Dewezet Loemoe Thul 21012009

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DEWEZET - Nachrichten für Hameln und das Weserbergland

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Warum sollen unsere Leser Sie wählen? Doppel-Interview mit den beiden Bundestagsabgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) und Hans Peter Thul (CDU) Hameln. 2009 ist Wahljahr. 15mal werden Wähler um ihr Kreuz gebeten – für Europa, den Bund, die Bundesländer sowie die Kommunen. Die Dewezet hat die beiden derzeitigen Bundestagsabgeordneten unseres Wahlkreises, Gabriele LösekrugBild vergrößern Möller (SPD) und Hans Peter Thul (CDU), zum Interview gebeten. Wahlkampf, Finanzkrise, Energiepolitik, Straßenbau, Bildung – das waren nur einige der Themen, die Julia Niemeyer, Thomas Thimm, Marc Fisser und Matthias Aschmann hinterfragten. Frau Lösekrug-Möller, Herr Thul, was waren bislang ihre größten Niederlagen als Bundestagsabgeordnete? Lösekrug-Möller: Zur Politik gehört, wenn man ehrlich ist, nicht nur der Erfolg. Nein, es gehört auch dazu, dass man etwas nicht durchsetzen kann. Für mich persönlich ist es sehr schade, dass wir einen so mühsamen Weg gehen müssen in Sachen Mindestlohn. Das ist ein Konflikt in der Großen Koalition. Das sehe ich nicht als meine persönliche Niederlage, aber mit dem Ergebnis bin ich nicht zufrieden. Thul: Niederlagen und Erfolge zeigen sich in der Politik oftmals erst mit einem Abstand von mehreren Jahren. Ich persönlich empfinde es als meinen Erfolg… Wir haben nach Ihrer größten Niederlage gefragt… Thul: Ich bin in die Politik eingetreten, um mich innerhalb eines Teams für Ideen einzusetzen. Wenn man in einer Großen Koalition auf halbem Weg einen Kompromiss eingehen muss, empfinde ich das nicht als persönliche Niederlage. Ich hätte mir aber gewünscht, dass wir in Deutschland beim Schuldenabbau stärker vorangekommen wären. Sie sind beide im Bundestag die Repräsentanten des Weserberglandes. Was haben Sie für die Region bewegt? Thul: Das ist unsere vornehmste Aufgabe, dass wir im Bundestag das Weserbergland voranbringen können. Ein Beispiel: Wir wissen, dass wir im Weserbergland seit Jahren unter einer schlechten Verkehrsanbindung leiden. Wir sind umgeben von dem größten Autobahn-Ring Deutschlands, aber für die Region sieht es mau aus. Sich für eine bessere Anbindung einzusetzen, das ist ein unmittelbarer Gewinn der Arbeit vor Ort. Lösekrug-Möller: Ich darf das mal präzisieren. Ich bin jetzt sieben Jahre im Bundestag. In diesen Jahren haben wir viel für den Bundesstraßenausbau getan: Die Umgehung Wehrbergen wird gebaut, für Eimbeckhausen haben wir die Zusage, die Umgehung Aerzen kommt, auch die Bundesstraße 241 wird ausgebaut. Finanziert werden die Bauten durch die

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zusätzlichen Maßnahmenpakete, die durch die Erhöhung der Maut gespeist werden und Arbeitsplätze sichern sollen. Aus den Konjunkturpaketen fließen 100 Millionen Euro nach Südniedersachsen, davon 50 Millionen Euro in diesen Wahlkreis. Das ist nicht vom Himmel gefallen. Das ist ein großer Erfolg, bleibt aber zugleich nur eine Etappe, denn wir in Hameln warten schließlich auf die Südumgehung. Sie konzentrieren sich beide sehr auf die Infrastruktur und den Straßenbau… Lösekrug-Möller: Nein, es gibt natürlich noch viel mehr: Schulen, Kindergärten, Sportstätten, da fällt mir eine ganze Menge ein. Ich kann Ihnen sagen, dass die Liste, wo es durchregnet, der Boden schlecht ist, Heizungen nicht gut sind, wir energetisch im letzten Jahrhundert sind, diese Liste ist ganz schön lang. Thul: Wir haben ein riesiges Demografieproblem und deshalb müssen wir mehr für die jungen Familien tun. Wir müssen den Müttern und Vätern Betreuungsangebote für deren Kinder anbieten, wenn wir wollen, dass sich Familien bei uns ansiedeln. Dennoch halte ich es für geboten, dass unsere Schulden trotz der derzeitigen Situation nicht weiter ins Uferlose steigen und wir die Haushalte konsolidieren. Deutschland macht 2009 satte 140 Milliarden Euro neue Schulden. Das passt mit Ihrem Ziel, den Haushalt zu konsolidieren, nicht zusammen – die Stammtische im Lande verstehen das nicht… Lösekrug-Möller: Denen empfehle ich ein Gegenbeispiel mit dem Altlastenfonds, den die Politik gebildet hat nach der deutschen Einheit. Wir haben eine Menge Schulden übernehmen müssen, hatten über 100 Milliarden zu tilgen – und das haben wir innerhalb von 14 Jahren auf Null gebracht. Außerdem müssen wir gerade in der jetzigen Krise investieren und Arbeitsplätze schützen. Es ist gut, dass wir in dieser Situation einen handlungsfähigen Staat haben. Ich möchte nicht wissen, was passieren würde, wenn sich die Politik jetzt vornehm zurückhalten würde. Das kann nicht die Gesellschaft sein, in der wir leben wollen, und das kann nicht die Verantwortung eines Staates in einer Krise sein. Aber wie weit soll sich die Politik in die Wirtschaft einmischen? Lösekrug-Möller: Als die Krise anfing, haben wir sehr viele linke Reden im Bundestag gehört. Das, was wir jetzt gemacht haben, halte ich für richtig. Wir haben nicht vorschnell gehandelt, sondern bedacht. Daraus resultiert ein breites Bündel an Maßnahmen, und das macht Sinn. Und ich sage bezogen auf die Finanzmärkte: Wir müssen entscheiden, wie wollen wir Finanzmarktprodukte in Zukunft haben. Wollen wir als Staat die Produkte nicht durch eine Art TÜV laufen lassen, wollen wir nicht deutlicher sagen, die Risiken müssen erkennbarer sein, wollen wir nicht bestimmen, welche Qualitätsmerkmale die Produkte haben müssen? Ich wäre dafür. Es kann doch nicht sein, dass der Staat milliardenschwer einsteigt und diejenigen, die die Krise heraufbeschworen haben, machen weiter wie bisher. Ist das denn gut, dass sich Staat und Politik in die Wirtschaft einmischen? Oder soll das nur eine

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Übergangslösung sein? Thul: Die Krise ist keine Krise der sozialen Marktwirtschaft. Das Lied, das die linken Parteien über den Niedergang der Marktwirtschaft singen, ist völlig falsch. Entscheidend ist, dass bestimmte Wirtschaftsführer und Bankvorstände die Prinzipien und Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft verlassen haben. Wenn Quartalsergebnisse als wichtiger erachtet werden als die Verlässlichkeit von Finanzprodukten, dann müssen wir uns nicht wundern. Und wenn sich Banken außerhalb Europas aus Renditegründen verzocken, dann ist das unverantwortliches Handeln der Vorstände und Geschäftsführer – und auch der Aufsichtsratsorgane. Ich gehe davon aus, dass die Marktwirtschaft aus der Krise herauskommt. Und klar ist auch: Wir können nicht auf Ewigkeit die Wirtschaft verstaatlichen. Ich bin ein Gegner davon, dass der Staat als Banker auftritt. Nach meinem Verständnis muss sich der Staat schon bald wieder aus den Unternehmen zurückziehen. Lösekrug-Möller: Und dennoch brauchen wir etwas mehr Kontrolle. Ich bin auch nicht dafür, dass der Staat Banken lenkt. Aber was man bei der Commerzbank sieht, muss man auch vor dem Hintergrund bewerten, dass die Koalition zu Recht sagt, wer ein solches Desaster anrichtet und wenn wir mit viel Geld helfen, dann wollen wir auch, dass in die Bank erstmal wieder ein ordentliches Maß an Solidität hineinkommt. Das Vertrauen in die Bankakteure ist ja nun erstmal denkbar gering. Also macht es Sinn, dass der Staat vorübergehend einsteigt. Zur originären Aufgabe des Staates gehört, dass wir über Gesetze und solide Kontrolle nicht einschränken, was die soziale Marktwirtschaft kann – aber wir müssen dafür sorgen, dass sie soziale Marktwirtschaft bleibt. Was wir brauchen, ist eine funktionierende Kontrolle. Manche muss man auch vor ihrer Risikobereitschaft schützen. Hochspekulative Leerverkäufe sind ein ganz normales Börseninstrument, Landesbanken spekulieren sich in Irland um Kopf und Kragen. Wie wollen Sie das denn für die Zukunft ändern? Lösekrug-Möller: Ich glaube, wir kommen mit nationalen Mitteln nicht weiter. Ich bin mir sicher, das wir auf zwei Ebenen agieren müssen: Erstens auf Produktebene, Leerverkäufe zum Beispiel soll es meiner Meinung nach nicht mehr geben. Und zweitens müssen wir international zusammenarbeiten bei der neuen großen Architektur des globalen Finanzmarktes. Thul: Ich will mal ein paar Illusionen zerstören. Machen wir uns nichts vor: Nichts von dem, was wir uns an neuen Kontrollinstrumenten einfallen lassen, wird eine neue Krise verhindern. Die nächste Krise kommt mit ganz anderen Ursachen daher. Ich denke, wir müssen uns weltweit auf eine Finanzordnung und -aufsicht verständigen, die auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft aufgebaut ist. Nur: Andere Länder schlagen ja nicht die Hacken zusammen, wenn wir mit einem solchen Vorschlag kommen. Wir dürfen mal gespannt sein, wie sich der neue US-Präsident Obama mit dem Problem auseinandersetzt. Aber auch er wird zu den Grundsätzen des Marktes stehen. Und selbst die Chinesen mussten riesige Einbrüche hinnehmen. Auch China hängt an den globalen Märkten. Die aktuelle Krise zeigt ja die Vorteile einer Großen Koalition, die schnell und umfassend reagieren und

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regieren kann. Sollte die Große Koalition nicht fortgesetzt werden? Thul: Wir gehen getrennt in die Wahl und dann schauen wir voller Demut, was die Wählerinnen und Wähler von uns wollen. Und danach wird es wie beim letzten Mal eine Koalition der Vernunft geben. Richtig ist aber, dass die Große Koalition in diesen Krisenzeiten schnell und umfassend reagieren konnte. Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Regierungsbündnis – egal, auf welcher Seite – mit nur knapper Mehrheit. Das hätte nicht so gut geklappt. Lösekrug-Möller: Die CDU hat ihre Koalitionsaussage getroffen. Und auch die SPD ist ja nicht frei von solchen Aussagen. Bei allen Übereinstimmungen innerhalb der Großen Koalition haben die CDU und die SPD schon noch unterschiedliche Profile. Sicher kann man in unserer Demokratie erwarten, dass das Wählervotum in eine stabile Mehrheit umgesetzt wird. Und nicht wie in anderen europäischen Staaten, die ihre 99. Regierung haben. Nach den jetzigen Umfragen reicht es im September nicht für eine rot-geführte Regierung – wie groß ist die SPD-Sehnsucht, weiter mitregieren zu dürfen, wie groß die Hintertür zur Großen Koalition? Lösekrug-Möller: Wer Politik macht, strebt auch nach Macht und Mehrheit. Das gehört dazu. Deshalb empfinde ich das Denken an eine Große Koalition nicht als Hintertür, sondern als eine ganz normale Option. Für die SPD gibt es auf Bundesebene eine Einschränkung: Es gibt keine Koalition mit den Linken. Warum? Das hat mit deren Inhalten zu tun. Wir haben außen-, sicherheits-, wirtschafts- und sozialpolitisch unvereinbare Positionen. Den Linken schwebt ein Staat vor, in dem ich nicht leben möchte. Herr Thul, warum schütteln Sie bei den Aussagen von Frau Lösekrug-Möller den Kopf? Thul: Weil ich wiederum feststelle, dass die Frage nach dem Zusammengehen mit den Linken immer wieder nur die SPD trifft. Das muss ja Gründe haben. Und ich kann in der Tat nur warnen: Wenn wir ein solches linkes Bündnis bekämen, würden wir diese Republik nicht wiedererkennen. Was werden Ihre Wahlkampfthemen und -schwerpunkte sein? Lösekrug-Möller: Erstens: Energie- und Klimapolitik. Der Atomausstieg sollte beibehalten werden. Das geht allerdings nur, wenn man alternative Energien voranbringt und Ja sagt zu neuer Kohletechnologie. Ein weiterer Schwerpunkt für mich wird sein, Antworten auf die Frage zu finden, wie der Finanzmarkt in Zukunft zu gestalten ist. Drittens: Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme von Rente über Pflege bis zu den Krankenkassen. Und wir werden über Deutschland als Standort für Bildung und Qualifizierung zu reden haben. Thul: Der Erhalt des Friedens im Inneren wie im Äußeren steht für mich ganz oben auf der Agenda. Gerade mit Blick auf die Gaskrise sind wir gut beraten, in der Energiepolitik breit

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aufgestellt zu sein. Wir sollten nicht nur auf Wind, Sonne und Gas setzen. Wir brauchen CO 2 -freie Kohlekraftwerke. Und ich halte die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke für richtig. Im Wahlkreis müssen wir die Infrastruktur verbessern, da haben wir großen Nachholbedarf. Darüber dürfen wir nicht die sozialen Aspekte vergessen, wir müssen wieder junge Familien für das Weserbergland begeistern und junge Leute hier auch halten können. Die Stärkung der Bildung, Aus- und Weiterbildung müssen wir dafür weiter ausbauen. Für den Wahlkreis wäre es gut, wenn weiter zwei Abgeordnete den Raum verträten. Herr Thul, warum soll Angela Merkel nach der nächsten Wahl Kanzlerin bleiben? Thul: Die Kanzlerkandidaten der SPD hatten immer Schwierigkeiten in der eigenen Partei. Denken Sie an das politische Ende von Schmidt oder Schröder. Auch Steinmeier hat Akzeptanzprobleme in der eigenen Partei. Angela Merkel ist in der eigenen Fraktion nahezu unumstritten. Ich persönlich glaube, dass es immer gut ist, wenn der Kanzler oder die Kanzlerin von den eigenen Reihen getragen wird. Frau Lösekrug-Möller, warum soll Frank-Walter Steinmeier am 27. September zum Kanzler gewählt werden? Lösekrug-Möller: Frau Merkel ist eine starke Frau. Ich sehe, dass es ihr in den letzten Jahren gelungen ist, ein Machtzentrum zu entwickeln. Das verlangt Respekt und Anerkennung. Und sie macht ihren Job nicht schlecht. Gleichwohl sage ich: Frank-Walter Steinmeier kommt mit großer Erfahrung daher, er ist innerhalb der SPD unumstritten. Bei all den globalen Problemen und Themen ist seine außenpolitische Erfahrung ein großer Vorteil. Er ist weltweit ein guter Vertreter Deutschlands. Ich sehe Frank-Walter Steinmeier zudem mit einem sehr klaren innen- und wirtschaftspolitischen Profil. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich für die Wahl und denke, Frank-Walter Steinmeier wird ein guter Kanzler für Deutschland sein. Und warum sollen unsere Leser im September Sie als Abgeordnete wählen? Lösekrug-Möller: Ich habe schon einmal das Vertrauen in diesem Wahlkreis bekommen und möchte ihn auch dieses Mal direkt gewinnen. Ich mache sehr bürgernahe Arbeit und Politik. Das möchte ich weiterhin und bin zuversichtlich, dass die Menschen mir ihre Erststimme geben werden. Thul: Die Herausforderungen der nächsten Jahre brauchen pragmatische Lösungen. Ich bin ein Pragmatiker und in der Fraktion gut angesehen. Deshalb werbe ich um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler. Interviewtermin bei der Dewezet (v. li.): Matthias Aschmann, Marc Fisser, die Bundestagsabgeordneten Gabriele LösekrugMöller (SPD) und Hans Peter Thul (CDU), Thomas Thimm und Julia Niemeyer. Fotos: Dana .

© Dewezet 20. Januar 2009 00:00

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