Einleitung 1. Meine Motivation für das Thema
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Hauptteil 2. Geschichte des Geldes
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2.1 Ursprung und Entstehung des Geldes 2.2 Papiergeld 2.3 Geld im Mittelalter: die Brakteaten
3. Das heutige Geldsystem: Kreisläufe, Funktionen, Zusammenhänge
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3.1 Die Geldschöpfung 3.1.1 Die Herkunft der Geldscheine 3.1.2 Die Herkunft der Münzen 3.1.3 Die Geldmenge – Mengenaggregate 3.1.3.1 Geld und Guthaben – Wo liegt der Unterschied?
3.2 Die Geldmengensteuerung
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3.2.1 Die Notenbank und ihre Aufgaben 3.2.2 Die Geldmengensteuerung über Kredite 3.2.3 Die Rolle des Geldumlaufs
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3.3 Die Geschäftsbanken und ihre Aufgaben
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3.3.1 Die Vermittlung zwischen Sparer und Kreditnehmer und warum sie so wichtig ist 3.3.2 Giralgeld und Guthabenübertragungen 3.3.3 Der Umschlag von Bargeld
4. Die Inflation
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4.1 Preisniveau und Inflationsmessung 4.1.1 Kritik an der Warenkorb-Methode 4.2 Ursachen von Inflation 4.2.1 Die Lohn-Preis-Spirale 4.3 Folgen der Inflation 4.3.1 Gewinner der Inflation 4.3.2 Verlierer der Inflation
5. Die Börse
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5.1 Geschichtlicher Hintergrund 5.2 Börsenarten 5.3 Handel und Spekulation 5.4 Börsenkrach 5.5 Wichtige Börsenplätze
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6. Die Hauptproblematik unseres heutigen Geldsystems
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6.1 Die Schuldenproblematik 6.1.1 Die Staatsverschuldung 6.1.2 Die Unternehmensverschuldung 6.1.3 Die Privatverschuldung
7. Lösungsansätze
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7.1 Die Umlaufsicherung 7.1.1 Die praktische Umsetzung 7.1.2 Die Auswirkungen 7.2 Die Regionalwährungen
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7.2.1 Die Funktionsweise 7.2.2 Praktische Arbeit: Aktuelle Modellprojekte
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7.2.2.1 Der VolmeTALER 7.2.2.1.1 Interview mit Helmut Reinhardt 7.2.2.2 Das Rheingold 7.2.2.2.1 Interview mit Jost Reinert
8. Fazit
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9. Quellen
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1. Meine Motivation für das Thema Am Anfang des 11. Schuljahres stand bei mir erst einmal große Ratlosigkeit, was das Thema der anstehenden Jahresarbeit betraf. Ich hatte einige Ideen, doch keines der Themen interessierte mich so brennend, dass ich klar hätte entscheiden können, mit welchem ich mich das kommende dreiviertel Jahr lang beschäftigen wollte. Als mir das Thema „Geld“ in den Sinn kam, wollte ich vor allen Dingen mehr über die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erfahren. Die Hypothekenkrise in den USA war damals noch nicht aktuell, verstärkte mein Interesse für das Thema jedoch in der folgenden Zeit. Mich erstaunte zusehends, wie wenig ich über das Thema wusste. Auch bei Leuten, denen ich von meiner Arbeit berichtete, löste ich entweder erstaunte Reaktionen oder auch Kopfschütteln aus. Oft hatte ich den Eindruck, ich redete über etwas sehr Exotisches. Bei der weiteren Beschäftigung mit dem Thema „Geld“ fiel mir jedoch immer mehr auf, wie allgegenwärtig dieses und seine Auswirkungen im Alltag sind. Nahezu jeder geht mit Geld um, doch kaum einer weiß um die Hintergründe dieses Tauschmittels. Um Geldkreisläufe und –systeme besser verstehen zu können, lohnt sich auch ein Blick in die Vergangenheit: Ausgerechnet im „finsteren“ Mittelalter gab es geistige Lichtblicke beim Thema „Geld“, die für die Zukunft unseres Geldsystems wichtige Denkanstöße sein können. Dass ein Umdenken und Suchen nach neuen Lösungen erforderlich ist, zeigen nicht nur die immer wiederkehrenden Finanzkrisen wie jüngst in den USA. Die problematischen Auswirkungen machen sich auch im Bereich von Beschäftigung, Löhnen und Preisniveau bemerkbar. Soziale Spaltung und zunehmende Umweltzerstörung sind nur zwei der Folgen, die letztendlich auf fatale Fehler in unserem Geldsystem zurückzuführen sind. Die eingangs erwähnten Zusammenhänge besser zu verstehen und den Versuch einer partiellen Darstellung ausgewählter Aspekte zu wagen, schien mir schließlich eine gute Grundlage für die Wahl meines Themas.
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„Wir sollten uns nicht so gebärden, als ob das Erkennen von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen nur den Gralshütern vorbehalten bliebe, die auf der einen Seite wissenschaftlich, auf der anderen Seite demagogisch ihre verhärteten Standpunkte vortragen. Nein, jeder Bürger unseres Staates muss um die wirtschaftlichen Zusammenhänge wissen und zu einem Urteil befähigt sein, denn es handelt sich hier um Fragen unserer politischen Ordnung, deren Stabilität zu sichern uns aufgegeben ist.“ Ludwig Erhard, 1962
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2. Geschichte des Geldes 2.1 Ursprung und Entstehung Die Vorzüge und die Notwendigkeit eines universellen Tauschmittels entdeckte man schon mehrere tausend Jahre vor unserer Zeit. Ohne ein solches war ein Handel nur dann möglich, wenn der eine Handelspartner genau das Produkt in ausreichender Menge besaß, welches die Nachfrage des anderen darstellte. Dies führte schon bald zu Problemen. Das so genannte Warengeld, Vieh, Felle, Dolche, besondere Steine oder Salz, Steingeld, wie es in Mikronesien vorkam, Ring- und Schmuckgeld im Süden Asiens sowie Muschelgeld (z.B. Kauri-Muscheln, die noch Mitte des 20. Jahrhunderts in Afrika, Südasien und auf Südseeinseln als Zahlungsmittel genutzt wurden) war zunächst der erste Vorläufer unseres heutigen Geldes. Die Sumerer verwendeten schon um 1000 v. Chr. Gold- und Silberbarren als Zahlungsmittel. Vorteile der Edelmetalle waren ihre Unverderblichkeit, die einfache und sichere Lagerung sowie ihr dauerhafter Werterhalt. Die Barren oder Drähte wurden bei Bedarf in die nötigen Gewichtsanteile zerlegt und dienten so als Währung. Im Alltag erwies sich jedoch auch dies bald als unpraktisch. In Lydien, einem antiken Reich im Küstengebiet der heutigen Türkei, entdeckte man um etwa 700 v. Chr. Die Möglichkeit Münzen zu prägen. Es waren kreisrunde Goldstücke, meist auf einer Seite mit dem Kopf des machthabenden Herrschers eingeprägt. Im Gegensatz zu heutigen Geldmünzen hatten diese noch einen realen Gegenwert, während heutige Münzen von Material und Herstellungskosten nur noch ein Bruchteil ihres Nennwertes kosten. Aufgrund ihres immer gleichen Aussehens, des gleichen Gewichtes und der leichten Transportierbarkeit, breitete sich diese praktische Erfindung bald in die umliegenden Länder aus. Geld musste nun nicht mehr gewogen, sondern konnte einfach abgezählt werden. Dies erleichterte den Handel erheblich.
2.2 Papiergeld Im 11. Jahrhundert kam in China erstmals Papiergeld auf. Aus Mangel an Münzen bschrieb man hier Papierzettel mit einem bestimmten Wert. Sie waren mit der Aufforderung beschriftet, dass der Herausgeber des Wertpapiers dem Inhaber des selbigen den vermerkten Gegenwert in Münzen auszahlen solle. Eigentlich waren diese Scheine zunächst als Münzersatz erfunden worden, sie verbreiteten sich jedoch schon bald als zusätzliches Zahlungsmittel, welches als Ergänzung zu den Geldmünzen existierte. In Europa tauchte das erste Papiergeld erst erheblich später auf. 1483 stellte man in Spanien ebenfalls für den Fall eines Mangels an Münzen Scheine her. Diese wurden mit dem Siegel des Herausgebers versehen und verpflichteten damit jeden Bürger zur Annahme der Scheine als Zahlungsmittel. Herausgegeben wurden diese Banknoten freilich nur von Leuten, deren 6
Schatzkammer reich gefüllt war mit Münzen, damit diese jederzeit zur Herausgabe des Gegenwertes der Scheine fähig waren. Bald nahmen auch Banken Münzen zur sicheren Verwahrung an und gaben dafür die ersten Banknoten aus. So entstanden die ersten Notenbanken. Diesen Banken wurde eine so genannte Deckungspflicht auferlegt, die sie verpflichtete, den Gegenwert der ausgegebenen Banknoten durch entsprechende Bestände an Gold und Silber zu sichern. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde diese Deckungspflicht vielerorts aufgehoben, sodass heute in vielen Ländern die Banken ihre Banknoten nicht mehr decken müssen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden in vielen Ländern zentrale Notenbanken gebildet. Hier regelte von nun an eine zentrale Bank, die Zentralbank des Landes die Ausgabe der Banknoten und reichte diese als Kredite an Geschäftsbanken weiter. So ist es heute immer noch. In Europa existiert seit 1998 die Europäische Zentralbank (EZB), die die Ausgabe der Euro-Banknoten verwaltet. Ebenso wie das Münzgeld ist auch Papiergeld in der Herstellung sehr preiswert, sodass es ohne hohe Kosten möglich ist, dieses im Übermaß auszugeben. Das hätte jedoch eine Inflation zur Folge, da die Deckung durch reale Werte immer weniger vorhanden wäre (siehe Kapitel Inflation)
2.3 Geld im Mittelalter: die Brakteaten Die Bezeichnung Brakteat ist zunächst eine Ableitung des lateinischen „bractea“ in die deutsche Sprache. Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet es soviel wie „dünnes Blech“. Dabei handelt es sich um eine Form der Nachbildung und Neuprägung von Münzen, die vor allem im Mittelalter ihre Hochzeit hatte, weshalb ich mich hier vor allen Dingen mit diesem Zeitabschnitt beschäftigen werde. Hinzu kommt eine interessante wirtschaftliche Idee im Zusammenhang mit den Brakteaten, die sich ebenfalls im Mittelalter entwickelte, auf die ich weiter unten in diesem Kapitel genauer eingehen werde. Ihren Ursprung hat die Herstellung von Brakteaten im Schmuck- und Kunsthandwerk. Gewandspangen, Broschen und Anhänger aus Gold-, Silber- oder Kupferblech getrieben, wurden bereits vor 400 – 1000 Jahren vor Christus getragen, wie aus Funden hervorgeht. Sie waren mit Ornamenten, Linienmustern und Runen versehen und hatten teilweise auch die Funktion von Amuletten und Talismanen. Aus nachrömischer Zeit fand man solche Schmuckstücke mit Öse am Rand. So konnten diese runden, flachen Scheiben um den Hals getragen werden. Sie stellten schon damals eine Nachbildung nicht mehr benutzter Münzen dar. Dazu wurden das Metall über die alten Münzen geschlagen und ein hervorstehender Abdruck der Münze entstand im Metall. Bald entdeckte man auch für den Gebrauch der Münzen als Zahlungsmittel diese Methode als gute Möglichkeit neue Münzen zu produzieren. Vorher angewandte Verfahren, wie der Stempelschnitt, brachten einen erheblichen Mehraufwand mit sich und so wurde die 7
Herstellung von Brakteaten mit dem zu dieser Zeit stark wachsenden Bedarf eines Zwischentauschmittels allmählich zur gebräuchlichen Methode. So brachte es das Schmuckstück schließlich zur Geldmünze, die Öse wurde dann weggelassen. Etwa in der Mitte des zwölften Jahrhunderts wurden erste Brakteaten aus Silberblech in Skandinavien geprägt. Die ersten Prägungen von Brakteaten in Deutschland gab es vermutlich unter dem Erzbischof Hartwig von Magdeburg (1079 – 1102). Der von Barbarossa 1152 eingesetzte Erzbischof Wichmann brachte die Münzprägung in Magdeburg dann zu voller Blüte. Die Technik verbreitete sich schnell und da Deutschland zu dieser Zeit in viele unterschiedliche Teilreiche und Vasallentümer aufgeteilt war, gab es bald eine unüberschaubar große Anzahl verschiedener Münzen, denn ab dem 11. Jahrhundert war es dem Münzherrn außerdem erlaubt, die Münzen mit beliebigem Namen, Bild und Gepräge zu versehen. Die Herstellung der Münzen erfolgte meist durch umherziehende Münzmeister, die den Oberhäuptern von Städten und Gemeinden ihre Dienste anboten. Daneben gab es auch noch die Prägestätten des Reiches, welche dem König unterstanden. Wollte jemand anderes Münzen prägen und tat dies ohne Erlaubnis, so wurde ihm zur Strafe die Hand abgehackt. Die meisten Brakteaten hatten einen Durchmesser von drei bis fünf maximal Zentimeter. Aufgrund ihrer vergleichsweise enormen Größe entsprach der Nennwert der Münzen trotz der Dünne des verwendeten Materials dem wirklichen Wert des Metalls. Um die Geldmenge besser „dosieren“ zu können, konnten die Brakteaten in mehrere Teile zerschnitten oder zerbrochen werden. Aus dem dünnen Material ergab sich allerdings auch eine höhere Abnutzung, was öfter Nachprägungen erforderlich machte. Doch nicht nur die neuartige, vergleichsweise einfache und günstige Art der Herstellung sorgte für eine solch rasche Verbreitung der Brakteaten. Hinzu kam eine Idee Wichmanns, welche die Einführung der Brakteaten für die Münzherren noch lukrativer machte. Er veranlasste, die Münzen zweimal im Jahr, am vierten Fastensonntag vor Ostern und an Mariä Himmelfahrt, „verrufen“ zu lassen. Damit wurde die aktuelle Münzwährung für ungültig erklärt und jeder, der keinen Verlust machen wollte, tauschte sein Geld so schnell wie möglich gegen die nun gültige neue Währung. Jedoch war der Umtausch mit dem sog. Abschlag verbunden, d. h. von Erzbischof Wichmann erhielt man für 12 Pfennige der bisherigen Währung nur neun neue Pfennige. Diese Praxis wurde vermutlich schon im antiken Rom ausgeübt, nach dessen Untergang „vergaß“ man diese jedoch schon bald wieder. In der mittelalterlichen Münzverfassung war niedergeschrieben, dass die Einführung einer neuen Währung nur bei einem Wechsel der Herrschaft, beispielsweise durch den Tod eines Herrschers, erlaubt sei. Das Hinwegsetzen Wichmanns über dieses Verbot sorgte in Deutschland bald für eine zeit aufblühender Wirtschaft, des Wohlstands und des regen Gemeindelebens, die fast drei Jahrhunderte andauern sollte. Im 13. und 14. Jahrhundert blühte die Hanse auf, hunderte neuer Städte entstanden, Kathedralen und Bürgerhäuser von unglaublicher kunsthandwerklicher Ausfertigung wurden erbaut. Ein Beleg für den großen Reichtum der Zeit ist auch der Bau des Kölner Doms, dessen Fertigstellung sich über mehr als 100 Jahre 8
hinzog. Bei zinsbelastetem Geld wäre eine solche Investition unmöglich gewesen doch das Geld der damaligen Zeit kannte keine Zinsen. Die Verrufung , der ständige Wertverlust des Geldes also, sicherte den ständigen Umlauf des Geldes und wirkte auf diese Weise wie ein Motor für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Denn wer wollte schon Geld anhäufen mit dem er nach der Verrufung einen Verlust machte. Reichtum bestand nun nicht mehr wie im frühen Mittelalter in der Anhäufung von Geld- oder Goldschätzen, sonder machte sich vielmehr durch die Kaufkraft eines einzelnen bemerkbar. Geld vermehrte sich nun nicht mehr aus sich selbst heraus (durch Zinsen), wie es heute wieder der Fall ist, sondern wurde zum reinen Tausch- und Zahlungsmittel und war den Gütern und Dienstleistungen gleichgestellt, hatte nicht mehr die werterhaltende Funktion, welche die Hortung so attraktiv machte. So war auch kein ständiges Wirtschaftswachstum vonnöten um etwa zinsbedingte Schulden zu tilgen, denn Geld, welches der einzelne nicht mehr der Nachfrage zuführte, da sein Bedarf gedeckt war, verlieh er zinslos und bekam es auch nach dem Zeitpunkt der Verrufung in vollem Umfang wieder zurück. Was Erzbischof Wichmann begonnen hatte breitete sich schnell über das gesamte Reich aus. In Polen fanden „revocationes“, „innovationes“ oder „mutationes“, wie der Wechsel der Währung auf lateinisch genannt wurde, viermal im Jahr statt. Bernhard von Anhalt, der sich selbst „Markgraf von Brandenburg“ nannte, ließ in 32 Jahren an der Macht fast hundertmal neue Münzen prägen. In der Gegend von Brandenburg hatte man die Idee Wichmanns noch erweitert. Hier verteilte man den auf die Münzen zu zahlenden Abschlag auf die Laufzeit der Münze. Im ersten Quartal des Jahres kamen zwölf Pfennige, im zweiten Quartal bereits 13 Pfennige, im dritten dann 15 und im vierten Quartal schließlich 16 Pfennige auf einen Schilling bis das Geld verrufen wurde und der neue Schilling wieder zu 12 Pfennig ausgegeben wurde. Auf diese Weise wirkte der Abschlag auf die Bürger kleiner, sie mussten nicht alles auf ein Mal bezahlen.
Natürlich brachte die Praxis der Verrufung oft auch satte Gewinne für den Münzherren ein, mit denen die Staatskasse gefüllt wurde, oft aber auch ins eigene Säckel wanderten. Doch auch wenn der Abschlag für die Münzherren auf den ersten Blick sehr ertragreich scheint, so war dies nicht immer der Fall. So gab es Fälle in denen das durch den Abschlag gewonnene Edelmetall so ineffizient wiederverwertet wurde, dass am Ende nicht mehr viel an Gewinn für den Münzherren übrig blieb. Man musste also gute Münzer beschäftigen, damit die Prägung Erfolg hatte. Solch gute Präger wies wohl auch der Erzbischof von Magdeburg auf, denn immerhin prägte er nach der Ausprägung „al marco“, die vorschrieb, dass ein Pfund Pfennige (20 Schilling zu je zwölf Pfennigen) das Gewicht einer Mark besitzen mussten. Auch kunstgeschichtlich zählen die Prägungen aus Magdeburg und Umgebung, Halle, Erfurt, Halberstadt und Goslar sowie die Münzen aus den kaiserlichen Münzstätten von Friedrich Barbarossa zu den wertvolleren. Sie waren reich verziert und technisch hervorragend ausgeführt. Bis etwa Mitte des 14. Jahrhunderts wurde an diesen Orten geprägt. Bis ins 16. Jahrhundert hinein prägte man in Niedersachsen Brakteaten, diese waren allerdings meist 9
kleiner und von weniger hoher Kunstfertigkeit. In Nürnberg gab es eine weitere Variante im Zusammenhang mit der Prägung der Brakteaten. Hier prägte man die etwas kleineren Brakteaten beidseitig, was jedoch meist eine Zerstörung des Münzbildes auf einer Seite mit sich brachte. Gegebenenfalls handelt es sich hier auch lediglich um Umprägungen, bei denen man die vorherige Prägung der Münze noch ausmachen konnte. Solche Münzen sind aus den Prägestätten Nürnberg, Regensburg, Donaueschingen und Ingolstadt bekannt. Das Verbreitungsgebiet der Brakteaten erstreckte sich in Norddeutschland von der Weser im Westen bis nach Polen und Schlesien im Osten und reichte im Norden bis an die Nord- und Ostsee, während sich das Ballungsgebiet auf die Region um Magdeburg, Thüringen, den Harz und die Marken Brandenburg und Meißen konzentrierte. Ein zweites Verbreitungsgebiet hatte sein Zentrum in Konstanz sowie in Basel, Bern und St. Gallen in der Schweiz und erstreckte sich vermutlich auch bis nach Wien. Der Stil der Prägungen unterschied sich hier deutlich von dem des erstgenannten Verbreitungsgebietes. Trotz der belebenden Wirkung auf Handel und Gewerbe war man in der Bevölkerung mit dieser Methode der Geldwirtschaft allgemein unzufrieden. Das lag wohl auch daran, dass gegen Ende des Brakteatenzeitalters die Münzherren durch willkürliche Verschlechterung der Metallqualität, höhere Gewinne einzufahren versuchten, was dann im krassen Gegensatz zum allgemein positiven Effekt der Brakteaten stand. Wo die kulturelle Entwicklung schon weiter fortgeschritten war genügte für eine reibungslose Geldzirkulation anscheinend schon die Regelung der „Renovatio monetarum“, im Gebiet der Brakteaten allerdings bedurfte es wohl der nachhaltigen Erziehung zum richtigen Umgang mit Geld als Tauschmittel. Vielleicht war es nicht nur die Habgier der Herrschenden, die dafür sorgte, dass die Brakteaten bei der Bevölkerung in Ungnade fielen, sondern auch die Entdeckung neuer Gold und Silbervorkommen, welche nun die Herstellung massiver, beidseitig geprägter Münzen wieder erschwinglicher machten, die das Ende des Zeitalters der Brakteaten einläuteten. Nach fast 300 Jahren lebte so mit der Abschaffung der Verrufung auch der Zins wieder auf und Geldverleiher wie die Fugger oder die Welser gelangten zu großem Reichtum, während ihre Gläubiger immer ärmer wurden. Das Geld, das beispielweise für die Fertigstellung des Kölner Doms benötigt wurde, verschwand in Schatztruhen und so wurde er nach langer Unterbrechung der Bautätigkeiten erst im 19. Jahrhundert fertiggestellt. Dem Straßburger Dom fehlt bis heute eine Spitze.
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3. Das heutige Geldsystem: Kreisläufe, Funktionen, Zusammenhänge 3.1 Die Geldschöpfung 3.1.1 Die Herkunft der Geldscheine Wie für die Banknotenausgabe ist auch für deren Herstellung die Noten- oder Zentralbank eines Landes zuständig. In Deutschland ist dies die Deutsche Bundesbank. In den meisten Ländern ist sie wie in Deutschland im Besitz des Staates, vereinzelt finden sich jedoch auch, z. B. in der Schweiz, private Notenbanken, an denen Staat in der Regel allerdings große Anteile hält. Obwohl staatlich ist die Deutsche Bundesbank jedoch nicht der Regierung unterstellt, sondern eine sog. Einrichtung des öffentlichen Rechts, im Status vergleichbar mit dem Bundesverfassungsgericht. Die Herstellung der Banknoten findet in Spezialdruckereien der Bundesbank statt. Obwohl der Druckvorgang zu Gunsten der Fälschungssicherheit sehr kompliziert ist, liegen die Herstellungskosten für eine Banknote weit unter ihrem Nennwert. Daraus wird manchmal abgeleitet, die Notenbank wirtschafte auf diese Weise in die eigene Tasche, indem sie sich selbst billig Geld druckt, doch das wäre nur dann möglich, wenn die Notenbank ihre Scheine durch direkten Ankauf von Waren in den Wirtschaftskreislauf einbringen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Stattdessen verleiht sie das Geld zu festen Zinssätzen, den sog. Leitzinsen, an die Geschäftsbanken. Mit dem Erlös aus dem Zinsgeschäft werden der Betrieb der Druckereien und der aufwendige Verwaltungsapparat der Notenbank finanziert. Überschüsse werden in Wertbestände wie Gold, Devisen oder Pfandbriefe investiert oder fließen in die Staatskasse ab.
3.1.2 Die Herkunft der Münzen Anders als die Banknoten, werden die deutschen Euro-Münzen von der Bundesregierung ausgegeben. Traditionell liegt das Münzregal, das Recht Münzen zu prägen also, beim Landesherrn. Die Münzprägestätten stellen die Münzen, ähnlich wie die Notenbank die Scheine, zu einem Bruchteil ihres Nennwertes her. Das verhindert auch, dass das Metall der Münzen eingeschmolzen und verkauft wird. Im Unterschied zur Bundesbank profitiert hiervon jedoch der Staat enorm, da er die Münzen zum Nennwert an die Notenbank verkauft. Allerdings darf auch in den Münzprägestätten nur produziert werden, wenn eine Nachfrage seitens der Bundesbank besteht.
3.1.3 Die Geldmenge In der Fachsprache der Volkswirtschaftslehre gibt es für die Bezeichnung der Geldmenge mehrere Begriffe. Sowohl Banken als auch Ökonomen verwenden diese jedoch mit etwas unterschiedlichen Bedeutungen. Zunächst gibt es vier verschiedene Geldmengenbegriffe, 11
denen jeweils ein „M“ vorangestellt ist. Für die unterschiedlichen Mengenbegriffe wird das „M“ von null bis drei nummeriert. M0 steht dabei für die sog. Geldbasis, womit die gesamte in Umlauf befindliche Bargeldmenge zzgl. der Zentralbankgeldguthaben der Kreditinstitute gemeint ist. Die folgenden Definitionen M1 bis M3 haben verschiedene Notenbanken jeweils unterschiedlich formuliert. Die Europäische Zentralbank (EZB) definiert folgendermaßen:
M1: Sichteinlagen (Giralgeld-Guthaben!) der Nicht-MFIs (MFI = Wortschöpfung der EZB = Monetäres Finanzinstitut) sowie Bargeldumlauf ohne die Kassenbestände der Kreditinstitute (MFIs) M2: M1 inklusive Termineinlagen (Giralgeld-Guthaben!) mit bis zu zwei Jahren Laufzeit und Kündigungsfrist bis zu drei Monaten M3: M2 inklusive Anteile an Geldmarktfonds, Repoverbindlichkeiten, Geldmarktpapieren und Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren.
Die Deutsche Bundesbank folgt in ihrer Definition weitgehend der der EZB, bezieht sich dabei jedoch nur auf das eigene Währungsgebiet. Die Schweizer Nationalbank SNB definiert wiederum anders:
M0: Notenbankgeldmenge M1: Bargeldumlauf und Sichteinlagen M2: M1 inklusive Spareinlagen in Schweizer Franken M3: M2 inklusive Termineinlagen in Schweizer Franken
Die US-Notenbank Fed schließt noch einmal andere Faktoren mit ein. Gemeinsam haben alle Definitionen, dass das jeweils höhere Geldmengenaggregat immer die darunterliegenden Geldmengenaggregate miteinschließt.
3.1.3.1 Geld und Guthaben – wo liegt der Unterschied? Das Problematische an den in Kapitel 3.1.3 erklärten Geldmengenaggregaten ist, dass hier jeweils immer Geld und Guthaben addiert werden, worin jedoch ein fataler Denkfehler besteht, den ich im Folgenden zu erklären versuche.
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Der gravierendste Unterschied zwischen Geld und Guthaben ist, dass Geld etwas Konkretes, in Form von Geldscheinen auch anfassbares ist, während ein Guthaben nur eine „Bestätigung für die Überlassung von Geld … und ein Anspruch auf dessen Rückgabe“ (Helmut Creutz, „Das Geld-Syndrom“, S. 55) ist. Dem Guthaben des einen steht immer die Schuld eines anderen gegenüber, dem das Geld überlassen wurde. Zahlt man bei der Bank Geld ein, so wird einem diese Überlassung, das Guthaben, auf dem Konto gutgeschrieben und man kann sich dieses Guthaben bei Bedarf auszahlen lassen. In der Zeit zwischen Einzahlung und Abhebung der Geldsumme wird diese jedoch an andere Wirtschaftsteilnehmer weiterverliehen, schließlich ist dies eine äußerst wichtige Aufgabe der Geschäftsbanken (wie in Kapitel 3.3 genauer erklärt wird). Das Geld, welches man auf der Bank einzahlt, wird also keineswegs dem Wirtschaftskreislauf entzogen, sondern wird an anderer Stelle für die Nachfrage verwendet. Folglich kann man das Guthaben auch kaum zur Gesamtgeldmenge dazuzählen. Denn Guthaben, also gleichzeitig auch Schulden, können gigantische Ausmaße erreichen, theoretisch bis ins Unendliche anwachsen, ohne dass sich an der gesamten Geldmenge in einer Volkswirtschaft etwas ändert. Das kann man an einem einfachen Beispiel leicht verstehen: Zwei Brüder verdienen in einem Monat jeweils 2 000 Euro. Nun leiht der eine Bruder dem anderen jeden Monat 1 000 Euro, es entsteht also ein Guthaben-Schulden-Verhältnis. Nach einem Jahr liegen die Schulden des einen Bruders bereits bei 12 000 Euro, nach 20 Jahren bei 240 000 Euro. Im gleichen Maße steigt natürlich auch das Guthaben des anderen Bruders. All das ändert jedoch nichts daran, dass die beiden Brüder jeden Monat zusammen 4 000 Euro verdienen, also zu diesem Wert Leistungen in den Markt einbringen und zusammen auch 4 000 Euro wieder ausgeben, also zu diesem Wert Waren oder Leistungen nachfragen. Das Ganze lässt sich auch auf die gesamte Volkswirtschaft übertragen. Schulden und Guthaben in einer Volkswirtschaft können ständig steigen, während die gesamte Geldmenge gleich bleibt, denn die Geldmenge kann allein durch die Notenbank, wenn diese mehr Geld ausgibt oder welches einzieht, verändert werden (siehe Kapitel 3.2). Entsprechend fragwürdig ist also die Zusammenfassung von Geld und Guthaben in den Geldmengenaggregaten M1, M2 und M3, nach denen die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank zur Sicherung der Kaufkraftstabilität des Geldes ausgerichtet sind.
3.2 Die Geldmengensteuerung 3.2.1 Die Notenbank und ihre Aufgaben Die Notenbank ist eine von der Regierung eines Landes unabhängige Institution. Sie ist meist in staatlichem Besitz, vereinzelt gibt es auch private Notenbanken (so z. B in der Schweiz). In Deutschland ist dies die Deutsche Bundesbank. Sie trägt den Status einer „Einrichtung des Öffentlichen Rechts“, der in etwa mit dem des Verfassungsgerichts zu vergleichen ist. Dennoch werden die Mitglieder des Direktoriums von der Regierung festgelegt. Für das Funktionieren einer Notenbank ist deren Unabhängigkeit von großer Bedeutung. Denn leiht 13
sich zum Beispiel die Regierung auf einmal eine Menge Geld von der Notenbank, z. B. um Staatsschulden zu tilgen, verfehlt die Notenbank ihren Zweck, die Kaufkraft des Geldes zu sichern. Seit der Einführung des Euro in der Europäischen Union (1999) ist die Verwaltung der Euroreserven Sache der Europäischen Zentralbank (EZB). Die einzelnen Zentralbanken der EU-Mitgliedsstaaten sind in dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB)
organisiert. Für die übrigen Staaten, die nicht Mitglied der EU sind aber trotzdem den Euro eingeführt haben, wurde das „Eurosystem“ als eigenes Verwaltungsgremium gegründet. Im ESZB verfügt jedoch jede einzelne Zentralbank über die jeweiligen Reserven ihres Landes. Laut dem Bundesbankgesetz ist die Deutsche Bundesbank „integraler Bestandteil der EZB“, d. h. sie wirkt an der Durchführung und Erfüllung der von der EZB gestellten Aufgaben und Ziele mit, immer bezogen auf den eigenen Einflussbereich, die Bundesrepublik Deutschland. Die Hauptaufgabe der EZB ist in erster Linie die Sicherung der Preisniveaustabilität, also der Kaufkraft des Euros. Außerdem soll die Wirtschaftspolitik innerhalb der EU unterstützt werden, um dauerhaftes Wachstum und ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau zu erhalten. Weitere Aufgaben der EZB sind die Abwicklung von Devisengeschäften, die Versorgung der Wirtschaft mit Geld und die Förderung eines reibungslosen Zahlungsverkehrs.
3.2.2 Die Geldmengensteuerung über Kredite Etwa 70 % der in Umlauf befindlichen Bargeldmenge gelangen über Kredite der Notenbank an die Geschäftsbanken in den Wirtschaftskreislauf. Die Notenbank verleiht dieses Bargeld zu den sog. Leitzinsen an die Geschäftsbanken, die es ihrerseits an die Wirtschaftsteilnehmer weitergeben. Zu Krediten bei der Notenbank kommt es jedoch nur, wenn die Wirtschaftsteilnehmer an den Bankschaltern mehr Geld nachfragen, als in den Kassenbeständen der Banken vorhanden ist. In diesem Fall kommt es zu einer Ausweitung der Geldmenge durch die Notenbank. Wird umgekehrt mehr Geld bei den Geschäftsbanken eingezahlt, als an den Schaltern nachgefragt wird, zahlen die Banken ihre Kredite bei den Notenbanken so schnell wie möglich zurück, um ihre Zinskosten zu minimieren und die Bargeldmenge verringert sich wieder. Aus diesem Grund ist es für die Geschäftsbanken auch von großem Vorteil, wenn die Mehrheit der Zahlungen bargeldlos erfolgt. Hieran ist auch gut zu erkennen, dass die Bargeldmenge keineswegs durch die Notenbank, auch nicht durch die Geschäftsbanken, sondern letztendlich allein durch den Marktteilnehmer selber langfristig beeinflusst werden kann. Die Notenbank kann nur die Leitzinsen bestimmen und hoffen, dadurch die Liquiditätsvorlieben der Wirtschaftsteilnehmer zu beeinflussen, eine direkte Einflussnahme auf die Geldmenge ist jedoch nicht möglich.
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3.2.3 Die Rolle des Geldumlaufs Ohne einen verstetigten Geldumlauf ist die effektive Steuerung der Geldmenge äußerst schwierig bis unmöglich. Bis heute ist der Umlauf des Geldes innerhalb der Volkswirtschaft nicht gesichert, was die Bemühungen zur Kaufkraftstabilität erheblich erschwert. Weder die Vergrößerung der Geldmenge noch die Verkleinerung ist durch die Notenbank wirklich zu leisten. Vergrößert werden kann die Bargeldmenge nur durch eine Mehrnachfrage seitens der Geschäftsbanken, letztendlich also der Marktteilnehmer. Doch selbst mit dieser Ausweitung durch das neu herausgegebene Geld ist nicht garantiert, dass dieses auch nachfragewirksam eingesetzt wird. Ebenso kann das Geld gehortet werden oder in Spekulationskassen verschwinden. Wird dieser Entzug von Geld aus dem Wirtschaftskreislauf dann zum Anlass einer erneuten Geldausgabe durch die Notenbank, kann es schnell zur Inflation kommen. Denn das zurückgehaltene Geld kann durch seinen „Besitzer“ ja jederzeit wieder in den Markt eingebracht werden ohne dass die Notenbank darauf Einfluss hat. Und genau hier liegt das Problem: in der heutigen Gesetzgebung ist Geld das Privateigentum jedes Einzelnen dessen Leistung damit quittiert wurde. Jeder kann es horten, verbrennen, vernichten, es unbefristet dem Kreislauf entziehen, damit machen was er will. Die Geschäftsbanken, die das Geld von der Zentralbank geliehen haben, müssen auch dann noch zahlen, wenn das Geld schon seit Jahren nicht mehr existiert. Das schlägt sich dann letztendlich auf die Kosten für die Kreditnehmer nieder. Auch die Verringerung der Geldmenge ist für die Notenbank eine schwierige Aufgabe. Zwar kann die Notenbank durch den Verkauf von Gold, Devisen und ähnlichem dem Geldkreislauf Bargeld entziehen, doch müssen sie gleichzeitig immer wieder neues Geld an die Banken ausgeben, wenn dies vom Marktteilnehmer am Schalter verlangt wird. Tun die Notenbanken dies nicht, so geraten die Geschäftsbanken schließlich in Liquiditätsengpässe. Aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Banken kommt es zu panikartigen Abhebungen, da jeder sein Erspartes in Sicherheit bringen will. Das wiederum hat Bankenpleiten zur Folge, die sich verheerend auf die gesamte Volkswirtschaft auswirken können.
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3.3 Die Geschäftsbanken und ihre Aufgaben Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten von Banken: den überwiegend privatwirtschaftlichen Geschäftsbanken und den, meist in staatlichem Besitz befindlichen, Noten- oder Zentralbanken (auf die ich in Kapitel 3.2 näher eingehe). Die wichtigsten Aufgaben der ca. 2 700 in Deutschland ansässigen Geschäftsbanken sind die Vermittlung von Krediten zwischen Sparern und Kreditnehmern, die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sowie der Umschlag von Bargeld. Ihre Gewinne erschließen sich hauptsächlich aus dem Zinsgeschäft. Außerdem sind viele Banken Anteilseigner großer Unternehmen und im Spekulationsgeschäft tätig.
3.3.1 Die Vermittlung zwischen Sparern und Kreditnehmern Die Vermittlung zwischen Sparern und Kreditnehmern durch die Geschäftsbanken ist für die Volkswirtschaft von enormer Bedeutung. Der Sparer, der sein Geld bei der Bank anlegt, zeigt damit, dass er mehr Leistung, durch die er sein Geld verdient, in den Markt einbringt, als er selber bereit ist Leistungen bzw. Produkte nachzufragen und somit das Geld wieder in Umlauf zu bringen. Würde der Sparer sein Geld zu Hause horten, könnte niemand das überschüssige Angebot nachfragen. Es entstünde eine Nachfragelücke. Da der Sparer sein Geld jedoch zur Bank bringt, die das erhaltene Bargeld weiterverleiht, passiert dies nicht. Der Kreditnehmer, an den die Bank aus eigenem Interesse vermittelt, schließt die Nachfragelücke wieder, indem er mit dem geliehenen Geld Güter oder Leistungen auf dem Markt nachfragt. Auf diese Weise kann das Geld wesentlich effektiver genutzt werden und dient der gesamten Volkswirtschaft.
3.3.2 Giralgeld und Guthabenübertragungen Als Giralgeld bezeichnet man auf Girokonten gutgeschriebene Geldbeträge. Ein Giralgeldverkehr findet dann statt, wenn Überweisungen von Guthaben von einem Konto auf ein anderes getätigt werden. Anders als oft angenommen werden hierbei nicht nur Zahlen auf Computern verändert, sondern es findet ein realer Geldwechsel zwischen den beteiligten Banken statt. Wird ein bestimmter Betrag von einem Konto auf das Konto einer anderen Bank überwiesen, so nimmt die Empfängerbank die Überweisung nur an, wenn sie den Betrag in Bargeld oder in Form von Zentralbankgeldguthaben von der anderen Bank erhalten hat. Das Geld wird so zwar nicht mehr von Hand zu Hand zwischen den beiden Handelspartnern ausgetauscht, sondern es läuft gewissermaßen über eine „Zwischenstation“ und wird so dennoch, sozusagen „hinter den Kulissen“, real bewegt.
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Eine Zunahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs hat für die Geschäftsbanken einige Vorteile. So können sie zum einen ihre zinsbelasteten Schulden bei der Notenbank zurückzahlen, außerdem erzielen sie durch entsprechende Gebühren für die nun vermehrt auftretenden Kontobewegungen höhere Gewinne. Da mehr Geld zur Verfügung steht, können mehr Kredite vergeben werden, wodurch auch die Einnahmen aus dem Zinsgeschäft steigen. Auch für die Volkswirtschaft besteht ein entscheidender Vorteil: die effektivere Nutzung des Geldes durch Kredite, wie sie beim Bargeldverkehr nicht möglich ist (näheres dazu in Kapitel 3.3.1).
3.33 Der Umschlag von Bargeld Obwohl der Umsatz aus dem Umschlag von Bargeld für die Banken im Vergleich zum Umsatz aus dem unbaren Zahlungsverkehr relativ gering ist, spielt er trotzdem für die Volkswirtschaft keine unbedeutende Rolle. Während der bargeldlose Zahlungsverkehr in erster Linie in Produktion und Handel zum Tragen kommt, ist Bargeld immer noch das Zahlungsmittel Nummer Eins bei der Endnachfrage. Am anderen Ende der Nachfragekette, beim Verbraucher nämlich, wird immer noch am liebsten mit Bargeld bezahlt und diese Bargeldzahlungen sind im Endeffekt die, die nachfolgenden Vorgänge, auch den unbaren Zahlungsverkehr, ins Rollen bringen.
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4. Die Inflation Das Wort „Inflation“ kommt aus dem Lateinischen von „inflare“ was soviel wie „sich aufblähen“ bedeutet. Als Inflation bezeichnet man den Kaufkraftverlust (Wertverlust) des Geldes innerhalb einer Volkswirtschaft. Mit einer Inflation geht immer die Erhöhung der gesamten Geldmenge einher. Gab es zuvor ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen der Geldmenge und der Menge der Waren, so übersteigt nun die Geldmenge die der Waren und verliert somit an Kaufkraft. Gut erkennen lässt sich das am Beispiel der Deutschen Inflation 1914 – 1923. Für sieben Pfennig erhielt man am 6. Juni 1912 ein Frühstücksei. Am 17. September 1923 kostete ein Ei 2,1 Mio. Reichsmark. Natürlich war der Wert des Eis nicht binnen elf Jahren um 2,1 Mio. Reichsmark gestiegen, sondern der Wert des Geldes war dermaßen ins Bodenlose gestürzt, da der Staat die Geldmenge massiv anhob, um sein Schuldenproblem zu lösen. Zu dieser Zeit waren etwa 500 Trillionen (500000000000000000000) Reichsmark im Umlauf. Heute spricht man in solchen Fällen von einer Hyperinflation. Man unterscheidet außerdem zwischen schleichender Inflation, als langsamste Inflationsstufe, trabender und galoppierender Inflation. Als leichte Inflation bezeichnet man einen Wertverlust des Geldes innerhalb eines Jahres von etwa 0 – 5 %, bei einer schweren Inflation liegt der Verlust bei über 5 % und damit höher als bei anderen werthaltigen Gütern wie z. B. Immobilien. Das Geld verliert damit seinen großen Vorteil gegenüber Gütern, die werterhaltende Funktion. Die Behauptung, eine leichte Inflation stimuliere die Wirtschaft ist inzwischen widerlegt. „Fünf Prozent Inflation sind mir lieber als fünf Prozent Arbeitslosigkeit“ wie Helmut Schmidt es einmal sagte, ist ebenfalls eine sehr riskante These. Zwar besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit, doch eine Studie der Deutschen Bundesbank belegt, dass Länder mit höherer Inflationsrate auch stets eine höhere Arbeitslosenquote haben. Inflation in ihrer heutigen Form ist überhaupt erst möglich seit der Einführung von Papiergeld. Zu der Zeit, als der Wert von Münzen noch an den Wert des Edelmetalls gebunden war, aus dem sie hergestellt wurden, gab es schlicht nicht die Gold- oder Silberkapazitäten, um eine solch große Menge an Münzen zu prägen, dass ein Ungleichgewicht zwischen angebotener Ware und nachfragendem Geld entstanden wäre.
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4.1 Preisniveau und Inflationsmessung Zuerst einmal möchte ich hier zwei Begriffe klar unterscheiden, die oft verwechselt werden: Preisstabilität und Stabilität des Preisniveaus. Oft werden diese beiden Begriffe auch von Fachleuten synonym verwandt, obwohl sie sich in ihrer Bedeutung grundlegend unterscheiden. Die Preisstabilität bezeichnet, mikroökonomisch, die Stabilität des Einzelpreises eines Produkts oder einer Dienstleistung. Makroökonomisch bedeutet es, dass alle Preise auf dem Markt gleich bleiben. Bei einer allgemeinen Preisstabilität ist zwar auch die Stabilität des Preisniveaus gegeben, nicht jedoch umgekehrt. Die Preisniveaustabilität, das erklärte Ziel der Geldmengensteuerung der EZB, meint hingegen die Stabilität des Durchschnitts aller Preise in einer Volkswirtschaft. Eine allgemeine Preisstabilität ist gerade nicht gewünscht, damit sich die Preise flexibel den Veränderungen (von Angebot und Nachfrage) am Markt anpassen können. Auf diese Weise bleibt der Durchschnitt der Preise gewahrt, da Einzelpreiserhöhungen durch Preissenkungen an anderer Stelle kompensiert werden. Bei vollkommener Preisniveaustabilität beträgt die Inflationsrate somit Null. Für eine exakte Inflationsmessung ist eine Preisbeobachtung aller Güter am Markt notwendig, da dies jedoch aufgrund des viel zu hohen Aufwandes unrealistisch ist, beschränkt man sich beim Statistischen Bundesamt auf die Beobachtung eines repräsentativen Bereiches: die Lebenshaltungskosten. Dazu wird ein sog. Warenkorb zusammengestellt, der in zwölf Gütergruppen unterteilt ist. Die Gütergruppen sind folgende:
Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke Alkoholische Getränke, Tabakwaren Bekleidung und Schuhe Wohnungsmiete, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe Einrichtungsgegenstände und ähnliches für den Haushalt und deren Instandhaltung Gesundheitspflege Verkehr Nachrichtenübermittlung Freizeit, Unterhaltung und Kultur Bildungswesen Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen Andere Waren und Dienstleistungen
Die Preise der Güter des Warenkorbs werden für die Berechnung nicht in Euro sondern in Indexzahlen angegeben. Wie in der folgenden Grafik zu erkennen, haben die verschiedenen Gütergruppen unterschiedliche Gewichtungen bei der Berechnung des Gesamtindex. Diese Zuteilung der Gewichtung nennt man Wägungsschema. Im derzeitigen Wägungsschema hat die Gütergruppe „Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe“ mit 308 Punkten das höchste Gewicht, gefolgt von „Verkehr“ und „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“. Den kleinsten Posten stellt das „Bildungswesen“ mit 7,40 Punkten dar. 19
Dieses Wägungsschema wird anhand verschiedener Erhebungen erarbeitet. Alle fünf Jahre finden dazu die sog. Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS) statt. Dabei werden ca. 40 – 50 000 Haushalte aus allen Regionen, Berufen und gesellschaftlichen Schichten analysiert. Mit in das Wägungsschema fließen auch die Ergebnisse aus den jährlichen Wirtschaftsrechnungen (Panels) ein. Hierfür bekommen ca. 950 ausgewählte Haushalte ein „Haushaltsbuch“, in das sie alle ihre Einkommen und Ausgaben notieren. Die laufenden Preise von Gütern werden in 190 ausgewählten Gemeinden in ganz Deutschland auf Interviewbasis durch die Statistischen Landesämter und das Statistische Bundesamt ermittelt. Insgesamt werden im Warenkorb rund 750 Waren und Dienstleistungen erfasst. Für die Preisermittlung wird aus einer Produktart jeweils ein sog. Preisrepräsentant festgelegt, dessen Preis als Richtwert gilt. In der Regel ist dies Markenware. Da sich das Konsumverhalten der Verbraucher jedoch ständig ändert, Innovationen, neue Produkte auf den Markt kommen, die Qualität einzelner Produkte sich verbessert oder verschlechtert, muss auch der Warenkorb und sein Wägungsschema diesen Veränderungen
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angepasst werden. Neue Erhebungen werden dazu zwangsläufig notwendig. Im Warenkorb des Jahres 2000 wurden z. B. folgende Güter aus dem Jahr 1995 ersetzt: statt Disketten
wurden nun brennbare CD-Rohlinge aufgeführt, Druckerpapier ersetzte Schreibmaschinenpapier und statt PVC-Bodenbelag wurden nun Laminat-Fußboden-Paneele gelistet. Typisch für moderne Volkswirtschaften ist im Allgemeinen ein Rückgang der Ausgabenanteile bei den Gruppen „Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke“, „Alkoholische Getränke, Tabakwaren“ sowie „Kleidung und Schuhe“. Ein Problem für die Inflationsmessung ergibt sich durch Qualitätsverbesserungen einzelner Güter und daran geknüpfter Preisanhebungen. Findet eine Qualitätsverbesserung statt, wie dies in den letzten Jahren vor allem in der Automobilindustrie der Fall war, so wird der qualitätsbedingte Preisanstieg trotzdem als Inflation gewertet, obwohl es de facto keine ist. Schätzungsweise könnte man die Inflationsrate so etwa ein bis zwei Prozentpunkte tiefer ansetzen, was eine Wertung von ein bis zwei Prozent Inflation als Stabilität rechtfertigen würde. Um dieses Problem zu beheben, versucht man mittels der „hedonischen Qualitätsbereinigung“ zwischen qualitätsbedingten und reinen Preisveränderungen zu differenzieren. Dabei werden Güter in ihre einzelnen Qualitätseigenschaften zerlegt, die dann jeweils einzeln bewertet werden. In den USA und Großbritannien wird diese Methode bereits seit längerem verwendet. Auf europäischer Ebene wurde 1997 der sog. „Harmonisierte Verbraucherpreis-Index“ (HVPI) geschaffen, der die Inflationsrate der einzelnen EU-Mitgliedstaaten in Zukunft untereinander vergleichbar machen soll. Zuvor war dies schwierig, da Warenkörbe, Wägungsschemata und staatlich regulierte oder subventionierte Preise international oft sehr differieren. Zur Vereinfachung entwickelte daher Eurostat, das statistische Amt der EU, in Zusammenarbeit mit den nationalen statistischen Ämtern für jedes EU-Land einen solchen HVPI-Preisindex. Einige Bereiche wie beispielsweise selbstgenutzter Wohnraum fließen bisher jedoch noch nicht in den HVPI mit ein, da man sich hier noch nicht auf eine einheitliche Maßmethode verständigen konnte. Dies ist jedoch zumindest beim deutschen HVPI angesichts einer Deckungsgleichheit von ca. 90 % zum offiziellen Index nicht sonderlich relevant. Die Hauptmessgröße für die Stabilität des gesamten Preisniveaus in der EU und Richtschnur für die Geldmengensteuerung der EZB stellt der Europäische Verbraucherpreis-Index (EVPI) dar. Für diesen Durchschnittswert werden die HVPIs der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zusammengerechnet, wobei Deutschland mit einem Anteil von 33 Prozent das größte Gewicht hat. Bei den Gütergruppen im Wägungsschema steht hier „Nahrungsmittel, alkoholische Getränke und Tabakwaren“ an erster Stelle (ca. 21 % Gewichtung), gefolgt von „Verkehr“ und „Wohnung“ (jeweils 16 %), wobei Wasser und Strom inkludiert sind. Für diesen gesamteuropäischen Preisindex werden allein in Deutschland monatlich 350000 Preise erfasst, in der gesamten EU sind es etwa 1,7 Mio. 21
4.1.1 Kritik an der Warenkorb-Methode
Eine, wie ich finde, doch bedenkenswerte Kritik an der Inflationsmessung mittels Warenkorb, bringt Helmut Creutz, Wirtschaftsanalytiker und Dozent an der Universität Kassel, hervor. So sind seiner Ansicht nach die Ergebnisse der derzeitigen Inflationsmessung äußerst fragwürdig, da hier stets Einzelpreise gemessen werden, die jedoch nichts mit Veränderungen des Gesamtpreisniveaus zu tun hätten. Beispielhaft führt er dafür den Kartoffelpreis an. Steigt dieser, so kann der Kunde entweder entscheiden, weniger Kartoffeln zu kaufen, um so mit der gleichen Geldmenge wie vorher auszukommen, oder er kauft stattdessen von einem anderen Produkt seines Warenkorbs eine kleinere Menge. Auch hier kommt er mit der gleichen Geldmenge aus. Da bei einem der Produkte des Warenkorbs auf diese Weise zwangsläufig die Nachfrage sinken muss, sinkt nach den Marktgesetzen auch der Preis des jeweiligen Produktes. Ein Preisanstieg auf der einen Seite würde also durch eine Preissenkung auf der anderen Seite kompensiert, was somit keine Auswirkung auf das Preisniveau hätte. Hier geht Creutz jedoch davon aus, dass vom Verbraucher immer mit der gesamten ihm zur Verfügung stehenden Geldmenge nachgefragt wird, sodass Mehrausgaben bei einer Preiserhöhung insgesamt nicht möglich sind. Eine Mehrnachfrage wäre hier faktisch nur mit einer Ausweitung der Geldmenge und somit einer Schwächung der Geldkaufkraft möglich. Umgekehrt scheint man bei der Warenkorb-Maßmethode davon auszugehen, dass für den Verbraucher stets noch finanzieller Spielraum zur Verfügung steht, der ihm die Mehrnachfrage bei einem Preisanstieg erlaubt, denn im Warenkorb wird immer mit der gleichen Gütermenge gemessen. Eine Erhöhung aber beispielsweise des Ölpreises, wie sie sich derzeit ereignet, hat Einfluss auf die Preise in vielen Bereichen, kommt also einer Erhöhung des Gesamtpreisniveaus gleich, da heute nahezu in jedem Wirtschaftsbereich Erdöl unverzichtbar ist.
4.2 Ursachen von Inflation Grund für die Inflation ist immer ein Ungleichgewicht zwischen nachfragender Geldmenge und sein Gegenwert in Gütern der Volkswirtschaft. Bei Null Prozent Inflation wäre also genau so viel Geld in Umlauf, wie die Güter in dieser Volkswirtschaft wert sind. Wird die Geldmenge erhöht oder sinkt die Wirtschaftsleistung, so fragt mehr Geld nach als Güter vorhanden sind, folglich sinkt die Kaufkraft des Geldes, der Preis steigt. Um die Geldkaufkraft also bewahren zu können, darf die Menge des umlaufenden Geldes nur im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum angehoben werden (siehe Kapitel 3.2). In der Volkswirtschaftslehre gibt es einige Theorien, welche die Ursache von Inflation in Schwankungen von (Güter-) Angebot und Nachfrage sehen. Vor allem die Theorie der sog. Nachfragesoginflation ist jedoch fragwürdig. 22
Bei der Nachfragesoginflation steigt die Nachfrage so rasant, dass die Angebotsseite, sprich die Wirtschaft, nicht schnell genug mit einem erhöhten Angebot reagieren kann und deshalb die Preise erhöht, obwohl keinerlei Wertsteigerung der angebotenen Ware stattgefunden
hat. Das Angebot ist lediglich im Verhältnis zur Nachfrage knapper als vorher. Noch tritt allerdings keine Inflation auf, Grundvoraussetzung dafür ist eine monetäre Alimentierung, eine Anhebung der Geldmenge. Praktisch gesehen ist eine so erhöhte Nachfrage jedoch nur über einen sehr kurzen Zeitraum möglich. Beispielsweise können alle Einkommen zu Beginn eines Monats nachfragewirksam eingesetzt, also ausgegeben, werden. Nun kann es zu einer vorrübergehenden Preissteigerung kommen, wenn die Wirtschaft auf die plötzlich erhöhte Nachfrage nicht vorbereitet ist. Den Rest des Monats ist jedoch kein nachfragewirksames Kapital mehr vorhanden, sodass sich das Gleichgewicht wieder einpendelt. Eine indirekt durch die Nachfrager ausgelöste Inflation ist jedoch möglich, wenn Geld über längere Zeit dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird. Hierdurch entsteht eine Nachfragelücke, der Markt wird also nicht mehr vollständig geräumt. Bringt nun die Zentralbank (denn nur sie ist dazu befähigt!) zusätzliches Geld in Umlauf, um die Nachfrage zu beleben, kann es zur Inflation kommen. Dann nämlich, wenn die zurückgehaltenen Geldmengen wieder in Umlauf gebracht werden. Wann und ob das geschieht, liegt außerhalb des Einflussbereiches der Zentralbank. Angebotsseitig tritt die sog. Angebotsdruckinflation (Kosteninflation) auf. Ursache für diese ist in erster Linie eine Steigerung der Produktionskosten, also z. B erhöhte Lohnnebenkosten, Energiepreise oder Zinsen, die sich auf den Preis der, von der Wirtschaft angebotenen, Waren auswirken. Voraussetzung für die Angebotsdruckinflation ist, dass die angebotene Ware auch gekauft wird, da es sonst keinen erhöhten Geldbedarf gibt. Ist dies jedoch gegeben und wird eine Ausweitung der Geldmenge veranlasst, kommt es zur Inflation. Hierbei ist noch zu unterscheiden zwischen der sog. „Cost-Push“- Inflation und der „ProfitPush“- Inflation. Letztere wird primär durch die Gewinninteressen einzelner Unternehmen verursacht, während die „Cost-Push“- Inflation auf z. B. erhöhte Rohstoffpreise zurückzuführen ist. Grundvoraussetzung für beide Inflationsarten ist jedoch eine Ausweitung der Geldmenge, die letztendlich nur durch die Zentralbank veranlasst werden kann (siehe Kapitel 3.2).
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4.2.1 Die Lohn-Preis-Spirale Als Lohn-Preis-Spirale bezeichnet man den Zusammenhang zwischen steigenden Löhnen und steigenden Preisen. Gewerkschaften und Unternehmer schieben sich dabei gegenseitig die Schuld zu, wer die Spirale in Gang gesetzt habe. Aufgrund inflationärer Preisentwicklung verlangen die Gewerkschaften von den Arbeitgebern einen sog. „Inflationsausgleich“. Die neu ausgehandelten Tarifverträge sind für die Arbeitgeber, aufgrund „gestiegener Lohnstückkosten“, wiederum Anlass für Preiserhöhungen. Für die Gewerkschaften ist das ein Grund für eine abermalige Erhöhung der Löhne. Tatsächlich lässt sich empirisch nicht feststellen, wer die Spirale in Gang gesetzt hat, der Streit darüber bringt also nicht weiter. Nachweisbar verantwortlich für Preiserhöhungen sind lediglich staatlich administrierte Preise (Verkehr, Post- und Fernmeldegebühren).
„Grausam, wie der Hase den armen Fuchs hetzt!“ (Zeichnung: Horst Haitzinger/CCC, www.c5.net)
4.3 Folgen der Inflation Die Folgen der Inflation sind sehr vielschichtig und nie gibt es jemanden, der nur auf der Gewinnerseite steht. So wie nahezu jeder von uns täglich mit Geld umgeht, so ist auch nahezu jeder in irgendeiner Weise von der Entwertung dieses Geldes betroffen. Dennoch trägt die breite Masse der Bevölkerung einen Großteil der Inflationskosten und das ist nicht der Teil, der über enorme Geldmengen verfügt, sondern in erster Linie die Mittel- und Unterschicht. Daraus ergibt sich eine verarmte Mittelschicht und einige wenige, welche die Inflation nicht so hart getroffen hat oder die sogar davon profitiert haben (in erster Linie wohlhabendere Teile der Bevölkerung), die nun als Gewinner dastehen. Zwischen ihnen und dem Rest tut sich eine gewaltige Kluft auf, eine soziale Spaltung ist unvermeidlich. 24
4.3.1 Gewinner der Inflation Zweifellos Gewinner der Inflation ist, wer festverzinsliche Kredite aufgenommen hat oder Eigentümer festverzinslicher Wertpapiere ist. Genauso wie die gesamte Geldkaufkraft sinkt auch die des Guthabens des Kreditgebers beim Kreditnehmer bis es schließlich nichts mehr wert ist. Hier gilt das sog. Nominalwertprinzip: 1000 Euro bleiben auch bei Inflation 1000 Euro Schulden, die durch die erhöhte Geldmenge natürlich umso leichter zurückzuzahlen sind. Auch Besitzer von Sachwerten bleiben von den Folgen der Inflation weitgehend verschont. Der Wert von Sachvermögen sinkt bei Weitem nicht so schnell wie der des Geldes bei hoher Inflation. Deshalb ist zu Zeiten hoher Inflation oft eine „Flucht in Sachwerte“ wie beispielsweise Immobilien („Betongold“) zu beobachten. Oft wird auch der Staat als Inflationsgewinner bezeichnet. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig der Fall sein. Auf der einen Seite können wie oben beschrieben Staatschulden abgebaut werden. Außerdem steigen die Steuereinnahmen in zweierlei Hinsicht: einkommensabhängige Steuern mit den inflationsbedingt steigenden Löhnen, da bei höheren Löhnen auch der prozentuale Steueranteil steigt. Zudem steigen proportional auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Andererseits hat der Staat, gebunden an die höheren Preise, auch höhere Ausgaben. Der Profit des Staates an der Inflation hängt also in erster Linie von dem Verhältnis der inflationsbedingten Mehrausgaben zu den inflationsbedingten Mehreinnahmen ab.
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4.3.2 Verlierer der Inflation Eindeutige Verlierer der Inflation sind Sparer und Besitzer von Geldvermögen. Die Sparrate ihrer Geldanlagen liegt in der Regel weit unter der Inflationsrate, sodass sie innerhalb kurzer Zeit ihr gesamtes Vermögen verlieren. Da diese Sparer einen Großteil der Bevölkerung ausmachen, sind nach einer Inflation weite Teile der Gesellschaft gänzlich verarmt. Während Besitzer kleinerer Geldvermögen, also die Masse, besonders hart getroffen werden, können sich Besitzer größerer Vermögen mit hohen Zinsen gegen den Kaufkraftverlust schützen.
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5. Die Börse 5.1 Geschichtlicher Hintergrund Die Anfänge der Börse gehen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Damals schon trafen sich in der belgischen Brügge regelmäßig Kaufleute im Gasthof der Patrizierfamilie van de Beurse, um dort Informationen über den Markt einzuholen und vor allen Dingen um Geschäfte mit anderen Kaufleuten abzuschließen. Hier vermutet man auch den Ursprung des heutigen Wortes „Börse“, das von dem Namen der Familie „van de Beurse“ abgeleitet und fortan auch für neu entstandene Handelsplätze verwendet wurde. Der Name der Familie stammt ihrerseits von dem lateinischen Wort „bursa“ für „Beutel“ ab, denn das Familienwappen zieren drei Lederbeutel. Andere wiederum vermuten in dem Wort „Börse“ eine Abänderung des Namens der Stadt Brügge. Gemeinsam hatten jedenfalls alle Handelsplätze, die fortan „Börse“ genannt wurden, dass man dorthin nicht seinen Warenbestand mitbrachte, sondern nur Belege für den Besitz der Ware, heute nennt man sie Aktien, mit denen dann gehandelt wurde. Die erste offizielle Börse wurde 1531 in Antwerpen gegründet, ein eigenes Börsengebäude wurde errichtet. 1540 entstand dann die erste deutsche Börse in Augsburg, kurz darauf, 1553, wurde die Kölner Börse gegründet. Die heute wichtigste deutsche Börse, die Frankfurter Wertpapierbörse, entstand im Jahre 1585.
5.2 Börsenarten Die ersten Börsen beschränkten sich auf den Handel von Waren, insbesondere landwirtschaftlicher Produkte. Später entstanden auch Börsen, die sich auf einzelne Produkte wie Kaffee, Tee oder Edelmetalle spezialisierten. Einige davon, wie die Teebörse, bestehen bis heute. Ebenfalls eine frühe Art der Börse war der Handel mit Schiffsbeteiligungen. Dieser Handel begann in den Niederlanden Anfang des 17. Jahrhunderts mit der Gründung der Schifffahrtsgesellschaft „Ostindische Kompagnie“. Hier wurde auf den Erfolg oder Misserfolg riskanter Schiffsexpeditionen spekuliert. Eine der wichtigsten und bekanntesten Börsenarten heute ist die Wertpapierbörse (auch Aktienbörse), an welcher der Handel mit Aktien und verzinslichen Wertpapierbörsen abgewickelt wird. Wird im Allgemeinen von „Börse“ gesprochen, so ist meist diese Börsenart gemeint. Desweiteren existieren noch Devisenbörsen für den Handel mit Fremdwährungen und weitere börsenähnlich organisierte Märkte wie beispielsweise Dienstleistungsbörsen.
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5.3 Handel und Spekulation Bei der klassischen Form des Börsenhandels, dem Parketthandel, treffen sich die Börsenmakler persönlich an der sog. Präsenzbörse und handeln dort ihre oder die Geschäfte ihrer Kunden aus. An kleineren Börsen wie den deutschen Regionalbörsen ist meist nur Parketthandel möglich. Der Großteil der Börsengeschäfte wird heute jedoch über computergestützte Handelssysteme wie XETRA (Deutsche Börse AG) oder NASDAQ (New York Stock Exchange) abgewickelt, welche die Maklerfunktion übernehmen. Die Handelszeiten an den Präsenzbörsengehen meist von 09:00 Uhr Ortszeit bis 20:00 Uhr Ortszeit. XETRA schließt bereits um 17:30 Uhr. Für den Börsenhandel ist die gleichwertige Beschaffenheit der gehandelten Gegenstände, der Börsenware, unverzichtbar. Erst so wird eine Vergleichbarkeit der Börsenware ohne ihre Präsenz möglich. Während der Aktienbesitz früher noch eine langfristig sichere Geldanlagemöglichkeit war und die Ausschüttung einer Dividende der größte Anreiz dafür, so ist die Spekulation mit Aktien heute ungleich beliebter. Früher besaß man oft über Jahre hinweg die gleichen Aktien, was bei den heutigen Kursschwankungen und drohenden Kursverlusten denkbar unsicher ist. Sogenannte Spekulanten versuchen heute, unter Billigung höherer Risiken, kurzfristige Investitionen zu tätigen. „Spekulieren“ entstammt dem lateinischen „speculor“ was soviel bedeutet wie „ich erspähe“. In diesem Sinne versuchen die Spekulanten sich verändernde Marktsituationen, Kursänderungen etc. im Voraus zu erspähen und daraus Gewinn zu ziehen. Im Grundprinzip versuchen sie, Aktien, Devisen oder andere Börsenware so preiswert wie möglich zu erstehen und nach erhoffter Wertsteigerung so teuer wie möglich wieder zu verkaufen. Die Differenz zwischen Kaufpreis und Verkaufspreis ist ihr Gewinn, der Spekulationsgewinn. Da jedoch zu einem Handel immer zwei Parteien gehören, die beide in der Absicht des größtmöglichen Gewinns handeln, kann immer nur einer gewinnen, während der andere leer ausgeht. Für Unternehmen ist die Aktienvergabe eine Möglichkeit, Risiken auf die Spekulanten zu übertragen, welche die Aktien kaufen (Hedging). Sinkt der Aktienkurs des entsprechenden Unternehmens, so verlieren die Aktionäre ihr Geld, sofern sie nicht vorher verkaufen.
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5.4 Börsenkrach Hinter Spekulationen und den damit verbundenen Kursverläufen verbergen sich oft auch psychologische Phänomene. Das lässt sich gut am Tulpen-Boom in den Niederlanden im Jahre 1734 erkennen. Tulpenzwiebeln waren damals ein Luxusprodukt, nur reiche Leute konnten sich ein Tulpenbeet leisten. Da jedoch immer mehr Leute zu Wohlstand kamen, überlegten sich einige Kaufleute, dass daraus auch eine erhöhte Nachfrage nach Luxusgütern, in diesem Fall Tulpenzwiebeln, resultieren müsste. Sie kauften große Mengen an Tulpenzwiebeln auf. Schnell verbreitete sich die Nachricht über die ganzen Niederlande und Hunderttausende taten ihnen nach, in der Hoffnung die Preise würden steigen. Jeder hoffte schnell reich zu werden, indem er die Tulpenzwiebeln billig kaufte und erheblich teurer verkaufte. Der Preis der Tulpenzwiebeln stieg enorm und so bekam man auf dem Höhepunkt der Spekulation für eine Zwiebel der Sorte „Vice-Roy“ 2500 Gulden. Einem zeitgenössischen Bericht zufolge entsprach dies damals zwei Wagenladungen Roggen, vier Mastochsen, vier Mastschweinen, zwölf Schafen, vier Fässern Bier, zwei Fässern Wein, 1000 Pfund Käse, einem Bett, einem Silberbecher und einem Anzug. Drei Jahre nach Beginn des Booms, 1637, verspekulierte sich jedoch einer der Spekulanten: er wurde die Zwiebeln nicht mehr zu dem von ihm angesetzten Preis los. Panikartig begann er, aus Angst vor weiteren Verlusten, alle seine Tulpenzwiebeln zum günstigsten Preis loszuschlagen. Auch ihm folgten wieder Hunderttausende, alle aus Angst, ein Vermögen zu verlieren. Alle wollten nun um jeden Preis verkaufen, keiner wollte die Tulpenzwiebeln mehr kaufen und so stürzten die Preise ins Bodenlose. Die Spekulationsblase platzte und ein Vermögen eines Großteils der Anleger war vernichtet. Dieses Beispiel ist keineswegs einmalig in der Geschichte. Der wohl berühmteste Fall in der Geschichte ist der „Black Monday“ – der „Schwarze Montag“ (der irrtümlich oft als „Schwarzer Freitag“ bezeichnet wird), der 28. Oktober 1929, an dem der Kurs des Dow Jones Industrial Average an der Wall Street von 298,97 auf 260,64 Punkte fiel. Er war der Auslöser der Weltwirtschaftskrise, die Millionen von Menschen weltweit in die Armut stürzte. Angesichts dessen scheint es wohl keine allzu gewagte Hypothese mehr zu sein, dass uns ohne dieses Ereignis der Aufstieg Hitlers erspart geblieben wäre. In jüngster Zeit konnte man dasselbe Muster am Platzen der sog. Dotcom-Blase erkennen. Millionen Anleger spekulierten diesmal auf ein extremes Wachstum junger, aufstrebender IT- und Internetunternehmen. Als sich auch dies als Fehleinschätzung herausstellte, griff abermals Panik um sich und Millionen Aktionäre verloren alles, was sie hatten. Solche und ähnliche Erscheinungen bezeichnet man als Börsenkrach oder auch Börsencrash. In der Regel wird er von negativen Informationen oder Nachrichten ausgelöst, die zu panikartigen Verkäufen führen. Ein Krach wird dann als solcher gewertet, wenn die Kurse innerhalb eines Handelstages um mehr als zehn Prozentpunkte fallen. Oft pflanzt sich ein Crash auf einer Börse auch an anderen Börsen fort, sodass weltweit gleichzeitig mehrere Millionen Menschen davon betroffen sind. Besonders brisant wird es, wenn Banken mit 29
großen Aktienbeständen bei den Spekulationen mitmischen und aufgrund von Börsencrashs zahlungsunfähig werden. Auf diese Weise geraten nicht nur Arbeitsplätze in Gefahr, sondern auch die durchschnittlichen Sparer, die einen Großteil der Bevölkerung ausmachen, werden um ihr Erspartes betrogen.
5.5 Wichtige Börsenplätze International von großer Bedeutung sind die Handelsplätze New York City (New York Stock Exchange, New York Mercantile Exchange, NASDAQ), London (London Stock Exchange, London Metal Exchange), Tokio (Tokyo Stock Exchange), Frankfurt am Main (Frankfurter Wertpapierbörse), Hongkong (Hong Kong Stock Exchange), Singapur, Toronto (Toronto Stock Exchange), Zürich (SWX Swiss Exchange) und Amsterdam/Paris/Lissabon/Brüssel (Euronext). Wichtigster Börsenplatz in Deutschland ist Frankfurt am Main mit der Frankfurter Wertpapierbörse (mit den computergestützten Handelssystemen XETRA und EUREX). Rund 98 % des Handels mit deutschen Aktien und 84 % des Handels mit ausländischen Aktien in Deutschland wurden hier im März 2008 abgewickelt. Die FWB gehört zur Deutsche Börse AG. Neben Frankfurt am Main gibt es in Deutschland noch sieben weitere Börsenplätze, die sog. Regionalbörsen. Sie befinden sich in Stuttgart, München, Hamburg, Düsseldorf, Hannover, Berlin und Bremen.
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6. Die Hauptproblematik unseres heutigen Geldsystems Die Hauptproblematik unseres heutigen Geldsystems besteht grundsätzlich in der enormen Überentwicklung der Geldvermögen, die je höher desto schneller, durch gewaltige Zinsströme wachsen und einem gleich hohen Schuldenberg gegenüberstehen. Unter Überentwicklung versteht man eine Entwicklung, die schneller als normal, überproportional verläuft. In dieser Überentwicklung steuert das heutige Geldsystem unweigerlich auf den Zusammenbruch zu. In dem Wort „Geldvermögen“ werden Geld und Guthaben zusammengefasst. Gerne werden die Geldguthaben auch zum Geld dazugezählt und somit auch als Geld bezeichnet, dass dies jedoch aufgrund der Verschiedenheit beider Faktoren definitiv falsch ist, erklärte ich bereits in Kapitel 3. Geld selber ist die Voraussetzung, um überhaupt Geldguthaben, also Kaufkraftüberlassungen, schaffen zu können. Die Überentwicklung von Geldmenge und der Menge der Geldguthaben ist ebenso unabhängig von einander wie die Auswirkungen dieser Überentwicklungen. Tritte bei einer Überentwicklung der Geldmenge eine Inflation ein, so hat eine überproportionale Ausweitung der Geldguthaben allgemeine Überschuldung zufolge. Zu statistischen Zwecken werden die gesamten Geldvermögen in drei Sektoren, die Privathaushalte, die öffentlichen Haushalte (Staat) und die Unternehmen unterteilt.
Wie aus der obige Tabelle ersichtlich, stellen die privaten Haushalte den größten Haushalt den größten Teil der Geldvermögen und verzeichnen auch das größte Wachstum. Diese Konzentration in privaten Händen ist grundsätzlich und im Sinne der Demokratie zu unterstützen (da eine staatliche Übermacht so ausgeschlossen wird), stünden dieser Konzentration nicht übermäßige Verschulden in Staat und Wirtschaft gegenüber. Zudem 31
sind die Verteilungsrealitäten im privaten Sektor überaus extrem, sodass man hier nicht gerade von einer positiven Entwicklung sprechen kann. Dazu nur ein Beispiel aus den USA: allein im Jahre 1986 verdoppelte sich die Anzahl der Millionäre fast von 14 auf 26. Von diesen Super-Reichen hatten bereits damals fünf Prozent mehr Einkommen als 40 % der restlichen amerikanischen Bevölkerung. Wiederum die Spitze dieser, ein Prozent der Allerreichsten, hielt ein größeres Vermögen als 90 % der Gesamtbevölkerung in den Händen. Das ist jetzt über 20 Jahre her und man kann davon ausgehen, dass sich diese Entwicklung seitdem um ein Vielfaches verstärkt hat. Auch die UNO verkündete schon 1996, dass die 358 reichsten Männer der Welt über mehr Geld verfügen, als die Jahreseinkommen von 45 % der Weltbevölkerung betragen. Über die Reichtumsverteilung im privaten Sektor gibt es in Deutschland leider kaum offizielle Statistiken. Zwar rechnet das Statistische Bundesamt jedes Jahr den durchschnittlichen Anteil jedes Bürgers am gesamten Privatvermögen aus, 1998 waren das 69 000 DM, doch gibt auch dies recht wenig Auskunft über die wirkliche Verteilung. Etwas näher an die Tatsachen kommt man mit einem Blick auf die sog. Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS), aus denen das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre das Nettogeldvermögen von 50 000 Haushalten bundesweit errechnet (siehe auch Kapitel 4). 1983 wurde besonders differenziert in 26 Einkommensgruppen unterteilt, daher die folgende Grafik aus diesem Jahr. Seither verschwinden deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Einkommensgruppen in den Statistiken leicht, da sie oft in größeren Gruppen zusammengefasst werden.
Wie ersichtlich hatten acht Prozent der Befragten ein sog. „negatives Nettogeldvermögen“, mit anderen Worten: sie waren überschuldet, in der Spitzengruppe lagen die Außenstände bei 72 000 DM. Eine Gruppe von fünf Prozent hatte entweder gar kein Vermögen oder ihr Vermögen glich der Höhe ihrer Schulden, was man als sog. Nullsaldo bezeichnet. Die restlichen 87 % hatten ein positives Nettogeldvermögen, wobei dieses nur langsam anstieg und erst bei den letzten zwei bis drei Prozent gewaltig in die Höhe schoss. Teilt man diese Grafik in der Mitte, so verfügt die linke Hälfte über vier Prozent der gesamten Nettogeldvermögen, während 96 % auf die rechte Hälfte entfallen. Der Hauptanteil dieser 96 % konzentriert sich jedoch wiederum auf etwa zehn Prozent dieser Hälfte. Was das Wachstum der privaten Geldvermögen angeht, so verzeichnete man in den 1990er-Jahren eine durchschnittliche Zunahme der Geldvermögen um 500 Mrd. DM pro Jahr, was einem Tagesdurchschnitt von 1,37 Mrd. DM (1370 Millionen!) entspricht. Deutsche Banken schütteten folglich über eine Milliarde DM täglich an Zinsen aus.
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Bei alldem ist es wichtig, zu bedenken, dass es sich nicht um eine Ausweitung der Geldmenge oder gar um ein Wirtschaftswachstum handelt, das eine solche Ausweitung solcher Größenordnung erst gerechtfertigt hätte. Vielmehr findet eine ständige Umschichtung der Geldvermögen von der Arbeit zum Besitz statt, d. h. in dem Umfang, in dem die Geldvermögen der Geldvermögensbesitzer ständig anwachsen, werden die Arbeitsleistenden ärmer. Der größte Motor für diese Entwicklung ist der Zins. Aus dieser Konzentration von Geldvermögen resultiert ein immer weiterer Zwang zur Verschuldung, denn um diese Geldvermögen wieder nachfragewirksam in die Wirtschaft zurückzuführen, müssen neue Kredite aufgenommen werden, die durch erneute Zinsen ein weiteres Wachstum der ohnehin schon überentwickelten Geldvermögen verursacht. Diese Entwicklung ist im „monetären Teufelskreis“ folgendermaßen dargestellt. 33
Diese Zinsen können nur durch Wirtschaftswachstum oder das Aufnehmen neuer Schulden finanziert werden. Dabei ist die Wirtschaft immerzu dazu verdammt, den stetig wachsenden Geldvermögen hinterher zu hinken. Wie eingangs dargestellt, droht einer auf diesem Prinzip basierenden Wirtschaft und Gesellschaft der Zusammenbruch. Und das in dreierlei Hinsicht: die erklärte Rückschleusung der konzentrierten Geldvermögen in die Nachfrage erfordert erneute Kredite und führt letztendlich zu Überschuldung. Die damit verbundenen sozialen Spannungen bergen die Gefahr einer Spaltung und möglicherweise ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft in sich. Notfalls greift hier vorher der Staat durch Schuldenaufnahme ein, um eine Rezession abzuwenden, wenn die Bereitschaft zur Kreditaufnahme bzw. Kreditvergabe in Wirtschaft Bevölkerung nicht hoch genug ist. Unterbleibt die auf diese Weise gewährte Rückschleusung, steuert die Konjunktur auf eine geldmangelbedingte Rezession oder gar Depression zu, da die Nachfrage einbricht, was mit den damit letztendlich verbundenen Löhnen, die nun sinken, zu einer nur schwer zu stoppenden Abwärtsspirale führt. Versucht man hingegen, den dem Geldvermögen gegenüberstehenden Schuldenberg durch ständiges Wirtschaftswachstum zu kompensieren, drohen irreparable Folgen für die Umwelt. 34
6.1 Die Schuldenproblematik Die Schulden als Gegenstück zu den rasant gestiegenen Geldvermögensbeständen erlebten ebenfalls eine enorme Überentwicklung. In den öffentlichen Fokus geriet dies zum ersten Mal in den 1980er-Jahren, als die Entwicklungsländer ihre Auslandsschulden nicht mehr begleichen konnten. Doch nicht nur in den Entwicklungsländern, auch in Deutschland wurde das Problem bald sichtbar. So überstiegen die gesamten öffentlichen Schulden in den 1980er-Jahren die Auslandsschuld aller Länder Lateinamerikas zusammen. Natürlich kann man Auslandsschuld und Inlandsschuld nicht ohne weiteres vergleichen. Es ist jedoch so, dass die Auslandsschulden in Entwicklungsländern, aufgrund der geringen Ersparnisse und des meist nur wenig Bankwesens, ein wesentlich bedeutenderer Faktor sind als die Inlandsschulden, während es sich bei den Industrienationen in der Regel genau umgekehrt verhält.
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Am Pro-Kopf-Anteil der Schulden lässt sich der rasante Anstieg gut erkennen: Jahr Entwicklungsländer Deutschland USA Angaben in U$-Dollar
1987 350 36 000 45 000
1995 640 58 000 90 000
Genau wie bei den Geldvermögen teilt man auch die Schulden in drei Sektoren ein: die Schulden der Privathaushalte, die der Unternehmen und die des Staates. Die jeweiligen Anteile sind in der folgenden Grafik zu erkennen.
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Was passiert, wenn man versucht die Schulden mittels einer gewaltigen Geldmengenausweitung zu kompensieren, musste man in der Geschichte schon mehrmals schmerzlich erfahren. So auch in den 1980er-Jahren in der damaligen UdSSR. Aufgrund der extrem expansiven Geldpolitik der dortigen Notenbank, sank der Wert eines Rubels bis 1992 auf einen Wert von ca. 0,2 U$-Cent.
6.1.1 Die Staatsverschuldung Wie so vieles in den USA erreichten dort auch die Staatsschulden bisher ungekannte Ausmaße. Bereits 1981 betrugen sie 925 Mrd. U$-Dollar, allein 200 Mrd. U$-Dollar fielen jährlich an Zinskosten an. Inzwischen haben sich die Schulden mehr als verzehnfacht, auf 9,56 Billionen (!) U$-Dollar. Umgerechnet auf jeden US-Bürger sind dies etwa 31 400 U$Dollar. Bund, Länder und Gemeinden in Deutschland waren 1982 mit ca. 460 Mrd. U$-Dollar verschuldet. Seitdem haben Sie sich auf 2,34 Billionen U$-Dollar verfünffacht. Auch die jährlichen Zinskosten von damals umgerechnet etwa 46 Mrd. U$-Dollar dürften sich mittlerweile um ein Vielfaches gesteigert haben. Mit aktuellen 28 400 U$-Dollar (15 400 €) nähert sich der Pro-Kopf Anteil an den Schulden schon deutlich dem in den USA. Der Vorwurf an die Entwicklungsländer, sie würden ihre Schulden durch die Aufnahme neuer Schulden tilgen, ist in der Hinsicht etwas absurd, dass die meisten Industrienationen schon damals genau dies taten. So beklagte sich auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung 1982:
„Die Neuverschuldung reicht kaum noch aus, um die jährliche Zinslast zu bezahlen“
Die Folgen sind auch hier nicht nur eingeschränkte Flexibilität in der Haushaltspolitik, sondern vor allen Dingen auch der Zwang zu immer größerem Wirtschaftswachstum, das automatisch höhere Steuereinnahmen bringt, welche zur weiteren Schuldentilgung verwendet werden. Die schwerwiegenden sozialen und vor allem ökologischen Folgen geraten dabei schnell in den Hintergrund. Staatsschulden sind auch deshalb besonders folgenschwer, weil bei völliger Zahlungsunfähigkeit des Staates die Gläubiger nur wenig Gegenwert in Sachwerten erhalten können. Zieht der Staat dann auch noch mit einer Geldinflationierung die Notbremse, wird er zwar selber seine Schulden los, die Sparer werden jedoch enteignet.
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6.1.2 Die Unternehmensverschuldung Im Bereich der Wirtschaft zeigt sich ein ähnliches Schema wie bei der Staatsverschuldung. Die Schulden steigen um ein vielfaches rasanter, als dass sie durch die Leistung gedeckt werden könnten. Da dem Wirtschaftswachstum schon allein aus ökologischen Gründen Grenzen gesetzt sind, wird es wohl kaum gelingen, die Leistung der Überschuldungsentwicklung anzupassen. Ein „grenzenloses Wachstum“ ist bedingt durch einen grenzenlosen Verschuldungszwang. So wird man wohl auch in Zukunft noch von einer „dept economy“, einer auf Verschuldung basierenden Wirtschaft sprechen.
6.2.2 Die Privatverschuldung Die privaten Schulden, die sog. Konsumentenkredite, sind im Gegensatz zu den Investitionskrediten der Unternehmen nicht durch Sachwerte wie beispielsweise Immobilien gedeckt. Ihre Deckung beruht einzig auf dem Einkommen der Kreditnehmer, was auch nicht weiter problematisch ist, wenn Einkommen in entsprechender Höhe vorhanden sind. Wenn jedoch unbezahlte Zinsen durch die Aufnahme neuer Schulden durch die Aufnahme neuer Schulden zu tilgen versucht werden, kann die Situation leicht zum Teufelskreis werden. Probleme bei der Rückzahlung von Krediten ergeben sich oft durch unerwartete Einkommenseinbrüche, die ihre Ursache beispielsweise in Arbeitslosigkeit oder Krankheit haben können. Darüber hinaus vermutet man, dass sich viele Menschen verschulden um einen drohenden sozialen Abstieg nach außen hin nicht sichtbar nicht sichtbar zu machen. Bargeldlose Zahlungssysteme erleichtern zudem den Zugang zu Krediten. Beispielhaft, im Grunde für alle Überschuldungsprobleme, ist folgende fiktive Konstellation: Am Anfang steht ein Kredit von 10 000 Euro. Da es Rückzahlungsprobleme gibt, wird der Kredit kurzerhand gekündigt, worauf hohe Verzugszinsen, Bearbeitungsgebühren usw. anfallen. Für die Tilgung dieser wird ein neuer Kredit aufgenommen. Hier treten ähnliche Schwierigkeiten wie vormals auf, der Schuldner ist im Teufelskreis der bekannten „SchuldenFalle“ gefangen. Als nach etlichen Jahren der Kredit von 10 000 Euro schließlich getilgt ist, übersteigt der restliche Betrag, bestehend in erster Linie aus Zinsen, den eigentlichen Kreditbetrag um ein vielfaches.
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7. Lösungsansätze Angesicht der vielfältigen und immer klarer zu Tage tretenden Problematik unseres heutigen Geldsystems und dessen Folgen, gibt es sicher auch einige Ideen für deren Lösung. Viele davon setzen jedoch bei den Auswirkungen an, so z. B. den gigantischen und immer anwachsenden Schulden, ohne die eigentlichen Wurzeln des Problems, den tief in unserem Geldsystem verankerten Fehlern näher zu kommen, die von vielen gar nicht als solche erkannt werden, da sie inzwischen zu unserem Alltag gehören. Diese symptomatischen Behandlungen sind zwar theoretisch möglich, bringen in der Praxis jedoch nur wenig Erfolg oder sind gar nicht erst umsetzbar. So beispielsweise die Tilgung der bestehenden Schulden als Lösung für das Schuldenproblem. Um allein die öffentlichen Schulden zu begleichen, müsste der Staat von jedem Bürger vom Baby bis zum Greis 18 350 Euro einziehen. Das wäre zwar immer noch billiger, als weiter auf den Schulden sitzen zu bleiben, welche zins- und zinseszinsbedingt immer weiter ansteigen, in der Praxis jedoch undenkbar. Ähnlich sähe es aus, wenn alle Arbeitnehmer wöchentlich zehn Überstunden machen würden und den Lohn dafür an den Staat abzweigen würden. Selbst wenn eine derartige Schuldentilgung realisierbar wäre, müssten die Gläubiger des Staates die neu hinzugekommene Leistung auch mit dem zurückerhaltenen Geld nachfragen. Würden die Geldmengen hingegen wiederum auf Banken angelegt, müssten diese wieder neue Schuldner finden, um mindestens die neu entstandenen Zinskosten decken zu können. Letztendlich stellt dieser Vorgang also nur eine Verschiebung des Schuldenbergs dar, der Teufelskreis beginnt von vorn. Wird das Geld nicht direkt oder über die Banken (beispielsweise wenn diese nicht ausreichend Kreditnehmer finden) in die Nachfrage zurückgeschleust, müsste notfalls der Staat durch neue Kreditaufnahme eingreifen, um so eine durch das Kapitalüberangebot drohende, deflationsbedingte Wirtschaftskrise abzuwenden. Eine Sondersteuer auf alle Geldvermögen oder –einkommen, bei denen ein Anteil in Höhe der staatlichen Zins- und Tilgungszahlungen gewissermaßen konfisziert würde, wäre zwar prinzipiell denkbar, jedoch nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar. Eine weitere theoretische Möglichkeit wäre der Schuldenerlass bei Zahlungsunfähigkeit der Schuldner. Früher war dies üblich; Gläubiger mussten dann zu Gunsten der Kreditnehmer auf ihre Ansprüche verzichten. Auf diese Weise gab es eine zwar brutale, aber wirksame Selbstregulierung, denn das regelmäßige „Verschwinden“ von Schulden verhinderte einen Anstieg der Schulden in die astronomischen Höhen der heutigen Zeit. Heute ist dies jedoch allein aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht mehr möglich. Eine staatlich sanktionierte Eigentumsgarantie sorgt für ein Bestehen (und indirekt auch für das Anwachsen) von Schulden bis zu deren Begleichung. In diesem Zusammenhang dürfen auch Geschäftsbanken nicht auf die Guthaben ihrer Sparer zurückgreifen, wenn sie aufgrund zahlungsunfähiger Kreditnehmer Verluste machen. Die Banken werden daher vom Gesetzgeber dazu angehalten, Rückversicherungen mittels in die Zinsmarge eingerechneter Risikoaufschläge zu 39
bewerkstelligen. Mit anderen Worten werden hier alle Kreditkunden durch höhere Zinszahlungen belastet, wenn ihre Bank Verluste macht. Gerechter wäre es an dieser Stelle,
die Kreditgeber, die von den Zinsen oft in hohem Maße profitieren, zur Kasse zu bitten. Etwa die Hälfte der Verluste müssen jedoch letztendlich die Steuerzahler und damit die Allgemeinheit übernehmen, da die Verluste von den Banken zu großen Teilen über die Einkommenssteuern abgesetzt werden können. Im übrigen ist der Staat ohnehin daran interessiert, eine Insolvenz von Banken zu verhindern. Auch Missmanagement und Spekulationsverluste können so von den Banken kompensiert werden. Jüngst wurde das wieder im Rahmen der Hypothekenkrise in den USA deutlich. So wurde die IKB (Abk.?), die durch Milliardenverluste im amerikanischen Kreditgeschäft vor dem Aus stand, aus dem Bundeshaushalt und vom Bundesland Nordrhein-Westfalen mit insgesamt sechs Milliarden €uro (!) bezuschusst. Ebenso geschah dies bei der Sächsischen Landesbank. Die „Zeche“ zahlt also der Steuerzahler. Plausibler erscheint mir für die Lösung dieser geldbezogenen Probleme eine grundlegende Änderung unseres Geldsystems. Sie muss da ansetzen, wo der größte Widerspruch dieses Systems liegt: in der Doppelfunktion unseres Geldes. Auf der einen Seite ist es als Tauschmittel und öffentliche Einrichtung für jedermann gedacht. Auf der anderen Seite schreibt das Gesetz ihm die Funktion der Wertaufbewahrung zu und macht es zum Privateigentum jeden Geldhalters, der damit umgehen kann wie er will und es auch zurückhalten oder vernichten kann. Der Geldhalter wird damit auf ungemeine Weise bevorzugt. Eine langfristige Garantie für eine stabile Geldkaufkraft, die Zinsausschläge verhindert, kann daher nur eine effektive Umlaufsicherung sein.
7.1 Die Umlaufsicherung Eine Umlaufsicherung hat in erster Linie die Wirkung, dem Geld die angesprochene Doppelfunktion zu nehmen und es somit zu einem „neutralen Geld“ (Dieter Suhr) zu machen, das jedem gleichermaßen dient. Trotzdem verliert es seine Funktion als „Wertaufbewahrungsmittel“ nicht vollständig, jedoch wird es in seiner Beschaffenheit den anderen Gütern auf dem Markt gleichgestellt: es verliert mit der Zeit an Wert! Auf diese Weise wird ein gleichmäßiger Rhythmus zwischen Geldempfang und Geldausgabe gewahrt. Dafür werden auf die Haltung von Bargeld sog. „Geldhalte-„ oder „Nutzungsgebühren“ erhoben. So wird ein gleichmäßiger Druck ausgeübt, der jeden zum zügigen Einsetzen seiner Kaufkraft (des Geldes) veranlasst, was damit auch einen gleichmäßigen Umlauf des Geldes gewährleistet. Bleibt das Geld liegen, werden Gebühren fällig, und diese Gebühren will man verständlicherweise vermeiden und bringt das Geld in Umlauf. In Umlauf bringen kann man es jedoch auch durch die Einzahlung auf ein Girokonto, da es ja dort nicht gehortet sondern anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung gestellt wird. Folglich fallen bei der Übertragung auf ein Girokonto auch keine Gebühren an. Der so verstetigte Geldumlauf ist 40
auch für Geldmengensteuerung (siehe Kap. 3.2) essentiell und vereinfacht sie erheblich im Gegensatz zu den heutigen Versuchen, über den indirekten Leitzins auf die Geldmenge Einfluss zu nehmen.
7. 1.1 Die praktische Umsetzung Die praktische Umsetzung der „Umlaufsicherungsgebühr“ lässt sich freilich nicht wie im Mittelalter bei den Brakteaten (siehe Kapitel 2), wo das gesamte Geld eingezogen und gegen Abschlag in neues getauscht wurde, bewerkstelligen, da die hierfür erforderliche Logistik immense Kosten verursachen würde. Auch ein Klebe- oder Stempelgeld, wie in den 1930er Jahren in Wörgl in Österreich, würde hohen Aufwand verursachen. Denkbar hingegen ist ein Einzug von beispielsweise nur einer Notengröße. So könnte man eine Frist setzen, bis zu der alle Scheine einer Notengröße umgetauscht werden müssen, da sie ansonsten ungültig würden. Die Scheine könnten dann überall gegen den festgelegten Abschlag in Zahlung gegeben werden. Über diesen Weg würden sie relativ schnell zu den Banken gelangen, die dafür neue Scheine der Zentralbank herausgeben würden. Diese Scheine unterscheiden sich dann zweckmäßigerweise deutlich von den alten Scheinen. Zu erwägen wäre außerdem ein aufklärender Aufdruck auf den Geldscheinen, wie er Ende der 80er Jahre bereits von der Katholischen Akademie in Trier vorgeschlagen wurde, der über die Risiken der Geldzurückhaltung informiert.
7.1.2 Die Auswirkungen Die Wirksamkeit einer effektiven Umlaufsicherung hat sich mit den Brakteaten (Kapitel 2) bereits im Mittelalter erwiesen. Die Wirtschaft florierte, großartige Bauwerke entstanden. Auch ein 1932 im österreichischen Wörgl im Zuge der verheerenden Rezession gestartetes Projekt erwies sich als toller Erfolg. Der Bürgermeister des Dorfes führte damals „Arbeitsbestätigungsscheine“ ein, die jeden Monat mit einer Marke zum Preis von 1 % des Nennwertes des entsprechenden Scheines beklebt werden mussten, um ihren Wert zu behalten. Die Umlaufsicherungsgebühr in einem Jahr betrug also 12 %. Natürlich gab jeder lieber das Geld aus, als die Gebühr zu bezahlen, und so liefen die Scheine stetig um und die Wirtschaft belebte sich. Letztendlich wurde die so entstandene Währung im August 1933 von der österreichischen Nationalbank verboten, die – nachdem auch andere Gemeinden an den Erfolg von Wörgl anknüpfen wollten – ihr Geldausgabemonopol gefährdet sah. Der gleichbleibende Druck auf die Geldhaltung erleichtert auch wesentlich die Geldmengensteuerung der Notenbank. Ist zu viel Geld in Umlauf, kann der Staat durch Reduzierung seiner Ausgaben und durch Verkauf unverzinster, jederzeit kündbarer Schuldverschreibungen die Geldmenge verringern. Ist umgekehrt zu wenig Geld in Umlauf, kann weiteres Geld an den Staat emittiert werden, der dann verpflichtet ist, dieses auch in 41
Umlauf zu geben. Da auch die Geschäftsbanken Geldhaltegebühren zu zahlen haben, werden auch hier keine übermäßigen Reserven angelegt. Die entstehenden Gebühren werden indes
durch die erhobenen Transaktions- und Vermittlungskosten für Überweisungen etc. finanziert. Auch auf die Zinsbildung hat die Umlaufsicherung entscheidenden Einfluss. Bei ausgeglichener Angebots- und Nachfragesituation pendelt der Guthabenzins um Null. Der Kreditzins liegt dann um die entsprechende Bankmarge darüber. Die drei Anteile des Guthabenzinses, die Liquiditätsprämie, der Inflationsausgleich und der Knappheitsaufschlag werden weitgehend verschwinden, was den Null-Zins möglich macht. Während die Liquiditätsprämie durch die Geldhaltegebühr neutralisiert wird, erübrigt sich auch der Inflationsausgleich, da aufgrund der immer präziser werdenden Geldmengensteuerung auch die Inflationsrate schwindet. Der Knappheitsaufschlag wird bei
ausgeglichener Marktsituation schließlich auch wegfallen, da die künstliche Verknappung durch die Geldhaltegebühren verhindert wird. Die gesamte Zins-Treppe verschiebt sich also nach unten (s. Abb.), nur für langfristige Anlagen gibt es noch positive Zinssätze. Ein Guthaben-Zins von Null bedeutet jedoch nicht auch gleichzeitig kostenfreie Kredite. Die Banken verlangen hierfür weiterhin eine Marge, die Vermittlungskosten etc. deckt. Der oft befürchtete Run auf Kredite bei Null-Zins wird also höchstwahrscheinlich ausbleiben. Sollte er dennoch zu Stande kommen, steigt der Knappheitsaufschlag in den positiven Bereich, was wiederum einen positiven Guthaben- und Kreditzins und somit einen Ausgleich zur Folge hat.
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7.2 Die Regionalwährungen Regionalwährungen sind immer eine Zweitwährung zusätzlich zum bestehenden Geld, bilden also keine Alternative sondern sind vielmehr als Ergänzung gedacht. Deshalb sind sie eine Form der sog. Komplementärwährungen, also ergänzend zur Standardwährung. Die komplementären Regionalwährungen der heutigen Zeit sind keinesfalls eine Neuerfindung sondern knüpfen im Gegenteil an eine seit Jahrhunderten bestehende Kultur der dualen Währungssysteme an. Von ca. 800 n. Chr. Bis zum Jahre 1800, also etwa 1000 Jahre gab es in West-Europa bereits solche Währungen. Im Zuge der industriellen Revolution verschwanden diese jedoch sämtlich von der Bildfläche und wurden weitestgehend von Zentralmächten zur Sicherung des wirtschaftlichen Einflusses abgeschafft. Dabei war diese Parallelexistenz keineswegs mit Problemen verbunden. Eine bunte Währungsvielfalt entstand. Für den Fernhandel nutzte man vom König emittierte Gold- und Silbermünzen wie den „Kölner Pfennig“ oder den „Bezant“. Für regionalen Güteraustausch wurden vorwiegend Kupfer- und Billon-Münzen (starke kupferhaltige Silberlegierung) verwendet. Diese wurden, ähnlich wie auch die Brakteaten (Kap. 2), von den ansässigen Grundbesitzern, Städten, Bischöfen oder Klöstern ausgegeben. Diese Vielfalt kam vor allem den einzelnen Regionen zugute und ermöglichte vor allem auch die Trennung der wesentlichen Geldfunktionen – Wertaufbewahrung und Tauschmittel. Im Laufe der Zeit sah man die Komplementärwährungen jedoch zunehmend als Konkurrenz an und befand das duale System als nicht ausreichend homogen. So vermutete man es als hinderlich für Preisbildung und Güteraustausch, und es geriet zunehmend in Verruf. Diese vermeintlichen Probleme versuchte man zuerst durch die Einführung des Goldstandards durch die Briten zu lösen; mit der Einführung des Dollarstandards ging die Vereinheitlichung weiter. Die ersten Komplementärwährungen, die nicht nach einem Krieg oder infolge einer Wirtschaftskrise entstanden, waren meist eng begrenzt, mitunter nur lokale Projekte. In den letzten Jahren jedoch wurden immer mehr solcher Initiativen ins Leben gerufen, so dass sie inzwischen in vielen Regionen Deutschlands zu finden sind. Margit Kennedy, Forscherin bei der OECD & UNESCO und Professorin an der Universität Hannover und Bernard Lietaer, ehemaliger Generalmanager eines der erfolgreichsten Hedgefonds und heute Professor an der Naropa University in Boulder (Colorado) definieren eine Komplementärwährung in ihrem Buch „Regionalwährungen“ folgendermaßen:
„Eine Komplementärwährung stellt eine allgemeine Übereinkunft innerhalb einer Gemeinschaft dar, etwas anderes als das offizielle Zahlungsmittel für den Austausch von Gütern und Dienstleistungen zu akzeptieren.“ (S. 69)
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Demnach sind auch die „Bonusmeilen“ diverser Fluggesellschaften eine Art der Komplementärwährung, da sie z. B. auch in der britischen Supermarktkette Sainsbury zum Einkaufen akzeptiert werden, wie Kennedy und Lietaer weiter ausführen. Einer Studie zufolge werden außerdem 2/3 der Bonusmeile nicht wieder in Flüge sondern in anderweitigen Konsum investiert. Außerdem lassen sie sich inzwischen auch über die Zahlung per Visa-Card der Citibank ohne Erwerb eines Flugtickets verdienen. Die Regionalwährungen, wie ich sie in diesem Kapitel vorstellen werde, sind eine Unterart der Komplementärwährung. Zwar existieren sie ebenfalls parallel zum Standardwährungssystem, sie verfolgen dabei jedoch ganz bestimmte Ziele und haben bestimmt Eigenschaften (siehe Kapitel „Funktionsweise“), die sie vom Marketinggag der Fluggesellschaften deutlich unterscheiden. Kurz gesagt sind Regionalwährungen dazu gedacht, ungenutzte Ressourcen einer Region zur Stillung unbefriedigter Bedürfnisse in dieser selben Region zu aktivieren. Dabei dehnt sich der Wirkungsbereich auf ca. 10 000 – 1 000 000 Menschen aus, im Unterschied zu Lokalwährungen, die meist eine Teilnehmerzahl von 1 000 nicht übersteigen. Kritik am Prinzip der Regionalwährungen kommt unter anderem auch von dem Wirtschaftsanalytiker Helmut Creutz. Zwar sieht er in der Grundidee positive Aspekte und schließt eine reine Gewinnmasche der Initiatoren der Regionalwährungen – wie sie von anderer Seite unterstellt wird – aus, doch sind die Maßnahmen einer Regionalwährung seiner Meinung nach nicht effektiv genug. Dass das Prinzip im kleinen Ausmaß funktioniert, zeigen etliche Beispiele wie „das Wunder von Wörgl“ oder in neuerer Zeit der Chiemgauer, doch lösen diese Projekte nicht die Probleme von übermäßigen Spekulationsblasen, extremen Vermögensanhäufungen und den ihnen gegenüberstehenden Schuldenbergen sowie die Zinsknechtschaft. Sie korrigieren das bestehende fehlerhafte System nicht, da sie es nicht ersetzen und seine Fehler beseitigen. Die Regionalwährungen können die Folgen des heutigen Geldsystems letztendlich nur punktuell lindern, beseitigen können sie sie nicht. Dafür haben sie einen bisher verschwindend geringen Anteil an den Kapitalmengen, die heute täglich kursieren.
7.2.1 Die Funktionsweise Die Regionalgeld-Initiativen in Deutschland haben das vorrangige Ziel, die Wirtschaft und Kultur einer Region nachhaltig zu fördern. Um nachvollziehen zu können, wie das gelingen kann, muss man zuerst die Funktionsweise einer solchen Regionalwährung verstehen. Die Regionalwährungen benutzen als Währung ausschließlich Scheine, keine Münzen, da diese zu teuer in der Herstellung wären. Dabei werden in der Regel die Scheine, eigentlich 44
Gutscheine, von der Zentrale des jeweiligen Projekts ausgegeben. Im Beispiel des Chiemgauer, dem Vorzeigeprojekt aus Prien am Chiemsee, werden die Gutscheine verbilligt
an einen zu unterstützenden Verein oder ein Projekt aus der Region ausgegeben. Entspricht normalerweise eine Chiemgauer dem Wert eines Euros, so kriegt der Verein von der Zentrale 100 Chiemgauer für 97 €. Menschen, die eines der teilnehmenden Projekte unterstützen wollen, können in dem entsprechenden Verein Mitglied werden, um dort ihre Euros 1 : 1 gegen Chiemgauer umzutauschen. Die Vereine werden dadurch mit drei Prozent Gewinn unterstützt. Die Kunden können nun bei den teilnehmenden Unternehmen mit den Chiemgauer-Gutscheinen bezahlen. Diese Unternehmen werden als Gegenleistung für die Annahme des Regionalgeldes in den Veröffentlichungen der Chiemgauer-Initiative beworben. Dies können die Unternehmen zudem als Werbungskosten steuerlich geltend machen. Die Geschäftsleute können die Chiemgauer nun gegen einen Verlust von 5 % bei der Zentrale in €uro umtauschen. Dies ist vor allem ein Anreiz, die Gutscheine weiter in Umlauf zu geben, anstatt sie zurückzutauschen. Im Falle eines Umtauschs werden mit der Marge von 2 %, die sich aus der Differenz zwischen dem Bonus von 3 % an die unterstützten Vereine und der Umtauschgebühr von 5 % für die Geschäftsleute ergibt, die entstehenden Unkosten gedeckt. Die Geschäftsleute, sprich Unternehmen, können die Chiemgauer allerdings auch für eigene Ausgaben oder gar Lohnzahlungen verwenden, was umso attraktiver wird, je mehr Unternehmen an dem Projekt teilnehmen. Um Hortungen, Spekulationen und vor allen Dingen Zinsnahme, die Hauptprobleme unserer heutigen Standardwährung (wie in Kapitel 6 beschrieben) zu verhindern, ist die Regionalwährung mit einer Umlaufsicherung versehen. Beim „Chiemgauer“ sind dies 8 % jährlich, die zweimonatlich, wie einst beim „Wunder von Wörgl“ in Form von aufzuklebenden Marken, die 2 % des Nenn-Wertes des betreffenden Gutscheines ausmachen, entrichtet werden. In absehbarer Zeit soll dieses System durch ein elektronisches Verrechnungssystem ersetzt werden, da die Klebemarken aufgrund der wachsenden Menge an „Chiemgauern“ einen zu hohen Aufwand verursachen würden (siehe auch Kap. 7.1.). So werden die Gutscheine als Zahlungsmittel von den Teilnehmern immer gegenüber den Euros bevorzugt, da man einen Wertverlust ja möglichst vermeiden will. Gleichzeitig besitzt diese Art der Komplementärwährung auf diese Weise eine integrierte Selbstregulation, die sich an Nachfrage und Angebot ausrichtet. Wie im großen Maßstab in Kapitel 7.1 beschrieben, wird dadurch garantiert, dass nur so viele „Chiemgauer“ in Umlauf gelangen, wie sie auch wieder ausgegeben werden können, da ja niemand auf den Gutscheinen sitzen bleiben will. So pendelt sich die Menge der Gutscheine langfristig au die der Warenmenge ein. Entsteht ein Boom, also eine erhöhte Nachfrage nach den Gutscheinen, wird dies trotzdem keine inflationäre Wirkung auf diese haben, da sie ja entweder in die Nachfrage geleitet werden und somit auch ein Wirtschaftswachstum erzeugen oder – im unwahrscheinlicheren Fall – liegengelassen und somit nach gewisser Zeit entwertet werden, wodurch sich die Geldmenge wieder verringert. 45
7.2.2 Praktische Arbeit: Aktuelle Modellprojekte In Deutschland existieren zur Zeit 63 Regionalwährungssysteme, 35 davon sind noch im Aufbau, die anderen 28 Projekte laufen bereits (www.regiogeld.de). Die Projekte unterscheiden sich in erster Linie dadurch, ob ihre Gutscheine leistungs- oder Euro-gedeckt sind. Sind die Gutscheine mit Euro gedeckt, muss man die Gutscheine meist 1 : 1 in Euro bezahlen. Die leistungsgedeckten Gutscheine erhält man kostenlos. Für den praktischen Teil meiner Arbeit habe ich ein Euro-gedecktes und ein leistungsgedecktes Regionalwährungsprojekt ausgewählt und genauer angeschaut. Bei beiden Projekten habe ich schließlich Kontaktpersonen gefunden, die gerne bereit waren, mir einige Frage zu beantworten. Diese Fragen richtete ich schriftlich per E-mail an die beiden Projekte.
7.2.2.1 Der Volme TALER Der Volme TALER ist ein Regionalwährungsprojekt in der Region Hagen. Von der Ausgabestelle, einem Weinhandel in Hagen, werden sowohl Euro-gedeckte VolmeTALER (VTs) als auch die leistungsgedeckten Gogo-VTs ausgegeben; das System stellt eine Mischform dar. Die Euro-gedeckten
Volme TALER kann man im Verhältnis 1 : 1 gegen Euro umtauschen. Als Unternehmer hat man die Möglichkeit, kostenlos die leistungsgedeckte Gogo-Edition-Volme TALER zu erhalten. Wie viele Gogo-VTs ein Unternehmen erhält, hängt von seiner Art, der Art der angebotenen Waren bzw. Dienstleistungen und der Anzahl der Mitarbeiter ab. Die Gogos sind nicht in Euro umtauschbar und bleiben Eigentum des VolmeTALER e.V. Alle VolmeTALER unterliegen einer Umlaufsicherungsgebühr, die über das Aufkleben von Marken auf die Gutscheine erhoben wird.
7.2.2.1.1 Fragen an Helmut Reinhardt, vom Volme TALER e.V. Als praktischen Anteil kontaktierte ich beim VolmeTALER e. V. Herrn Reinhardt, mit dem ich ein Email-Interview vereinbarte. [1] Wie kamen Sie darauf, eine Regionalwährung zu gründen? Gab es bestimmte Umstände/Missstände, die Sie dazu animiert haben? Bewusstsein der Menschen auf die Zins-Zins-Problematik richten, Regionalförderung, immer mehr Geschäftsleerstände in Hagen [2] Wie wurde und wird Ihr Projekt in der Region aufgenommen? Welche Schwierigkeiten gab/gibt es? Zunächst wurde das Projekt gut angenommen, auch von den Medien, stellte sich aber schnell heraus, dass zwischen "gut finden" und "aktiv mitmachen" eine große Lücke klafft. Manche vermuteten hinter dem Projekt Geldmacherei, also hoher Gewinn für die Initiatoren oder gar Betrug: "Die 46
drucken ihr eigenes Geld, das ist illegal."
[3] Gibt es Unterschiede zwischen Ihrem und anderen Regiogeld-Projekten? Wenn ja, welche? Wir sind eine Mischform: es gibt die leistungsgedeckten Gogo-VT und eurogedeckte VTs
[4] Wie viele Unternehmen haben sich Ihrem Projekt angeschlossen? Welche Art von Unternehmen? Unternehmen aller Art: Einzelhandel, Dienstleistungen, Supermärkte, Tankstellen, ... querbeet
[5] Wie viele Privatleute benutzen den VolmeTALER als Zahlungsmittel? Am Anfang vielleicht 200, mit der Zeit immer weniger, da der Umtausch vielen zu aufwändig ist.
[6] Wie viele Menschen soll der VolmeTALER erreichen? Gibt es eine Wachstumsgrenze? Möglichst viele. Wachstumsgrenze ist die Region Hagen.
[7] Welche Menschen / Projekte / Vereine werden von Ihrem Projekt konkret unterstützt? Insgesamt wurden ca. 5000,- VT/Euro an 4 Stellen ausgeschüttet. Theater Hagen, Kinderschutzbund, Phönix Hagen, Jugendzirkus Quamboni [8] VolmeTALER ist ein relativ junges Projekt. Würden Sie rückblickend von einer Erfolgsgeschichte sprechen? Welche Chancen sehen Sie für den VolmeTALER in der Zukunft und gibt es vielleicht Erweiterungsmöglichkeiten? Nein, eine Erfolgsgeschichte ist z.B. der Chiemgauer. Der VT hat es nicht geschafft sich durchzusetzen, obwohl viele Menschen das Projekt gut finden, sind nur wenige bereit sich aktiv dafür einzusetzen. Eine Chance sehe ich für den VT nur, wenn er von "oben" also der Politik eingeführt und unterstützt wird ... mal schauen was die Zukunft bringt.
7.2.2.2 Das Rheingold Das Rheingold-Projekt existiert seit 2006. Wie den Volme TALER habe ich auch dieses Projekt über das Internet gefunden. Es ist einzig durch die Leistung der Teilnehmer gedeckt und , wie sich nach dem Interview herausstellte, eigentlich gar kein Regionalgeld. So wird es mittlerweile auch nicht nur in seiner Ursprungsregion Düsseldorf sondern u. a. auch in Bonn, Köln und Berlin verwendet. Eine weitere Besonderheit des Projektes ist die künstlerische 47
Ausgestaltung der Gutscheine, die jeden Monat ein neues Gesicht haben. „Rheingold“ ist ebenfalls mit einer Umlaufsicherungsgebühr versehen, die momentan jedoch ausgesetzt ist, da der Umlauf laut dem Kurator des Projekts, Jost Reinert, bisher auch ohne Gebühr gewährleistet ist.
7.2.2.2.1 Fragen an Jost Reinert vom Rheingold-Projekt Als praktischen Anteil kontaktierte ich beim Rheingold e. V. Herrn Reinert, mit dem ich ein EmailInterview vereinbarte. [1] Wie kamen Sie darauf, eine Regionalwährung zu gründen? Gab es bestimmte Umstände/Missstände, die Sie dazu animiert haben? Da das alte Geldsystem historisch nachgewiesen immer wieder crashen muss, ist es vielleicht ratsam, vor dem nun überfälligen Crash wenigstens über ein Tauschmittel zu verfügen, das funktioniert.
[2] Wie wurde und wird Ihr Projekt in der Region aufgenommen? Welche Schwierigkeiten gab/gibt es? Die Menschen sind seit Jahrhunderten daran gewöhnt, dass ausgerechnet das Tauschmittel monopolisiert ist. Das macht die Vermittlung eines additiven Tauschmittels zum versagenden Euro schwierig.
[3] Gibt es Unterschiede zwischen Ihrem und anderen Regiogeld-Projekten? Wenn ja, welche? Rheingold ist weder regional, noch ein Geld. Es ist ein additives Tauschmittel zum Euro. Rheingold ist nicht wie viele Regionalgelder durch Euro gedeckt, sondern durch die Leistung der Teilnehmer. [4] Wie viele Unternehmen haben sich Ihrem Projekt angeschlossen? Welche Art von Unternehmen? Zur Zeit etwas über 750. Hauptsächlich Freiberufler aller Professionen. [5] Wie viele Privatleute benutzen Rheingold als Zahlungsmittel? Das wissen wir nicht. Der Begriff "Privatleute" ist vielleicht irreführend. Wir sind alle "Prosumenten", mit anderen Worten: Wir wechseln ständig die Rolle, mal sind wir Produzenten, dann wieder Konsumenten. [6] Wie viele Menschen soll Rheingold erreichen? Gibt es eine Wachstumsgrenze? Ja, es gibt eine Wachstumsgrenze. Es sollen lediglich ausreichend Tauschmittel auf dem Markt sein.
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[7] Welche Menschen / Projekte / Vereine werden von Ihrem Projekt konkret unterstützt? Jeder Teilnehmer wird durch Rheingold unterstützt. Denn er hat sich ja durch ein additives Tauschmittel liquider gemacht. Macht er sein eigenes Rheingold durch Verwenden (einkaufen gehen) lebendig, schafft er bei anderen Teilnehmern notwendigen Umsatz und schafft sich gleichzeitig Nachfrage nach seinen eigenen Leistungen. [8] Rheingoldregio ist ein relativ junges Projekt. Würden Sie rückblickend von einer Erfolgsgeschichte sprechen? Um rückzublicken, braucht es wohl noch Zeit. Welche Chancen sehen Sie für Rheingold in der Zukunft und gibt es vielleicht Erweiterungsmöglichkeiten? Rheingold wächst beständig um neue Teilnehmer. Erweiterungsmöglichkeiten liegen in der Finanzierung. Bald werden kulturelle Ereignisse durch Rheingold finanziert.
8. Fazit Angesichts der bereits aufgeführten gewaltigen Problematik unseres Geldsystems ist eine Reform auf Dauer unabdingbar. Der größte Widerspruch unseres heutigen Geldes, die Doppelfunktion des eigentlich als neutrales Tauschmittel gedachten Mediums, das jedoch in seiner heutigen Form den „Geldhalter“ extrem bevorzugt, muss aufgehoben werden.
Lösungsansätze für diese Problematik wurden in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigt. Wenn auch auf der Theoretischen Ebene in sich schlüssig, zeigen sich allerdings auch hier auf der praktischen Seite Probleme. Während im relativ überschaubaren Rahmen der Regionalwährungen eine Umlaufsicherung mittels Klebemarken noch möglich ist, würde dies bei der Ausweitung auf ein nationales Währungssystem Probleme bereiten. Stark wachsende Regionalwährungen wie der Chiemgauer setzen auch heute schon auf elektronische Verrechnungssysteme, welche einen wesentlich geringeren logistischen Aufwand bedeuten.
Das Problem der Regionalwährungen ist ein anderes: Der Gedanke „alles aus der Region, alles für die Region“ ist heute nicht mehr durchgehend umsetzbar. Bedarf und Nachfrage einer Region gehen heute wesentlich über das von der Region zu deckende Angebot hinaus. Eine Region kann sich heute nicht als geschlossener Wirtschaftskreislauf verstehen. Genau deshalb kann eine Regionalwährung immer nur als Komplementär (-Währung) zur Standardwährung existieren. Solange Regionalwährung jedoch unabhängig ist von der jeweiligen nationalen Währung, da sie durch diese gedeckt ist, kann sie zwar in der betreffenden Region einen positiven Effekt auf Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur haben, die außerhalb ihres Wirkungsfeldes liegenden Wirtschaftskreisläufe bleiben davon jedoch unberührt. Ähnlich sieht es bei einer durch Leistung gedeckten Regionalwährung aus. Zwar ist sie von 49
der Nationalwährung weitgehend unabhängig, stellt jedoch dadurch in gewisser Weise auch eine Konkurrenz dieser dar. Die leistungsgedeckte Regionalwährung ist keine eigentliche Komplementärwährung mehr, sie ist vielmehr eine Alternative zur Nationalwährung. Dass sich solch eine Alternative, gegen die Standardwährung durchsetzt, halte ich jedoch für utopisch. Allenfalls kann sie sich regional und sektoral begrenzt entwickeln und erhalten. Eine Nation oder gar ein „Europa der Regionen“ (Litaer, Kennedy), mit komplementären Regionalwährungen, wäre, selbst wenn es umsetzbar wäre, keine Lösung für die monetären Fehlstrukturen. Die Standardwährung wäre als Anlagemöglichkeit wie als Zahlungsmittel ungleich attraktiver als die umlaufgesicherte Komplementärwährung. Die werterhaltende Funktion des Geldes bliebe in der Standardwährung unverändert erhalten. Dieser Fehler kann nur durch eine allgemeine, in die Standardwährung implementierte Umlaufsicherung behoben werden.
Nichtsdestotrotz ist das Prinzip der Regionalwährungen ein gutes Beispiel dafür, dass die Umlaufsicherung im kleinen Maßstab funktioniert. Vernachlässigt man den regionalen Aspekt, so bleibt das Prinzip der Umlaufsicherung, welches auf die Problematik des gesamten Geldsystems und
somit auf gesamte Wirtschaft und Gesellschaft nur Einfluss haben kann, wenn es für das gesamte Geld durchgesetzt wird.
Gerade die Durchsetzung der Umlaufsicherung stellt uns jedoch vor ein weiteres Problem. Auf europäischer Ebene erscheint mir dies unwahrscheinlich bis unmöglich, da eine Einigung auf eine Umlaufsicherung des Euros von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden müsste, was bereits bei anderen Gelegenheiten, wie jüngst bei dem Versuch, eine Einheitliche EU-Verfassung einzuführen, scheiterte. Globale Finanzkrisen, zunehmende Umweltprobleme und immer größer werdende soziale Disparitäten drängen jedoch zum Handeln. Nicht nur ein Bewusstsein für die Probleme, sondern auch ein Bewusstsein für deren Ursache muss entstehen, damit tiefgreifende Änderungen realisierbar werden. Vielleicht sind die Regionalwährungen ein Weg, die positiven Auswirkungen der Umlaufsicherung allgemein mehr ins Bewusstsein zu rücken.
„Es gibt ungerechte Strukturen, die wohl nicht aus bösem Willen entstanden sind, sondern aus mangelnder Kenntnis der Sachverhalte. Eine solche ungerechte Struktur liegt in unserem herkömmlichen Geld vor. Unser herkömmliches Geld ist mit einem Systemfehler behaftet, der die freie Marktwirtschaft verfälscht, indem er den Geldbesitzer gegenüber allen anderen Marktteilnehmern in hohem Maße privilegiert.“ Peter Knauer SJ, Moraltheologe, in „Gerechtes Geld – gerechte Welt“, 1991
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9. Quellen
1. Creutz , Helmut, Das Geld-Syndrom – Wege zu einer krisenfreien Wirtschaftsordnung, München 1993, Wirtschaftsverlag Langenmüller 2. Floren, Franz Josef, Wirtschaftspolitik im Zeichen der Globalisierung, Paderborn 2004, Westermann, Schroedel 3. Kennedy, Margrit, Geld ohne Zinsen und Inflation, Steierberg 1990, Permakultur Publikationen 4. Kennedy, Margrit und Lietaer, Bernard, Regionalwährungen – Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, München 2004, Riemann Verlag 5. Piper, Nikolaus, Geschichte der Wirtschaft, Weinheim 2002, Beltz Verlag 6. Walter, Karl, Das Geld in der Geschichte, Zürich 1999, Conzett bei Ösch 7. Sonstige Quellen: Artikel aus Wikipedia u. a. zu:
Börse (http://de.wikipedia.org/wiki/Börse) Spekulation (http://de.wikipedia.org/wiki/Spekulation_(Wirtschaft)) Hauptrefinanzierungsinstrument (http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptrefinanzierungsinstrument) Deutsche Bundesbank (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Bundesbank) Europäisches System der Zentral Banken (http://de.wikipedia.org/wiki/ESZB) Europäische Zentralbank (http://de.wikipedia.org/wiki/EZB) Geldmenge (http://de.wikipedia.org/wiki/Geldmenge) Quantitätstheorie (http://de.wikipedia.org/wiki/Quantitätstheorie) Inflation (http://de.wikipedia.org/wiki/Inflation) Deflation (http://de.wikipedia.org/wiki/Deflation) Zins (http://de.wikipedia.org/wiki/Zins) Geschichte des Geldes (http://de.wikipedia.org/wiki/Geld#Geschichte_des_Geldes) Brakteaten (http://de.wikipedia.org/wiki/Brakteat) Regiogeld e. V. (http://www.regiogeld.de) U.S. National Debt Clock (http://www.brillig.com/debt_clock/)
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