7/2009
Florian Bergmann
Krisenherd Internet? Das Internet stellt die Unternehmenskommunikation vor neue Herausforderungen – „PR 2.0“ bietet aber auch viele Chancen
Wer sich heute vor einer über
Anschaffung ein
Produkt
informieren
will,
recherchiert zuerst im Internet. Ebenso sind Google,
Spiegel
Online und Co. die erste Adresse für aktuelle Nachrichten. Im heutigen „Web
2.0“
können
Verbraucher,
Verbraucherschutzorganisationen,
Wettbewerber oder ehemalige Mitarbeiter selbst so schnell und unkontrolliert wie nie eine enorm breite Öffentlichkeit erreichen – unabhängig von Zeitung, Radio und Fernsehen.
Internetnutzer prägen das Unternehmensimage
In so genannten „Social Medias“ wie YouTube, Flickr, Facebook oder Ciao werden Meinungen, Eindrücke, Erfahrungen oder Videos und Fotos ausgetauscht und Kontakte gepflegt; zu jedem erdenklichen Thema gibt es Internet-Tagebücher (Blogs) und immer mehr Menschen halten die Webgemeinde mit kurzen Statusmeldungen über Twitter auf dem Laufenden. Emotionale Produktbewertungen, Kundenfeedbacks oder Arbeitgeberbeschreibungen können sich durch den Netzwerkeffekt und Verlinkungen rasch verbreiten und bleiben damit im Gegensatz zu Zeitungsartikeln oder Rundfunkbeiträgen auf viel längere Zeit und prinzipiell für jedermann zugänglich. Marken, Produkte und ganze
Unternehmen werden leichter und rascher angreifbar. Unter Zeitdruck stehende Journalisten recherchieren immer öfter bei Wikipedia und suchen in Foren nach enttäuschten Verbrauchern oder ehemaligen Beschäftigten.
Keine Angst vor Kontrollverlust
So wie es für junge Menschen selbstverständlich geworden ist, sich im Internet
zu
bewegen,
müssen
auch
Unternehmen
und
Öffentlichkeitsarbeiter umdenken. Dies beginnt mit einer grundlegenden Akzeptanz der neuen Öffentlichkeit – denn aufhalten lässt sie sich längst nicht mehr. Die Möglichkeit einer direkten Einflussnahme auf die Inhalte von Zeitungsartikeln, Radio- oder TV-Beiträgen hat es nie gegeben – im Internet ist dies nicht anders. Furcht vor Kontrollverlust relativiert sich also. Das Entscheidende bleibt auch im Internetzeitalter: Aktive, eigene Kommunikation. Online-Werbung und Suchmaschinenoptimierung sind nämlich nur die eine Seite der Medaille. Wenn Unternehmen sich offen für
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den Dialog zeigen und Transparenz auch digital leben, wird dies im World Wide Web honoriert und ist zugleich die beste Prävention gegen unkontrollierbare Lauffeuer.
Konstruktivität statt Aggressivität
Immer noch mehr als 80 Prozent der Mittelständler interessieren sich nicht für die Kommunikations-Möglichkeiten, die das Internet heute bietet. Wie ein Unternehmen und seine Mitarbeiter im Netz auftreten, bestimmt aber den digitalen Ruf entscheidend mit. Wichtige Voraussetzung ist die systematische Beobachtung von Themen und Tendenzen in der OnlineWelt, damit im Bedarfsfall mit authentischer Kommunikation reagiert und eine gute Reputation aufgebaut werden kann. Positive Nebeneffekte: Loyalere Kunden, enger gebundene Mitarbeiter, stärker am Markt orientierte Produkte und ein gutes Image bei potenziellen Bewerbern. Wenn es um Aktivität im Netz geht, ist damit aber nicht die Manipulation von Blogeinträgen oder die Androhung juristischer Schritte in OnlineDiskussionen gemeint; vielmehr sollte auf einen konstruktiven Dialog mit allen Anspruchsgruppen Wert gelegt und auf eine Erhöhung der eigenen Online-Präsenz mit nachhaltig positiven Botschaften durch „branded content“ gesetzt werden. Dazu zählen zum Beispiel eigene Videos, Fotos, Präsentationen und Profile, die auf den entsprechenden Social MediaDiensten
eingestellt
werden,
eigene
Blogs
und
„Social
Media
Newsrooms“.
Das heutige Internet ist kein anarchisches „Mitmachnetz“ und viel mehr als ein potenzieller Krisenherd – die neuartige Chance zur Kommunikation in beide Richtungen sollte genutzt werden.
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Florian Bergmann, M.A., ist Berater bei der Engel & Zimmermann AG in Gauting bei München, einer der führenden Agenturen für Wirtschafts- und Krisenkommunikation.
Mehr Text-, Bild- und Videomaterial zum Thema Krisenkommunikation im Social Media Newsroom „Krise & Kommunikation“: http://krisenkommunikation.engel-zimmermann.de
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