. Hamburg blieb das Zentrum: Hier schufen die Mitglieder sich sogar ein eigenes Clubzentrum. Zunächst mietete die IHWO Räumlichkeiten in der Bernadottestraße an, die jedoch schnell zu klein wurden. Am Rossberg 35 in Wandsbek fand sich ein neues Domizil, und auch dort sollte keine „von Sexualität wimmernde Anonymität der einsam stehenden Mumien“ herrschen, sondern eine Familienund Gruppenatmosphäre. Mit der schwulen Subkul-

tur, wie sie in Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ gezeichnet wird, konnten sich die Clubmitglieder nicht identifizieren. Tragisch für die IHWO: Ausgerechnet der verhasste Praunheim Film und die durch ihn ausgelöste Politisierung der Schwulenszene bildeten den Anfang vom Ende des Vereins, der mit den neuen gesellschaftspolitischen Realitäten überfordert war. Raimund Wolfert zeichnet diese spannende Geschichte in seinem lesenswerten Buch faktenreich nach. Die eigentliche Überraschung dabei: Viele der damaligen Debatten zwischen Bürgerlichen und Radikalen über das Bild des anständigen Homosexuellen erscheinen heute so aktuell wie eh und je. STEFAN MIELCHEN

Raimund Wolfert: „Gegen Einsamkeit und Einsiedelei“, Männerschwarm Verlag, 220 Seiten, 16 Euro

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Absage In seinem Lied „Pump up“ ruft der jamaikanische Sänger Sizzla Kalonji offen dazu auf, schwule Männer zu verbrennen oder zu erschießen. Auch in weiteren Songs fällt Sizzla durch minderheitenfeindliche Äußerungen auf und fordert den Mord an Homosexuellen. Für den Hamburger LSVD-Vorstand Wolfgang Preußner ein klarer Fall von Volksverhetzung. Nach Intervention des LSVD wurde ein für November geplantes Konzert des Jamaikaners in der Fabrik gestrichen. „Es ist vollkommen unverständlich, warum die Hamburger Fabrik den umstrittenen Sänger eingeladen hatte“, findet Preußner.

Gedenken Aus Anlass des Todestages von Hans Henny Jahnn führt Dr. Gottfried Lorenz von der Hamburger Stolpersteininitiative „Gemeinsam gegen das Vergessen“ am 18. Oktober um 14 Uhr über den Nienstedtener Friedhof. „Allmählich ist die Liebe unantastbar geworden“ lautet die Inschrift auf der Platte von Jahnns Grab. Treffpunkt ist der Haupteingang in der Rupertistraße 37. Äußerst erfolgreich verlief das Hamburger Chorfest der Stolperstein-Initiative in der bis auf den letzten Platz besetzten St.Georgs-Kirche. Hier kamen 3516 Euro Spenden für die weitere Gedenkarbeit zusammen.

Bedrohung Verliert Hamburg ein Stück seiner (queeren) Clubkultur? Läden wie das Fundbureau unter der Sternbrücke sind von der Schließung bedroht, da die Brücke saniert werden muss. Hier findet im Oktober beispielsweise die Filmtage-Benefizparty „Mutantenstadl“ statt. Zwar haben erste Proteste mittlerweile bewirkt, dass die Bahn eine Prüfung der Bauarbeiten angekündigt hat. Doch dies ist vorerst nur ein Aufschub. Eine Online-Petition fordert den Erhalt der Sternbrücken-Clubs: http://www.petitiononline.com/31122009/ petition.html

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