SPIEGEL ONLINE - 27. Februar 2007, 19:13 URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,468969,00.html EADS-KRISE
Airbus streicht 10.000 Jobs - Gewerkschafter sprechen von Krieg Explosive Stimmung bei Airbus: Der Flugzeugbauer will europaweit 10.000 Stellen streichen. In Frankreich legen Beschäftigte spontan die Arbeit nieder, Gewerkschafter sprechen von "Krieg" - und organisieren europaweiten Widerstand gegen die Sparpläne. Hamburg - In den deutschen Werken sollen 3500 Arbeitsplätze gestrichen werden, in Frankreich gehen 4500 verloren. Das verlautete aus dem Hamburger Rathaus. Weitere 2000 Stellen gehen demnach in Spanien und in Großbritannien verloren. Auch die europäische Metallgewerkschaft EMB bestätigte, dass bei Airbus insgesamt 10.000 Stellen wegfallen sollen. "Wir haben entsprechende Signale erhalten", sagte EMB-Generalsekretär Peter Scherrer heute in Brüssel.
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Airbus-Protest in Frankreich: Widerstand auf europäischer Ebene
Offiziell will der Airbus-Mutterkonzern EADS sein Sparprogramm "Power8" morgen bekannt geben. Französische Gewerkschaften zeigten sich aber schon heute kampfbereit: Sollten Airbus-Werke in Frankreich verkauft werden, sei dies eine " Kriegserklärung", erklärte die bedeutendste französische Airbus-Gewerkschaft Force Ouvrière. Die Organisation führt nach eigenen Angaben bereits Gespräche mit Gewerkschaftsvertretern der anderen Airbus-Länder. Auch Scherrer kündigte "vehemente Proteste auf europäischer Ebene" an.
Im nordfranzösischen Méaulte machten die Beschäftigten schon heute Ernst. Weil das dortige Werk angeblich verkauft werden soll, legte die gesamte Belegschaft spontan die Arbeit nieder. Die 1924 gegründete Fabrik baut Cockpits und vordere Einstiegstüren. In Méaulte sind 1200 Menschen bei Airbus und weitere 500 bei Zulieferfirmen beschäftigt.
Dramatische Zahlen wurden heute auch für Hamburg bekannt. Im größten deutschen Airbus-Werk werden in den nächsten drei Jahren deutlich mehr als 1000 Jobs abgebaut. Das verlautete aus dem Rathaus der Hansestadt. In Presseberichten war zuvor nur von 800 Stellen die Rede gewesen.
Allerdings werde der Stellenabbau in Hamburg zu keinen Entlassungen führen, hieß es weiter. Stattdessen sollten Vorruhestandsregelungen greifen und auslaufende Verträge nicht erneuert werden. Rund die Hälfte der Jobs würden bei den Festangestellten gestrichen, der Rest des Stellenabbaus treffe Zeitarbeitskräfte. Produktion und Entwicklung sollen verschont bleiben, die Stellen würden ausschließlich im so genannten Overhead gestrichen, also bei Verwaltung, Service und Werksteuerung.
Daneben gibt es aber auch gute Nachrichten für Hamburg. So soll die Arbeitsteilung zwischen deutschen und französischen Werken beim A380 den Angaben zufolge erhalten bleiben - Montage und Auslieferung bleiben also in der Hansestadt. Immer wieder waren Befürchtungen laut geworden, dass die A380-Produktion vollständig nach Frankreich verlegt werden soll.
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Außerdem soll die A320-Produktion komplett nach Hamburg kommen. So würden parallel zu dem Stellenabbau auch viele neue Jobs entstehen - wie viele ließe sich freilich noch nicht sagen. "Langfristig ist das ein Gewinn für den Standort Hamburg", sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. "Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen."
Im Gegenzug gehe die A350-Produktion zum Großteil nach Frankreich. Allerdings bleibe das "Exzellenzzentrum" für Rumpf und Kabine des neuen Langstreckenjets, der als Zukunftshoffnung des Unternehmens gilt, in Hamburg.
PROBLEMFÄLLE BEI AIRBUS
Airbus A380
REUTERS Die Auslieferung des größten Passagierflugzeugs der Welt musste wiederholt verschoben werden. Nun soll das erste Serienflugzeug erst im vierten Quartal 2007 an den ersten Kunden - Singapore Airlines - geliefert werden und damit fast ein Jahr später als zuletzt geplant. Ursprünglich sollte der erste A380 schon 2005 nach Singapur geliefert werden. Ursache der Verzögerungen sind Probleme mit der komplizierten Verkabelung. Der Einbau der Kabelbäume in die vorderen und hinteren Rumpfteile war unterschätzt worden. Für den Superjumbo, der in der Standardversion 555 Sitzplätze in drei Klassen bietet, liegen 159 Bestellungen vor. Wegen der Produktionsprobleme rechnet der AirbusMutterkonzern EADS zwischen 2006 und 2010 mit Gewinneinbußen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro.
Airbus A350
Airbus Die zweistrahlige Maschine soll dem erfolgreichen 787 Dreamliner des US- Erzrivalen Boeing Paroli bieten. Doch hat Airbus das Konzept für den A350 in den vergangenen Jahren schon mehrfach geändert. Ursprünglich sollten nur die seit 1993 gebauten A330- Jets modernisiert werden. Als das bei Kunden nicht ankam, präsentierte Airbus Ende 2004 ein neues Konzept. Doch auch dieses gefiel vielen Kunden nicht - die Kabine war ihnen zu schmal. Im Juli 2006 kündigte Airbus deshalb an, ein völlig neues Flugzeug namens A350 XWB zu entwickeln. Eigentlich soll es ab 2012 erhältlich sein doch EADS will nun prüfen, ob es noch genügend Ressourcen für die Entwicklung gibt.
Airbus A400M
DDP
Der Militär- Airbus wurde vor allem den Bedürfnissen der NATO angepasst. Airbus- Chef Christian Streiff räumte nun allerdings Probleme bei dem Zeitplan für den großräumigen Truppen- und Fahrzeugtransporter ein. Die Maschine sollte eigentlich 2008 ihren ersten Testflug absolvieren, erste Auslieferungen waren für Ende 2009 angepeilt. Die milliardenschwere Entwicklung des Militär- Airbus, die die Transall- und die Hercules- Flugzeuge ablösen soll, gilt als größtes Rüstungsprogramm in Europa. Experten befürchten aber, dass es angesichts der Probleme beim A380 und dem damit verbundenen Arbeitsaufwand beim A400M an Ingenieur- Kapazitäten mangeln könnte.