Die Maori
HAERE MAI - WILLKOMMEN
WIR SIND EIN VOLK Wo sollen wir dieses kleine Schrift über das Volk der Maori beginnen lassen? Kein anderer Ort ist so passend wie Waitangi im Norden Neuseelands, wo am 6. Februar 1840 bei der Unterzeichnung des Vertrages von Waitangi die folgenden Worte gesprochen wurden: »Wir sind ein Volk.« Daran werden alle Neuseeländer am jährlichen Feiertag erinnert. Jedes Jahr wird das Jubiläum der Vertragsunterzeichnung mit einer Zeremonie gefeiert, die sich besonders durch die Farbigkeit der Maori-Darbietungen auszeichnet. Das beeindruckende Gelände mit dem historischen Haus der Vertragsunterzeichnung verleiht der Zeremonie zusätzlich traditionelle Würde. Hier auf dem Versammlungsplatz, nahe dem mit Schnitzereien verzierten Versammlungshaus, findet sich die Begrüßungsgruppe der Maori ein, um die sogenannte "Herausforderung" und das Begrüßungslied aufzuführen und für die Ausschmückung der Reden zu sorgen. Eine der wichtigsten dieser Reden wird von einem hochangesehenen und für sein weitreichendes Wissen um Maori-Mythologie bekannten älteren Mann gehalten. Nach der formellen Zeremonie unterhalten die Maori die Zuschauer im weiteren mit Gesängen und Tänzen. Es liegt also, wie in Waitangi, an dem Versammlungsort und an dem Versammlungshaus, daß die Kultur der Maori und ihre über die Jahrhunderte hochgehaltenen Sitten und Gebräuche erhalten bleiben, und es gibt heute ein ständig wachsendes Interesse an diesem unserem großartigen kulturellen Erbe. Es ist ein Merkmal der Kultur der Maori, daß nichts von Wichtigkeit ohne den Bezug auf die uralten Traditionen stattfinden kann. Die Errichtung dieses geschnitzten Hauses und des dazugehörigen Kriegskanus bilden keine Ausnahme. Bevor die zu verarbeitenden Bäume gefällt wurden, wurden Anrufungen gesungen, um Tane-mahuta, den Gott des Waldes, versöhnlich zu stimmen, und die Arbeiter arbeiteten unter einer strengen zeremoniellen Auflage. Die Eröffnung des Hauses, bei Tagesanbruch von einem Priester oder Weisen und einer hochstehenden Frau durchgeführt, war ein würdevoller Anlaß mit einem präzise vorgeschriebenen Ritual, das immer dann befolgt werden muß, wenn ein neues Versammlungshaus eingeweiht wird. Eine uralte Beschwörung sendet die Waldgeister, die dem verarbeiteten Holz innewohnen, an Tane-mahuta zurück, bevor die Frau durch das Überschreiten der Schwelle die zeremonielle Beschränkung aufhebt - das Haus ist nun frei von den Beschränkungen, derentwegen der bis zu diesem Zeitpunkt nur die Arbeiter und speziell Geschützte das Haus hatten betreten dürfen. Es gibt viele solcher geschnitzter Häuser in Neuseeland, jedes in Ehren gehalten von dem Stamm, auf dessen Versammlungsort es steht, da in ihm die Ursprünge und die Geschichte des Stammes verkörpert sind. Es ist ein Ort von großem Prestige und großer Macht und wird gepflegt und hoch respektiert, da es das Zentrum für alle wichtigen Stammesangelegenheiten und -aktivitäten ist. Dieses Haus in Waitangi zeichnet sich dadurch als besonders aus, daß die Tafelschnitzereien im Innern die Traditionen verschiedener Stämme symbolisieren. Gewöhnlich wird nur die Geschichte des Stammes, auf dessen Land der Versammlungsort steht, in den Schnitzereien
dargestellt. Aber dieses Haus ist vielmehr ein nationales kulturelles Zentrum als nur das Versammlungshaus eines Stammes.
WIE HAT DIE KULTUR DER MAORI ÜBERLEBT? Nur ungefähr acht Prozent der Bevölkerung Neuseelands sind Maori. Wie hat also dann die Sprache und Kultur überlebt? Es gab kein hieroglyphisches System oder eine Schriftsprache. Holz, archäologisch eine sehr zerbrechliche Substanz, war das Material, auf dem die Helden der Stammesmythologie und Folklore abgebildet wurden. Es gab nur eine mündliche Überlieferung, und es ist erstaunlich, daß es noch heute einige gelehrte Ältere gibt, die die komplizierte Genealogie aufsagen, die Geschichte vorsingen und die uralten Legenden erzählen können, die über die Generationen hinweg mündlich überliefert worden sind. Während der letzten hundert Jahre ist durch die hingebungsvollen Bemühungen von Gelehrten beider Rassen, sowohl Maori und Weißen, viel aufgezeichnet und publiziert worden, und die Forschung geht weiter. Aber das ist nur ein Grund. Die Antwort liegt wahrscheinlich in dem Gefühl, das in unserem ersten Paragraphen zum Ausdruck kam: »Wir sind ein Volk.« Heute sind die Maori vielleicht in der Minderzahl; ihre alte Lebensweise ist zerstört, ihre soziale Ordnung an die der Weißen angeglichen - aber untergegangen sind sie nicht. Maori sind gleichberechtigte Bürger, die an dem Leben der modernen Gesellschaft vollen Anteil nehmen und gleichzeitig als Maori stolz auf ihre Ursprünge sind. Mit dieser Gleichheit geht ein gegenseitiger Respekt einher. Dies ist ein Tribut sowohl an das Volk der Maori als Ganzes als auch an die Integrität und Energie ihrer Anführer. Der Respekt ist auch ein Denkmal für einige der frühen britischen Gesetzgeber, die Gesetze erließen, die diejenigen abschrecken sollten, die die Maori, in deren Land sie eingefallen waren, ausbeuten wollten. Diese frühen Tage der europäischen Besiedlung brachten den Maori Not und Trauer, aber ihre strenge soziale Ordnung half ihnen dabei, die Rasse zusammenzuhalten und sich nicht ökonomisch dominieren zu lassen. Desorientierung führte nicht dazu, daß sie zu billigen Arbeitskräften wurden. Sie arbeiteten und arbeiten auch heute unter den gleichen Bedingungen wie alle Neuseeländer. Während der 1840er Jahre reagierten viele Stammeshäuptlinge schnell auf die sozialen und materiellen Neuerungen, die die Kolonialisten mit sich brachten, und reichten ihnen die Hand zur Freundschaft. Als aber immer mehr Siedler kamen, folgte eine instabile und fieberhafte Periode. Mißtrauen und Ablehnung wuchsen auf beiden Seiten. Dieselben Häuptlinge begaben sich nun ebenso schnell auf den Kriegspfad, um die Rechte ihres Volkes zu verteidigen, Rechte, die in den Wirren der Zeit von den neuangekommenen Siedlern verletzt wurden, manchmal vorsätzlich, öfter gedankenlos und häufig unbewußt. Aus diesem Kräftemessen gingen die Maori unbesiegt und mit vermehrtem Respekt für sie hervor. In den nachfolgenden Verhandlungen gewannen die Maori aufgrund ihrer durchdachten Argumentationsweise viele juristische Streitfälle. In dieser Zeit wurde auch die Grundlage für die Teilhabe der Maori an den Regierungsangelegenheiten gelegt.
Seitdem haben Maori-Anführer, einige von ihnen in hohen Positionen, fortwährend und unermüdlich für das Wohl ihres Volkes gearbeitet. Die Resultate ihrer Bemühungen sind heute überall sichtbar, da das Leben aller Neuseeländer und auch das der Besucher des Landes durch den Kontakt mit den Maori und ihrer besonderen Kultur bereichert wird. In Neuseeland hat es seit frühesten Zeiten eine große Anzahl von Mischehen auf allen sozialen Ebenen gegeben, wobei die Zahlen von einer Generation zur nächsten ständig ansteigen. Die Blutsverwandtschaft spielt für den Stolz der Maori auf ihre Kultur und die Vitalität derselben eine große Rolle. Die Maori haben sich mit den veränderten Lebensmustern in einer Weise auseinandergesetzt, die vielleicht am besten in einem Eintrag zum Ausdruck kommt, den der verehrte Anführer und Gelehrte Sir Apirana Ngata in das Poesiealbum einer Schülerin schrieb: »Wachse heran, Du zarte Pflanze, um die Bedürfnisse Deiner Generation zu erfüllen; mit Deinen Händen eigne Dir die technischen Fähigkeiten und Berufe der Weißen an, damit Du es zu etwas bringst; Dein Herz bleibe bei der Kultur der Maori, zu Deiner Inspiration. Trage sie wie einen Federschmuck auf Deinem Kopf; und Deine Seele widme Gott, dem Schöpfer aller Dinge.« DIE SPRACHE DER MAORI LEBT WEITER Die Muttersprache der Maori ist eine weiche und fließende Sprache. Es gibt keine harten gutturalen Laute, nie zwei Konsonanten hintereinander, und alle Silben und Wörter enden auf Vokalen. Mit seinen musikalischen Kadenzen hört sich Maori fast ein bißchen wie Italienisch an. Insgesamt hat die Sprache fünfzehn Laute, die fünf Vokale (a, e, i, o, u) und zehn Konsonanten (h, k, m, n, ng, p, r, t, w und wh). Die korrekte Aussprache zu lernen ist relativ einfach; alle Vokale gibt es als kurze oder lange Laute, wobei ein Fehler den Sinn eines Wortes oder ganzen Satzes dramatisch verändern kann. Die Vokale werden ähnlich wie im Deutschen ausgesprochen, und auch bei den Konsonanten gibt es kaum Unterschiede: ng wird immer wie die letzten beiden Buchstaben in »Ring« ausgesprochen, das w wie im Englischen (z. B. water), und das wh wie ein aspiriertes f. Das Vokabular der Maori-Sprache ist umfangreich, und besonders beachtenswert ist die Vielfalt an abstrakten Ausdrücken, was man schon sehen kann, wenn man einige der bekanntesten Ortsbezeichnungen in Neuseeland übersetzt, z. B. Te Mata, den Namen eines beeindruckenden geographischen Wahrzeichens in der Hawkes Bay, dessen 400 m hoher Gipfel einen hervorragenden Aussichtspunkt auf die Landschaft darstellt. Die Herleitung des Namens ist heute unsicher, aber er kann auf verschiedene Weise übersetzt werden: Mata - ein Haufen; Mata - ein Gesicht; von weitem gesehen, hat der Berg die Umrisse eines Gesichts; Mata - ein Steinmesser. Die ersten beiden Möglichkeiten beziehen sich eindeutig auf sichtbare Merkmale, aber die dritte, die vielleicht die ursprüngliche und richtige Bedeutung des Namens ist, könnte sich auf ein historisches Ereignis beziehen, als die Überlebenden eines Angriffes in ein nahegelegenes befestigtes Dorf auf den Berg flüchteten und sich gemäß alter Sitte als Zeichen der Trauer für
ihre getöteten Verwandten mit Messern Schnittwunden beibrachten. Ebenfalls in dem Distrikt Hawkes Bay findet man eine aus 57 Buchstaben bestehende Ortsbezeichnung, Taumatawhakatangihangakoauauotamateapokaiwhenuakitanatahu. Die Übersetzung dieses längsten Ortsnamens in Neuseeland kann man auf dem Ortsschild der Automobile Association lesen, auf dem es heißt: »Die Kante des Berges, auf dem Tamatea, der durch das ganze Land reiste, für seine Geliebte die Flöte spielte.« Der Missionar William Yate, der in den 1820ern in Neuseeland arbeitete und die Bibel und andere religiöse Schriften ins Maori übersetzte, schrieb folgendes über den Reichtum der Sprache in seinem Buch An Account of New Zealand. »Sie quillt über von Wörtern und einer Vielfalt des Ausdrucks... Man wird es vielleicht nicht glauben, wenn ich sage, daß die Neuseeländer für jeden Baum und jede Pflanze in ihrem Land einen Namen haben, und es gibt fünf- oder sechshundert oder mehr.... Genauso ist es bei den Vögeln, Fischen, Insekten, Stoffen und allem anderen, was sie besitzen; und ich habe nie einen der Eingeborenen dabei ertappt, daß ihm zur Beschreibung von Gefühlen, Leidenschaften oder Eindrükken die Worte fehlten, sei es Freud oder Leid, Gut oder Böse; oder bei der Beschreibung von Gegenständen oder Materie, also breit, schmal, lang, scharf, stumpf, flüssig, fest usw. Kurz, es dürfte kaum etwas geben, wofür sie kein Wort haben ...« Da es reine Maori-Gemeinden in Neuseeland fast nicht mehr gibt, sind die modernen Maori zweisprachig oder zumindest teilweise zweisprachig. Diejenigen, die ihre eigene Sprache nicht mehr flüssig sprechen können, können sie doch zumeist verstehen. Es ist ein positives Zeichen, daß nach vielen Jahren der Vernachlässigung heute wieder aktiv darauf hingewirkt wird, daß Maori an Universitäten, Lehrerseminaren und Primar- und Sekundarschulen unterrichtet wird. Das aufblühende Interesse wird von Maori und Weißen geteilt, da man die Sprache der Maori als nationales kulturelles Erbe erkannt hat. Für diejenigen, die Maori lernen - und die Zahl wächst ständig -, gibt es inzwischen eine Vielzahl von Lehrbüchern, Wörterbüchern und Sprachkassetten. »Te Ao Hou«, eine vom Maori Affairs Department herausgegebene Zeitschrift, hat viel zum Gebrauch von Maori als Schriftsprache und auch als literarische Sprache, besonders bei jungen Maori-Schriftstellern, beigetragen. Allegorien, Personifikationen und Bilder sind charakteristisch für die Sprache, und während die alten Maori keine Reime kannten, spielte doch der Rhythmus eine wichtige Rolle nicht nur in der Sprache, sondern auch im täglichen Leben. Die alten Gesänge und Lieder, die formalen Begrüßungen und Anreden nehmen eine rezitative Gestalt an und werden oft von Gesten begleitet, die das gesprochene Wort verstärken. Wenn sich Maori zu einer formellen Versammlung treffen, was oft geschieht, dann ist der Redner von entscheidender Bedeutung. Die Versammlung wird von Reden beherrscht, und ein Redner muß nicht nur flüssig sprechen können, sondern auch über detaillierte Kenntnis der Etiquette verfügen und sicher in den historischen Anspielungen und der Stammesgeschichte sein, die Teil jeder Ansprache sind, egal zu welchem Anlaß. Oft werden auch Gesänge in die Reden eingeschoben. Das sind wunderbare Augenblicke für die Zuhörer, und obwohl sie sich für das ungeübte Ohr melodielos anhören mögen, sind sie
doch wohlklingend und werden auf bemerkenswerte Art und Weise vorgetragen. Lange Passagen werden ohne Pausen zum Luftholen gesungen, und gelegentlich wird mehr als nur eine Stimme eingesetzt, um zu gewährleisten, daß es im Vortrag keine Unterbrechung gibt. Dieser ununterbrochene Vortrag wird besonders im Falle von Beschwörungen als wichtig angesehen; eine Pause würde die Wirksamkeit zerstören. Eine Rede kann auch ein Lied umfassen und endet gewöhnlich mit einem solchen, und diejenigen unter den Zuhörern, die den Redner unterstützen, stimmen dann spontan ein, je nach Gefühl zurückhaltend oder mit Schwung. Hierbei kann es sich um alle möglichen Liedformen handeln, Klage-, Wiegen-, Spott- oder Freundschaftslieder, oder auch Balladen zu Ehren eines wichtigen Besuchers. Besonders bei diesen Gelegenheiten auf dem Versammlungsort wird die Sprache der Maori als eine lebendige und vitale Kraft im Land angesehen. Über die Jahre hat manch einer der Ältesten seine Rede mit dem Appell beschlossen: »Laßt uns festhalten an unserer MaoriKultur und den Weisen unserer Vorfahren.« DIE GESANGSDARBIETUNGEN DER MAORI GESTERN UND HEUTE Der eine oder andere Leser hat vielleicht schon einmal den kraftvollen Haltungstanz gesehen, der von neuseeländischen Sport-Teams vor dem Beginn internationaler Begegnungen aufgeführt wird. Diese spektakuläre Vorführung ist immer ein bewegendes Vorspiel, aber nur wenige Zuschauer sind sich des Ursprungs des Tanzes bewußt. Gewöhnlich als Kriegstanz der Maori bezeichnet, sollte er richtiger wohl Haka pukana heißen. Haka ist die Gattungsbezeichnung für viele verschiedene Tänze, die von Liedern mit Bewegungen begleitet werden. Den Gegensatz zum Tanz mit Grimassen, mit bedrohlich gerufenen Worten, rollenden Augen, herausgestreckten Zungen und stampfenden Füßen bildet der Poi-Tanz, grazil von Frauen zu einem sanften, aber beherzten Refrain und passend zum Herumwirbeln des Poi, eines kleinen, traditionellerweise mit den Daunen der Binse gefüllten Flachsballes aufgeführt. Die Poi sind an Riemen befestigt und werden perfekt im Rhythmus der Bewegungen der Tänzer herumgewirbelt. Dieses sind nur zwei Beispiele für die vielen traditionellen Gesangsformen der Maori. Alle diese Lieder sind zugleich Pantomimen, wobei die Körperbewegungen und Gesichtsausdrücke auf das jeweilige Thema des Liedes abgestimmt sind. Die Tänze und Lieder sind für bestimmte Anlässe komponiert und werden zu diesen aufgeführt. Dabei können die Anlässe freudiger oder trauriger Natur sein, ein Willkommen oder ein Abschied, ein Protest oder ein Ausdruck von Dankbarkeit; in der Tat kann ein Tanz oder Lied sich auf Ereignisse oder denkwürdige Augenblicke jeglicher Art beziehen, ob auf historische oder zeitgenössische. Viele der heutigen Gesangsdarbietungen der Maori sind eine Mischung beider Kulturen, da zum Teil europäische Melodiestile und Instrumente aufgenommen wurden, aber die Texte in Maori und die Tanzbewegungen haben ihren besonderen Charakter behalten und halten sich an die rituellen Konventionen. In den vergangenen Jahren hat es eine verstärkte Rückkehr zu wahrhaft traditionellen Lied- und Tanzformen gegeben, angeregt vom South Pacific Festival of the Arts, an dem alle ethnischen Gruppen dieses Gebietes nun regelmäßig teilnehmen. DIE TRADITIONELLE BEKLEIDUNG DER MAORI Die Alltagskleidung der heutigen Maori unterscheidet sich nicht von der der übrigen Neuseeländer, aber bei offiziellen Anlässen kann es sein, daß sie sich mit traditionell bedeutsamen Gegenständen ausstatten. Ein Stammesältester trägt vielleicht einen feinen
Federmantel, der von seiner Familie seit Generationen in Ehren gehalten worden ist, oder er hält bei der Begrüßung von Besuchern aus anderen Stammesgebieten einen geschnitzten Stock, der für seinen Stamm von historischer Bedeutung ist. Der Zweck des über der Alltagskleidung getragenen Mantels kann sein, einen Rang oder eine Position anzuzeigen oder einfach ein passendes Maori-Insignium in eine Versammlung zu bringen. Aber selbst bei reinen Maori-Versammlungen wird die volle traditionelle Bekleidung nicht mehr getragen; sie ist durch normale Alltagskleidung ersetzt worden, und nur Konzertgruppen »verkleiden« sich heute noch. Für Zeremonienmäntel wurden gewöhnlich Vogelfedern verwendet, die alle fest mit dem fein gewebten Untergrund verbunden waren. Wo nur eine Federnsorte benutzt wurde, wurde der Mantel nach eben diesem Vogel genannt, z. B. Kiwi-Mantel. Einige der schönsten dieser traditionellen Mäntel waren noch mit einem Muster aus dem bunten Gefieder von Vögeln wie der Waldtaube oder dem Papagei geschmückt. Auch das Haar des jetzt ausgestorbenen einheimischen Hundes wurde in frühen Zeiten verwendet. Einige wunderschöne Exemplare der frühen Kleidung der Maori können in den Maori-Abteilungen der größeren Museen besichtigt werden. Das Grundmaterial für alle Kleidungsstücke wurde aus den verschiedenen Flachsarten gewonnen, aus deren Blätter man eine gute goldene Faser erhält. Dieser Faden wurde von den Frauen vorbereitet, die die grüne Oberhaut abzogen und die Fasern solange durch Abschaben und Stampfen bearbeiteten, bis sie die für das Kleidungsstück, das aus ihnen gewebt wurde, gewünschte Feinheit hatten. Aber nicht alle Kleidungsstücke wurden wirklich gewebt. Der spezielle Maori-Kilt, der von Frauen und Männern getragen wurde und der dem Tanz durch die Bewegung der Tänzer so einen besonderen Klang verleiht, ist einfacherer Machart, aber genauso handwerklich geschickt hergestellt. Hier werden die Flachsblätter in gleichmäßige breite Stränge zerteilt, die Stränge werden dann von der Oberhaut in gleichen Intervallen gereinigt und getrocknet. Beim Trocknen rollen sich die Stränge zu federähnlichen Zylindern. Die Enden werden dann zusammengeflochten, bis man genug Länge für ein Taillenband hat. Der Kilt wird dann in schwarzen Schlamm getaucht, der die Fasern schwarz färbt, während die Federn die strahlend gelbe Farbe des getrockneten Blattes behalten. Später kann das Taillenband an einer gewebten Borte mit Taniko-Muster befestigt werden. . Dasselbe Taniko-Muster wird oft auf dem Stirnband, der Oberkörperbekleidung der Frauen und an den Rändern des Mantels wiederholt, so daß die Bekleidung einer MaoriKonzertgruppe ein einheitliches Aussehen erhält. Maori-Motive werden nun auch oft in der Stickerei, beim Stricken und bei Webwaren verwendet, die als speziell neuseeländische Erzeugnisse verkauft werden. WERTVOLLE SCHMUCKSTÜCKE Stein, Knochen und Federn gehörten zu den bei den alten Maori zur Herstellung von persönlichem Schmuck beliebtesten Materialien. Das bekannteste solcher Schmuckstücke ist heute ohne Zweifel der Hals-Anhänger, normalerweise aus »Greenstone« gefertigt, das genauer »Nephrit« heißen sollte und auch oft als »neuseeländische Jade» bezeichnet wird. Diese grotesk verformte menschliche Figur hat hohes Prestige und große Macht. Das ist besonders der Fall, wenn der Anhänger über mehrere Generationen hochstehender Personen hinweg vererbt worden ist. Für die Herstellung eines Anhängers kann ein Maori-Künstler mehrere Jahre gebraucht haben, da Nephrit hart ist (ein wenig härter als Fensterglas), und die
Werkzeuge zum Schleifen und Polieren waren aus Stein. Nephrit muß geschliffen werden, es kann nicht wie die meisten Steine durch rohes Meißeln geformt werden. Sowohl Männer als auch Frauen trugen Schmuck, aber der Hals-Anhänger wurde und wird meistens von höherstehenden Frauen getragen. Das Maori-Wort für Anhänger stammt von dem männlichen Geist her, den der Gott der Natur, Tane, der Legende nach bei der Schöpfung in die aus der Erde geformte junge Frau einpflanzte. Es ist kein Wunder, daß diese Anhänger einen unbezahlbaren Wert haben und daß die wenigen Frauen, in deren Besitz sie sich befinden, sie kaum je ablegen. Auch ist es kein Wunder, daß einige der heute im Stil der Maori-Kunst kommerziell hergestellten Produkte von denjenigen, die die Bedeutung der Originale kennen, mit Abscheu betrachtet werden. Nachahmung ist nicht von Übel an sich, aber eine schlechte Nachahmung verletzt das historische Erbe. Daher sind kürzlich Schritte eingeleitet worden, daß nur dann Produkte für den Souvenir-Markt autorisiert werden, wenn sie ein gewisses Maß an historischer Genauigkeit aufweisen. Der Maori-Name für Greenstone ist Pounamu. Diesen wertvollen Stein findet man nur auf der Südinsel, die nach ihm benannt wurde - Te Wahi Pounamu, der Ort des grünen Steins. Es gibt verschiedene Arten, alle wertvoll, und alle tragen einen poetischen Namen, z. B. Inanga - der Weißfisch; diese Art hat eine perlenhafte weißlich-grüne Farbe wie die Jungen der Fluß-Elritze; Kawakawa - eine satt dunkelgrüne Art, ähnlich der Farbe der Blätter des Kawakawa-Baumes; Tangiwai- Tränen; dies ist eine lichtdurchlässige Art mit einem Tränenmuster. DIE TÄTOWIERUNG - EINE PERSÖNLICHE ART DER VERZIERUNG Das Gesicht eines tätowierten Maori-Häuptlings ist ein beliebtes und typisches Bildnis auf neuseeländischen Briefmarken, Münzen und Landes- und Stadtwappen. Diese Form des persönlichen Schmuckes, einst so einzigartig typisch für die Maori, kann man heute nicht mehr oft sehen. Es wird behauptet, daß die letzte Tätowierung vor dem Besuch des damaligen Prinzen von Wales im Jahre 1920 vorgenommen wurde, als einige der für die offizielle Begrüßungszeremonie ausgewählten Frauen sich ihre Lippen und ihr Kinn mit der traditionellen Tätowierung für Frauen verzieren ließen. Vor einigen Jahren hat zudem Frau Tawai Hauraki-Te Rangi, die am Heretaunga College Maori unterrichtet, die Prophezeiung ihres Großvaters wahrgemacht und sich das Tattoo-Muster auf das Kinn tätowieren lassen; seitdem sind zwei weitere Frauen und ein Mann ihrem Vorbild gefolgt. Nur die Männer hatten ihr gesamtes Gesicht tätowiert, und in vielen Fällen bedeckten die Verzierungen den Körper von den Knien bis zur Taille. Merkwürdigerweise erwähnt Tasman die Tätowierung nicht. Bei Cook gibt es aber viele Erwähnungen dieser Sitte, und hier ist ein Auszug aus seinem Reisebericht: »Die Verzierungen sind normalerweise spiralförmig und sehr schön und elegant. Beide Seiten des Gesichts sind gleich. Die Verzierungen auf dem Körper ähneln dem Laubwerk in alten zisilierten Ornamenten, Windungen einer Filigranarbeit, und ihre Formenvielfalt ist so groß, daß von hundert Verzierungen, die auf den ersten Blick alle gleich aussehen, bei genauerem Hinsehen keine zwei die gleichen sind.« Der langwierige Prozeß des Tätowierens fing im frühen Mannesalter an und muß extrem schmerzhaft gewesen sein. Der in dieser Kunst bewanderte Priester, der selbst nicht tätowiert
war, war eine wichtige Persönlichkeit. Er war einer der bedeutendsten Hüter und Repräsentanten der Stammesgeschichte und -rituale, und das Tätowierungsritual war von größter Wichtigkeit für den einzelnen und den Stamm. Das vorher festgelegte Muster wurde auf der Haut aufgezeichnet, dann wurde entlang den Linien ein kleiner Meißel aus Knochen wiederholt tief in das Fleisch hineingetrieben. Vor jedem Einschnitt wurde die Klinge in eine rußige Mischung aus verbranntem Kauri-Kautschuk oder aus verbrannten Gemüseraupen getaucht. Nachdem diese stoisch ertragenen Wunden geheilt waren, blieb eine eingeschnittene blaue Narbe als permanentes Muster zurück. Um sicherzugehen, daß ihre Tätowierungen nie verborgen waren, zogen sich die alten Maori Haar für Haar die Barthaare heraus. Häuptlinge benutzen ihr persönliches Tattoo Design später als Unterschrift. Hierfür kann man viele Beispiele auf dem Vertrag von Waitangi sehen. Während die letzten der tätowierten Maori-Häuptlinge noch lebten, malten Künstler ihre Portraits. Die bedeutendste Sammlung dieser Art befindet sich in der Auckland City Art Gallery, wo die tätowierten Gesichter in dem sehr lebensnahen und detaillierten Werk von Gottfried Lindauer festgehalten sind. Die tätowierten Köpfe von Feinden, durch Behandlung mit Dampf, Räuchern und anschließendes Trocknen haltbar gemacht, wurden von den Stämmen als Objekte der Mißachtung behalten. Als die ersten Segelschiffe an die Küsten Neuseelands kamen, gelangten einige dieser Köpfe in die Hände von Europäern, und bald entwickelte sich ein grausiger Handel, der zu einer Ausweitung von Stammesfehden und vielen Fällen von grausamem Morden führte. DIE HOLZSCHNITZER UND IHRE KUNST Holz-Bildhauerei, gemeinhin Maori-Schnitzerei genannt, ist allen Neuseeländern vertraut. Diese kraftvolle und wundervoll ausgeführte Kunst ist eine sich ständig weiterentwickelnde Errungenschaft der Maori, und im letzten halben Jahrhundert sind mehr wichtige Kunstwerke produziert worden als in irgendeiner Zeit vorher. Diese Skulpturen reichen von dem 15 m hohen, teilweise geschnitzten Pfahl, der von dem großen Neuseeländer Inia Te Wiata entworfen und geschnitzt und dann im Foyer des Neuseeland-Hauses in London errichtet wurde, bis hin zu den kleinen, bemusterten Schatzkästchen, den traditionellen Willkommensgeschenken für das Land besuchende Mitglieder des Königshauses. In der Vergangenheit hatte der Schnitzer den Rang eines Priesters. Seiner Kunst wurde Ehrfurcht entgegengebracht, und ihre Ausführung wurde von strengen Regeln begleitet. Sogar noch heute, wenn die Schnitzer zur Arbeit moderne Overalls tragen und Stahlwerkzeuge benutzen, werden die alten Rituale nicht gänzlich vergessen. Die meiste Holzbildhauerei gelangt heute in die geschnitzten Häuser, die im ganzen Land errichtet wurden und werden. Zusätzlich zu ihrer traditionellen Nutzung dienen jetzt einige städtische Versammlungsorte als Gemeindezentren und auch als Seminar- oder Konferenzzonen für Gruppen, denen die Wohlfahrt der Menschen und die Erhaltung des Landes am Herzen liegt. Totara ist das beliebteste Schnitzholz, und früher wurden fertige Arbeiten mit einer Mixtur aus rötlich-ockerfarbenem Ton mit Haifischöl als Konservierungsmittel überzogen. Kleine Stücke wie die Federkästen, zum Aufbewahren persönlicher Schätze, wurden oft unbeschichtet
gelassen, so daß das Holz durch die ständige Handhabung über die Jahre eine angenehme Patina erhielt. Die alte Schnitzerei mit Steinwerkzeugen sieht weicher aus als die mit Stahlwerkzeugen gefertigten Arbeiten, und die stark verwitterten Arbeiten aus der Frühzeit verdienen besondere Beachtung. Heute werden die meisten Maori-Schnitzer an der School of Maori Arts and Crafts in Rotorua ausgebildet, die die alten Künste pflegt und die traditionellen Standards aufrechterhält. Die Schnitzer und ihre Arbeit waren immer strengen Regeln unterworfen. Am Arbeitsplatz oder in seiner Nähe wurde nicht gegessen und auch kein Essen gelagert; Frauen durften sich dem Arbeitsplatz nicht nähern. Die Schnitzer rauchten nicht bei der Arbeit und durften auch nicht die Holzspäne von ihrem Meißel blasen oder sie sich ansammeln lassen, sondern mußten sie vergraben, falls sie nicht für ein Feuer zum Kochen verwendet wurden. Das Eintreten schweren Unglücks wurde für unausweichlich gehalten, falls diese Rituale, die der zeremoniellen Beschränkung unterworfen sind, verletzt wurden, und es gibt gut belegte Geschichten von Todesfällen nach solchen Verstößen. Wo diese oder andere Schnitzrituale gebrochen worden waren, wurde der Priester oder Weise konsultiert, der je nach der Schwere des Verstoßes die erforderliche Sühnezeremonie durchführte und so die Fortführung der Arbeit ermöglichte. Nicht auf diese Weise gereinigte Arbeiten wurden aufgegeben und die Schnitzereien selbst als bösartig betrachtet, die über jeden Unglück bringen würden, der versuchte, sie an sich zu bringen. Die traditionellen Schnitzrituale werden unter modernen Bedingungen lockerer gehandhabt, aber die Verbindungen bestehen immer noch, und die Einhaltung bestimmter Regeln ist nicht vollständig aufgegeben worden. Die Meisterschnitzer der letzten Jahre haben aus dieser alten Kunst ihren lebenslangen Beruf gemacht. Obwohl die meisten zeitgenössischen Arbeiten Auftragsarbeiten für Versammlungshäuser sind, findet man sie auch an vielen anderen passenden Orten. Kirchen, Kapellen, städtische Verwaltungsgebäude, Schulaulen und sogar Sitzungssäle von Unternehmen in Neuseeland sind geschmackvoll mit Maori-Schnitzkunst geschmückt. Unglücklicherweise sind in Plastik gegossene Maori-»Schnitzereien« seit kurzem leider viel zu häufig anzutreffende Beispiele für neuseeländischen Kitsch geworden, wobei allzuoft das Design und die Verwendung geradezu lächerlich sind. Der Versammlungsplatz mit seinem für Zeremonien geschnitzten Haus wird immer der passendste Ort für Maori-Kunst und -Kunsthandwerk sein. Sowohl die Neuseeländer als auch die Besucher können sich glücklich schätzen, daß sie im ganzen Land schöne Versammlungshäuser sehen können. Nicht alle sind immer für die Öffentlichkeit zugänglich, aber einige, wie z.B. das Haus »Tama-te-Kapua« in Ohinemutu in Rotorua, stellen für Touristen wie für fachlich Interessierte besondere Attraktionen dar. Dieses Haus ist eine wahre Enzyklopädie der Kunst der Maori. »TAMA-TE-KAPUA« - EIN VERSAMMLUNGSHAUS DER MAORI Das Versammlungshaus ist keine neuzeitliche Idee. Obwohl die meisten kürzlich gebauten Häuser moderne Ausstattungen für den Komfort und die Annehmlichkeit der Menschen aufweisen, wird die strukturelle Symbolik immer beibehalten. Diese Symbolik gründet sich
auf dem Glauben, daß das Gebäude die materielle Verkörperung eines verehrten Stammesvorfahren darstellt. »Tama-te-Kapua« ist ein hervorragendes Beispiel hierfür. Es wurde 1878 gebaut und ist nach dem Vorfahren des Arawa-Volkes aus dem ersten Kanu benannt. In der Symbolik der Maori ist die das Dach stützende Firststange sein Rückgrat, der vordere Hauptpfahl sein Herz, die Dachsparren sind seine Rippen, das Fenster ist ein Auge, die Tür der Mund, die nach vorne zeigenden Paneelen sind seine Arme und die geschnitzte Giebelmaske ist sein Kopf. Im Innern des Hauses sind auf den Holztafeln die Vorfahren der Arawa dargestellt, und hier können wir, die Flöte an seinen Lippen, den legendären Tutanekai sehen, wie sein Spiel seine schöne Geliebte, Hinemoa, dazu verleitete, den Lake Rotorua bis zur Insel Mokoia zu durchschwimmen, um ihn dort zu treffen. Auf Stelzen sehen wir Tama-teKapua selbst, der die Stelzen als Trick benutzte, um keine Fußspuren zu hinterlassen, als er den heiligen Brotfruchtbaum des Hohepriesters Uenuku in der alten Heimat Hawaiki plünderte. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahme wurden er und sein Bruder auf frischer Tat ertappt, und die Folge war Krieg. Tama-te-Kapua und Whakaturia wurden besiegt und bauten daraufhin das Kanu Te Arawa, in dem sie mit ihren Gefolgsleuten Neuseeland erreichten. Das ist der Ursprung des Arawa-Stammes. Viele andere Vorfahren und Helden des Stammes sind auf den geschnitzten Holztafeln abgebildet. Zwischen ihnen finden wir Beispiele für Gittertafeln, deren geometrische Muster dadurch entstehen, daß schwarz gestrichene Holzleisten und Pampasgrashalme mit neuseeländischem Flachs und anderen faserigen Blättern verbunden werden. Die großen gebogenen Dachsparren sind mit rot-schwarz-weißen geschwungenen und spiralförmigen Mustern bemalt. Die mythologischen Ursprünge dieses traditionellen Designs sind teilweise nicht mehr bekannt. Die Muster orientieren sich aber alle an den Formen der Natur, unter anderem den Meereswellen, dem sich öffnenden Farnwedel und der Form von Fischen. Diese Muster heißen Kowhaiwhai, abgeleitet von Kokowai (roter Ton), der auch auf den anderen Schnitzereien zumeist benutzten Farbe, die das Pigment dafür liefert. Dieses Rot war für die alten Maori die schönste aller Farben, und die modernen grellen Emaille-Farben sind als Ersatz verpönt. Das dunkle, aber kräftige Mattrot des Kokowai konserviert und verschönert zugleich. Frühe europäische Besucher des Landes, angefangen bei Kapitän Cook, haben genaue Beschreibungen der alten Versammlungshäuser hinterlassen, und Künstler wie George French Angas, der vor der Erfindung der Fotografie nach Neuseeland kam, haben detailgetreue Gemälde von wichtigen, jetzt schon lange nicht mehr bestehenden Häusern angefertigt. In letzter Zeit sind viele Häuser gebaut worden, besonders in den größeren Städten, wo heute ungefähr siebzig Prozent der Maori leben und arbeiten. Sie leben nicht mehr in StammesGemeinschaften, im klassischen Dorf mit seinem befestigten Pa. Aber die Versammlungsorte und die Versammlungshäuser als Zentren kultureller Aktivität haben ihre Bedeutung nicht verloren. DAS LEBEN DER MAORI IN DER VERGANGENHEIT Die alten aus Holz und Reet gebauten befestigten Stammesdörfer sind längst verschwunden, aber mündliche Überlieferungen und schriftliche Aufzeichnungen sowie am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts angefertigte Gemälde und Zeichnungen liefern uns genaue Beschreibungen von ihnen. Auch haben Archäologen in verschiedenen Fällen die Anlage und das generelle Aussehen von Siedlungen rekonstruieren können. Gleichzeitig sind oft aus
Stein, Muscheln oder Knochen gefertigte Gegenstände entdeckt worden. Traurigerweise sind in der Vergangenheit viele alte Stammesdorfstätten gedankenlos zerstört worden, andere sind von Andenkenjägern heimgesucht worden, aber in den letzten Jahren hat man effektive Schritte unternommen, um die Stätten für wissenschaftliche Studien zu erhalten. Es gibt viele Orte, wo die damals so mühsam angelegten Gräben und Wälle noch deutlich sichtbar sind. One Tree Hill oberhalb der City von Auckland ist ein bekanntes Beispiel hierfür. Der befestigte Teil eines Stammesdorfes war strategisch günstig an höhergelegener Stelle errichtet. Überfälle und Scharmützel zwischen den Stämmen fanden häufig statt, und die Bewohner eines Dorfes begaben sich bei Gefahr in den Schutz der Palisaden. Der Wachturm, den man auf einem Gemälde von Marcus King auf der Bergspitze sehen kann, war immer bemannt. Von diesem Turm und anderen in der Umzäunung wurden Steine und Pfeile gegen die Angreifer geschleudert. Das Gemälde zeigt auch das zum Schutz der Vorräte gegen die heimische Ratte auf Pfählen errichtete Vorratshaus. Wie das Versammlungshaus war auch das Vorratshaus, in dem wertvolle Schmuckstücke aufbewahrt wurden, reich mit Schnitzereien verziert. Einfachere Vorratshäuser wurden nur zur Aufbewahrung von konservierten Lebensmitteln benutzt. Der Mann auf der Leiter deckt das Dach mit getrockneten Blättern der Binse. Im Vordergrund flechten Frauen die grünen Blätter des neuseeländischen Flachs zu Matten. Diese dienen dann als Abdeckung beim Kochen des Essens im Erdofen, der aus in ein Erdloch gelegten heißen Steinen bestand. Das Essen wurde dann auf Matten gelegt, mit weiteren heißen Steinen und mit Erde bedeckt - eine effiziente Kochmethode, die auch heute noch zum Einsatz kommt. Rechts auf dem Gemälde ist eine ältere Frau beim Weben zu sehen. Sie muß einen hohen Rang eingenommen haben, da die Anfertigung zeremonieller Gegenstände nicht den normalen Stammesmitgliedern anvertraut wurde. Der komplizierte Webvorgang wird nur mit den Fingern ausgeführt. Es wird kein Webrahmen oder Schiffchen eingesetzt, und wie das Schnitzen unterliegt auch das Weben einer höchst zeremoniellen Beschränkung. Links sehen wir einen Häuptling oder eine Person von adliger Geburt, der einen Federmantel um die Schultern und die Schwanzfedern des Huia im Haar trägt. Die Federn des jetzt ausgestorbenen Huia-Vogels waren den Häuptlingen, Priestern oder den Erstgeborenen adliger Familien vorbehalten. In Whakarewarewa in Rotorua ist das »Rotowhio Pa« als Touristenattraktion rekonstruiert worden. Eine ähnliche Anlage befindet sich bei Kereker im Northland. UIA MAI, TOIA MAI, TE WAKA - SIEHE DORT DAS KANU! Der Titel dieses Kapitels ist gleichzeitig der eines beliebten Liedes, eines derjenigen Lieder und Gesänge, die die Namen der Kanus Arawa, Tainui, Tokomaru, Aotea, Mataatua, Kurahaupo und Takitimu überliefern, mit denen die Maori-Kolonisten im zehnten bis zwölften Jahrhundert über den Pazifik aus Polynesien in ihre neue Heimat kamen. Auf diese Kanus führen die Maori-Stämme ihre Ursprünge zurück, und die Lieder verewigen die Namen der an der Überfahrt beteiligten berühmten Vorfahren und berichten oft über während der Fahrt passierte Ereignisse. Wie die Legenden und die Geschichte zeigen, waren die alten Maori sehr mutige und geschickte Seefahrer. Nachdem sie sich in dem neuen Land, das sie »den von Maui gefangenen Fisch« nannten - Maui ist der Halbgott, der durch das Auftauchen der Nordinsel
aus dem Ozean geschaffen wurde -, niedergelassen hatten, befuhren sie alle Wasserwege mit Kanus, die sie mit Hilfe von Feuer und Steinwerkzeugen aus großen Bäumen bauten. Das Meer versorgte sie mit einem großen Teil ihrer Nahrung. Auch in den Flüssen und Seen fanden sie proteinhaltige Nahrungsmittel. Die Kanus beförderten sie auf Erkundungsreisen, Kriegszügen und Freundschaftsbesuchen. Kein Wunder also, daß ihre Erbauer so hoch angesehen waren und ihre Kunst eine so große Perfektion erreichte. Eine anschauliche Beschreibung eines Kriegskanus und seiner Besatzung von der Bay of Islands liefert R. A.Cruise im Jahre 1820: »Das größte, das wir sahen, war 84 Fuß lang, 6 Fuß breit und 5 Fuß tief... Es war aus einem einzigen ausgehöhlten Kauri-Baum gemacht ... und wurde durch die vereinte Kraft von neunzig nackten Männern angetrieben ..., und drei andere standen auf den Ruderbänken und koordinierten die Schläge der Paddel, indem sie unter starkem Gestikulieren ständig ein Lied wiederholten, das von jedem im Kanu mitgesungen wurde. Das Kanu bewegte sich erstaunlich schnell fort, und schaumgekrönte Wellen entstanden auf beiden Seiten des Kanus.« Aufzeichnungen zufolge hat nach der Unterzeichnung des Vertrages von Waitangi eine Flotte von neunundsechzig Kanus an einem einzigen Tag Waitangi in Richtung Hawkes Bay verlassen, um die Mitglieder eines Stammes zurück nach Hause zu bringen. Noch in den 1860er Jahren fanden Seeschlachten zwischen den Kanuflotten sich bekämpfender Stämme statt, und während der »Landkriege« setzten britische Truppen auf dem Waikato-Fluß oft Kriegskanus ein. Eines von diesen, »Teremoe«, jetzt im National Museum in Wellington, ist ein beeindruckendes Beispiel für die Kanubaukunst der Maori. Man kann sich glücklich schätzen, wenn man die Gelegenheit bekommt, entweder in Waitangi oder in Ngaruawahia der Zeremonie beiwohnen zu können, die veranstaltet wird, wenn die dort beherbergten, grandios geschnitzten Kriegskanus zu einem feierlichen Anlaß zu Wasser gelassen werden. ESSEN GESTERN UND HEUTE Die Kanus, die beim Fischfang benutzt wurden, waren nicht so reich verziert wie die Kriegskanus, aber dennoch sind die wenigen erhaltenen Schiffsschnäbel von Fischfangkanus von besonderem Interesse für diejenigen, die sich mit Maori-Kunst befassen. Die Schnitzereien sind einfacher; die Schnitzer scheinen außerhalb der Konventionen gearbeitet zu haben und haben so einen bei formellen Arbeiten nicht zu findenden Realismus erreicht. Auf dieses Phänomen trifft man auch manchmal bei der Verzierung von Gebrauchsgegenständen, besonders denen für das Sammeln und die Aufbewahrung von Nahrungsmitteln. Die alten Maori waren den Berichten vieler früher Beobachter zufolge in Zeiten des Überflusses beherzte Esser. Große Feste, bei denen große Mengen an Essen konsumiert wurden, waren eine beliebte Art, einen wichtigen Anlaß zu feiern, und sie sind es noch immer. Aber Nahrung gab es nicht immer im Überfluß, und oft war sie nicht einfach zu beschaffen, so daß normalerweise nur zwei Mahlzeiten gegessen wurden, eine am Vormittag und eine bei Sonnenuntergang. Die Mahlzeiten wurden immer draußen eingenommen, Essen wurde niemals mit in die Häuser genommen. Bis zur Ankunft der weißen Siedler gab es keine großen Tiere, die hätten gegessen werden können. Oft füllte Menschenfleisch diese Lücke, da es häufig Krieg gab und die Sieger sich
an den Körpern der Besiegten verköstigten. Alle Männer wurden schon als Heranwachsende in den Kriegskünsten unterrichtet, und obwohl in Krisenzeiten die Frauen neben ihren männlichen Stammesgenossen kämpften, soll ihnen aber trotzdem die Teilnahme am nach einer erfolgreichen Schlacht traditionellen Männeressen verwehrt gewesen sein. Ein großer Teil der Nahrung kam aus dem Meer, da die Maori Experten im Fischen sowohl mit dem Netz als auch mit der Angelschnur waren. Ein gestrandeter Wal oder ähnliches war ein zusätzlicher Bonus, der viel Freude auslöste, da das Beschaffen von Nahrung aus dem Meer oder auf dem Land eine nie endende Aufgabe war. Von den einheimischen Gemüsesorten waren Farnwurzeln normalerweise am wichtigsten. Es gab sie immer, aber die geschmackvollsten Wurzeln waren tief in der Erde und nicht dicker als ein Finger. Eine hungrige Familiengruppe zu versorgen erforderte viel harte Arbeit, und erst nachdem die holzigen Fasern durch Bearbeitung der Wurzeln mit einem schweren Holzhammer entfernt waren, konnten sie als annehmbare Speise dienen. Die Puwha, eine Distelart, war und ist immer noch ein beliebtes Gemüse. Beeren wie Karaka, Tawa, Hinau und Tutu wurden je nach Jahreszeit gesammelt, und aus den zerdrückten Kernen der Hinau wurde eine Art Brot gemacht. Die schweren gelben Pollen der Binse wurden unter Mühen geerntet und auch zu einer Art Brot verarbeitet. Aus Polynesien brachten die Maori vier Feldfrüchte mit. Wo diese Pflanzen, besonders die Kumara (Süßkartoffel), erfolgreich angebaut werden konnten, blühte bald die Landwirtschaft und damit auch das Leben des jeweiligen Stammes. Bei der Nahrungsbeschaffung wurden die Anrufungsrituale für die entsprechenden Götter streng befolgt, für Tane für Nahrung aus dem Wald, Tangaroa für Nahrung aus dem Meer und Rongo für die Erzeugnisse der Landwirtschaft. Es wurde geglaubt, daß der Gute Geist nicht nur in den Plätzen wohnte, an denen man die Nahrung fand, sondern auch in einigen der zur Nahrungsmittelbeschaffung eingesetzten Gegenstände. Nach dem Beginn der europäischen Besiedlung änderte sich die Nahrung schnell. Der Kannibalismus fand ein Ende, und Tierfleisch, besonders vom Schwein, gab es bald genügend und wurde genossen. Die Kartoffel, weniger anspruchsvoll in bezug auf den Boden und ertragreicher, ersetzte die Kumara fast vollständig. Traditionelle Maori-Speisen wurden immer seltener eingenommen und wurden bald fast vollständig vom »Brot, Rindfleisch, Bier und Käse« der Engländer ersetzt. Die Maori ärgern sich mit Recht darüber, daß unsere Küstengewässer von kommerziellen Fischereiflotten, die für den internationalen Gourmet-Markt fischen, oder von gierigen Privatleuten ohne Rücksicht auf Saison und Größe leergefischt werden, so daß der Bestand an solchen Delikatessen wie Hummer, Seeigel und großen Muscheln gefährdet wird. Leider rächen die alten Götter diese Vergehen heutzutage nicht mehr. In den Tagen der alten Legenden hätte Tangaroa, der Gott des Meeres, seine Kräfte aufgeboten. Vom gigantischen Wal bis zum winzigen Weißfisch hätten sich die Fische zur einer Rachearmee zusammengetan, um solche Schänder des Ozeans zu zerstören.
FABELN UND FAKTEN
Erzählt von den Stammesältesten und aufgezeichnet von den Forschern, bilden die Fabeln und Legenden der Maori heute einen der wichtigsten Teile unserer Literatur. In der Tat sind sie die einzigen wirklich ursprünglichen Geschichten der Nation, da die Weißen ja relativ gesehen Neuankömmlinge und sehr gemischter Herkunft sind, so daß sich die Schriftsteller den Maori zuwenden müssen, wenn sie echte neuseeländische Stärke und Substanz finden wollen. Die neue Generation der Maori, die vor allem in den Städten lebt, ist immer noch stark beeinflußt von der mündlich überlieferten Literatur ihrer Vorfahren, hat aber den schriftlichen Ausdruck weiterentwickelt. In ihren Arbeiten hallt die Vergangenheit wider, aber sie umfassen auch grellere, moderne Töne. Die Achtung vor der Geschichte und die Sorge um die Zukunft des Landes und seiner Menschen sind häufige Themen. Das überrascht kaum, da junge Erwachsene nun den größten Teil der Maori-Bevölkerung bilden; zwei Drittel sind unter 25 Jahren alt. Wir können nun beobachten, daß die Jüngeren Probleme auf den Tisch bringen, die früher nur von den Ältesten angesprochen wurden. Gruppenaktionen, die nicht auf Verwandtschaftsbeziehungen basieren, werden von Maori unterstützt, die kirchlichen, politischen, sozialen oder sportlichen Organisationen angehören. Selten sind solche Gruppen reine Maori-Gruppen. So kommen die beiden Kulturen also durch gegenseitigen Respekt und gemeinsame Anliegen zusammen. Langsam entwickelt sich eine eigenständige neuseeländische Kultur; die verbleibenden Ursachen für Unzufriedenheit bei den Maori werden langsam aus dem Weg geschafft. Es muß noch viel getan werden, und dieses Viele wird getan werden, solange die Neuseeländer eines in Erinnerung behalten: »Wir sind ein Volk.«
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