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MANAGEMENT ENERGIEWIRTSCHAFT & CONTRACTING
Intelligente Zähler auf dem Vormarsch Energieversorger bereitet den Generationswechsel bei Haushaltszählern vor
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Datentransport im Netz: Vattenfall überträgt die Verbrauchsdaten per Powerline Communication (PLC).
Quelle: Görlitz
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Smart Metering, also die automatisierte Energiemessung und -abrechnung von Haushaltskunden, ist derzeit der große Hoffnungsträger im Ringen um Klimaschutz und Energieeffizienz. Der Umfang des Einsparpotenzials liegt dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie zufolge nach Erfahrungen in anderen Ländern bei 5 bis 10 Prozent des Gesamtstromverbrauchs der Haushalte. Dies entspricht für Deutschland insgesamt 5 bis 10 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Michael Krumpholz
ährend in Italien oder Schweden bereits große Projekte mit intelligenten Haushaltszählern abgeschlossen wurden, starten in Deutschland nun die ersten Pilotvorhaben [1]. Die Zeit ist reif, denn mit dem zweiten Klimapaket der Bundesregierung ist die Einführung solcher Geräte ab 2010 bindend vorgesehen. Auch der Einsatz des so genannten „Profizählers“ bei Vattenfall-Kunden in Hamburg und Berlin ist ein solcher Versuchsballon. Dazu wurden in jeweils 500 Haushalten webbasierte Stromzähler installiert, um die Akzeptanz dieser Geräte zu testen und die Veränderungen interner Prozesse durch den Einsatz der neuen Technologie auszuloten. Alle diese Erfahrungen werden nach Ablauf dieses Jahres bei Vattenfall in eine Entscheidungsgrundlage für zukünftige Aktivitäten münden.
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Veränderungen der internen Prozesse Dr. Michael Krumpholz Vorstand von Görlitz in Koblenz T +49/261/92 85-111 F +49/261/92 85-118
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In technischer Hinsicht hatte Vattenfalls Entscheidung für die Technik von Görlitz mehrere Gründe. Zunächst einmal spielte der Pfad für
den Datentransport eine Rolle: Weil viele Haushaltszähler in Kellern mit Stahlbetonmauern untergebracht sind, die den Funkkontakt – etwa per Wireless LAN oder GSM-Mobilfunk – blockieren, sollten die Testgeräte die Verbrauchsdaten direkt über die Stromleitung per Powerline Communication (PLC) übertragen können. Auch ein herkömmlicher Internet-Anschluss für die Zählerabfrage kam aus baulichen Gründen nicht in Frage. Außerdem sollte der Zähler Lastgänge in unterschiedlichen Intervallen speichern. Leerstehende Anlagen sollten sich aus der Ferne an- und abschalten lassen. Die Wahl fiel auch bei dem Smart-Metering-Pilotprojekt wieder auf das Energiedatenmanagementsystem EDW3000 von Görlitz, das Vattenfall schon seit Jahren einsetzt. Seit drei Jahren ist Görlitz zudem so genannter Value Added Reseller des führenden US-amerikanischen Zähler-Herstellers Echelon. Dessen webbasierter Haushaltszähler wird nun als „Profizähler“ zusammen mit dem Datenkonzentrator DC1000 des gleichen Herstellers für die OnlineAuslesung der Haushaltskunden in Hamburg und Berlin eingesetzt. energy 2.0 Oktober 2008 | www.energy20.net
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Bis Ende April war die Installation der Haushaltszähler in den Testgebieten Hamburg-Eilbek und Berlin-Hohenschönhausen abgeschlossen. Bei diesem Projekt arbeitete Vattenfall mit Wohnungsbaugesellschaften zusammen, die den Kontakt zu interessierten Mietern herstellten. Dabei zeigte sich schnell, dass der Energieversorger mit seinem Vorhaben auf große Resonanz stößt. Für die Teilnehmer an dem Pilotprojekt ist der Zähleraustausch kostenlos. Aufwendige Umbaumaßnahmen sind ebenfalls nicht erforderlich, da die Abmessungen des Vorgängermodells dem des Profizählers entsprechen. Bis Ende 2008 – so die Planung – soll das Projekt inklusive einer ausführlichen Befragung der Anwender abgeschlossen sein.
Spezieller Lösungsaufbau Was den Lösungsaufbau im Probebetrieb betrifft, so werden die Zähler nicht einzeln über das Versorgungsgebiet verstreut installiert, sondern in einer größeren Anzahl von Haushalten etwa eines Straßenzugs oder einer Reihenhaussiedlung konzentriert. Dies ist deswegen erforderlich, weil die Geräte und ihr Datenkonzentrator in einer gemeinsamen „Niederspannungsinsel“ installiert sein müssen. Der Konzentrator wird dazu in der jeweiligen Trafostation installiert, die die beteiligten Haushalte mit Strom versorgt. Er kommuniziert mit den Profizählern in den Häusern via PLC und fragt so kontinuierlich die Verbrauchsdaten ab. Als funktionales Bindeglied organisiert der Datenkonzentrator einerseits die lokale Verwaltung der Elektrizitätszähler über das Powerline-Netz-
werk und andererseits die Fernverbindung zur Leitstelle. Neu ist die digitale Schnittstelle für die Verbrauchsdaten. Diese werden zum Energiedatenmanagementsystem übertragen, das sich in der jeweiligen Systemzentrale von Vattenfall befindet. Alle Datenkonzentratoren, die über das Stromkabel jeweils die Signale von rund 1000 Zählern empfangen können, sind via Mobilfunknetz und GPRS (General Packet Radio Service) direkt mit dieser Datendrehscheibe verbunden.
Sichere Datenübertragung Um die Übertragung der verschlüsselten Energiedaten zwischen den Konzentratoren und dem Energiedatenmanagementsystem abzusichern, wird mittels eines Virtual Private Networks (VPN) eine geschlossene Benutzergruppe eingerichtet. Auf diese Weise lässt sich das offene Internet quasi untertunneln, so dass die Datenübertragung nicht so ohne weiteres von Unbefugten ausgespäht oder manipuliert werden kann. Denn der Sicherheitsaspekt spielte in dem Pilotprojekt von Anfang an eine große Rolle – auch bei den Behörden. So hat sich etwa der Datenschutzbeauftragte des Berliner Senats im Vorfeld bei dem Energieversorger eingehend darüber informiert, welche Maßnahmen zum Schutz der Verbrauchsdaten vorgesehen sind.
Verbrauchsdaten im 15-Minuten-Takt Der aktuelle Stromverbrauch ist nun seit dem Frühjahr über ein Web-Interface für den Kunden daheim am PC jederzeit ablesbar, wenn er
Smart Metering
Vorteile des vollautomatisierten Ableseprozesses
Quelle: Vattenfall
Vattenfall verspricht sich vom Einsatz der Smart-Metering-Technologie auch vereinfachte und beschleunigte Ableseprozesse. Denn durch die vollautomatisierte Übermittlung der Zählerstände entfällt die bisher notwendige manuelle Datenablesung. Bei Jahresabrechungen oder Tarifänderungen müssen keine Schätzungen mehr vorgenommen werden, denn die aktuellen Verbrauchszahlen sind jederzeit verfügbar. Das erleichtert die Arbeitsprozesse enorm – vor allem bei den Vorfällen, wo kurzfristig Zählerstände benötigt werden. Sei es im Kleingewerbe, wo alle Filialen eines Unternehmens zukünftig zum gleichen Zeitpunkt ihre Abrechnung erhalten können, sei es bei der Abwicklung von Ein- oder Auszügen oder bei der Bearbeitung von Inkasso-Fällen. Die Privatkunden erhalten auf diese Weise die individuelle Verbrauchskurve ihres Haushalts über einen bestimmen Zeitraum – eine Stunde, einen Tag, eine Woche, einen Monat oder ein ganzes Jahr. Damit bekommen sie alle notwendigen Informationen, um den Energieverbrauch zeitnah zu überprüfen. Auch Vergleiche mit einem Durchschnittshaushalt sind möglich, so dass der Kunde Rückschlüsse auf eventuell vorhandene Stromfresser in seinem Haushalt erhält. Dadurch lassen Beidseitiger Nutzen: Energieerzeuger und Kunden profitiesich Einsparmöglichkeiten ermitteln und in der Folge ren, wenn nicht nur Strom, sondern Information fließt. kann jeder Stromverbraucher seine Kosten senken und gleichzeitig die Umwelt schonen.
Quelle: Görlitz
Akzeptanz der Verbraucher testen
Smart Meter: Solche Stromzähler übermitteln die Verbrauchsdaten automatisch und machen Hausbesuche zur Zählerablesung künftig überflüssig.
sich zuvor im geschützten Internetbereich von Vattenfall Europe angemeldet hat. Dafür genügt ein herkömmlicher analoger oder digitaler Internetanschluss. Die Zähler des Pilotprojektes erfassen die Verbrauchsdaten im 15-MinutenTakt.
Ausblick: Kein Smart Metering ohne innovative Tarife Die technische Umsetzung der automatisierten Verbrauchsablesung von Privathaushalten ist möglich, kann aber nicht allein die großen Erwartungen erfüllen, die aktuell an das Smart Metering gestellt werden. Auf der Basis der zeitnahen Verbrauchsbetrachtung sind vielmehr auch neue Produktangebote und individuelle Tarife zu entwickeln. Darüber hinaus schafft diese Technologie eine neue Art von Kundenbindung, weil der Energieversorger seinem Kunden Instrumente an die Hand gibt, um seinen Stromverbrauch zu gestalten – ein zusätzliches Argument für Smart Metering. Damit erhalten Energieversorger ein wichtiges Werkzeug, um im fortschreitenden Wettbewerb eine nachhaltige Bindung zu ihren Privatkunden aufzubauen.
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Literatur [1] Gerhard Radtke: Intelligente Zähler für alle? Energy 2.0 Juli 2008, S. 28f
Weiterführende Infos auf energy20.net:
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