You've got Mail. Und zwar eine ganze Menge
91) / WISSEN I Illustration: uboy
Endlich verstehen ...
Spam
Pling-pling! Mail von »Seraphine« oder »Felicia« - die angeblich spottbillige Rolex sowie die Rettung für dein verschnarchtes Sexleben verkaufen. Wer steckt dahinter? Wer fällt darauf rein? Und wieso sitzen die meisten Abzocker in Florida? Eine Werbeunterbrechung für alle Genervten.
Mein Postfach quillt über vor Spam. Geht das allen so?
nach dem Trial-and-Error-Verfahren aus oder kaufen Listen, die im Internet gesammelt wurWenn es dich tröstet: ja. Von den 30 Milliarden den. Eine Software durchsucht dafür WebE-Mails die jeden Tag weltweit verschickt wer- seiten nach Mailadrcssen. Entscheidend bei den, sollen 60 bis 90 Prozent Spam sein, also dem System ist die Masse. Die meisten Spamunverlangt verschickte Massen-E-Mails. Diese mer werden von ihren Auftraggebern nur für Mails sind nicht nur lästig, sondern blockieren das Verschicken der Mails bezahlt: je mehr auch die Leitungen im Internet, und für die sie senden, desto mehr verdienen sie. ManÜbertragung entstehen hohe Kosten. Alleine che kommen auf über zehn Millionen Mails im Jahr 2004 soll Spam in den USA und Eu- in einer Stunde und kassieren dafür bis zu ropa insgesamt einen Schaden von 13 Milliar- 15 000 Dollar im Monat. Wenn dann nur 0,1 Prozent der Adressaten darauf reinfallen, sind den Euro verursacht haben. das immer noch 10000 Opfer. Im November Woher kommt der seltsame Name? vergangenen Jahres wurde in Virginia ein Spam ist die Abkürzung für spiced ham, ge- Spammer zu einer Haftstrafe verurteilt. Er würzter Schinken - und der Name einer US- hatte mit Spammails 19 Millionen Euro verMarke für Frühstücksfleisch in Dosen. Bekannt dient, in einem Monat allein hatten 10000 wurde der Begriff durch einen Monty-Phy thon- Leute per Kreditkarte ein Fantasieprodukt Sketch, in dem ein Wikingerchor in einem gekauft, für jeweils 39,94 Dollar. Restaurant ein Loblied auf das Dosenfleisch singt und damit alle anderen Gespräche zum Ist das Verschicken von Spam Schweigen bringt. denn erlaubt? Das ist rechtlich nicht so einfach. In den USA gibt es seit 2004 ein Gesetz, das im Prinzip den Zum Beispiel Bubba Catts aus Shreveport in unerlaubten Versand von Werbemails unter Louisiana, der einen Schnauzbart und Goldkctt- Strafe stellt. Es lässt aber sehr viele Lücken. In chen trägt und sich gerne mal in Unterhosen Deutschland ist das Verschicken von Werbcfotografieren lässt. Oder Eric Reinertsen aus mails nur erlaubt, wenn der Empfänger vorher Bonita Springs in Florida, der schon mal wegen zugestimmt hat. Richtig kriminell sind Phieines Drogenvergehens im Gefängnis saß. shing-Mails. Das sind gefälschte Nachrichten, Wer noch weitere dieser netten Herren kennen die so aussehen als kämen sie von Banken oder lernen möchte, kann auf die Webscite www. Händlern. Meistens enthalten sie einen Link auf spamhaus.org/rokso gehen. Dort werden die eine Webseitc, wo der Empfänger seine Kontoaktivsten Spammer an den Pranger gestellt. oder Kreditkarteninformationen eintippen soll. Achtzig Prozent aller Spammails in den USA Mit diesen gestohlenen Informationen plünund Europa stammen nämlich von nur 200 dern die Betrüger die Konten ihrer Opfer. Kriminellen. Die meisten davon aus Florida.
Wer steckt hinter den Spammails?
Was kann man gegen Spam Wie sind die überhaupt auf meine unternehmen? Adresse gekommen? Vor allem sollte man auf die Mails nicht antOft probieren Spammer neue Adressen einfach
worten, um sich zu beschweren. Das bestätigt
nur, dass die Adresse tatsächlich aktiv ist. Wer online seine Adresse angeben muss, sollte lieber eine Einweg-E-Mail-Adresse benutzen, die sich nach ein paar Stunden wieder auflöst (gibt es etwa bei mailinator.com). Und wer einen lustigen Videoclip an 87 Freunde weiterleiten will, sollte alle Empfänger ins Blindkopic-Feld seines E-Mail-Programms schreiben, damit niemand die Adressen lesen kann.
Bei mir kommt trotz aller Filterprogramme und Vorsichtsmaßnahmen immer noch Spam an. Kein Wunder: Um wirklich wirksam gegen Spam vorzugehen, müsste man das ganze System ändern, nach dem E-Mails im Internet verschickt werden. Bisher ist es ein Kinderspiel, den Absender einer Nachricht zu fälschen. Es gibt Versuche, das Mailsystem umzustellen: Man könnte etwa eine virtuelle Briefmarke einführen oder die automatische Authentifizierung des Absenders. Aber der Aufwand dafür wäre riesig.
Ist Spam denn wirklich nur schlecht? Wenn man sehr tolerant ist und gerne mit originellen Einzelmeinungcn brilliert, kann man Spam auch als eine Art Kunstform sehen: eine kontinuierliche Erzählung über die Abgründe der Menschheit, die jeden Tag als EMail-Fortsctzungsroman schildert, was die Menschen auf diesem Planeten insgeheim am dringendsten beschäftigt. Wenn das so ist, dann drehen sich unsere geheimen Wünsche nur um Sex, schnelles Geld, Mittel gegen Ängste und Depressionen, die verzweifelte Suche nach Liebe und Wege, um den eigenen Körper möglichst schnell (und ohne Anstrengung) zu verändern. Selbst so gesehen ist Spam also eine traurige Geschichte. FABHICE BRAUN
WISSEN / 91
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H E R Z K L 0 P F E N Unser Autor liebt eine Frau in Kambodscha - ei nes Tages kriegt er eine E-Mail: »Ich habe Aids W E LT U N T E R G A N G Terror, Viren, schwarze Löcher- mal im Ernst: wie gefährdet sind wir wirklich? S C H A L L U N D R A U C H Wiegut die Nacht war, zeigt sich im Morgengrauen: eine ehrliche Ausgeh-Bilanz DER M I T B E W O H N ER-TEST Vamp, Hausmeister, Erbsenzähler: welcher WC-Typ bist du selbst? Deutschland Euro 2.80 ÖaerreiihEuni WO SdiweizS 1i 5.5U(BcNdjixEuro3.20/Il3til
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