Humor

  • November 2019
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KAP 5 Der Humorist ist sich seiner eigenen Bedingtheit stets bewusst und schließt sogar die Selbstverleugnung in seine Verzweiflung über die Verfasstheit der Welt mit ein. Kierkegaard verbindet den Humor mit dem Christentum. „Kennzeichnend für den Humoristen ist nicht der Glaube, die positive Gewißheit des Unbedingten, sondern die negative Einsicht in die universale Bedingtheit.“1 “2 Die Aufmerksamkeit des Humoristen zielt auf das Bedingte ab; doch die vor Augen geführte universale Bedingtheit evoziert den Verweis auf das Unbedingte. Aber der Humorist lässt sich nicht durch das „Existenz-Medium“3 der Sünde paradox verwandeln; bei ihm entsteht kein Sündenbewusstsein als Ausdruck einer neuen Existenz, da er Gott nicht in der Zeit hervortreten lässt und seine Religiosität somit keinen historischen Anfang hat. Die Seele des Humoristen ist das Ärgernis.4 Humor ist immer ein Zurücknehmen […], ist die Perspektive nach rückwärts hin: das Christentum ist die Richtung nach vorn hin, zum Christwerden hin, und es dadurch werden, es zu sein. Ohne Stillstehen kein Humor; den der Humorist hat beständig gut Zeit, weil er der Ewigkeit gute Zeit hinter sich hat.“5

Kleinert, Markus: Sich verzehrender Skeptizismus, S. 70 – Untersuchung über Ironie und Humor „Ironie und Humor sind Versuche, das bloß Bedingte zugunsten des Unbedingten zu überwinden. Der grundlegende Unterschied besteht darin, daß der Ironiker die Überwindung des Bedingten nicht auf seine eigene Befindlichkeit bezieht, während sich der Humorist gerade der eigenen Bedingtheit bewußt ist, seine Verzweiflung über die Eitelkeit der Weit Selbstverleugnung mit einschließt. Durch das Christentum wird der Gegensatz von Unbedingtheit und Bedingtheit gleichsam radikalisiert, erst der Bezug auf die christliche Lebensanschauung ermöglicht die humoristische Erhebung über die Relativität der Welt und Selbst. […] Kennzeichnend für den Humoristen ist nicht der Glauben, die positive Gewissheit des Unbedingten, sondern die negative Einsicht in die universale Bedingtheit. […] Die Aufmerksamkeit des Humoristen und das humoristische Verfahren sind auf das Bedingte gerichtet, allein die vor Augen geführte Haltlosigkeit des Bedingten kann als Verweis auf das Unbedingte gelten.“ Eine humoristische Lebensanschauung ist eine Absage an die Sicherheit der Standpunkte. (Vgl 72.) „Im Vergleich mit dem Humor ist die Ironie mangelhaft. Zwar bescheinigt Kierkegaard der Ironie durchaus ein Verdienst. Sie verleidet dem Ironiker, sich besinnungslos im Bestehenden einzurichten, sie sichert die für jede Läuterung notwendige Vereinzelung. Vor der Selbstprüfung jedoch schreckt der Ironiker zurück, er verweigert den Schluss von der 1

KLEINERT, S. 70. KLEINERT, S. 70. 3 ebd., S. 296. 4 Mit Hilfe des Sündenbewusstseins könnte der Humorist sein Ärgernis überwinden und durch das ParadoxReligiöse von der Religiosität A zur Religiosität B übertreten. Dazu müsste er indessen gänzlich mit der Immanenz brechen. 5 KIERKEGAARD: Nachschrift II, S. 316. 2

Nichtigkeit auf der Welt auf die eigene Negativität. Das Mangelhafte der Ironie ist demnach, dass sie nicht negativ genug ist. Romantische Ironie: Die missliche Lage des Ironikers ändert sich nicht dadurch, wenn das ironische Ich als unbedingter Maßstab gesetzt wird. Die Unbedingtheit des Ich wird mit dessen Weltlosigkeit erkauft, indem die wechselseitige Bestimmung von Ich und Welt einfach ignoriert wird. Verachtung der Welt und Leben in einem eingebildeten Reich, ermöglicht es der religiöse Sieg über die Welt, mit der unbedingten Gewissheit im Bedingen zu leben (Humor). Laut Kierkegaard beruht die Ironie – wie die Philosophie seiner Zeit – allein auf Reflexion, daher ist sie Sinnbild und keinesfalls Überwindung der Reflexionskultur. Die entstehende Leere der unwirklichen Reflexion wird allenfalls durch ein leeres unbedingtes Ich verschleiert. (Vgl. 72.) Der Ironiker möchte seine Läuterung selbst verantworten, sich selbst erlösen. Der Humorist hingegen überantwortet sich dem Läuterungsgeschehen. Hegel: Er stellt wie Kierkegaard die Forderung der Reinigung: Seine Läuterung ist der sich vollziehende Skeptizismus; der Zweifler verliert alle Gewissheiten , um durch systematischen Zweifel schließlich den Gegensatz von Wissen und Glauben zu überwinden. Kierkegaard: die Kierkegaardsche Läuterung ist der Humor. Der Humorist verzweifelt, doch seine Verzweiflung ist erbaulich, insofern sie über das Bedingte mit einer unbedingten Gewissheit verbunden ist; jene Gewissheit, die nicht die Überwindung des Gegensatzes von Glauben und Wissen intendiert, vielmehr einen von Anmaßung des Wissens gereinigten Glauben repräsentiert. (Vgl. 79.)

Humor Die Ironie sieht sich selbst, „indem das Individuum sich selbst im Licht der Ironie sieht“. Humoristische Vermittlung des gläubigen Menschen mit Gott (Kleinert 144) Mit Hilfe des Paulus-Wortes: ,Alles ist neu in Christo’ (2. Kor. 5,17) wird der Humor vertieft zum christlichen Humor und dann besonders mit Jean Paul verbunden. Ansetzung des Humors als Confinium zum Religiösen. Der Humor ist mit dem Christentum verbunden, Ironiker bezieht seine Überwindung des Bedingten nicht auf sein eigenes Bedingt-Sein. Der Humorist ist sich seiner eigenen Bedingtheit jedoch stets bewusst und schließt sogar die Selbstverleugnung in seine Verzweiflung über die Verfasstheit der Welt mit ein. Kierkegaard verbindet den Humor mit dem Christentum. „Kennzeichnend für den Humoristen ist nicht der Glaube, die positive Gewißheit des Unbedingten, sondern die negative Einsicht in die universale Bedingtheit.“ 6 Die Aufmerksamkeit des Humoristen zielt auf das Bedingte ab; doch die vor Augen geführte 6

Kleinert, S. 70.

universale Bedingtheit evoziert den Verweis auf das Unbedingte. Aber der Humorist lässt sich nicht durch das „Existenz-Medium“7 der Sünde paradox verwandeln; bei ihm entsteht kein Sündenbewusstsein als Ausdruck einer neuen Existenz, da er Gott nicht in der Zeit hervortreten lässt und seine Religiosität somit keinen historischen Anfang hat. Die Seele des Humoristen ist das Ärgernis.8 Humor ist immer ein Zurücknehmen […], ist die Perspektive nach rückwärts hin: das Christentum ist die Richtung nach vorn hin, zum Christwerden hin, und es dadurch werden, es zu sein. Ohne Stillstehen kein Humor; den der Humorist hat beständig gut Zeit, weil er der Ewigkeit gute Zeit hinter sich hat.“9

Der Humorist vervollständigt die Ironie, indem er nicht nur den sicheren Standpunkten in der Welt durch permanente Beunruhigung eine Absage erteilt („ironisches Schweben“), sondern in einem Läuterungsprozess von selbstgenügsamer Bedingtheit gereinigt wird und durch die Erbaulichkeit des Humors die Gewissheit des Unbedingten erfährt. So gelangt bei Kierkegaard ein Individuum mittels eines sich selbst vollbringendem Skeptizismus’ über die Erkenntnis der universalen Bedingtheit zum Zweifel und letztendlich zum Glauben an ein Unbedingtes. Der Gegensatz von Glauben und Wissen erfährt eine Überwindung, indem der Glaube von den Anmaßungen des Wissens gereinigt wird. Die Reflexionskultur wird überwunden; die Vernichtung des Unbedingtheit für sich beanspruchenden Bedingten herbeigeführt. In diese entstehende Leere tritt der von den Anmaßungen des Wissens gereinigte Glaube.

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ebd., S. 296. Mit Hilfe des Sündenbewusstseins könnte der Humorist sein Ärgernis überwinden und durch das ParadoxReligiöse von der Religiosität A zur Religiosität B übertreten. Dazu müsste er indessen gänzlich mit der Immanenz brechen. 9 KIERKEGAARD: Nachschrift II, S. 316. 8

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