Don't Fear The Reaper

  • April 2020
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  • Words: 26,155
  • Pages: 40
Don’t fear the Reaper Von Colonel Eric van Helsing Chapter One

Mein Name ist Eric van Helsing. Nicht, daß ich unter diesem Namen geboren worden wäre, aber manchmal ist man gezwungen, seine gesamte Identität zu wechseln. Und da meine Profession nicht nur Beruf , sondern auch Berufung ist , war es irgendwann an der Zeit , sich nach einem neuen , unbekannten Namen umzusehen , wenn ich nicht irgendwann mit dem Gesicht nach unten im Seattler Hafenbecken treiben wollte. Also wurde ich mit der Hilfe einiger guter Freunde und einer Menge Geld (und ich meine WIRKLICH eine Menge) ein „neuer Mensch“. Denn ich bin ein Shadowrunner , etwas , daß bei den Einen ein wohliges Schauern auslöst , wenn er abends in seiner Kon-Wohnung vor dem Trid sitzt und sich das „wahre Leben eines real existierenden Shadowrunners“ ansieht , und bei den Anderen eine Art von fast schon surrealem Hass , der vielleicht aus „Gesetzestreue“ oder vielleicht sogar etwas Neid resultiert , denn wenn MIR etwas nicht gefällt , rufe ich ein paar gute Freunde , stelle ein kleines , aber äußerst schlagkräftiges Team zusammen und ändere es. Das klingt zwar sehr pathetisch, trifft aber haargenau den Kern der Sache. Ich wurde am 03.12.2023 in Seattle geboren. Mein Vater war ein ruhiger Mann, ein ehemaliger Soldat, der nach 25 Dienstjahren im Range eines Master Gunnery Sergeant seinen Dienst quittierte, um mit meiner Mutter einen ruhigen Lebensabend zu verbringen. Seine Pension als hochdekorierter Veteran und eine kleine Erbschaft meiner Mutter erlaubten es meinen Eltern, meine Bildung zu forcieren. Sie ermöglichten es mir, eine kleine, aber sehr gediegene Privatschule zu besuchen. Während der Semester wohnte ich auf dem Campus, die Ferien verbrachte ich mit meinen Eltern im Wohnmobil „on the Road“. Als ich 16 wurde, wollte ich in den Semesterferien unbedingt jobben, um endlich „eigenes Geld“ zu verdienen. Meine Eltern gestatteten es ohne längere Diskussionen, da sie es als Schritt zum Erwachsenwerden sehr begrüßten. Also suchte ich mir einen Job im StufferShack an der nächsten Ecke und freute mich wie ein König. Alles schien in bester Ordnung, Feierabend, ab unter die Dusche und Party mit ein paar Freunden. Als es klingelte, dachte ich an Derek, einen 15-jährigen, bulligen Ork, mit dem mich eine langjährige Freundschaft verband. Er war wohl einer der pünktlichsten Leute, die ich je kennengelernt habe. Er kam prinzipiell immer 10-15 Minuten vor der verabredeten Zeit, denn „Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige“, wie Derek immer zu sagen pflegte. Also hetzte ich zu Tür, riss sie auf und wollte Derek in die Wohnung zerren, wie wir es immer taten, wenn wir uns gegenseitig besuchten. Ich riss also die Tür auf und …. prallte auf einen ca. 1.95 m großen, schlanken Mann, der mir eine Polizeimarke entgegenhielt, die ihn als Detective Sergeant Andrew Wilder auswies. „Mr. Manson“, „Mr. Tharc Manson“ fragte er, und plötzlich hatte ich das Gefühl, daß irgendetwas grundsätzlich nicht in Ordnung war. Ich bejahte vorsichtig, denn ich konnte mir den Zweck seins Hierseins absolut nicht erklären. Klar trieben wir in der studienfreien Zeit allen möglichen Unsinn, aber wir waren dabei doch sehr bemüht, den Sicherheitsorganen

keinen Grund zu geben, uns ihre Aufmerksamkeit zu widmen. „Es gab einen Zwischenfall auf der Interstate 74“ begann er vorsichtig. Ich hatte keine Vorstellung, worauf er hinaus wollte. „Ihre Eltern sind von einer Go-Gang belästigt worden, als sie in der Nähe von Barstow tanken wollten. Ihr Vater wollte Ärger vermeiden und fuhr schnellstens wieder ab, aber die Ganger wollten wohl unbedingt „die Sache klären“, so ein Zeuge. Sie verfolgten Ihre Eltern bis zur ehemaligen Abfahrt auf die Route 81, dort drängten sie sie von der Strasse und wollten das Wohnmobil wohl plündern oder stehlen. Es kam zu einem Feuergefecht, bei dem Ihre Eltern beide ums Leben kamen“, fuhr er mit gesenktem Blick leise fort, und trotzdem hatte ich das Gefühl, seine Worte würden in meinen Ohren donnern wie die Niagarafälle. Immer wieder hörte ich es, ….ums Leben kamen, ums Leben kamen, ums Leben kamen….Ich weiß nicht, wie lange wir wortlos da saßen, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. „Wären Sie bereit, sie zu identifizieren?“ fragte er irgendwann leise. Ich nickte nur, denn meine Kehle war wie zugeschnürt. Die nächsten Stunden erlebte ich nur noch wie in Trance, ich erinnere mich kaum noch an die Fahrt, die wir wortlos verbrachten. Irgendwann kamen wir in einer Kleinstadt an, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere. Wie ferngesteuert folgte ich Detective Sergeant Wilder in die untere Etage des Gebäudes, in der die Toten „gelagert“ wurden. Der Doc, ein freundlicher, älterer Mann mit traurigen Augen sah mich lange an. „Es tut mir sehr leid, sie unter diesen Umständen kennen zu lernen.“ Sagte er mit einer leisen, dunklen, unendlich müden Stimme. “ Ich habe einige Jahre unter Ihrem Vater gedient und ihn dabei als loyalen, gerechten Vorgesetzten und guten Freund schätzen gelernt. Er war ein guter Mann, der ein solches Ende nicht verdient hat. Eine Menge Leute hier verdanken ihm ihr Leben, denn allein aus unserem Departement haben ein gutes Dutzend Männer mit ihm zusammen gedient. Sie haben geschworen, diese Bande zu jagen und zur Strecke zu bringen, wie lange es auch dauern mag. Das sind wir ihm schuldig.“ Er machte eine kurze Pause, als suchte er die richtige Formulierung. „Sind Sie sicher, daß Sie die Identifizierung selbst vornehmen wollen? Es ist kein schöner Anblick, also wenn Sie Ihre Eltern so in Erinnerung behalten wollen, wie Sie sie kannten, können wir auch die entsprechenden Akten anfordern. Es wäre kein Problem.“ „Nein“, sagte ich „ich will sie sehen. Ich werde damit fertig.“ „Gut, dann lassen Sie uns beginnen.“, antwortete er. Er ging zu den Kühlfächern und öffnete 2 nebeneinander liegende Boxen. Er zog die Bahren heraus, und ich sah 2 Körper, die von weißen Laken bedeckt waren. Er zog nacheinander die Laken zurück, so daß ich die Gesichter meiner Eltern sehen konnte. Ich kann nicht mehr sagen, was ich erwartet hatte, aber irgendwie beruhigte mich der entspannte Ausdruck auf ihren Gesichtern. Ich wollte das Laken, das den Körper meines Vaters bedeckte, etwas herunterziehen, als der Doc meine Hand festhielt. , Tun Sie das nicht“, sagte er leise, ,,es ist kein schöner Anblick.“ Ich schüttelte nur wortlos den Kopf und zog das Laken bis seinen Hüften herunter. Ich habe nicht gezählt, aber es müssen an die 12 Einschüsse gewesen sein, die ich dort sah. Irgendwie schien die Zeit um mich herum stillzustehen, ich nahm alles wie in Zeitlupe, mit grauenvoller Detailgetreuheit wahr. Plötzlich hörte ich aus dem Hintergrund 2 Stimmen, die langsam näher kamen. , Der alte Haudegen hat es ihnen nicht leicht gemacht, wir haben um die Leichen herum mehrere Hundert Patronenhülsen gefunden. Die beiden haben gekämpft wie wilde Tiere, die ihre Jungen verteidigen. Und die Lady hat an seiner Seite gekämpft. Sie muß zuerst gefallen sein, denn wir fanden seinen Körper über ihr liegend. Er hat noch im Tod versucht, seine Frau mit seinem Körper zu schützen. Gottverdammt, der Gunny war ein zäher Kerl, wir haben 27

Einschüsse an seinem Körper gezählt. Keiner davon war tödlich, was ihn umgebracht hat, war letztlich der immense Blutverlust. Aber die Typen haben auch ihren Preis gezahlt. Oben am Türrahmen und an der Decke klebte noch Gehirnmasse, er hat noch im Sterben den Kopf des ersten, der durch die Tür kam, im einen blutigen Fleck an der Wand verwandelt. Eines ist sicher, wohin auch immer die Typen sich verkrochen haben, wir werden sie finden und sie werden einen hohen Preis dafür zahlen.“ Die Stimmen entfernten sich langsam, und als ich wieder aufsah, sah ich im Gesicht des Docs einen Ausdruck von stiller Verzweiflung. , Es tut mir leid, das sollten Sie so nie erfahren.“ Ich konnte nur noch nicken, meine Stimme schien nicht mehr unter meiner Kontrolle zu stehen. Ich habe keine genauen Erinnerungen mehr an die folgenden Stunden, Tage und Wochen. Ich erlebte alles um mich herum wie in Trance, die Zeit schien stillzustehen. Ich erledigte die Dinge, die erledigt werden mussten, die Überführung, die Beerdigung. Und immer wieder hörte ich die Stimme aus dem Gang im Polizeirevier. Die folgenden Monate waren ein nicht enden wollender Wechsel aus Phasen der Lethargie und geradezu hektischer Betriebsamkeit. Ich suchte Vergessen in billigem Synthalkohol und Drogen, bis Derek, der die ganze Zeit ab meiner Seite blieb, die Initiative ergriff und mich im Laufe einer Diskussion windelweich prügelte. Er packte mich an der Kehle, hob mich hoch wie eine Strohpuppe, schüttelte mich und brüllte mich an: ,,Komm’ endlich zu Dir, verdammter Drek. Glaubst Du, Deine Eltern hätten DAS gewollt??? In dieser Nacht bezog ich die Abreibung meines Lebens, aber irgendwie schien Derek damit intuitiv genau den richtigen Knopf gedrückt zu haben.In den folgenden Tagen und Wochen machte er sich daran, mich kontinuierlich zu entgiften und wieder aufzubauen. Er kaufte alles ein, was man für eine längere Sitzung so brauchte, und was er nicht kaufen konnte, klaute er kurzerhand. Dann sperrte er uns zusammen in meiner Wohnung ein und ließ mich keinen Moment mehr aus den Augen. Ich bekam in dieser Zeit noch mehrmals ausgiebig Prügel von Ihm, wenn ich wieder mal in ein emotionales Loch fiel und den Sinn der ganzen Sache im Allgemeinen und meiner Existenz im Besonderen in Frage stellte. Derek war bestimmt kein großer Psychologe, aber auf irgendeine Art schien er zu spüren, wie er die Sache handhaben musste, wenn er Erfolge erzielen wollte. Und gottverdammt, er behielt Recht. Nach fast 2 Monaten war ich zumindest physisch wieder soweit, daß ich wieder in ein normales Leben zurück fand. Ich kümmerte mich um den Nachlass meiner Eltern und fand dabei heraus, daß die beiden jeden Nuyen, der übrig war, angelegt hatten. Daraus resultierte eine erhebliche Summe, die mir nun zur Verfügung stand. Was sollte ich also tun? Dem gesunden Menschenverstand folgen, Ausbildung, Beruf, Kon-Sklave? Oder sollte ich tun, wonach alles in mir gierte, RACHE??? Die Entscheidung fiel mir nicht allzu schwer. Also begann ich systematisch mit der Aufrüstung. Dereks Vater, der mir in dieser Zeit immer wieder eine große Hilfe gewesen war, kannte die richtigen Leute. Da diese Leute ihm noch etwas schuldeten, konnte er für mich wirklich gute Preise bei allem, was ich brauchte, herausschlagen. Ein befreundeter Straßen-Doc begann mich langsam und gezielt nach meinen Vorstellungen zu vercybern. Einziehbare Nagelmesser, ebensolche Sporne, Verbesserungen für Augen und Ohren, Kunstmuskeln, SmartLink, und einige andere, sinnvolle Dinge wurden mir in einer MarathonOperation implantiert. Nachdem ich die gesamte Prozedur gut überstanden hatte, begann ich, nach meinem Körper auch meinen Geist zu trainieren. Ich fand Lehrer, die mich alles lehrten, was man zum Überleben im den Schatten brauchte, denn zu diesem Zeitpunkt stand für mich endgültig fest, daß mich der Weg, den ich beschreiten wollte zwangläufig an den Rand der Legalität oder darüber hinaus führen würde. Ich erlernte den Kampf ohne Waffen, den Ungang mit Klingen und Feuerwaffen, Basiswissen über Computer, Elektronik und die Gebräuche, die auf der Straße und in den Schatten überlebenswichtig waren. Ich lernte Autos und Motorräder zu fahren, Leute unbemerkt zu observieren und mich selbst einer Observation zu entziehen. Ein Schieber, den ich in dieser Zeit kennen lernte, verschaffte mir zu äußerst günstigen Konditionen

alles, was mir jetzt noch fehlte: Waffen, Munition und Ausrüstung. Da mein Vater, wie gesagt beim Militär war, hatte ich von frühester Kindheit an Erfahrungen im Umgang mit Feuerwaffen gesammelt und wusste genau, was ich für meinen Rachefeldzug brauchte. Ich erwarb eine Ingram SmartGun, eine Franchi SPAS 12, eine .475 Wildey Magnum und ausreichend Ammo, um einem kleinen Land den Krieg zu erklären. Ich verkaufte die Wohnung, nahm mir ein kleines, günstig gelegenes Apartment in Auburn, stattete es nach meinen Vorstellungen aus, und begann meinen Weg in die Schatten.

Chapter Two

Nachdem nun alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, war es nun an der Zeit, sich einen Namen auszusuchen, unter dem ich zukünftig in den Schatten agieren wollte. Nach kurzer Überlegung fiel meine Wahl auf “Reaper“, denn wie der Schnitter mit seiner Sense würde ich unter meine Gegner fahren und mir meinen Weg durch sie schneiden. Mein Schieber vermittelte mir meine ersten Jobs in den Schatten, kleine Sachen, Kurierdienste, Observationen und ähnliches. Ich machte meine Sache erstaunlich gut, schien alles Wissen und Wissenswerte wie ein Schwamm aufzusaugen. Meine Auftraggeber waren zufrieden, denn ich schien auf irgendeine Art und Weise auch ihre unausgesprochenen Wünsche und Vorstellungen betreffs meines Modus Operandi zu erahnen. Wollten Sie es leise und unauffällig kam und ging ich wie ein Schatten in der Nacht, wollten sie, daß die Botschaft eindeutig war, hinterließ ich eine breite Spur verbrannter Erde. Dadurch schuf ich mir in kurzer Zeit einen achtbaren Ruf als zuverlässiger, unbedingt loyaler “ Vertragspartner“. Aber bei allen Aufträgen achtete ich strengstens darauf, nie verwertbare Spuren zu hinterlassen, die zu mir oder meinen Auftraggebern führten. So führte ich also ein nach außen unauffälliges Leben, wurde aber im Laufe der Zeit in den Schatten eine bekannte, und was viel wichtiger war, anerkannte Figur. Eines schönen Tages, ich hatte gerade keinen Auftrag am Laufen, ging ich nach langer Zeit wieder mal unter Menschen. Ich hatte vor längerer Zeit schon von einer Runnerkneipe in Puyallup gehört, dem “Rose Tattoo“. Dort trafen sich anscheinend alle möglichen verkrachten Existenzen, die demselben Gewerbe nachgingen wie ich. Also augenscheinlich genau der richtige Ort, um seinen Horizont zu erweitern. Der Laden erfüllte genau die Erwartungen, die ich in ihn gesetzt hatte. Eine mittelgroße, total verräucherte Location, recht übersichtlich gebaut, mit gemischtem Publikum. Dort traf sich offensichtlich alles, was in irgendeiner Form mit den Schatten zu tun hatte. Ohne Ansehen der Rasse und des Geschlechts wurde hier dezent gehandelt, geschachert und gefeilscht. Hmm, interessant. Hier sollte ich vielleicht öfter vorbeischauen. Ich suchte mir also einen Tisch, der mir einen guten Überblick über den ganzen Laden bot, und setzte mich, natürlich mit dem Rücken zur Wand (verdammte Runner-Paranoia). Nachdem ich mir einen kurzen Überblick verschafft hatte, marschierte ich zur Bar. Ein bulliger, ca. 1,90 m großer Mann, offensichtlich der “Barkeeper“, sah mich an, grinste breit und sagte: „Oh, ein neues Gesicht. Willkommen im “Rose Tattoo“, Fremder. Was darf’s denn sein? Ich machte den großen Fehler, ein Bier zu verlangen. Jetzt folgte eine kurze Einweisung in das Biersortiment, Lager, Stout, Helles, Dunkles, Weizen, Bock, Soy oder Real, und so weiter. Keine Ahnung, wie lange das ganze Procedere dauerte, irgendwann verstummte er und sah mich fragend an. „OK, ein großes, dunkles Bock, real, hätte ich gern“

beschied ich ihn. „Aber sofort, eine gute Wahl, das Fass ist gerade frisch angezapft“, sagte er und grinste von einem Ohr zum anderen. Ich nickte ihm zu, schnappte mein Glas und begab mich zurück zu meinem Tisch. Das Bock war wirklich gut, leicht gekühlt und angenehm würzig im Geschmack. Ich zündete mir eine Zigarette an und genoss es einfach, wieder mal unter Menschen zu sein, denn mein Job hatte mich in letzter Zeit sehr in Anspruch genommen, so daß ich kaum mal zwischen den einzelnen Aufträgen aus dem Haus kam. Ca. eine halbe Stunde später, ich trank gerade genüsslich mein 2. Bier, öffnete sich die Tür und 2 Typen betraten den Raum. Ein Mensch, um die 2m groß, in einem seltsamen Panzer, der die Brust, den Hals und teilweise den Kopf wie eine Teilmaske umschloss, so daß oben ein dichter Busch rötlicher Haare herausschaute. Der andere, ein Elf, schien in einer Art schwarzer Nebelwolke über dem Boden zu schweben, so daß seine Größe schwer bestimmbar war. Ich schätzte ihn auf ca. 1,90 m. Das Auffälligste an ihm waren die rotglühenden Schlangeaugen, die aus dem blassen Gesicht hervorstachen. Die beiden sahen sich kurz im Laden um, gingen zur Bar, begrüßten den Keeper, der beide augenscheinlich kannte und orderten offensichtlich Stout. Dann machten sie kehrt und wandten sich meinem Tisch zu. „Darf man Platz nehmen“? fragte der Elf und wies mit dem Kopf auf die 2 freien Stühle, die mir gegenüber standen. Ich nickte und machte eine einladende Geste. „Nur zu.“ Die beiden setzten sich nebeneinander, dicht genug, um sich problermlos leise verständigen zu können, weit genug voneinander entfernt, um sich im Notfall nicht gegenseitig zu behindern. Allem Anschein nach waren sie Profis, die wussten, was sie taten. Im Laufe der Zeit kamen wir langsam ins Gespräch, über belanglose Dinge, das Wetter, das Leben, den Sprawl, usw. Langsam manifestierte sich in mir die Feststellung, daß der Elf ein ziemlich bornierter Vogel war. Offensichtlich hörte er sich gern reden und feierte sich auch gern mal selbst. So tippte mir mitten im Gespräch jemand zu meiner größten Überraschung von hinten auf die Schulter und als ich herumfuhr, sah ich hinter mir nur die Wand. Als ich mich wieder den Beiden zuwandte, grinste mich der Pixie blöd an. „So ein Drek“, dachte ich, „kann der Freak seine magischen Spielchen nicht woanders treiben“? Mein Gesicht hatte sich wohl ziemlich verfinstert, so daß der Pixie entschuldigend lächelte. „Hey, war doch nur ‘n Reaktionstest“. Meine Antwort fiel wohl etwas schärfer aus als erwartet. „Mit solchen Spielereien wäre ich bei Unbekannten etwas vorsichtiger, es sind schon Leute für weniger gestorben“. In diesem Moment sprach der andere zum ersten Mal: „Entschuldigen Sie, wir sind immer auf der Suche nach neuen Talenten, und wir wissen gern, ob die Leute, die uns ins Auge fallen, die Mühe wert sind, was ihr Reaktionsvermögen und ihre Fähigkeiten betrifft. Sie haben gute Reflexe und neigen nicht zu Überreaktionen. Vielleicht hätten wir einen Job für Sie, falls Sie Interesse haben und verfügbar sind. Plötzlich hörte ich aus dem Hintergrund ein surrendes Geräusch, und ein schweres Wurfmesser bohrte sich mit einem harten Schlag genau mittig zwischen uns bis zum Heft in die massive, hölzerne Tischplatte. Meine Rechte war im Moment des Einschlages unter der langen, schwarzen Duster gezuckt, wo in einem Tarnholster die .475 Wildey Mag steckte. Die ganze Aktion war zwar nicht unbemerkt geblieben, da aber niemand reagierte, und auch keine weiteren Objekte geflogen kamen, legte ich meine Hand langsam wieder auf den Tisch und schaute mich nach dem “edlen Spender“ um. Zwischen meinen beiden Gesprächspartnern hindurch konnte ich an einem Tisch, der ca. 5 m von uns entfernt stand, einen Mann unbestimmbaren Alters sehen, ca. 1,75 m groß muskelbepackt, kurze schwarze Haare, schwarze Lederweste, Tattoos auf beiden Armen, sehr interessante Tribals. Er lächelte etwas verlegen, wie mir in diesem Moment schien und sah uns einfach nur an. Offensichtlich war ihm nur daran gelegen, unsere Aufmerksamkeit zu erringen. Der Blumenfresser packte das Messer am Griff und wollte es aus der Tischplatte ziehen, versagte aber jämmerlich, denn die breite, schwere Klinge bewegte sich keinen Millimeter. Konsterniert gab er sein fruchtloses Unterfangen auf und wandte

sich seinem Nachbarn zu. „Gut“, dachte ich, „mein Zug“. Ich packte den Griff und zog die Waffe gleichmäßig, mit einer für meinen Gegenüber wahrscheinlich fast beleidigenden Leichtigkeit aus dem Tisch. Soviel also dazu. Magie ist Macht, und keine Magie macht offensichtlich auch nichts. „Sie entschuldigen mich“, wandte ich mich an die Beiden. Sie nickten kurz, ich stand auf und ging zu dem Besitzer der Klinge herüber. Ich blieb einen knappen halben Meter vor dem Tisch stehen. Warf das Messer mit einer Bewegung aus dem Handgelenk hoch und fing es an der Klinge wieder auf. Dann reichte ich es, den Griff voran über den Tisch. „Ich glaube, das gehört Ihnen. Eine gute Klinge, hervorragend ausbalanciert und sowohl zum Werfen als auch im CQC (Close Quarter Combat – Nahkampf) zu gebrauchen“, dozierte ich. Er lächelte, nickte wortlos und ließ die Klinge in einer fließenden Bewegung hinter seinem Rücken verschwinden. Ich nickte ihm zu, „vielleicht trifft man sich wieder“, machte kehrt und wollte zurück zu meinem Tisch. Nach einem Schritt verharrte ich, griff in meine Westentasche, in der ein Tarot-Kartenspiel steckte. Die Besonderheit dieses Blattes war, daß die Karten aus Titan gefertigt waren und sich mit ihren geschärften Kanten als eine stellenweise ziemlich üble Überraschung im Kampf eigneten. Ich zog blind eine Karte heraus und ließ sie mit einer eleganten Bewegung aus dem Handgelenk direkt vor ihm, das Bild nach oben und ihm zugewandt, auf dem Tisch landen. Überraschung, der Tod. Er sah die Karte einen Moment lang an, lächelte hintergründig und steckte sie dann in seine Westentasche. Ich nickte ihm nochmals zu und machte kehrt, als ich eine leise, dunkle, etwas raue Stimme hinter mir hörte: „Bis wir uns wieder sehen“. Ich wandte im Gehen den Kopf und antwortete ebenso leise: „So soll es sein“. Dann ging ich zurück zu meinem Tisch und setzte mich wieder. Die Beiden die offenbar das Geschehen mit Interesse verfolgt hatten, wandten sich wieder mir zu. „Um zum Thema zurückzukommen“, sagte der Größere, „wenn sie Interesse haben und verfügbar sind, würden wir Ihnen gern einen Job anbieten“. Aus sicher jedem verständlichen Gründen möchte ich nicht näher auf Details eingehen, ich möchte nur soviel dazu sagen, daß der Job zwar nicht allzu einfach war, sich aber letzten Endes doch sehr bezahlt machte (wenn auch in seiner gesamten Tragweite erst nach ca. 5 Jahren, aber dazu später.). Die einzig nennenswerte Schwierigkeit ergab sich aus dem Zusammentreffen mit einer Gruppe Street-Punks, die aus irgendeinem Grund der Meinung waren, von mir Geld, Waffen und Ausrüstung einfordern zu können. Offenbar reichte die Kombination aus einem Kanister SynthFusel und einer 5 zu 1-Überlegenheit aus, ihre Hemmschwelle soweit zu senken, daß sie glaubten Ansprüche geltend machen zu können. Also sprang ich auf den mit dem größten Maul zu, riss meine rechte Faust zu einem mörderischen Aufwärtshaken hoch (was bei einer lichten Höhe von 1,90 m in Verbindung mit einem Gewicht von ca. 110 kg ja nicht besonders schwer ist, wenn man die dürren Gestalten meiner “Gegner“ in Betracht zieht), und fuhr in der Bewegung die Sporne aus. Ich traf ihm mit solch immenser Wucht, daß sich die Klingen durch seinen Unterkiefer bohrten, ungebremst seinen Schädel durchquerten und aus der Schädeldecke wieder austraten. Der Schwung der Bewegung war groß genug, um ihn vom Boden zu reißen und etwa 30 cm in Luft zu heben. Ich führte die Bewegung zu Ende und schleuderte den zuckenden Kadaver seinen Chummers entgegen. Er riss 2 von ihnen zu Boden, die aber erstaunlich schnell wieder hochkamen. Nun stellte sich bloß noch die Frage, wie es jetzt weitergehen sollte. In solchen Situationen gibt es nur 2 Varianten, entweder ernüchtert sie das plötzliche, ungeplante Dahinscheiden ihres Oberhauptes so sehr, daß sie Fersengeld geben oder man sieht sich mit einer tobenden, nach Rache schreienden Meute gegenüber. So war es auch hier, da ihre Loyalität offenbar wesentlich weiter reichte als ihr gesunder Menschenverstand. Also entspann sich ein kurzes, aber heftiges Gefecht auf engstem Raum, nach dessen abruptem Ende ich ein paar Löcher in meiner Ausrüstung hatte und die Jungs ein paar Löcher in ihren Köpfen. Hmm, wer da wohl besser abgeschnitten hat? Da es mir schon immer zutiefst widerstrebte, Ressourcen zu verschwenden, unterzog ich die Leichen einer gründlichen Untersuchung (besonders ihre

Taschen) und fand so allerhand Nützliches. Ein paar Messer, ein paar Streetline Specials, Drogen, Geld und einen Klumpen undefinierbare Materie, von der mir lange Zeit niemand sagen konnte, was es eigentlich ist, so daß er für lange Zeit in den Tiefen meiner Feldkiste verschwand. Wie Eingangs schon erwähnt, brachte ich meinen Auftrag erfolgreich zu Ende, sehr zur Zufriedenheit meiner Auftraggeber. Mein Salär reinvestierte ich sofort in mehr und bessere Cyber- und Bioware, Verbesserungen für meine Waffen und last not least in meine Fortbildung. Ich verbesserte meine Skills und lernte neue Dinge, die mir bei meinem Job sowohl sinnvoll als auch hilfreich erschienen. Zudem hatte ich vor einiger Zeit einen guten, gebrauchten Van erstanden, in den ich auch noch diverse Nuyen investierte. Zu guter letzt hatte ich vor einiger Zeit eine gefälschte ID erworben. Zwar hatte mich diese Transaktion reichlich Geld gekostet, aber ich lebte lieber einige Zeit etwas sparsamer, als im entscheidenden Moment mit heruntergelassenen Hosen erwischt zu werden. Letzten Endes hat sich diese Investition aber sehr schnell bezahlt gemacht, denn seitdem habe ich nie wieder Probleme bei Kontrollen durch den Star oder andere “Gesetzeshüter“ gehabt. Zudem füllte sich mein Credstick relativ schnell wieder auf, denn hat man sich erstmal einen halbwegs anständigen Ruf erworben, kommen die Aufträge wesentlich häufiger und werden auf jeden Fall auch lukrativer. Zudem brachte mir die Verbindung zu Gambit (dem Menschen) und Snake-Eye (dem Elfen) zusätzliche, recht einträgliche Jobs, da die Beiden eine Größe waren, von der auch ich schon gehört hatte. Und zu ihrem Team zu gehören, schadete der Reputation auch nicht gerade. Schließlich bildeten wir ein loses Team, in dem jeder nach wie vor seine eigenen Jobs erledigte, das aber auch als Verband äußerst erfolgreich agierte. Aber bei allen Jobs verlor ich nie mein eigentliches Ziel aus den Augen, die Gang zu finden und zu eliminieren, die meine Eltern auf dem Gewissen hatte. Ich hatte bis dato zumindest in Erfahrung bringen können, daß es sich um eine Troll-Gang handelte, die aber bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt war. Irgendwie hatte sich (wahrscheinlich daraus resultierend) in mir ein tief verwurzelter Hass gegen Trolle manifestiert. Ich hatte zwar immer wieder bei verschiedenen Aufträgen auch Trolle im Team, behielt sie aber immer im Auge, bereit, sie beim ersten Anzeichen von Problemen zu liquidieren. Ansonsten war ich mittlerweile Profi genug, meine Aversion gegen Trolle meiner Unwelt gegenüber zu verbergen. Das ging nur MICH an, alles andere wäre zutiefst unprofessionell und ich hatte nicht vor, aus persönlichen Antipathien heraus das Team oder den Job zu gefährden.

Chapter Three

Donnerstag, 18. September 2042. Endlich, ein neuer Auftrag, wurde auch Zeit. Nicht, daß ich etwas gegen ein wenig Ruhe hätte, aber das Leben ist teuer. Ich nenne inzwischen eine Mittelklasse-Wohnung in einem der etwas ruhigeren Teile von Auburn mein Eigen und habe mir einen halbwegs vernünftigen Lebensstandard erarbeitet, der natürlich erhalten bleiben will. Und die Tech, mit der ich die Wohnung abgesichert habe, war auch nicht gerade billig. Aber wer möchte schon an ein paar an der falschen Stelle eingesparten Nuyen sterben? Ok, in 2 Stunden, 8

Minuten sollte ich in den Redmond Barrens auftauchen, in irgendeiner miesen Spelunke, die noch nicht mal einen gottverdammten Namen hatte. Aber laut dem MJ (Mister Johnson), sollte es kein Problem sein, den Laden zu finden, da es wohl der Einzige im weiteren Umkreis ist. Gut, mein Terminal spuckt die entsprechenden Infos nach knapp 30 Sekunden aus. Exzellent, der Laden liegt günstigen, nach 3 Seiten eingebauten und reichlich freien Schussfeldes davor. Ich durfte mir zwar schon diverse Male witzige Bemerkungen zu meiner Runner-Paranoia anhören, aber ich checke ein mir unbekanntes Terrain lieber im Voraus, ehe ich nachher in einen gut gelegten Hinterhalt marschiere. Diese Paranoia machte bis jetzt für mich den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen meiner doch recht ansehnlichen Wohnung und einem namenlosen Grab auf dem Seattler Zentral-Friedhof (bestenfalls) aus. Also kein Grund, etwas zu ändern. Inzwischen sind es noch 1 Stunde 50, ich dusche, ziehe mich an. Das übliche, Körperpanzerung nach Maß, Lederklamotten und einen schwarzen Duster. Dazu die Diamondback-Kampfstiefel, fertig. Nun zur Ausrüstung, die Wildey kommt unter die linke Achsel ins Tarnholster, die neue Heckler & Koch Urban Combat mit einer Tactical Sling auf den Rücken. Flechette in der Wildey, APDS in der Urban Combat, das sollte optimal für alle Eventualitäten sein. Die Franchi, ebenfalls mit Flechette geladen, bleibt im Auto, griffbereit neben dem Fahrersitz. Dazu ein Kampfmesser im rechten Stiefel, ein paar Trauma- und Antidot-Patches, fertig. Ich verlasse die Wohnung, aktiviere das Sicherheits-System und mache mich auf den Weg. Mein Wohnmobil steht direkt vor dem Haus, wie immer. Und wie immer kann ich mich darauf verlassen, daß alle Teile noch dran sind. Denn die Squatter, sie in der Gegend hausen, haben immer ein wachsames Auge darauf. Zu dieser stillen Übereinkunft kamen wir vor einigen Wochen. Normalerweise ist die Gegend hier recht ruhig, was Gangaktivitäten betrifft. Vor ein paar Wochen allerdings hatte sich ein Trupp von 5 Leuten in unsere Gegend verlaufen. Mein Wohnmobil schien ihnen offensichtlich interessant genug, um es zu knacken. Dummerweise reagiert es auf derartige Versuche mit einem stillen Alarm. Ich war noch in voller Montur, also fegte ich wieder die Treppen hinab und raus aus dem Haus. 2 von den Gangern hielten Wache, die anderen 3 bemühten sich nach Kräften, das ATS (Anti Theft System)zu überlisten. Verdammt, sie hatten es bis jetzt noch nicht einmal geschafft, die Türen zu öffnen. Und außer ein paar Lackkratzern hatten sie auch noch keinen nennenswerten Schaden angerichtet. Gut, Zeit das Ganze zu beenden. Die Dunkelheit gab mir gute Deckung, so daß sie mich erst bemerkten, als ich zwischen ihnen auftauchte. Manchmal hat es eben auch Vorteile, daß die Straßenbeleuchtung hier eher selten wirklich funktioniert. Die beiden Wachen standen da und bohrten in der Nase, während die 3 anderen darüber diskutierten, wie man dem ATS noch zu Leibe rücken könnte. Ich stand, zumindest aus ihrer Sicht, plötzlich mitten unter ihnen und fragte freundlich: „Kann man helfen?“ Wenn sie auch, was das Knacken von Autos anging, nicht unbedingt die Profis waren, im Nahkampf schienen sie doch recht gut zu sein. Wortlos zogen sie ihre Waffen und gingen sofort zum Angriff über. 3 sprangen mir mit Messern in den Händen entgegen, die anderen Beiden zogen Streetline Specials. Der offensichtliche Anführer schien mit dem Messer wirklich umgehen zu können, und er war für einen offenbar unvercyberten Menschen erstaunlich schnell. Aber gegen meine aufgechipten Reflexe hatten sie keine Chance. Ich ließ ihn also angreifen, blieb solange stehen, bis seine Klinge mich fast berührte, drehte mich dann mit einer eleganten Bewegung zur Seite weg, und rammte ihm aus der Drehung heraus mein Gerber MK II bis zum Heft ins Genick. Er brach sang- und klanglos zusammen. In diesem Moment sah ich aus dem Augenwinkel, das einer der Schützen inzwischen seine Waffe in den Anschlag gebracht hatte. Ich vollführte eine rasante Drehung und warf das Messer noch aus der Bewegung. Sie schlug dicht unterhalb des Kehlkopfes ein und riss ihn augenblicklich von den Beinen. In diesem Augenblick spürte ich 2 Schläge auf den Rücken. Augenscheinlich hatte der andere Schütze mich getroffen. Aber irgendjemand sollte den Leuten endlich mal erzählen, dass eine Streetline Special mit Sicherheit völlig ungeeignet ist, die

Rüstung einer altgedienten Messerklaue zu perforieren. Ich fiel abrupt in die Hocke, griff das auf dem Boden liegende Messer des ersten Angreifers und warf es mit einer kurzen Bewegung aus dem Handgelenk nach dem Schützen. Seine letzte Reaktion war ein entsetztes Gesicht, dann traf die schwere Klinge seine Stirn und drang mit einen leisen Knirschen in sein Gehirn. Das war für die letzten Beiden offenbar zuviel. Mit einem wütenden Aufschrei griffen sie zugleich an. Der Linke war etwas näher an mir dran, also wurde er mein nächster Gegner. Ich sprang ihm entgegen, duckte mich unter der vorstoßenden Klinge weg, fuhr den mittleren Sporen der rechten Hand aus, schnellte hoch und trennte sauber seinen Kopf vom Rumpf. Inzwischen hatte mich der Letzte fast erreicht. Ich wich seinem Stich aus, ließ ihn, von seinem eigenen Schwung getragen, an mir vorbeihechten, fuhr die Nagelmesser aus dem linken Zeige- und Mittelfinger aus, ließ die Ausweichbewegung in eine schnelle Drehung übergehen und rammte ihm die Klingen von hinten in die linke Schläfe. Das war’s. Ich wollte gerade das ATS deaktivieren, um zu überprüfen, ob es den Angriff unbeschadet überstanden hatte, da bemerkte ich ein paar Squatter, die gas gesamte Geschehen offenbar beobachtet hatten. Sie hielten genug Abstand, um sich nicht als Bedrohung darzustellen, waren aber doch nah genug, um ihr Interesse zu zeigen. Hm, ich wusste natürlich, worauf sie aus waren. Vielleicht würde ich ja etwas für sie liegen lassen. Ok, normalerweise filze ich meine toten Gegner mit äußerster Akribie, aber im Moment hatte ich dazu wirklich nicht die geringste Motivation, zumal mir mein mittlerweile geschultes Auge sagte, das es da nicht zu holen gab. Also drehte ich mich zu den Squattern um und sagte: „Sie gehören Euch“ Ein überraschtes und erfreutes Gemurmel war die Antwort. Gut, das ATS hatte die ganze Aktion offenbar unbeschadet überstanden, und die Kratzer würden auch nicht allzu teuer werden. Ich machte kehrt und ging wieder zurück in meine Wohnung, wobei ich noch aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie sie die Leichen schnell wegschleppten. Na ja, wenn sie den Stuff und die Körper verscherbeln, können sie die nächsten Tage oder sogar Wochen davon leben. Und mir tut es ja auch nicht weh. Die Quittung kriegte ich ca. 3 Wochen später, als ich gegen Abend aus dem Haus ging. Plötzlich tauchten 2 Squatter vor mir auf und berichteten mir, daß die Gang, deren Mitglieder die 5 Verblichenen waren, auf Rache aus war. Sie hatten angeblich herausgefunden, wo ich mich aufhalte, und wollten mich ausschalten. Auf meinen Dank hin, den ich mit ein paar Nuyen unterstützte, sagten sie mir, das wären sie mir schuldig gewesen, immerhin hatte ich ihnen meine gesamte Beute überlassen. Hm, seitdem halten sie für mich die Augen und Ohren offen, und ich revanchiere mich mit einem Checkstick ab und zu, oder ein paar Flaschen Fusel. Ein Gentleman’s Agreement, so haben wir alle was davon. Mittlerweile bin ich fast in Redmond angekommen. Mein AutoNav signalisiert mir, das ich in spätestens 3 Minuten vor Ort sein werde. Links um die Ecke herum, dann sehe ich den Laden schon von weitem. Ah, da steht Gambits Dodge. Er liebt dieses Auto geradezu abgöttisch. Hin und wieder muß ich doch etwas schmunzeln, bei dem Kult, den er um den alten Charger betreibt, aber wenn es darauf ankam, hatte die Schüssel immer wieder mal einige Überraschungen parat. Ich parke direkt hinter ihm und steige aus. Mit einem freundlichen Grinsen von Ohr zu Ohr kommt er auf mich zu. „Sieh da, sieh da, der Sensenmann.“, begrüßt er mich „Na, alles im Lot?“ Hm, was soll man dazu noch sagen? „Klar, ich lebe noch, und das gar nicht mal so schlecht.“, gebe ich mit einem hämischen Grinsen zurück. „Gut, das freut einen doch immer wieder zu hören. Übrigens, ich habe noch 3 recht interessante Leute aufgetrieben, die sich uns anschließen werden.“. setzt er mich erstmal in Kenntnis. Auf einen fragenden Blick meinerseits lächelt er nur und sagt: „Lass’ Dich überraschen.“ OK, was bleibt mir denn weiter übrig, wenn Gambit eine Info nicht ausspucken will, dann kann man sich kopf stellen, er wird nichts sagen. Er sieht sich noch einmal unauffällig um, dann winkt er mir, ihm zu folgen, und geht gemessenen Schrittes auf die hell erleuchtete Ladenfront zu. Plötzlich schießen 2 Autos um die nächste Ecke, und sliden

mit quietschenden Reifen genau hintereinander in die Lücke zwischen Gambits Dodge und dem nächsten geparkten Wagen. Hut ab, sehr nett anzusehen. Offensichtlich sind die Fahrer immer für einen publikumswirksamen Auftritt zu haben. Die Karren sehen äußerst interessant aus, ein ungewöhnliches Design. Als alter Autonarr würde ich noch am ehesten auf einen Bentley Brooklands tippen, als Ausgangsmodell. Die Änderungen, abgesehen von den komplett verdunkelten Scheiben, sind dezent und unauffällig, aber wenn man weiß, wonach man zu suchen hat, gibt es Hinweise für massive Umbauten an der Fahrgastzelle und dem Fahrgestell. Nicht übel, es verspricht interessant zu werden. Die Fahrertüren öffnen sich fast synchron, und es steigen 2 Kerle aus. WAS IST DAS DENN??? Es sind offensichtlich Elfen, aber ihre Hautfarbe ist ein tiefes Ebenholzschwarz. Drek, so was hab’ ich ja noch nie gesehen. Und da denkt man immer, man kennt schon alles. Einer hat kurze schwarze Haare, der Andere ist völlig kahl geschoren. „Ah, die Zwillinge“, höre ich Gambit murmeln. Die beiden kommen gemächlich auf uns zu geschlendert. Sie sind ca. 1,90 m groß, wirken austrainiert, um die 100-110 kg Kampfgewicht. Die übliche Runnerkluft, schwarzes Leder und Duster, alles mit leichten Gebrauchsspuren, aber gepflegt. „Guten Abend, die Herren“, begrüßt Gambit sie, als sie uns erreichen. „Yo Chummer“, gibt der mit der Glatze zurück, der Andere grinst freundlich und nickt uns zu. „Darf ich vorstellen“, sagt Gambit, „Viper“, er weist auf den Glatzköpfigen, „und RZA“, er nickt dem Anderen zu. Bingo, jetzt klingelt es bei mir laut und vernehmlich, ich wusste, daß ich die 2 irgendwoher kenne. Die Dark Twins, natürlich. Ich habe schon einiges von ihnen gehört, Brüder, eineiige Zwillinge, Messerklauen par Excellence. Sie haben einen guten Ruf, wenn auch Viper gerüchtehalber dazu neigt, erst zu schießen und dann zu fragen. Ich werde ihn also im Auge behalten, reine Vorsichtsmaßnahme. „Ach ja“, meldet sich Gambit wieder zu Wort, „die schwere Artillerie lasst mal lieber im Wagen, wir werden sie hier nicht brauchen.“ Ich weise auf mich und schüttele verneinend die Hände, während die Twins grinsend nicken und zu ihren Autos zurückgehen. Ich aktiviere die optische Vergrößerung und sehe mir an, was sie so in petto haben. Ich zoome auf maximale Vergrößerung, oha, nicht schlecht, RZA teilt offensichtlich meine Begeisterung für die SPAS, während Viper eine schwer getunte Ares Alpha trägt. Sie lassen die Waffen unauffällig verschwinden, und kommen zurück zu Gambit und mir. „So, alles im grünen Bereich“, grinst uns Viper an, „kann’s dann losgehen?“ Gambit schüttelt unmerklich den Kopf, „noch nicht ganz, 2 fehlen noch, Blizzard, ein orkischer Hunde-Schamane, und Warrior,,eine Klaue.“ Hm, OK, also werden wir heute in großer Besetzung auftreten, DAS scheint wirklich interessant zu werden. „Wir wär’s“, werfe ich in die Runde, „setzen wir uns rein?“ frage ich und weise auf mein Wohnmobil. „Wir müssen ja nicht auf der Strasse rumstehen.“ Die Twins fangen an, bis über beide Ohren zu grinsen, offenbar hat ihnen Gambit gesteckt, daß ich im Mobil immer ein paar Flaschen hervorragenden steinalten Bourbon zu liegen habe. OK, ich deaktiviere das ATS, und wir steigen ein. Die Twins sehen sich erstmal genau das Interieur an, während Gambit und ich uns in die Sitzecke am hinteren Ende verdrücken. Als sie sich mit dem Innenleben des Mobils vertraut gemacht haben, gesellen sie sich zu uns. „Nicht schlecht“, beginnt Viper, „so ein mobiles HQ hat schon was.“ Ich grinse, „Klar, man ist auf jeden Fall ungebundener, äh übrigens, einen Drink?“ Obwohl ich die Antwort erwarte, muß ich doch lachen, als von Gambit ein empört klingendes „Na da regt mich doch schon die Frage an sich auf.“ ertönt. Die Twins lachen ebenfalls und nicken freudig. Ich hab’s geahnt, na egal, nirgendwo anders lernt man Leute so gut kennen, wie bei einem gemütlichen Drink. Ich zaubere also eine Flasche Bourbon hervor, Jahrgang 1891. Flüssiges Gold, wenn Ihr versteht. Gambit lehnt sich entspannt zurück und zündet seine Pfeife an, während die Twins quasi Maul- und Augensperre kriegen beim Anblick der Flasche. „Wow, hast Du Beziehungen nach ganz oben“, fragt RZA kopfschüttelnd, „so was bekommt man doch auf dem freien Markt kaum noch.“ Es ergibt sich innerhalb kürzester Zeit eine angeregte Diskussion über Beziehungen, Beschaffung und artverwandte Dinge, während wir

genüsslich unsere Drinks schlürfen. Plötzlich signalisieren die Sensoren des Mobils die Annäherung zweier Fahrzeuge. Sie halten direkt hinter mir, die Fahrer steigen aus. Ein ca. 1,85 m großer, kräftiger Ork, unverkennbar ein Schamane, und ein genauso großer bulliger Mensch. Augenscheinlich sind unsere Restkräfte gerade angekommen. Die Beiden kennen sich offensichtlich, denn sie gehen aufeinander zu und begrüßen sich mit Handschlag. Sie sehen sich etwas um, dann gehen sie langsam auf Gambits Dodge zu. Als sie die Seitentür meines Mobils erreicht haben, öffne ich die Tür, und Gambit ruft leise, „Immer herein in die gute Stube.“ Sie sehen zwar etwas verwundert aus, steigen aber trotzdem ein, offenbar kennen sie die Stimme. Es folgt eine kurze Vorstellung, wir nehmen noch einen, dann machen wir uns bereit für unseren Auftritt im wie auch immer der Laden jetzt heißt. Verdammt, was für ein Loch, ich bin doch immer wieder erstaunt, in welche miesen Locations man uns zitiert. Die Luft hier ist so dick, daß man sie bequem in Würfel schneiden könnte, es stinkt nach allem, was der (meta)menschliche Körper so absondern kann. Dementsprechend ist auch das Publikum, man sieht Angehörige aller Rassen. OK, offensichtlich ist Rassismus hier kein Thema. Der Laden ist recht gut gefüllt, ca. 40 von ungefähr 55-60 verfügbaren Plätzen sind besetzt. Bis jetzt sieht alles noch ganz vernünftig aus, keine ungewöhnlichen Aktivitäten. Unser Problem ist nur, daß es keinen Tisch gibt, an dem 6 Plätze frei sind. Ein einziger Tisch mit 5 freien Plätzen befindet sich am hinteren Ende des Raumes, also steuern wir ihn erstmal an. Die Leute nehmen kaum Notiz von uns, man ist offensichtlich zu beschäftigt. Es herrscht ein Höllenlärm, die Jukebox hinter dem Tresen schein auf voller Lautstärke zu laufen, es wird gezockt, gesoffen und gestritten. An einigen Tischen werden augenscheinlich Geschäfte gemacht, alles in allem scheint erstmal alles im grünen Bereich zu liegen. Wie gesagt, es fehlt uns also ein Stuhl, und während wir noch etwas unentschlossen dastehen und überlegen, wer jetzt wen auf den Schoß nimmt, tritt Gambit an den nächsten Tisch, an dem nach 2 freie Stühle stehen. Zuerst verstehe ich nicht, was er sagt, der Krawall überdeckt einfach alles. Also aktiviere ich meinen selektiven Geräuschfilter, und dämpfe alles bis auf unsere Stimmen, inklusive die der am Tisch sitzenden. Verdammt, es sieht nach Ärger aus. Der offensichtliche Wortführer der Truppe will keinen Stuhl rausrücken, er schwingt markige Reden und droht Gambit ganz offen. Eine exorbitant schlechte Idee, wie sich Sekundenbruchteile später zeigen. Denn plötzlich scheint er überzeugt zu sein, seinen Statements Taten folgen lassen zu müssen. Er greift unter den Tisch und zieht eine abgesägte, doppelläufige Schrotflinte hervor. Die Mündungen zielen genau auf Gambits Kopf, während er nur mit einem verhaltenen Lächeln dasteht und die Arme locker an den Seiten herabhängen lässt. Dann explodiert er regelrecht. Er hält übergangslos eine leichte Automatik in der Rechten und schießt, ein einziges Mal. Auf der Stirn seines Gegenübers erscheint ein kleines Loch, genau zwischen den Augen. Die Schrotflinte kracht auf den Tisch, der Besitzer auf den Boden. Ich höre, wie Gambit nur lakonisch fragt: „Is’ nu frei?“ So kenne ich ihn, kurz und prägnant. Die Compadres des teuren Verblichenen scheinen nicht ganz schlüssig, wie sie mit dieser neuen Situation umgehen sollen. Einerseits möchten sie wohl augenscheinlich etwas unternehmen, andererseits überzeugen sie unsere Waffen, die wir inzwischen auch gezogen haben, daß dieser Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Also einigen sie sich, daß Gambit einen der inzwischen 2 freien Stühle mitnehmen kann. Na bitte, geht doch. Wir setzen und also alle, möglichst so, daß wir den gesamten Raum im Auge behalten können. Gambit muß sich natürlich demonstrativ mit dem Rücken zur Tür hinsetzen, aber irgendwas sagt mir, daß er trotzdem haargenau weiß, was hinter ihm geschieht. Nachdem wir nun alle sitzen, beruhigt sich die Lage wieder, und alle gehen wieder ihren Beschäftigungen nach. Auf einmal taucht eine Art Bedienung an unserem Tisch auf. Wow, eine grazile, rothaarige Elfin, mit den schönsten meergrünen Augen, die ich je gesehen habe. Daß den anderen Gästen nicht reihenweise die Augen aus dem Kopf treten wie eine Rolle Drops, liegt offenbar nur daran, daß

sie sich inzwischen die Unterscheidungsmerkmale weg gesoffen haben. Was für eine Verschwendung, aber vielleicht möchte sie sich ja beruflich verändern. Thrasher, der Boss vom Rose Tattoo, könnte doch bestimmt etwas Hilfe brauchen, und sowohl finanziell, als auch was das Ambiente angeht, würde sie sich damit weitaus verbessern. Aber ich greife vor, warten wir erstmal ab. Der Einfachheit halber bestellen wir einen großen Krug Bier und eine Flasche Tequila. Ich staune immer mehr, nicht mal eine Minute, dann steht alles vor uns, der Krug, die Flasche, und die passenden Gläser. Der ganze Spaß kostet gerade mal 36 Nuyen, was mich beim Gedanken an die zu erwartenden Qualität der Getränke schon das Schlimmste befürchten lässt. Aber was soll’s, ich hab’ zu meinen Anfangszeiten schon Schlimmeres zu mir genommen, also kann es so haarig auch nicht mehr werden. Ich übernehme die Rechnung und gebe ihr 50. Als sie das Wechselgeld herauskramen will, lächle ich, und mache eine ablehnende Geste. Offenbar falle ich damit weit aus dem hier üblichen Rahmen, denn ihre Augen werden ganz groß. Sie bedankt sich, und auf mein Statement, ach, leben und leben lassen, lacht sie leise. Ein tiefes, dunkles, gurrendes Lachen, daß mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt. Plötzlich erfährt unsere Unterhaltung eine abrupte Unterbrechung, als einige Tische weiter ein Troll anfängt, äußerst lautstark Nachschub zu verlangen. Sie lächelt mir noch einmal zu, daß mir ganz warm ums Herz wird, und eilt davon. Kaum ist sie mit den angeforderten Getränken am Tisch angekommen, versucht der Troll, sie auf seinen Schoß zu ziehen. Sie verspürte offensichtlich keinerlei Motivation, ihm entgegen zu kommen, aber über solche Kleinigkeiten war unser gehörnter Freund scheinbar erhaben. Ich spüre, wie meine lange unterdrückte Wut gegenüber Trollen langsam wieder in mir aufsteigt, immer stärker. Ein Blick zu Gambit, er lächelt süffisant und nickt einladend, fast unmerklich. Als ich kurz zur Seite sehe, bemerke ich, daß die Hände der Twins bereits beinahe beiläufig unter ihren Mänteln verschwunden sind, während ihre Blicke über die Szene gleiten. OK, für Rückendeckung scheint gesorgt zu sein, also, lasst uns tanzen. Ich stehe abrupt auf und gehe langsam auf den Troll zu. Die anderen Gäste beobachten die Szenerie zwar interessiert, aber es hat wohl niemand Lust, sich einzumischen. Ich stelle mich seitlich neben den Troll und sage: „Hey, mein Bester, die Lady hat offensichtlich keinerlei Interesse an Dir, also behalt’ Deine Hände lieber bei Dir, und alles ist in Ordnung.“ Er lässt kurz von ihr ab, hält sie aber trotzdem noch fest. Er betrachtet mich von Kopf bis Fuß, als hätte er gerade eine neue Lebensform entdeckt, dann lacht er laut und polternd. Er beschließt, mich zu ignorierten, und wendet sich wieder der Elfin zu. Er versucht, an ihrem Tanktop herumzukramen, als mich endgültig der Geduldsfaden reißt. „Freund, Du verstehst mich offenbar nicht, LASS’ ES!!!“ In diesem Moment scheint Sie auch endgültig genug zu haben und versetzt dem Trog eine schallende Ohrfeige. Er reißt seinen rechten Arm hoch, offenbar um zurück zu schlagen. Meine Rechte schnellt vor und packt sein Handgelenk, noch im Ausholen. Jetzt reicht es ihm scheinbar auch, er stößt sein Opfer mir der Linken so hart in den Raum, daß sie einen Tisch umreißt und einen Moment stöhnend liegen bleibt. Er reißt sich los und schnellt von seinem Stuhl hoch, dabei zieht er blitzschnell eine Art von Morgenstern unter seinem Mantel hervor. Als hätten alle nur darauf gewartet, verwandelt sich der Raum von einem Augenblick auf den anderen in ein Schlachtfeld. Der Keeper verschwindet unter dem Tresen, während man sich allgemein auf daran macht, persönliche Differenzen zu lösen. Kugeln pfeifen durch den Raum, überall schlagen sich die Leute wie die Kesselflicker. Das zum Einsatz kommende Waffenarsenal ist so vielfältig, wie die Gäste. Klingen aller Art, bis hin zu einer riesigen Streitaxt, kommen zum Einsatz. Ich kann gerade noch ausweichen, da fliegt die Stachelkugel an mir vorbei und zertrümmert einem Ork, der ungünstigerweise gerade hinter mir war, den Schädel. Ich ziehe mein Katana und das Wakizashi unter dem Mantel hervor, und greife an. Jetzt also zahlt sich mein langjähriges, hartes Training in Escrima wieder mal aus. Ich webe regelrecht einen stählernen Vorhang um mich, während ich auf ihn losgehe. Er darf keine Möglichkeit finden seine Kraft auszuspielen, sonst bin

ich verloren. Die Schnelligkeit meines Angriffes überrascht ihn aber scheinbar dermaßen, daß er erstmal in den Rückwärtsgang verfällt. Er findet keine Möglichkeit, selbst zu agieren, er kann sich nur verteidigen. Wir umkreisen einander, jeder darauf wartend, daß der Andere einen entscheidenden Fehler macht. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Viper einem Elfen sein Messer in die Brust rammt, der darauf zusammenbricht. Gambit und Blizzard haben sich in eine Ecke zurückgezogen und gestikulieren. Gut, also ich werde also auch ein halbes Auge auf unseren Schamanen haben, mal sehen, was er so drauf hat. RZA tritt gerade einem Zwerg, der axtschwingend auf einem Tisch steht, die Beine weg, so daß der rücklings auf die Tischplatte kracht. Plötzlich spüre ich eine Bewegung hinter mir, mehr als daß ich sie direkt wahrnehme. Ich mache einen schnellen Schritt zur Seite, wirble herum und reiße die Klingen hoch. Keinen Moment zu früh, ich kann das Langschwert mit seiner breiten, wuchtigen Klinge gerade noch mit dem Katana abwehren. Der Typ am anderen Ende, ein Mensch, knurrt wütend und will gerade zu einem neuen Schlag ausholen, als ich mit dem Wakizashi unter unseren hoch erhobenen Klingen hindurch zuschlage und er die Kehle aufschlitze. Er bricht zusammen, während ich herumschnelle, um mich wieder dem Trog zu widmen. Ich sehe schon aus der Drehung die scharf geschliffenen Stahlstacheln auf mich zurasen, und ich weiß, ich kann sie nicht mehr ganz abwehren. Ich bereite mich darauf vor, daß sie jeden Moment in meine linke Schulter einschlagen werden, als ein leises, zischendes Geräusch höre. Der Trog taumelt einen Schritt zur Seite, als ein schweres Messer direkt seine Achselhöhle trifft und bis zum Heft eindringt. Offenbar hat die Klinge etwas Wichtiges getroffen, denn sein rechter Arm sinkt herab, während er wütend aufbrüllt. Aber seine Reflexe scheinen ungebrochen, er wechselt seine Waffe in die linke Hand und will weiter kämpfen. Jetzt reicht es mir, ich wollte zwar Schusswaffen vermeiden, aber manchmal muß man eben Prioritäten setzen. Ich lasse die Katana fallen, ziehe die Wildey und jage ihm eine Salve Flechettes in den Kopf. Das war’s, er fällt einfach um. In diesem Moment sehe ich eine Gestalt, die mir verdammt bekannt vorkommt. Der Messerwerfer aus dem Rose Tattoo, so eine Überraschung. Er hat gerade seinen Gegner zu Boden geschickt und nickt mir zu, während er sich seine Klinge aus dem Trog zurückholt. Er dreht sich noch einmal um, lächelt, und ist plötzlich verschwunden. Verdammt, der Kerl scheint wirklich ein exzellenter Kämpfer zu sein, ich hoffe nur, daß sich irgendwann mal die Gelegenheit ergibt, sich in Ruhe zu unterhalten. Das könnte wahrlich sehr interessant werden. Hm, die Kämpfe flauen etwas ab, es hat wohl keiner mehr so richtig Lust, weiter zu machen. Langsam trennen sich die Kombattanten voneinander, und man betreibt Schadensbegrenzung. Als groben Schätzwert könnte man sagen, 5-6 Tote und ein Dutzend mehr oder weniger Verletzte. Ich verstaue also mein Katana also wieder, und sehe mich nach meinen Chummers um. Ah, sie haben alles, offenbar ohne Schaden zu nehmen, überstanden. Gut, von den Twins hatte ich nichts anderes erwartet, und unser Schamane hat sich auch wirklich gut gemacht. Beruhigend zu wissen, daß die Jungs auch allein auf sich aufpassen können. Irgendwie scheint die Luft raus zu sein, der Laden lehrt sich langsam. Die Toten und Verwundeten werden weggeschafft, der Boss macht sich ans Aufräumen. Das Einzige, was mir doch erhebliche Sorgen bereitet, ist, daß ich die Kellnerin nirgends sehe. Der Chef, dem mein suchender Blick scheinbar aufgefallen ist, winkt mich zu sich herüber. „Keine Sorge, Riella ist in Sicherheit“, flüstert er mir zu. „Ich hab’ sie, als es richtig losging, durch den Hinterausgang rausgeschleust“. Ich atme auf, es geht ihr also den Umständen entsprechend gut. Ich ziehe einen Checkstick aus der Tasche und schiebe ihn über den Tresen. „Hier, schließlich habe ich ja den Tanz eröffnet.“ Er schiebt ihn routiniert in ein Lesegerät und sieht plötzlich doch sehr erstaunt aus. Die 2500 Nuyen auf dem Stick übertreffen seine Erwartungen wohl bei weitem. Er holt eine Flasche und 7 Gläser unter dem Tresen hervor und schenkt ein. „Für besondere Gelegenheiten“, sagt er und winkt die anderen heran. Als wir alle am Tresen versammelt sind, hebt er sein Glas

und prostet und zu. Donnerwetter, der Tropfen ist wirklich exzellent, ein alter Brandy. Ich staune immer mehr, und auch die Anderen sehen doch angesichts der Qualität ziemlich verblüfft aus. Der Chef grinst über das ganze Gesicht, greift ganz nebenbei in die Westentasche und schiebt mir einen Zettel zu. Ich werfe einen Blick darauf, und muß unwillkürlich lächeln. „Riella“, steht dort zu lesen, und eine Telefonnummer. Der Chef grient mich an, „den hat sie für Dich da gelassen, falls Du sie wieder sehen möchtest. Sie fand es total süß von Dir, daß Du dich so für Sie eingesetzt hast. Solche Männer trifft man nur äußerst selten.“ Sowas hört man natürlich gern. „Kein Problem“, erwiderte ich, „ich helfe doch gern, wo ich nur kann.“ Aber irgendwie waren wir doch wohl eigentlich geschäftlich hier, das irritierte mich jetzt doch etwas. Ich wandte mich Gambit zu und wollte gerade das Wort an ihn richten, als er auf den Tresen klopfte und uns ansprach. „OK, ihr werdet Euch doch bestimmt fragen, wo der MJ bleibt, und was wir eigentlich ausgerechnet hier zu suchen haben. Also, passt mal auf, der Job ist bereits unter Dach und Fach, ich wollte einfach nur mal sehen, wie ihr als Team agiert. Sorry, daß ich es auf diese Art und Weise getestet habe, aber ich war und bin der Meinung, das ein realer Kampf die beste Möglichkeit ist, es herauszufinden.“ Für mich war es kein Problem, und wenn ich mir die Gesichter der Anderen ansah, für sie offenbar auch nicht. „Gut, dann möchte ich Euch, sozusagen zum Ausklang des Abends ins Rose Tattoo einladen, falls Ihr noch nichts Besseres vorhabt, “ fuhr er fort, und grinste mich dabei an. Ich grinste nur zurück und schüttelte leicht den Kopf. „Heute wird sie wohl anderes im Sinn haben, also stehe ich Dir voll und ganz zur Verfügung“. Also verließen wir die Location, und schlenderten gemächlich zu den Autos. Gambit lotste uns noch einmal alle in mein Wohnmobil, wo er uns jeden einen Chip übergab, auf dem alle relevanten Daten, den Job betreffend, gespeichert waren. „So, in 72 Stunden geht es los, bis dahin könnt ihr Eure Vorbereitungen treffen“, sagte er und lächelte mich dabei so schamlos unschuldig an, daß ich ihm schon wieder am liebsten die Ohren abgerissen hätte. „Jaja, Du wirst es kaum für möglich halten, aber ich habe manchmal auch andere Dinge im Kopf“, knurrte ich. „Das weiß ich, sonst wärst Du nicht hier“, antwortete er leise. Soviel also dazu. „OK, ab in Eure Karren, und versucht mal, an mir dran zu bleiben“, sagte er noch, dann stieg er aus und bestieg seinen Dodge. Er wartete noch anstandshalber, bis jeder in seinem eigenen Wagen saß, dann trat er das Gaspedal voll durch. Der Dodge schoß mit quietschenden Reifen aus seiner Parklücke, gefolgt von uns, in Richtung Puyallup. Gut, abgesehen davon, daß ich mir den Ablauf des Abends etwas anders vorgestellt habe, war es doch gar nicht so übel. Also werden wir jetzt noch versuchen, das Rose Tattoo trockenzulegen. Und morgen werde ich Riella anrufen und sehen, was sich ergibt. Ich habe es zwar, seitdem ich in den Schatten lebe, vermieden, eine Beziehung zu führen, aber für diese Frau könnte ich glatt meine Prinzipien ändern. Aber das wird eine andere Geschichte…………….

Chapter Four

Oh Mann, tut mir die Frisur weh. Ich gehe nie wieder mit diesem Haufen Irrer ins Rose Tattoo. Wir haben jede Menge Spaß gehabt, und uns wirklich alle Mühe gegeben, den Laden

trockenzusaufen. Aber die Idee, mit diesen 2 Zwergen um die Wette zu schlucken, war definitiv nicht unsere Beste. NIE WIEDER!!! Ich muß unter die Dusche, das könnte jetzt glatt als lebenserhaltende Maßnahme durchgehen. Also quäle ich mich aus dem Bett und schlurfe gemächlich ins Bad. Hm, wie jetzt weiter? Mein Körper verlangt irgendwie nach einer warmen Dusche, während mein Verstand (oder das, was davon noch übrig ist) vehement für eiskaltes Wasser plädiert. Ich schaue zweifelnd die Dusche an, schüttle den Kopf und drehe den Kaltwasserhahn mit einem Ruck bis zum Anschlag auf. Drek, das konnte doch nicht gut gehen, ich habe das Gefühl, ich würde langsam einlaufen. Aber ganz langsam taucht irgendwo aus dem Alkoholnebel mein Gehirn wieder auf. Gut, jetzt reichts aber auch, soviel Gutes auf einmal kann ja auch schaden. Also, raus aus der Dusche, ab in die Küche, Frühstück. 2 Stunden, eine Kanne Kaffee, ein reichhaltiges Frühstück und 3 Zigaretten später fühle ich mich wieder topfit. OK, es gibt viel zu tun. Ich wollte doch noch jemanden anrufen. Riellas Nummer, verdammt, wo hab’ ich sie hingesteckt? Eigentlich müsste der Zettel irgendwo in meinem Klamotten stecken, die ich beim Ausziehen in den frühen Morgenstunden großzügig in der Wohnung verteilt hatte. Beim 3. Anlauf werde ich in meiner rechten Westentasche fündig. Ich übertrage die Nummer vorsichtshalber in meine Datenbank und verbrenne den Zettel. Es ist mittlerweile 12:38 Uhr, also mal sehen. Als wir aus dem namenlosen Etwas verschwunden sind, war es ca. 00:00 Uhr. Wer weiß, wann sie ins Bett gekommen ist, also warte ich lieber noch 2 Stunden, ich will sie schließlich nicht aus dem Bett klingeln. Also sammle ich meine restlichen Klamotten ein, hänge sie in den Kleiderschrank, und mache das Bett. Dann nehme ich meine Waffen und zerlege sie komplett. Durchsicht, reinigen, neu aufmunitionieren, Kontrolle der SmartLink-Parameter. OK, fertig, ich baue sie wieder zusammen und verstaue sie im Waffenschrank. Inzwischen ist es 14:17, ich braue mir noch eine Kanne Kaffe, stecke mir eine Zigarette an, setze mich an mein Terminal und wähle. Bein 2 Klingeln geht sie schon ran, und auf dem Display erscheint ihr Gesicht mit einem Lächeln, das die Polarkappen der Erde problemlos schmelzen lassen könnte. Ich bin einfach nur hin und weg. Ich überlege noch, was ich sagen soll, als sie mir schon zuvor kommt. Wir plaudern einfach drauf los, über Gott und die Welt, alles, was uns gerade so einfällt. Und je länger wir reden, desto mehr fällt mir auf, daß sie unheimlich intelligent ist. Sie kennt sich mit den unmöglichsten Sachen aus, und ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Es ist einfach nicht zu fassen, eine schöne UND intelligente Frau. Kurz und gut, wir verabreden uns für den nächsten Abend. Bis dahin habe ich noch Einiges zu erledigen. Ich rufe Trasher an und frage vorsichtig nach, ob er im Rose Tattoo eventuell Hilfe brauchen könnte. Zu meiner Freude sagt er mir, daß ihm der Trubel langsam etwas über den Kopf wächst und er schon länger mit dem Gedanken spielt, jemanden einzustellen. Ich erzähle ihm von Riella, und sagt mir zu, daß sie, Interesse vorausgesetzt, den Job haben könnte. Fantastisch, der erste Schritt wäre also erledigt. Als nächstes werde ich erstmal herausfinden müssen, ob Riella überhaupt an einer beruflichen Veränderung gelegen ist. Dann kann ich weitersehen. Jetzt gilt es aber zuerst, einen Job vorzubereiten. Ich sichte die Daten auf dem Chip, den mir Gambit übergeben hatte. Hm, das klingt erstmal nicht allzu wild. Ein Decker hat bei seinem letzten Auftrag Daten zur eigenen Verfügung gestohlen, entgegen der ausdrücklichen Weisung des Auftraggebers. Dieser Datendiebstahl wurde allerdings bemerkt, und jetzt haben sowohl der MJ, als auch der Decker ein Problem. Unsere Aufgabe wird es sein, die gestohlenen Daten zurück zu holen, und, falls möglich, den Decker gleich mitzunehmen. Unser Auftraggeber würde ihm gern noch persönlich einige Fragen stellen. Also dann. Ich suche als erstes in öffentlich zugänglichen Datenbanken nach Verweisen auf den Decker. Nachdem ich dort nicht fündig werde, logge ich mich im ShadowNet ein. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich hier

nichts finde. Na bitte, es dauert keine 10 Minuten, dann finde ich einige Querverweise auf ihn. Ich speichere alle relevanten Daten und logge wieder aus. Also, schauen wir mal. Er wohnt in Puyallup, eine ziemlich ruhige Ecke. Ungünstigerweise ist es eine Eckwohnung, so daß er garantiert beide Straßen unter Videoüberwachung hat. Wir werden also nicht den direkten Weg nehmen können. Das Kartenmaterial, das mir vorliegt, gibt mir genügend Möglichkeiten, bis zu 3 Alternativ-Routen auszuarbeiten. Ich mache mich auf den Weg und sehe mir alle 3 Möglichkeiten in Ruhe an, OK, alle sind durchgängig begehbar, unserer An- und Abreise steht also nichts im Weg. Als ich wieder zuhause bin, suche ich mir Baupläne zusammen, die unser Zielgebiet zeigen. Ich habe Glück, die neuesten Pläne sind gerade mal 1 Woche alt. Ich studiere genau den Verlauf von Kellern, Dachböden und Dächern. Ideal geradezu, es gibt Dutzende Möglichkeiten, sich dort ungesehen fortzubewegen. Als nächstes wäre die Frage zu klären, wie wir uns am besten Zutritt verschaffen. Decker haben schon von Berufs wegen oftmals ein geradezu paranoides Sicherheitsbedürfnis, und das mit gutem Grund. Wenn der Geist in der Matrix schwebt, ist der Körper äußerer Einwirkung jeder Art schutzlos ausgeliefert. Jeder Punk mit einem billigen, halb verrosteten Küchenmesser kann sich in aller Seelenruhe neben Dich stellen und Dir die Kehle durchschneiden, ohne daß Du auch nur das Geringste dagegen unternehmen kannst. Also sollte man seinen Standort adäquat absichern. Es ist nur im eigenen Interesse. Also werden wir auf jeden Fall MagSchloß-Knacker brauchen, ein Cyberdeck, Elektroniktools und einen WhiteNoise-Generator. Sollte alles nicht helfen. Müssen wir die Tür wahrscheinlich aufsprengen. Für diesen Fall packe ich 10m PrimaCord ein, eine Art Sprengkabel. Relativ neu auf dem Markt, aber seinen Preis definitiv wert. Auf der unteren Seite des Kabels ist eine Markierung in das Kabel eingearbeitet. Diese Markierung sollte auf dem zu sprengenden Material aufliegen. Durch eine neuartige Verdämmung erzeugt das Kabel bei der Zündung einen Gasstrahl, der sich mit bis zu 10 000m/s durch das Material brennt. Der große Vorteil gegenüber konventionellem Sprengstoff ist, daß die ganze Sache bis auf ein Zischen keine weiteren Geräusche erzeugt, also auch ideal für unsere Zwecke. Die Datenbank des Hausbesitzers zeigt, daß unser Zielobjekt in der 1. Etage wohnt, als einziger Mieter. Offensichtlich hat er es gern etwas ruhiger, denn selbst in den Etagen über und unter ihm wohnen nur wenige Leute. Das gibt uns etwas mehr Freiraum bei der Wahl unserer Mittel. Soweit, so gut. Als nächstes ist mein Schieber fällig, ich fahre hin oder rüste etwas auf. Eine GunCam, ein paar HE-Granaten, 500 Schuß APDS, etwas C12. Außerdem überrascht er mich mit dem neuesten Spielzeug, daß er gerade erst vor 2 Stunden geliefert bekommen hat. Eine Ares Alpha, schwer modifiziert. 2 Läufe mit voneinander unanhängiger Munitionszufuhr, halbautomatischer Granatwerfer mit 10 Granaten, vergrößerte Magazine, je 50 Schuß, interne Rückstoßdämpfung, schwerere Läufe, erhöhter Schaden, SmartLink 2, Schalldämpfer, Geräuschdämpfung, das volle Programm. Sie liegt hervorragend in der Hand, wie für mich gemacht. Traxx, dem meine Begeisterung nicht entgeht, bietet mir ein Probeschiessen an. Da bin ich doch dabei, wir gehen in seinen Keller, der einen Teil seines Lagers und einen Schießstand beinhaltet. Er drückt mir 2 volle Magazine in die Hand, macht eine einladende Geste zu den Zielen hin und wünscht mir gute Unterhaltung. Also dann, Magazine in die Schächte, durchladen, Zielerfassung, Feuer. Fantastisch, sie liegt in der Feuerlinie wie ein Brett, wandert kaum aus. OK, die Ziele sehen aus wie Teesiebe, das SmartLink wirft die leeren Mags aus, und ich bin beeindruckt. Gut, jetzt kommt der schwierige Teil, wir müssen uns über den Preis einigen. Nach fast 2 Stunden haben wir uns endlich geeinigt, das gute Stück wechselt den Besitzer. Es hat zwar ein Teil meiner Ersparnisse aufgefressen, aber manchmal muß man eben Prioritäten setzen. 20:00 Uhr, wir treffen uns bei mir. Die Truppe ist vollzählig vorhanden, jeder legt seine Ergebnisse vor. Wir besprechen unseren Modus Operandi, und einigen uns darauf, uns getrennt ins Zielgebiet zu begeben. Als Treffpunkt wir das Dach des Nachbarhauses fixiert. Dann geht es

darum, wer was tut. Da ich am schwersten vercybert bin, werde ich zusammen mir Viper in der ersten Reihe sein. RZA deckt uns in Richtung Flur, Warrior in Richtung der Fenster. Gambit bleibt als „schnelle Eingreiftruppe in Reserve, Blizzard hält sich im Hintergrund und unterstützt uns magisch. Damit sind die Rollen verteilt. Wir diskutieren noch mehrere Szenarien, um für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Danach trennen wir uns bis zum Einsatz. Übermorgen um 18:30 Uhr werden wir alle am Treffpunkt sein, bis dahin herrscht Funkstille. Es ist jetzt 00:04 Uhr, etwas Ruhe könnte mir bestimmt nicht schaden. Also dusche ich und verschwinde ins Bett. Der nächste Vormittag, ich habe fast 11 Stunden geschlafen und fühle mich zum Bäumeausreissen. Ich genehmige mir ein ausgiebiges heißes Bad und ein opulentes Frühstück. Ich checke die News-Channels nach verwertbaren Infos, treibe mich etwas in der Matrix herum, lege mir mein Outfit für heute Abend zurecht. Meine Wahl fällt auf einen nachtblauen Armante Executive Suit, dazu passende Schuhe und ein mattsilbern schimmerndes Oberhemd mit einer passenden, dezent gemusterten Krawatte. Die schwere Artillerie bleibt zuhause, ich nehme nur mein Kampfmesser in einem Wadenholster und die Wildey in einem Tarnholster unter der linken Achsel mit. Das sollte für die gröbsten Ungelegenheiten ausreichen. 16:29, ich verlasse meine Wohnung und fahre mit meinem Zweitwagen, einem schwer modifizierten BMW 985 i, nach Downtown, denn ich habe noch einige Kleinigkeiten zu besorgen. Zu dieser Luxuskarosse kam ich vor einiger Zeit wie die Jungfrau zum Kind. Er fiel bei einem meiner letzten Jobs, den ich nur mit Gambit im Team erledigte, als Sekundär-Beute an. Und da Gambit aus unerfindlichen Gründen deutschen Autos nichts abgewinnen kann, konnte ich das Teil einsacken. Manchmal muß man eben einfach auch nur Glück haben. Jedenfalls macht das gute Stück mit seinen 22“-Niederquerschnittsreifen und der neuen, nachtblauen Lackierung schon was her. In der Mall angekommen, parke ich den Wagen und sehe mich erstmal um. Ah, da drüben sehe ich schon mal einen Blumenladen, genau das, was ich gesucht hatte. Ich nehme einen Strauß wundervoller Orchideen und lasse sie mir stilvoll dekorieren und verpacken. Die Angestellte, eine Zwergin mit erstaunlich flinken Händen, ist wahrlich eine Meisterin darin, es sieht einfach fantastisch aus. Auf dem Rückweg zum Parkdeck fällt mir ein kleiner, unscheinbarer Laden ins Auge, eine Art Trödler. Der Geier weiß, wie er es geschafft hat, hier eine Lizenz zu erhalten. Aber auf jeden Fall gibt es dort etwas, was sofort meinen Blick auf sich zieht. Eine silberne Brosche, zumindest dem Aussehen nach ein ziemlich altes Stück, das ein filigranes Rankenmuster darstellt. Gesehen, gekauft. Der Händler ist ein recht kulanter Bursche, wir werden uns schnell einig. Ich befestige die Brosche vorsichtig an der Klarsichtfolie, die die Orchideen umhüllt, betrachte das Szenario einen Moment und bin zufrieden. Jetzt hoffe ich nur noch, daß Riella Orchideen und Silber mag. Abwarten und Tee trinken, wir werden sehen. Ich rufe noch schnell im Yakamoto an, einem kleinen, aber feinen japanischen Restaurant. Ich bestätige die Reservierung für einen Tisch für 2 Personen. Alles klar, es ist 19:01, ich kann mich also langsam auf den Weg machen. Bis zu Riellas Wohnung brauche ich ca. eine halbe Stunde, also mache ich mich langsam auf den Weg. Es dauert doch etwas länger als erwartet, weil irgendein Freak der Meinung war, seinen Saab Dynamit mit ca. 120 km/h in einen LoneStar-Wagen setzen zu müssen. Mitten auf der Kreuzung liegt ein Knäuel aus verbogenem Blech, ein Wunder, daß da drin jemand überlebt hat. Na ja, ca. 20 Minuten kostet mich der ganze Spaß, jetzt aber los. Puh, geschafft. Es ist 19:49 und ich halte genau vor ihrer Haustür. Ich nehme den Strauss vom Beifahrersitz und steige aus. Ich stehe gerade vor der Beifahrertür, als sich die Haustür öffnet und Riella heraustritt. Sie sieht einfach hinreißend aus. Sie trägt hautenge, schwarze Lederhosen, kniehohe, schwarze Wildlederstiefel mit ganz flachen Sohlen und ein weites, halb transparentes, schwarzes Piratenhemd. Darüber

einen knöchellangen, schwarzen Ledermantel. Ihre kupferrote Mähne trägt sie auf der linken Seite streng zurückgekämmt, auf der rechten wallt ihr Haar frei über die Schulter, wobei es auch einen Teil ihres Gesichtes verdeckt. Sie ist kaum geschminkt, nur ihre wundervollen, meergrünen Augen sind etwas betont. Ich kann meinen Blick einfach nicht abwenden, möchte dieses Bild in mich aufnehmen, in mein Gedächtnis einbrennen, um es nie wieder zu vergessen. Wir gehen aufeinander zu, und als wir voreinander stehen, zaubere ich den Blumenstrauß hinter meinem Rücken hervor. Sie bekommt, große, erstaunte Augen, „Für mich?“, und ich bringe kein Wort heraus, nur ein verlegenes Nicken gelingt mir. Sie strahlt mich an, „Danke, das ist soo lieb von Dir.“ Sie befestigt die Brosche an ihrem Hemd, schaut prüfend an sich herab und dreht sich dann mit einem koketten Lächeln von einer Seite zur anderen. Ein fragender Blick von ihr, „Wie für Dich geschaffen“, antworte ich. Sie tritt auf mich zu und haucht einen Kuss auf meine Lippen, der mich regelrecht in Flammen aufgehen lässt. „Danke, “ flüstert sie mir leise ins Ohr, „das ist das schönste Geschenk, daß ich jemals bekommen hab’.“ Dann tritt sie einen Schritt zurück und lächelt. „Und, was machen wir jetzt?“ Ich mache ein nachdenkliches Gesicht. „Hm, wie wäre es mit einen kleinen Diner?“ Sie nickt begeistert. „Wundervoll, ich sterbe vor Hunger.“ „Dann aber schnell, das kann ja schließlich auch keiner wollen“, antworte ich und öffne die Beifahrertür. Ich nehme ihre Hand und helfe Riella beim einsteigen. Dann steige auch ich ein, und los geht’s. Ca. 20 Minuten später halten wir vor dem Yakamoto. Das Yakamoto macht von draußen einen eher unscheinbaren Eindruck, aber das täuscht, und zwar gewaltig. Kaum hat sich die Eingangstür hinter einem geschlossen, fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Alles strahlt eine geradezu unheimliche Ruhe und Gelassenheit aus. Indirekte Beleuchtung, gedämpfte Musik, und das Design erinnert an eine japanische Berglandschaft. Der Boden wirkt wie unbehauener Fels, es gibt Mulden und Erhebungen, in der Mitte des Raumes erhebt sich ein ca. 4m hoher Felsblock, aus dem ein kleiner Wasserfall sprudelt. Es gibt viele Ecken und Winkel, die den Raum etwas unübersichtlich machen, aber eine Atmosphäre von Abgeschiedenheit und Ruhe erzeugen. Obwohl man den gesamten Raum mit vielleicht 2 Dutzend Schritten durchqueren könnte, wirkt er aufgrund der verwinkelten Struktur und der natürlichen „Separees“ wesentlich größer. Keine besonders gute Location für ein Gefecht, stelle ich am Rande fest, kaum freies Schussfeld, zu großes Risiko, Unbeteiligte zu treffen. Aber das ist jetzt sekundär, schließlich bin ich aus anderen Gründen hier. Antoine, der Maitre, begleitet uns zu unserem Tisch. Ich habe ein stilechtes, 9-gängiges TeppanYaki-Menü geordert, am Tisch zubereitet, wie es sich gehört. Wir haben kaum Platz genommen, da erscheint auch schon wie aus dem Nichts der Ober, ein Zwerg mir unverkennbarem Hang zur Weitschweifigkeit. Die nächsten 8 Minuten gehören erstmal Ihm, er erklärt Zutaten und Zubereitung der einzelnen Gänge und gibt gleich dazu unaufdringlich Ratschläge zur Wahl der passenden Getränke. Wir überlassen uns ganz seinem fachmännischem Urteil und ordern, was er uns empfiehlt. Eine gute Wahl, wie sich herausstellen sollte. Kaum ist es mit unserer Bestellung davongeeilt, tritt auch schon der Koch an den Tisch. Er schiebt einen kleinen Wagen vor sich her, auf dem alles untergebracht ist, was er in den nächsten Stunden benötigt. Er stellt sich vor, Meister Watanabe, und beglückwünscht uns zu unserer Wahl. Was dann folgt, lässt sich mit Worten nur schwer erklären. Seine Messer beginnen einen rasanten Tanz auf der im Tisch eingelassenen Herdplatte, so daß es selbst mir mit meinen verdrahteten Reflexen schwer fällt, den blitzenden Klingen zu folgen. Es ist einfach eine Augenweide, Meister Watanabe bei der Zubereitung unseres Essens zuzusehen. Er beherrscht sein Instrumentarium perfekt, lässt keinen Augenblick Langeweile aufkommen. Ist ein Gang fertig und serviert, tritt er einen Moment zur Seite, um uns genügend Zeit zum Genießen seiner Kreationen zu lassen. Auf Riellas verwunderten Blick erklärt er, daß man die Sinneseindrücke nicht mischen sollte, deshalb beginnt er erst mit der Zubereitung eines neuen Ganges, wenn der

vorherige beendet ist. So wären wir wieder aufnahmefähiger für seine Kunst und das Essen verkäme nicht zur puren Nahrungsaufnahme, sondern wäre ein Fest, daß alle Sinne anspricht. Es dauert fast 4 Stunden, bis wir alle 9 Gänge abgearbeitet haben, dann lässt Meister Watanabe ein letztes Mal seine Klingen durch die Luft wirbeln und lässt sie elegant in die am Wagen angebrachte Haltevorrichtung gleiten. Er verneigt sich und verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, daß wir seine Darbietung und das Mahl genossen haben. Wir bedanken uns für die angenehmen Stunden, die er uns bereitet hat. Ich stehe auf, gehe zu ihm und schüttle ihm die Hand. Dabei lasse ich unauffällig einen Checkstick den Besitzer wechseln und versichere ihm, daß wir uns bestimmt wieder sehen werden. Er verbeugt sich tief, wünscht uns noch einen angenehmen Abend und verschwindet. Wir entschließen uns, an die Bar zu wechseln, um den Abend mit ein paar Cocktails ausklingen zu lassen. Wir sitzen und plaudern angeregt über Gott und die Welt, und die Zeit vergeht wie im Fluge. Auf einmal ist es 2 Uhr, und wir beschließen, den Abend zu beenden. Ich begleiche die Rechnung, danke Antoine für den wundervollen Abend, dann verlassen wir das Yakamoto. Im Wagen angekommen, schenkt mir Riella ein zauberhaftes Lächeln. „Und, was machen wir jetzt?“ fragt sie. „Hm, ich hab’ da so eine Idee“, antworte ich, „lass’ Dich überraschen.“ Ich bringe uns nach Fort Lewis, wo ich vor einiger Zeit in einen Park ein fantastisches Plätzchen entdeckt habe. Dort angekommen, öffne ich den Kofferraum und hole ein in eine Decke gewickeltes Paket hervor. Wie schlendern Hand in Hand durch den Park, ca. 10 Minuten. Dann kommen wir vor einen Hügel an, der offensichtlich völlig zugewachsen ist mit einer scheinbar undurchdringlichen Dornenhecke. Kein Problem, wenn man weiß, wie es geht. Ich greife soweit in die Hecke, bis ich einen Ast ertaste, und ziehe ihn langsam zur Seite. Plötzlich gibt die gesamte Seite der Hecke nach und es öffnet sich ein schmaler Spalt, gerade breit genug um einen normal gewachsenen Menschen durchzulassen. Ich drehe mich um und lächle Riella zu. „Bitte einzutreten.“ Mit der Grazie und Geschmeidigkeit einer Katze gleitet sie durch die Lücke, ich folge ihr und lasse sich die Lücke hinter mir wieder schließen. Der Platz, den wir jetzt betreten, wirkt wie aus einen alten Märchenbuch entnommen. Ein wuchtiger Felsen dominiert die gesamte Szenerie. Durch natürlich Erosion hat sich im vorderen Teil eine Form gebildet, die an eine große, in Stein geformte Couch erinnert. Der gesamte Boden ist dick mit Moos bewachsen, so daß man das Gefühl hat, auf einem edlen Perserteppich zu gehen. An der rechten Seite des Felsens tritt eine Quelle hervor, die mit einem leisem Plätschern über das Gestein strömt und sich am Boden in einer Art von natürlichen Reservoir sammelt, bevor sie im Boden versickert. Um den Anblick abzurunden, ist die gesamte Hecke mit einem Gewächs durchsetzt, daß gerade blüht und den ganzen Ort mit einem dezenten Duft nach wilden Blumen umhüllt. Ich breite die Decke aus und öffne die darin eingerollte Kühlbox. Darin befinden sich eine Flasche Champagner, eine Schale mit frischen Erdbeeren und 2 Gläser. Ich stelle die Schale auf die Decke, öffne die Flasche und schenke 2 Gläser ein. Die Flasche lehne ich so an den Felsen, daß sie vom herabfließenden Wasser umströmt wird und damit gut gekühlt bleibt. Ich reiche Riella ein Glas, dann nehmen wir Platz. Ich lehne mit dem Rücken an Felsen, Riella legt ihren Kopf an meine Schulter, ich lege meinen Arm um sie. So liegen wir wortlos da und genießen einfach nur das Zusammensein. Wir brauchen keine Worte, ein Blick, eine sanfte Berührung, ein Gedanke genügen uns. Der Vollmond steht im Zenit und taucht die Szene in ein mildes, silbriges Licht, die Sterne funkeln am wolkenlosen Himmel, und zum ersten mal nach langer Zeit, fühle ich, wie die ständige Anspannung, in der ich als Runner nun mal lebe, völlig von mir abfällt. Ich bin nur noch ein Mann, der die Frau, die er liebt, in den Armen hält. Ich möchte diesen Moment ewig festhalten, ihn nie wieder vergehen lassen.

Offensichtlich fordert der Tag bei Riella seinen Tribut, denn ihr ruhiger, gleichmäßiger Atem verrät mir, daß sie eingeschlafen ist. Dann lasse auch ich mich endgültig fallen, und Dunkelheit umfängt mich. Irgendetwas kitzelt meine Nase. Ich werde wach, und wedle mit der Hand herum, um, was auch immer es sein mag, zu vertreiben, aber ohne Erfolg. Ich werde langsam munter, öffne die Augen und sehe Riella. Sie liegt mit dem Oberkörper auf mir und kitzelt meine Nase mit einer Strähne ihres Haares. Sie strahlt mich an und wünscht mir einen wunderschönen Morgen. Dabei spricht sie ganz leise, ein Flüstern fast nur, als wolle sie den Zauber diese Ortes nicht zerstören. Wir bleiben noch etwas liegen, schweigend, und hängen unseren Gedanken nach. Irgendwann erheben wir uns, packen die Sachen zusammen und verlassen diesen wunderbarem Ort. Auf der Rückfahrt fällt kein einziges Wort, wir sind noch zu sehr gefangen. Als wir vor Riellas Haus ankommen steige ich mit aus und begleite sie zur Tür. Sie sieht mich fragend an, „sehen wir uns wieder?“ Ich lächle sie an, „aber natürlich, sehr gern.“ Und noch bevor ich weiter sprechen kann, umarmt sie mich, presst sich an mich, und dann verschmelzen unsere Lippen in einem endlosen, zärtlichen Kuss. Irgendwann lösen wir uns fast widerwillig voneinander und schauen uns lange in die Augen. Ich erkläre ihr leise, daß ich heute Abend einen Job zu erledigen habe und sie sich keine Sorgen machen soll, falls sie 2-3 Tage nichts von mir hört. Ich muß ihr versprechen, mich sofort zu melden, wenn ich wieder da bin, dann trennen wir uns. Sie lächelt mir ein letztes mal, dann schließt sich die Tür hinter ihr. In mir kommt der dringende Wunsch auf, irgendetwas Verrücktes zu tun. Ich fühle mich wie ein Gott, könnte Bäume ausreißen und Berge versetzen. Ich lehne mich an den Kotflügel, stecke mir eine Zigarette an und genieße dieses Gefühl, von dem ich dachte, ich hätte es vor langer Zeit verloren. Ganz langsam pegelt sich mein Herzschlag wieder auf ein normales Niveau ein, das Gefühl aber bleibt. Ich bin verliebt, sie hat mich voll erwischt, mitten ins Herz. Mit diesem fantastischen Gefühl steige ich ins Auto und fahre heimwärts, denn ich habe ja noch einen Job zu erledigen. Es ist 10:34, als ich ankomme. Ich ziehe mich aus und stelle mich unter die Dusche. Das heiße Wasser macht mich schläfrig, also lege ich mich hin, nachdem ich den Wecker zu 16:00 Uhr gestellt habe. Als der Wecker loslegt, bin ich sofort hellwach. Ich springe aus dem Bett, dusche eiskalt und esse erstmal eine Kleinigkeit. Dann lege ich meine Ausrüstung zurecht. Ich ziehe mich an, dann checke ich nochmals meine üblichen Quellen, um zu sehen, ob es irgendwelche News gibt, die das Zielgebiet betreffen. K, offenbar hat sich am Status Quo nichts geändert, also bleibt alles beim Alten. Nun zur Ausrüstung. Ich munitioniere meine Waffen auf, verstaue die Wildey und die Urban Combat und mein Kampfmesser am Mann, während die Ares Alpha und die technische Ausrüstung in einer stabilen Cordura-Tasche verschwinden. Ein paar HE-Granaten und diverse Trauma-, Antidot- und Slap-Patches vervollständigen das Ensemble. Es ist mittlerweile 18:39 Uhr, also mache ich mich auf den Weg. Ich weiß nicht genau, wie lange ich bis zum Erreichen des Treffpunktes brauchen werde, deshalb lasse ich mir lieber ein kleines Zeitpolster. Ca. 25 Minuten später stelle ich meinen Wagen einige Blocks vom Zielgebiet entfernt ab, in einer kleinen Nebengasse. Von hier geht’s zu Fuß weiter. Ich betrete das Haus links von mir und begebe mich in den Keller. Dort bleibe ich stehen und packe die Tasche aus. Ich lege das TactiCom an, installiere die Verbindung und bekomme sofort 4 weitere Signale. Exzellent, die anderen sind auch schon auf dem Weg. Ich verstaue meinen Scanner in der rechten Manteltasche, den White Noise- Generator in der linken. Die Tasche lässt sich bequem zu einem handlichen Päckchen zusammenlegen, daß dann unter meinem Mantel verschwindet. Damit habe ich die

Hände frei für die Ares Alpha. Ich siehe mir eine schwarze Kevlar-Sturmhaube über den Kopf, dann bin ich einsatzbereit. Als letzte Amtshandlung hole ich den Scanner aus der Tasche, befestige ihn an meiner taktischen Weste und verbinde ihn mit meiner Datenbuchse, dann mache ich mich auf den Weg. Es ist zwar stockdunkel hier, aber meine Augensysteme ermöglichen mir eine problemlose Orientierung. Restlichtverstärkung, Infrarot und Ultrasound übereinander gelegt, so bekomme ich ein gestochen scharfes Bild von der Umgebung, als wäre alles hell erleuchtet. Ich bewege mich langsam und vorsichtig, denn ich will keine versteckten Sicherungen übersehen. Der Scanner schickt regelmäßige Signale, keinerlei technische Aktivität in meiner Nähe. Ich arbeite mich langsam durch die dunklen Gänge, immer auf eine Überraschung gefasst. Aber es bleibt alles ruhig, und so komme ich gut voran. Ich muß nur 2 einfache Zylinderschlösser knacken, dann betrete ich unser Zielgebiet. Gambit, Viper und RZA sind schon vor Ort, Blizzard müsste jeden Moment eintreffen. Es dauert keine Minute mehr, dann sind wir komplett. Wir sprechen nochmals unser Vorgehen ab, dann beginnt der eigentliche Einsatz. Wir betreten das Treppenhaus und schleichen langsam die Treppe hinab. Der Scanner verhält sich immer noch ruhig, alles bewegt sich innerhalb der normalen Parameter. Gut, wir sind da, jetzt wird es ernst. Eine letzte Tür vom Treppenhaus zur Etage. Ich führe eine Faseroptik unter der Tür hindurch und kontrolliere den Flur. Nichts, also fahre ich sie wieder ein und öffne lautlos die Tür. Am Ende des Flures liegt die Wohnung unseres Zielobjektes, also schleichen wir langsam über den Flur, in einer Formation, die es uns erlaubt, das gesamte Terrain vor und hinter uns zu sichern. Noch 10 m, noch 5, dann sind wir da. Während wir in Stellung gehen, bewegt sich plötzlich die Tür und öffnet sich einen Spalt. Sofort sind unsere Waffen im Anschlag, aber es passiert nichts. Es ist kein Laut zu hören, außer einem undefinierbaren Geräusch im Hintergrund. Irgendwas stimmt hier nicht, also bleibt uns wohl nichts außer einem Dynamic Entry. Wir verständigen und mit Gesten, jeder nimmt seinen Platz ein, dann gehen Viper und ich neben der Tür in Stellung. Viper drückt vorsichtig gegen die Tür, während ich meine Waffe in den Anschlag hebe. Die Tür schwingt langsam zurück, und wir gehen rein. Wir hechten in den Korridor, rollen sauber ab und haben schon in der Bewegung wieder unsere Waffen im Anschlag. Wir sicher den Flur und arbeiten uns langsam vor. Immer noch herrscht eine geradezu gespenstische Ruhe, während wir langsam auf den Wohnbereich zusteuern. Ich strecke meine Waffe blitzschnell um die Ecke und erfasse mit der GunCam das Zimmer, dann ziehe ich sie zurück. Viper tut dasselbe auf seiner Seite. Wir nicken uns zu, Safe. Wir gleiten lautlos ins Zimmer, das Geräusch wird unmerklich lauter. Eine Anbauwand, die gleichzeitig als Raumteiler dient, versperrt uns die Sicht. Während Viper sichert, mache ich einen schnellen Schritt um die Anbauwand herum, und erstarre für einen Moment. Ich habe unser Zielobjekt lokalisiert, zumindest das, was von ihm übrig ist. Er hängt in einem bequemen Drehsessel, der Kopf ist sauber abgetrennt. Das Geräusch, das wir die gesamte Zeit über hörten, war das Tropfen seines Blutes. Das Bild wird über das TactiCom übertragen so daß alle in diesem Moment dieses Bild zu sehen bekommen. Ich höre ein unterdrücktes Fluchen, dann sofort wieder Ruhe. Viper schließt zu mir auf, wir unterziehen den Raum einer kurzen, aber gründlichen Untersuchung. Dann plötzlich bricht die Hölle los. Die Fenster splittern, und wir werden unter Feuer genommen. Viper springt zur Seite und lässt sich fallen, während ich nach vorn hechte, abrolle und direkt unter den Fenstern zu liegen komme. Verdammter Drek, wer auch immer es ist, wer hat offensichtlich ein schweres Maschinengewehr mit ausreichend Gurt-Munition dabei. Ein schier endloser Feuerstoß verwandelt das Mobiliar in kleine Splitter, während periodisch die Geschosse aus irgendeiner großkalibrigen Waffe fast kopfgroße Löcher in die Wände reißen. Ok, ich tippe auf ein Barrett M82A1, das würde in Kadenz und Wirkung hinkommen. Ein gottverdammter Sniper auch noch, das hat uns gerade noch gefehlt. Im Moment sind wir festgenagelt, so kommen wir hier nicht weg. Plötzlich höre ich auch von draußen Schüsse, offenbar sind auch RZA, Gambit und

Blizzard in ein äußerst heftiges Feuergefecht verwickelt. Irgendjemand hat sich offenbar größte Mühe gegeben, uns auf ein für ihn günstiges Terrain zu bekommen. Aber so schnell kriegt man uns nicht, wir sind schließlich auch keine Anfänger mehr. Ich aktiviere die Faseroptik und schiebe sie langsam an der Wand hoch, dann vorsichtig über die Fensterbank. Ich sehe das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Im 2 Stock steht ein Fenster offen. Ich zoome hinein, und was ich dort zu sehen bekomme, kann ich im ersten Moment einfach nicht glauben. 2 Männer in Tarnanzügen, das ist nicht allzu außergewöhnlich, aber ihre Waffen stechen sofort ins Auge. Ein M60E5 und ein Barrett M82A1, wie ich es vermutet hatte. Das Ungewöhnliche an den Waffen ist, daß sie hochglanzverchromt sind. Welche Verrückten tragen denn SOLCHE Waffen? Ich speichere die Bilder in meinem HeadWare-Memory, damit befassen wir uns dann später. Jetzt müssen wir erstmal hier weg. Ich nehme 2 meiner HE-Granaten und verbinde sie mit etwas PowerTape. Dann lasse ich mir noch mal das Bild des Fensters einblenden. Meine mathematische SPU berechnet den korrekten Wurfwinkel in Sekunden-Bruchteilen und projiziert die Ergebnisse direkt in mein SmartLink-Interface. Ich probier die Bewegung 2-3mal, dann werfe ich das Päckchen mit einer genau abgezirkelten Bewegung zum Fenster hinaus. Über die Kamera sehe ich, wie es die Straße überfliegt und mit tödlicher Präzision das Ziel trifft. Die Explosion ist enorm, für einen Moment sehe ich nur einen grellen Blitz und eine Rauchwolke. Als der Rauch sich legt, sehe ich 2 zerfetzte Leichen und etwas Waffenschrott. Soviel also dazu. „Los, raus!“ fauche ich kurz, springe auf und rase los in Richtung Tür. Viper, der mir offenbar genug vertraut, um sich auf meine Vorgabe zu verlassen, schnellt hoch und folgt mir. Neben der Eingangstür beziehen wir Stellung. Über den Scanner kann ich sehen, daß sich Gambit, Blizzard und RZA rechts von unserer jetzigen Position befanden, wo sie hinter einigem von den Mietern zwischengelagerten Möbeln Deckung genommen hatten. Die Angreifer befanden sich links von uns, also versperrten sie uns den Weg. Sie standen direkt nebeneinander, was Viper auf eine, wie ich zugeben muß, hervorragende Idee brachte. Er erklärte mir mit kurzen Worten sein Vorhaben, und ich war äußerst angetan. Dieses Manöver dürfte unsere schießwütigen Freunde sicherlich überraschen. Wir glitten also 3-4m zurück in den Korridor, nahmen Anlauf und stürmten los. Ca. einen Meter vor der Tür sprang ich mit aller Kraft ab und warf mich seitlich zur Tür hinaus. Viper folgte mir eine knappe halbe Sekunde später. Kaum hatte die Mündung meiner Waffe den Türrahmen passiert, zog ich den Abzug durch. Beide Systeme waren aktiviert, also schoß ich Autofeuer aus beiden Läufen. Der Feuerstoß wanderte quer durch den Flur, zog eine blutige Spur über den Körper des Einen, währen eine Salve Flechettes aus Vipers SPAS 12 den Brustkorb des Anderen zerfetzte. Wir krachten hintereinander zu Boden, nur um sofort aufzuspringen und das Areal zu sichern. Unsere Gegner waren offensichtlich tot, es war erschreckend ruhig. Das war es wohl gewesen, die 3 kamen langsam aus der Deckung und schlossen zu uns auf. Viper und ich gingen ihnen entgegen, als wie aus dem Nicht eine Stimme hinter mir sagte: „Hey Junior, fang’!“ Ich wirble herum, reiße die Waffe hoch. Ca. 7-8m von mir entfernt steht ein Mann im Kampfanzug. Das wohl Auffälligste sind die beiden, hochglanzverchromten, abgesägten M79Granatwerfer, die er in einem Doppelholster trägt wie Revolver. Aber das registriere ich nur am Rande, denn mein Hauptaugenmerk gilt dem Gegenstand, den er mir zuwirft. Eine flache Scheibe, ungefähr so groß wie eine DVD und daumendick. Ich fange sie mit der linken Hand auf, während meine Rechte die Waffe weiterhin im Anschlag hält. Kaum halte ich sie in der Hand, wird mir klar, daß ich mir diesen Reflex lieber hätte verkneifen sollen, denn jetzt weiß ich, was ich in der Hand halte. Es handelt sich um eine spezielle, aerodynamische Handgranate, die explodiert, wenn ihr Flug abrupt gestoppt wird, wodurch auch immer. Ich lasse sie fallen, aber sie hat sich kaum 20cm von meiner Hand entfernt, da explodiert sie. Die Druckwelle reißt mich von den Beinen, ich segle durch die Luft. Im Flug feuere ich noch eine Granate aus der Ares Alpha ab, die den edler Spender unterhalb der Brust trifft und ihn kurzerhand in 2 Teile zerreißt. Dann

schlage ich auf dem Boden auf. Verdammt, ich fühle mich, als hätte mich ein Truck überfahren. Ich klaube mich mühsam vom Boden auf und sehe meine linke Hand an. Hab’ ich ein Glück, der Handschuh hängt in Fetzen, aber meine Hand ist unversehrt. Ich drehe mich um, um nach Viper zu sehen. Er kommt gerade hoch, schüttelt etwas benommen den Kopf und grinst. OK, er scheint es auch gut überstanden zu haben. Gambit hat ein paar handliche Beulen in seinem Brustpanzer, Blizzard hat einen Streifschuss an der rechten Schulter und RZA scheint unverletzt. Wir untersuchen die Toten gründlich, können aber keinerlei Hinweise auf ihre Identität finden. Ich mache also Aufnahmen von ihnen und ihren Waffen und speichere sie ebenfalls im HeadWare-Memory. Dann nehmen wir wieder unsere Ausgangsformation ein und bewegen uns langsam zur Tür, die ins Treppenhaus führt. Ohne weitere Zwischenfälle kommen wir wieder auf dem Dach an. Wir bleiben nur kurz dort, rüsten ab und trennen uns, wie vereinbart. Vorher treffen wir eine Übereinkunft. Wir werden in den nächsten Tagen ganz normal unseren Tagesgeschäften nachgehen, aber erstmal keine neuen Jobs annehmen. Außerdem werden wir auch untereinander Funkstille halten. Sollte in 1 Woche noch nichts passiert sein, treffen wir uns bei Gambit. Dann werden wir weitersehen, was die Herren mit den verchromten Waffen angeht. Ich schleiche mich durch die Keller zurück zu meinem Ausgangspunkt, ohne daß etwas passiert. Am Wagen angekommen, scanne ich ihn zuerst nach Sprengfallen und anderen unliebsamen Überraschungen. OK, clear. Ich steige ein und fahre heimwärts. Ich möchte jetzt nur noch heiß duschen, eine Kleinigkeit essen und dann ins Bett fallen. Und genau in dieser Reihenfolge handle ich die Sache ab. Und morgen rufe ich Riella an, ich möchte irgendwas mit ihr unternehmen. Mal sehen, wohin es uns diesmal verschlägt …………..

Chapter Five

10:18 Uhr, ich werde langsam wach. Irgendwie fühlt sich mein Körper an, als hätte ich einen Frontalzusammenstoß mit einem GMC Striker gehabt. Die Granate hat doch einige Spuren hinterlassen. Äußerlich sind fast keine Spuren vorhanden, wenn man von dem Bluterguss in der Größe Pomoryas absieht, der meinen Rücken ziert. Meine rechte Hand fühlt sich noch etwas taub an, aber das ist nicht weiter hinderlich. In den nächsten Tagen werde ich sowieso keine Aufträge übernehmen. Ich kann mich also voll und ganz Riella widmen. Ich springe aus dem Bett, ab unter die Dusche. Dann mache ich mir ein ordentliches Frühstück, mit einer großen Kanne Kaffee und einer Zigarette als krönendem Abschluss. Danach sichte ich meine Ausrüstung. Hm, der Duster hat es überstanden, meine taktische Weste ebenfalls. Offensichtlich war diese Granate mehr auf Spreng-, als auf Splitterwirkung ausgelegt. Mit einer guten, alten F1 wäre der Stunt nicht so glimpflich abgegangen. Der rechte Handschuh ist aber definitiv hinüber, da ist nichts zu machen. Also geht er ab durch den Müllentsorger, den Linken hebe ich erstmal auf. Meine Waffen unterziehe ich einer gründlichen Reinigung und Wartung, munitioniere sie wieder vollständig auf. Dann setze ich mich an mein Terminal, kontrolliere den Posteingang und treibe mich noch etwas in der Matrix herum. Alles im grünen Bereich, ich

erkenne keine Anzeichen für ungewöhnliche Aktivitäten. Offenbar haben unsere Gegner sich vorerst für ein rein physisches Schlachtfeld entschieden. Gut, ich gehe wieder offline, ziehe mich an und räume erstmal auf. Mittlerweile ist es 11:37 Uhr, ich könnte Riella anrufen. Gesagt, getan, ich setze mich zurück ans Terminal und stelle die Verbindung her. Es dauert keine 30 Sekunden, dann nimmt sie den Anruf an. Ihr wundervolles, kupferrotes Haar ist völlig nass, und sie trägt nur einen knappen schwarzen Kimono, der die Konturen ihres atemberaubenden Körpers ahnen lässt. In den Händen hält sie ein schwarz-rotes Badetuch, offensichtlich kommt sie gerade aus der Dusche. Sie nimmt auf einen bequemen, sandfarbenen Couch Platz und strahlt mich an. „Guten Morgen, mein Schatz“, haucht sie, und ihre Stimme jagt mir einen heißen Schauer über den gesamten Körper. Noch ehe ich antworten kann, fährt sie fort, „Hast Du eventuell etwas Zeit? Ich würde Dir gern etwas zeigen, eine Überraschung.“ Ich bin erstmal sprachlos, damit hatte ich nicht gerechnet. „Aber natürlich, wann immer Du willst“, antworte ich. „Wundervoll, dann bin ich in einer halben Stunde bei Dir. Bis bald, ich freu’ mich drauf“ sagt sie, wirft mir eine Kusshand zu und ist schon wieder verschwunden. Wow, ich bin wirklich verblüfft, damit hatte ich nicht gerechnet. Also gut, ich ziehe mich um, ein nachtblauer Armanté Executive Suit sollte angemessen sein. Leichte Bewaffnung sollte genügen, die Wildey verschwindet im Tarnholster unter der linken Achsel. Ein Paar farblich zum Anzug passende Halbschuhe und ein langer Mantel vervollständigen mein Outfit. Laut meiner Retinauhr habe ich noch 14 Minuten, also verlasse ich meine Wohnung, aktiviere das Sicherheitssystem und hole schon mal den BMW aus der kleinen Garage, die ich auf dem Hof angemietet habe. Ich parke ihn genau vor den Hauseingang und steige wieder aus. In diesem Moment kommt 2 Querstrassen weiter ein schwarzer Ford Americar um die Ecke und nähert sich langsam meiner Position. Ich aktiviere die elektronische Vergrößerung meiner Cyberaugen, maximaler Zoom. Ah, dachte ich es mir doch, es ist Riella. Sie parkt ein paar Meter hinter meinem BMW, steigt aus und kommt mit einem hinreißenden Lächeln auf mich zu. Plötzlich schlagen alle meine Sinne Alarm, irgendwas stimmt nicht. Ich sehe mich um, scanne die Umgebung. Dort, dieses Fenster, nur einen Spaltbreit geöffnet, war eben noch geschlossen. Ich ahne die Bewegung mehr, als ich sie sehe, ein Gegenstand bewegt sich langsam in die Öffnung. Ich höre ein dumpfes Geräusch, eindeutig ein Schuß. Meine hochgepushten Reflexe lassen mich reagieren, ohne nachzudenken, ich werfe mich nach vorn, um Riella, die inzwischen nur noch ca. 2 Meter von mir entfernt ist, zu schützen. Ich spüre den Luftzug, als das Projektil mich nur um Millimeter verfehlt, dann bricht Riella zusammen. An ihrer rechten Schläfe sehe ich eine blutende Wunde, während ich zu Boden krache. Der Schütze feuert ungebremst weiter, offensichtlich verfügt er über ein halbautomatisches Gewehr. Um uns herum schlagen die Kugeln ein und surren als Querschläger unkontrolliert durch die Gegend. Hm, er versucht offenbar, dadurch noch einen Zufallstreffer zu landen. Ich ziehe Riella schnell hinter den BMW, hier haben wir wenigstens etwas Deckung. Verdammt, der Punk hat uns festgenagelt, aber wir müssen hier weg, koste es, was es wolle. Ich hebe die Wildey, die ich schon im Sprung gezogen habe, leicht über die Motorhaube und feuere blind ein paar Kugeln in seine Richtung, während ich mit der linken Riellas Puls überprüfe. Er ist regelmäßig, aber sehr schwach. Sie braucht ärztliche Hilfe, und zwar schnellstens. Ich öffne die Beifahrertür, schiebe mich langsam in den Wagen, dann ziehe ich Riella vorsichtig auf den Beifahrersitz und verriegele sofort wieder die Türen. Der Schütze hat augenscheinlich bemerkt, was ich vorhabe und beginnt, die Fahrerseite zu beharken. Die Projektile prallen dank der extremen Panzerung einfach ab, ich kann aber nicht sagen, wie lange die Fenster diesem konzentrierten Beschuss standhalten. Also nichts wie weg, ich starte den Motor und ramme meinen Fuß auf das Gaspedal. Die hochgetunten 812 Pferde unter der Motorhaube antworten mit einem wütenden Aufbrüllen, dann schießt die schwere Limousine aus der Parklücke.

Die nächste Klinik ist ca. 15 Minuten von hier entfernt, dort leisten die Ärzte hervorragende Arbeit, wie ich selbst schon einige Male feststellen konnte. Außerdem stellen sie keine Fragen, wenn nur der Preis stimmt. Genau 6:32 Minuten später komme ich mit qualmenden Reifen vor der Klinik zum stehen. Ich springe aus dem Wagen, hebe Riella vom Beifahrersitz und trage sie im Laufschritt in die Notaufnahme. Sofort eilen von allen Seiten Ärzte und Schwestern herbei, das medizinische Procedere nimmt seinen Lauf. Der Oberarzt stellt mir ein paar grundlegende Fragen, dann wird Riella sofort in den OP gefahren. Der Mann ist ein Profi durch und durch, er bellt ein paar kurze Anweisungen in den Raum, jeder bekommt seine Aufgabe zugewiesen. Die Truppe ist ein eingespieltes Team, jeder weiß offensichtlich, was er zu tun hat. Innerhalb weniger Sekunden sind alle Prioritäten geklärt, und ich sehe, wie sich die Türen hinter den Ärzten schließen, die schon in der Bewegung erste Hilfsmaßnahmen einleiten. Für mich gibt es hier jetzt nichts mehr zu tun, ich begebe mich zur Kasse, drücke der diensthabenden Schwester meinen Platin-Cred in die Hand und weise sie an, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Riellas Leben zu retten, egal, was es kostet. Die Schwester versichert mir, daß alles Menschenmögliche getan wird, dann bittet sie mich, eine Kontaktmöglichkeit zu hinterlassen, falls sich eine Absprache zu finanziellen Fragen erforderlich macht. Ich hinterlasse eine Nummer, die über einige tote Links zu meinem CybercomLink führt, so daß ich jederzeit erreichbar bin. Dann verlasse ich die Klinik und steige wieder in meinen Wagen. Als ich mich gesetzt habe, fällt die Anspannung der letzten Minuten von mir ab. Ich lehne mich zurück und atme tief durch und versuche, einigermaßen Ordnung in das Chaos in meinem Kopf zu bringen. Am liebsten würde ich einfach losheulen, aber Dank meiner wundervollen, hochtechnisierten Cyberaugen habe ich diese Fähigkeit für immer verloren. Ich schreie voller Wut und Verzweiflung auf und hämmere meine Fäuste auf das Armaturenbrett, das unter der Belastung knirscht und knarrt. Doch dann spüre ich, wie irgendwo trief in mir ein anderes Gefühl aufkommt, HASS, rasender, unmenschlicher Hass. Ich habe nichts dagegen, daß sie versuchen, mich zu töten, so sind nun mal die Regeln, aber mit diesem Attentat haben sie eindeutig bei weitem die Grenze dessen überschritten, was ich hinzunehmen bereit bin. Dieser eine Schuß hat alle moralisch-ethischen Schranken in mir niedergerissen, und irgendjemand wird dafür einen hohen Preis zahlen. Urplötzlich ist in mir nur noch eiskalte Professionalität, es ist Krieg, und wer auch immer dafür verantwortlich ist, wird feststellen, daß er sich damit auf ein Spiel eingelassen hat, dessen Regeln ich perfekt beherrsche. Ich fahre erstmal in Richtung Heimat, ich muß einige Vorbereitungen treffen. Ich nehme einen Umweg, so daß ich über einige Höfe an die Position des Schützen herankomme. Ich betrete das Haus durch den Hinterausgang und schleiche mich langsam in die 2. Etage. Es gibt nur eine Tür, die in Frage kommt, rein von der Position her. Ich fahre meine Audiovercyberung hoch, aber es ist kein Laut zu hören. Die Tür scheint doch dicker zu sein, als man im ersten Moment annehmen möchte. Gut, dann also auf die harte Tour, ich trete 2 Schritte zurück und werfe mich mit aller Gewalt gegen die Tür. In einen Hagel von Holz- und Metallsplittern breche ich durch die Tür, rolle drinnen sauber ab und komme, die Waffe bereits im Anschlag, wieder hoch. Der Raum ist relativ klein, vielleicht 14 m², und völlig leer, bis auf einen alten Tisch und 2 Stühle. Es gibt keine weiteren Räume, wie mir ein schneller Blick bestätigt. Ich gehe zum Fenster, werfe einen Blick hinaus. Genau, wie ich es vermutet hatte, hier hatte der Schütze Position bezogen. Ich trete zurück, da lässt mich ein metallisches Geräusch abrupt verharren. Ich aktiviere die optische Vergrößerung und sehe mir den Boden genauer an. In einer Ritze zwischen den Dielen entdecke ich etwas sehr interessantes. Eine Patronenhülse, sauber in die Ritze eingepasst. Hm, manchmal

muß man eben einfach auch etwas Glück haben. Die Ritze ist nur minimal breiter als die Hülse, ich muß meine Nagelmesser ausfahren, um sie herauszubekommen. Kaliber .308 NATO, immer noch äußerst beliebt und in diversen G7-Varianten verwendet. Ich stecke die Hülse ein, mehr gibt es hier offensichtlich nicht zu tun. Also begebe ich mich zurück zu meinem Wagen und fahre direkt nachhause. Dort angekommen, ziehe ich mich erstmal komplett aus und stelle mich unter die Dusche. Das eiskalte Wasser prasselt auf meinen Körper, aber ich nehme die Kälte kaum wahr. Ich überdenke mein weiteres Vorgehen. Als erstes rufe ich Traxx an, meinen alten Freund und Schieber. Er dürfte alles in seinem Repertoire haben, was ich jetzt brauche. Es dauert ca. 30 Sekunden, ich kenne das Procedere bereits. Traxx verfügt über ein fast genauso paranoides Sicherheitsbedürfnis wie ich. Der letzte DeadLink ist abgearbeitet, er meldet sich wie üblich. Ich komme ohne Umschweife zur Sache, als er mich unterbricht. „Was ist passiert? Ich weiß, daß es mich nichts angeht, aber in Deiner Stimme ist etwas, das mir Angst macht.“ Verdammt, der alte Traxx ist wirklich gut, er hat sofort gemerkt, daß ich innerlich vor Wut rase. So ka, was soll’s? Ich gebe ihm einen kurzen Abriss der Geschehnisse, er hört mir schweigend zu. Dann räuspert er sich, er scheint offensichtlich zu überlegen, wie er sich am besten ausdrückt. „Kann ich irgendwas für Dich tun?“ fragt er schließlich leise. Hm, ich weiß immer noch nicht, ob der Schuß mir oder Riella galt, deshalb würde ich es gern sehen, wenn jemand auf sie aufpasst, während sie in der Klinik liegt. Wer auch immer es war, vielleicht unternimmt er einen 2. Versuch. Traxx überlegt einen Moment, dann sagt er: „ ich glaube, ich hab’ da jemanden, der Dir helfen könnte. Ein neues Talent, noch nicht allzu lange in der Stadt, aber mit guten Referenzen von außerhalb. Wenn Du Wert darauf legst, würde ich den Kontakt für Dich herstellen.“ Gut, ich nehme das Angebot natürlich an, Traxx weiß, wie er den Kontakt herzustellen hat „Er wird sich schnellstens bei Dir melden, gibt es sonst noch etwas, was Du brauchst?“ Jetzt wird es interessant, Traxx war schon immer ein Zauberer, wenn es um die Beschaffung von Materialien aller Art ging. „Ich brauche massive Feuerkraft, das schwerste, was verfügbar ist, Sprengstoff, Zünder, Munition und einige Kleinigkeiten.“, antworte ich kurz. Er denkt einen Moment nach, dann sagt er, „ Komm’ vorbei, ich denke, ich habe genau, was Du brauchst.“ Genau das wollte ich hören, wir kommen überein, daß ich in ca. einer Stunde bei ihm sein werde, dann beenden wir unser Gespräch. Ich rüste erstmal auf, Körperpanzerung nach Maß, Lederklamotten, eine Weste mit extra Panzerplatten, darüber den schweren Duster. Dann geht es ans Eingemachte, ich packe alle verfügbaren Waffen aus. Die Ares Alpha, die Wildey, die HK Urban Combat. Mein Messer, ein paar HE-Granaten und reichlich Munition vervollständigen das Arsenal. Was ich momentan nicht am Körper unterbringen kann, wandert in eine stabile, schwarze Cordura-Tasche. Dann mache ich mich auf den Weg zu Traxx. Ich will gerade zur Tür hinaus, da meldet sich mein CybercomLink. Ich checke die Quelle, hm, keine Nummernanzeige, offenbar ein DeadLink. Ich nehme das Gespräch an und stutze einen Moment, als ich die Stimme am anderen Ende der Leitung höre. Es ist Viper, verdammt, damit hatte ich nicht gerechnet. Er ist offenbar genauso überrascht wie ich, fängt sich aber sehr schnell wieder. „Chummer, was kann ich für Dich tun?“, fragt er ganz ohne Umschweife. Hm, ich stecke etwas in der Zwickmühle, eigentlich wollten wir ja keine Jobs annehmen für eine Woche. Er spürt offenbar meine Unentschlossenheit, denn er kommt gleich zur Sache. „ Hey, wir haben zusammen gekämpft, und ich lasse keinen Chummer allein in den Krieg ziehen und sehe zu, wie er vielleicht draufgeht. Also keine Widerrede, sag’ mir einfach, was ich tun soll, so ka?“ OK, ich schildere ihm kurz die Situation und meine Vorstellungen. Er überlegt kurz, dann sagt er, „ Gut, ich mach’ mich gleich auf den Weg. Sollten Sie es noch mal probieren, werden sie sich wünschen, sie wären heute im Bett geblieben.“ Er fragt noch einige Daten ab, dann verabschiedet er sich. Er will so schnell wie möglich in die Klinik, jede Sekunde zählt. Ich will verdammt sein, DAS hatte ich nicht erwartet. Aber es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, daß es da jemanden gibt, der vor nichts zurückschreckt, um Riellas

Leben zu verteidigen. Und die Umsicht, mit der er bei unserem kurzen Geplänkel mit den Chrom-Fetischisten an den Tag legte, zeigt mir, daß er durchaus weiß, wovon er spricht, und daß er durchaus über die Fähigkeiten verfügt, seine Drohung wahr zu machen. Nachdem das also auch erledigt ist, mache ich mich auf den Weg zu Traxx. Ich betrete das Lager, wie Traxx es immer zu nennen pflegt. Kaum hat sich die Tür hinter mir geschlossen, kommt er auch schon aus dem hinteren Teil der Räumlichkeiten auf mich zu. „Hey Mann, das ist eine verdammte Schweinerei, was da passiert ist.“, grollt er. „Wer sich an Unbeteiligten vergreift, hat in unserem Business nichts zu suchen. Also wenn Du irgendwas Spezielles brauchst, nur raus damit, ich werde sehen, was ich tun kann.“ Er überlegt kurz, dann winkt er mir, ihm zu folgen. Er führt mich in die hinteren Räume, das Allerheiligste, dorthin, wo sonst nie ein Kunde kommt. Er verriegelt die Tür hinter uns, dann geht es über eine lange, steile Treppe in ein riesiges Kellergewölbe. Es ist nicht zu fassen, das Areal umfasst mindestens das Gebiet eines gesamten Blockes. Auf meinen fragenden Blick lächelt er verhalten. „ Wir befinden uns unterhalb der normalen Infrastruktur. Keller, Leitungen und selbst die Kanalisation verlaufen einige Meter über uns. Hier ist man so sicher wie in Abrahams Schoß. Sollen sie von mir aus das ganze Gebäude abtragen, diese Räume werden sie niemals finden. Wenn die Sicherung aktiviert ist, würdest Du den Zugang nicht mal finden, wenn Du direkt davor stehst, egal welche Tech Du dabei hast. Außerdem hat das Gewölbe etliche Ausgänge, für den Fall der Fälle.“ Erstaunlich, der alte Traxx hat sich hier wirklich einen ziemlich beachtliches, unterirdisches Reich geschaffen. Inzwischen sind wir in einen ca. 250 m ² umfassenden Raum angekommen. Überall stehen Schränke und Regale mit den verschiedensten Waffen und Zubehörteilen. Traxx macht eine ausholende Geste, „Sieh’ Dich um, falls Du zu irgendeinem Teil Fragen hast, nur zu.“ Gut, dann wollen wir doch mal sehen, was für Schätze sich hier verbergen. Meine Wahl fällt relativ schnell auf ein Barrett M95A6 MKII. Die 12,7 mm-Geschosse wiegen fast 50 Gramm, das durchschlägt jede gängige Panzerung, selbst leichte und mittlere Militärpanzerung kann da nicht standhalten. Genau das Richtige, genommen. Traxx kommt herangeschlendert und nimmt mich am Arm. „Komm’ mal kurz her, ich glaube, ich hab’ für das Spielzeug genau die richtige Munition.“ Er führt mich zu einem riesigen Panzerschrank, der aussieht, als könnte er selbst einen Thermonuklearschlag unbeschadet überstehen. Er öffnet bedächtig die massive Tür, die eigentlich mehr an ein Tor erinnert. Er kramt kurz im Inneren herum, dann kommt er mit einer olivgrünen Metallkiste wieder zum Vorschein. Er geht zu einem kleinen, aber sehr stabilen Tisch und wuchtet die Kiste darauf. Obwohl der Tisch augenscheinlich äußerst massiv ist, ächzt er unter der Last. Traxx öffnet fast ehrfürchtig den Deckel der Kiste und tritt einen Schritt zurück. „:50 BMG, beschichtet mit abgereichertem Uran 235, Kern aus massiver Bronze. Das Uran ist haargenau so abgestimmt, daß beim Aufschlag die kritische Masse überschritten wird. Du bekommst also eine kurze, aber äußerst heftige Kettenreaktion. Gottverdammt, ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein einziges Geschoß einem Troll, der in einer schweren Militärpanzerung steckte, innerhalb von Sekundenbruchteilen ein fußballgroßes Loch DURCH den gesamten Brustkorb brannte. Eine irre Sauerei, sehr zu empfehlen.“ OK, ich greife in die Tasche, um meinen CredStick zu zücken, da schüttelt er den Kopf. „Du hast heute unbegrenzten Kredit, nimm Dir, was immer Du brauchst.“, sagt er leise. Ich kann nichts mehr sagen, nur noch ein Nicken bringe ich zustande. Ich nehme 4 Magazine zu je 5 Schuß aus der Kiste, das sollte genügen. Dann wende ich mich einem Waffenständer zu, der einige Meter weiter steht. Traxx bemerkt meinen Blick und lächelt. Er tritt heran und beginnt zu dozieren. „M134 Vulcan, Kaliber .223 Remington, hülsenlos natürlich. Das Baby verschießt 100 Projektile pro SEKUNDE, auf bis zu 500 Meter genau. Ein alter Freund hat sie komplett überarbeitet und ein revolutionäres Dämpfungssystem entwickelt. Damit schießt sie

quasi rückstoßfrei, selbst bei extrem langen Feuerstößen. Wenn Du es mit einer größeren Menge von Gegnern zu tun hast, die allererste Wahl. Der Munitionsbehälter fasst 2500 Schuß, was in Anbetracht der geringen Ausmaße absolut erstaunlich ist. In Marschlage befindet sich die Waffe an der rechten Seite des Behälters, bei Bedarf wird über SmartLink ein Gyro-System aktiviert, daß die Waffe mit rotierendem Laufbündel direkt in die Hände des Schützen legt. Natürlich ist das gesamte System 100% SmartLink-kompatibel. Wenn Du Interesse hast, leg’ sie ruhig mal an.“ Natürlich habe ich Interesse, also lege ich die Waffe an. Sie ist schon im Ruhezustand perfekt ausbalanciert, und erstaunlich leicht für ihre Komplexität. Ich aktiviere mein SmartLink, ein leises, surrendes Geräusch ertönt, und die Waffe legt sich mir wirklich regelrecht in die Hände. Ich deaktiviere das System, die Waffe bewegt sich zurück in ihre ursprüngliche Position. Gut, das sollte erstmal reichen, was die Waffen angeht. Etwas Munition nehme ich noch mit, 10 Magazine Ex-Explosiv für jede Waffe, dazu 6 HE-Granaten. 5 kg C12-Sprengstoff, und ich habe alles, was ich brauche. Traxx überlegt einen Moment, dann räuspert er sich. „Hör’ mal, ich hab’ da gerade was ganz Besonderes bekommen.“ Er senkt seine Stimme zu einem verschwörerischen Murmeln. „100 Liter AstroLite.“ Ich will verdammt sein, AstroLite. Ein international geächteter Flüssigsprengstoff von geradezu abnormer Zerstörungskraft. Was ihn so besonders macht, ist, daß er nicht aufzuspüren ist. Trotz aller Versuche ist es bis Dato nicht gelungen, einen auch nur ansatzweise funktionierenden Scanner zu entwickeln, der auf diese Substanz anspricht. Sie verbindet sich unsichtbar mit jeder Art von Oberfläche, und kann mit fast jeder erdenklichen Zündquelle gezündet werden. Egal, ob es sich um einen Funkzünder, ein Leuchtspurgeschoß oder einen simplen Brandsatz handelt. „Nehm’ ich, “ , sage ich. „20 Liter reichen mir.“ Traxx nickt. „Dieser Stoff ist anders als das normale AstroLite. Ich kenne einen sehr begabten, jungen Chemiker, der hat ihn etwas verändert. Er kann jetzt nur noch über einen speziellen Micro-Sender gezündet werden. Damit vermeidest Du ungewollte, zufällige Zündung.“ Er legt ein flaches Etui auf den Tisch, das 10 gerade mal fingernagelgroße Plättchen enthält. Daneben liegt ein kugelschreibergroßes Instrument, mit dem man, wie mir Traxx erklärt, die Zünder auf eine bestimmte, frei wählbare Frequenz codieren kann. „OK, das sollte es eigentl…,“ kann ich gerade noch sagen, da fällt mir Traxx ins Wort. „Moment, das hätte ich ja beinahe vergessen, ich habe da noch ein ganz besonderes Stück für Dich. Einen Moment.“ Damit dreht er sich um, geht zu einer unscheinbar aussehenden Kiste, die einige Meter von uns entfernt an der Wand steht. Er öffnet sie und entnimmt ihr ein Katana. Er reicht es mir mit dem Griff voran. Es liegt fantastisch in der Hand, irgendwie fühlt es sich seltsam ungewohnt an, aber es bewegt sich wie eine natürliche Verlängerung meines Armes. Traxx Grinst kurz. „ Die Klinge besteht aus einer Titan-WolframLegierung, Dikote-beschichtet. Da haben wir es wieder, Dikote. Diese im Plasmaverfahren aufgebrachte Diamantschicht macht eine simple Klinge zu einer echten Gefahr. Ich habe gesehen, wie ein Armbrustbolzen mit Dikote-beschichteter Spitze eine gepanzerte Autotür durchschlug und auf der anderen Seite des Wagens blutverschmiert wieder austrat. Soviel also dazu. Traxx weist auf einen fast unsichtbar angebrachten Mechanismus oben am Griff. Damit aktiviert man den Vibro-Effekt. Dabei beginnt die Klinge so hochfrequent zu schwingen, daß sie sich durch fast jedes Material geradezu hindurchbrennt. Ich nicke beifällig und lasse die Klinge in den Falten meines Dusters verschwinden. Ich schaue Traxx fragend an, er macht eine beendende Geste. Gut, das war es erstmal. Wir tragen alles nach oben, dann aktiviert Traxx wieder die Sicherung des Zuganges. Inzwischen beginne ich, einzupacken. Das zerlegte Barrett kommt in die Tasche, genauso die Munition, die Granaten und das C12. Die Vulcan hänge ich mir über die Schulter, den Kanister AstroLite befestige ich seitlich an der Tasche. Dann bin ich abmarschbereit. Traxx drückt mir die Hand, wir nicken uns wortlos zu. Dann mache ich kehrt, nehme die Tasche und gehe zum Ausgang. Ich habe die Tür fast erreicht, da höre ich Traxx’ Stimme leise hinter mir. „Viel Glück……….Lass’ sie nicht davonkommen.“ Ich hebe wortlos die geballte Recht und

verlasse, ohne mich umzudrehen, das Lager.

Chapter Six

Ich fahre ein letztes Mal in meine Wohnung, es gibt noch einiges zu erledigen. Ich muß die Hülse untersuchen und ein paar Kontakte pflegen. Ich betrete den Flur, verriegle die Tür hinter mir und fahre das Sicherheitssystem auf DefCon I hoch. Ab jetzt wird jeder Versuch, unautorisiert einzudringen, zu einem lethalen Lotterie-Spiel. Ich lege meine Panzerung ab und räume die Tasche aus. Dann nehme ich mir die Hülse vor. Ich bin Dank meiner technischen Ausrüstung in der Lage, selbst komplexe chemische oder mechanische Analysen vorzunehmen. Also, schauen wir mal, was das gute Stück mir zu erzählen hat. Ich spanne die Hülse in einen speziell dafür vorgesehenen Objektträger ein und beginne mit der Untersuchung. Hm, Fingerabdrücke sind nicht vorhanden, aber damit hatte ich auch nicht ernsthaft gerechnet. Aber der Hülsenboden hält eine Überraschung für mich bereit. Der Abdruck des Schlagbolzens ist extrem außergewöhnlich. Offensichtlich ist er irgendwann mal unmerklich gesplittert, ohne daß es die Funktion der Waffe beeinflusst hätte. Aber der Abdruck ist einmalig, diese Form habe ich noch nie gesehen. Damit lässt sich arbeiten. Ich speise die Bilder der hochauflösenden 3D-HoloCam in mein Terminal ein und begebe mich mit höchster Sicherheitsstufe in die Matrix. Meine Masken-Utilities sind wirklich erstklassig, ich schleiche wie ein Schatten durch diese surreale Welt. Ich erreiche ShadowLand ohne Zwischenfälle und beginne sofort mit der Recherche. Es dauert eine etwas länger, ich muß mir erstmal einen Überblick verschaffen. Ich arbeite schnell und methodisch, aber leider will sich der Erfolg nicht einstellen. Die Datenbanken hier sind wirklich erstklassig, aber dieser eine Abdruck ist nicht zu finden. Also ändere ich meine Such-Parameter, erweitere die Suche. Nichts, verdammt. Es ist zum verrückt werden, diese Waffe scheint noch nie in Erscheinung getreten zu sein. Die Zeit vergeht, ich bin seit Stunden hier und suche hochkonzentriert nach irgendeinem Hinweis, Link oder Querverweis. Irgendwann breche ich die Suche ab, es ist offenbar sinnlos, ich verschwende nur meine Zeit. Ich will schon gehen, da sehe ich eine kleine, unscheinbare Sammlung von Dateien, die rein von ihrer Bezeichnung her völlig irrelevant sind. Mehr um einen Schlusspunkt zu setzen, als in dem Glauben, dort fündig zu werden, öffne ich das Paket. Es entpuppt sich als ein Haupttreffer, wenige Daten, aber höchst interessant. Das Paket ist extrem in sich verschachtelt, ich folge fieberhaft den einzelnen Datenpfaden, als ich abrupt verharre. Dort ist er, ganz eindeutig. Ich lege die Bilder übereinander, sie werden zu einem. Bingo, das ist er. Sehr interessant, ich hatte also Recht, ein G8 SG4 A3. Vor 3 Jahren ist es bei einem Militärtransport innerhalb von Seattle verloren gegangen. Jetzt erinnere ich mich, die Sache hatte damals reichlich Staub aufgewirbelt. Die Täter waren nicht gerade durch übermäßige Professionalität aufgefallen, ganz im Gegenteil. Die Bilder im Trid zeigten ein regelrechtes Schlachtfeld, Blut, Trümmer, zerstörte, ausgebrannte

Fahrzeuge und eine Menge Leichen. Genau, ich erinnere mich noch genau an den kollektiven Aufschrei, der durch alle Medien ging. Schnell waren jede Menge profilierungssüchtige Politiker und Polizeioffiziere mit den Hang zur Öffentlichkeit zur Stelle, die alle quasi im Chor beteuerten, daß diese “furchtbare Untat, die mit absoluter Sicherheit das Werk irgendwelcher Shadowrunner war“, natürlich nicht ungesühnt bleiben werde. Na ja, dann folgte das Übliche. Solange die Medien präsent waren, wurde mit Feuereifer ermittelt, in alle Richtungen. Aber mit dem Nachlassen des öffentlichen Interesses flauten auch die Bemühungen der Ermittler ab, bis irgendwann kein Hahn mehr danach krähte. Jedes Ding hat nun mal seine Halbwertzeit, und diese liegt oft recht niedrig. Auf jeden Fall wurden die Täter nie ermittelt. Vielleicht kann ich ja jetzt etwas Licht in diese Angelegenheit bringen. Mitten in diesem Wust von Daten finde ich irgendwann einen Namen: Aleister Crowley. Damit ist der Anfang gemacht, ich werde mich also auf die Jagd begeben, und wenn ich ihn erwische, wird er mir einige Fragen zu beantworten haben. Der Einfachheit halber durchsuche ich ShadowLand auch gleich nach Mr. Crowley. Hm, höchst interessant, der gute Mann scheint ja ein richtiges Herzchen zu sein. Dem Vernehmen nach gehen mindestens 3 Dutzend Attentate, Überfälle und Entführungen auf sein Konto. Nachweisen konnte man ihm nie etwas, da er prinzipiell keine Zeugen zurückließ. Ich finde noch einige Daten zu Aufenthaltsorten, Beziehungen und Verbindungen, alles sehr mysteriös. Als ich mir sicher bin, daß ich alle relevanten Dateien gespeichert habe, verlasse ich ShadowLand und sehe mich noch etwas in einigen öffentlichen Datenbanken um. Auch dort finde ich noch einige, wenn auch nicht allzu konkrete Hinweise. Alles in allem kann ich aber ganz zufrieden sein, das war mehr, als ich mir erhofft hatte. Also gehe ich wieder offline. Nachdem ich mich ausgeloggt habe, stelle ich fest, daß mein kurzer Ausflug in die Matrix fast 18 Stunden gedauert hat. Hm, erstaunlich, ich hätte maximal 4 Stunden veranschlagt. Aber die Zeit war gut investiert, die Ergebnisse sprechen für sich. Der vielversprechendste Hinweis auf den Aufenthaltsort von Mr. Crowley ist eine Location in Redmond, dort werde mit meiner Suche beginnen. Aber vorher muß ich einpaar Stunden schlafen, ich muß ausgeruht sein, wenn ich in den Krieg ziehe. Als ich wach werde, ist es 03:41 Uhr. Ich fühle mich frisch und ausgeruht. Ich dusche ausgiebig, mache mir ein ordentliches Frühstück und eine große Kanne Kaffee. Während ich frühstücke, sichte ich noch einmal die Daten und lade die wichtigsten Dateien in mein Headware-Memory. Dann ziehe ich mich an. Körperpanzerung nach Maß, meine schwarze Lederkluft, eine Panzerweste mit Plattenverstärkung, darüber einen schwarzen Duster mit spezieller Verstärkung an den neuralgischen Punkten. Dann nehme ich mir meine Waffen vor. Die M134 Vulcan verstaue ich vorerst in einer stabilen Tasche, das Barrett M95A6 MKII munitioniere ich mit den uranbeschichteten Geschossen auf, dann verschwindet es ebenfalls in der Tasche. Die H&K Urban Combat, die Ares Alpha und die Wildey werden mit Ex-Explosiv-Munition bestückt, keine Spielereien mehr. Die Franchi lade ich mit 000-Schrot, für den Notfall. Das neue Katana verschwindet in den Falten meines Dusters, das Kampfmesser im rechten Stiefel. Als letztes krame ich noch eine etwas kleinere Tasche hervor, verstaue die HE-Granaten und das AstroLite. Ich überlege einen Moment, dann wandern 2 Granaten in die Taschen des Dusters. Die Zünder für das AstroLite bringe ich in meiner Weste unter, genau wie ein Dutzend Tracker-Shuriken. Diese kleine, aber gemeine Spielerei hat sich ein alter Chummer von mir einfallen lassen. Äußerlich nicht von den normalen, aus dem Trid bekannten “Ninja-Wurfsternen“ zu unterscheiden, enthalten sie doch einen kleinen, aber feinen Unterschied. Sie sind über SmartLink steuerbar, dank eingebauter, ausfahrbarer Steuerungsflächen. Nach erfolgtem Wurf kann ich sie also per SmartLink direkt ins Ziel steuern, und zwar bis zu 6 Stück gleichzeitig. Als letztes kommt noch eine Monofilament-Garotte in eine spezielle Aufnahmevorrichtung im Gürtel, dann

bin ich abmarschbereit. Dieser monomolekulare Schlauch besteht aus einem einzigen Molekül und ist um ein Vielfaches dünner als ein menschliches Haar. Und in den Händen eines Profis entfaltet er seine volle, todbringende Wirkung, denn er ist in der Lage, jedes Material mühelos zu durchschneiden. Daß er dabei fast unsichtbar ist, erhöht sein Gefahrenpotential noch zusätzlich. Alles in allem kann man mit Fug und Recht sagen, daß das Monofilament eine der gefährlichsten Erfindungen der letzten Jahrzehnte ist. Ich nehme die beiden Taschen auf und begebe mich zur Tür, dort drehe ich mich ein letztes Mal um. Ich werde erst zurückkommen, wenn meine Arbeit getan ist. Ich lasse meinen Blick über das Interieur gleiten, dann drehe ich mich abrupt um und verlasse die Wohnung. Das Adrenalin schießt durch meinen Körper, als die Tür mit der Endgültigkeit einer sich schließenden Höllenpforte ins Schloss kracht. Ich betrete den Hof und gehe zu den Garagen. Welches Fahrzeug wäre jetzt wohl am angebrachtesten? Ich entscheide mich für den BMW, er vereint brachiale Motorisierung, schwere Panzerung und massive Feuerkraft in sich. Also genau das, was ich jetzt brauche. Ich steige ein, lege das spezielle 6-Punkt-Gurtsystem an und verbinde meine Datenbuchse mit der Riggerkontrolle. Ich spüre noch, wie mein Körper in die Polster sinkt, dann verschmelze ich mit dem Fahrzeug. Ich nehme meine Umwelt nur noch durch die Sensoren-Phalanx wahr, taktischtechnische Daten rasen durch mein Blickfeld. Drehzahl, Motortemperatur, Öl- und Reifendruck, Statusmeldungen der Defensiv- und Offensivsysteme. Alles Parameter bewegen sich im grünen Bereich, also mache ich mich auf den Weg nach Redmont. Laut meinen Informationen befindet sich dort in einem stillgelegten Industriekomplex eine Arena, in der Nacht für Nacht private Gladiatorenkämpfe stattfinden. Dort gelten nur 2 Regeln, 1.) ES GIBT KEINE REGELN, und 2.) Du kannst behalten, was Du tötest. Die Waffen und Ausrüstung der Getöteten gehen an den jeweiligen Sieger. Das einzige, ungeschriebene Gesetz dort lautet, es gibt keine Racheaktionen. Wer auch immer dort antritt, ist bereit, sein Leben einzusetzen, das wird von jedem akzeptiert. Es ist nichts persönliches, nur ein Sport. Und Mr. Crowley pflegt dort des Öfteren anzutreten, offenbar, um sich seine Unbesiegbarkeit zu beweisen. Da er immer noch am Leben ist, muß er sehr gut sein, in dem, was er tut. Es ist also Vorsicht geboten. Es dauert nicht allzu lange, dann nähere ich mich meinem Zielgebiet. Ich parke direkt vor dem Zugang zum “Allerheiligsten“, denn eine Regel besagt, daß die Fahrzeuge hier tabu sind. Von dieser Seite habe ich also nichts zu befürchten. Ich deaktiviere die Riggerkontrolle und spüre, wie ich wieder langsam in die Realität zurück gleite. Die schwere Artillerie bleibt im Auto, hier wird die Musik noch mit der Hand gemacht. Ich steige aus und sehe mich kurz um. Es ist niemand zu sehen, trotzdem spüre ich, daß ich beobachtet werde. Ich gehe völlig ungezwungen und wie selbstverständlich zu dem massiven Hallentor, das den Zugang verschließt. Ich schlage mit der geballten Faust nur einmal gegen das massive Metall, es erzeugt einen dumpfen, hallenden Ton. Eine Luke öffnet sich, und ein Zwerg schaut mir forschend ins Gesicht. Ich nenne den Code, der mich als Teilnahmewilligen identifiziert. Der Zwerg beginnt zu grinsen und verschwindet wortlos. Dann gleitet der eine Torflügel ein Stück zur Seite und gibt den Eingang frei. Ich trete ein und höre, wie sich das Tor direkt hinter mir schließt. Hier sieht man ein buntes Sammelsurium aller Rassen. Offenbar sind die Leute hier vorurteilsfrei, jeder kann teilnehmen, solange er eine Waffe halten kann. Auf der rechten Seite der riesigen Halle befindet sich eine Art Schalter, an dem rege Aktivitäten herrschen. Offenbar werden dort Wetten angenommen. Ich trete heran, zücke einen Checkstick und setze den gesamten darauf enthaltenen Betrag auf mich, für alle Kämpfe. Der “Kassierer“, ein grottenhässlicher, gut 2 Meter großer Ork, sieht mich fragend an. Ich nicke bestätigend, er nickt zurück und führt die Transaktion durch. Ich erhalte als Quittung einen Datenchip, der alle relevanten Daten enthält.

Ich mache kehrt, als mich der Ork zurückruft. Er erklärt mir in kurzen Worten das hier übliche Procedere. Alle wichtigen Daten, die mein Eigentum betreffen, werden auf einem codierten Chip abgelegt, der mit einem Biosensor gekoppelt ist. Diesen Sensor trage ich während der Kämpfe am Körper. Sendet der Sensor keine Daten mehr, wird der Chip automatisch recodiert und den Sieger ausgehändigt, der dann darauf zugreifen kann. Er hält mir ein Gerät entgegen, das an einen mobilen Kartenleser erinnert. Ich übertrage sämtliche Daten von meinem Credstick, dann händigt mir der Ork den Biosensor aus. Ich befestige ihn an meinem Handgelenk. Dann wende ich mich dem Geschehen in der Halle zu. In der Mitte ist ein ca. 10x10 Meter großer Ring errichtet, stilecht mit Ringseilen und allem, was dazu gehört. Ich sehe gerade noch, wie ein muskelbepackter Troll einen Elfen die Wirbelsäule bricht, dann ist der aktuelle Kampf beendet. Der Troll wirft den erschlafften Körper meterweit durch die Luft, dann reißt er die Arme hoch und stößt ein tiefes, wütendes Gebrüll aus. Unter dem frenetischen Beifall der Umstehenden verlässt er den Ring. Plötzlich leuchten auf der über dem Ring befindlichen Anzeigetafel neue Daten auf, so eine Überraschung, ich bin an der Reihe. Mein Gegner ist ein Mensch, ca. 1,90m groß und gut 140 kg schwer. Er ist austrainiert, kein Gramm Fett zuviel. Er hält einen Morgenstern und ein Breitschwert in den Händen, die er rasant durch die Luft wirbeln lässt. Ich ziehe den Duster, die Weste, das Sweatshirt und das Oberteil der Körperpanzerung nach Maß aus und betrete mit freiem Oberkörper den Ring, in der Rechten das Katana. Er legt den Kopf auf die Seite und beobachtet mich taxierend. Dann ertönt ein heller, metallischer Gong, der Ring ist freigegeben. Wir nähern uns langsam einander, umkreisen uns vorsichtig und lauernd, immer darauf bedacht, irgendeine Schwachstelle zu entdecken. Dann schnellt er übergangslos auf mich zu, offenbar will er versuchen, mich zu überrumpeln. Aber ich habe etwas Ähnliches erwartet, ich warte, bis er mich fast erreicht hat, dann gleite ich mit einer fast unmerklichen Bewegung zur Seite. Er schnellt an mir vorbei, die fast 20 cm langen, blitzenden Stacheln verfehlen mich nur um Haarsbreite. Mein Katana schnellt vor um zieht eine lange, blutige Spur über seinen Rücken. Er faucht wütend, wirbelt herum und greift sofort wieder an. Unsere Klingen hämmern in einen wütenden Kakophonie aufeinander, immer wieder, immer schneller. Er ist wirklich gut, aber ich weiß, daß ich ihn besiegen kann. Dann macht er den alles entscheidenden Fehler. Er lässt beide Waffen gleichzeitig auf mich zufliegen, mit aller Kraft. Die blinkenden Stacheln und die matt glänzende Klinge berühren mich fast, als ich plötzlich in einen perfekten Spagat falle. Ich spüre den Luftzug, als beide Waffen nur wenige Zentimeter über meinem Kopf durch die Luft pfeifen, dann reiße ich das Katana hoch, die Schneide nach oben gerichtet. Die Klinge dringt mühelos, fast spielerisch in seinen Brustkorb ein, gleitet höher und höher, bis zu seinem Kinn. Sie durchtrennt es, ohne das ich einen nennenswerten Widerstand spüre und tritt wieder aus. Ich schnelle hoch und mache einen schnellen Schritt nach hinten. Er steht da wie angenagelt, auf seinem Gesicht stehen unendliche Verblüffung und Verständnislosigkeit. Er blickt nach unten, sieht die klaffende Wunde, der Brustkorb ist komplett gespalten, das Blut schießt heraus. Er bewegt seine Lippen, als wolle er irgendetwas sagen, dann bricht er lautlos zusammen. Ich schwinge das Katana mit einer harten, abrupten Bewegung seitlich nach unten, um das Blut von der Klinge zu entfernen, dann hebe ich es in einer grüßenden Bewegung vor mein Gesicht, wie ein mittelalterlichen Degenfechter. In der Halle ist es totenstill, dann brandet plötzlich tosender Applaus auf, die mehr als 300 Zuschauer jubeln und schreien. Ich hebe die Arme und senke den Kopf, erweise ihnen meinen Gruß, dann verlasse ich mit gemessenen Schritten den Ring. Draußen erwartet mich ein schlanker, grauhaariger Elf, der mir wortlos einen Datenchip übergibt. Ich überprüfe ihn kurz, er enthält Kontendaten, Sicherheitcodes und andere, relevante Daten. Soviel also zu Regel Nr.2. Die Anzeige leuchtet erneut auf, und zu meiner Überraschung sehe ich erneut meine Daten aufleuchten. Offenbar werde ich als Neuling einer eingehenden Prüfung

unterzogen. Aber ich habe nichts dagegen, je schneller, desto besser. Je eher ich mich durch die bestehende Hierarchie hindurchgeschlachtet habe, desto eher werde ich Crowley bekommen, und das ist mir am wichtigsten. Mein Gegner ist diesmal ein schlanker, mittelgroßer Elf, der 2 Macheten als Waffen führt. Unglücklicherweise scheint er bei seinem Kampfstil aber weit mehr um gutes Aussehen, als um Effizienz bemüht zu sein, also mache ich kurzen Prozess. Ich weiche seinem Angriff mühelos aus, reiße die ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger meiner linken Hand hoch und ramme sie von unten durch seine Augen in sein Gehirn. Sein Körper erschlafft augenblicklich, ich halte ihn noch einige Zeit aufrecht, während ich meine Rechte zum Gruß an die Menge erhebe. Wieder brandet der Jubel auf, während ich den toten Körper langsam zu Boden gleiten lasse. Der nächste Kampf ist nicht viel länger, mein Gegner, wiederum ein Mensch, versucht durch wüste Beleidigungen meine Aufmerksamkeit zu untergraben. Ich hörte mir eine Weile seine Tiraden an, dann schnelle ich auf ihn zu. Ich drehe meinen Körper um 90 Grad, ramme meinen rechten Fuß quer auf seine Füße, nagle ihn somit unverrückbar am Boden fest. Meine Hände schließen sich um seinen Kopf wie eine tödliche Maske, dann reiße ich sie mit aller Kraft nach oben. Es gibt ein merkwürdiges Geräusch, als unter dem unmenschlichen Zug meiner vercyberten Muskulatur Sehnen, Muskeln und Blutgefäße einfach zerreißen. Eine schnelle Drehung, und mit einem leisen, durchdringenden Knacken geben seine Nackenwirbel nach. Ich schleudere den Leichnam zur Seite, trete einen Schritt zurück und verneigen mich vor dem tobenden Publikum. Offensichtlich ist man hoch zufrieden mit meiner Performance, immer wieder klopfen mir Leute begeistert auf die Schulter, während ich den Ring verlasse. Jetzt habe ich erstmal einen Moment Pause, denn der große Meister persönlich betritt den Ort des Geschehens. Tosender Beifall begleitet ihn auf seinem Weg zum Ring, er nickt nach allen Seiten und erwidert Grüße, offensichtlich kennt er viele der Anwesenden. Ich suche mir inzwischen eine ruhige Ecke und beobachte ihn. Sein Kampfstil ist extrem effizient, seine Taktik wahrhaft meisterlich. Es wird ein harter Kampf werden, aber ich verspüre nicht die geringste Sorge. Crowley fertigt in rascher Folge 5 Gegner ab, dann erscheinen meine Daten erneut auf der Anzeige. Ich schlendere langsam zum Ring, steige zwischen den Seilen hindurch und trete ihm gegenüber. Er ist hoch gewachsen, ein Ork von gut 2,10m, das ist eher selten. Er ist wie ein Pirat des ausgehenden Mittelalters gekleidet, eine weite, schwarze Hose, bequeme, kniehohe Wildlederstiefel. Dazu einen breiten Ledergürtel mit einer massiven Messingschnalle. Seine Waffen sind ebenso außergewöhnlich wie sein Outfit. Ein schweres spanisches Rapier und ein dazu passender Dolch mit einer gut 40cm langen, beidseitig geschliffenen Klinge. Er ist gefährlich, ohne Frage. Dann ertönt der Gong, er hebt die Klinge und grüßt mich. Ich erwidere seinen Gruß, dann heben wir unsere Klingen in eine Fechterauslage und beginnen den Kampf. Ich beglückwünsche mich jetzt dazu, daß ich vor Jahren, mehr aus Langeweile, mit einem Training im klassischen Degenfechten begann. Ich bin mittlerweile wirklich ein sehr guter Fechter geworden, dadurch kann ich ihm auf seinem ureigensten Terrain entgegen treten. Ein Katana ist zwar wirklich nicht die ultimative Waffe zum klassischen Fechten, aber meine abnorme Kraft gestatte es mir, es genauso wie einen Degen zu handhaben. Er sieht erstaunt aus, er hatte offensichtlich nicht erwartet, einen Kenner dieser Disziplin vorzufinden. Und urplötzlich wird aus dem vermeintlichen Nachteil ein Vorteil, denn die schwerere Klinge gestattet mir natürlich auch wuchtigere Stöße und Hiebe, die schwerer zu parieren sind. Es herrscht also ungefähr ein Kräftegleichgewicht zwischen uns. Unvermittelt greift er an, mit einer solchen Schnelligkeit und Gewandtheit, daß ich erstmal sozusagen in den Rückwärtsgang schalten muß. Die Klingen schnellen vor und zurück, er ist wirklich extrem schnell. Hm, so wird das hier nichts, ich brauche eine 2. Waffe. Als er einen Moment zurücktritt, als wolle er alle Kräfte für seinen nächsten Angriff sammeln, gehe ich blitzschnell in die Hocke, wechsle das Katana in die linke

Hand und ziehe mit der Rechten das Kampfmesser aus dem Stiefel. In diesem Moment schnellt er auch schon wieder auf mich zu, der blitzende Stahl kommt näher und näher. Ich werfe mich zur Seite, rolle sauber ab und bin sofort wieder auf den Beinen. Aus der Bewegung heraus lasse ich die Klinge in einem eleganten Bogen auf ihn zufliegen. Er pariert im letzten Augenblick und geht sofort zum Gegenangriff über. Ich kann das Rapier noch blocken, aber der Dolch dringt tief in meine linke Schulter ein. Ich nehme den Schmerz kaum wahr, aber ich spüre, wie langsam die Wut in mir aufsteigt. Wir stehen dicht beieinander, das Katana und das Rapier pressen sich aneinander, jeder versucht, den anderen zurück zu werfen. Mein Messer hat sich an der Parierstange seines Dolches verhakt, ich lege alle Kraft hinein und versuche so, seine Klinge aus meiner Schulter zu ziehen. Er hat die bessere Position, der Dolch dringt langsam tiefer ein. Jetzt habe ich endgültig genug, ich setze alles auf eine Karte. Ich lasse mein Messer einfach los, der Dolch bohrt sich bis zum Heft in mich hinein, aber das ist im Moment absolut sekundär. Meine Hand schließt sich mit aller Kraft um sein Handgelenk, dann verdrehe ich es mit einem brutalen Ruck. Er stöhnt auf, als Elle und Speiche mit einem trockenen Knacken zerbrechen. Sein Arm sinkt herab, für einen Moment lässt der Druck, den ich auf dem Katana spüre, nach. Das ist die Gelegenheit, auf die ich gewartet habe. Ich trete blitzschnell einen Schritt nach hinten und lasse meine Klinge nach vorn schießen. Er kann noch einmal parieren, aber seine Bewegungen haben ihre Flüssigkeit verloren. Ich dränge ihn langsam, aber sicher, immer weiter in die Defensive. Dann ist der Moment gekommen, es zu beenden. Ich greife erneut an, eine saubere Finte lässt ihn sein Rapier hochreißen. Kurz bevor sich unsere Klingen berühren, lasse ich das Katana mit einer kurzen Drehung aus dem Handgelenk nach unten gleiten. Seine Augen weiten sich, als sich meine Klinge mit aller Wucht in seinen Körper bohrt. Er steht da, die Hand mit dem Rapier immer noch erhoben, pures Entsetzen in seinem Blick. Ich trete schnell an ihn heran, beuge mich etwas vor und stelle eine leise Frage. Er beginnt zu flüstern, mit schmerzverzerrter Stimme gibt er mir die Informationen, die ich mir erhofft hatte. Seltsam, aber ich bin mir absolut sicher, daß er jetzt, im Angesicht des Endes, die Wahrheit sagt. Dann verstummt er, und ich beende es. Ich gleite zurück, ziehe die Klinge aus seinem Körper. Ich wirbele herum und lasse die Klinge mit alle Kraft auf seinen Kopf herabfallen. Sie gleitet mühelos durch deinen Kopf, seinen Hals, hinab bis tief in den Brustkorb. Ich reiße die Klinge zurück, und er fällt mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Jetzt spüre auch ich den Schmerz und die Erschöpfung. Ich taumele zurück, atme tief durch und versuche, den Blutverlust zu ignorieren. Ich darf jetzt nicht schlappmachen, es gibt zuviel zu tun. Ich ziehe mit einem harten Ruck den Dolch aus meiner Schulter, ein Blutstrom ergießt sich über meine Brust. Es ist totenstill um mich herum, man könnte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Dann, wie aus dem Nicht, erhebt sich ein tosendes Gebrüll aus 300 Kehlen, das Publikum rast und tobt, daß es die Halle bis in ihre Grundmauern erschüttert. Ich verneige mich und grüße ein letztes Mal mit erhobener Klinge, dann sind die Ersten schon bei mir. Sie heben mich auf ihre Schultern und tragen mich unter dem Jubel der Umstehenden aus dem Ring. Ich bin ihr neuer Champion, welche Ironie……… Sie tragen mich in den hinteren Teil der Halle, wo mich ein Elf, offenbar der Doc, erwartet. Er versorgt die Wunde, legt mir mit sachkundiger Hand einen Verband an. Ein Zwerg tritt grinsend an mich heran und legt mein Messer, das Rapier und den Dolch auf einen kleinen, neben uns stehenden Tisch. Er nickt mir beifällig zu und verschwindet wieder in der noch immer tobenden Menge. Der Elf hat inzwischen seinen Job erledigt, die Blutung ist gestillt, der Verband sitzt. Ich danke ihm, dann ziehe ich mich langsam wieder an. An der “Kasse“ erhalte ich meinen Gewinn, zusammen mit dem ganzen Stuff meiner Gegner ungefähr ein Gegenwert von 185K. Ein verdammter Haufen Geld, ich bin etwas überrascht. Mein Chip wird gelöscht, damit ist alles getan. Dann verlasse ich die Halle, nicht ohne dem Zwerg am Tor ein saftiges Trinkgeld in die Hand zu drücken. Er sieht sehr erstaunt aus, offensichtlich kommt so etwas sonst eher selten vor.

Er grinst mich freundlich an, öffnet das Tor, und ich trete hinaus in die Dunkelheit. Ich begebe mich zu meinem BMW, deaktiviere das Sicherheitsprotokoll und steige ein. Ich lasse mich in den Fahrersitz fallen, schließe die Augen und atme tief durch. So sitze ich bestimmt eine halbe Stunde dort und überdenke mein weiteres Vorgehen. Mein Verdacht hat sich bestätigt, die Gang, die ich von Anfang an unter Verdacht hatte, steckt hinter der Aktion. Die Waffen aus dem Überfall waren für die Ganger bestimmt, was natürlich die Frage aufwirft, woher eine solche Wald- und Wiesen-Gang sowohl finanziellen Mittel, als auch die Verbindungen hat, einen Profi wie Crowley anzuheuern. Hm, im Endeffekt ergeben sich aus jeder Antwort mindestens 2 neue Fragen. Aber ich werde mir diese Antworten holen, egal wie und von wem. Laut Crowleys Informationen hat die Gang erst letztlich ein neues HQ bezogen, in den Puyallup Barrens. Also beste Voraussetzungen für mich, ein neuer Standort bedeutet immer eine gewisse Eingewöhnungsphase. Laut meinem AutoNav befindet sich ihr Standort ca. 20 Minuten von hier. Also starte ich den Motor und mache mich auf den Weg. Als ich mich bis auf ca. 1,5 Km genähert habe, halte ich an und sehe mich um. Größtenteils befinden sich hier nur Industriebauten, meist schon seit längerer Zeit stillgelegt. Mir gegenüber steht ein alter Gasometer, der alle anderen Gebäude in der Gegend weit überragt. Na wer sagt’s denn, eine schriftliche Einladung geradezu. Ich packe das Barrett aus, stecke mir 2 Magazine ein und steige aus. Ich überquere die Straße, umrunde den Gasometer, bis ich auf seiner Rückseite eine metallene Leiter finde. Ich klettere zügig hinauf, es dürften ca. 50 Meter sein. Oben angekommen, lege ich mich sofort flach auf den Boden, um nicht ein weithin sichtbares Ziel zu bieten. Ich gleite langsam vorwärts, bis zur Mitte der Fläche. Dort baue ich das Gewehr zusammen, schiebe das erste Magazin in den Schacht und lade durch. Ein Blick durch die hochauflösende Zieloptik zeigt mir, daß meine Idee nicht die Schlechteste war. Insgesamt sehe ich 8 Wachen, unauffällig um das Areal verteilt und schwer bewaffnet. Offensichtlich rechnet man mit einem Besuch. Also will ich ihre Erwartungen natürlich nicht enttäuschen. Auf dem Dach des Hallenkomplexes sehe ich einen Sniper mit einem M24 im Anschlag, der die weitere Umgebung überwacht. Ich ziehe das Gewehr fester gegen meine Schulter, atme tief ein und halte den Atem an. Das Fadenkreuz wandert über seinen Körper, hinauf zum Kopf. Dort verharre ich, atme aus und ziehe den Abzug durch. Ein tiefes, gedämpftes Wummern, ein kurzer, harter Stoß. Durch die Optik kann ich sehen, wie sein Kopf in einem Feuerball verglüht. Der Körper fällt zu Boden, zuckt noch etwas, dann liegt er still. Ich repetiere die nächste Patrone ins Lager, ohne mein Auge von der Optik zu lösen. Ich kontrolliere seine nähere Umgebung, alles bleibt ruhig. Offenbar hat niemand vor Ort etwas bemerkt. Bei aller Vorsicht haben sie doch einen entscheidenden Fehler gemacht. Die Wachen befinden sich in so gelegenen Positionen, daß es ihnen unmöglich ist, die Standorte der jeweils anderen einzusehen. Mein Vorteil, ich kann sie Mann für Mann ausschalten, ohne daß es bemerkt wird. Einer nach dem anderen wird von meinen Geschossen zerfetzt, dann beobachte ich noch einige Zeit das Zielgebiet, um sicher zu gehen, daß sich keine Posten mehr außerhalb der Hallen aufhalten. Dann gleite ich langsam zurück zur Leiter und steige hinab. Unten angekommen, begebe ich mich zurück zum Wagen, verstaue das Barrett und packe die Vulcan aus. Ich lege den Munitionstornister an, dann rüste ich auf. Die Wildey steckt bereits im Schulterholster, die H&K Urban Combat kommt in eine spezielle Aufnahmevorrichtung auf dem Rücken. Das Katana bleibt im Duster verborgen, das Messer im Stiefel. Die HE-Granaten befestige ich an den dafür vorgesehenen Schlaufen an meiner Weste. Dazu kommen noch die Reservemagazine für die verschiedenen Waffen. Als letztes nehme ich die Franchi aus der Tasche, repetiere eine Patrone ins Lager und schiebe eine ins Magazin, um es wieder komplett aufzufüllen. OK, ich bin bereit, ich verschieße den Wagen, aktiviere das Sicherheitssystem und mache mich auf den Weg. Ich halte mich auf meinem Weg immer im Schatten, nähere mich langsam und vorsichtig dem Zielgebiet. Ich aktiviere die gesamte Optik, Restlichtverstärkung, Infrarot und UltraSound. Ich

spähe vorsichtig um jede Ecke, beobachte das vor mir liegende Areal aufs Genaueste, bevor ich meinen Weg fortsetze. So nähere ich mich langsam, aber sicher dem Komplex. Es gibt nur einen Zugang, was mich doch etwas erstaunt. Ich hätte etwas mehr erwartet, aber ich will nicht unzufrieden sein. Vorsichtig schleiche ich um den Komplex herum, umrunde ihn einmal komplett. Auf der Rückseite finde ich eine Stiege, die auf das Dach führt. Ich begebe mich zurück zum Eingang. Eine ganz normale Tür aus massivem Metall, mit eine Klinke. Innerlich danke ich dem Erbauer, daß er es mir so einfach macht. Ich nehme 2 Granaten, ziehe die Sicherungsstifte heraus und klemme sie so unter die Klinke, daß sie beim Öffnen zünden. Dann schleiche ich zurück zu der Stiege und mache mich auf den Weg aufs Dach. Oben angekommen, ducke ich mich und halte Ausschau. Das Dach ist leer, in der Mitte befindet sich eine verglast Luke, ca. 2x2 Meter groß. Ich lege mich davor auf den Boden, hole eine Faseroptik hervor und schiebe das flexible Kabel in einen Spalt. Den Ausgang verbinde ich mit meiner Datenbuchse, so daß die Bilder von drinnen direkt in mein Sichtfeld eingeblendet werden. Drinnen herrscht reges Treiben, es dürften bei grober Schätzung ca. 30 Leute zugange sein. Ich verändere den Winkel der Optik, beobachte jeden Winkel der Halle. Hm, das Terrain ist ziemlich ungünstig für mich, überall sehen Kistenstapel, Regale, Fässer und Fahrzeuge herum. Also jede Menge Deckung für meine Gegner, ich werde improvisieren müssen. Nach etwa 20 Minuten habe ich mir einen ausreichenden Überblick verschafft und mache mich bereit für den Angriff. Ich richte mich langsam auf, trete etwas zurück und nehme Anlauf. In diesem Moment ertönt vom Eingang her ein dumpfes Krachen, gefolgt von Schreien. Es ist soweit, Zeit für Rock ’n’ Roll. Ich springe vor, krache durch die Verglasung und fliege in einem Hagel von Glassplittern in die Halle. Ich komme hart unten an, rolle ab und bin sofort wieder auf den Beinen. Direkt vor mir stehen 3 Kerle, die mich anstarren wie eine Erscheinung. Ich reiße die Franchi hoch, Salvenmodus, die groben Schrotladungen mähen sie nieder. Ich feuere weiter, bis sie am Boden liegen, hecht zur Seite und gehe hinter einem Kistenstapel in Deckung. Keinen Moment zu früh, denn dort, wo ich eben noch stand, konzentriert sich das Feuer aus mehreren Maschinengewehren. Die Schützen befinden sich direkt unter dem Dach, auf metallenen Stegen, die um die gesamte Halle führen. Sie können mich zwar nicht direkt erreichen, aber zumindest haben sie mich erstmal festgenagelt. Das lässt sich ändern, ich ziehe eine Granate von der Weste, meine mathematische SPU berechnet innerhalb von Sekundenbruchteilen den korrekten Abwurfwinkel. Ich probe die Bewegung kurz, dann segelt die erste Granate in einer perfekten ballistischen Kurve genau auf den Steg. Kaum hat sie meine Hand verlassen, da ziehe eine zweite ab und werfe sie hinterher. Es kracht zweimal kurz hintereinander, ich höre Schreie von oben, dann verstummt das Feuer abrupt. Soviel also dazu. Als nächstes beginne ich methodisch, alle erreichbaren Lampen zu zerschießen. Langsam wird es dunkler und dunkler, Lampe um Lampe zersplittert unter meinen gezielten Schüssen. Plötzlich nehme ich eine Bewegung hinter mir wahr, ich wirbele herum und reiße die Flinte hoch. Der Ganger fliegt geradezu in meine Bewegung hinein. Die Mündung trifft mit aller Kraft seinen Mund, ich spüre, wie seine Zähne unter der Wucht des Stoßes brechen, dann ziehe ich den Abzug durch. Sein Kopf explodiert in einer blutigen Fontäne, der Körper wird nach hinten geschleudert. Das Magazin ist leer, ich werfe die Flinte achtlos zur Seite und ziehe die Urban Combat. Inzwischen haben meine Gegner offenbar den ersten Schock überwunden, langsam formiert sich der Widerstand. Ich muß zu allererst verhindern, daß sie wieder auf den Steg kommen. Glücklicherweise kann ich den einzigen Zugang von meiner jetzigen Stellung aus einsehen. Ich eröffne das Feuer auf die Halterungen, die das Metallkonstrukt in der Wand verankern. Die MPi ruckt in meinen Händen, als die ExExplosiv-Munition große Löcher in die Wand sprengt. Langsam lasse ich den Feuerstoß nach oben wandern, bis der Schlagbolzen ins Leere klickt. Ich werfe das leere Magazin aus, ramme ein neues in den Schacht und feuere weiter, bis die Treppe unter ihrem Eigengewicht aus der

zersiebten Wand reißt und mit einem infernalischen Krachen und Poltern zu Boden stürzt. Ein gellender Schmerzensschrei ertönt, der abrupt abreißt. Ich schleiche geduckt weiter, als mich mehrere harte Schläge in den Rücken zu Boden werfen. Im Fallen sehe ich das Mündungsfeuer zweier Waffen hinter mir, ich rolle mich zur Seite und erwidere das Feuer. Die beiden sind teilweise gedeckt, also muß ich mit dem arbeiten, was ich habe. Der Linke hockt hinter einem der Regale, aber ich kann seine Beine sehen. Ohne lange nachzudenken, ziehe ich den Abzug durch. Die Geschosse zerreißen seine Beine unterhalb der Knie, mit einen Schmerzgebrüll stürzt er zu Boden. Ich kann seinen Oberkörper sehen und lenke den Strom der Geschosse direkt hinein. Die Einschläge schütteln seinen Körper, bevor die Explosionen ihn in Fetzen sprengen. Der andere hat inzwischen nachgeladen und feuert nun wieder aus allen Rohren. Die Geschosse schlagen um mich herum ein und reißen scharfkantige Splitter aus dem Betonboden. Ich spüre einen brennenden Schmerz, als einer der Splitter eine lange, blutige Wunde in mein Gesicht reißt. Das Blut rinnt über mein Gesicht, aber ich habe jetzt keine Zeit, mich darum zu kümmern. Ich schreie kurz auf und lasse die Hand mit der Urban Combat zu Boden fallen, dann liege ich regungslos da. Mein Gegner tut mir den Gefalle, seinen Kopf um die Ecke zu strecken, um die Lage zu peilen. Das letzte, was er sieht, ist mein hämisches Grinsen, dann trifft eine lange Salve aus meiner Waffe seinen Hals. Die Einschläge trennen seinen Kopf von den Schultern, mit einem dumpfen Geräusch rollt er über den Boden, genau vor meine Füße. Ich springe auf und laufe geduckt zu den beiden Leichen. Von hier aus sehe ich die 2 letzten verbliebenen Lampen an der Hallendecke. 2 kurze Salven, dann herrscht völlige Dunkelheit. Jetzt spielen wir nach meinen Regeln, denn in der Dunkelheit bin ich zuhause. Die Infrarotsicht gibt mir genaue Auskunft darüber, wo sich meine verbleibenden Gegner befinden. Sie haben sich im hinteren Teil der Halle verschanzt, dort stehen 2 Fahrzeuge, ein GMC Bulldog und ein Saab Dynamit. Ich ziehe die letzten beiden Granaten von meiner Weste ab und werfe sie mir einer genau kalkulierten Bewegung von den Saab. Ich kann hören, wie sie aufschlagen und mit einem metallischen Geräusch unter den Wagen rollen. Ein Moment herrscht Ruhe, dann erfolgt eine ohrenbetäubende Explosion. Dank der Dämpfer, die in meine Cyberohren eingebaut sind, nehme ich sie bloß als leise, entferntes Wummern wahr. Der Saab macht einen Satz in die Luft, überschlägt sich und kracht zurück auf den Boden. Ich sehe einen Körper zur Seite fliegen, offenbar kam da jemand nicht schnell genug weg. Ich kann noch 8 Wärmesignaturen wahrnehmen, die sich allesamt hinter dem Bulldog befinden. Ich lege langsam und lautlos die Vulcan ab, jetzt wird es Zeit für den Nahkampf. Ich gleite vorsichtig, Stück für Stück durch die Dunkelheit, die Pistole in der Rechten, das Messer in der Linken. Den Duster habe ich auch abgelegt, er würde mich jetzt mehr behindern als schützen. Langsam pirsche ich mich vor, von der rechten Seite aus nähere ich mich ihrem Standort. Als ich noch einige Meter von ihnen entfernt bin, sehe ich, wie sich jeweils 2 Signaturen nach links und rechts entfernen. Jetzt wird es interessant, sie wollen mich augenscheinlich in die Zange nehmen. Ich gehe in die Hocke und verharre lautlos, während sie langsam näher kommen. Falls sie überhaupt über irgendeine Art von Sichtverbesserung verfügen, scheint sie nicht allzu viel wert zu sein, denn augenscheinlich haben sie mich noch nicht entdeckt. Ich warte, bis die beiden, die von links auf mich zukommen, nur noch ca. 3 Meter von mir entfernt sind, dann eröffne ich das Feuer. Die Wildey verursacht nur ein leises Ploppen, dann brechen die beiden zusammen. Die anderen beiden eröffnen daraufhin unkontrolliert das Feuer, offenbar ohne die geringste Ahnung, wo ich mich befinde. Die Blitzkompensation meiner Cyberaugen dämpft ihr Mündungsfeuer zu einem dunklen Flackern, so daß ich genau zielen kann. 2 kurze Salven, und sie brechen zusammen. Von hinter dem Bulldog ertönt eine wütende Stimme, die vergeblich Meldung verlangt. Ich höre ein unterdrücktes Fluchen, als dem Fragesteller offenbar klar wird, daß seine

Chummer längst tot sind. Ich stoße ein leises, dunkles, gemeines Lachen aus und flüstere: “Einen Moment noch, ich bin gleich bei Euch.“ Die Antwort ist ein unkontrolliertes, wildes Streufeuer, sie versuchen, mich durch einen Zufallstreffer oder Querschläger auszuschalten. Das Feuer verebbt langsam, offenbar geht ihnen die Munition aus. Ich gleite langsam, mit gemessenen Bewegungen um den Van herum, so tief wie nur möglich geduckt. Ich schiebe die Pistole zurück ins Holster, jetzt kommt das Messer zum Einsatz. Die verbliebenen 4 haben sich etwas von den Van entfernt, 3 von ihnen haben sich um den Boss postiert, wie rührend. Ich nähere mich langsam, Stück für Stück, bis ich direkt vor ihnen bin. Dann schnelle ich vor, ein kurzer Satz bringt mich direkt zwischen sie. Der Nächststehende bekommt die scharfgeschliffene Klinge direkt ins Herz, noch bevor er irgendetwas tun kann. Der Boss springt zur Seite, genau in den Schlag, den ich sauber mit der Rückhand gegen seinen Kopf führe. Er bricht zusammen, bewusstlos, aber noch gebrauchsfähig. Die verbliebenen 2 sind nur noch Beiwerk, dem ersten ramme ich die Klinge unter sein Kinn, mit einem Knirschen dringt sie bis zum Heft ein. Ich schnelle herum und führe von unten mit aller Kraft einen Schlag gegen die Nase des Letzten. Es gibt ein matschiges Geräusch, als der Knorpel ins Gehirn getrieben wird und ihn augenblicklich tötet. Dann herrscht Ruhe um mich herum, nur noch der Atem des Bosses ist zu hören. Ich ziehe 2 Paar Einweg-Handschellen aus der Hosentasche, fessele sein Hände auf den Rücken, dann sind seine Füße dran. Hm, es dürfte noch mindestens 15 Minuten dauern, bis er wieder halbwegs bei sich ist, also genug Zeit für mich, meine Ausrüstung wieder einzusammeln. Als alles wieder komplett ist, lade ich mir den Körper auf die Schulter und verlasse die Halle. Für das, was jetzt noch zu tun ist, suche ich mir ein anderes, ruhiges Plätzchen, wo wir ungestört plaudern können und niemand ihn hört. Ich erreiche mein Auto ohne Zwischenfälle, verfrachte ihn kurzerhand in den Kofferraum, nicht ohne ihn vorher zu knebeln. Dann mache ich mich auf den Weg…………. Ich fahre zügig, bleibe aber im Rahmen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Alles könnte ich jetzt gebrauchen, aber keinen neugierigen LoneStar-Cop, der mich wegen einer Geschwindigkeitsübertretung stoppt und anfängt, in meinem Wagen herumzuschnüffeln. Also lasse ich es ruhig angehen. Ich fahre nach Auburn, in einer etwas abgelegenen Ecke habe ich vor einiger Zeit ein stillgelegtes System von Kavernen und Gängen entdeckt, unterhalb der Kanalisation. Dort sollten wir ungestört sein. Es dauert keine 20 Minuten, dann sind wir da. Ich fahre in eine kleine Gasse, die in einem massiven Metalltor endet. Es vermittelt zwar den Eindruck, als sei es für die Ewigkeit geschlossen, wenn man aber weiß, wo man suchen muß, findet man recht schnell einen verborgenen Mechanismus, der das Tor schnell und geräuschlos öffnet. Ich fahre den Wagen hinein, steige aus und schließe das Tor hinter mir. Dafür, daß diese Location offenbar in Vergessenheit geraten ist, sieht es hier noch recht ordentlich aus. Es gibt sogar Strom, was die Sache wesentlich vereinfacht. Ich öffne den Kofferraum, lade mir das Paket auf die Schulter und beginne den Abstieg in die Katakomben. Mein Weg führt über einige Zwischenetagen immer weiter in den Untergrund von Seattle. Nach ca. 10 Minuten bin ich am Ziel, ich betrete eine Kaverne von ca. 50 Meter Durchmesser, deren Wände im Laufe der Zeit von Moos und anderem Grünzeug überwuchert wurden. Dadurch wird fast jeglicher Schall geschluckt, wie ich schon einige Male feststellen konnte. Der Raum ist relativ unregelmäßig geformt, was auf eine natürliche Herkunft schließen lässt. Mitten im Raum stehen einige Stühle, ein Tisch und 2 kleine Schränke. Ich wuchte den immer noch Bewusstlosen auf einen der Stühle, nehme aus einem der Schränke eine Rolle PowerTape und befestige damit seine Unterschenkel an den Stuhlbeinen. Die Arme kommen nach hinten über die Lehne und werden dort fixiert. Einige Lagen PowerTape um den Oberkörper komplettieren die Verpackung. Nun gut, ich bin bereit, jetzt muß er nur noch wieder zu sich kommen. Ich kürze das ganze ab, in dem ich ihn mit einem Eimer Wasser

übergieße, der in einer der zahlreichen Winkel bereitsteht. Das eiskalte Wasser verfehlt seine Wirkung nicht. Er reißt die Augen auf und versucht sich zu bewegen, was sich aufgrund meiner doch sehr effizienten Packtechnik als relativ ergebnislos erweist. Er starrt mich wütend an. Ich lächle freundlich zurück. Ich gehe auf ihn zu, umrunde ihn langsam. Als ich hinter ihm stehe, beuge ich mich vor, und flüstere ihm leise zu: “Mein Freund, wir haben jetzt genau 2 Möglichkeiten, wie unser Gespräch verlaufen kann, und es liegt allein an Dir, wie es weiter geht. Also überleg’ Dir genau, was Du willst. Ich werde jetzt den Knebel entfernen, und Du wirst meine Fragen beantworten. Befriedigt mich, was ich zu hören bekomme, kannst Du gehen, wenn nicht,………….“ Mit diesen Worten packe ich ein Ende des Isolierbandes, daß seinen Mund bedeckt, und reiße es mit einem harten Ruck ab. Er stöhnt wütend auf, ich trete vor ihn und beuge mich etwas vor, als er mir mit aller Kraft ins Gesicht spuckt, begleitet von Flüchen und Verwünschungen. Ich wische mir langsam den Speichel aus dem Gesicht, sage nur: “Ganz….schlechtes…..Timing“, und schlage mit aller Kraft ansatzlos zu. Es gibt ein kurzes Poltern, als er mitsamt dem Stuhl nach hinten fliegt und auf dem Boden aufschlägt. Ich gehe zu ihm, packe ihn mit der Rechten hart am Kragen und stelle ihn wieder aufrecht hin. Dann sehe ich ihn lange an, lächle freundlich und doziere: “Hör’ mal, Du hast offensichtlich nicht so ganz den Ernst der Lage erkannt. Niemand wird Dich hören, niemand wird Dir helfen. Also beantworte meine Fragen, oder ich werde mir die passenden Antworten holen. Wie auch immer, Du wirst reden.“ Er starrt mich finster an, und kaum, daß ich meine kurze Ansprache beendet habe, beginnt er mich wüst zu beschimpfen. Er ist dabei recht erfindungsreich, aber mit der Zeit verliere ich die Geduld. Ich trete auf ihn zu, ramme den Knebel wieder in seinen Mund und referiere : “Wenn im alten Japan ein Samurai einem Bauern eine Frage stellte, und dieser nicht antwortete, hieß das, daß der Bauer taub ist und daher seine Ohren nicht mehr brauchte.“ Mit diesen Worten packe ich ihn an der Kehle, fahre meine Nagelmesser aus und trenne mit einer vorsichtigen Aufwärtsbewegung sein rechtes Ohr vom Kopf. Er versucht zu schreien, aber dank des Knebels wird daraus nur ein Stöhnen und Gurgeln. Ich gebe ihm etwas Zeit, den Schmerz zu verdauen, dann beuge ich mich über ihn und entferne erneut den Knebel. Er starrt mich hasserfüllt an und faucht: “Du Punk hast keine Ahnung, mit wem Du es hier zu tun hast. Ich habe Beziehungen, die weiter reichen, als Dein armseliger Verstand es jemals erfassen können wird. Mehr werde ich dazu nicht sagen, egal was Du anstellst“ Hm, das hätte er besser nicht sagen sollen, denn jetzt hat er meine Neugier erst richtig entfacht. Aber leider will er es wohl unbedingt auf die harte Tour. Also stecke ich ihm den Knebel wieder zurück in den Mund, beuge mich über ihn und beginne meine blutige Arbeit…………. Er ist wirklich ein zäher Bursche, es kostet mich mehr als 2 Stunden Überzeugungsarbeit, bis er aufgibt und mir die erwünschten Informationen zuflüstert. Was ich zu hören bekomme, versetzt mich in höchstes Erstaunen. Offenbar hat er nicht übertrieben, als er von den Beziehungen sprach. Sanderson Cayne, seines Zeichens Stadtrat, steckt hinter der ganzen Geschichte. Der große Wohltäter , immer zur Stelle, wenn es gilt, medienwirksam für die Unterprivilegierten und Armen einzutreten. Er verfügt über Insiderinfos, was die Pläne für den mittel- bis langfristigen Ausbau von Auburn zu einem Nobel-Vorort angeht. Und jetzt versucht er ganz gezielt, bestimmte Areale von Auburn gezielt zu “entmieten“, wie es so schön heißt. Wenn die letzten Mieter vertrieben sind, kann er ganze Gebiete für einen Pappenstiel erwerben, und wenn es an der Zeit ist, mit gigantischen Gewinnen weiter veräußern. Soviel also zu dem großen Wohltäter. Es war also kein Zufall, daß die Ganger damals bei mir auftauchten. Nun gut, ich bin tendenziell ein

höflicher Mensch, also werde ich den Besuch baldigst erwidern. Nachdem ich sicher bin, daß ich alle relevanten Informationen erhalten habe, trete ich hinter den blutigen Klumpen, der in dem Stuhl hängt, hebe meine rechte Hand zu seinem Genick und fahre den mittleren Sporn aus. Die beidseitig geschliffene Klinge gleitet mühelos durch seine Nackenwirbel. Ein kurzen Zittern, dann ist es vorbei. Um die Leiche brauche ich mich nicht zu sorgen, das erledigen die Ratten und anderes Getier ganz von allein Ich setze mich auf einen der feien Stühle, stütze den Kopf in die Hände und denke nach. Sanderson Cayne, das wird Staub aufwirbeln, aber das interessiert mich nicht allzu sehr. Er hat einen großen Fehler gemacht, als er seine Beißer auf uns losließ, und dafür wird er jetzt bezahlen. Ich verlasse die Katakomben, wie ich gekommen bin, leise und unauffällig. Mein nächster Weg führt mich nach Tacoma, ich muß einige Vorbereitungen treffen. Die Fahrt verläuft ruhig und ohne besondere Vorkommnisse. Ich parke den Wagen in der Tiefgarage, fahre die Sicherheitssysteme hoch und betrete meinen Unterschlupf. Im kühlen Dunkel des Gewölbes fällt die Anspannung der letzten Stunden plötzlich völlig von mir ab. Mein Kopf ist wieder klar, meine Gedanken kreisen mit eiskalter Präzision nur noch um eine einzige Person, Sanderson Cayne. Ich werde ihn auslöschen, koste es, was es wolle. Ich packe alles aus, was ich an Material dabei habe. Für das AstroLite habe ich eine besondere Idee, daraus werde ich ein paar Aerosol-Bomben basteln. Dabei wird in der ersten Stufe über eine Druckladung niedriger Intensität der in der Bombe enthaltene Sprengstoff feinst zerstäubt und somit auf eine möglichst große Fläche verteilt. Die 2. Stufe zündet das ganze und erzeugt dabei eine Detonation von unvorstellbarer Zerstörungskraft. Tja, für Mr. Cayne gibt es nur das Beste, sein Ableben soll ein Zeichen setzen, daß einfach zu verstehen ist. Haltet Euch von denen fern, die ich liebe, oder Ihr werdet einen hohen Preis für Eure Überheblichkeit zahlen. In weiser Voraussicht habe ich, als ich vor geraumer Zeit dieses kleine Refugium erschaffen habe, großen Wert auf die technische Ausstattung gelegt. Es beinhaltet eine komplette Werkstatt, in der ich alle anfallenden Arbeiten vornehmen kann, dazu ein vollständig eingerichtetes Labor, für sämtliche Arbeiten, die im weitesten Sinne mit chemischen Vorgängen zu tun haben. Also mache ich mich an die Arbeit. Zuerst werfe ich die Drehmaschine an und fräse aus einem KeramikPolymerblock mehrere Rohre von ungefähr 20 cm Durchmesser. Diese werden dann auf 40 cm Länge geschnitten. Anschließend werden jeweils in die beiden Enden Innengewinde geschnitten, um sie möglichst dicht verschließen zu können. Als Letztes versehe ich die Bombenkörper mit Sollbruchstellen, um die Verteilung des Sprengstoffes zu optimieren. Dann begebe ich mich ins Labor, und stelle die Druckladungen her. Ich arbeite schnell und konzentriert, ich will keine Zeit verlieren, schließlich möchte ich Mr. Cayne schnellstens einen Höflichkeitsbesuch abstatten. Jetzt wird es ernst, ich baue die Druckladungen in die Bombenkörper ein, dann fülle ich sie mit dem AstroLite. 10 Stück sollten genügen, einer davon zur Probe. In die oberen Deckel passe ich die Zünder ein, die mir Traxx überlassen hat. Damit sollte der Ausführung meiner Pläne nichts mehr im Wege stehen. Ich überprüfe ein letztes Mal die Waffen, munitioniere sie komplett auf, dann setze ich mich für einen Moment. Ich lehne mich zurück, stecke mir eine Zigarette an, inhaliere den würzigen Rauch. Ich bin in Gedanken versunken, als mich ein ankommender Anruf hochschrecken lässt. Ich kontrolliere die Herkunft, es ist die Klinik, in der Riella liegt. Sofort stelle ich die Verbindung her und melde mich. Es ist der Chefarzt persönlich, und der Klang seiner Stimme lässt einen furchtbaren Verdacht in mir aufkeimen.

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