DAS ALLTAGSLEBEN IM
ISLAM
PROF. DR. MUHAMMAD HAMIDULLAH
DAS ALLTAGSLEBEN IM
ISLAM
PROF. DR. MUHAMMMAD HAMIDULLAH
Titel der französischen Originalausgabe: Initiation à l’Islam Paris, 1963 Titel der deutschen Übersetzung: Der Islam – Geschichte, Religion, Kultur Genf, 1973
Herausgegeben von:
K‹TAP KULÜBÜ Merheimer Str. 229, D-50733 KÖLN, DEUTSCHLAND www.kitap-kulubu.de • E-Mail:
[email protected] Tel: +49 / 221 / 73 90 441 • Fax: +49 / 221 / 72 30 61
HAMIDULLAH-REIHE BAND: 4
Das Alltagsleben im Islam
Muhammad Hamidullah
Vorwort
Einleitung
Am 19. Dezember 2002 verstarb mit Prof. Dr. Muhammad Hamidullah1 einer der bedeutendsten muslimischen Gelehrten Europas. Als Dozent an Hochschulen hat er weltweit hunderte Gelehrte ausgebildet und durch seine Werke über den Islam und den Gesandten Gottes (Friede sei mit ihm), die in vielen Sprachen vorliegen, zum besseren Verständnis des Islam und der Muslime beigetragen. Im Gedenken an Prof. Dr. Hamidullah und seine fruchtbare Arbeit, freuen wir uns, sein Werk „Der Islam – Geschichte, Religion, Kultur“, inzwischen ein Standardwerk über den Islam, in einer Neuauflage herausgeben zu können.
Das vorliegende Buch beinhaltet das Kapitel „Das alltägliche Leben eines Muslims“ von Prof. Dr. Muhammad Hamidullahs Werk „Der Islam – Geschichte, Religion, Kultur“, das ich überarbeiten durfte und welches in einer siebenteiligen Reihe herausgegeben wurde. Im diesem Werkes werden die Stationen des Lebens eines Muslims dargestellt und auf Gebote und Bräuche sowie deren Hintergrund eingegangen. Dabei wurden die einzelnen thematischen Abschnitte neu geordnet. Die Überarbeitung bestand darin, Bezug nehmend auf den französischen Originaltext und die vorhandene deutsche Übersetzung sprachliche und stilistische Mängel, die bei einer wortwörtlichen Übersetzung auftreten, weitestgehend zu beseitigen, ohne dabei die Eigenheit von Prof. Hamidullahs Text zu verändern. Die in Klammern eingefügten längeren Erläuterungen im Originaltext wurden als Anmerkungen an den Text angehängt. Ebenfalls als Anmerkungen wurden Erläuterungen und Hinweise, sowie Koranverse hinzugefügt, die auf Prof. Hamidullahs eigener Übersetzung und ergänzend Muhammad Rassouls „Al-Qur’ân alKarîm und seine ungefähre Bedeutung“ und Max Hennings „Der Koran“ basieren. Vorangestellt ist ebenfalls eine Transkriptionstabelle, die dem unerfahrenen Leser bei der Aussprache
Möge Allah seine Arbeit annehmen und ihm gegenüber barmherzig sein. Kitap Kulübü
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Das Alltagsleben im Islam
arabischstämmiger Begriffe behilflich sein soll, aber der Verständlichkeit halber weitestgehend keinen Unterschied zwischen ähnlich klingenden Buchstaben macht, von denen es im Arabischen mehrere gibt. Erfahrene Leser werden sich auch ohne diese Hilfe zurechtfinden. Der angehängte kurze Glossar soll eine weitere Stütze darstellen. Abschließend noch eine Bemerkung zu einer Eigenart des Verfassers: Muhammad Hamidullah hat all seine Werke der Übersichtlichkeit wegen grundsätzlich in Paragraphen und Abschnitte unterteilt. In der vorliegenden Auflage wurde die ursprüngliche Nummerierung nicht angegeben. Um jedoch dieses Prinzip Hamidullahs beizubehalten, wurden die Abschnitte von Anfang an durchnummeriert. Wir wünschen, dass das vorliegende Werk zum besseren Verständnis des Islams und der Muslime beitragen kann.
Transkriptionstabelle Lateinischer Arabischer Buchstabe Buchstabe
Beispiel(e)
Hinweis zur Aussprache
A ª
Allah, Îmân, Kûba
Die Betonung der Silben wird durch folgende Zeichen hervorgehoben: â, î, û
b
L
Bismillâh, Bakara
ch
d
Chajr, Chajbar
e ~ X
Duâ, Dschihâd
a, i, u
d dsch f ğ h j k
Ali Mete
l m n
Köln, August 2007
r
² ® ` Ç Ð ¶ º ¾ Â
wie Bach oder Nacht
Ard, Duhâ Dschanna, Dschuz Fâtiha, Fadschr
wie Dschungel
Ğafûr, Ğajb
ähnlich dem r in richtig (weiches Gaumen-r)
Hadsch, Halâl Hûrî, Hûd Bajtullah
wie Jahr oder Joghurt
Kalam, Koran Kalâm Lukmân, Lajl Muhammad, Munâfik
s
Æ i p x
Rasûl, Rûh Salâm, Sudschûd Sabr, Samad, Salâh
sch
t
Scharîa, Schirk Tawâf, Tawhîd Tûr, Tîn
th w
P ¢ T Ë
Hadîth
wie engl. „think“, „three“
Wahij, Wakîl
wie engl. „window“
z
g k
Zikr Zamzam, Zamân Zan
Das z wird wie das weiche s in Rasen oder Hase gesprochen, niemals wie das z in Zeichen.
t
¦
[6]
Alak, Âdijât
Nûh, Nikâh gerolltes Zungen-r wie Raspel, Rassel
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Das Alltagsleben im Islam
INHALT
Muhammad Hamidullah
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5 Transkriptionstabelle
............................
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DAS TÄGLICHE LEBEN EINES MUSLIMS Stationen des Lebens Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 Der Beginn des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 Heirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 Der Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15
GOTTESDIENSTE Die Pilgerfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 Die Verrichtung des Gebets . . . . . . . . . . . . . . . . .33 Einige Koranpassagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 Einzelne Besonderheiten im Gebet . . . . . . .46 Fehler während des Gebets . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 Das Totengebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51 Krankheit und Reise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 Gebetszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 Kurzer Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59
TAGTÄGLICHE GEWONHEITEN Allgemeine Gewohnheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 Nahrung und Trank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 Kleidung und Frisur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22
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Das Alltagsleben im Islam
DAS TÄGLICHE LEBEN EINES MUSLIMS Stationen des Lebens
Geburt
„Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Allah, und ich bezeuge, dass Muhammad der Diener und Gesandte Allahs ist.“
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1) In einer Religion, die nicht nur einer Rasse oder einem Lande vorbehalten ist, sondern die ganze Menschheit ansprechen will, gilt es zwei Formen der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft: die freiwillige Geburt oder die unabsichtliche Geburt. 2) Die freiwillige Geburt – oder Konver-sion – des Erwachsenen, der vollkommen Herr seiner Handlungen und frei in der Wahl ist, besteht hauptsächlich aus der „Erklärung des Mundes unter Zustimmung des Herzens“, von der der Gesandte Gottes spricht. Nachdem der Konvertit eine rituelle Ganzkörperwaschung (Ğusl) durchgeführt hat, um symbolisch den Körper vom „Schmutz der Unwissenheit” zu reinigen, spricht er vor zwei Zeugen die Formel:
„Aschhadu allâ ilâha illallâh. Wa aschhadu anna Muhammadun abduhû wa Rasûluh.“ „Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Allah, und ich bezeuge, dass Muhammad der Diener und Gesandte Allahs ist.“
3) Der Gesandte Gottes hatte die Gewohnheit, die Konvertiten nach ihrem Namen zu fragen. Wenn der Name mit dem Islam unvereinbar war, gab er der betreffenden Person einen neuen, passenden Namen. Dass jemand sich beispielsweise „Anbeter der Kâba“, „Sonnenanbeter“ oder „der Leichtlebige“ oder „der Irregeleitete“ nannte, duldete der Gesandte Gottes nicht. Heut-zutage wählen die Konvertiten im Allgemeinen einen arabischen Vornamen, weil das Arabische, die Muttersprache des Gesandten Gottes und seiner Frauen, die als „Mütter der Gläubigen“ bezeichnet werden, als geistige Muttersprache jedes Muslims, angesehen werden muss. 4) Aus diesem Grund muss jeder Muslim Arabisch – wenigsten das Alphabet – lernen, damit er den Koran im Original vortragen kann. Die Konvertiten haben von jeher dieser Verpflichtung eine so große Bedeutung beigemessen, dass sie sich der arabischen Schrift für ihre Landesprachen bedienten. Das gilt für das Persische, Türkische, Urdu, Malaiische, Paschtu und das Kurdisch. Es wird daher den Konvertiten empfohlen, sich zunächst mit der Aneignung der arabischen Schrift zu befassen, damit sie diese für ihre eigene Landessprache anwenden können, wenn sie mit Muslimen korrespondieren. Diese moralische Empfehlung hat einen sehr praktischen Zweck, denn die arabische Schrift ist mit ihrem Vokalzeichen bei weitem die genaueste Schrift der Welt, frei von jeder Doppelsinnigkeit, ganz abgesehen von ihrer ästhetischen Schönheit und Ornamentalisierung.2
Muhammad Hamidullah
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Das Alltagsleben im Islam
Der Beginn des Lebens 5) Wenn die Haare des Kindes zum ersten Mal rasiert oder geschnitten werden, wird das Gewicht des Haares den Armen entweder in Silber oder in bar gespendet. Wenn man die Mittel dazu hat, wird außerdem ein Schaf geopfert und Arme und Freunde damit gespeist. 6) Es gibt keine Altersgrenze für die Beschneidung der männlichen Kinder, aber sie wird frühzeitig durchgeführt. Bei erwachsenen Konvertiten wird sie nicht als unbedingt erforderlich angesehen. 7) Wenn das Kind alt genug ist, um zu lernen, was im Allgemeinen nach dem vollendeten vierten Lebensjahr der Fall ist, wird ein Familienfest veranstaltet, bei dem das Kind seine erste Lektion bekommt. Als gutes Vorzeichen trägt man ihm die fünf ersten Verse der 96. Sure des Korans vor, die dem des Lesens und Schreibens unkundigen Gesandten Gottes als die allerersten Verse geoffenbart worden sind. Das Kind wird aufgefordert, sie Wort für Wort zu wiederholen. Die Übersetzung lautet:
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„Bismillâhir rahmânir rahim. Ikra’ bismi rabbi kallazî chalak. Chalakal insâna min alak. Ikra’ wa rabbu kal akram. Allazî allama bil kalam. Allamal insâna mâlam ja’lam.” „Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen! Lies! Im Namen deines Herrn, Der erschuf – Erschuf den Menschen aus einem sich Anklammernden. Lies! Denn dein Herr ist gütig, Der durch die (Schreib-)Feder gelehrt hat Den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste.“ 8) Sobald das Kind genug Auffassungs-gabe hat, wird ihm beigebracht, wie das Gebet verrichtet wird, in dem man es nach und nach die gebräuchlichen Koranverse auswendig lernen lässt. Wenn es sieben Jahre alt ist, sind die Eltern verpflichtet, dass Kind am Gebet teilnehmen zu lassen und bei Nachlässigkeit zu bestrafen. 9) Wie das Gebet, so wird auch das Fasten zur Pflicht, sobald das Kind die Pubertät erreicht hat. In muslimischen Familien werden die Kinder schon vorher dazu erzogen. Es ist ein freudiges Ereignis und ein Fest, wenn die Kinder beiderlei Geschlechts zum ersten Mal fasten. Im Allgemeinen fängt das Kind im Alter von 12 Jahren an zu fasten: zuerst einen Tag, dann mehrere, und so immer mehr, so dass es im Laufe der folgenden Jahre bis zur Pubertät dann den ganzen Monat fasten kann.
Muhammad Hamidullah
Es ist ein freudiges Ereignis und ein Fest, wenn die Kinder beiderlei Geschlechts zum ersten Mal fasten.
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Das Alltagsleben im Islam
Ein Muslim darf nicht nur eine Muslima, sondern auch eine Jüdin oder eine Christin heiraten, nicht jedoch eine Heidin, eine Polytheistin oder eine Atheistin.
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Heirat
Der Tod
10) Ein Muslim darf nicht nur eine Muslima, sondern auch eine Jüdin oder eine Christin heiraten, nicht jedoch eine Heidin, eine Polytheistin oder eine Atheistin. Eine muslimische Frau darf nur einen Muslim heiraten. 11) Wenn ein schon verheirateter Mann konvertiert, dessen Frau Jüdin oder Christin ist und sie dem Beispiel ihres Mannes nicht folgen will, dann wird die Ehe davon nicht berührt. Wenn aber die Frau einer dem Muslim verbotenen Gruppe angehört und auf ihrem Irrglauben beharrt, muss das eheliche Leben sofort beendet werden. Der Frau wird dann eine angemessene Frist zur Überlegung zugestanden, an deren Ende die Scheidung steht. 12) Wenn eine schon verheiratete Frau den Islam annimmt, ihr Mann aber Nichtmuslim ist, muss das eheliche Leben unverzüglich aufhören. Der angemessenen Frist zur Überlegung, die dem Gatten zugestanden wird, folgt die Annullierung der Ehe.
13) Auf dem Totenbett versucht der Muslim die Worte des Glaubensbekenntnisses zu sprechen:
„Aschhadu allâ ilâha illallâh. Wa aschhadu anna Muhammadun abduhû wa Rasûluh.“ „Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Allah, und ich bezeuge, dass Muhammad der Diener und Gesandte Allahs ist.“ Die ihn umgebenden Gläubigen helfen ihm dabei, indem sie das Glaubensbekenntnis mit lauter Stimme sprechen, während er den Tod erwartet. 14) Wenn möglich, wird der Leib des Toten vor der Beerdigung gewaschen. Der Leichnam wird mit drei Stoffbahnen umhüllt, nachdem ihr vorher die gebrauchten Kleidungsstücke ausgezogen wurden. Bei der Waschung des Körpers wird zuerst Seifenwasser über den Körper gegossen, dann klares Wasser zur Entfernung der Seifenreste. Beim dritten Mal wird der ganze Körper mit Wasser übergossen, das mit Kampfer vermischt ist. Sollte die Waschung des Körpers nicht möglich sein, so genügt der Tajammum. Nach dem Einhüllen des Toten in die Leichentücher wird ein Totengottesdienst abgehalten. Dieses Totengebet kann irgendwo gehalten werden, auch wenn die Leiche an einem anderen Orte begraben wurde.
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n diesem Werk werden die Stationen des Lebens, angefangen von der Geburt bis zum Tod, eines Muslims dargestellt und auf Gebote wie die Pilgerfahrt und verschiedene Gebete sowie Bräuche und deren Hintergrund eingegangen.
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