Jacques Derrida M�moires F�r Paul de Man (*) I. Mnemosyne Ich habe niemals gewu�t, wie man eine Geschichte erz�hlt. Und da ich nichts so sehr liebe wie das Ged�chtnis (la m�moire) - und wie Memoria selbst (Memoire elle-m�me) -, Mnemosyne, habe ich dieses Unverm�gen immer als eine traurige Schw�che empfunden. Warum ist mir das Erz�hlen vorenthalten worden? Warum habe ich diese Gabe nicht empfangen? Warum habe ich sie nicht empfangen von Mnemosyne, an die Sokrates im Theaitetos (19ld) als die Mutter aller Musen, tes ton Mouson metros, erinnert? Um sodann mit Nachdruck darauf zu bestehen, da� die Gabe (doron) der Mnemosyne dem Wachs gleich ist, worin sich alles das, was wir im Ged�chtnis zu bewahren w�nschen, reliefartig erhaben eingraviert, so da� darin die Markierung von Ringen, B�nden und Siegeln hinterlassen bleibt. Von diesen Markierungen und durch diese Markierungen werden wir das Ged�chtnis und das Wissen bewahren; und solange sich darin das Bild (eidolon) lesen lassen wird, werden wir in trefflicher Weise von ihnen sprechen k�nnen. Aber was geschieht, wenn derjenige, der Mnemosyne liebt, nicht die Gabe der Erz�hlung emp fangen hat? Wenn er nicht wei�, wie man eine Geschichte erz�hlt? Wenn er genau, weil er das Ged�chtnis bewahrt, die Erz�hlung verliert? Nicht, um der Rhetorik zu huldigen, rufe ich Mnemosyne an. Und ich rufe auch nicht eine Memoria an, von der man nur aus Naivit�t annehmen kann, da� sie auf die Vergangenheit hin ausgerichtet sei. Und da� man mit
dem Mittel der Erz�hlung ein Wissen vom Wesen der Vergangenheit erhalte. Ich habe den Wunsch, zu Ihnen heute von dem zu sprechen, was im Kommen ist (avenir), von dieser Zukunft (futur), die - ihr Kommen steht noch aus (restant venir) - auch als die von Paul de Man zu uns kommen wird. Anl��lich der Lekt�re Prousts hatte er selbst gesagt, da� �das Verm�gen des Ged�chtnisses� nicht in erster Linie das Verm�gen sei, �wiederzuerwecken�: da� seine vorrangige Sorge sich um ein Denken des �Zuk�nftigen� dreht, tut seiner R�tselhaftigkeit keinen Abbruch. Dem Ged�chtnis einen Eigennamen zu geben, dazu bin ich heute verpflichtet gewesen. Mit Mnemosyne, dem Eigennamen, wollte ich auch den Titel eines Gedichtes von H�lderlin in Erinnerung rufen. Ein Gedicht aus Trauer, gewi�, und zwar aus unm�glicher Trauer; ein Gedicht im Fehl der Trauer, wenn Trauergeboten ist, wenn das Gebot ergeht (quund il faut le deuil quand il faut). Ich zitiere einige Verse aus Mnemosyne (2. Version): 2 Ein Zeichen sind wir, deutungslos, Schmerzlos sind wir und haben fast Die Sprache in der Fremde verloren. ( ) ... Nicht verm�gen Die Himmlischen alles. Nemlich es reichen Die Sterblichen eh' an den Abgrund. ( ) ...da gieng Vom Kreuze redend, das Gesezt ist unterwegs einmal Gestorbenen, auf der schroffen Stra� Ein Wandersmann mit Dem andern, aber was ist di�? Ich m�chte gern mit einem Zitat aus der 3. Version fortfahren, denn sie l��t Mnemosyne unter ihrem Namen auftreten:
...Und es starben Noch andere viel. Am Kith�ron aber lag Elevther�, der Mnemosyne Stadt. Der auch, als Ablegte den Mantel Gott, das Abendliche nachher l�ste Die Loken. Himmlische nemlich sind Unwillig, wenn einer nicht die Seele schonend sich Zusammengenommen, aber er mu� doch, dem Gleich fehlet die Trauer. Was ist das, eine unm�gliche Trauer? Was sagt uns diese unm�gliche Trauer �ber ein Wesen des Ged�chtnisses? Und w�re f�r das, was festh�lt am anderen in uns, in diesem � fern ahnend mit dem Anderen�, nicht der Ort gegeben, an dem es zu einem h�chst ungerechten Verrat kommt? Geschieht diese aufs �u�erste t�dliche, ja m�rderische Untreue in der m�glichen Trauer, die in uns das Bild, das Idol oder das Ideal des gestorbenen und nur noch in uns lebenden anderen verinnerlicht? Oder aber in der unm�glichen Trauer, die dem anderen seine Andersheit bel��t seine unendliche Entfernung achtet, sich verweigert oder sich als unf�hig erweist, ihn in sich als in das Grab oder die H�hle eines Narzi�mus hineinzunehmen? Diese Fragen werden uns unaufh�rlich verfolgen. Doch lesen wir erst einmal das, was Paul de Man uns �ber die �wahre 'Trauer'"'� ("true ,mourning "') zu denken aufgibt. Aber warum beginnen wir mit einem H�lderlinZitat? Zumindest dreier Gr�nde wegen, bei denen es sich zudem um Erinnerungen handelt. Paul de Man war ein gro�artiger Leser H�lderlins, ein leidenschaftlicher Leser, der zudem als Experte die ganzen philologischen und hermeneutischen Diskussionen verfolgte, wie sie sich in immer gr��erer Vielfalt und gebunden an die Geschichte der Dichtung sowie an die politische Geschichte des Denkens in Deutschland seit dem
Beginn des Jahrhunderts abgespielt haben. Paul de Man hat dazu seinen Beitrag geleistet, vornehmlich, indem er einer bestimmten Heideggerschen Aneignung der H�lderlinschen Dichtung ihre Berechtigung bestritt. Ein um so mehr ergreifendes Duell, als da� f�r Paul de Man wie f�r Heidegger die Gestalt H�lderlins eine Art geheiligter Einzigartigkeit wahrt, selbst dann noch, wenn Paul de Man - es ist wahr - dieses Heidegger zum Vorwurf macht: �H�lderlin ist der einzige, den Heidegger so zitiert, wie ein Glaubender die Heilige Schrift zitiert. �4 In der Manier eines Kategorischen Imperativs der Lekt�re verlangt die Stimme H�lderlins allen beiden eine Art absoluter Achtung ab, ohne da� damit notwendig die Bewegung einer Identifikation einhergehen mu�. Denn Paul de Man versteht es, genau im Moment des Gesetzes H�lderlin der identifikatorischen Aneignung, man k�nnte auch sagen, der hermeneutischen Trauer Heideggers, zu entziehen. Dieser hatte gewaltsam und ungerechtfertigt in Wie wenn am Feiertage... die �Natur�* (�Die m�chtige, die g�ttlichsch�ne Natur�*), wie selbstverst�ndlich und der gel�ufigen Geste Heideggers entsprechend, mit der Physis und dem Sein, aber auch mit dem Gesetz* identifiziert (�Nach vestem Geseze, wie einst, aus heiligen Chaos gezeugt�*). Aber Paul de Man zufolge �sagt H�lderlin� - in diesem Punkt wie in anderen �genau das Gegenteil dessen, was Heidegger ihn sagen l��t�. Der Satz ist schneidend, direkt und gewagt; dar�berhinaus ist er unterstrichen. Daran erkenne ich den Ton bestimmter Urteile wieder, welche die Form einer Herausforderung annehmen, das, was man die de Mansche Provokation nennen k�nnte. �Wenn er das Gesetz anf�hrt, spricht der Dichter an der Stelle nicht vom Sein, sondern von der Unm�glichkeit,
nichts au�er einem Gebot benennen zu k�nnen, das in seinem Wesen vom unmittelbaren Sein verschieden ist. �7 Ich wei� nicht, ob hier der rechte Ort ist f�r ein Schiedsgericht �ber Heidegger und Paul de Man. Ich werde mich nicht auf ein solches Wagnis einlassen, insbesondere nicht innerhalb der Grenzen einer Vorlesung. Das Problem wird von einem anderen Gesichtspunkt aus angegangen von Suzanne Gearhart in der sehr genauen und klaren Studie, die sie Paul de Man widmet: Philosophy Before Literature: Decon struction, Historicity, and the Work of Paul de Man. Ich m�chte Sie darauf verweisen. Meinerseits begn�ge ich mich an dieser Stelle mit der nachdr�cklichen Darlegung eines Punktes: die Irreduzibilit�t eines Denkens des Gesetzes auf ein Denken des Seins, die Unm�glichkeit, etwas zu benennen, ohne sich dadurch in einer bestimmten Weise auf die Ordnung des Gesetzes zu berufen, das ist es, was Paul de Man seit 1955 einer bestimmten Heideggerschen Lekt�re H�lderlins entgegenzuhalten sich verpflichtet denkt. Dieses Denken des Gesetzes war bei Paul de Man immer rigoros, r�tselhaft, paradoxal, wachsam, und ich glaube, da� es sich als eine Treue, die auch eine Treue gegen�ber H�lderlin war, durch sein ganzes Werk hindurchzieht. Man findet Zeichen davon wieder in diesen so neuartigen Betrachtungen �ber den Vertrag, das Versprechen, die rechtlichen oder politischen Performativa - zugleich Lekt�ren von Rousseau und Nietzsche - in den Allegories of Reading. 9 Der zweite Grund, weswegen ich mit den Namen von Mnemosyne und H�lderlin habe beginnen wollen, ist wie ein Gebot, das ich von ich wei� nicht woher, ich wei� nicht von was oder von wem erhalten
habe, sagen wir, da� es von dem Gesetz herkommt, das mich durch das Ged�chtnis hindurch (an)spricht. Verzeihen Sie mir, da� ich hier mein Ged�chtnis sprechen lasse, ich verspreche Ihnen, da� ich damit keinen Mi�brauch treiben wer de. Ich gebe ihm f�r einen Augenblick nach, da es sich ein weiteres Mal um H�lderlin, Heidegger und Paul de Man handelt. Genau in der Zeit, als ich diese Vorlesungen vorbereitete, hat Avital Ronell, die deren �bersetzung zugesichert hatte, mir aus Kalifornien das Exemplar von Blindness and Insight zur�ckgeschickt, das ich ihr in Paris geliehen hatte, eben dasselbe, das Paul de Man mir im Oktober 1971 zugeeignet hatte. Als ich das Buch aufschlage, das war also bereits nach dem Tode von Paul, entdecke ich darin zwei von seiner Hand beschriebene Seiten, zwei Fragmente von Gedichten H�lderlins, geduldig f�r mich transkribiert. Sie kamen zu mir zur�ck aus Amerika, als ein Andenken (une m�moire) an H�lderlin in Amerika, und ich habe mich wieder daran erinnert, unter welchem Umstand mir ein derartiges Geschenk gemacht worden ist. Im Verlauf eines drei Jahre dauernden Seminars habe ich Das Ding (La Chose) das war auch der Titel des Seminars - umzirkelt, und zwar Das Ding nach Heidegger. Nun, Paul de Man erinnerte mich, beziehungsweise machte mich des �fteren aufmerksam auf die mehr oder weniger offen erkl�rten Bezugnahmen Heideggers auf H�lderlin, diese Arten verschl�sselter und kaum kryptisch verschlossener Topoi, welche von den darin Initiierten und den Komplizen leicht zu erkennen waren, und die zugleich die urspr�ngliche Schuld, das Gesetz und sogar das Milieu einer bestimmten Heideggerschen Diktion bilden. Das gilt f�r �die Br�cke", ein Beispiel (in Bauen Wohnen Denken) f�r das "Ding", das auf
seine Weise "Erde und Him mel, die G�ttlichen und die Sterblichen bei sich (versammelt)�. Am Anfang einer Passage, �ber der ich mich lange aufgehalten habe, nennt Heidegger die Br�cke "leicht und kr�ftig� *. Er setzt das in Anf�hrungszeichen, ohne eine Referenzstelle anzugeben, so offensichtlich ist der Ursprung. Und er streicht sogar die um die Worte H�lderlins gesetzten Anf�hrungszeichen aus. Heidegger schreibt: �Die Br�cke schwingt sich ,leicht und kr�ftig' �ber den Strom� *. H�lderlin selbst schreibt in dem Gedicht, das ich aus der Hand von Paul de Man erhalten habe und das aus Amerika zu mir zur�ckgekehrt ist: "...Schwingt sich �ber den Strom, wo er vorbei dir gl�nzt/Leicht und kr�ftig die Br�ke�*. An dieses Gedicht, Heidelberg, hatte Paul de Man f�r mich die Transkription eines anderen Fragmentes, der ersten Fassung von Patmos entnommen, angeh�ngt: eine weitere Br�kke, dieses Mal "�ber den Abgrund�*. �ber welchen Abgrund? Dieses Gedicht, dessen Anfangszeilen allen im Herzen und auf den Lippen liegen (�Nah ist/ Und schwer zu fassen der Gott./Wo aber Gefahr ist, w�chst/ Das Rettende auch�*), kann man auch als ein Gedicht der Trauer lesen ("Drauf starb er. Vieles w�re/zu sagen davon. Und es sahn ihn, wie er siegend blikte/Den Freudigsten die Freunde noch zulezt./Doch trauerten sie, da nun/ Es Abend worden, erstaunt,/Denn Gro�entschiedenes hatten in der Seele/die M�nner, aber sie liebten unter der Sonne/ Das Leben...�*). Und in dem Fragment, das Paul de Man mir von seiner Hand bestimmt hat, endete das Zitat mit den Wor ten: �...und die Liebsten/ Nah wohnen, ermattend auf/Getrenntesten Bergen,/so gieb unschuldig Wasser/O Fittige, gieb uns, treuesten Sinns/Hin�berzugehn und wiederzukehren. . . � *
Und ich verstehe heute besser als je zuvor, warum einer seiner Freunde ihm, Paul de Man, vor beinahe drei�ig Jahren den Beinamen "H�lderlin in Amerika� gegeben hat. Eines Tages hat er es mir anvertraut, und dieses war mein dritter Grund. Ich habe niemals gewu�t, wie man eine Geschichte erz�hlt. Warum habe ich niemals diese Gabe von Mnemosyne empfangen? In diese Klage hinein und zweifellos zu dem Zweck, mich vor ihr zu verwahren, mischt sich immer wieder der eine Verdacht: wer kann wirklich eine Geschichte erz�hlen? Eine Erz�hlung, ist sie m�glich? Wer kann sich r�hmen zu wissen, was eine Erz�hlung alles ins Spiel bringt und in die Pflicht nimmt? Und vor allem, wie steht es mit dem Ged�chtnis, das sie f�r sich in Anspruch nimmt? Was ist das, das Ged�chtnis? Wenn das Wesen des Ged�chtnisses zwischen dem Sein und dem Gesetz intrigiert, welchen Sinn kann dann die Frage nach Sein und Gesetz des Ged�chtnisses haben? Das sind Fragen, die man, au�erhalb der Sprach(ordnung)en (hors les langues), und ohne sie den �bersetzungen und den �bertragungen - �ber den Abgrund anzuvertrauen, nicht stellen kann; denn sie erfordern unm�gliche �berg�nge - von einer Sprache zur anderen, sie erfordern die schwankende Best�ndigkeit einer Anlegebr�cke. Welches ist die Bedeutung des Wortes " m�moire(s)) " im Franz�sischen, im Maskulinum und im Femininum (un memoire, une m�moire), im Singular und im Plural (un memoire, une memoire, des m�moires)? Wenn es keine Bedeutung gibt au�erhalb des Ged�chtnisses, so wird immer ein bestimmtes Paradoxon verbunden sein mit der Frage nach der Bedeutungseinheit "memoire", mit der Frage nach dem, was das Ged�chtnis an die Erz�hlung bindet beziehungsweise an alle Verwendungen des Wortes "
histoire " (story, history Historie *, Geschichte *, usw. ). Paul de Man hat des �fteren auf der �sequentiellen und �narrativen� Struktur der Allegorie beharrt. Denn in seinen Augen war die Allegorie nur eine Figur der Sprache unter anderen, sie repr�sentiert eine ihrer wesentlichen M�glichkeiten, und zwar die, welche es ihr erlaubt, das andere zu sagen und von sich selbst zu sprechen, w�hrend sie von etwas anderem spricht; immer etwas anderes zu sagen als das, was es zu lesen gibt, die Szene der Lekt�re selbst mit einbegriffen. Damit wird auch jede totalisierende Wiederaufnahme: die ersch�pfende Erz�hlung, das Aufbrauchen eines Ged�chtnisses - mit einem Verbot belegt. Deshalb habe ich immer vermutet, da� ihn innerlich ein L�cheln durchlief, wenn er von der narrativen Struktur der Allegorie sprach, als w�rde er uns eine ironische und zugleich allegorische Definition der Narration heimlich unterschieben, eine Definition, die, wie Sie wissen, die Geschichte sicherlich nicht voranzubringen vermag. Unter den Geschichten, die ich niemals werde erz�hlen k�nnen, obgleich ich den Wunsch hege, dieses zu tun, und ihn bewahre, findet sich die Geschichte von all den gebahnten Verbindungen, die mich hierhin geleitet haben. Nicht nur die Geschichte der Bahnen, die mich fr�her schon, aber auch k�rzlich noch nach Amerika hingezogen haben, sondern auch die Geschichte derer, die mich zu Ihrer Zusammenkunft heute herbeigerufen haben, im Anschlu� an die Einladung, mit der Sie mich ausgezeichnet haben, und im Anschlu� an das Versprechen, das ich vor vier Jahren eingegangen bin: drei Vorlesungen zu geben in der Reihe der Rene Wellek Library Lectures. Zwei Probleme haben sich mir in bezug auf den Titel gestellt. Zuerst einmal den Titel der Vorlesungsreihe
betreffend: ich habe ihn als die Ironie einer Herausforderung gelesen, ohne zu wissen auf wessen Seite die gr��ere Frechheit zu suchen ist. Die Lekt�re eines bestimmten Textes von Ren Wellek, Destroying literary studies, h�tte seitdem f�r mich ein Hinderungsgrund sein k�nnen, eine derartige Schirmherrschaft f�r diese Vorlesungen anzunehmen. Ich denke dabei gar nicht an die Art und Weise, in der ich in diesem Artikel behandelt werde, sondern an die Urteile, die �ber Paul de Man und �ber einige andere gef�llt werden, die in meinen Augen ganz im Gegenteil den sogenannten �Literary studies� heute alle Ehre machen und zu ihrem Gl�ck da sind. �ber diesen Text werde ich hier nichts sagen; ich werde mich dazu in einer ausf�hrlichen FuJ3note in der Ver�ffentlichung dieser Vorlesung �u�ern. Aber ich rate Ihnen, den Artikel zu lesen; er scheint es meines Erachtens wert zu sein, seinen Autor unsterblich zu machen, sofern das �berhaupt noch gemacht werden mu�. Nachdem ich dar�ber nachgedacht hatte, habe ich mich dazu entschieden, mein Versprechen zu halten und die symbolische Schirmherrschaft �ber diese dem Gedenken (la memoire) an meine Freunde Paul de Man und Eugenio Donato gewidmeten Vorlesungen anzunehmen, um auf diese Weise vorzuf�hren, auf wessen Seite - n�mlich auf ihrer - nicht Unversch�mtheit, sondern Toleranz, die genie�ende Lust an Lekt�re und argumentativ gef�hrter Diskussion, die Absage an durch Autorit�t und akademischen Dogmatismus gest�tzte Argumente, kurz, um die Worte von Rene Wellek wieder aufzunehmen, "die hehren Begriffe des Wissens und der Wahrheit� zu situieren sind, die zu zerst�ren er uns anklagt. Wenn schon der Titel der Reihe nicht von mir ausgew�hlt wurde, so stand es mir
doch allemal zu, einen Titel f�r diese drei Vorlesungen vorzuschlagen. Bis zum vergangenen Sommer hatte ich noch keinen gefunden. Ich sprach mit David Carroll und Suzanne Gearhart dar�ber und bat sie um Rat. Sie zeigten sich begeistert, so schien es mir, von der ersten Idee, die mir in den Sinn gekommen war: die verschiedenen Weisen meiner Wahrnehmung, Empfindung und Interpretation dessen zu analysieren, was in einem inzwischen erschienenen Buch unter dem Titel Dekonstruktion in Amerika gef�hrt wird. Es ist der Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung, die zumindest in bestimmten akademischen Kreisen - zu w�tenden Reaktionen f�hrt. Sie kennen das. Wie Sie sich auch gut vorstellen k�nnen, interessiert mich dieses Sujet. Es verdient ein leidenschaftsloses Herangehen, und zwar auf allen m�glichen, den vorgegebenen Leitf�den nachsp�renden Wegen der Analyse. Doch warum habe ich von diesem Vorhaben alsbald Abstand genommen? Aus mindestens drei oder vier Gr�nden, die ich allerdings nur ganz allgemein angeben m�chte. An erster Stelle: die Leitf�den sind zu zahlreich. Ich kann dieses �berma� nicht in den Grenzen von drei je einst�ndigen Vorlesungen unterbringen. Aber das liegt eher noch an der essentiellen und damit unbeherrschbaren �berdetermination des Ph�nomens: das, was man oder was sich �Dekonstruktion� nennt, bringt auch in diesem oder jenem Moment ihres Prozesses - eine sich selbst auslegende Figur (une figure autointerpretative) mit hervor, die man immer nur unter Schwierigkeiten einem Meta-Diskurs oder einer allgemeinen Erz�hlung wird unterwerfen k�nnen. Und die Dekonstruktion kann ihre Notwendigkeit, sofern sie
es �berhaupt schafft, nur in dem Ma�e zur Geltung bringen, in dem sie - einem Gesetz folgend, das man in vielen analogen Situationen verifizieren kann - alles in sich akkumuliert bis hin zu den Kr�ften, die auf ihre Verdr�ngung hinwirken. Aber sie akkumuliert diese Kr�fte, ohne sie totalisieren zu k�nnen, gleich jenen Mehrwertabsch�pfungen, aus denen das Opfer einer Aggression immerhin noch einen Vorteil zieht, denn genau hier mit wird dem Bericht, der Geschichte, der Erz�hlung die Totalisierung versagt. Und hierin erkennt man auch eines der Themen des Diskurses der Dekonstruktion, ein Thema, das �berdies eine Geste desselben ist. Wie sollte ein Bericht sich eines Ph�nomens vergewissern k�nnen, das im Fortgang begriffen ist? Und das sich zudem durch eine unabschlie�bare und recht m�hsam zu situierende Gruppe von Erz�hlungen voranbewegt? Die Geopolitik reicht daf�r nicht aus. Kann man von �Dekonstruktion in Amerika� sprechen? Findet sie in den Vereinigten Staaten statt, hat sie dort einen Ort? Zuerst in Europa, danach in den Vereinigten Staaten, wie von einigen vorschnell angenommen wird; womit im �brigen interessante - Probleme der Rezeption, der �bersetzung, der Aneignung usw. aufgeworfen werden. Wei� man �berhaupt, was die Dekonstruktion in Europa darstellt? Man kann es nicht wissen, ohne da� man alle F�den zieht aus einem Geflecht, in dem sich die Geschichte der Philosophien, die Geschichten �der" Philosophie, der Literaturen, der Wissenschaften, der Techniken, der kulturellen und universit�ren Institutionen, die Geschichte von Gesellschaft und Staat, die Struktur so vieler sprachlicher oder - wie es hei�t - pers�nlicher Idiome �berkreuzen. Diese �berkreuzungen sind vielf�ltig, sie lassen sich nirgendwo zusammenf�hren, weder in einem Punkt noch in einem
Ged�chtnis. Ein singul�res Ged�chtnis gibt es nicht. Ferner: im Gegensatz zur h�ufig ge�u�erten Annahme wird die Dekonstruktion nicht von Europa aus in die Vereinigten Staa ten exportiert. Sie hat in diesem Land verschiedene Konfigurationen eigenen Ursprungs, welche - wie tausende von Zeichen bezeugen - ihrerseits in Europa und anderswo in der Welt eigent�mliche Wirkungen induzieren. Man mu� hier die Frage stellen nach dem amerikanischen Verm�gen, etwas in alle Welt zu verbreiten, und zwar unter Einschlu� aller dazu geh�renden (politischen, technischen, �konomischen, sprachlichen, editorialen, akademischen usw.) Dimensionen. Wie Umberto Eco in einem in diesem Sommer der Zeitung Liberation gew�hrten Interview zu Recht bemerkte, wird die Dekonstruktion in Europa zu einer Art hybriden Str�mung, die weithin als ein amerikanisches Etikett f�r Theoreme, einen Diskurs oder eine Schule wahrgenommen wird. Und das l��t sich vor allem an England, an Deutschland und an Italien nachweisen. Doch gibt es �berhaupt einen eigenen Ort, eine eigene Geschichte f�r diese Sache? Ich glaube, da� es in dieser Sache nur �bertragung(en) (transfert) gibt, und ein Denken der �bertragung(en), in der Summe aller Bedeutungen, den dieses Wort in mehr als einer Sprache annimmt, und an erster Stelle �bertragung(en) zwischen den Sprachen. Wenn ich das Risiko eingehen m��te - Gott beh�te mich davor -, eine einzige knappe, elliptische und sparsame Definition der Dekonstruktion als ein Losungswort auszugeben, so w�rde ich einfach, ohne einen Satz zu bilden, sagen: mehr als eine Sprache/nichts mehr, was einer Sprache angeh�rt (plus d'une langue). Damit ist in der Tat kein Satz gebildet. Es gleicht einer Sen tenz, aber diese hat keine Bedeutung, zumindest
wenn, wie Austin das will, die Worte allein keine Bedeutung (meaning) haben. Was Bedeutung hat, das ist der Satz (sentence). Aber wieviele S�tze k�nnen mit �Dekonstruktion� gebildet werden? Diskurse der Dekonstruktion haben unter anderem die klassischen R�ckversicherungen durch die Geschichte, durch die genealogische Erz�hlung und durch die Periodisierungen aller Art hinreichend genug in Frage gestellt, so da� man nicht mehr - au�er in naiver Weise - ein Tableau oder eine Geschichte der Dekonstruktion entwerfen kann. Gleicherma�en k�nnen die Sozialwissenschaften (vornehmlich die Wissenschaften der Kultur und der wissenschaftlichen und akademischen Institutionen) nicht von sich aus den Anspruch erheben, eine Bewegung zum �Gegenstand� zu nehmen, die wesentlich die philosophische, wissenschaftliche und institutionelle Axiomatik der sogenannten Sozialwissenschaften hinterfragt. Selbst wenn wir aus reiner Bequemlichkeit eine Augenblicksaufnahme von der Dekonstruktion in Amerika erstellen wollten, d�rfte es unerl��lich sein, alle ihre Aspekte gleichzeitig einzufangen: ihre politischen Aspekte (sie treten immer deutlicher in der Welt und im politischen Diskurs selbst beziehungsweise an der Grenze zwischen Politik, �konomie und Akademie in Erscheinung; und diese Grenze ist eine, die den Vereinigten Staaten eigent�mlich ist; lesen Sie dazu das, was im Wall Street Journal, im New Yorker oder im New York Review of Books �ber Dekonstruktion behauptet wird, und Sie wer den eine Ahnung von den Eins�tzen bekommen, die auf dem Spiel stehen); ihre ethischen Aspekte (im Namen der Moral und wider den Niedergang der akademischen Sitten treten die giftigsten und oftmals auch
obskurantistischen Diskurse gegen die Dekonstruktion auf ~ ohne da� sie durch den Glauben, durch einen strengen Sinn f�r das Ethische, ja sogar durch eine gewisse puritanische Integrit�t bei bestimmten F�rsprechern der Dekonstruktion Abbruch erleiden); ihre religi�sen Aspekte (ich denke, da� man nichts von den amerikanischen Formen der Dekonstruktion verstehen kann, wenn man nicht die diversen religi�sen Traditionen, deren Diskurse und deren institutionelle und akademische Auswirkungen beachtet; die Opposition gegen die Dekonstruktion wird h�ufig im Namen der Religion betrieben, aber gleichzeitig ist die Entfaltung einer m�chtigen, origin�ren und bereits sehr vielf�ltigen Bewegung wahrzunehmen, die sich selbst als �dekonstruktive Theologie� bezeichnet ihre technologischen Aspekte (ohne die doch evidente Tatsache zu ber�cksichtigen, da� die Dekonstruktion nicht von einer gro� angelegten Frage nach der techne und nach der technischen Vernunft abgetrennt werden kann, da� sie nichts ist ohne dieses Fragen und da� sie alles ist au�er einem Ensemble technischer und methodischer Vorgehensweisen; und doch wird sie von ungeduldigen Marxisten angeklagt, ihre "Macht" der �Technizit�t ihrer Vorgehensweise" abzugewinnen; ihre akademischen Aspekte (im Sinne der " Fachentwicklung " - die Entfaltung der Dekon struktion geht einher, und das nicht zuf�llig, mit einem krisenhaften Wandlungsproze� in den Zugangsbedingungen zu den akademischen Berufen zwischen den sechziger und den achtziger Jahren und im Sinne der "Arbeitsteilung" zwischen den Fakult�ten, deren klassische Architektur gleichfalls in Frage gestellt wird; denn die Dekonstruktion ist auch, und das in zunehmendem Ma�e, ein Diskurs und eine Praktik, welche die akademische Institution, die institutionelle Entwicklung der F�cher und die
Fakult�tsstrukturen, die diese Entwicklung nicht mehr innerhalb ihrer Grenzen halten k�nnen, zu ihrem Sujet machen. Und wenn Berufsphilosophen Besorgnis heucheln �ber die Fortschritte, welche die Dekonstruktion in den literaturwissenschaftlichen Fakult�ten macht, ja wenn sie sogar die philosophische Naivit�t der armen Literaturwissenschaftler beklagen, so k�nnen Sie daraus unbesorgt den Schlu� ziehen - und es alsbald auch best�tigt finden, da� Searle oder Danto gerade von dem nerv�s gemacht werden, was um sie herum passiert, bei ihren Kollegen, Assistenten oder Studenten in den philosophischen Fakult�ten). Was die weiteren Aspekte angeht, mache ich es mir einfach und sage nur: �usw.�; das Schema bleibt dasselbe. Der zweite Grund, aus dem ich, dem Anraten von Suzanne Gearhart und David Carroll entgegen, darauf verzichte, von der �Dekonstruktion in Amerika� zu sprechen, besteht darin, da� man von einem noch im Verlauf befindlichen Proze�, zumal von einem Proze�, der die Struktur einer �bertragung hat, weder versuchen kann noch darf, seiner Bedeutung oder Ausrichtung vorzugreifen oder diese zu totalisieren. Man weist diesem Proze� damit Grenzen an, die nicht die seinen sind; man schw�cht ihn, man h�lt ihn unter Aufsicht, man bremst ihn ab. Vorl�ufig halte ich nichts davon. Aus der �Dekonstruktion in Amerika� ein Thema oder den Gegenstand einer ersch�pfenden Definition zu machen, das ist das, was und zwar genau nach Definition - den Gegner der Dekonstruktion definiert, denjenigen, der - zu allerletzt aus Ambivalenz - sie schw�chen, sie zur Ersch�pfung bringen und �ber sie hinweg zu einem neuen Kapitel �bergehen m�chte. Sie werden verstehen, da� ich nicht zu all denen geh�re, die es in dieser Sache besonders eilig haben. Der dritte Grund: ich m�chte ihn nur in Grundz�gen
vortragen. Desgleichen, wie ich es morgen vom Ged�chtnis (la memoire) und vom Wort m�moire" behaupten m�chte - und zwar aus denselben Gr�nden , macht es keinen Sinn, von einer oder von der Dekonstruktion zu sprechen, als wenn es nur eine g�be, und vor allem, als wenn das Wort nur eine (einzige) Bedeutung h�tte au�erhalb der S�tze, die es einschreiben und in sich weitertragen. Der vierte Grund ist der eines einzigartigen Zirkels, der nur scheinbar ein �logischer� oder ein �vitiosus� ist. Um von der "Dekonstruktion in Amerika� sprechen zu k�nnen, mu� man den Anspruch erheben zu wissen, wovon man spricht, und zwar an erster Stelle, was man unter dem Wort �Amerika� versteht beziehungsweise umgrenzt. Nun, was ist �Amerika� in diesem Zusammenhang? W�rde man mich weniger h�ufig mit dem Abenteuer der Dekonstruktion assoziieren, so w�rde ich mit einem leichten L�cheln folgende Hypothese wagen: Amerika, aber das ist doch die Dekonstruktion. Amerika w�re, im Zuge dieser Hypothese, der Eigenname der Dekonstruktion, so wie sie im Gang ist, das hei�t ihr Familienname, ihre Toponymie, ihre Sprachordnung (langue) und ihr Ort, ihr st�ndiger Aufenthaltsort. Wie k�nnte man heute die Vereinigten Staaten definieren, ohne dies in die Beschreibung mit hineinzunehmen: die Vereinigten Staaten sind der historische Raum, der sich heute in allen seinen Dimensionen und durch alle seine Machtspiele hindurch unbestreitbar als ganz besonders aufmerksam, aufnahme- und reaktionsbereit gegen�ber den Themen und den Wirkungen der Dekonstruktion erweist. Wie k�nnte man, wenn ein derartiger Raum in dieser Hinsicht die gr��te Konzentration in der Welt repr�sentiert und inszeniert, eine Definition davon geben, ohne nicht zumindest
dieses Symptom, sofern man �berhaupt von einem Symptom sprechen kann, in die Eingrenzung aufzunehmen. Im �ber die Dekonstruktion als Sujet w�tenden Krieg gibt es keine Front und gibt es keine Fronten, aber, wenn es sie g�be, so w�rden sie alle durch die Vereinigten Staaten verlaufen; sie w�rden die Bestimmung und die tats�chliche Teilung Amerikas definieren. Aber wir haben von der �Dekonstruktion� gelernt, diese immer �berhastete Austeilung von Eigennamen zu unterlassen. Wir m�ssen also die Hypothese aufgeben. Nein, �Dekonstruktion� ist kein Eigenname, und Amerika ist nicht der Eigenname der Dekonstruktion. Sagen wir stattdessen: zwei nicht geschlossene Mengen �berlappen sich teilweise und folgen dabei einer allegorisch-metonymischen Figur. Und in dieser Fiktion von Wahrheit w�re Amerika der Titel eines neuen Romans (nouveau roman) �ber die Geschichte der Dekonstruktion und die Dekonstruktion der Geschichte. Sehen Sie, darum habe ich die Entscheidung getroffen, zu Ihnen nicht von der �Dekonstruktion in Amerika� zu sprechen. Im Dezember hatte ich immer noch keinen Titel f�r diese drei Vorlesungen gefunden. Nach dem Tod von Paul de Man, am 21. Dezember, wurde mir folgende Notwendigkeit klar: die Vorbereitung zu diesen Vorlesungen w�rde mir nur dann gelingen, die Kraft und den Wunsch dazu w�rde ich nur dann aufbringen, wenn diese Vorlesungen meinem Freund oder wenigstens, da dieses im eigentlichen unm�glich geworden ist, der Freundschaft, der einzigartigen, der unvergleichlichen Freundschaft, die sie f�r mich dank ihm gewesen ist, das Wort lassen oder wiedergeben w�rde. Ich w�rde nur im Gedenken an ihn (en memoire de lui) sprechen k�nnen.
Im Gedenken an ihn, diese Worte �berschatten den Blick und �berschatten das Denken. Was sagt man, was tut man, was begehrt man vermittels dieser Worte: im Gedenken an . . . ? Ich werde von der Zukunft sprechen, von dem, was uns das Werk von Paul de Man hinterl��t und verspricht. Und Sie werden sehen, das ist seinem Gedenken, seinem Ged�chtnis (sa m�moire) nicht fremd; das h�lt auch an dem fest, was er �ber das Ged�chtnis gesagt, gedacht und zugesichert hat. Ja: zugesichert hat, und diese Zusicherung des Ged�chtnisses, ohne welche die Freundschaft, von der ich spreche, gar nicht stattgefunden h�tte, finde ich bei ihm in der Gestalt des Ringes oder des Bundes. Dieser Bund ist �lter, best�ndiger und geheimer als alle die Zurschaustellungen strategischer oder verwandtschaftlicher B�ndnisse, die in Wirklichkeit erst von ihm erm�glicht werden m�ssen, und auf die er sich niemals reduzieren l��t. Im besagten Kontext der �Dekonstruktion in Amerika� hat es durchaus offensichtliche strategische B�ndnisse zwischen Paul de Man und bestimmten Freunden von ihm gegeben. Sie zu analysieren w�re interessant, notwendig und schwierig, aber man darf sie nicht allein als eine Analyse gesellschaftlicher Institutionen betreiben wollen; und man w�rde nichts davon verstehen, was geschieht und stattfindet, solange man nicht diese Zusicherung in Betracht zieht, mit der ein Bund besiegelt wird. Ein Bund, der nicht deshalb geheim ist, weil er in der Klandestinit�t irgendeiner verborgenen �Sache� ("cause") Schutz sucht mangels Macht, sondern weil das �Ja� ("oui"), das ein nichtaktiver Akt ist, der nichts konstatiert oder beschreibt, der an sich selbst keinen Inhalt manifestiert und definiert, weil dieses Ja diesseits und
jenseits von allem anderen einzig und allein verpflichtet. Und dazu mu� es sich wiederholen: ja, ja, mu� es das Ged�chtnis wahren, sich verpflichten, das Ged�chtnis seiner selbst zu wahren, sich versprechen, sich des Ged�chtnisses wegen dem Ged�chtnis verbinden, falls jemals etwas aus der Zukunft kommen soll. Das ist das Gesetz, und das ist das, woran die Kategorie des Performativums in ihrer aktuellen Verfassung nur in dem Augenblick herankommen kann, in dem �Ja� gesagt wird und �Ja� zum �Ja�. Diese Zusicherung von Paul de Man m�chte ich versuchen herbeizurufen oder zur�ckzurufen - mir selbst ins Ged�chtnis zu rufen -, heute zusammen mit Ihnen. Worin sie dem Ged�chtnis, einem Denken des denkenden Ged�chtnisses (une pensee de la m�moire pensante), verbunden ist, ist auch Ma� und Chance ihrer Zukunft. Eine derartige Zusicherung ist f�r denjenigen nichts Fremdes, der sich - ich habe das schon so oft wiederholt - im Herzen der Dekonstruktion befindet. Indem ich also heute zu Ihnen von Paul de Man spreche, indem ich zum Gedenken an Paul de Man spreche, werde ich �ber die �Dekonstruktion in Amerika� nicht ganz und gar stillschweigend hinweggehen. Was w�re sie ohne ihn gewesen? Nichts oder etwas ganz anderes, das ist zu sehr evident, als da� ich darauf insistieren m��te. Aber genauso, wie man unter dem Namen oder im Namen von Paul de Man nicht alles �ber die Dekonstruktion wird behaupten k�nnen, und auch nicht �ber die in Amerika, genauso werde auch ich in so kurzer Zeit und unter dem alleinigen Titel des Ged�chtnisses das umfangreiche Werk von Paul de Man nicht bew�ltigen oder aussch�pfen k�nnen. Ich schlage vor, der bescheidenen
Wegstrecke, die ich f�r einige Stunden mit Ihnen zu gehen versuche, den Namen Allegorie oder doppelte Metonymie zu geben. Eine bescheidene Wegstrecke, aber eine, die magnetisiert ist durch den Bund zwischen dem Ged�chtnis und dem Siegel des �Ja, ja�, durch eine Signatur von Paul de Man oder wenigstens - durch gewisse Z�ge einer solchen Paraphe. Die Paraphe ist nur eine schematische und marginale Gegenzeichnung, ein St�ck von einer Signatur; wer kann sich wirklich r�hmen, eine ganze Signatur zu entziffern? Indem ich dieses �Ja� zum Gedenken an ihn selbst erneut lese, m�chte ich vor allem die verh�ngnisvolle Dummheit einer Anklage blo�stellen, der Anklage des �Nihilismus�, die so viele gro�e Professoren im Gefolge von kleinen Journalisten so h�ufig gegen Paul de Man und gegen seine Freunde gerichtet haben. Unter der Ironie und jenseits der Ironie, der besonders anspruchsvollen, der besonders kritischen, der besonders unbeugsamen Ironie, in dieser �Ironie der Ironie�*, von der Schlegel spricht, den er gern zitiert hat, ist Paul de Man ein Denker der Zusicherung gewesen. Damit meine ich, ohne da� das alsbald vielleicht sogar niemals - einleuchtend sein wird, da� er selbst im Gedenken an eine Zusicherung stand. Was soll das hei�en? Was hei�t "im Gedenken an� ("en memoire de") oder, wie wir auch sagen, �zum Ged�chtnis von� ("a la memoire de")? Zum Beispiel geben wir unserem verstorbenen Freund aufs Neue die Zusicherung unserer Freundschaft, indem wir auf diese oder jene Weise handeln im Gedenken an ihn oder einen Vortrag halten zu seinem Ged�chtnis. Jedes Mal wissen wir, da� der Freund auf immer verschwunden, unwiederbringlich abwesend, so sehr genichtet ist, da� er selbst niemals wird etwas wissen
oder empfangen k�nnen von dem, was hier in seinem Ged�chtnis stattfindet - und noch in dieser erschreckenden Klarheit, in diesem Licht aus dem Feuer eines verl�schenden Lebens, in dem das Nichts aufscheint, halten wir an dem Unglauben fest; denn wir werden niemals weder an den Tod noch an die Unsterblichkeit glauben; und am Brennen dieses schrecklichen Lichtes halten wir in Treue fest, denn Untreue w�re es, sich noch dar�ber hinwegzut�uschen, bis man gar daran glaubt, da� der andere, der in uns lebendig ist, in sich selbst lebendig ist: weil er in uns lebt und weil wir dieses oder jenes zu seinem Ged�chtnis, im Gedenken an ihn (er)leben. Das �in uns�-Sein, das Sein des anderen �in uns�, im von Trauer getragenen Ged�chtnis (memoire endeuill�e), kann weder die so gehei�ene Wiedererweckung des anderen selbst (der andere ist tot und nichts kann ihn daraus erretten, und niemand kann uns davor bewahren) noch die einfache Einschlie�ung durch ein narzi�tisches Phantasma in eine �ber sich selbst geschlossene, ja mit sich selbst identische Subjektivit�t sein. Selbst wenn es sich dabei um Narzi�mus handeln sollte, so bleibt dessen Struktur doch komplex genug, damit der andere ob tot oder lebendig - sich nicht darin auf das Selbst reduzieren l��t. Immer schon in der narzi�tischen Struktur selbst aufgerichtet, markiert der andere das Selbst der Selbstbeziehung derma�en, bedingt er es so fr�hzeitig, da� das �in uns�Sein des von Trauer getragenen Ged�chtnisses vom anderen gekommen, ein Kommen des anderen, und sogar - so erschreckend dieser Gedanke auch immer sein mag ein erstes Kommen des anderen sei. Doch la�t es uns vermeiden, einen weiteren Diskurs �ber die Trauer und die Trauerarbeit anfangen. Wir
alle haben dar�ber viel gesprochen, geschrieben und diskutiert, besonders in den letzten Jahren. Alles, was ich in den letzten Zeiten von Paul de Man gelesen und wieder gelesen habe, scheint mir - und das wird Sie nicht �berraschen - von einem beharrlichen Denken der Trauer, von einer tief eingravierten Betrachtung �ber das von Trauer getragene Ged�chtnis durchzogen zu sein. Grabrede und Grabinschrift kommen nicht erst nach dem Tod; sie bearbeiten das Leben in dem, was man Autobiographie hei�t. Und diese ereignet sich im Zwischen von Dichtung und Wahrheit. In Autobiography as Defacement findet eine Diskussion statt �ber die unentscheidbare Unterscheidung zwischen Dichtung (fiction) und Autobiographie. Aber sogar diese Unentscheidbarkeit l��t sich selbstverst�ndlich nicht halten: ...die Unterscheidung zwischen Dichtung und Autobiographie ist keine entweder/oder-Polarit�t, sondern ... sie ist unentscheidbar. Aber ist es m�glich, wie Genette es in Kauf nehmen m��te, innerhalb einer unentscheidbaren Situation zu verbleiben? Wie es jeder, der einmal in einer Dreht�r gefangen gewesen ist, best�tigen kann, ist es mit Sicherheit �u�erst unbequem, und das um so mehr in dem Fall, da� das Karussell (das ,,Drehkreuz" ("tourniquet "), von dem Genette im Hinblick auf Dichtung und Autobiographie bei Proust spricht) einer endlosen Beschleunigung f�hig ist, und das nicht etwa in der Zeitfolge, sondern zeitgleich. Ein System, das auf zwei Elementen aufbaut, die - wie Wordsworth sagt - "weder das eine noch das andere von ihnen sind und doch beide zugleich" ("of these (are) neither and (are) both at once"), macht nicht den Eindruck, funktionst�chtig zu sein. Wof�r dieses lange Zitat? Insbesondere, um das Motiv der endlosen Beschleunigung bekannt zu
machen, das, wie wir sehen werden, in der Versammlung des Ged�chtnisses in den Augenblick, im Zusammenziehen der Zeiten des "Ja" in die Spitze einer Zusicherung, die unteilbar sein will, f�r Augenblicke zwei Figuren vermischt, die Paul de Man zugleich als aufeinander irreduzibel und voneinander untrennbar beurteilt: die Ironie und die Allegorie. In diesem Text scheint das Problem der Autobiographie mit mehreren Problemfeldern zusammenzusto�en, und zwar dem des Genres, dem der Totalisierung und dem der performativen Funktion. Und diese drei Problemfelder betreffen einen bestimmten Bezug auf das Ged�chtnis (memoire) oder auf die Aufzeichnungen des Ged�chtnisses (m�moires). 20 Das erste Problemfeld, das Genre: Wenn man die Autobiographie zum Genre macht, hebt man sie �ber den literarischen Status der reinen Reportage, der Chronik oder des Berichts (memoir - Hervorhebung von mir J.. D.) hinweg und verleiht ihr einen wenn auch bescheidenen Platz innerhalb der anerkannten Hierarchien der haupts�chlichen Genres der Literatur. Im Anschlu� daran wird Paul de Man den Nachweis f�hren, da� die Autobiographie weder ein Genre noch eine Erz�hlform ist, sondern "eine Figur der Lekt�re ..., die in allen Texten auftaucht" ausgehend davon, da� eine "spiegelbildliche Struktur" in ihnen stets �verinnerlicht� ist. Das zweite Problemfeld, die Totalisierung: weit entfernt davon, die Identifizierung mit sich, die Versammlung in die N�he seiner selbst, abzusichern, l��t diese spiegelbildliche Struktur eine tropologische Verschiebung sichtbar werden, die jede anamnesische Totalisierung des Selbst untersagt: Das spiegelbildliche Moment, das an jedem Verstehen teilhat, enth�llt die tropologische Struktur, die allen
Erkenntnissen, die Selbsterkenntnis eingeschlossen, zu Grunde liegt. Das Interessante an der Autobiographie ist dann aber nicht, da� sie eine verl��liche Selbsterkenntnis enth�llt - sie tut es nicht -, sondern da� sie in schl�ssiger Weise die Unm�glichkeit des Abschlusses und der Totalisierung (das hei�t die Unm�glichkeit, zum Sein zu gelangen) aller textuellen Systeme, die auf tropologischen Substitutionen aufgebaut sind, nachweist. Das dritte Problemfeld, die performative Funktion: seitdem die Versammlung des Seins und das totalisierende Ged�chtnis unm�glich sind, erkennen wir die Fatalit�t dieser tropologischen Verschiebung, die ein weiterer Rundgang ums Ged�chtnis, eine weitere Wendung des Ged�chtnisses (un autre tourde la m�moire) ist. Und diese Fatalit�t ist das Gesetz, sagen wir, besser noch: das Gesetz des Gesetzes, der Augenblick, in dem die Instanz des Gesetzes an die unm�gliche Versammlung des Seins als deren Supplement anschlie�t. In die Terminologie der Sprechakte (speech acts) �bersetzt, nimmt das Gesetz die Figur des Performativums an (ob es sich dabei nun um ein reines oder ein unreines Performativum handelt, bleibt sich gleich). Zu welcher Schlu�folgerung man hinsichtlich dieses Sujets auch immer kommen mag - dies ist der Grund, weshalb ich vorhin mit der Situierung einer Auseinandersetzung (diff�rend) zwischen Paul de Man und Heidegger zum Thema H�lderlin, das Gesetz und das Sein, den Anfang gemacht habe. Wir haben damit einen kontinuierlichen Zug, der alle Wandlungen des de Manschen Textes von 1955 bis 1979 und, wie wir noch sehen werden, bis 1983 mitmacht. Hierzu l��t Autobiography as Defacernent vornehmlich durch eine kritische Analyse des Buches von Philippe Lejeune die
Notwendigkeit eines �bergangs sichtbar werden: von der ontologischen Identit�t und der Erkenntnis zum Entschlu�, zur Handlung und zum Versprechen, zur gesetzlichen Autorit�t und zur performativen Funktion; aber eben auch die unvermeidliche Versuchung, die Tropologie des Subjekts in ein spiegelbildliches Modell der Erkenntnis wiedereinzuschreiben, das eine andere Spiegelbildlichkeit verschiebt, ohne sie zu �bersteigen: Denn, genau wie Autobiographien aufgrund ihrer thematischen Beharrung auf dem Subjekt, dem Eigennamen, dem Ged�chtnis, auf Geburt, Liebe und Tod, und auf der Verdoppelung der Spekularit�t offen ihre kognitive und tropologische Verfassung deklarieren, sind sie desgleichen eifrig bem�ht, den Zw�ngen dieses Systems zu entkommen. Diejenigen, die Autobiographien schreiben, sind genauso wie diejenigen, die �ber Autobiographien schreiben, von dem Bed�rfnis besessen, von der Erkenntnis zum Entschlu� und zur Handlung, von der spekulativen zur politischen und rechtlichen Autorit�t �berzugehen. Philippe Lejeune zum Beispiel . .. besteht hartn�ckig darauf .. .. da� die Identit�t einer Autobiographie nicht eine repr�sentationale und kognitive, sondern eine vertragliche, eine nicht auf Tropen, sondern auf Sprechakte gegr�ndete ist.... Die Tatsache, da� Lejeune "Eigenname~ und "Signatur" im Austausch f�reinander verwendet, zeigt sowohl die Konfusion als auch die Komplexit�t des Problems an. Denn, genauso wie es f�r ihn unm�glich ist, innerhalb des tropologischen Systems des Namens zu verbleiben, und er gezwungen ist, von der ontologischen Identit�t zum vertraglichen Versprechen zu wechseln, wird die performative Funktion, sobald sie geltend gemacht wird, sogleich wieder in Erkenntniszw�nge eingeschrieben. (Hervorhebung des Wortes "Ged�chtnis" von mir J. D.)
Die weitere Beweisf�hrung, der ich hier nicht l�nger folgen kann, bringt mehrere Typen spiegelbildlicher Paarbildung und die fatale Notwendigkeit zum Vorschein, �in ein System von Tropen genau in dem Augenblick, indem wir den Anspruch erheben, ihm zu entkommen, wieder einzutreten�. Ich sagte einen Augenblick vorher, da� das Problem der Aufzeichnungen des Ged�chtnisses (memoires) oder des autobiographischen Ged�chtnisses augenscheinlich mit den drei Problemen des Genres, der Totalisierung und der performativen Sprache zusammenst��t. Jenseits dieses pr�liminaren Scheins geht es genau um eine Tropologie des Ged�chtnisses als Epitaph und Signatur des eigenen Epitaphs im autobiographischen Diskurs, als w�re etwas derartiges anders m�glich als durch eine Figur, durch eine Trope und eine Fiktion. Was f�r eine Figur? Was f�r eine Trope? Was f�r eine Fiktion? Die Prosopop�ie. Als einen �beispielhaften autobiographischen Text" sieht Paul de Man hierbei Wordsworths Essays upon Epitaphs an, der von einem Diskurs zum Thema der Epitaphien selbst zu einem Epitaph wird, �und, genauer noch, zu des Autors eigener monumentaler Einschreibung oder Autobiographie�. Ich halte es f�r besser, es Ihnen selbst zu �berlassen, diese Seiten von Paul de Man zu lesen oder wiederzulesen. Sie sind prachtvoll und strahlen ein schwarzes Sonnenlicht aus, und sie erf�llen ironisch auf ihre Weise, was sie angeblich allein, und zwar zu Recht, Wordsworth zuschreiben wollen: sie werden auf ihre Weise, indem sie tun, was sie sagen, und sagen, was sie tun, das Epitaph von Paul de Man, die Prosopop�ie, die er an uns richtet aus einem erhabenen Zu-AscheWerden heraus, erhaben, weil es ohne ein Grab geschieht, ein sonnegewordener Geist und Glanz jenseits des Grabes und der Grabinschriften. Das ist die Gestalt,
das Gesicht und die Entstellung des Gesichts (la figure, la face et le de-facement), die Ausstreichung der sichtbaren Gestalt (l'effacement de la figure visible) in der Prosopop�ie, die souver�ne, geheime, diskrete und ideale Signatur, diejenige, die sich auszustreichen wei�. Die ganze Szene ist auf diese Schlu�folgerung hin ausgerichtet: �Die vorherrschende Figur des epitaphischen oder autobiographischen Diskurses ist, wie wir gesehen haben, die Prosopop�ie, die Fiktion der Stimme aus dem Jenseits des Grabes; ein unbeschrifteter Stein lie�e die Sonne ins Nichts entschweben.� Diese Fiktion einer Stimme, diese � Stimme einer Fiktion" ("fictional voice") nimmt, wird Paul de Man sp�ter sagen, die Form einer Adresse an. Von der ganzen Beweisf�hrung kann ich hier nur diese Art Theorem der Prosopop�ie anf�hren, die, figurativ an uns adressiert, von Beginn an uns anblickt, uns beschreibt und vorschreibt, uns diktiert mit der Stimme und unter der paraphierten Signatur von Paulde Man, was wir hier und jetzt tun: gewi�, wir erschaffen - uns der Fiktion hingebend - eine Prosopop�ie, und sie erinnert uns daran, da� die Prosopop�ie die Stimme einer Fiktion bleibt, obgleich ich denke, da� von Beginn an jede sogenannte reale und gegenw�rtige Stimme von dieser fiktiven Stimme heimgesucht wird. Aber der Fiktion geben wir uns hin aus Liebe zu ihm, und in seinem Namen, in seinem ganz und gar blo�en Namen, im Gedenken an ihn. In der Bewegung dieser Trope wenden wir uns ihm zu, richten wir uns an ihn, der sich an uns richtet (s'adresse), und die Bewegung der Liebe ist nicht geringer zu bewerten als ihre Ankunft am Bestimmungsort, an der richtigen Adresse: "das Epitaph�, sagt Wordsworth, "ist offen f�r den Tag, die Sonne blickt auf den Stein herab, und des Himmels Regenstr�me schlagen
dagegen." Die Sonne wird zum Auge, das den Text des Epitaphs liest (noch einmal, abgr�ndig [en ab�me], ein Beispiel f�r das, was Paul de Man "Allegorie der Lekt�re" hei�t; dieses scheint mir voll und ganz das selbst allegorischmetonymische Privileg der Sonne innezuhaben, und zwar, wie Ponge sagen w�rde, der Sonne, versetzt in den Abgrund - J. D.). Und Wordsworths Essay teilt uns mit, woraus dieser Text besteht, und zwar auf dem Wege eines Mi�ton-Zitates, das von Shakespeare handelt " What need'st thou such weak witness of thy name?" ("Was brauchst du ein solch gebrechliches Zeugnis f�r deinen Namen?") Im Fall von Dichtern wie Shakespeare, Milton oder Wordsworth selbst kann das Epitaph allein aus dem bestehen, was er "den blo�en Namen" ("the naked name" - p. 133) nennt, so wie er vom Auge der Sonne gelesen wird. An dieser Stelle wird es m�glich, von "der Sprache des empfindungslosen Steines" zu behaupten, da� sie eine "Stimme" annimmt, der sprechende Stein, der zur sehenden Sonne ein Gegengewicht bildet. Das System geht von der Sonne zum Auge zur Sprache als Name und als Stimme �ber. Wir k�nnen die Figur identifizieren, welche die zentrale Metapher der Sonne komplettiert und auf diese Weise das von der Sonne erzeugte tropologische Spektrum komplettiert: es ist die Figur der Prosopop�ie, die Fiktion einer Apostrophe an eine abwesende, verstorbene oder stimmlose Entit�t, welche die M�glichkeit setzt, da� diese Entit�t antwortet, und ihr das Verm�gen zu sprechen verleiht. Stimme unterstellt Mund, Auge und schlie�lich Gesicht, eine Kette, die offenbar wird in der Etymologie des Namens der Trope, prosopon poiein, eine Maske oder ein Gesicht (prosopon) verleihen. Prosopop�ie ist die Trope der Autobiographie, durch die der eigene Name - wie in Miltons Gedicht - so intelligibel und erinnerlich (memorable) (Hervorhebung von mir J. D.) gemacht wird wie ein Gesicht. Unser Topos hat mit dem Verleihen und dem Zur�cknehmen von Gesichtern, mit dem Gesicht und dem Entstellen des Gesichts, mit Figur, Figuration und Defiguration zu tun. �Zentrale Metapher", �tropologisches Spektrum": die Figur der Prosopop�ie blickt zur�ck und bewahrt im Ged�chtnis, k�nnte man sagen, erhellt und ruft ins Ged�chtnis zur�ck in den letzten Texten von Paul de Man - alles das, was er von The Rhetoric of Temporality bis zu den Allegories of Reading signiert hat. Als h�tte die Szene des Epitaphs und der Prosopop�ie sich ihm in den letzten Jahren seines
Lebens aufgedr�ngt. Aber es ist eine Szene, der, das zeigt er uns, keine dichterische Rede sich je entziehen k�nnte. Die Prosopop�ie der Prosopop�ie, an die ich gerade erinnert habe, stammt aus dem Jahre 1979. 1981, in Hypogram and Inscription, Michael Riffoterre's Poetics of Reading, wird die Prosopop�ie zur � Haupttrope der dichterischen Rede�, zur �wesentlichen Figur des Lesers und der Lekt�re"; und diese bewunderungsw�rdige Beweisf�hrung gibt uns viel zu denken (auf) �ber die hypographische Signatur und �ber das, was man Halluzination hei�t (�Prosopop�ie ist halluzinatorisch... sie gibt auch dem Abgrund einer �Prosopop�ie der Prosopop�ie" einen Ort. Ist es m�glich - wenn man im Gedenken des anderen ist, im von Trauer getragenen Gedenken des Freundes - und ist es w�nschenswert, diese sogenannte Halluzination jenseits einer Prosopop�ie der Prosopop�ie zu denken und zu durchlaufen? Der Tod, wenn es ihn gibt, ich will sagen, wenn er widerf�hrt, und er widerf�hrt nur einmal, dem anderen und einem selbst, ist der Augenblick, in dem es keine Wahl mehr gibt - sofern man �berhaupt an eine Wahl denken kann - au�er der zwischen dem Ged�chtnis und der Halluzination. Wenn der Tod dem anderen widerf�hrt und uns widerf�hrt durch den anderen, dann ist der Freund nurmehr in uns, unter uns. In sich selbst, durch sich selbst und aus sich selbst ist er nicht mehr, ist er nichts mehr. Er lebt nur in uns. Aber wir sind niemals wir selbst und unter uns, mit uns identisch; ein �Ich" ist niemals in sich selbst, identisch mit sich selbst, diese spiegelbildliche Reflexion kommt niemals �ber sich selbst zum Schlie�en; sie kann vor dieser M�glichkeit der Trauer, vor und au�erhalb dieser Struktur von Allegorie und Prosopop�ie, die von Beginn an
konstitutiv ist f�r jedes �In-uns-", �In-mir-"; Unter-uns- oder UntersichSein, gar nicht erst in Erscheinung treten. Das Selbst*, the self, le soi m�me wird f�r sich nur in dieser von Trauer getragenen Allegorie, in dieser halluzinatorischen Prosopop�ie offenbar - und zwar sogar, bevor der Tod dem anderen wirklich, in der �Wirklichkeit", wie man sagt, widerf�hrt. Diese befremdliche Situation, die ich hier beschreibe, zum Beispiel die meiner Freundschaft mit Paul de Man, h�tte es mir gestattet, das, was ich sage, auch vor seinem Tod zu sagen. Es gen�gt, da� ich wei�, da� er sterblich ist, und da� er wei�, da� ich sterblich bin ohne dieses Wissen um die Endlichkeit gibt es keine Freundschaft. Und alles, was wir in die lebendige Gegenwart unserer Beziehungen zu den anderen einschreiben, tr�gt immer schon eine Signatur von Memoiren von Jenseits des Grabes (memoires d'outre-tombe). Aber diese Endlichkeit, welche auch die Endlichkeit des Ged�chtnisses ist, hat nicht vorrangig die Form einer Grenze, einer begrenzten Kapazit�t, Tauglichkeit oder F�higkeit, eines eingeschr�nkten Verm�gens, eine Grenze, die uns veranlassen w�rde, die testamentarischen Zeichen, die Spuren, die Hypogramme, die Hypomnemata, die Signaturen und die Epitaphien, die autobiographischen �Aufzeichnungen" ("memoirs") zu vervielf�ltigen. Nein, sie kann diese Form nur durch die Spur des anderen in uns, durch seinen irreduziblen Vortritt, mit anderen Worten, durch die Spur im allgemeinen, die immer Spur des anderen ist, Endlichkeit des Ged�chtnisses und somit das Kommen oder das Erinnern der Zukunft, erhalten. Wenn es eine Endlichkeit des Ged�chtnisses gibt, so deshalb, weil es etwas vom anderen und vom Ged�chtnis als
Ged�chtnis des anderen in sich hat, etwas, das vom anderen herkommt und dem anderen zukommt. Diese Endlichkeit ist eine Herausforderung f�r jede Totalisierung und �berweist uns an eine Szene der Allegorie, an eine Fiktion der Prosopop�ie, mit anderen Worten, an Tropologien der Trauer: das Ged�chtnis der Trauer und die Trauer des Ged�chtnisses. Deshalb kann es keine wahre Trauer geben, auch wenn die Wahrheit und der klare Verstand sie stets voraussetzen und in Wahrheit nur stattfinden als Wahrheit der Trauer. Der Trauer um den anderen, aber den anderen, der in mir stets vor mir spricht, der an meiner Statt signiert: das Hypogramm oder das Epitaph, das immer das des anderen und f�r den anderen ist, was auch bedeutet: an Stelle des anderen. Vielleicht setzt Paul de Man deshalb - weil es keine �wahre� Trauer gibt �Trauer� in Anf�hrungszeichen, wenn er von �wahrer 'Trauer'"'� ("true mourning") spricht. Es ist �Trauer�, die er mit Anf�hrungszeichen umstellt, und nicht �wahr�. Aber er macht das in einem Text (Anthropomorphism and Trope in the Lyric), 34 der mit einem Nietzsche-Zitat beginnt: �Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen. �35 Die �Wahrheit� der �wahren 'Trauer'� nimmt also auch an der Prozession teil, sie folgt der Theorie der Figuren oder geht ihr voran; und diese Rhetorizit�t hat nichts zu tun mit einem trostbringenden Simulakrum. Ich m�chte sogar behaupten, da� die Trauer darin den ihrer Bedeutung angemessenen Ernst gewinnt; sie wird darin geboren, sie dauert darin an und verbleibt darin, ohne anzukommen. Sehen wir uns die letz ten Zeilen dieser durch das Nietzsche-Zitat er�ffneten Studie
an: sie bilden den Abschlu� einer sehr reichhaltigen vergleichenden Analyse der Gedichte Obsession und Correspondances von Baudelaire: Gattungsbegriffe wie "Lyrik� (oder ihre verschiedenen Unterbegriffe wie "Ode�, "Idyll� oder �Elegie�) sind genau wie pseudo-historische Periodenbegriffe wie "Romantik� und �Klassik� immer Begriffe des Widerstands und der Nostalgie und als solche weit von der Materialit�t der wirklichen Geschichte entfernt. Wenn Trauer als "chambre d'�ternel deuil ou vibrent de uieux r�les" ("Kammer einer ewigen Trauer, wo altes R�cheln bebt�) (Obsession - J. D.) bezeichnet wird, dann spricht sich in diesem Pathos des Schreckens tats�chlich das ersehnte Bewu�tsein der Ewigkeit und der zeitlichen Harmonie als Stimme und als Gesang aus. Wahre "Trauer� erliegt der T�uschung weniger. Das �u�erste, deren sie f�hig ist, ist das NichtVerstehen zu erlauben und nicht-anthropomorphische, nichtelegische, nicht-r�hmende, nicht-lyrische, nicht-poetische und das hei�t prosaische, oder besser, historische Formen der sprachlichen Gewalt aufzuz�hlen. Im Durchgehen des Zitates habe ich die Worte �Widerstand� und �Materialit�t der wirklichen Geschichte� unterstrichen. Die de Mansche Kritik oder Dekonstruktion ist immer auch eine Analyse der �Widerst�nde� und der von ihnen hervorgebrachten Symptome (zum Beispiel �der Widerstand gegen die Theorie� ("the resistance to theory")37 in literaturwissenschaftlichen Studien). Was die Geschichte betrifft, so handelt es sich um ein weiteres Thema dieser Vorlesungen, und ich werde alsbald darauf zur�ckkommen. Was ist also die wahre �Trauer�? Paul de Man behauptet nicht, da� sie - in der klassischen Bedeutung der Wahrheit - m�glich, da� sie wirklich m�glich oder da� sie aktuell m�glich sei. Die wahre
�Trauer� scheint allein ein Bestreben zu diktieren: das Nicht-Verstehen zu akzeptieren, ihm den Platz zu lassen und kalt - man m�chte beinahe sagen: wie der Tod selbst - die Sprechweisen aufzuz�hlen, die zusammengenommen die gesamte Rhetorizit�t des Wahren (nichtanthropomorphisch, nicht-elegisch, ... nicht-poetisch usw.) verneinen. Paradoxerweise verneinen sie dadurch auch die Wahrheit der Trauer, die in einer bestimmten Rhetorizit�t besteht, in einem allegorischen Ged�chtnis, das f�r jegliche Spur konstitutiv ist, insofern diese stets Spur des anderen ist. Ich wei� nicht, ob der Tod uns irgendetwas lehrt, aber sehen wir uns das an, was die Erfahrung der Trauer uns zu denken (auf)gibt, die mit der �ersten� Spur beginnt, das hei�t, �vor� der Wahrnehmung, vor Eintritt der Bedeutung, und die einem unschuldigen Begehren nach Wahrheit keine Chance l��t. Was ist also die wahre Trauer? Was k�nnen wir mit ihr tun? K�nnen wir sie tun (le faire), wie man im Franz�sischen sagt, da� man seine Trauer "tut� (quon "fait" son deuil)? Ich sage: �K�nnen wir�? Und die Frage stellt sich doppelt: Sind wir dazu in der Lage, haben wir das Verm�gen dazu? Aber auch: Haben wir das Recht dazu? Ist es gut? Ist es auch die Pflicht und die Regung der Treue? Wir sind wiederum bei der Frage von Sein und Gesetz - im Herzen des Ged�chtnisses: denn wer m�chte annehmen, da� die Erfahrung des Ged�chtnisses (de la m�moire), des Berichtes (du memoire) und der Aufzeichnungen des Ged�chtnisses (des memoires) zuf�l lig auf die Trauer st��t? Diese Erfahrung ist eine wesentlich von Trauer getragene, sie zieht sich zusammen, sie versammelt sich, um mit sich selbst einen Bund zu schlie�en, allein in der unm�glichen Bejahung der Trauer. Doch die unm�gliche Bejahung
mu� m�glich sein: die alleinige bejahende Bejahung mu� das Unm�gliche bejahen, ohne dieses ist sie nur eine Feststellung, eine Technik, eine Aufzeichnung. Das Unm�gliche an dieser Stelle, das ist der andere, so wie er zu uns kommt: als ein Sterblicher zu uns Sterblichen. Und den wir so lieben, indem wir bejahen, da� es so gut ist. Gerade noch haben wir uns gefragt: Was hei�t dieses �in uns�, wenn wir - zum Tode des Freundes sprechend erkl�ren, da� von nun an alles in uns gesetzt, verwahrt und eingefaltet wird, allein �in uns� und nicht mehr auf der anderen Seite, auf der es nichts mehr gibt. Alles das, was wir jetzt �ber den Freund sagen, und sogar, was wir zu ihm sagen, um ihn zu rufen, um ihn zur�ckzurufen, um f�r ihn mit ihm zu leiden, alles das verbleibt hoffnungslos in uns oder unter uns Lebenden, ohne den Spiegel einer bestimmten Spekulation zu durchbrechen. Andere w�rden vorschnell von einer ganz und gar innerlichen Spekularisierung und von �Narzi�mus� sprechen. Aber die narzi�tische Struktur ist zu paradoxal und zu listenreich, als da� mit diesem Wort ein letztes Wort gesprochen w�re. Es ist eine Spekulation, deren Kunstgriffe, Geb�rdenspiele und Stratageme nur zu einem Gewinn f�hren k�nnen, wenn sie den anderen voraussetzen - und sich folglich von vorn her ein von jeder Autonomie freimachen. Was Narzi� und den sogenannten Narzi�mus betrifft, so wird man eines Tages - ich bin sicher, da� man das tun wird - diese unendlich verwundenen Texte, den Text von Freud, Zur Einf�hrung des Narzi�mus, zusammen mit all den Texten, in denen Paul de Man Narzi� aufs Neue inszeniert, die zahlreich sind und unersch�pflich, aufs Neue lesen. Und sollten sie alle beide behaupten, da� Narzi� eine Allegorie sei, so sollte man das nicht als
eine Banalit�t, die in die Schule geh�rt, verstehen. Mit dem Tod des anderen verbleibt alles �in mir� oder �in uns�, �unter uns�; alles ist mir anvertraut, alles ist uns hinterlassen oder �bergeben, und zwar zuvorderst dem Ged�chtnis, dem, was ich das Ged�chtnis hei�e, der Ort dieses seltsamen Dativs. Anscheinend sind wir dem Ged�chtnis �berantwortet (vou�s a la memoire), sobald es so aussieht, da� vom anderen nichts mehr zur Gegenwart uns kommen kann, im Kommen begriffen ist oder in Zukunft kommen wird. Das ist wahr, ohne Zweifel, aber ist diese Wahrheit wahr, ist sie wahr genug? Die soeben gebildeten S�tze setzen anscheinend die Klarheit voraus bez�glich dessen, was wir mit �in mir�, �in uns�, �Tod des anderen�, �Ged�chtnis�, "Gegenwart� und �Zukunft� usw. sagen wollen. Doch dazu ist noch mehr Licht vonn�ten. Das �ich� oder das �wir�, von denen wir sprechen, entstehen und grenzen sich ab, als das, was sie sind, nur durch diese Erfahrung des anderen hindurch, und zwar des anderen als anderen, der sterben kann, und dabei in mir oder in uns dieses Ged�cht nis des anderen hinterl��t. Es ist diese schreckliche Einsamkeit, die meinige oder die unsrige, beim Tode des anderen, die jene Selbstbeziehung konstituiert, die man �ich�, �uns�, �unter uns�, �Subjektivit�t�, �Intersubjektivit�t�, �Ged�chtnis� hei�t. Die M�glichkeit des Todes �widerf�hrt� - wenn ich das so sagen darf �vor� diesen verschiedenen Instanzen und macht sie m�glich. Um es genauer zu sagen: die M�glichkeit des Todes des anderen als mein oder unser richtet meine Beziehung auf den anderen und die Endlichkeit des Ged�chtnisses ein. Wir weinen zu Recht �ber das, was uns widerf�hrt, wenn alles dem einsamen Ged�chtnis �in mir� oder �in
uns� anvertraut wird; aber wir m�ssen uns auch in Erinnerung rufen eine weitere Wendung (autre tour) des Ged�chtnisses, da� das �in mir� und �in uns� nicht vor dieser schrecklichen Erfahrung - oder zumindest nicht vor ihrer wirklich versp�rten, in uns eingeschriebenen und signierten M�glichkeit entstehen und in Erscheinung treten kann. Ihre Bedeutung und ihre Tragweite erhalten das �in mir� und das �in uns� nur aus der in ihnen wirkenden Tragweite des Todes und des Ged�chtnisses des anderen, eines anderen, der gr��er ist als sie, gr��er ist als das, was sie, was wir davon zu tragen, zu umfassen, zu verstehen verm�gen, denn nunmehr beklagen wir uns, da� wir es nicht verm�gen, nur �Ged�chtnis�, nur �im Gedenken� zu sein - und diese Klage ist eine andere Weise, angesichts der Endlichkeit des Ged�chtnisses ohne Trost zu bleiben. Wir wissen es, wir wu�ten es, wir erinnern uns - vor dem Tod des Geliebten, da� das In-mir-Sein und das In-uns-Sein von der M�glichkeit der Trauer aus konstitutiert werden. Wir sind wir selbst nur aus diesem Wissen heraus, das �lter ist als wir selbst; und das ist auch der Grund, warum ich behaupte, da� wir damit, da� wir uns dessen erinnern, den Anfang machen; nur dadurch, da� wir dieser m�glichen Trauer gedenken, kommen wir zu uns selbst. Anders gesagt: genau das ist die Allegorie der unm�glichen Trauer. Paul de Man w�rde vielleicht sagen: die Unlesbarkeit der Trauer. Die M�glichkeit des Unm�glichen gebietet hier �ber die gesamte Rhetorik der Trauer und beschreibt das Wesen des Ged�chtnisses. Mit dem Tod des anderen sind wir dem Ged�chtnis anheimgegeben (vou�s d la memoire), und folglich der Verinnerlichung, denn der andere, au�erhalb von uns, ist nicht mehr als nichts; und aus dem dunklen Licht
dieses Nichts erfahren wir, da� der andere der Verschlie�ung unseres verinnerlichenden Ged�chtnisses widersteht. Aus dem Nichts dieser unwiderruflichen Abwesenheit heraus erscheint der andere als anderer als anderer f�r uns - in seinem Tod oder zumindest in der antizipierten M�glichkeit eines Todes, sobald der Tod die Grenzen eines Ich oder eines Wir, die sich dazu verpflichtet haben, das, was gro�er und anders ist als sie, au�erhalb von ihnen in ihnen, zu beherbergen, konstituiert und verdeutlicht. Mit Ged�chtnis und Verinnerlichung beschreibt man seit Freud h�ufig die �normale ,Trauerarbeit'". Es soll sich dabei um eine Bewe gung handeln, durch die eine verinnerlichende Idealisierung K�rper und Stimme des anderen, sein Gesicht und seine Person in sich hineinnimmt, �bernimmt, ideal und quasi-buchst�blich verschlingt. Diese mimetische Verinnerlichung ist nicht fiktiv; sie ist der Ursprung der Fiktion, der apokryphen Figuration. Sie findet in einem K�rper statt, aber, mehr noch, sie gibt den Ort ab f�r einen K�rper, f�r eine Stimme, f�r eine Seele, die, damit sie "uns" angeh�ren, nicht existieren und keine Bedeutung haben d�rfen vor dieser M�glichkeit - und deshalb ist es stets geboten (il faut), damit zu beginnen, sich ihrer zu erinnern und alsdann der Spur zu folgen. Es ist geboten (il faut), das ist das Gesetz, das Gesetz der (notwendigen) Beziehung zwischen dem Sein und dem Gesetz. Wir k�nnen diese Erfahrung nur in der Form der Aporie leben, der Aporie der Trauer und der Prosopop�ie: das M�gliche bleibt unm�glich, der Erfolg ist ein Scheitern, die getreue Verinnerlichung ergreift den anderen und nimmt ihn mit lebendig und tot zugleich in mir (in uns), sie macht aus dem anderen einen Teil von uns, unter uns - und der andere scheint nun genau deshalb nicht mehr
der andere zu sein, weil wir ihn in uns beweinen und tragen wie ein noch zu geb�rendes Kind, wie eine Zukunft. In Umkehrung dazu ist das Scheitern ein Erfolg: die fehlschlagende, die abtreibende Verinnerlichung (I'interiorisation qui avorte) ist zugleich die Achtung vor dem anderen als anderen, eine Art sanfter Zur�ckweisung, eine Bewegung der Entsagung, die ihn allein, drau�en, dort unten, in seinem Tod, au�erhalb von uns bel��t. K�nnen wir dieses Schema akzeptieren? Ich glaube nicht, auch wenn es einerseits eine harte und nicht zu verleugnende Notwendigkeit enth�lt, eben jene Notwendigkeit, welche die wahre Trauer unm�glich macht. Aus Ged�chtnis und Verinnerlichung wird, aufgrund der durch ein einziges Idiom gebotenen M�glichkeit, Erinnerung*, im Deutschen, und Hegel macht daran auf das Motiv der subjektivierenden Verinnerlichung aufmerksam. Im Franz�sischen w�rde ich den Versuch wagen mit einer neuen Verwendung des Wortes �intimation�, womit das Kunstst�ck fertig gebracht w�rde, zugleich auf den Befehl oder das Gebot (on intime l'ordre, on le donne: ilfaut - man erteilt einen Befehl, man gibt ihn: es ist geboten) und auf die Intimit�t des Inneren hin zu orientieren. In den letzten Jahren hat Paul de Man zum Sujet des Gegensatzes, den die Enzyklop�die Hegels zwischen Erinnerung* und Ged�chtnis* vermerkt: die Erinnerung als Verinnerlichung und ein denkendes Ged�chtnis, das sich auch an die technische und mechanische Hypomnese zu binden vermag, gearbeitet, gelehrt und ver�ffentlicht. In einem Essay mit dem Titel Sign and Symbol in Hegels Aesthetics:,' f�hrt die Analyse dieser Opposition (Erinnerung */Ged�chtnis
*), artikuliert an der Opposition von Symbol und Zeichen, in ihrer Schlu�folgerung zum sowohl r�tselhaften als auch notwendigen Motiv der Allegorie zur�ck, das zweifellos eines der durchg�ngigsten Themen im Denken von Paul de Man gewesen ist und einem einzigartigen und viel fach verwendeten Pr�fstein gleichkommt, an dem alle Lekt�ren, an dem der Korpus der literarischen und der Korpus der philosophischen Schriften ihren Ma�stab hatten. Die Allegorie, zu der wir abermals zur�ckgef�hrt worden sind, ist zum einen der Hegelsche Begriff der Allegorie, so wie er in den Vorlesungen �ber die �sthetik entwickelt wird, und zum anderen die Hegelsche Philosophie als Allegorie in der ganz besonderen Bedeutung, die Paul de Man ihr verleiht, in der Bedeutung einer Art erz�hlenden und nicht historischen Fabel, ober besser noch: in der Bedeutung einer Geschichte, die bestimmte Menschen zu erz�hlen wissen, und die etwas zum Sujet hat, was letzten Endes nichts Historisches ist. Dar�ber m�chte ich - von diesem Text ausgehend - in der n�chsten Vorlesung sprechen. Nur soviel sei bereits gesagt, da� die Hegelsche Allegorie, eben jene, die diese gro�e abschlie�ende Figur der Philosophie und der Philosophie der Geschichte, das absolute Ged�chtnis und das absolute Wissen, konstituiert, desgleichen - Paul de Mans Paradoxon zufolge - die Figur aller Disjunktion zwischen Philosophie und Geschichte, Literatur und �sthetik, literarischer Erfahrung und Theorie der Literatur sei. Diese Schlu�folgerung, die - f�r den Augenblick von ihrer Beweisf�hrung abgetrennt - als solche �berraschen kann, betrifft auch den Widerstand gegen die Literaturtheorie, den Paul de Man mit einer Feinf�hligkeit f�r das Politisch- Institutionelle untersucht, �ber die wir sp�ter noch einmal sprechen
werden: �Es ist kein Wunder, da� die Literaturtheorie einen so schlech ten Ruf hat, und das um so mehr, seitdem unser Denken (Ged�chtnis *, im Gegensatz zur Erinnerung*, dem verinnerlichenden Ged�chtnis - J. D.) nicht mehr die Hoffnung hegen kann, die Emergenz des Denkens und der Theorie zu verhindern oder unter Kontrolle zu halten. � Das sind die letzten Worte des Textes. Unkontrollierbare Notwendigkeit, nichtsubjektivierbares Gesetz des Denkens jenseits der Verinnerlichung, des nicht von Trauer getragenen Denkens der Trauer: wie k�nnen wir das wollen? Und warum sollen wir es bejahen? Das kann nicht l�nger eine Frage sein. Wenn wir sagen: �in uns�, �unter uns�, um uns getreu zu erinnern �im Gedenken an�, um welches Ged�chtnis (m�moire) handelt es sich, um Ged�chtnis* oder Erinnerung*? Die Bewegung der Verinnerlichung bewahrt im Innern von uns das Leben, das Denken, den K�rper, die Stimme, den Blick oder die Seele des anderen, aber unter der Gestalt der Hypomnemata, der Memoranden, der mnesischen Zeichen oder Symbole, Bilder oder Vorstellungen, die nur losgerissene und verstreute St�cke sind, l�ckenhafte St�cke, �Teile� vom anderen, der gegangen ist, und andererseits Teile von uns, eingeschlossen "in uns� in einem Ged�chtnis, das pl�tzlich gr��er und �lter zu sein scheint als wir, �ber jeden quantitativen Vergleich hinaus �gr��er�, erhaben gr��er als dieser andere, den es beherbergt und in sich beh�tet, aber auch gr��er durch diesen anderen, gr��er als es selbst, nicht �bereinstimmend mit sich selbst, gr��er geworden, schwanger gehend mit dem anderen. Und die Figur des von Trauer getragenen Ged�chtnisses wird zu einer Art (m�glichen und unm�glichen) Metonymie, bei der der Teil f�r das
Ganze gilt und f�r mehr als das Ganze, bei der der Teil das Ganze �bersteigt. Eine allegorische Metonymie zudem, die etwas anderes sagt als das, was sie sagt, und den anderen (allos) im offenen, aber n�chtlichen Raum der Agora, da, wo kein Licht mehr ist und doch mehr (als) Licht (plus de lumiere), zum Vorschein kommen l��t, sie spricht zu dem anderen und sie bringt ihn zum Sprechen, den anderen, aber um ihn sprechen zu lassen, denn der andere wird als erster gesprochen haben. Sie kann ihm das Wort nur lassen, denn sie k�nnte ihn nicht zum Sprechen bringen, ohne da� er nicht bereits (deja) gesprochen h�tte, ohne diese Spur eines Sprechens, das vom anderen kommt und das uns auf die Schrift und gleicherma�en auf die Rhetorik angewiesen sein macht. Diese Spur bewirkt, da� immer das Sprechen noch etwas anderes sagt als das, was es sagt, sie sagt den anderen, der "vor" und "au�erhalb� von ihm spricht, sie l��t den anderen sprechen in der Allegorie. Daher kommt die �rhetorische� Struktur �der Zeitlichkeit� (The Rhetoric of Temporality ist der Titel eines ber�hmten Essays von Paul de Man). Aber herausgefordert wird die einfache und "objektive� Mengenlogik, gest�rt wird die einfache Einschlie�ung eines Teils in das Ganze durch das jenseits des verinnerlichenden Ged�chtnisses, der Erinnerung*, ins Ged�chtnis* Zur�ckgerufene, durch das als "Teil�, der gr��er ist als das Ganze, Gedachte; es ist der andere als anderer, die nicht-totalisierbare, die mit sich selbst und dem Selben nicht �bereinstimmende Spur. Diese Spur wird in der Trauer als das verinnerlicht, was nicht mehr verinnerlicht werden kann, als unm�gliche Erinnerung* in und jenseits des von Trauer getragenen Ged�chtnisses, es konstituierend, es durchquerend, sich nicht mehr darein begrenzend, jede
Wiederaneignung - sei es in einer codierten Rhetorik, in einem konventionellen System von Tropen, in �bungen der Prosopop�ie, der Allegorie, der elegischen und leidenden Metonymie - verwehrend. Aber die �bung liegt auf der Lauer und die Technik ist immer der Parasit f�r die wahre Mnemosyne, die Mutter aller Musen und die lebendige Quelle aller Inspirationen. Auch Mnemosyne kann zu einem Topos der Poesie werden. Das denken wir. Und zu diesem Gedanken pa�t die Regung treuer Freundschaft, das ma�lose Leiden, aber auch das Leben, die Erhabenheit (sublimite) einer Trauer ohne Sublimation und ohne den manischen Triumph, von dem Freud spricht. Oder auch die "Monumentalit�t eines Grabmals� ohne die �Angst der Paranoia�. Im engen und quasi institutionellen Bereich der Rhetorik empfangen die Figuren, die Erz�hlformen oder die Typen - ob sich nun aus ihnen Klassen bilden lassen oder nicht - ihre (keine Klasse bildende) M�glichkeit aus diesen paradoxalen Strukturen: Einschlie�ung eines Teils, der gr��er ist als das Ganze, in einer Menge; Logik oder Alogik, von der man nicht mehr sagen kann, da� sie diejenige der Trauer im g�ngigen Verst�ndnis des Ausdrucks sei, sondern da� sie (manchmal als Trauer in der strikten Bedeutung, immer als Trauer in der Bedeutung der allgemeinen M�glichkeit) alle unsere Bez�ge auf den anderen als anderen, das hei�t als Sterblichen f�r einen Sterblichen, f�r einen, dem es jederzeit widerfahren kann, vor dem anderen zu sterben, regelt. Unsere �eigene� Sterblichkeit l��t sich davon nicht abtrennen; zudem bedingt sie die Rhetorik des getreuen Gedenkens, wodurch ein Bund besiegelt und uns die Zusicherung des anderen ins Ged�chtnis zur�ckgerufen wird. Der Tod des anderen
begegnet wenn man das so sagen kann - auch auf unserer Seite im selben Augenblick, in dem er uns von einer ganz anderen Seite widerf�hrt. Die Erinnerung* daran wird in dem Ma�e fatal, in dem sie nicht erlebt werden kann: sie findet darin ihren Ursprung und ihre Grenze, ihre Bedingung der M�glichkeit und ihre Bedingung der Unm�glichkeit. Ich habe das in einem anderen Kontext �Psyche� gehei�en, Psyche, der Eigenname f�r eine Allegorie, Psyche, der allgemeine Name f�r die Seele, und psych�, im Franz�sischen der Name f�r einen Drehspiegel. Heute ist es nicht mehr Psyche, sondern augenscheinlich Mnemosyne. In Wahrheit, und auch morgen noch und �bermorgen, wird Paul de Man der �blo�e Name� ("naked name") sein. Ihn werden wir rufen, und ihm werden wir abermals unsere Gedanken zuwenden.
II. Die Kunst der Memoires
Gestern, Sie werden sich vielleicht daran erinnern, haben wir uns ein Versprechen gegeben. Ich rufe es jetzt ins Ged�chtnis zur�ck, aber Sie ahnen sicherlich bereits die ganze M�hsal, die wir haben, wenn wir zwischen allen diesen Gegenwarten, zwischen allen diesen Geschenken, (pr�sents), zwischen diesen vergangenen Gegenwarten, vergangenen Geschenken (pr�sents pass�s), die Bestand haben in der Gegenwart, im Geschenk (pr�sent) eines Versprechens, dessen �ffnung auf die zuk�nftige Gegenwart, auf das zuk�nftige Geschenk nicht durch eine Erwartung oder eine Antizipation, sondern durch eine Verpflichtung erfolgt, eine Ordnung herstellen wollen.
Wir hatten einander versprochen - aber in Wirklichkeit bin ich allein es gewesen, der das getan hat -, einen "blo�en Namen� ("naked name") anzurufen: Paul de Man. Indem ich ihn ausspreche (gestatten Sie mir bitte, da� ich mich selbst franz�sisch zitiere), "le ,naked name', ce sera Paul de Man. C'est lui que nous appellerons, c'est vers lui que nous tournerons encore nos pens�es". Ich habe gezielt den Vorteil einer Sprache - meiner Sprache - genutzt: zumindest im Franz�sischen wird es unm�glich sein zu entscheiden, ob wir unsere Gedanken Paul de Man oder allein seinem Namen zuwenden. Haben wir deshalb ein w�rdeloses Spiel mit der Zweideutigkeit einer Grammatik getrieben? Eine magische Beschw�rung, ohne gro�e Illusion, um so zu tun, als ob der verstorbene Freund, der nur noch in meinem Ged�chtnis eins sein wird mit seinem Namen, allein auf den Anruf seines Namens antworten w�rde, als ob die Unm�glichkeit, Paul de Man vom Namen � Paul de Man� zu unterscheiden, allein der Benennung, besser noch: der Apostrophe des den "blo�en Namen� ins Ged�chtnis zur�ckrufenden Anrufs die Macht verleihen w�rde, wieder zum Leben zu erwecken, als ob jeder angesprochene Name eine Wiedererweckung wieder ins Leben riefe: "Lazarus, erhebe dich� 2, das w�re es, was die Apostrophe dem �blo�en Namen� sagen oder vorf�hren w�rde. Aber das, was Paul de Man uns �ber die Adresse, die Apostrophe und die Prosopop�ie, �ber sein "tropologisches Spektrum� sagt, verbietet es uns, hierbei in die Magie auszuweichen. Es kommt indessen darauf an nachzudenken, was an der Struktur oder an der Kraft des Namens, insbesondere des sogenannten Eigennamens, eine derartige Magie: nicht nur das Begehren, sondern auch die Erfahrung der Halluzination - erweckt, aufruft oder m�glich macht.
Was uns dazu n�tigt, eine "wahre Trauer� (vorausgesetzt, da� es so etwas �berhaupt gibt) zu denken (ohne jemals daran zu glauben), das ist das Wesen des Eigennamens. Was wir aus dem Grunde unserer Traurigkeit das Leben von Paul de Man hei�en, das ist - in unserem Ged�chtnis - der Augenblick, in dem Paul de Man selbst auf den Namen Paul de Man antworten und mit dem Namen Paul de Man antworten k�nnte. Im Augenblick des Todes bleibt der eigene Name zur�ck; wir k�nnen mit ihm benennen, anrufen, anflehen, bezeichnen, aber wir wissen es, wir k�nnen es denken (und dieser Gedanke kommt zu uns aus einem Ged�chtnis, ohne da� er sich in einem einfachen Ged�chtnis zusammenhalten l��t), da� Paul de Man selbst, der Tr�ger des Namens und der einzigartige Pol, auf den alle diese Handlungen (actes) und Bezugnahmen gerichtet sind, nie wieder, nie wieder selbst, nie wieder anders als durch das hindurch, was wir geheimnisvoll unser Ged�chtnis hei�en, darauf antworten wird. Ich habe es gestern gesagt: Wenn ich mich dazu entschlossen habe, �ber �die Aufzeichnungen des Ged�chtnisses� (" memoires ") zu sprechen im Gedenken an Paul de Man, so geschieht das ohne Zweifel deshalb, weil ich mich noch einmal nahe bei meinem Freund aufhalten die Trennung wahren, auf mich nehmen, verlangsamen oder abwenden m�chte. Aber auch, weil das �Ged�chtnis" f�r Paul de Man der Ort (Topos oder Thema, wie es Ihnen beliebt) einer urspr�nglichen, best�ndigen und so ist mein Eindruck - seinen Lesern noch verborgen gebliebenen Betrachtung gewesen ist. Und wie es mein Wunsch gewesen ist, nicht das ganze Werk von Paul de Man zu behandeln, sondern ganz bescheiden einem einzigen Faden zu folgen, der
gleichfalls bescheiden, gleichfalls nur punktuell sich mit dem Faden der �Dekonstruktion in Amerika� �berkreuzt, so bin ich auf den Gedanken gekommen, da� der Faden des Ged�chtnisses uns im Denken von Paul de Man Orientierung geben und uns f�r die Zeit, die es braucht, um in dieses allegorische Labyrinth einzudringen, f�hren k�nnte. Es sei denn, da� der Faden der Ariadne auch der von den Parzen gesponnene Faden sei. Nat�rlich ist, wie Sie es ja bereits vermuten, "memoires" hier nicht der Name f�r einen einfachen Topos, f�r ein identifizierbares Thema; es ist vielleicht der identit�tslose unber�hrbare Brennpunkt eines R�tsels, das um so schwieriger zu entziffern ist, als da� es uns hinter dem, worin ein Sprechen sich kundtut, nichts verbirgt, sondern genau mit der Struktur der Sprache und den eigent�mlichen Effekten der Oberfl�che spielt. "Memoire" ist zuerst der Name f�r eine Sache, die ich im Augenblick nicht definieren beziehungsweise von der ich nur diesen einen Zug festhalten m�chte: es ist der Name f�r das, was f�r uns (ein �uns�, das ich anders nicht definieren werde) einen wesentlichen und notwendigen Bezug auf die M�glichkeit des Namens bewahrt, und es ist der Name f�r das, was im Namen diesem Bewahren Sicherheit gibt. Nicht das Bewahren als Verwahrung oder Bereitstellung einer Sache, die einen Namen hat: wir haben soeben dementgegen daran erinnert, da� der Tod die ganze Kraft des Namens genau in dem Ma�e enth�llt, indem dieser Name unaufh�rlich weiterhin denjenigen benennt und aufruft, den man den Tr�ger dieses Namens hei�t und der nicht mehr auf seinen Namen antworten und mit seinem Namen antworten kann. Und von dieser Situation k�nnen wir, seitdem sie ihre
M�glichkeit im Tod enth�llt, annehmen, da� sie nicht erst den Tod abwartet, beziehungsweise da� in ihr der Tod nicht erst den Tod abwartet. Wenn wir jemanden zu seinen Lebzeiten mit Namen rufen oder nennen, wissen wir, da� sein Name ihn �berleben kann und ihn bereits �berlebt, da� er bereits zu seinen Lebzeiten damit beginnt, sich von ihm zu l�sen, indem er jedes Mal, wenn er in einer Nennung oder in einem Anruf ausgesprochen wird, jedes Mal, wenn er in eine Liste, ein amtliches Register oder eine Signatur eingeschrieben wird, seinen Tod aussagt und vortr�gt. Und wenn ich mit dem Tod meines Freundes nur das Ged�chtnis und den Namen, das Ged�chtnis im Namen, bewahre, wenn etwas vom Namen ins blo�e Ged�chtnis zur�ckflie�t, weil eine bestimmte Funktion darin verstorben und verewigt ist - "defuncta" - und weil der andere nicht mehr da ist, um zu antworten, so sind dieser Mangel und diese Schw�che der Beweis f�r die Struktur des Namens und auch f�r seine ungeheure Macht: er ist von Anbeginn �im Gedenken an�. Wir k�nnen nicht den Namen vom "Ged�chtnis� und das "Ged�chtnis" vom Namen trennen; wir k�nnen den Namen und das Ged�chtnis nicht trennen. Und das ist keineswegs eine Folge der einfachen Tatsache, da� das Wort "Ged�chtnis� selbst ein Name ist, obgleich das, wie wir sp�ter sehen werden, keine uninteressante Sache ist. Aber wenn wir behaupten, da� der Name �im Gedenken an� ist, sprechen wir dann von jedem Namen, gleichg�ltig, ob es sich um einen Eigennamen oder um einen allgemeinen Namen handelt? Und bedeutet der Ausdruck �im Gedenken an�, da� der Name �drinnen� ist �in� unserem Ged�chtnis, in diesem angeblichen lebendigen Verm�gen, sich die Bilder oder die Zeichen aus der Vergangenheit
zur�ckzurufen usw. ? Oder aber, da� der Name in sich selbst drunten, drau�en ist, als ein Zeichen oder ein Symbol, ein Monument, ein Epitaph, eine Stele oder ein Grab, ein Memorandum, eine Ged�chtnisst�tze, ein Memento, ein �u�eres Hilfsmittel, aufgerichtet "im Gedenken an�? Ohne Zweifel beides, und darin liegt auch die Zwiesp�ltigkeit des Ged�chtnisses, die Kontamination, die uns verwirrt, die das Ged�chtnis verwirrt und die die Bedeutung von �Ged�chtnis� verwirrt: der Tod enth�llt, da� der Eigenname es immer vermocht haben wird, sich der Wiederholung in Abwesenheit seines Tr�gers anzubieten und auf diese Weise zu einem eigenartigen allgemeinen Namen zu werden, genauso allgemein wie das Pronomen "ich�, das im Vorgang des Bezeichnens die eigene Einzigartigkeit ausstreicht und in die allgemeinste und ganz allgemein zug�ngliche �u�erlichkeit fallen l��t, was gleichwohl den Selbstbezug einer Innerlichkeit bedeutet. Damit treten wir in die Lekt�re des Textes von Paul de Man ein, den ich w�hrend der Vorlesung gestern nur angezeigt habe, Sign and Symbol in Hegels Aesthetics (1982), und machen uns diese Lekt�re zur Pflicht. Dieser Text z�hlt zu den letzten Texten, die Paul de Man ver�ffentlicht hat; ich werde einige Zeilen daraus zitieren, dem Ged�chtnis zuliebe, als eine ein wenig mechanische Hilfe f�r Ihr Ged�chtnis, denn wir werden uns f�r die Zeit eines Umwegs von diesem Text entfernen und anschlie�end wieder darauf zur�ckkommen. Bin ich nicht verpflichtet zu z�gern, bevor ich zitiere, bevor ich lange und zahlreiche Zitate anf�hre? An der Grenze, im Grenzfall einer h�chst zwiesp�ltigen Treue k�nnte ein Vortrag "im Gedenken an" oder �zum Ged�chtnis von� sich damit begn�gen
zu zitieren, vorausgesetzt, man wei�, wo ein Zitat beginnt und wo es endet. Der Treue ist man es schuldig zu zitieren - im Wunsch, dem anderen das Wort zu lassen oder zur�ckzugeben - und der Treue ist man es nicht schuldig, zu zitieren, ist man es nicht schuldig, sich allein mit dem Zitieren zu begn�gen. Mit dem Gesetz dieses doppelten Gesetzes haben wir hier zu tun, auf dieses Gesetz sind wir hier verpflichtet - und es ist auch das doppelte Gesetz der Mnemosyne, vielmehr noch, es ist das gemeinsame Gesetz der zweifachen Quelle: Mnemosyne/Lethe, Quelle des Ged�chtnisses, Quelle des Vergessens. Man sagt, und darin besteht das R�tsel, da� nahe dem Orakel von Trophonios in Boiotia den Ratsuchenden zwei Quellen angeboten w�rden, und sie m��ten aus der einen sowie aus der anderen, aus der Quelle des Ged�chtnisses sowie aus der Quelle des Vergessens, trinken. Und wenn Lethe desgleichen den Namen abgibt f�r die Allegorie des Vergessens, des Todes oder des Schlafes, so werden Sie mit Leichtigkeit in Mnemosyne, ihrem anderen, eine Figur der Wahrheit, mit anderen Worten: aletheia erkennen. Ich mu� also zitieren, aber ich mu� auch das Zitieren unterbrechen. 1. Das erste der zwei Zitate habe ich ausgew�hlt, weil es einen bestimmten Bezug zwischen dem Ged�chtnis und dem Namen feststellt. Paul de Man hat erst k�rzlich an den Gegensatz von Ged�chtnis* und Erinnerung* in der Enzyklop�die Hegels erinnert. Ged�chtnis*, das ist zugleich das Ged�chtnis, das denkt (und das dar�ber hinaus das Ged�chtnis des Denkens ist, das in sich, in seinem Namen, das Ged�chtnis des Denkens* bewahrt), und das willentliche Ged�chtnis, das mechanische Verm�gen des Auswendiglernens; w�hrend die Erinnerung* das verinnerlichende
Ged�chtnis ist, "die Erinnerung als innere Versammlung und Wahrung von Erfahrung�. Dabei interessiert sich Paul de Man vor allem - und das unterstreicht er mit Nachdruck - f�r dieses befremdliche Zusammenspiel im Ged�chtnis* zwischen dem denkenden Denken und der �u�erlichsten techne, der augenscheinlich abstraktesten und r�umlichsten Einschreibung: Es bleibt jedoch die Frage, ob die �u�erliche Darstellung der Idee, wenn sie in der sequentiellen Entwicklung des Hegelschen Denkens erscheint, in der Tat im Modus der Erinnerung erscheint, als eine Dialektik von Innen und Au�en, die verstanden und artikuliert werden kann. Wo, im Hegelschen System, kann behauptet werden, da� der Verstand, der Geist oder die Idee eine materiale Spur in der Welt hinterlassen, und wie findet diese sinnliche Erscheinung statt? Die Antwort greift aus demselben Abschnitt so ziemlich am Ende der Enzyklop�die (� 458, Seite 271) einen Hinweis auf in der Diskus sion �ber die Struktur des Zeichens, mit der wir begonnen haben. Nachdem Hegel die Notwendigkeit, zwischen Zeichen und Symbol zu unterscheiden, begr�ndet und auf das allgemeine Bestreben, das eine mit dem anderen zu verschmelzen, angespielt hat, nimmt er als n�chstes Bezug auf ein Verm�gen des Geistes, das er Ged�chtnis' hei�t, und das "im gemeinen Leben (wie es dem philosophischen Leben entgegengesetzt wird) oft mit Erinnerung*, auch Vorstellung und Einbildungskraft verwechselt ... wird� genauso wie Zeichen und Symbol oft in Vertauschung f�reinander verwendet werden in solchen Formen gemeiner Rede wie dem Literaturkommentar oder der Literaturkritik.... Das Auswendiglernen ist von der Erinnerung und von der Einbildung strikt zu unterscheiden. Es ist v�llig bildlos*, und Hegel macht sich �ber p�dagogische Bem�hungen lustig, den Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen, indem man sie n�tigt, Bilder mit bestimmten Worten zu assoziieren.
Aber es ist alles in allem nicht frei von jeglicher Materialit�t. . . (Ich unterbreche dieses Zitat f�r einen Augenblick nach Unterstreichung des Wortes "Materialit�t�. Es gibt ein Thema der "Materialit�t�, sogar einen origin�ren Materialismus bei Paul de Man. Es handelt sich dabei um eine "Materie�, die nicht den klassischen philosophischen Definitionen der metaphysischen Materialismen entspricht, aber auch nicht den sinnlichen Vorstellungen (wir werden das sehen) und den Bildern von einer Materie, die unter dem Gegensatz des Sinnlichen und des Intelligiblen begriffen wird. Die Materie, eine Materie ohne Pr�senz und ohne Substanz, ist das, was diesen Gegens�tzen widersteht. Diesen Widerstand haben wir auf seiten des Denkens in dessen eigent�mlicher Komplizenschaft mit der Materialit�t festgemacht. Wir konnten diese Komplizenschaft gestern kennenlernen, auf seiten des Todes und jener Anspielung auf die "wahre Trauer�, die zwischen einer Pseudo-Geschichtlichkeit und "der Materialit�t wirklicher Geschichte" einen Trennstrich zieht. Trotz aller Vorbehalte im Hinblick auf Historizismus und historisierende Rhetoriken, die f�r ihre eigene Rhetorizit�t blind sind, hat Paul de Man sich best�ndig mit der Irreduzibilit�t einer bestimmten Geschichte herumgeschlagen, einer Geschichte, mit der man keinen anderen Umgang haben kann als den einer "wahren Trauer�. Zu Ihrer Erinnerung: "Gattungsbegriffe wie ,Lyrik' ... sind genau wie pseudohistorische Periodenbegriffe wie 'Romantik'' und 'Klassik'' immer Begriffe des Widerstands und der Nostalgie und als solche weit von der Materialit�t der wirklichen Geschichte entfernt. � Diese Materie der wirklichen Geschichte ist also das dem historischen, dem historisierenden Widerstand Widerstehende. Und weiter unten hei�t es: "Wahre 'Trauer'' erliegt der T�uschung weniger. Das �u�erste, deren sie f�hig ist, ist das Nicht-Verstehen zu erlauben und nichtanthropomorphische, nicht- elegische,
nicht-r�hmende, nichtlyrische, nicht-poetische und das hei�t prosaische, oder besser, historische Formen der sprachlichen Gewalt aufzuz�hlen.� Von einer solchen Materie, die "�lter� ist als die metaphysischen Gegens�tze, in die man zumeist den Begriff der Materie und die materialistischen Theorien einschreibt, k�nnen wir behaupten, da� sie "im Gedenken an� das diesen Gegens�tzen Vorausgehende steht. Aber gerade dadurch bewahrt sie - wir werden das verifizieren - einen wesentlichen Bezug auf die Fiktion, die Figuralit�t und die Rhetorizit�t. Matiere et Memoire - Materie und Ged�chtnis, diesen Titel h�tte ich dieser langen Parenthese geben k�nnen. Bevor ich sie schlie�e, noch ein Zitat: " Ged�chtnis* meint nat�rlich das Ged�chtnis in der Bedeutung, da� jemand vonjemand anderem sagt, da� er ein gutes Ged�chtnis habe, aber nicht in der Bedeutung, da� er eine gute Erinnerung habe. Auf Deutsch sagt man, ,sie oder er hat ein gutes Ged�chtnis'*, und nicht, jedenfalls nicht in derselben Bedeutung der Worte, ,eine gute Erinnerung'*. Das franz�sische m�moire wie in Bergsons Titel Matiere et Memoire ist ambivalenter, aber eine vergleichbare Unterscheidung tritt zwischen memoire und souvenir auf,, un bon souvenir ist nicht dasselbe wie, une honne memoire '. �6 Mit der Schlie�ung dieser Parenthese nehme ich mein vorheriges Zitat wieder auf (es handelt sich immer noch um dieselbe Seite), um jetzt den Titel zu rechtfertigen, den ich f�r diese Vorlesung tats�chlich ausgew�hlt habe: Die Kunst der Memoires' und die �berkreuzung der Genitive oder der Genealogien zwischen dem Namen des "Ged�chtnisses� und dem Ged�chtnis des Namens zum Erscheinen kommen zu lassen.
Aber es (das Ged�chtnis - J. D.) ist alles in allem nicht frei von jeglicher Materialit�t. Wir k�nnen nur dann auswendig lernen (learn by heart), wenn alle Bedeutung vergessen ist und die Worte gelesen werden, als w�ren sie eine blo�e Liste von Namen. "Man wei� bekanntlich�, sagt Hegel, "einen Aufsatz erst dann recht auswendig (by heart (or by rote)), wenn man keinen Sinn bei den Worten hat; das Hersagen solches Auswendiggewu�ten wird darum von selbst akzentlos. " Wir sind mit diesem Abschnitt der Enzyklop�die �ber das Ged�chtnis weit entfernt von den mnemotechnischen Zeichen, wie sie Francis Yates in The Art of Memory beschreibt, und befinden uns vielmehr nahe der Anleitung des Augustinus, wie man die Heilige Schrift erinnert und in Psalmen �bertr�gt. Ged�chtnis ist f�r Hegel das Auswendiglernen von Namen (Hervorhebung von Paul de Man) oder von Worten, die als Namen angesehen werden (Und diese Pr�zisierung durch Paul de Man scheint entscheidend zu sein; sie unterstreicht, da� nicht nur das Ged�chtnis ein besseres ist, wenn es mit auswendig gelernten Listen von Namen zu tun hat, sondern auch, da� alles das, was wir auswendig lernen, und alles das, was die befremdliche Verbindung zwischen Ged�chtnis * und Denken herstellt, dem Namen angeh�rt. Der Name oder das, was als ein solcher angesehen werden kann, das, was die Funktion und die Kraft des Namens hat - ist das alleinige Objekt und die alleinige M�glichkeit des Ged�chtnisses, und in Wirklichkeit die einzige "Sache�, die f�r das Ged�chtnis zugleich benennbar und denkbar ist. Das bedeutet zudem, da� jeder Name, jede Nominalfunktion, "im Gedenken" an steht - von der ersten "Gegebenheit" ("present") seines Erscheinens an, und schlie�lich im virtuell von Trauer getragenen Gedenken an das Lebewesen, das Tr�ger dieses Namens ist. Man ruft immer (mit) Namen auf; und der Name taucht auf mit der M�glichkeit, da� etwas ins Ged�chtnis zur�ckgerufen werden kann, sogar dann, wenn niemand da ist, um zu antworten, oder nichts, um vorgezeigt zu werden. Doch ist eine Ersetzung von Namen immer m�glich (Metonymie, Allegorie usw.). J. D.), und es kann deshalb nicht von der Notation, der Einschreibung oder der Niederschrift der Namen getrennt werden (Erinnern Sie sich an das, was wir gestern �ber die Essays upon Epitapts gesagt haben - J. D.). Um zu erinnern,
ist man gezwungen aufzuschreiben, was man wahrscheinlich vergessen wird. Mit anderen Worten: die Idee kommt, bei Hegel, zur sinnlichen Erscheinung in der materialen Einschreibung von Namen. Das Denken ist ganz und gar von einem geistigen Verm�gen abh�ngig, das durch und durch mechanisch ist, so wie es sich von den Kl�ngen und den Bildern der Einbildungskraft oder von dem dunklen Schacht der Erinnerung, das unter dem Reich der Worte und des Denkens liegt, zu entfernen vermag. Die das Ged�chtnis charakterisierende Synthesis zwischen Name und Bedeutung ist "das leere Band" und ist als solche der gegenseitigen Komplementarit�t und Durchdringung von Form und Inhalt, wie sie f�r symbolische Kunst charakteristisch ist, ganz und gar un�hnlich. 2. Das zweite Zitat, aus demselben Text, betrifft nicht direkt das Ged�chtnis des Namens, sondern, wie man sagen k�nnte und was in etwa auf dasselbe hinausl�uft, das Vergessen des Pronomens, insbesondere des ersten Pronomens, des "I". Diese Ausstreichung des Ich (du Je) in einer Art apriorischem und funktionalem Vergessen k�nnen Sie gut auf das beziehen, was wir gestern �ber Autobiography as Defacement gesagt haben. Aber wir m�ssen uns auch die Konsequenz ins Ged�chtnis zur�ckrufen - unter vielen anderen -, die diese Ausl�schung des "Ich" auf seiten einer klassischen Theorie des Performativums haben kann. Ein �ausdr�ckliches" Performativum scheint der Aussage in der ersten Person Singular (mit einem Verb im Aktiv Pr�sens) ein absolutes Privileg zuzuerkennen. Dieses Privileg des "Ich" kann sich mitunter sogar auf die sogenannten �prim�ren" (mehr als nur expliziten) Performativa erstrecken. Doch sehen wir uns die Schlu�folgerung an, die Paul de Man aus einer Analyse des ber�hmten und �merkw�rdigen Satzes� ("odd sentence") von Hegel �Ich kann nicht sagen, was ich (nur) meine" * zieht, in dem das letzte Wort - wie vielfach festgestellt - ein Spiel zwischen dem Verb meinen* (auch im Sinne von �eine Meinung* haben�) und dem Possessivpronomen mein*, meine* spielt, so da� der Satz schlie�lich in Wahrheit sagt: �Ich kann nicht 'Ich'' sagen" ("I cannot say 'I'' "). Ich kann an dieser Stelle nicht die Analyse selbst aufs Neue erstellen, wir br�uchten zuviel an Zeit daf�r, und mich interessiert auch mehr
die Geste von Paul de Man als die von Hegel: Es ist dem Geist aufgegeben, am Ende seines Weges - in diesem Fall am Ende des Textes - zu erkennen, was zu Beginn gesetzt worden ist. Er hat sich selbst als er selbst, das hei�t, als Ich zu erkennen. Aber wie sollen wir erkennen, was notwendig ausgestrichen und vergessen wird, sofern "Ich" per Definition das ist, was Ich niemals sagen kann? Und drei Seiten sp�ter: Beim Auswendiglernen, beim Denken und, in Erweiterung dazu, bei der sinnlichen Darstellung des Denkens als einer "Kunst"� des Schreibens "haben (wir) es �berhaupt nur mit Zeichen zu tun�. Das Ged�chtnis streicht die Erinnerung aus, genau wie das Ich sich selbst ausstreicht. 9 Ich hebe diese Ausstreichung des Ich durch sich selbst und dieses � genau wie" hervor, mit dem nicht einfach nur zwei analoge M�glichkeiten nebeneinander gestellt werden. Es ist dieselbe M�glichkeit und auch dieselbe Notwendigkeit, die aus der Einschreibung des Ged�chtnisses eine Ausstreichung der verinnerlichenden Erinnerung, der �lebendigen Erinnerung" in der Pr�senz einer Selbstbeziehung macht. Diese Eklipse oder diese Ellipse in der Bewegung der Verinnerlichung ist, wie wir gestern nahegelegt haben, nicht die Folge einer innerlichen Grenze, einer Endlichkeit des Ged�chtnis, sondern r�hrt von der Struktur der Beziehung auf den anderen sowie von der stets allegorischen Dimension der Trauer her. Paul de Mans �These" - sofern man von einer solchen sprechen kann, wir werden darauf gleich zur�ckkommen - besagt, da� es zwischen Ged�chtnis* und Erinnerung* keine �dialektische" Beziehung im Sinne der Hegelschen Auslegung und
Selbstauslegung gibt, sondern Bruch, Heterogenit�t, Disjunktion. Das Ged�chtnis ist der Name f�r etwas, das nicht mehr allein als ein psychisches "Verm�gen", ausgerichtet auf einen der drei Modi der Gegenwart, auf die vergangene Gegenwart, die man von der gegenw�rtigen Gegenwart oder der zuk�nftigen Gegenwart abtrennen kann, gedacht werden kann. Das Ged�chtnis entwirft sich in Richtung Zukunft und das Ged�chtnis konstituiert die Gegenw�rtigkeit der Gegenwart. Die � Rhetorik der Zeitlichkeit" ist die Rhetorik des Ged�chtnisses. Paul de Man hat diese Rhetorik immer seltener in "dialektischen Begriffen beschrieben - es bleibt zu pr�fen, ob die Analysen der Bewegung der Verzeitlichung durch Husserl und Heidegger f�r ihn hierbei eine wesentliche Hilfe h�tten sein k�nnen (ich lasse diese Frage vorerst lieber beiseite). Es mag sein, da� der �dialektisierende" Stil beispielsweise in der folgenden Passage seiner Lekt�re von Blanchot als Leser Mallarmes (Impersonality in Blanchot) noch st�rker ausgepr�gt ist. Und doch bin ich mir dessen noch nicht einmal an dieser Stelle sicher. Aber mit Sicherheit ist es kein �dialektisierender" Stil, wenn Paul de Man in einer bestimmten Weise vom Ged�chtnis als einer auf die Zukunft gerichteten Spannung und sogar als einem Bezug gerade auf die Gegenw�rtigkeit der Gegenwart spricht. Das Scheitern oder die Endlichkeit des Ged�chtnisses sagen etwas aus �ber die Wahrheit als seine Wahrheit: �ber seinen Bezug auf den anderen, auf den Augenblick und auf die Zukunft: ...Poulet hat behauptet, da� "das Ph�nomen des Ged�chtnisses die Hauptentdeckung des 18. Jahrhunderts gewesen sei�; dennoch ist es der Begriff der Augenblicklichkeit, der sich letztendlich - oft gegen das Ged�chtnis und �ber dieses hinausgehend - als die Haupteinsicht
des Buches herausstellt. Der Augenblick des �bergangs (instant de passage) verdr�ngt das Ged�chtnis oder, genauer, verdr�ngt die naive Illusion, das Ged�chtnis sei in der Lage, die Distanz zu �berwinden, welche die Gegenwart vom vergangenen Augenblick trennt.... Das Ged�chtnis wird eher in seinem Scheitern wichtig als in seinem Gelingen und nimmt einen negativen Wert an.... Die Illusion, da� Kontinuit�t durch einen Ged�chtnisakt wiederhergestellt werden kann, stellt sich als ein weiterer blo�er Augenblick des �bergangs heraus. Das Scheitern des Ged�chtnisses ist also kein Scheitern; seine augenscheinliche Negativit�t und sogar noch seine Endlichkeit, das, wodurch die Erfahrung mit Diskontinuit�t und Distanz affiziert wird, k�nnen wir auch als ein Verm�gen auslegen, als die Er�ffnung der Differenz und sogar als die Er�ffnung einer ontologischen Differenz (einer ontisch - ontologischen Differenz: zwischen dem Sein und dem Seienden, zwischen der Gegenw�rtigkeit der Gegenwart und eben der Gegenwart). Und wenn es sich so verhielte, was w�rde dann geschehen, wenn man diese ontologische Differenz in eine Rhetorik des Ged�chtnisses �bersetzt? Oder umgekehrt? Kann man in diesem Fall von einer einfachen �quivalenz oder von einer Korrelation sprechen, die man in die eine oder in die andere Richtung lesen k�nnte? Geben wir dieser Frage die Zeit und die Chance, in der Schwebe zu bleiben; sie ist als solche von Paul de Man niemals gestellt worden. Wenn das Ged�chtnis den Zugang zu einer solchen Differenz er�ffnet, so geschieht das zweifellos nicht einfach nach dem klassischen (urspr�nglich Hegelschen) Schema, welches das Wesen* (des Seienden) an seine Gewesenheit* bindet. Denn das Ged�chtnis, von dem wir hier sprechen, ist nicht
wesentlich auf die Vergangenheit, auf eine vergangene Gegenwart, die real und zeitlich vorausgehend existiert haben soll, ausgerichtet. Es h�lt sich - mit dem Ziel, sie zu "bewahren" - in der N�he von Spuren auf, aber von Spuren einer Vergangenheit, die niemals gegenw�rtig gewesen ist, von Spuren, die sich selbst niemals in der Form der Gegenw�rtigkeit aufhalten und immer gewisserma�en im Kommen (a venir), aus dem Kommenden gekommen, aus der Zukunft gekommen (venues de l'avenir, venne du futur) sein werden. Die Wiedererweckung (die stets Element der �Wahrheit" ist, eine wiederkehrende Differenz zwischen einer Gegenwart und seiner Gegenw�rtigkeit) erweckt nicht eine Vergangenheit, die gegenw�rtig gewesen sein wird, aufs Neue zum Leben; sie leitet die Zukunft ein, sie verpflichtet die Zukunft (elle engage l'avenir). In diesem Ged�chtnis, das die Wiedererweckung einer �Vorvergangenheit", eines "passe anterieur", wie man im Franz�sischen sagt, um eine grammatische Zeit zu bezeichnen, wird Paul de Man immer eine Art Formalit�t gesehen haben, eben den Ort, an dem die Fiktionen und die Figuren gebildet werden. Wenn man sich eine so bequeme wie ungerechte, so provozierende wie oberfl�chliche Formulierung erlauben k�nnte, so w�rde man sagen, da� es f�r Paul de Man, den gro�en Denker des Ged�chtnisses, nur Ged�chtnis gibt, da� aber eine Vergangenheit im buchst�blichen Sinne nicht existiert. Sie wird niemals in der Gegenwart existiert haben, sie wird niemals gegenw�rtig gewesen sein, so wie es Mallarm� von der Gegenwart selbst behauptet: �...eine Gegenwart existiert nicht�. Die Anma�ung (allegation) einer angeblichen �vorherigen" Gegenw�rtigkeit ist das Ged�chtnis und ist der
Ursprung aller Allegorien. Wenn eine Vergangenheit buchst�blich nicht existiert, dann existiert auch nicht der Tod, sondern allein die Trauer, diese andere Allegorie, und mit ihr alle die Figuren des Todes, mit denen wir die �Gegenwart� bev�lkern, die wir unter uns, den Lebenden, in alle die Spuren einschreiben, mit anderen Worten: in die ��berlebsel�, in diese Chiffren, die durch eine fabul�se Gegenwart hindurch auf die Zukunft gerichtet sind, da sie l�nger andauern k�nnen als wir, �ber die �Gegenwart� ihrer Einschreibung hinaus: die Zeichen, die Worte, die Namen, die Buchstaben, dieser ganze Text, von dem wir "in der Gegenwart" nur wissen, da� der Wert einer Hinterlassenschaft darin sein Gl�ck versucht und von Beginn an seinen Weg geht "im Gedenken an...". Dieser Spur aus der Zukunft als ein Verm�gen des Ged�chtnisses hat Paul de Man immer sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, desgleichen der Fiktion der zeitlichen Vorg�ngigkeit; Poulet als einen Leser von Proust lesend bemerkt er: Das Verm�gen des Ged�chtnisses beruht nicht auf der F�higkeit, eine Situation oder eine Empfindung, die es wirklich gegeben hat, wiederzuerwecken, sondern es ist ein konstitutiver Akt des an seine eigene Gegenwart gebundenen und auf die Zukunft seiner eigenen Bildung gerichteten Geistes. Die Vergangenheit greift nur als ein rein formales Element ein.... Die Transzendenz der Zeit ... hat sich selbst von einer zur�ckgewiesenen Vergangenheit frei gemacht, aber an dieses negative Moment schlie�t sich nun eine Beziehung auf die Zukunft an, die eine neue, von der kontinuierlichen und Bergsonianischen Dauer des Ged�chtnisses v�llig verschiedene Stabilit�t erzeugt. Habe ich - sprechend von einer Gegenwart, die niemals gegenw�rtig gewesen sein wird das Denken von Paul de Man, es einer Grenze zutreibend, verunstaltet? In seiner
Buchst�blichkeit sagt die soeben von mir zitierte Passage nichts dergleichen. Sie bekr�ftigt, da� es dem Ged�chtnis nicht aufgegeben ist, das wiederzuerwecken, was �es wirklich gegeben hat" (" actually existed "), aber sie verneint nicht diese �wirkliche Existenz�. Ohne Zweifel. Aber was w�rde geschehen, wenn ein derartiges Ged�chtnis bereits in der Beziehung der Gegenwart auf seine eigene Gegenw�rtigkeit am Werk w�re? Wenn es ein Ged�chtnis der Gegenwart g�be, und wenn dieses Ged�chtnis der Gegenwart, weit entfernt davon, ihn an sich selbst anzuschlie�en, den Augenblick zerteilen w�rde? Und wenn dieses Ged�chtnis der Gegenwart die Differenz genau in die Gegenw�rtigkeit der Gegenwart einschreiben oder in ihr aufdecken w�rde? Das hei�t, die M�glichkeit, im selben Zug in der Vorstellung (representation) wiederholt zu werden. Nachdem er Nietzsches und Baudelaires Konzeptionen der �Moderne" einander angen�hert hat, zitiert Paul de Man Le peintre de la vie moderne, den Text, den Baudelaire Constantin Guys gewidmet hat: �Das Vergn�gen, das wir der Vorstellung der Gegenwart abgewin nen, r�hrt nicht nur von der Sch�nheit her, mit der sie bekleidet sein kann, sondern auch von ihrer wesentlichen Qualit�t an Gegenwart (qualite essentielle de present). " Indem man zu Recht "qualite essentielle de present" mit "present-ness" �bersetzt, wird der Leser besonders auf die ontologische Differenz, auf das Wesen, auf die Differenz zwischen der einfachen Gegenwart und der Gegenw�rtigkeit der Gegenwart aufmerksam gemacht. Diese Differenz ist per Definition niemals gegenw�rtig, sie er�ffnet sich nur dem Ged�chtnis, aber dem Ged�chtnis als �Ged�chtnis der Gegenwart�. Ich zitiere in Fortsetzung derselben Passage: Das Paradoxe an diesem Problem ist potentiell in der Formel "Vorstellung der Gegenwart" (�repr�sentation du pr�sent") enthalten, in der ein WiederholungsSchema mit einem Augenblicklichkeits-Schema, offensichtlich ohne die Unvereinbarkeit zu bemerken, kombiniert ist. Doch diese latente Spannung beherrscht die Entwicklung des ganzen Essays. Baudelaire bewahrt durchweg den Glauben an die Verf�hrungskraft der Gegenwart; jegliches
Zeitbewu�tsein ist f�r ihn so eng an den gegenw�rtigen Augenblick gebunden, da� sogar das Ged�chtnis sich seiner Natur nach eher auf die Gegenwart verwenden soll als auf die Vergangenheit: "Fluch �ber den, der an der alten Zeit etwas anderes in Erfahrung bringen will als die reine Kunst, die Logik, die allgemeine Methode! Denn taucht er allzu tief in sie hinein, so verliert er das Ged�chtnis der Gegenwart; er verwirft den Wert und die Privilegien, welche durch die Umst�nde bereitgestellt werden; denn nahezu unsere gesamte Originalit�t leitet sich von dem Stempel ab, den die Zeit unseren Empfindungen aufpr�gt. 4 ("Malheur a celui qui �tudie dans l'antique autre chose que l'art pur, la logique, la m�thode g�n�rale! Pour s 'y trop plonger, il perd la m�moire du pr�sent il abdique la valeur et les privileges fournis par les circonstances; car presque touk notre originalit� vient de le stampille que le temps imprime nos sensations. ") Dieselbe Ambivalenz gegen�ber der Zeit bewegt Baudelaire dazu, jede Evozierung der Gegenwart mit Begriffen wie "Vorstellung' ("representation"), "Ged�chtnis" oder "Zeit" zusammenzuschlie�en, denen allen gemeinsam ist, da� sie innerhalb des Augenscheins einer Einzigkeit des Augenblicks Perspektiven von Distanz und Differenz offenlegen. Und doch ist auch diese Moderne, wie die von Nietzsche, ein Vergessen oder eine Unterdr�ckung der zeitlichen Vorg�ngigkeit. (" Yet his modernity too, like Nietzsche 's, is a forgetting or a suppression of anteriority. ") Da, wo man allzu sehr begehrt, sich zu erinnern und in die Vergangenheit hinabzutauchen, verliert man alsdann die Gegenwart, scheint Baudelaire zu sagen, der folglich zugleich das Ged�chtnis und die Gegenwart bewahren will, dieses Ged�chtnis der Gegenwart, welches die Gegenwart in seine Gegenw�rtigkeit zur�ckruft, das hei�t in seine Differenz: in die Differenz, welche die Gegenwart zu einer einzigen macht, indem sie sie von
der anderen Gegenwart unterscheidet, und in diese ganz andere Differenz, die eine Gegenwart auf die Gegenw�rtigkeit selbst bezieht. Ein Ged�chtnis allein kann diesen differentiellen �Stempel� erkennen - diese Markierung oder diese Signatur, dieses Zeugnis oder dieses Patent -, "den die Zeit unseren Empfindungen aufpr�gt�. Die Zeit ist nichts anderes - und auch das Ged�chtnis nicht - als die Figur dieser Markierungen. Und dieses �Ged�chtnis der Gegenwart� markiert nur sich selbst, und diese Markierung erfolgt allein, indem die "zeitliche Vorg�ngigkeit" der Vergangenheit ausgestrichen wird. Ged�chtnis, "und doch" �ein Vergessen oder eine Unterdr�ckung der zeitlichen Vorg�ngigkeit�. Der mit �und doch� ("yet ") beginnende Satz betrifft zweifellos eine "Moderne�, und zwar die von Baudelaire beziehungsweise von Nietzsche, aber er beschreibt zur gleichen Zeit eine Figur, deren Notwendigkeit sich den allermeisten der de Manschen Lekt�ren als ihr Gesetz, und das hei�t auch: als ihre Kraft, auferlegt hat. Ich werde aus Prinzip niemals behaupten, da� das f�r alle seine Lekt�ren gilt: noch weniger als jemals zuvor werde ich mich im Verlauf dieser bescheidenen drei Vorlesungen der Gefahr der �Totalisierung� aussetzen im Hinblick auf ein Werk, das diese Gefahr so oft festgestellt, analysiert, denunziert - und vermieden haben wird. Trotz des (zeitlichen) Intervalls, das diese zwei Texte voneinander trennt, ist es jetzt m�glich, diese letzte Formel, das Ged�chtnis als �Vergessen� oder �Unterdr�ckung der zeitlichen Vorg�ngigkeit� mit jener anderen Formel zusammenzubringen, auf die wir vorhin im Aufsatz �ber Hegel gesto�en waren: �das Ged�chtnis streicht die Erinnerung aus�. Wir werden darauf alsbald zur�ckkommen, im Anschlu� an einen Umweg, den ich einschlage, um noch mehrere andere Motive zu erkunden. Das erste dieser Motive, das sich, auch wenn es
nicht allzu sehr ins Auge f�llt, nach meinem Daf�rhalten durch die verschiedensten Bewegungen der de Manschen Interpretation durchzuziehen scheint, w�re das der Beschleunigung, der absoluten �berst�rzung. Diese Worte bezeichnen nicht den partikularen Charakter eines Rhythmus, die vergleichbare Ma�einheit einer Geschwindigkeit, sondern eine Bewegung, die durch eine unendliche Beschleunigung Zeit zu gewinnen, �ber die Zeit zu gewinnen, sie zu verneinen versucht, k�nnte man allerdings in nichtdialektischer Weise - sagen, denn das w�rde hei�en, da� man der Gestalt des Augenblicks die absolute Diskontinuit�t dieses Rhythmus ohne Rhythmus �berantwortet h�tte: unerme�liche Beschleunigung, also unendlich und nichtig zugleich. Sie r�hrt ans Erhabene. Man k�nnte noch eine Vielzahl von Beispielen bringen. Ich begn�ge mich mit dem Zitieren einer Passage, im selben Aufsatz, bei der es sich um eine Beschreibung des Monsieur Guys von Baudelaire durch Paul de Man zu handeln scheint. Wie kann man aus dieser Passage, in der Paul de Man von Baudelaire sagt, da� er von Constantin Guys sagt, was er in Wahrheit von sich selbst, in seinem Namen und f�r sich selbst sagt, nicht dieses herauslesen, was Paul de Man die beiden anderen von sich selbst, f�r sich selbst, in seinem Namen sagen l��t oder sagen macht, und zwar durch den Effekt einer bestimmten Ironie der Signatur? Ironie oder Allegorie des Stempels? Wir werden dar�ber noch sprechen. F�r den Augenblick, und das ist das zweite Motiv, das ich an dieser Passage hervorheben m�chte, vermag diese Geschichte der allegorischen Signatur nicht ohne ein �Lazarus, erhebe dich�, nicht ohne eine Wiedererweckung und vor allem nicht ohne eine
"Phantom�Geschichte zu klappen: Der best�ndig aufgeschobene formale Abschlu� tritt so leicht und so pl�tzlich ein, da� er in seiner eigenen �berst�rzten Augenblicklichkeit seine Abh�ngigkeit von vergangenen Momenten verbirgt (Hervorhebung von mir - J. D.). Der ganze Vorgang versucht, der Zeit davonzu laufen und eine Leichtigkeit zu erreichen, in der die latente Opposition zwischen Handlung und Form transzendiert w�re. "An M(onsieur) G(uys) Verhalten lassen sich zwei Grundz�ge beobachten; an erster Stelle die Behauptung einer im h�chsten Ma�e suggestiven und wiedererweckenden Kraft des Ged�chtnisses, eines Ged�chtnisses, das alle Dinge mit "Lazarus, erhebe dich! " anspricht; auf der anderen die feurige, berauschende Kraft eines beinahe dem Wahnsinn gleichkommenden Federund Pinselstrichs. Er scheint von der Angst getrieben, nicht schnell genug voranzukommen und das Phantom entkommen zu lassen, bevor aus ihm die Synthesis extrahiert und aufgezeichnet worden ist... ... Man mag das f�r eine Inszenierung halten, wenn man will, aber es ist eine perfekte Inszenierung. " Da� Baudelaire auf diese Synthesis als auf ein "Phantom" Bezug nehmen mu�, ist ein weiteres Beispiel f�r die Kraft, die ihn dazu zwingt, jede Behauptung durch einen Gebrauch der Sprache zu ver doppeln, der daf�r geeignet ist, diese Behauptung sogleich in Frage zu stellen. Der Constantin Guys seines Artikels ist selbst ein Phan tom, das eine gewisse �hnlichkeit mit dem wirklichen Maler zeigt, das sich jedoch darin von ihm unterscheidet, da� es die f fiktive Vollendung dessen ist, was im "realen" Menschen nur potentiell existiert hat. Selbst wenn wir diesen Charakter in diesem Artikel als einen f�r die Ausformu lierung der Zukunftsvision von Baudelaires eigenem Werk ben�tigten
Vermittler ansehen, k�nnen wir dennoch in dieser Vision Zeuge einer vergleichbaren Entleiblichung und Reduktion von Bedeutung wer den. (Hervorhebung von mir - J. D.) Ich erinnere daran, da� das Zitat von Baudelaire und seines Diskurses �ber das Phantom einem Text entnommen ist, der den Titel tr�gt: L 'art mnemonique. Ganz am Anfang von Le peintre de la vie moderne, der Sammlung, zu der L 'art mnemonique geh�rt, wird das Phantom seinen ersten Auftritt gehabt haben, und darin besteht genau die Provokation der Vergangenheit: "Die Vergangenheit wird, indem sie das Reizvolle des Phantoms ganz und gar bewahrt, das Licht und die Bewegung des Lebens aufs Neue ergreifen und sich vergegenw�rtigen (se fera present). � Ein Phantom vergeht immer sehr schnell, vergeht mit der unendlichen Geschwindigkeit einer fl�chtigen Erscheinung, in einem Augenblick ohne Dauer, in der gegenwartslosen Gegenw�rtigkeit eines Gegenw�rtigen, das nichts anderes macht als wiederzukommen. Der Revenant, der nach dem Tode Lebende (le survivant), tritt vermittels der Figur oder der Fiktion in Erscheinung; aber sein Erscheinen ist nicht nichts, ist nicht nur Schein. Und die "Synthesis als ein Phantom� erlaubt es, in der Figur des Phantoms das Werk der transzendentalen Einbildungskraft (so wie sie von Kant und Heidegger ausgewiesen wird) zu erkennen, deren Schemata der Verzeitlichung und deren Verm�gen der �Synthese� eben die einer produktiven Einbildung und dem Wort von Kant zufolge - einer "verborgene(n) Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele" sind. Es gibt die Kunst des Ged�chtnisses und es gibt das
Ged�chtnis der Kunst. Die Kunst ist eine Sache der Vergangenheit - an diesen provozierenden Satz Hegels m�chte ich Sie erinnern. Paul de Man schl�gt eine gleichfalls provozierende Lesart dieses Satzes in seinem Essay �ber Sign and Symbol in Hegels Aesthetics vor. Wir werden im Anschlu� an diesen Umweg darauf zur�ckkommen - doch in Wirklichkeit ist die auslegende Auseinandersetzung mit der Hegelschen Dialektik gar nicht erst unterbrochen worden. Das Thema der produktiven Einbildung und der Kunstfertigkeiten des �produktiven Ged�chtnisses� ist im �brigen, allen Differenzen zum Trotz, ein Kant und Hegel gemeinsames. Es handelt sich dabei an sich um eine Kunst und um den Ursprung der K�nste, um die produktive Quelle der Symbole und der Zeichen. Seitdem er den (nicht dialektischen) Bruch zwischen Ged�chtnis* und Erinnerung* akzentuiert, bietet Paul de Man eine Neuinterpretation des ber�hmten Satzes �Die Kunst ist eine Sache der Vergangenheit� an. Auf den drei letzten Seiten seines Essays taucht zum ersten Mal eine Verschiebung auf, die mir f�r einen bestimmten Stil �dekonstruktiver� Lekt�re charakteristisch zu sein scheint. Ein zweites Mal ganz am Ende des Textes findet sich eine analoge Operation, dieses Mal das Sujet der Allegorie betreffend. Dazwischen bietet Proust die Vermittlung seines Phantoms und das Beispiel seines Symbols an. Wir n�hern uns damit langsam, vorsichtig und behutsam einer Frage an, die es mit der sogenannten �Dekonstruktion in Amerika� zu tun hat. Man wird ohnehin nicht alles daran verstehen k�nnen, doch mit Sicherheit wird man nichts davon
verstehen, wenn man nicht den Versuch unternimmt zu entziffern, auf welche Weise sie vom de Manschen Idiom signiert und ihr die Einzigartigkeit seines Stempels aufgepr�gt worden ist. Wenn die Kunst eine Sache der Vergangenheit ist, so ist das die Folge der Anbindung vermittels Schrift, Zeichen, techne an jenes denkende Ged�chtnis, an jenes ged�chtnislose Ged�chtnis, an dieses Verm�gen eines Ged�chtnisses* ohne Erinnerung*, jenes Verm�gen, von dem wir jetzt wissen, da� es durch eine Vergangenheit voreingenommen ist, die niemals gegenw�rtig gewesen ist und die sich niemals in der Innerlichkeit eines Bewu�tseins wiederbeleben lassen wird. Wir befinden uns hiermit in gr��ter N�he zu einem denkenden Ged�chtnis*, dessen Bewegung eine wesentliche Zusicherung, eine Art von Verpflichtung jenseits von aller Negativit�t, das hei�t auch: jenseits der von Trauer getragenen Innerlichkeit, der �ber das Symbol erfolgenden Verinnerlichung (Erinnerung*), in sich tr�gt: das Ged�chtnis eines getreuen Denkens, die erneute Zusicherung der eingegangenen Verpflichtung, aber ein Ged�chtnis, das seine Trauer �ber die Dialektik, die nichts anderes ist als die Trauer selbst, abgeschlossen hat. Infolgedessen ein Ged�chtnis ohne Trauer, und die Treue einer Zusicherung, die man nur im Hinblick auf die symbolische Aneignung und die innerliche Erinnerung als eine �amnesische� bezeichnen k�nnte. Man mu� beide Quellen gleichzeitig denken: Mnemosyne, Lethe. Von mir aus k�nnen Sie das auch so �bersetzen: man mu� die Differenz von Lethe zu Mnemosyne, diese Differenz, der Sie folglich auch den Namen aletheia geben k�nnen, im
Ged�chtnis bewahren. Gestern habe ich mir die Frage gestellt: Wo kann ich diese Art zusichernden Denkens, das ich immer schon versp�rt habe, auch noch in den am st�rksten "kritischen� und �ironischen� Z�gen des Werks von Paul de Man, suchen und wie kann ich seinen Ort feststellen? Hiermit sind wir im Umfeld dieses Denkens angelangt: Ist die von gr��tm�glicher Zusicherung getragene Treue und ihr in gr��ter Sorgfalt vorgenommener Ged�chtnisakt nicht einer absoluten Vergangenheit gegen�ber verpflichtet, die auf keine Form der Pr�senz zur�ckgef�hrt werden kann, und die darin besteht, ein Toter zu sein, der niemals wieder selbst zur�ckkehren wird, der niemals wieder da sein wird, gegenw�rtig, um auf dieses Vertrauen zu antworten oder es zu teilen? Einige werden alsbald daraus den Schlu� ziehen, da� also Narzi� derjenige ist, der zur�ckkommt, zur�ckkommt zu sich selbst, in einer �konomie der Verinnerlichung, der Trauer und der Dialektik, in Treue zu sich. Ja doch, das ist wahr, aber was hat es mit dieser Wahrheit auf sich, wenn das sich selbst diesen seinen Selbstbezug nur ausgehend vom anderen hat, ausgehend von diesem (f�r die Zukunft, als Spur der Zukunft) dem anderen als absoluter Vergangenheit gegebenem Versprechen, ausgehend von dieser absoluten Vergangenheit, und dank des anderen, dessen �ber-leben, das hei�t: dessen Sterblich-Sein immer schon das �wir� einer gemeinsamen Gegenwart �berschritten haben wird? Im gegenw�rtigen Augenblick, in der �lebendigen Gegenwart�, in der zwei Freunde sich zusammenfinden - und das genau ist Freundschaft -, schreibt sich diese unglaubliche Szene des Ged�chtnisses in der Zeit einer absoluten
Vergangenheit, schreibt sie den besonders schweren und doch besonders leichten Wahn einer amnesischen Treue, einer verge�lichen Hypermnesie vor. Welche von den zwei Quellen mit Namen Mnemosyne oder Lethe eignet sich besser f�r Narzi�? Die andere. Die Kunst ist eine Sache der Vergangenheit, weil ihr Ged�chtnis ohne Ged�chtnis ist; man kann sie nicht wiederfinden, diese Vergangenheit, und das vom InErscheinung-Treten des Werkes an, weil die Erinnerung* an diese Vergangenheit verweigert wird. Die ganze Beweisf�hrung des Essays l�uft auf diese Schlu�folgerung hinaus: Es gibt keinen dialektischen �bergang vom Zeichen zum Symbol. Die Kunst ist wie das Denken oder das denkende Ged�chtnis an das Zeichen und nicht an das Symbol gebunden, es hat also nur mit der absoluten Vergangenheit zu tun, das hei�t: mit dem Unvordenklichen (l'immemorial) oder dem Unandenkbaren (l'immemorable), mit einem Archiv, das kein verinnerlichendes Ged�chtnis jemals wird in sich hineinnehmen k�nnen: In dem Ma�e, in dem eher Denken als Wahrnehmung, eher Zeichen als Symbol, eher Schreiben als Malerei oder Musik f�r Kunst zum Paradigma wird, wird sie auch mehr mit der Einpr�gung ins Ged�chtnis (memorization) zu tun haben als mit Erinnerung (recollection). Als solche geh�rt sie in der Tat zu einer Vergangenheit, die - in Prousts Worten - niemals wieder eingefangen, niemals wiedergefunden (retrouv�) werden kann. Kunst ist in einem radikalen Sinn "der Vergangenheit angeh�rig�, insofern sie wie das InsGed�chtnis-Einpr�gen die Verinnerlichung von Erfahrung f�r immer hinter sich l��t. Und auch der folgende Satz spielt nochmals auf diese Materialit�t an,
von der ich gerade eben sprach, und unterstreicht, da� es sich weder um eine �metaphysische� noch eine �dialektisierbare� Materialit�t handelt. � Sie geh�rt in dem Ma�e der Vergangenheit an, indem sie ihren idealen Inhalt material einschreibt und dann auf immer vergi�t. " Selbstverst�ndlich - und ich werde mich auch nicht lange damit aufhalten - ist diese Auslegung des Hegelschen Buchstabens und seiner materialen Einschreibung zu Recht eine denkende Auslegung und folglich eine gewagte Auslegung. Es l��t sich sehr schnell ausmachen, welche Art von Lekt�re oder Theorie der Lekt�re Hegels den Ansto� geben k�nnte, um dem eine andere Perspektive entgegenzusetzen. Das ist getan worden (Raymond Geuss, A response to Paul de Man), und das k�nnte auch noch auf andere Weise geschehen. Doch f�r mich z�hlt an dieser Stelle nur, was in Verschiebung ger�t durch diese denkende Auslegung in der klassischen Axiomatik der Philologie, in der normativen Theorie der Lekt�re (insbesondere der Lekt�re Hegels), wie sie sowohl von den philosophischen Institutionen als auch von den sich mit Literatur befassenden Institutionen, aber auch von den akademischen Diskussionen, in denen sie bisweilen gegeneinander ausgespielt werden, vorausgesetzt werden. Paul de Man demonstriert das in seiner Reply to Raymond Geuss, und ich m�chte Sie auf diese wenigen Seiten verweisen. Sie sagen uns mehr �ber die Institutionen und die Strategien der Lekt�re, �ber ihre Implikationen und ihre politischen Auswirkungen, �ber ihre Schlaffheit und ihre Amnesie, als alle and�chtigen Rezitationen oder revolution�ren Bravourst�cke, die sich doch nur um sich selbst drehen. Ich lege Ihnen nur eini ge Zeilen aus dieser Antwort
vor, um uns n�her an die Frage einer Strategie der �Dekonstruktion� heranzubringen: Eine Lekt�re wie die von mir vorgeschlagene legt nahe, da� sogar in einem so meisterlichen und dichten Text wie den Vorlesungen �ber die �sthetik Schwierigkeiten und Diskontinuit�ten (und nicht �Schwankungen�, was der Ausdruck von Geuss ist und nicht der meinige) �brig bleiben. Derartige Schwierigkeiten haben in der Geschichte der verstehenden Auslegung Hegels ihre Markierungen hinterlassen beziehungsweise haben diese Geschichte sogar gestaltet - bis in die Gegenwart hinein. Sie k�nnen mit dem explizit von Hegel selbst errichteten kanonischen System namens Dialektik nicht aufgel�st werden. Weshalb man zu allen Zeiten diese Schwierigkeiten als Einstiegspunkt f�r eine kritische �berpr�fung der Dialektik als solche benutzt hat. Um dar�ber begr�ndete Aussagen machen zu k�nnen, ist es unerl��lich, da� man nicht nur auf das h�rt, was Hegel offen, offiziell, w�rtlich und der Vorschrift gem�� behauptet, sondern auch auf das, was indirekt, figural und implizit (obgleich nicht weniger nachdr�cklich) in weniger auff�lligen Teilen des Werks gesagt wird. Ein solcher Lekt�reweg ist keineswegs willk�rlich; er hat seine eigenen Bindungen (constraints), die vielleicht noch anspruchsvoller sind als die der Kanonisierung. Eine solche Strategie wird also dazu gef�hrt haben, in Hegels Vorlesungen �ber die �sthetik den fremdartigen Korpus eines Textes zu erkennen und zu behandeln, dessen Einheit oder Homogenit�t nicht durch die beruhigende Eindeutigkeit eines Meinens sichergestellt ist: ein "doppelter und m�glicherweise auch doppelz�ngiger Text� ("double and possibly duplicitous text")"), der "die Bewahrung und Monumentalisierung der klassischen Kunst� meint und dem es unterl�uft, � alle die Elemente� zu
beschreiben, �die eine derartige Bewahrung von Beginn an unm�glich machen�. Diese Geste f�hrt eine andere ein. Zwischen beiden und um von der einen zur anderen �berzugehen - steht ein Zitat von Proust, das den nicht-symbolischen Charakter der Symbolvorstellung behauptet, �denn der symbolisierte Gedanke wird nicht ausgedr�ckt, sondern als wirklich, als wahrhaftig erlebt oder material gehandhabt vorgestellt� (immer noch aus denselben Gr�nden hebe ich in Prousts Satz das Wort �material� hervor - J. D.). Dieser Satz geh�rt zu einer Passage von Du C�t� de chez Swann, 22 die anl��lich der Fresken von Giotto �ber die Allegorie spricht. Nun, noch einmal: Was ist das, die Allegorie? Hegel handelt sie in den Passagen ab, in denen es um die Kunstformen geht, die weder sch�n noch �sthetisch sein sollen. Kein Wunder, da� genau in diesen Passagen �die Theorie des Zeichens sich selbst material darstellt� (wiederum Hervorhebung von mir J. D.). Die Allegorie ist h��lich (�kahl�); sie geh�rt zu den sp�ten Gattungen des Symbols, zu jenem Selbstbewu�tsein des Symbolischen, das f�r die � untergeordneten Gattungen�* charakteristisch ist. Doch k�nnte gerade die geknechtete Niedrigkeit, die mechanische Instrumentalit�t des Knechts der Platz des Herren werden oder gewesen sein: ebenso wie im Hinblick auf den Begriff der Allegorie im Text von Hegel so auch in der potentiellen Konstitution der allegorischen Struktur oder Funktion eben des Textes von Hegel. In der folgenden Passage hebe ich die "just as" hervor, nach denen alle Momente der Analogie artikuliert werden: Bevor wir es zulassen, da� Hegels Verwerfung (der Allegorie - J. D. ) das Problem vorwirft, sollte man sich dessen erinnern (Ich hebe die Ironie
hervor - J. D.), da� sich in einem wirklich dialektischen System wie dem hier von Hegel (die Dialektik wird also in ihre eigene Wahrheit zur�ckgerufen, um dann ins Au�erhalb ihrer selbst gestellt zu werden J. D.) das, was niedrig und untergeordnet* zu sein scheint, durchaus als Herr herausstellen kann. Im Vergleich mit der Tiefe und der Sch�nheit der Erinnerung erscheint das Ged�chtnis als blo�es Werkzeug, als blo�er Knecht des Geistes, ebenso wie (just as) das Zeichen als bla� und mechanisch erscheint im Vergleich zur �sthetischen Aura des Symbols, oder ebenso wie (just as) Prosa als eine St�ckwerkarbeit erscheint in unmittelbarer N�he zur edlen Kunst der Poesie, ebenso wie (just as) - so k�nnten wir hinzuf�gen - es sich bei den au�er Acht gelassenen Ecken im Hegelschen System der Vorschriften vielleicht in st�rkerem Ma�e um meisterliche Artikulationen handelt als bei den allzu leicht durchschaubaren synthetischen Urteilen, die als die Gemeinpl�tze der Geschichte des 19. Jahrhunderts erinnert (Hervorhebung von mir - J. D.) werden. Der so konventionell und entt�uschend erscheinende Abschnitt �ber Allegorie kann durchaus als ein treffliches Beispiel dienen. (Ich habe die �au�er Acht gelassenen Ecken� hervorgehoben und zweimal das Verb �erinnern�; man soll sich erinnern ("one should remember") an eine Sache, an die wahre Dialektik, um sie dem entgegenzusetzen, woran man sich faktisch erinnert, dem, was erinnert wird (being remembered), dem konventionellen Hegelianismus, vielleicht der Dialektik selbst: man mu� sich der vergessenen Dialektik erinnern gegen die Dialektik, die in den Ged�chtnissen, in den Aufzeichnungen (memoires) aller ist, vor allem in dem Ged�chtnis einer Tradition, in der ein latenter Hegelianismus die Auslegung der englischen Romantik beherrscht. Das ist ein lateraler, aber wichtiger Zielpunkt von Paul de Man's Essay. 24 Man spielt
immer ein Ged�chtnis gegen ein anderes aus, aber hier scheint Paul de Man durch ein supplement�res Paradoxon oder einen supplement�ren Chiasmus ein Supplement der Dialektik gegen eine nicht-wahre Dialektik auszuspielen; er scheint zu spielen, um uns das ins Ged�chtnis zu rufen, was man sich ins Ged�chtnis rufen mu�, was man ins Erwachen, ins Leben und ins gute Ged�chtnis rufen mu� gegen das schlechte, schlummernde Ged�chtnis, gegen den dogmatischen Schlummer einer Tradition. Man k�nnte hier an das unerbittliche Gesetz denken, das immer wieder ein gutes (lebendiges) Ged�chtnis einem schlechten (mechanischen, technischen, auf der Seite des Todes stehenden) Ged�chtnis, Platos Anamnesis oder Mneme der Hypomneme, das gute dem schlechten Pharmakon gegen�berstellt. Doch einerseits spielt Paul de Man offensichtlich ein Spiel, wenn er nach der �wahren� Dialektik ruft, und andererseits ist es an dieser Stelle infolge einer Verkehrung, die zwangsl�ufig genau zu einer Verschiebung der Struktur f�hrt, nicht das gute-lebendige-Ged�chtnis, dessen man sich erinnern soll, sondern im Gegenteil die wesentliche Zusammengeh�rigkeit des Denkens mit dem, was die Tradition als das � schlechte Ged�chtnis�, als Mnemotechnik, Schrift, abstraktes Zeichen - und, in derselben Kette, als Figur der Allegorie - definiert. An die Macht des Vergessens erinnert uns also dieses "one should remember", an das, was die bis jetzt vorherrschende Auslegung Vergessen hei�t, weil f�r sie das wahre Ged�chtnis das der Erinnerung* in der sogenannten lebendigen Innerlichkeit der Seele ist. Wir sind hiermit aufgerufen, uns ins Ged�chtnis zur�ckzurufen, was zu denken aufgegeben ist: das Denken ist nicht die von Trauer getragene Verinnerlichung; es denkt an der Grenze, es denkt die
Grenze der Innerlichkeit. Und das hei�t auch: die Kunst des Ged�chtnisses zu denken genau wie das Ged�chtnis der Kunst. Noch ein Schritt, bevor ich diese Parenthese schlie�e: diese beiden Ged�chtnisse sind zweifellos nicht einander entgegengesetzt, sie sind nicht zwei; und wenn ihre Einheit, ihre Kontamination oder ihre �bertragbarkeit (contagion) keine dialektische ist, so m��te man sich vielleicht noch an ein bereits ��lteres� Ged�chtnis, eines bereits ��lteren� Ged�chtnisses als Ged�chtnis* und Erinnerung* erinnern. An welches Gesetz und an welches Ged�chtnis des Gesetzes, an welches Gesetz des Ged�chtnisses k�nnte uns dieses �man m��te� erinnern?) In ganz klassischer Manier weist Hegel der Allegorie eine demonstrative und p�dagogische Zweckhaftigkeit zu. Sie mu� klar sein, und die �Personifizierung� sollte �ber eine entsprechende Darstellungskraft verf�gen. Aber das Subjekt, das �Ich� der Allegorie mu� abstrakt, allgemein, quasi �grammatisch� bleiben. Und doch sollen die Z�ge der zur Allegorie verwandten Abstraktion (stellen Sie sich die Wahrheit oder das Ged�chtnis, die Tugend oder das Laster, das Leben oder den Tod, das Ged�chtnis oder das Vergessen, bildhaft vor) �erkennbar�* sein, sagt Hegel, und also auch noch �ber die abstrakte Grammatikalit�t des �Ich� hinaus. Man st��t hier erneut auf die Lekt�re des �Was ich nur meine, ist mein" und die Selbst Ausstreichung des Ich, das sich �genau wie� �das Ged�chtnis die Erinnerung ausstreicht� selbst ausl�scht: Die Allegorie erz�hlt also - in Hegels eigenen Worten "die Trennung von Subjekt und Pr�dikat�*. Diese Trennung mu�
vollzogen werden, damit die Rede eine Bedeutung hat, und doch ist sie mit der notwendigen Allgemeinheit jeglicher Bedeutung unvereinbar. Die Allegorie fungiert - kategorial und logisch - als der br�chige Eckstein des ganzen Systems. (Hervorhebung von mir - J. D.) Wir haben da eine Figur vor uns, die f�r bestimmte Leute eine Versuchung darstellen k�nnte, in ihr die vorherrschende Metaphorik, ja sogar die Allegorizit�t der �Dekonstruktion�, eine bestimmte architektonische Rhetorik zu erkennen. Man legt es in einer Architektonik wie in der Kunst des Systems zuerst auf die �au�er Acht gelassenen Ekken� und den "br�chigen Eckstein� an, auf den Stein, der von Anfang an den Zusammenhang und die innere Ordnung des Bauwerks bedroht. Aber er ist doch ein Eckstein! Und er wird f�r die Architektur ben�tigt, die er indessen von vorn herein von innen her dekonstruiert. Er sichert den Zusammenhalt, indem er in zugleich sichtbarer und unsichtbarer Weise - in einer Ecke von Anfang an den f�r eine zuk�nftige Dekonstruktion geeigneten Ort festlegt; und der beste Ort, der effizienteste Ort, um einen dekonstruktiven Hebel anzusetzen, ist eben ein Eckstein! Es mag andere analoge Orte geben, aber dieser hier erh�lt sein Privileg aufgrund der Tatsache, da� er f�r die Gesamtheit des Bauwerks nicht wegzudenken ist. Insofern er die Bedingung f�r die Aufrichtung (erection) eines Geb�udes und f�r die Aufrechterhaltung seiner Mauern ist, kann man auch sagen, da� er die Allgemeinheit des architektonischen Systems, �des ganzen Systems� ("of the entire system "), aufrechterh�lt, enth�lt und ihr gleich gilt. Die �dekonstruktiven� Z�ge Paul de Mans
gehorchen nicht alle dieser �Architektur�Logik oder Rhetorik. Und ich glaube nicht, aber dazu werde ich mich an anderer Stelle erkl�ren, da� die Dekonstruktion - falls es sie jemals gibt, und zwar im Singular - durch den Verweis, den das Wort in Richtung Architektonik zu geben scheint, gebunden ist. Sie wendet sich vielmehr gegen die systemische, das hei�t architektonische, konstruktionistische Bestimmung von Versammlung. Bevor ich auf diese befremdliche �quivalenz zwischen Teil und Ganzem, zwischen dem Eckstein und der Allgemeinheit des Systems wieder eingehe, w�re es an sich meine Pflicht, an dieser Stelle - durch Hinterlassen eines Verzahnungssteins an seiner Statt den Ort eines Problems zu markieren, das wir sp�ter versuchen werden, besser herauszuarbeiten. Wir haben soeben eine Verifizierung erbracht daf�r, da� sogar die Bedingung einer Dekonstruktion �am Werk�, �im Werk� sein kann (vorausgesetzt, man kann das so sagen) im zu dekonstruierenden System, da� sie darin bereits vorgefunden werden kann und bereits an der Arbeit ist, nicht in dem Zentrum, sondern in einem exzentrischen Zentrum, an einer Ecke, deren Ekzentrizit�t die solide Konzentration des Systems absichert, und da� sie sogar einen Anteil hat an der Konstruktion dessen, was sie gleichzeitig zu dekonstruieren droht. Von daher k�nnte man sich zu folgender Schlu�folgerung verf�hren lassen: die Dekonstruktion ist keine nachtr�glich von au�en her eines sch�nen Tages sich ereignende Operation, sie ist immer schon am Werk im Werk; es reicht aus, da� man das gute St�ck vom schlechten St�ck, den guten Stein vom schlechten Stein unterscheiden kann, zu unterscheiden wei�, wobei sich gerade das, was gut ist, immer als das schlechte herausstellt. Wenn die
auseinandersetzende Kraft der Dekonstruktion sich immer schon in der Architektur des Werkes verortet findet, so k�me es angesichts dieses immer schon insgesamt gesehen nur noch darauf an, das Ged�chtnis ins Werk zu setzen, um dekonstruieren zu k�nnen. Da ich weder glaube, da� ich eine in diesen Begriffen formulierte Schlu�folgerung akzeptieren, noch, da� ich sie zur�ckweisen kann, Lassen wir diese Frage einstweilen in der Schwebe. Wenn die Allegorie �der br�chige Eckstein des ganzen Systems� ist, so stellt sie auch die Figur des Ecksteins mit dem gr��ten Wirkungsfeld dar. Als Eckstein st�tzt sie das System ab, welchen Ersch�tterungen es auch ausgesetzt sein mag, und versammelt alle Kr�fte, alle Spannungen quasi in einem einzigen Punkt. Sie leistet das nicht von einem zentralen Punkt aus der H�he, von einem Scheitelstein aus, sondern sie schafft das gleichfalls lateral aus ihrer Ecke heraus. Sie repr�sentiert das Ganze in einem Punkt und in jedem Augenblick, sie konzentriert es, wenn man es so sagen kann, in einer Peripherie, sie konfiguriert es und setzt sich an seine Stelle. Genau wie im vorliegenden Fall der Eckstein der Begriff der Allegorie ist, kann man legitimerweise daraus den Schlu� ziehen, da� die Allegorie, dieses Teilst�ck der �sthetik, den rhetorischen Wert einer Metonymie (der Teil f�rs Ganze) oder einer Synekdoche hat. Und genau wie der Begriff der Allegorie (als Metonymie) etwas anderes (be)sagt als das, was er - per Figur vom System sagt, konstituiert er eine Art allegorischer Trope - in der allgemeinsten Bedeutung des Ausdrucks. Wenn die Allegorie eine Allegorie ist (eine Bedingung, die - nebenher gesagt - per Definition niemals sichergestellt werden kann), wenn der
bestimmte Begriff der Allegorie eine Allegorie des Hegelschen Systems ist, dann wird der gesamte Funktionszusammenhang des Systems allegorisch. Wollte man die Dinge radikalisieren und beschleunigen, so k�nnte man sagen, da� die ganze Hegelsche Dialektik eine gewaltige Allegorie sei. Paul de Man sagt das nicht in dieser Form, aber er sieht den Hegelianismus als eine bestimmte Allegorie an, und zwar nicht, wie man es oft annimmt, als die Allegorie des Verm�gens der Synthese und der Vers�hnung, sondern als die Allegorie der Disjunktion, der Dissoziation, der Diskontinuit�t. Es ist das Verm�gen der Allegorie und desgleichen ihre ironische Kraft, in Wahrheit etwas anderes zu sagen, und zwar das Gegenteil von dem, was man durch sie hindurch sagen zu wollen scheint. Und genau wie die Allegorie - vor Hegel und seit Hegel - bis hin zum Begriff der Geschich te, der Philosophie der Geschichte und der Geschichte der Philosophie Konstruktionen m�glich gemacht hat, wird man einer solchen Sache wie der Geschichte (in diesem philosophischen Sinn des Wortes �Geschichte�) nurmehr Vertrauen entgegenbringen, um sich dieser Allegorizit�t zu vergewissern: der gel�ufige Begriff der Geschichte ist selbst deren Effekt, er tr�gt ihre Markierung und ihren Stempel. Fortan breitet sich die Trennung von Subjekt und Pr�dikat*, die in der allegorischen Struktur der Allegorie an der Arbeit ist, unbegrenzt aus - das ist die Schlu�folgerung von Paul de Man - und diese Diagnose ist keine ganz und gar historische, sie wird auch als eine Diagnose �ber einen bestimmten Begriff von Geschichte und �ber die Grenzen eines bestimmten Historizismus gegeben:
Wir m��ten daraus den Schlu� ziehen, da� Hegels Philosophie, die wie seine �sthetik genauso eine Philosophie der Geschichte (und der �asthetik) wie eine Geschichte der Philosophie (und der �sthetik) ist - und das Hegelsche Werk enth�lt in der Tat Texte, die diese zwei symmetrischen Titel tragen - tats�chlich (ich unterstreiche diesen Ausdruck, der das ganze Gewicht dieser De- oder Re-Konstruktion tr�gt J. D.) eine Allegorie f�r die Disjunktion zwischen Philosophie und Geschichte ist, oder, in Hinblick auf unser eingeschr�nkteres Bezugsfeld, zwischen Literatur und �sthetik, oder, in noch weiterer Verengung, zwischen literarischer Erfahrung und Literaturtheorie. Die Gr�nde f�r diese Disjunktion, die zu bedauern oder zu begr��en gleicherma�en nichts zur Sache beitr�gt, sind selbst keine historischen oder solche, die �ber den Weg der Geschichte erforscht werden k�nnen. In dem Ma�e, wie sie der Sprache inh�rent sind, in der Notwendigkeit, die auch eine Unm�glichkeit ist (Hervorhebung von mir -J. D.), das Subjekt mit seinen Pr�dikaten oder das Zeichen mit seinen symbolischen Bedeutungen zu verbinden, wird die Disjunktion sich immer wieder - wie sie es bei Hegel tut - selbst manifestieren, sobald Erfahrung in Denken, Geschichte in Theorie �bergeht. Es ist kein Wunder, da� die Literaturtheorie einen so schlechten Ruf hat, und das um so mehr, seitdem unser Denken nicht mehr die Hoffnung hegen kann, das Erscheinen des Denkens und der Theorie zu verhindern oder unter Kontrolle zu halten. Hegels vom defizientesten und effizientesten Eckstein aus aufs Neue gelesene Philosophie w�rde wider ihre Intention, in ihrem sich widersetzenden K�rper (a son corps defendant) eine Allegorie der Disjunktion sein. Sie w�rde es wider ihre Intention, in ihrem sich widersetzenden K�rper sein in einer Art wesentlicher Verneinung, dazu f�hig, der gesamten Dialektik, der �wahren" wie der anderen, eine bauchrednerische
Stimme zu leihen, aber sie w�rde es ganz und gar sein. Aber was kann die Bedeutung einer Allegorie der Disjunktion sein, wo doch die Struktur der Allegorie selbst als wesentliches Kennzeichen (trait) diese Distraktion (dis-traction) von sich aufweist, was nichts anderes ist als eine Disjunktion 30? Paul de Man hat seit The Rhetoric of Temporality unaufh�rlich auf der allegorische Disjunktion und auf der Geschichte ihrer Auslegung (Goethe, Schlegel, Coleridge) insistiert. Wenn die Allegorie disjunktiv ist, so wird eine Allegorie der Disjunktion immer eine auseinander-gesetzte (disjointe) Reflexivit�t, eine Allegorie der Allegorie sein, die sich niemals wieder nicht einmal in ihrer Spekularisierung - mit sich selbst verbinden oder an sich selbst anschlie�en k�nnte. Ihr Ged�chtnis wird sich das Versprechen, aber niemals die Chance zu seiner Erf�llung, zu dieser Versammlung*, in der ein Denken des Seins sich selbst vereinigen k�nnte, geben. Wir wollen diesen Faden weiter ins Labyrinth f�hren lassen, sein Gesetz wird uns sp�ter auf die Spuren unseres Gangs zur�ckf�hren, und wir werden von neuem die Spuren von H�lderlin und von Heidegger kreuzen. Das Labyrinth steht nicht nur in Nachbarschaft zu den beiden Quellen, zu Mnemosyne und Lethe, es hat auch die Form eines Weges, der uns von der einen zur anderen zur�ckbringt. Die disjunktive Struktur der Allegorie - als einer Allegorie der Allegorie - n�tigt uns zu einer Komplikation des gerade von mir umrissenen Schemas. Und dazu mu� ich auf den Unterschied zwischen einem Scheitelstein und einem Eckstein zur�ckkommen. Wenn der br�chige Eckstein der Allegorie einen bestimmten Bezug auf den Zusammenhalt des ganzen Systems ("the entire system", sagt de Man) hat,
wenn er dadurch die Allegorie eines selbst allegorischen Systems ist, kann er gleichwohl nicht Geltung f�r das Ganze beanspruchen Er hat seinen Ort nicht im Zentrum und im Scheitelpunkt einer Totalit�t, wodurch alle Kr�fte in einem Punkt verbunden w�ren: im Scheitelstein (cl� de voute), der in diesem Fall zum einzigen Schl�ssel f�r eine Entzifferung, zum Hauptsignifikat oder zum Hautsignifikanten f�r eine Lekt�re gemacht w�rde. Das ist der Grund, weshalb Paul de Man nicht behauptet, da� der "br�chige Eckstein des ganzen System" Geltung f�r das Ganze beansprucht. In The Rhetoric of Temporality liegt der Akzent nicht nur auf der narrativen Struktur der Allegorie, sondern vor allem auf ihrer disjunktiven Struktur. Aufgrund dessen l��t sich eine Allegorie niemals auf eine Metapher oder auf ein Symbol, nicht einmal auf eine Metonymie oder eine Synekdoche, die eine "Totalit�t� bezeichnen w�rden, �von der sie selbst ein Teil sind�, zur�ckf�hren. Ihr disjunktiver und detotalisierender Charakter ist ohne Zweifel die Erkl�rung f�r das Privileg, das de Man unaufh�rlich der Figur der Allegorie gew�hrt, wenn er sie stets in einen Gegensatz zur "symbolistischen� Tradition, ob es sich um die deutsche oder die englisch-amerikanische handelt, in den Bereichen der Philosophie, der Literatur oder der Literaturtheorie, insbesondere derjenigen, die sich in den Vereinigten Staaten um die Romantik herum ausgebildet hat, stellt. Man wird dieses Privileg nicht verstehen - und es hat mich aus eben diesem Grunde lange Zeit in Erstaunen versetzt -, wenn man nicht vertraut ist mit den internen Auseinandersetzungen der englisch-amerikanischen Literaturkritik zum Thema der Romantik. Das gewaltige St�ck Arbeit und der einzigartige Beitrag Paul de Mans bestehen ohne
Zweifel darin, da� es verstanden hat, auf eine angels�chsische Tradition eine deutsche Tradition aufzupfropfen und damit Unruhe zu stiften. Das Neue bestand dabei nicht in der Aufpfropfung an sich, sondern in den Einschnitten, die sie auf beiden Seiten vornahm. Auf beiden Seiten hatte die Notwendigkeit bestanden, den Schnitt, der die Allegorie von den anderen Figuren trennt, zu vollziehen und hervortreten zu lassen. Daraus l��t sich sein Interesse f�r Schlegel, Benjamin usw. erkl�ren, im Ge gensatz - diesen Punkt betreffend zu einer Tradition, die von Goethe bis Gadamer reicht, aber auch die jedenfalls zu diesem Thema mit Repr�sentanten des New Criticism wie beispielsweise Brooks und Wimsatt zumindest in dem Ma�e, in dem sie f�r die Allegorie zu pl�dieren vermochten - aufrechterhaltene Affinit�t. Wenn die Philosophie Hegels eine Allegorie der Disjunktion, eine Allegorie der Allegorie, repr�sentiert, so ist daraus notwendig die Schlu�folgerung zu ziehen, da� sie sich niemals selbst durch eine Auslegung totalisieren lassen wird und da� sie insbesondere nicht die anamnesische Totalisierung, die gro�artige Versammlung aller Figuren der abendl�ndischen Metaphysik, ihre Vollendung und ihre Grenze zur Darstellung bringt, wie man so oft zu denken geneigt ist, welche Schlu�folgerung man auch jeweils daraus zieht. Und wenn der Hegelsche Begriff der Allegorie �als der br�chige Eckstein des ganzen Systems� ("like the defective cornerstone of the entire system" - ein Ausdruck, an dem man eine bestimmte Ironie wahrnehmen mu�, genau wie vorhin bei dem "wirklich dialektischen System� - "truly dialectical system") etwas �ber das "Ganze� des Hegelschen Textes sagt, so ist das, was er sagt, indem er an seinem (begrenzten,
partialen, umschriebenen) Platz bleibt (der niemals das "Ganze" symbolisieren k�nnte), eben dieses: da� es kein "ganzes System "gibt; das Ganze totalisiert sich nicht; das System ist mit Hilfe eines br�chigen Ecksteins, trotz oder dank diesem das System Dekonstruierenden, konstruiert worden. Die wesentliche St�tzfunktion dieses lateral gesetzten Steins ist nicht die einer Fundierung wie bei einem Scheitelstein. Er ist und er sagt das andere, er ist eine Allegorie. Von daher bleibt die Allegorie trotz eines Privilegs, das man als eine Ungeheuerlichkeit beurteilen k�nnte, dennoch eine Figur unter anderen. Sicherlich k�nnte man ein Spiel mit Substitutionen spielen, mit dem man alle Wendungen der Rhetorik mobilisieren w�rde: die Allegorie w�rde als privilegierte Figur zur Allegorie aller anderen Figuren, sie w�rde den Platz der Metonymie oder der Synekdoche einnehmen und als Teil f�rs Ganze gelten, oder den der Metapher usw., so, da� genauso jede dieser Figuren ihrerseits den Platz der Allegorie einnehmen und jede Figur zur Metapher oder zur Metonymie aller anderen werden k�nnte - wobei die SelbstReflexion des Vorganges kein Ende n�hme. Doch gerade das Privileg der Allegorie ist f�r de Man - so scheint es mir - nur ein Quasi-Privileg, und die Allegorie ist nicht einfach nur das, was sie gleichwohl ist: eine Figur der Rhetorik. Genausowenig wie die Rhetorik eine einfache Rhetorik ist, zumindest, wenn man damit einen begrenzten Korpus bezeichnet, dessen Genealogie zuschreibbar und �abschlie�bar� w�re, und der einem beherrschbaren Tableau technischer M�glichkeiten Raum g�be. Und doch will Paul de Man wesentlicher Gr�nde wegen nicht l�nger diese partikularisierenden,
partialisierenden Grenzen ausstreichen oder untergehen lassen. Das zu tun, w�rde wiederum hei�en, da� man einer transzenden talen und homogenisierenden (metaphorisierenden, symbolisierenden) Totalisierung nachgibt. Doch wenn die Allegorie eine Figur bleibt, das hei�t eine Figur unter anderen, und zwar im selben Augenblick, in dem sie - die Grenze behauptend eine �berschreitung markiert, so hat das seinen Grund darin, da� sie auf eine andere Weise etwas �ber das andere sagt. Wenn man hier eine Opposition bilden k�nnte (was ich nicht glaube) oder zumindest eine Differenzierung (was noch etwas anderes w�re), so w�rde man vielleicht sagen, da� es zwischen dem Ged�chtnis des Seins und dem Ged�chtnis des anderen m�glicherweise die Disjunktion der Allegorie gibt. Aber wir wollen nicht vergessen, da� eine Disjunktion nicht allein trennt, ob es sich dabei nun um den Hegelschen Begriff der Allegorie handelt, um die Allegorie der Disjunktion, oder um die Allegorie als Disjunktion. Selbst wenn er br�chig ist, der Eckstein h�lt doch und h�lt Anschlu�; er sorgt daf�r, da� das, was er auseinanderlegt, zusammenh�lt. Wir werden �ber das Ged�chtnis des Seins und �ber das Ged�chtnis des anderen noch sprechen. Das, was diese Worte sagen, wird zweifellos nicht dieselbe Sache sein, aber vielleicht sprechen sie �ber dieselbe Sache. Da ich gerade auf Heidegger verweise - und wir werden morgen dar�ber sprechen -, m�chte ich nochmals diese eine Passage aus Heideggers Exegesis of H�lderlin ins Ged�chtnis rufen, in der Paul de Man einen Schnitt zieht und durch Hervorhebung das Schneidende seiner Geste noch �bersch�rft: �Es ist Tatsache, da� H�lderlin genau das Gegenteil des sen sagt, was Heidegger ihn sagen l��t�
("It is the fact tbot H�lderlin says exactly the opposite of what Heidegger makes him say"). Er f�hrt fort: Eine solche Behauptung ist nur scheinbar paradox. Auf dieser gedanklichen Ebene ist es schwierig, zwischen einer Proposition und dem, was ihr Gegenteil bildet, zu unterscheiden. In der Tat bedeutet die Behauptung des Gegenteils immer noch, da� man �ber dieselbe Sache spricht, obgleich in einem entgegengesetzten Sinn, und es ist in einem Dialog dieser Art bereits ein gro�er Erfolg, wenn es den beiden, die das Gespr�ch f�hren, gelingt, �ber dieselbe Sache zu sprechen. Und es l��t sich behaupten, da� Heidegger und H�lderlin �ber dieselbe Sache sprechen. Was ist das, �dieselbe Sache�? Und wenn diese � selbe Sache� an dieser Stelle der oder das andere w�re? Gibt es eine Differenz zwischen dem Sein und dem anderen? �Derselben Sache�, �ber die wir seit gestern sprechen, geben wir den Namen �Ged�chtnis�. Ist das ein geeigneter Name, ein Eigenname, ein einzigartiger Name? Wir haben uns erinnert an den Namen von Mnemosyne, und wir haben uns erinnert, im Namen von Mnemosyne, da� man Lethe, also, die Wahrheit, nicht vergessen darf. Sagen H�lderlin, Heidegger und de Man mit dem Namen von Mnemosyne ein und dasselbe? Sicher nicht. Aber sprechen sie �ber dieselbe Sache? Vielleicht. Diese Frage wird morgen wieder auftauchen. Doch sie wird uns niemals verlassen, sie wird uns heimsuchen genau wie die Phantome von all den Prosopop�ien und Parekbasen, die im sp�ten de Manschen Diskurs �ber das einfache Relais der Allegorie und auch der Ironie heraufge
kommen sind. Alle diese Figuren sind - ich erinnere daran - desgleichen phantomhafte, gespenstische Figuren. Wir haben es bei Baudelaire gelesen; sie sprechen im Text wie Phantome, gewi�, aber vor allem machen sie den Text selbst zu einem Phantom. Es bleibt zu fragen, was das hei�en soll: ein Phantom beziehungsweise - was zudem mehrere Bedeutungen haben kann - das Wort Phantom, das Wort �Phantom�, das Phantom-"Wort�. In einem PhantomText werden diese Unterschiede, diese Anf�hrungszeichen, Bezugnahmen und Zitate unheilbar prek�r, sie lassen keine Spuren mehr zur�ck; und wir werden niemals weder die Spur noch das Phantom definieren, ohne damit - allegorisch und ironisch - vom einen zum anderen her�berzurufen. Ist es Zufall, da� Paul de Man seit seinen ersten Ans�tzen zu einer Neufassung des Problems der Allegorie den Geist (fant�me) von Coleridge und das Phantom, von dem Coleridge sprach, in direkter Bezugnahme auf die Allegorie zusammengerufen hat? Die Allegorie spricht und behauptet (durch) die Stimme des anderen; und daher r�hrt der Effekt des Phantoms. Und des weiteren auch die a-symbolische Disjunktion: Seine Struktur (die des Symbols - J. D.) ist die der Synekdoche, denn das Symbol ist immer ein Teil der durch es repr�sentierten Totalit�t. Folglich findet in der symbolischen Verbildlichung keine Disjunktion der konstituierenden Verm�gen statt, weil die materiale Wahrnehmung und die symbolische Verbildlichung in Kontinuit�t stehen, gleich wie dieser Teil mit dem Ganzen in Kontinuit�t steht. Im Kontrast dazu erscheint die allegorische Form als rein mechanisch, als eine Abstraktion, deren origin�re Bedeutung noch sub
stanzloser ist als ihre "phantomhafte Vertretung" (�phantom proxy"), als ihr allegorischer Repr�sentant; es ist eine immateriale Gestalt die ein blo�es, gestalt- und substanzloses Phantom repr�sentiert 35 Aber mu� man notwendig diese phantomhafte Disjunktion namens Allegorie von der anderen phantomhaften Disjunktion namens Ironie abtrennen (disjoindre)? Wie es sich am folgenden Beispiel verifizieren l��t, h�lt Paul de Man an zwei Gesten zugleich fest: er klagt die Eigent�mlichkeit der Allegorie an, eine besondere Figur zu sein, deren Besonderheit keinen metonymischen oder synekdochischen Wert hat, aber zu gleicher Zeit erkennt er ihr das Recht zu an einer Kommunikation, wenn nicht sogar an einer (nicht symbolischen, nicht totalisierenden) Partizipation mit den anderen Figuren, vielleicht sogar mit allen anderen, und zwar genau nicht vermittels der �hnlichkeit und �ber den Weg des Selben, sondern �ber den Weg des anderen, der Differenz und der Disjunktion. Paul de Man h�lt daran fest, diese �Verbindung� (�link"), diese �implizite und eher r�tselhafte Verbindung� an Allegorie und Ironie zu demonstrieren; aber wir haben bereits bei der Behandlung von Synekdoche, Prosopop�ie beziehungsweise Parekbase davon einen fl�chtigen Eindruck bekommen. Die Ironie ist auch eine Figur der Disjunktion, der Duplikation und der Verdoppelung. Sie konstituiert mitunter diese "neue Disjunktion", mit der �ein rein sprachliches Subjekt das origin�re Selbst ersetzt", dem Schema eines amnesischen Ged�chtnisses folgend, �ber das wir bereits gesprochen haben. Und doch gehen aufgrund dieser ihnen gemeinsamen disjunktiven Struktur Allegorie und Ironie miteinander diesen
eigent�mlichen Vertrag ein und rufen sich einander in Erinnerung. Zweifelsohne ist erstere wesentlich narrativ, zweitere punktuell und an den Augenblick gebunden, aber zusammen bilden sie genau die Rhetorik des Ged�chtnisses, welches zur�ckruft, erz�hlt, vergi�t, erz�hlt und das Vergessen zur�ckruft und sich auf die Vergangenheit nur bezieht, indem es das Wesentliche daran: die zeitliche Vorg�ngigkeit, ausstreicht. Zu Beginn dieser Vorlesung habe ich die Passage zitiert, in der die Modernit�t Baudelaires und Nietzsches behauptet wurde: �ein Vergessen oder eine Unterdr�ckung der zeitlichen Vorg�ngigkeit". Und genau in dem Augenblick, in dem die Rhetorik der Zeitlichkeit (The Rhetoric of Ternporality) schlie�lich nachdem sie zuvor getrennt worden waren - Allegorie und Ironie zusammenf�gt, finden wir die "selbe" Struktur, die tiefste und die am wenigsten tiefe Struktur, wieder: �eine unerreichbare zeitliche Vorg�ngigkeit" (�an unreachable anteriority"): Unsere Beschreibung scheint bei einer vorl�ufigen Schlu�folgerung angelangt zu sein. Der Akt der Ironie ... enth�llt die Existenz einer definitiv nicht-organischen Zeitlichkeit... Ironie zerteilt den Flu� zeitlicher Erfahrung in eine Vergangenheit purer Mystifizierung und eine Zukunft, die auf immer von einem R�ckfall in das Inauthentische bedroht bleibt. Sie kann diese Inauthentizit�t erkennen, aber niemals �berwinden.... Sie l�st sich in die enger werdende Spirale eines Sprachzeichens auf, das sich immer weiter von seiner Bedeutung entfernt, und sie kann keinen Ausweg finden aus dieser Spirale. Die von ihr enth�llte zeitliche Leere ist dieselbe Leere wie diejenige, der wir begegnet sind, als wir herausfanden, da� die Allegorie stets eine unerreichbare zeitliche Vorg�ngigkeit impliziert. Allegorie und Ironie sind somit in der gemeinsamen Entdeckung
einer wirklich zeitlichen Kategorie einander verbunden. Sie sind desgleichen verbunden in der gemeinsamen Entmystifizierung einer organischen Welt, die im symbolischen Modus analoger Entsprechungen oder im mimetischen Modus einer Darstellung, in der Fiktion und Realit�t zusammenfallen k�nnen, postuliert wird. Anschlie�end - jenseits dieser vorl�ufigen Schlu�folgerung - kommt es zur Verbindung dieser zwei Figuren des Ged�chtnisses: die eine erweckt den Anschein zu wissen, wie man Geschichten erz�hlt - es ist die diachronische Allegorie - und die andere t�uscht eine Amnesie vor - es ist die synchronische Ironie. Aber keine der beiden hat teil an einer Vorvergangenheit: Da sie wesentlich ein Modus der Gegenwart ist, kennt sie (die Ironie - J. D.) weder Ged�chtnis noch pr�figuratives Andauern, wohingegen die Allegorie voll und ganz in einer idealen Zeit existiert, die niemals hier und jetzt ist, sondern immer eine Vergangenheit oder eine endlose Zukunft. Die Ironie ist eine synchronische Struktur, w�hrend die Allegorie als ein sukzessiver Modus erscheint, f�hig zur Erzeugung von Dauer als der Illusion einer Kontinuit�t, um deren illusion�ren Status sie wei�. Und doch sind beide Modi jedem grunds�tzlichen Unterschied in der Erz�hlweise und der Struktur zum Trotz die zwei Seiten ein und derselben Grunderfahrung von Zeit.... Beide Modi sind v�llig entmystifiziert, solange sie im Reich ihrer jeweiligen Sprachen bleiben; sie sind aber ganz und gar anf�llig f�r eine erneute Blindheit, sobald sie diese in Richtung empirische Welt verlassen. Beide sind durch eine authentische Erfahrung der Zeitlichkeit bestimmt, die - aus dem Blickwinkel des in der Welt engagierten Selbst betrachtet - eine negative ist. Das dialektische Spiel zwischen den beiden Modi macht ebenso wie ihre gemeinsame Wechselwirkung mit mystifizierten Sprachformen (wie
symbolischer oder mimetischer Darstellung), welche auszustreichen nicht in ihrer Macht liegt, das aus, was Literaturgeschichte gehei�en wird. (Hervorhebung von mir - J. D.) Wenn ich - um f�r heute zu schlie�en - einige der Fragen hervorhebe, die diese relativ alten Texte von Paul de Man uns stellen oder an uns richten, so mache ich das nicht, weil ich diese Texte f�r alt oder problematisch halte. Ich denke, da� ich sie - ganz im Gegenteil - in eine Resonanz mit den neueren Texten gebracht habe. Und es hat auch nichts mit irgendeiner rhetorischen Finte zu tun, wenn ich einige auf diese Fragen artikulierte Antworten zur�ckhalte und Sie wenigstens bis morgen warten lasse. Nein, morgen werden wir mit Sicherheit wieder auf diese Fragen sto�en, in dieser oder in einer anderen Form, aber sie werden auch weiterhin in der Schwebe bleiben. Um welche Fragen geht es? 1. Gibt es einen Bezug, und wenn, welchen, zwischen dem �dialektischen Spiel" der rhetorischen Modi beziehungsweise dem Diskurs �ber Mystifizierung, Entmystifizierung und �die authentische Erfahrung der Zeitlichkeit� zum einen und einer Sache wie der "Dekonstruktion� zum anderen, sofern es sie gibt und zwar im Singular, sei es bei Paul de Man oder bei anderen? Und was f�r ein Bezug besteht zwischen der von Paul de Man und einer jeden anderen? Ich spreche von der �Dekonstruktion� und nicht von der Problematik der Dekonstruktion, wie man das mitunter macht, und auch nicht von der dekonstruktiven Kritik, denn die Dekonstruktion ist wesentlicher Gr�nde wegen nicht problematisch, sie ist keine Problematik (eine kleine dekonstruktive Geschichte des Wortes �Problem� w�rde das schnell zum Vorschein bringen, genau
wie eine kleine dekonstruktive Geschichte des Wortes "Kritik� nachweisen w�rde, da� es keine dekonstruktive Kritik geben k�nnte - die Dekonstruktion ist mehr oder weniger als eine Kritik, auf jeden Fall ist sie etwas anderes). 2. Folgt daraus, da� man in ein und der�selben" Erfahrung von Zeit die zwei disjunktiven Kr�fte Allegorie und Ironie miteinander verbinden kann, das Versprechen einer Anamnese, die �h�her" zur�ckreicht als bis zu jenen zwei entgegengesetzten Quellen (die allegorische Mnemosyne und die ironische Lethe, die �weder Ged�chtnis noch pr�figuratives Andauern kennt�)? K�nnte es eine ��ltere� Figur geben, eine urspr�nglichere, "grundlegendere" Erfahrung von Zeit als die durch jene rhetorische Disjunktion gegebene? Und wird diese Figur noch eine Figur sein, wird sie noch eine Figur, eine Gestalt haben oder wird sie eher �pr�figurativ� bleiben? Gibt es ein Ged�chtnis f�r diese Pr�figuration? Ist dieser Text von Paul de Man nicht unterwegs hin zu diesem �lteren und dennoch neueren Ged�chtnis, oder vielmehr, ist er nicht unterwegs wie dieses �ltere und dennoch neuere Ged�chtnis, der Zukunft zugewandt wie ein Versprechen? Ist das nicht seine Praxis, sein Stil, seine Signatur, der Stempel seiner eigenen Dekonstruktion? Ich spreche von Signatur, weil diese ganze Serie von Fragen sich mir in dem Augenblick aufdr�ngt, in dem die Aufpfropfung der Ironie auf den K�rper der Allegorie, diese Art Hybride zweier Ged�chtnisse oder eines Ged�chtnisses und einer Amnesie, die sich denselben Akt teilen, zum Vorschein kommt. Als ob der ironische Augenblick im K�rper einer allegorischen Schrift signiert und besiegelt w�rde. Eine Seite sp�ter spricht Paul de Man �ber einen Erz�hler, der Allegoriker und Ironiker
zugleich sein soll. Alles in allem w�re er in der Lage, Geschichten zu erz�hlen, aber er w�rde sich dagegen zur Wehr setzen, ohne da� man je wissen k�nnte, ob er die Wahrheit sagt. Ein derartiger Romancier �mu��, sagt Paul de Man, �sozusagen die ironischen Augenblicke in der allegorischen Dauer verbergen�. �Ironie der Ironie�, damit w�re die �permanente Parekbase� von Schlegel von Paul de Man usw. besiegelt. 3. Wir wissen, da� dieses Ged�chtnis der Pr�figuration, selbst wenn es m�glich w�re, an keine andere �zeitliche Vorg�ngigkeit� heranreichte als an eine fiktive oder eine figurierte; sie k�nnte eine derartige �zeitliche Vorg�ngigkeit� nur �unterdr�cken� oder �verdr�ngen�. Was folgt daraus? 4. Sind ein radikales Ged�chtnis ohne zeitliche Vorg�ngigkeit und eine Anamnese, die sich radikal �ber jede Vorvergangenheit hinweghebt, noch eine Erfahrung von Zeitlichkeit? Geh�ren deren Figuren zu einer Rhetorik der Zeitlichkeit oder zu einer Rhetorik der Verr�umlichung? Sind nicht die Rhetorik oder die Figuration als eine Kunst des Ged�chtnisses immer auch eine Kunst des Raumes? Denn es gibt welche, die nur allzu schnell bereit sind, in dem, was keine Vorvergangenheit hat, den Raum zu erkennen. Das kann nicht so einfach sein, da doch die Auslegung der wesentlichen Beziehung zwischen dem Ged�chtnis* (dem denkenden Ged�chtnis und dem technischen Ged�chtnis oder der Kunst des Schreibens) und der r�umlichen Archivierung, der Exteriorit�t des Zeichens usw. eine Art von Verr�umlichung, ein Intervall vermerkt, das keinen Widerspruch bildet zwischen der Rhetorik der Zeitlichkeit (The Rhetoric of Temporality' 1969) und Zeichen und Symbol... (Sign and Symbol..., 1982).
5. Was erinnert und was verspricht ein Ged�chtnis ohne "zeitliche Vorg�ngigkeit�? Ist es ein Ged�chtnis ohne Ursprung, ohne Genealogie, ohne Geschichte, ohne Filiation? Mu� man sich in jedem Augenblick dazu verpflichten, die Filiation aufs Neue zu erfinden (reinventer)? Einige w�rden darin die Signatur des getreuen Ged�chtnisses und seiner Zusicherung sehen, andere daran die Maske oder den Verrat und die Figur des Simulakrums denunzieren. Gestern - Sie erinnern sich vielleicht noch daran habe ich den Anfang gemacht damit, da� ich Ihnen sagte, da� ich nicht wei�, wie man eine Geschichte erz�hlt, und da� ich darunter leide, ohne zu wissen, ob es ein Leiden an Amnesie oder an Hypermnesie ist. Und eben, weil ich nicht wei�, wie man eine Geschichte erz�hlt, kehre ich zum Mythos zur�ck. Mnemosyne, Lethe, Atropos und ihre beiden Schwestern sind nicht nur Mythen; sie sind Allegorien im strikten Sinne, Personifizierungen des Ged�chtnisses, des Vergessens, des Todes, und immer auch Geschichten von Familien, von T�chtern und S�hnen, von T�chtern und F�den (de filles et de fils). Mnemosyne, die Mutter der Musen, war auch die Frau des Zeus, mit dem sie sich neun N�chte lang vereinigte. Vergessen wir nicht die Moiren: Atropos, Klotho und Lachesis, diejenigen, welche die F�den ziehen und die F�den des Lebens abschneiden, sind ebenfalls T�chter von Zeus - und von Themis. Aber ich mu� Ihnen auch noch die Person des Mnemon ins Ged�chtnis zur�ckrufen: derjenige, der sich erinnert, aber vor allem, derjenige, der daf�r sorgt, da� man sich erinnert; er ist ein Helfer, ein Techniker beziehungsweise ein K�nstler des Ged�chtnisses, ein das Ged�chtnis st�tzender oder hypomnesischer Diener. Achilles, dem er zu Diensten war, hatte ihn von seiner
Mutter empfangen am Vorabend des Trojanischen Krieges. Mnemon hatte eine ganz besondere Aufgabe: als ein f�r das Ged�chtnis Verantwortlicher - als w�re er das ent�u�erte Ged�chtnis des Achilles - sollte er dem Achilles einen Orakelspruch ins Ged�chtnis zur�ckrufen. Das Orakel hatte dem Achilles vorausgesagt, da� er vor Troja sterben m��te, sollte er einen der S�hne des Apollon t�ten. Folglich sollte Mnemon dem Achilles die Genealogie eines jeden ins Ged�chtnis zur�ckrufen, den zu t�ten Achilles sich gerade anschickte. Achtung, du darfst nicht den Sohn das Apollon t�ten, erinnere dich an den Spruch des Orakels. Doch eines Tages t�tet Achilles - bei Tenedos Tennes, den Sohn des Apollon. Er l�uft nun dem Tod entgegen, f�r den er bestimmt war durch diesen Fehler oder diesen Ausfall des Ged�chtnisses, durch das Versagen des Mnemon. Aber bevor er stirbt, und um ihn zu bestrafen, t�tet Achilles Mnemon mit einem einzigen Sto� mit der Spitze seiner Lanze.
III. Akte(n) Die Bedeutung eines gegebenen Wortes The meaning of a given word
Ich hatte also angek�ndigt - Sie erinnern sich vielleicht daran - da� ich �ber das Ged�chtnis, aus dem Ged�chtnis (de m�moire) sprechen werde. Parler de m�moire: sofern nicht ein Kontext, wie man zu sagen pflegt, den Doppelsinn aufhebt, eignet sich dieser Ausdruck im Franz�sischen zur Bildung von S�tzen, deren Bedeutung ganz und gar differieren kann. Je parlerai de
m�moire ", das kann hei�en, da� ich f�r Sie einen Vortrag halte mit dem als Sujet, was man Ged�chtnis hei�t, �ber das Thema oder auch �ber das Wort �Ged�chtnis�, womit ich ja bereits angefangen habe, ohne da� es mir gelungen ist, die �Sache� einfacher, klarer und eindeutiger zu machen. Was auch nicht Sie vermuten das ganz richtig - mein vorrangiges Anliegen war. Aber "je parlerai de m�moire" kann in meiner Sprache, und sofern sich dazu der Kontext anbietet, wie man gew�hnlich sagt, hei�en: "je parlerai sans note", "ich werde ohne Aufzeichnungen sprechen�, als ob ich einen Text aus fr�herer Zeit (texte anterieur) dank der alleinigen Hilfe meines Ged�chtnisses (hier in der mnemotechnischen Bedeutung von Ged�chtnis*) "auswendig" ("par coeur") w�rde zitieren k�nnen. Man sagt in der gleichen Weise "citer de m�moire", wenn man keines Mnemon mehr bedarf, welcher bereit steht, den Text vorzusagen. Ich spreche hier nicht �de m�moire" im Sinne dieser letzten Bedeutung, denn ich lese das, was ich geschrieben habe, und wenn ich es auch st�rker als je zuvor mit meinem Herzen (avec mon coeur) geschrieben habe, so kenne ich meine Rolle doch nicht � auswendig� (" par coeur "). Aber was ist das, das Herz (le coeur)? In Was hei�t Denken? (1954) denkt Heidegger �ber die geheimnisvolle Zusammengeh�rigkeit nach, in der das Gedachte* des Gedankens*, das Ged�chtnis*, der Dank* und das Herz* sich austauschen. Er beharrt auf dem Bedeutungswert der Versammlung* - was offensichtlich eine ganz andere Sache ist als eine Disjunktion -, die eben alle diese Worte zusammenbringt. Und das R�tsel von Versammlung oder Disjunktion wird zweifellos heute f�r uns der Mittelpunkt sein, der Mittelpunkt einer subtilen
und verborgenen Auseinandersetzung* zwischen Heidegger und Paul de Man. Um den Ton anzugeben und unter dem Titel einer ex ergon, au�erhalb des Werks verzeichneten Inschrift - zwei Zitate! Das eine von Heidegger, aus Was hei�t Denken?: Gedachtes* - wo ist es, wo bleibt es? Es braucht das Ged�chtnis*. Zum Gedachten und seinen Gedanken, zum "Gedanc�* geh�rt der Dank*. Doch vielleicht sind diese Ankl�nge des Wortes "Denken� an Ged�chtnis und Dank nur �u�erlich und k�nstlich ausgedacht. Dadurch kommt noch keineswegs zum Vorschein, was mit dem Wort "Denken� genannt wird. Ist das Denken ein Danken? Was meint hier Danken? Oder beruht der Dank im Denken? Was meint hier Denken? Ist das Ged�chtnis nur ein Beh�lter f�r das Gedachte des Denkens, oder beruht das Denken selber im Ged�chtnis? Wie verh�lt sich der Dank zum Ged�chtnis? ... und (wir) fragen jetzt bei der Geschichte der Worte an. Sie gibt uns eine Weisung, mag auch die historische Darstellung dieser Geschichte noch unvollst�ndig sein und vermutlich immer bleiben. Wir vernehmen den Hinweis, da� im Gesprochenen der genannten Worte das ma�gebend und urspr�nglich sagende Wort lautet: der ,Gedanc�'. Aber es meint nicht das, was zuguterletzt noch als gel�ufige Bedeutung im heutigen Gebrauch des Wortes "Gedanke�* �briggeblieben ist. Ein Gedanke meint gew�hnlich: eine Idee, eine Vorstellung, eine Meinung, einen Einfall. Das anf�ngliche Wort der "Gedanc�* sagt: das gesammelte, alles versammelnde Gedenken*. "Der Gedanc�* sagt soviel wie das Gem�t*, der muot*, das Herz. Das Denken im Sinne des anf�nglich sagenden Wortes "der Gedanc�* ist fast noch urspr�nglicher als jenes Denken des Herzens, das Pascal in sp�teren Jahrhunderten und bereits im Gegenzug gegen das mathematische Denken zur�ckzugewinnen versuchte. Und sehr viel sp�ter: Der Gedanc*, der
Herzensgrund ist die Versammlung* alles dessen, was uns angeht, was uns anlangt, woran uns liegt, uns, insofern wir als Menschen sind. Ich werde diesen Text hier nicht analysieren; es w�rde einen aufwendigen Kommentar erforderlich machen. Begn�gen wir uns f�r den Augenblick damit, das Motiv der �Versammlung�* hervorzuheben. Zu Ihnen �ber das "Ged�chtnis" zu sprechen, das hie�e auch - darauf habe ich beharrlich hingewiesen -, �ber die Zukunft zu sprechen. �ber die Zukunft eines Denkens, des Denkens, das uns Paul de Man hinterl��t, aber zuvorderst und unabtrennbar von dem, was - in diesem Denken des Ged�chtnisses die Zukunft denkt, die Erfahrung des Kommens der Zukunft (venne de l'�-venir). Und dadurch nicht allein sich uns verspricht, sich als ein Versprechen hervorbringt und ausschreibt, sondern als ein Denken des Versprechens, als das tiefste, das eigent�mlichste und das notwendigste, ohne Zweifel, heute, das schwierigste und das verwirrendste zudem. Ich wei� nicht, ob ich heute dazu kommen werde - in der Form und in den Grenzen einer Vorlesung -, Sie darin einzuf�hren, aber ich werde mich heute darum bem�hen, den Texten von Paul de Man �ber das Versprechen (namentlich durch die RousseauLekt�ren hindurch) zuzustreben. Diese Texte stellen sich nicht nur als Texte �ber das Thema des Versprechens dar, sie beweisen - sie zeigen und entfalten zu gleicher Zeit - die performative Funktion des Textes im allgemeinen als Versprechen, darin einbegriffen das Versprechen des beweisf�hrenden Textes, des von Paul de Man signierten; das geschieht niemals, ohne da� nicht die stillschweigenden Absicherungen, das Sujet dessen betreffend, was man heutzutage ein �Performativum" nennt, verwirrt,
ich m�chte sogar behaupten, pervertiert werden. Aber nehmen wir besser nicht zuviel vorweg, man verspricht immer zuviel. Was hei�t �zuviel versprechen�? Ein Versprechen ist immer �berm��ig. Ohne dieses wesentliche �berma� w�rde es auf eine Beschreibung oder eine Erkenntnis der Zukunft hinauslaufen. Sein Akt h�tte die Struktur einer Feststellung (constat) und nicht die eines Performativums. Aber dieses �zuviel� eines Versprechens geh�rt nicht dem (versprochenen) Inhalt eines Versprechens an, welches zu halten ich nicht in der Lage w�re. Genau in die Struktur des Aktes des Versprechens schreibt das �berma� eine Art heillose Verwirrung oder Perversion ein. Diese Perversion, die auch eine Falle ist, bringt zweifellos die Sprache des Versprechens, das Performativum als Versprechen, in Unordnung, aber sie macht sie auch m�glich - und unzerst�rbar. Von daher das Unglaubliche und das Komische eines jeden Versprechens, und die pathetische Erkl�rung mit Gesetz, Vertrag, Eid und deklarierter Zusicherung von Treue. Am Ende einer bemerkenswerten Beweisf�hrung, der wir sp�ter wieder begegnen werden, schreibt Paul de Man folgendes - und das wird mein zweites Zitat in Gestalt einer ex ergon verzeichneten Inschrift sein (ich werde mich f�rs erste damit begn�gen, einige Worte hervorzuheben): ... es ist unm�glich, den Gesellschaftsvertrag (Contrat Social) zu lesen, ohne das von einem festen Versprechen inspirierte aufheiternde Gef�hl zu erfahren. Die Wiedereinf�hrung des Versprechens der Tatsache zum Trotz, da� seine Unm�glichkeit festgestellt worden ist (das Muster, das den Gesellschaftsvertrag als eine textuelle Allegorie (�textuell" ist von de Man hervorgehoben worden - J. D.) identifiziert), ist nicht ins Ermessen des
Schreibers gestellt. Wir wollen nicht einfach eine Inkonsistenz, eine Schw�che im Text des Gesellschaftsvertrages aufzeigen, die h�tte vermieden werden k�nnen, h�tte man einfach die sentimentalen oder demagogischen Passagen weggelassen.... Sogar ohne diese Passagen w�rde der Gesellschaftsvertrag noch immer ein Versprechen abgeben, per R�ckschlu�, und vielleicht mit gr��erer Wirkung, wenn Rousseau nicht die Naivit�t oder die Gutgl�ubigkeit besessen h�tte, offen zu versprechen. Die verheerende Wirkung des Textes ist dem rhetorischen Modell geschuldet, von dem er eine Version ist. Dieses Modell ist eine Tatsache der Sprache, �ber die Rousseau selbst keine Kontrolle hat (erinnern Sie sich an die Anspielung auf das Unkontrollierbare, am Ende des Textes �ber Hegel - J. D.). Wie jeder andere Leser auch ist er daran gebunden, seinen Text als ein Versprechen politischer Ver�nderung fehlzulesen (misread). Der Irrtum liegt nicht beim Leser; die Sprache selbst trennt das Erkennen vom Akt ab. Die Sprache verspricht (sich)*; in dem Ma�e, in dem sie notwendig in die Irre f�hrt, bef�rdert Sprache genauso notwendig das Versprechen ihrer eigenen Wahrheit. Auch deswegen machen textuelle Allegorien auf dieser Ebene rhetorischer Komplexit�t Geschichte. Ich habe die Worte �Akt" und "Tatsache� hervorgehoben: der Akt der Sprache ist der eines Performativums des Sprechens, dessen perverse Doppeldeutigkeit nicht beherrscht oder von Verunreinigungen befreit werden kann, das aber als Akt nicht zu annullieren ist. Etwas weiter oben war der Nachweis gef�hrt worden, da� in bestimmten Sprechakten ("statements") die konstativen und performativen Funktionen weder �unterschieden" noch "zur �bereinstimmung gebracht" werden konnten. Die einzigartige Aporie, welche, wenn niemand den Akt beherrschen kann, wenn wir vor jeder aktiven Verpflichtung unsererseits zu
diesem Akt verpflichtet und von Beginn an diesem Akt in die Falle gegangen sind, diesen Akt zerteilt, besagt, da� die rhetorische Struktur der Sprache dem Akt unserer gegenw�rtigen Initiative vorhergeht und - wenn das zu sagen m�glich ist - "�lter" ist als dieser Akt. Es ist ein Faktum, ein "fact" der Sprache, welche die Unm�glichkeit des Versprechens gestiftet hat. �ber dieses Faktum haben wir keine Kontrolle. Dieses Faktum ist kein nat�rliches, es ist ein Artefaktum, das aber f�r uns - und, in diesem beispielhaften Fall, an erster Stelle f�r Rousseau immer schon da ist, als eine Vergangenheit, die niemals gegenw�rtig gewesen ist. Man k�nnte behaupten, da� sie die Geschichtlichkeit selbst ist eine Geschichtlichkeit, die nicht selbst geschichtlich sein kann, eine "Anciennit�t�, die ohne Geschichte, ohne zeitliche Vorg�ngigkeit ist, die aber die Geschichte hervorbringt. Vor dem Akt gibt es kein Sprechen, und vor dem Sprechen gibt es keinen Akt: es gibt dieses Faktum, an das wir durch ein befremdendes Ged�chtnis, durch das keine einzige Erinnerung (souvenir) zur�ckgerufen wird, erinnert werden. Im Verlauf dieser ausgedehnten exergonalen Inschrift habe ich also dieses Fragment von Paul de Man einem Fragment von Heidegger gegen�bergestellt. Sp�ter, das hoffe ich oder das verspreche ich, werden die Gr�nde daf�r deutlicher hervortreten. F�r den Augenblick m�chte ich Sie nur daran erinnern, da� noch immer der Verweis auf die Frage nach der Versammlung* des Seins in ihrem Bezug oder Nicht-Bezug auf das Gesetz im Raum steht. Vorgestern haben wir mit dieser Frage begonnen - zwischen H�lderlin, Heidegger und de Man. Denn zwischen dem Versprechen und dem
Ged�chtnis, der Anerkennung und der Treue, dem Denken und dem Versprechen der Wahrheit ("the promise of its own truth" "das Versprechen ihrer eigenen Wahrheit�), bleiben wir an ein und demselben Ort, nicht weit entfernt vom Herz, zweifellos, und auch nicht von des Herzens Herz. Und Paul de Man hat sich - ein wenig - lustig gemacht �ber Heidegger. Darin liegt bereits ein Unterschied: Heidegger lacht nicht oft in seinen Texten, er h�tte die Ironie zweifellos als eine Geb�rde subjektiver Herrschaft angesehen, und niemals h�tte er ein "von einem festen Versprechen inspirierte(s) aufheiternde(s) Gef�hl eingestanden. Paul de Man l�chelt also und macht sich ein wenig lustig �ber Heidegger, wenn er ein Zitat entstellt oder verunstaltet, das ber�hmte und so schlecht verstandene "Die Sprache spricht "*. Viele haben diesen Satz gelesen und sich dabei vor Lachen ausgesch�ttet, als ob sie es mit einer hohlen und intransitiven Tautologie zu tun h�tten, behaftet mit der zus�tzlichen Schw�che, das Sprechen (parole), die Sprache (langage) oder die Sprachordnung (langue) zu hypostasieren. Bei Paul de Man ist das nicht der Fall. Es geht in Wahrheit darum, in einer h�chst notwendigen Bewegung aus dem Faktum, da� die Sprache nicht das von einem sprechenden Lebewesen (oder Subjekt) beherrschbare Instrument ist und da� sein Wesen ausgehend von keiner anderen Instanz zum Vorschein kommen kann als von der Sprache selbst, die dieses Wesen hei�t, sagt, zu denken gibt und spricht, einen Akt zu machen, von diesem Faktum eine Akte anzulegen, in der es zu Protokoll genommen wird (prendre acte). Man kann nicht einmal behaupten, da� die Sprache etwas ist oder etwas tut, und auch nicht, da� sie handelte; alle diese Wertsetzungen (Sein, Tun, Handeln) reichen einfach
nicht hin, um eine Metasprache mit der Sprache als Sujet zu konstruieren. Die Sprache spricht von (sich) selbst, was etwas ganz anderes ist als eine spiegelbildliche Tautologie. Doch was macht Paul de Man an dieser Stelle? Er macht aus dieser Notwendigkeit, da� "Die Sprache spricht "*, einen Akt, er legt davon eine Akte an. Er nimmt sie in einem bestimmten Ma�e ernst. Aber w�hrend er sie in ihrer Sprache, auf Deutsch, nachahmt, ersetzt er "spricht"* durch "verspricht"*. Das ist eine andere Weise zu sagen, da� das Wesen des Sprechens das Versprechen ist, da� es kein Sprechen gibt, welches nicht verspricht, was zugleich eine Verpflichtung auf die Zukunft durch das, was man allzu schnell einen �Sprechakt� nennt - und eine Verpflichtung, das Ged�chtnis des besagten Aktes zu wahren, die Akten dieses Aktes aufzubewahren, bedeutet. H�tte Heidegger diese Umwandlung von n spricht "* zu " verspricht "* als unannehmbar beurteilt? Das ist nicht so sicher und auch nicht so einfach; wir werden gleich sehen, warum. Mit Sicherheit aber h�tte er folgenden Einwand angedeutet: einverstanden, aber um zu versprechen, mu� man sprechen; und um das "versprechen�* zu denken, mu� man zuerst das "sprechen"* denken; das "versprechen "* ist nur eine zweifelsohne wesentliche, aber besondere Modalisierung der Sprache*. Doch die diskrete Parodie, die das �spricht"* zum "verspricht"* kompliziert, legt es im Gegenteil nahe, da� es kein urspr�ngliches und wesentliches Sprechen gibt, welches anschlie�end zum Versprechen modalisiert wird. Alles h�tte seinen Anfang in dieser augenscheinlich nachurspr�nglichen und performativen Modalisierung der Sprache* (ein Wort, das schwerlich einfach durch langue, langage oder parole zu
�bersetzen w�re). Das l�uft nicht auf die Behauptung hinaus, da� jegliche Performativit�t dem Typus des Versprechens - in der strikten und gel�ufigen Bedeutung des Begriffs - angeh�rt. Sondern: dieses eine Performativum enth�llt eine Struktur oder eine Bestimmung (destination) der Sprache*, welche "Die Sprache verspricht (sich)�* zu sagen n�tigt, und nicht mehr einfach "Die Sprache spricht"*. Doch das ist noch nicht alles. Paul de Man treibt sein Spiel noch weiter - und der Unterschied im Ton sagt uns vielleicht das Wesentliche �ber die Szene, die mit Heidegger gespielt wird -, er spielt darauf an, da� das Sprechen* der Sprache dadurch, da� es mit einem " ver "* versehen wird, nicht allein zu einem versprechenden wird - es wird durcheinander geworfen, verwirrt, korrumpiert, pervertiert und von einer Art fataler Abweichung affiziert. Bekanntlich hat das Pr�fix " ver "* im Deutschen sehr oft diese Bedeutung. Und in der Tat f�hrt der Text �ber den Gesellschaftsvertrag wir werden darauf vielleicht gleich zu sprechen kommen diese aporetische Struktur vor, der Paul de Man den Namen einer �Allegorie der Unlesbarkeit� gibt, worin das Performativum weder erf�llt noch von einem Konstativum unterschieden werden kann, ohne doch jemals darauf zur�ckgef�hrt werden zu k�nnen. Das Versprechen ist unm�glich, aber unvermeidlich. In einer zweifellos ma�losen Formulierung, wie sie auch nicht von Paul de Man stammt, k�nnte man beina he sagen: selbst wenn ein Versprechen gehalten werden k�nnte, w�rde das kaum eine Rolle spielen. Das Wesentliche ist, da� ein reines Versprechen nicht eigentlich statt haben, keinen eigenen Ort haben kann, da� es aber unvermeidlich ist, sobald man nur den Mund aufmacht, oder besser noch: sobald es Text gibt in einer genau durch diese Situation determinierten
Bedeutung; und in der Tat beharrt Paul de Man auf dem textuellen Charakter dieser �Allegorie der Unlesbarkeit" ("allegory of unreadacility") und hebt das Wort hervor: �das Muster, das den Gesellschaftsvertrag als eine textuelle Allegorie identifiziert� ("the pattern tbot identifies the Social Contract as a textual allegory "). Der letzte Satz behauptet des weiteren: �Auch deswegen machen textuelle Allegorien auf dieser Ebene rhetorischer Komplexit�t Geschichte.� (" This is also why textual allegories on this level of rhetorical complexity generate history. ") Dieser letzte Satz ist mir dreier Gr�nde wegen wichtig: 1. Er spricht der Textualit�t als Versprechen* (Performativum und erzeugende Perversion des Versprechens, aber auch Ur-Sprechen*, wenn man das so sagen kann) die Bedingung der M�glichkeit und die Erzeugung der Geschichte, die Geschichtlichkeit selbst zu. Keine Geschichte ohne ein textuelles Versprechen *. 2. Dieser letzte Satz kann als eine ironische Signatur gelesen werden, das hei�t als eine Verpflichtung und als ein Versprechen, das sich als ein Fall darstellt, der unter das Gesetz f�llt, das darin ausgesagt wird. Paul de Man wei�, da� wir, wenn wir sprechen, schreiben wie Rousseau, da� wir genauso schreiben, wie Paul de Man behauptet, da� der Autor des Gesellschaftsvertrags es macht: in der �Irref�hrung� ("misleading") durch dieses Versprechen*, das dennoch �das Versprechen seiner eigenen Wahrheit bef�rdert�. Eine derartige Signatur best�tigt: sie ist die �u�erste Best�tigung der Beweisf�hrung. Und alles das, was man dar�ber sagen kann, was ich hier dar�ber sage, ist von Beginn an auf die Fatalit�t dieses �Faktums� verpflichtet. Wie
Rousseau, wie Paul de Man usw.; auf dieses "wie" werde ich noch zur�ckkommen. 3. Die textuelle Allegorie der Unlesbarkeit bildet beinahe den Abschlu� der Allegories of Reading. Seitdem es die Allegorie gibt, stehen diese zwei Ausdr�cke (Allegorie der Lekt�re, des Leseaktes, der Lesung, und Allegorie der Unlesbarkeit in actu) nicht im Widerspruch zueinander. Ihr aufscheinender Widerspruch ist das Versprechen* am Ursprung der Geschichte. Man k�nnte mit dem englischen Wort "lecture" spielen: es ist eher eine Allegorie der Vorlesung (lecture) als eine Allegorie der Lekt�re (reading). Es ist von einigen die Frage gestellt worden, warum Paul de Man es stets vorgezogen habe, von Lekt�re zu sprechen statt von Schrift (�criture). Nun, vielleicht, weil die Allegorie der Lekt�re die Schrift ist oder umgekehrt. Aber vielleicht auch, weil jede Lekt�re sich genau durch das Versprechen, das Wahre zu sagen, durch ein Versprechen, das vom ersten Wort an stattgefunden haben wird, in eine Szene der Signatur und damit Szene der Schrift eingebunden und ver pflichtet findet. Es reicht nicht aus zu behaupten - wie das allzu h�ufig geschieht -, da� jede Lekt�re Schrift ist; man mu� es beweisen, zum Beispiel indem man von der Struktur des Versprechens ausgeht. Allegorie der Lekt�re (allegory of reading) - damit werden viele Dinge bedeutet in dem Buch, das diesen Titel tr�gt: die Lekt�reszene, dargestellt in einer abgr�ndigen Struktur (en ab�me) in einem Text, die Allegorie der �Unlesbarkeit�, �die textuelle Allegorie� usw. Sie k�nnen nicht lesen, ohne zu sprechen; nicht sprechen, ohne zu versprechen; nicht versprechen, ohne zu schreiben; nicht schreiben, ohne zu lesen, da� Sie bereits ein Versprechen gegeben haben, bevor Sie �berhaupt angefangen haben
zu sprechen usw. Und Sie k�nnen nichts anderes tun als allein davon Notiz zu nehmen (prendre acte) - vor jedem Akt. Sie k�nnen allein �Ja, ja im Gedenken an ein Ja� sagen und signieren. Von dieser Allegorie behauptet Paul de Man an derselben Stelle, da� sie �metafigural� sei, denn sie sei die Allegorie einer Figur, beispielsweise der Metapher, �die in die von ihr dekonstruierte Figur zur�ckh�llt� ("which relapes into the figure it deconstructs"). Da� diese figurale Metafiguralit�t - als Figur der Dekonstruktion - gleichzeitig die Dimension der Textualit�t sowie die Entstehung von Geschichte sein soll, ist die eindeutige Bestimmung f�r das, was dem Sprechen* (sagen wir: dem Sprechen Heideggers, dem Sprechen des "Die Sprache spricht"*) widerf�hrt, wenn es sich selbst das Versprechen* geben und sich selbst immer schon - vom Versprechen* affizieren lassen mu�. Es kann nicht sein, da� das dem Sprechen erst im Anschlu� an seinen Ursprung widerf�hrt; das Sprechen ist dazu bestimmt; zu dieser seiner Bestimmung geh�rt es sogar noch, da� das Versprechen* in ihm eine Bedrohung ist f�r die Bestimmung. Und es widerf�hrt ihm als Text, als Schrift, durch das Ereignis der Signatur, einer Signatur, die allein sich selbst versprechen kann, und die sich (unvermeidlich) nur in dem Ma�e verspricht, in dem ihr der Weg versperrt ist, in der Ausweglosigkeit (sans issue) der Zwecklosigkeit (sans fin) und dem deadend, der Sackgasse der Aporie. Diese Zuf�lle, Unf�lle sind wesentlich; sie widerfahren dem Sprechen* nicht von au�erhalb. Oder besser noch: das Au�erhalb �berkommt das Sprechen nicht durch einen von au�erhalb kommenden Zufall oder Unfall. Das Sprechen affiziert sich selbst von au�erhalb, mit dem
Au�erhalb (La parole s'affecte du dehors - Ich wei� nicht, ob dieser Satz sich �bersetzen l��t). Das ist der Grund, weshalb Paul de Man "Die Sprache verspricht (sich) "* schreibt. Er setzt das Reflexivpronomen in Klammern. Er f�gt es hinzu als das, was das Sprechen sich hinzuf�gen mu�, um zu sprechen. Diese Hinzuf�gung taucht allein in der zweiten Fassung des Essays auf. Ich wei� nicht, ob es die Korrektur eines Druckfehlers ist. Es gab noch einen weiteren in derselben Zeile. Die erste Fassung jedoch, welche ich als Sonderdruck gelesen habe, den Paul de Man mir im September 1976 gab, sagte nur: "Die Sprache verspricht "*. Die letzte Fassung in den Allegories of Reading f�gt sich das �sich� hinzu; doch von da an l�uft (passe) das Sich, das Selbst, das self, die Selbstbeziehung des Sprechens - sofern man das sagen kann - �ber die Aporie eines Versprechens, das sich (selbst) nicht ereignet (qui ne se passe pas), das (selbst) nicht passieren l��t (qui ne laisse pas passer), aber das sich des Sich-Ereignens, mit anderen Worten: des Ankommens oder des Stattfindens, nicht entheben kann (qui ne peut pas ne pas se passer): das �sich�* wird selbst gerade durch den Akt des Versprechens zu gleicher Zeit konstituiert und dekonstituiert, dekonstruiert. In Wahrheit sind es der Wert des Aktes und der der Wahrheit, die sich auf diese Weise (selbst) dekonstruieren; und auch das � sich (selbst)� der AutoDekonstruktion wird dem, was ich ein aporetisches Ereignis hei�en m�chte, nicht entgehen. Es ist schon bedeutsam, da� Paul de Man im �bergang von der einen Fassung zur anderen, oder nach Durchsicht der ersten, dieses in Klammern gesetzte �sich�* hinzugef�gt hat. Aber auch, wenn er das nicht getan h�tte, so h�tte das nichts ge�ndert, denn das �sich�*, diese Signatur des letzten Augenblicks, ist selbst vom
Versprechen* affiziert. Als ein notwendiges und unm�gliches Versprechen l��t es sich von sich selbst ausstreichen; es ist der Ausstreichung versprochen, die es sich (selbst) verspricht. Im �bergang von der einen Fassung zur anderen hat sich auch der Titel des Textes ge�ndert. Ich hatte ihn als erstes unter dem Titel Political Allegory in Rousseau gelesen; ich habe ihn unter dem Titel Promises (Social Contract) wiedergefunden. Hiermit beschlie�e ich diese �berlange exergonale, an den Rand verf�gte Inschrift. Kann man in einer fremden Sprache versprechen? Derjenige, der in L 'Arr�t de Mort von Blanchot �ich� sagt, f�hlt sich nicht verantwortlich, wenn er in der Sprache des anderen sich verpflichtet und verspricht. Ein Titel ist ein Versprechen, aber er verschlimmert das sich versprechen noch. Ich habe dieser Vorlesungsreihe den franz�sischen Titel "Memoires " gegeben, weil ich darauf Wert legte, in meiner eigenen Sprache zu versprechen, da dieses Versprechen ein ernsthafteres ist; aber diese Sprache ist nicht die Ihre obgleich viele unter Ihnen sie wie eine Muttersprache sprechen - und ich spreche jetzt in diesem Augenblick zu Ihnen dar�ber in der Dimension des U;bersetzens *, dessen Einsatz im Werk von Paul de Man Gasch� in bemerkenswerter Weise herausgearbeitet hat. Wenn ich also wenigstens den Anschein erwecken m�chte, ein unm�gliches Versprechen zu halten - und zu signieren, so bin ich verpflichtet, meinen Titel zu rechtfertigen. Das Fehlen eines Artikels und die Kennzeichnung als Plural bel��t diesem Namen "Memoires " in der den Titel umgebenden kontextuellen W�ste sein gr��tes Potential an Vieldeutigkeit. Die Perversion der Sprache ist darin auf die Spitze getrieben. Bekanntlich hat das Wort "m�moire" im Franz�sischen verschiedene
Bedeutungen, dem gem��, ob man es im Maskulinum oder im Femininum, im Singular oder im Plural gebraucht. Es ist sehr selten, da� ein und dasselbe Wort eine maskuline und eine feminine Form hat. M�moire ist im Franz�sischen hybrid oder androgyn (was man von Mnemosyne oder von Mneme und auch von den Namen Ged�chtnis* oder memory nicht behaupten kann). Und die Kennzeichnung des Numerus (Singular oder Plural) ber�hrt nicht die Anzahl, sondern die Bedeutung des Wortes selbst. Man sagt "une m�moire", la m�moire, Femininum, um in der allgemeinsten Bedeutung das Verm�gen (psychologisch oder nicht), die F�higkeit, den Ort, die Versammlung der Erinnerungen oder der Gedanken zu bezeichnen; aber es ist auch der Name f�r das, was wir hier zu denken versuchen und was wir so schlecht umgrenzen k�nnen. Jedenfalls gibt es S�tze, die man nur mit diesem Femininum Singular bilden kann. Und sie betreffen immer " memoires ", die kein wesentliches Bed�rfnis nach Schrift im gel�ufigen Sinne haben. Was das Maskulinum angeht, so kann es zwei Bedeutungen haben, die sich untereinander und von "la m�moire" unterscheiden, je nachdem, ob es im Singular oder im Plural steht. " Un m�moire" (Maskulinum Singular), das ist ein Dokument, ein Bericht, eine Notiz, ein Memorandum, eine Bilanz, die das zusammenstellt, woran man sich erinnern soll; es ist immer zusammenfassend und setzt Schrift, eine Exposition nach Au�erhalb und eine r�umliche Einschreibung voraus. Die f�r ein Kolloquium oder eine Konvention typischen Akte(n) geh�ren in etwa diesem Genre an. Wenn mit "memoires " (Maskulinum Plural) nicht einfach nur eine Vielzahl von memoires, sprich: Dokumente, Berichte, Bilanzen oder Akten (in der vorstehenden Bedeutung) bezeichnet wird und es sich
um F�lle handelt, in denen dieses Wort nur im Plural gebraucht wird, so werden damit wiederum Schriften gemeint, aber Schriften, die ein Leben erz�hlen oder eine Geschichte, f�r die der Autor Zeugnis ablegen kann. Sie �bersetzen das durch " memoirs " (ohne e und ohne Akzent), und sehr h�ufig wird das dem r�tselhaften Genre zugerechnet, �ber das wir vorgestern gesprochen haben, diesem Genre, das folgt man Paul de Man - gar kein Genre ist: die Autobiographie. Ein Beispiel: die Memoiren von Jenseits des Grabes (Memoires d'Outre-Tombe) oder die �Memoiren meines Lebens� ("memoires de ma vie"), von denen Rousseau in einem Brief spricht: �Was die Memoiren meines Lebens angeht, von denen Sie sprechen, so sind sie nur sehr schwierig zu bewerkstelligen, ohne jemanden zu kompromittieren.�6 Aus Gr�nden, die wir genannt haben, sind die Memoiren, die nicht notwendig Gest�ndnisse sind, immer und strukturell Memoiren von Jenseits des Grabes. Dieser seltsame Name hat also semantische Unterarten und Variationen, die durch Numerus und Geschlecht gekennzeichnet werden. Der �selbe� Name kann in einer bestimmten Bedeutung nur im Femininum verwandt werden, in einer anderen Bedeutung nur im Maskulinum, und seine dritte Bedeutung l��t sich nur im Maskulinum Plural aussagen. Und indem ich diesen Namen im Titel der Vorlesungen im Plural stehen lie�, habe ich von dem �s� einen supplement�ren und zudem die Vieldeutigkeit noch verst�rkenden Gebrauch gemacht, mit dem die drei Verwendungsweisen potentiell abgedeckt oder vereinnahmt werden und die m�gliche Vielfalt dieser Verwendungsweisen durch eine gewisserma�en vorgreifende Zitierung eine
zus�tzliche Kennzeichnung erf�hrt. Als ob ich Ihnen versprochen h�tte, diese Vieldeutigkeit selbst zu behandeln und das gesamte semantische oder thematische Feld der "m�moire" abzudecken. Die �bersetzung dieses Titels bleibt also unm�glich; jedes englische Wort w�rde diesem Namen eine Bedeutung oder einen Korpus m�glicher S�tze amputiert haben. Diejenigen, die mich ein wenig kennen, wissen sehr wohl, da� ich mit diesem Titel nicht meine "Memoiren� ("memoirs") angek�ndigt habe; doch das setzt bereits eine Bestimmung des Kontextes voraus, von der man nicht wissen kann, ob sie, da sie dem Umschlag eines Buches nicht abgelesen werden kann, nicht einem bestimmten Mi�verst�ndnis das Feld �berl��t. Doch w�rde es sich wirklich um ein Mi�verst�ndnis handeln? Ist das, was ich hier dem Ged�chtnis von Paul de Man widme, nicht ein schmerzhaftes Bruchst�ck meiner eigenen Memoiren und meines eigenen Ged�chtnisses? Ich spreche �ber den Umschlag eines Buches, weil die Memoiren, die "memoirs", im Unterschied zum Ged�chtnis (la m�moire) auch die Exposition in Form von Schrift - in der gel�ufigen Bedeutung des Ausdrucks voraussetzen. Diese semantisch-grammatikalische Vielfalt ist in das Idiom des Franz�sischen eingeschrieben. Doch sollten wir das nicht vorschnell als eine blo�e Verstreuung ansehen. Es gibt vielleicht ein Organisationsprinzip in dieser Heterogenit�t; sie wird durch eine diakritische Regel, durch die Diskriminierung zwischen dem, was im Maskulinum, und dem, was nur im Femininum gesagt werden kann, geordnet. Die zwei maskulinen M�glichkeiten (Singular oder Plural) von "m�moire" setzen immer den R�ckgriff auf eine r�umliche Einschreibung, sagen wir, auf das geschriebene Kennzeichen - in der gel�ufigen
Bedeutung des Ausdrucks - voraus. W�hrend die feminine Form, "la m�moire", selbst wenn sie in den Plural gesetzt wird, nicht notwendig den R�ckgriff auf Graphie oder Technik impliziert. Man kann diese diskriminierende Linie per Figur (man kann auch sagen: �metaphorisch�) �berqueren und von einer Schrift des Ged�chtnisses sprechen, wie das beispielsweise, neben vielen anderen, Montaigne macht, wenn er sagt: �Ein gutes Ged�chtnis ist Schrift, denn darin bleibt die Figur gewahrt. � ("Bonne m�moire est escripture, elle retient bien sa figure. ") Aber das ist eine Figur der Rhetorik, die an dieser Stelle alle Probleme, die Sie sich vorstellen k�nnen, aufwirft: das Problem der �bertragung von Innen nach Au�en, von der Seele auf den K�rper usw. Und diese Figur ist nicht einmal diejenige, von der Montaigne spricht, der an dieser Stelle die ins Ged�chtnis wie auf Papier eingeschriebenen Formen und eingeritzten Kennzeichen bezeichnet. Wenn ich diesen Titel, Memoires, seinem Geschick als einem un�bersetzbaren Idiom �berlassen habe, so habe ich das zweifellos getan, um dies alles zu sagen, aber vor allem, um meinem Gru� zu entbieten dem, was die Signatur eines Verspre chens an Un�bersetzbarem wahrt, indem sie es als das eines Eigennamens, des Namens von Paul de Man, zur Akte nimmt, zum Akt macht (prendre acte). Und ich war dazu verpflichtet, diesen Gru� im un�bersetzbaren Idiom meiner Sprache zu signieren. Ich h�tte ansonsten auch im Englischen einen gleichfalls im Klangk�rper seiner Vielstimmigkeit tremolierenden Namen ausw�hlen k�nnen. Und dieser w�re im Einklang gewesen mit dem "Memorial" des Ereignisses (da schreibe ich das Wort "Memorial " in beiden Sprachen zugleich - bis auf die Differenz eines Akzents
oder zweier Akzente, der eine geschrieben, der andere gesprochen). Das englische Wort, das Winkel-Wort ("ce mot anglais")7, das ich f�r den Titel h�tte ausw�hlen k�nnen, h�tte allerdings in meinen Augen zwei Nachteile gehabt. Sein franz�sisches Homonym hat eine ganz verschiedene Bedeutung, und vor allem, ich h�tte es ganz allein gar nicht gefunden, vorausgesetzt, da� ein Wort sich finden l��t und da� man es immer ganz allein findet. Dieses Wort, hier ist es: Memento, was im Franz�sischen zuerst ein �u�eres Kennzeichen bedeutet, dazu bestimmt, eine Erinnerung ins Ged�chtnis zu rufen. Mein Titel war bereits angek�ndigt, und die ersten zwei Vorlesungen waren bereits geschrieben, als ich durch einen Brief von David Carroll erfuhr, da� die Weite dieses Wortes im Englischen durchaus alles das, was ich hier im Begriff bin zu sagen und zu tun, unter seine Fittiche h�tte nehmen k�nnen. Ich zitiere David Carroll, der aus dem Oxford English Dictionary zitiert: Memento, Plural: mementoes 1. Iiturgisch: die beiden Gebete im Me�kanon, jeweils zum Gedenken an die Lebenden und an die Verstorbenen (Ich habe zumindest im Littre die Best�tigung erhalten, da� dieser Gebrauch auch im Franz�sischen m�glich ist: "Ausdruck der katholischen Liturgie. Das Memento der Lebenden, das Memento der Toten, zwei Gebete des Me�kanons, das eine f�r die Lebenden, das andere f�r die Toten. Aus dem Lateinischen: memento, erinnere dich! Memini ist eine Perfektbildung, die von der Wurzel man, Sanskrit manmi, ich denke, ich erkenne, abstammt, von daher memini, ich habe erkannt, ich erinnere mich (siehe mental). Der Littre schreibt somit - unter dem Titel der Wurzel - den Namen des Menschen (man), den Namen de Man (le nom de man). ). 2. veraltet: eine Mahnung, eine Warnung oder ein Hinweis, wie man sich zu verhalten hat, oder im Hinblick auf zuk�nftige Ereignisse (Hervorhebung von mir - J. D.). b. konkret: ein Objekt, das dazu
dient, auf diese Weise eine Mahnung oder Warnung abzugeben. 3. etwas das jemanden an ein vergangenes Ereignis oder an die Lage einer abwesenden Person, an etwas, das einst existiert hat, erinnert, das nun aber in der Hauptsache ein Objekt ist, das als Memorial f�r eine Person oder ein Ereignis aufbewahrt wird. b. veraltet und selten: eine Erinnerung. 4. in scherzhaftem Sinne abweichend gebraucht f�r a) Tagtraum, D�sen, b) (das eigene) Ged�chtnis. Sobald durch eine Teilungslinie Ordnung in diese Vielfalt von Verwendungen gebracht wird, und sobald diese Teilungslinie �ber die angebliche Opposition zwischen einer Innerlichkeit des Ged�chtnisses und einer (graphischen, r�umlichen, technischen) �u�erlichkeit des Ged�chtnisses oder der Ged�chtnisaufzeichnungen (memoires) als Archive, Dokumente, Akten usw. verl�uft, sto�en wir erneut auf das f�rchterliche Problem von Ged�chtnis* und Erinnerung* - man kann auch sagen: rufen wir uns dieses f�rchterliche Problem ins Ged�chtnis zur�ck. Wo aber setzt die provozierende Kraft der de Manschen Auslegung an? Zumindest mit der Unterscheidung eines denkenden Ged�chtnisses* von der verinnerlichenden Erinnerung*, gleichg�ltig, ob er sie im Namen Hegels oder ausgehend von einem "Eckstein� des Systems einf�hrt, kennzeichnet de Man die irreduzible Verbindung zwischen dem Denken als Ged�chtnis und der technischen Dimension des ins Ged�chtnis Einpr�gens (memorization), der Schreibkunst, der "materialen� Einschreibung, kurz, der ganzen �u�erlichkeit, die seit Platon als eine hypomnesische bezeichnet wird, als eine, wie sie mehr dem Mnemon eignet als der Mneme. Wenn de Man an diese Einheit von Denken und Technik (das hei�t auch Einheit von Denken und �u�erlichkeit graphischer Einschreibung - de Man
spricht von der �Kunst des Schreibens� ("art of writing") - von Denken und den Wissenschaftstechniken), wie sie sich durch das Ged�chtnis hindurchzieht, erinnert, kommt die de Mansche Dekonstruktion einer doppelten Entscheidung in ein und demselben Akt gleich. Ganz schematisch dargestellt: einerseits gibt sie sich selbst de jure die Mittel in die Hand, um die ungeheure Frage nach dem k�nstlichen Ged�chtnis und den modernen Modalit�ten der Archivierung nicht in die �u�eren und niederen Dunkelzonen des Denkens zu versto�en, diese Frage, welche heute in einem Rhythmus und in Dimensionen, die mit denen der Vergangenheit kein gemeinsames Ma� haben, die Totalit�t unseres Weltbezugs (diesseits oder jenseits seiner anthropologischen Bestimmung) affiziert: das Wohnen, alle Sprachen, Schrift, "Kultur�, Kunst (�ber die Pinakotheken, die Cinematheken, die Videotheken und die Dis kotheken hinaus), Literatur (�ber die Bibliotheken hinaus), Information und Informatisierung (�ber die Datenbanken hinaus), Wissenschaftstechniken, Philosophie (�ber die universit�ren Institutionen hinaus) und alles, was sich noch in diesem jeglichen Bezug auf die Zukunft affizierenden Wandel befindet; diese ungeheure Ver�nderung erweitert nicht nur die Gr��enordnung, die quantitative �konomie des sogenannten k�nstlichen Ged�chtnisses, sondern auch dessen qualitative Struktur - und verpflichtet zum Nachdenken �ber das, was dieses k�nstliche Ged�chtnis zu dem sogenannten psychischen Ged�chtnis des Menschen, zur Wahrheit, zum Simulakrum, zur Simulation usw. in eine Beziehung setzt. Dazu sei im Vor�bergehen noch in aller Eile gesagt, da� man, wenn man dieses nebul�se Gebilde namens
"Dekonstruktion in Amerika� analysieren m�chte, auch (nicht nur, aber auch) diese Problematik unter allen ihren Aspekten zu ber�cksichtigen hat. Es gibt keine Dekonstruktion, die nicht begonnen h�tte, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen oder sich auf diese Auseinandersetzung vorzubereiten, und die nicht mit einer Infragestellung der Dissoziation von Denken und Technik, insbesondere, wenn sie eine, sei es auch versteckte, subtile, erhabene oder verleugnete Neigung zur Hierarchiebildung zeigt, einsetzt. Das bringt mich zum zweiten Punkt: andererseits f�hrt die dieser Verbindung zwischen Ged�chtnis* und hypomnesischer Schrift gewidmete Aufmerksamkeit in der Tat ohne jeden Zweifel dazu, da� man den Satz von Heidegger: Die Wis senschaft denkt nicht*, und alle seine Voraussetzungen nicht mehr unterschreiben kann (ich f�r meinen Teil habe das noch nie getan). Es ist ein niedergeschriebener und oft wiederaufgenommener Satz, von Heidegger mit Vorsicht gedacht und erl�utert im Umfeld des von mir zitierten Textes �ber Ged�chtnis* und Gedanc*, aus Was hei�t Denken? Ich m�chte nicht den Eindruck erwecken, als wollte ich mich mit diesem Satz nur abgeben, indem ich �ber ihn hinweggehe und seine Kraft oder seine Notwendigkeit nicht in Betracht ziehe; aber ich kann hier nicht den Weg nachvollziehen, der zu ihm hinf�hrt und der ihn f�hrt. Sagen wir ganz schnell zu schnell vielleicht, da� allen Vorsichtsma�nahmen in Form der Verneinung zum Trotz Heidegger mit diesem Satz die rigorose Notwendigkeit einer wesentlichen Exteriorit�t und impliziten Hierarchie zwischen dem Denken als Ged�chtnis (Denken *, Ged�chtnis *, Gedanc *) auf der einen Seite und der Wissenschaft, der Technik, der Schrift und sogar der Literatur auf der anderen Seite vermerkt. In
Was hei�t Denken? d�rften wir zahlreiche einschl�gige Hinweise daf�r finden. Zweifellos verwahrt sich Heidegger dagegen, eine so einfache Teilung vorzunehmen (�einerseits. . ., andererseits...�) und mit einer anti-wissenschaftlichen, antitechnischen Bewertung zu vereinbaren, die dazu f�hren w�rde, alles das, was nicht dem "Denken des Denkers� zugeh�rt, unterzuordnen oder herabzusetzen: Die Wissenschaft denkt nicht im Sinne des Denkens der Denker. Aber daraus folgt keineswegs, da� das Denken sich nicht an die Wis senschaft zu kehren brauche. Der Satz �Die Wissenschaft denkt nicht" enth�lt keinen Freibrief, der dem Denken erlaubte, sich gleichsam freih�ndig dadurch zu bewerkstelligen, da� es sich etwas ausdenkt.8 Doch bedeutet das weder f�r die Teilung in ihrer Striktheit noch f�r die Hierarchie ein Hindernis. Was hier f�r die Wissenschaft behauptet wird, soll auch f�r die Technik gelten ("Die neuzeitliche Wissenschaft gr�ndet im Wesen der Technik.�).9 Das �berall zur Rechtfertigung von Teilung und Hierarchie bem�hte Heideggersche Argument hat - auf sein wesentliches Schema reduziert - die folgende, auf alles �bertragbare Form: "Das Wesen der Technik ist selbst nichts Technisches.� Das Denken dieses Wesens ist selbst nichts "Technisches� oder "Technizistisches�; es ist von jeder Technizit�t frei, da es die Technizit�t denkt, und es ist selbst nichts Wissenschaftliches, da es die Wissenschaftlichkeit der Wissenschaft denkt. Heidegger w�rde dasselbe in bezug auf alle bestimmten Wissenschaften, wie beispielsweise die Linguistik, die Rhetorik usw. behaupten. Das Denken der Rhetorizit�t der Rhetorik (ein abgeleitetes und in der Geschichte der Philosophie sp�t entstandenes technisches Wissen) ist selbst in nichts eine Rhetorik.
Vielleicht k�nnen wir daran den Einsatz der de Manschen Auslegung ermessen. Daran erinnernd, da� der Bezug des Ged�chtnisses* auf die Technik, auf das K�nstliche, auf die Schrift, auf das Zeichen usw. nicht der einer Exteriorit�t oder Heterogenit�t sein kann, umrei�t sie eine g�nzlich andere Ge ste als die von Heidegger. Sie l�uft auf die Behauptung hinaus, da� die Exteriorit�t oder die Teilung, da� die Disjunktion der Bezug ist, die wesentliche Junktion zwischen dem denkenden Ged�chtnis und dem angeblich technischwissenschaftlichen, sogar literarischen Au�erhalb (denn die Literatur, die literarische Schrift ist f�r Heidegger in derselben Position wie Technik und Wissenschaft im Hinblick auf Denken und Dichtung). Eine g�nzlich andere Geste als die Heideggers, m�chte ich behaupten, und eine, die Anla� ist f�r g�nzlich andere Tongebungen. Zweifellos; doch niemals liegen die Dinge so einfach, und wir m��ten uns die Zeit und die Geduld nehmen, um au�erhalb einer "Vorlesung� allen diesen gedanklichen Verzweigungen nachzugehen. Ich mu� mich hier auf zwei Hinweise beschr�nken. Auf Seiten der Dekonstruktion, sofern man davon sprechen kann, und zwar in ihrer de Manschen Gestalt, schlie�t eine bestimmte Kontinuit�t (innerhalb der disjunktiven Struktur) zwischen dem denkenden Ged�chtnis und dem technisch-wissenschaftlichen Ged�chtnis ein Denken des Wesens der Technik nicht aus, sondern macht im Gegenteil dieses Denken, auf das die Dekonstruktion in ihrer Logik gar nicht zu verzichten vermag, �berhaupt erst m�glich. Deshalb ist diese Dekonstruktion nicht einmal in dem Augenblick, in dem sie die hierarchiebildende Teilung zwischen Denken und Technik in Frage stellt, etwas Technisches oder Technologisches. Aber auf der
anderen Seite, auf Seiten Heideggers, liegen die Dinge auch nicht einfacher. Es ist in der Tat schwierig, die hierarchiebildende Teilung mit dem Prinzip anderer Aussagen, die f�r Heidegger ganz desgleichen wesentlich sind, in aller Strenge zu vers�hnen. Zum Beispiel m��te die Zusicherung, wonach es keine "Metasprache� gibt (Unterwegs zur Sprache)) im Prinzip die M�glichkeit dieser hierarchiebildenden Teilung zugrunde richten. Das gleiche d�rfte f�r den Gedanken des Gedanc* gelten, denn dieser entzieht sich gleichfalls einer vom Blickpunkt der Vorstellung aus das �u�ere dem Inneren gegen�berstellenden, das hei�t: das Denken als innere Vorstellung oder als verinnerlichende Erinnerung bestimmenden Begrenzung: "Der Gedanc bedeutet: das Gem�t, das Herz, den Herzensgrund*, jenes Innerste des Menschen, das am weitesten nach au�en und ins �u�erste reicht und dies so entschieden, da� es, recht bedacht, die Vorstellung eines Innen und Au�en nicht aufkommen l��t. � Aber alles das funktioniert bei Heidegger - und wir werden uns das noch ins Ged�chtnis zur�ckrufen nicht ohne ein entschiedenes Zur�ckgehen in die Urspr�nglichkeit des Denkens, in die Reinheit des "reinen Denkers� (Sokrates), einer Sprache*, die spricht*, bevor sie (sich) verspricht oder in einem unm�glichen Versprechen (sich versprechen), ohne zum Abschlu� auf die Bedeutung der Namen oder der Worte zur�ckzugehen, (sich) in die Irre f�hrt, auf den Holzweg ger�t. Was entscheidet - im Hinblick darauf �ber den Unterschied im Stil der de Manschen Dekonstruktion, so wie er sich in unaufh�rlich verst�rkter Akzentuierung in den Texten der Allegories of Reading abzeichnet? Neben anderem eine originelle Anwendung und zu gleicher Zeit
subversive �berarbeitung der Austinschen Theoreme und der Theorie der Sprechakte (speech acts), die auf diesem Weg zugleich sowohl einen Schritt voran macht als auch in die Krise ger�t. Man k�nnte - an anderer Stelle - zeigen, warum dieser Zug f�r eine rigorose Dekonstruktion nicht wegzudenken sei. Soll f�rs erste nur einmal der Wandel in Stil und Ton in Anbetracht von Heideggers Nachdenken �ber Ged�chtnis* und Gedanc* angezeigt werden, so kann man sich auf folgendes Indiz verlassen: man interessiert sich f�r Texte, f�r textuelle Figuren (textuelle Allegorien zum Beispiel) und nicht f�r die Urspr�nglichkeit der Sprache* vor jedem Versprechen*; man interessiert sich mehr f�r die Textualisierung oder die Kontextualisierung als f�r die urspr�ngliche Bedeutung des Namens. Nehmen wir ein Beispiel auf und zitieren wir Austin, weil er in dieser Sache einen anderen Pol und einen ganz anderen Stil repr�sentiert. Seit vorgestern sieht es zumindest danach aus, da� wir uns die Frage stellen: "Was hei�t Ged�chtnis?� und da� wir diese Frage manchmal auf die Frage "was bedeutet das Wort ,Ged�chtnis'?� zur�ckf�hren wollen. In gleicher Weise h�tte man auch die Frage stellen k�nnen: "was bedeutet das Wort ,Dekonstruktion'?� Es ist uns sogar unterlaufen - im Vor�bergehen und ohne allzu viel Vertrauen darauf zu verwenden -, da� wir ein W�rterbuch befragt haben. Weder Heidegger noch Austin glauben, da� die Bedeutung der W�rter sich in W�rterb�chern finden l��t, nicht einmal in etymologischen W�rterb�chern. Aber sie glauben das aus offensichtlich verschiedenen, ja entgegengesetzten Gr�nden. Heidegger denkt, da� man die Bedeutung der W�rter denken mu�, um ein W�rterbuch lesen und befragen zu k�nnen. Austin behauptet unumwunden,
da� die W�rter keine Bedeutung haben und da� es absurd sei, in einem W�rterbuch so etwas wie die gegebene Bedeutung eines Wortes zu suchen. Allein S�tze (sentences) haben eine Bedeutung; und das W�rterbuch kann uns nur helfen, indem es uns �ber die S�tze Auskunft gibt, in denen der Gebrauch der jeweiligen W�rter per Konvention autorisiert ist. Das kommt dem sehr nahe, was Wittgenstein von den ersten Worten des Blauen Buches an behauptet. Es w�re unbedingt notwendig, aber ich mu� hier darauf verzichten, lang und minuti�s Austins Die Bedeutung eines Wortes (The meaning of a word) zu befragen, einen Text, auf den sich Paul de Man meines Erachtens niemals bezogen hat. Das war ebenfalls eine Vorlesung. Sie ist sogar zweimal gehalten worden; und dabei stellt sich die Frage, auf welche Weise der wesentliche und durchg�ngige R�ckgriff auf Anf�hrungszeichen, Kursivschrift und Einklammerungen hat �bertragen (oder an die Tafel geschrieben) werden k�nnen. Diese Vorlesung hatte gleichfalls einen Titel, der keinen Satz bildet: The meaning of a word. Sie beginnt nicht mit S�tzen, sondern mit zwei Tafeln, zwei Listen von n sinnvollen Beispielen� und "unsinnigen Bei spielen�. Ganz am Anfang der zweiten Liste steht der Satz: "was-ist-die-Bedeutung-eines-Wortes?� (" What is the meaning of a word?"). Nachdem er diese zweifache Liste angeschrieben hat, erkl�rt Austin, da� viele seiner Zuh�rer bereits jetzt mit Sicherheit das Ganze oder doch einen Teil von dem kennen werden, was er vortragen wird. Aber er wird es trotzdem vortragen, denn nicht jeder kennt bereits die Gesamtheit dessen, was er vortragen wird, oder er kennt es leicht verzerrt; und dann gibt es auch noch die "Neigung, es zu vergessen� ("a tendency to forget
it"). Von daher rechtfertigt der Autor des "Papiers� ("paper") sein Vorhaben und den Akt seiner Vorlesung durch einen Empirismus und Differentialismus des Wesentlichen (nicht jeder versteht alles im selben Umfang und auf dieselbe Weise; es gibt keine einfache Alternative zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen, sondern einzig und allein komplexe Beziehungen zwischen dem Ganzen und dem Teil usw.). Aber er rechtfertigt den Akt seiner Vorlesung "The meaning of a word" auch mit der "neigung zu vergessen�, und zwar zu vergessen, was man wei�, was man sieht, was man vernimmt, und sogar das, was man liebt oder sch�tzt; eine Neigung, von all dem die "Bedeutung� ("meaning") zu vergessen - und genauso die S�tze zu vergessen, die man zu diesem Sujet bildet. Der Akt dieser Vorlesung wird folglich auch ein Akt des Ged�chtnisses, ein Memento, sein: erinnere dich, sei nicht nur einfach mit mir einverstanden, rufe dir ins Ged�chtnis zur�ck, da� du das verstanden hast, was ich dir ge sagt habe, da� du es gebilligt hast, versprich mir und versprich dir, es dir ins Ged�chtnis zur�ckzurufen. Doch was hei�t das hier, da� man jedes Mal, wenn man den Mund aufmacht, eine nicht zu unterdr�ckende Neigung hat zu vergessen, und sogar dann zu vergessen, wenn man es wei�? Das hei�t genau, da� ein Wort keine "bedeutung� (7,meaning") hat. Allein ein "Satz� ("sentenCer`) kann eine Bedeutung haben. Bereits, bevor er diese "Vorbemerkung� ("preliminary remark ") macht, wird Austin eine au�ergew�hnliche, ebenso naive wie listige - mit Naivit�t �berlistende Szene der Rhetorik er�ffnet haben, und zwar durch eine Batterie performativer Akte, die - gleichg�ltig, ob es sich um prim�re Akte handelt oder nicht - ein ausgiebiges Studium verdienten: Versprechen und Entschuldigungen.
Nachdem er versprochen hat und sich ein Versprechen geben lie� (zum Beispiel, nicht zu vergessen), entschuldigt er sich gegen�ber denen, die bereits bekehrt sind. Aber er entschuldigt sich zugleich nicht, denn auch die Bekehrten bed�rfen eines Mementos: Ich beginne also mit einigen Bemerkungen �ber "die Bedeutung eines Wortes�. Viele haben wohl bereits alles oder einen Teil dessen erkannt (nachdem sie, wie ich vermute, die Listen mit den Beispielen an der Tafel gelesen haben - J. D.), was ich sagen werde. Aber das gilt nicht f�r alle, und es besteht eine Neigung, es zu vergessen oder es ein wenig falsch aufzufassen. Insoweit ich damit nur die bereits Bekehrten peinige, m�chte ich mich bei ihnen entschuldigen. 15 Ich auch. Das ist vielleicht der Hauptgrund, weswegen ich hier Austin zitiere. Des Versprechens, des Mementos und der Entschuldigung we gen - die alle ein Wort zum Sujet haben, Memoires, das vielleicht gar keine "bedeutung� ("meaning") hat. Aber kann man versprechen oder sich entschuldigen, indem man das Versprechen oder die Entschuldigung eines anderen zitiert? Kann man es machen, ohne zu zitieren? Zwischen der Liste der Beispiele und den Entschuldigungen, gefolgt von der "Vorbemerkung�, derzufolge "man - einem korrekten Sprachgebrauch folgend geltend machen (kann), eigentlich habe nur der Satz Bedeutung� (�properly speaking (Hervorhebung von mir - J. D.), what alone has meaning is a sentence�), sto�en wir auf einen kurzen Absatz, der sehr wohl der interessanteste Teil des "papiers� sein k�nnte: neun Zeilen, die den Anspruch erheben, das, was folgt, zusammenzufassen und zu beschreiben:
Dieses Papier handelt von dem Ausdruck "die Bedeutung eines Wortes". Es ist in drei Teile gegliedert, und der erste dieser Teile ist der platteste, der zweite der verworrenste; alle drei sind zu lang (Sehen Sie, er ist im Begriff, meine Vorlesungen zu beschreiben und mich zu entschuldigen - J. D.). Im ersten Teil versuche ich klarzumachen, da� der Ausdruck �die Bedeutung eines Wortes" im allgemeinen, wenn auch nicht immer (ich hebe im allgemeinen, wenn auch nicht immer hervor, so wie ich eben properly speaking hervorgehoben habe - J. D.), gef�hrlich und unsinnig ist. In den beiden anderen Teilen betrachte ich nacheinander zwei Fragen, die in der Philosophie h�ufig aufgeworfen werden und offenkundig einer neuerlichen und sorgf�ltigen �berpr�fung bed�rfen, damit sich uns dieser Ausdruck �die Bedeutung eines Wortes", der so leicht bei der Hand ist, nicht mehr aufdr�ngen kann. Man kann das als einen Gesetzestext lesen, als den ethisch-politischen Entwurf eines Textes f�r ein Gesetz, das f�r zuk�nftige Zeiten zumindest unter Philosophen den R�ckgriff auf einen Satz, sagen wir: auf einen lokution�ren Akt, der mitunter "gef�hrlich� ist, der im allgemeinen gef�hrlich ist, und der "sich uns�, wenn man durch Austin �berzeugt worden ist und seine Beweisf�hrung nicht vergi�t, "nicht mehr aufdr�ngen kann�, untersagt und delegitimiert. Doch das, was er zu de-legitimieren vorschl�gt, ist genau das, wor�ber er zu uns zu sprechen verspricht, und was einer Vorlesung zu ihrem Titel verhilft, nicht nur zum Titel als Anspruch, gehalten worden zu sein (und zwar zweimal statt nur einmal), womit der Akt und die Wiederholung "dem Ged�chtnis zuliebe� gerechtfertigt w�re, sondern zum Titel in seiner strikten Bedeutung: " The meaning of a word ". Ein Titel ist immer ein Versprechen. An dieser Stelle bildet der Titel keinen "Satz�. Er hat also keine "Bedeutung�. Er geht ein "Versprechen� ein in einer
Aussage, die "eigentlich� ("properly speaking ") keine "Bedeutung� hat. Dieser Titel ist also gef�hrlich, vor allem f�r die Gemeinschaft der Philosophen; er hat nur uneigentlich und metaphorisch (par figure) "Bedeutung�. Ist dieser Titel nicht ein Parasit, wie er im Buche steht, der nichts Philosophisches versprechend in letzter Instanz ank�ndigt, da� man w�hrend ein oder zwei Stunden eine bestimmte Anzahl von S�tzen h�ren wird, in denen im Spiel mit alten und neuen Philosophemen der Satz, der lokution�re Akt "die Bedeutung eines Wortes� in einer gro�en Anzahl von Variationen, mit oder ohne Anf�hrungszeichen, Kursivschrift und Bindestrichen, mit oder ohne Bedeutung vorgetragen wird? Aber diese literarische Fiktion, wenn es denn eine w�re, w�rde ganz desgleichen versuchen, und bis zu einem gewissen Punkt w�rde es ihr auch gelingen, politische Effekte hervorzubringen, die Konventionen zu �ndern, zu legitimieren oder zu de-legitimieren, und gerade durch ihre Ironie ein neues Recht zu konstituieren. Jedenfalls kann sie durch existierende Konventionen dazu da, die S�tze zu definieren, in denen ein Wort "bedeutung� hat - nicht vollst�ndig begr�ndet werden. Weil alles von den immer offenen, niemals zu s�ttigenden Kontexten abh�ngt, ist es bereits bei einem einzelnen Wort (zum Beispiel in einem Titel) so, da� es die Bedeutung aller potentiellen S�tze hat, in die man es wird einschreiben k�nnen (und also wird es beginnen, zu versprechen und sein eigenes Recht und andere Konventionen gewaltsam zu begr�nden, denn es hat das volle Recht zu versprechen noch nicht), und da� umgekehrt kein Satz eine absolut bestimmbare Bedeutung hat: er ist stets in derselben Situation wie das Wort oder der Titel in Anbetracht des umrahmenden
und mit sich fortf�hrenden Textes und in Anbetracht des immer offen und immer mehr Bedeutung versprechenden Kontextes. Das, was ich hier behaupte, gilt f�r die Worte "Ged�chtnis� ("m�moire") oder "Dekonstruktion�, aber auch f�r die sogenannten Eigennamen. Zu den Dingen, die ich an dem Text von Austin sehr mag, geh�rt das eine, da� er im Grunde f�r eine eigentlich philosophische These - und also auch f�r eine eigentlich philosophische Institution darin keinen Platz l��t. Das ist die von seinen offiziellen Erben, das hei�t von denjenigen, die sich anma�en, es zu sein, am wenigsten verstandene Hinterlassenschaft. Er spricht alles in allem uneigentlich und metaphorisch �ber die Bedingungen, unter denen ein Wort eine "bedeutung� haben k�nnte, und gesteht das auch ein. Aber er spricht dar�ber uneigentlich, und auch sein Gest�ndnis und sein Versprechen sind uneigentlich; er erinnert und l��t sich ein Versprechen geben, sich zu erinnern, unter den unsichersten Bedingungen, und mit so wenig Absicherung wie eben m�glich. Seine S�tze (sentences) gleichen seinen W�rtern, die niemals gen�gend Bedeutung haben oder aber - wie ein Titel immer zuviel Bedeutung haben. Alles in allem beschr�nkt er sich darauf zu sagen: es gibt Gefahren, es gibt �unheimliche�* Dinge, es gibt so etwas wie merkw�rdigen Glauben und seltsame (odd) Ansichten, es gibt sie: zum Beispiel ist da der merkw�rdige Glaube, alle W�rter seien Namen, ja im Grunde Eigennamen (das ist eine f�r die Dekonstruktion wesentliche, vielleicht sogar ihre prim�re Geste: sich �ber einen "merkw�rdigen Glauben" zu wundern - J. D.), und deshalb st�nden sie f�r etwas oder bezeichneten es ebenso wie ein Eigenname. Aber diese Ansicht, da�
allgemeine Namen genauso eine �Denotation haben� wie Eigennamen, ist nicht weniger seltsam (odd) als die Ansicht, da� Eigennamen genauso eine �Konnotation haben" wie allgemeine Namen, was generell als irref�hrend anerkannt ist. Anschlie�end spricht er von einer "allgemeiner verbreiteten Krankheit. . . � 17 Ich habe nicht die Zeit, um f�r �Die Bedeutung eines Wortes� die Zeit und die analytische Geduld aufzubringen, die es verdient. Bevor ich sie einstweilen und mit dem Versprechen, darauf zur�ckzukommen, zur�cklasse, m�chte ich noch an zwei Dinge, zwei partiale und partikulare Dinge, und zwar in der exemplarischen Figur der Metonymie, erinnern: 1. Ich werde zuerst zwei seltsame (odd) Beispiele hervorheben, mit denen Austin seine Stellungnahme illustriert. Alle beide berufen sich in einer bestimmten Weise einerseits auf den Tod und den Selbstmord, andererseits auf die Schrift und die Notwendigkeit eines neuen Idioms. Ich zitiere einige Zeilen, ohne da� ich �ber die Zeit verf�ge, sie zu analysieren: A. Angenommen, ich stelle meine dritte Frage: �Welchen Zweck hat es, irgend etwas zu tun nicht irgend etwas im besonderen, sondern einfach irgend etwas?" Old Father William w�rde mich zweifellos und unwiderruflich mit einem Tritt vor die T�r setzen (wohingegen er soeben noch auf seltsame Fragen geduldig geantwortet hat, aber diese waren �entscheidbar" und lie�en Raum f�r eine �Option" - J. D.). Aber weniger gestandene M�nner, die dieselbe Frage stellen und keine Antwort finden, w�rden h�chstwahrscheinlich Selbstmord begehen oder der Kirche beitreten. (Gl�cklicherweise sind die Auswirkungen im Falle von �Was ist die Bedeutung eines Wortes?� weniger ernst und resultieren nur im Verfassen von B�chern.) Andererseits w�rden sich r�hrigere Geister zweifellos auf die Frage verlegen: �Was ist der-Zweck-des-etwas- Tuns?�, oder �Was ist der ,Zweck', etwas zu tun?� (Ich �berlasse es Ihnen, sich die Fragen Heideggers, zumindest den Stil seiner Fragen, in Anbetracht der ganzen Voraussetzungen vorzustellen, die hier einem Denken des Aktes (doing) und des Dinges (thing) abverlangt werden. - J. D )18 B. Angenommen, jemand sagt nun: �x ist ausgedehnt, hat aber keine Gestalt". Irgendwie k�nnen wir nicht erkennen, was dies �bedeuten k�nnte�; es gibt keine
expliziten oder impliziten semantischen Konventionen, die sich auf diesen Fall beziehen. Es ist aber auch keineswegs verboten - es gibt keine Regeln, die dem, was wir in au.�ergew�hnlichen F�llen sagen oder nicht sagen k�nnten, Grenzen setzen wir k�nnen das, was wir uns vorzustellen versuchen, nur mit Hilfe von Worten beschreiben, die gerade den gew�hnlichen Fall, den wir wegzudenken versuchen, beschreiben und in Erinne rung rufen. Die gew�hnliche Sprache legt der ohnehin schon schwa chen Phantasie Scheuklap�'en an. Daher g�be es Probleme, wenn es hie�e: "Kann ich mir einen Fall denken, in dem jemand weder zu Hause noch nicht zu Hause w�re?� Dies l��t uns deshalb z�gern, weil man an den gew�hnlichen Fall denkt, in dem man auf die Frage "Ist er zu Hause?" die Antwort �Nein" erh�lt, wenn er gewi� nicht zu Hause ist. Aber angenommen, ich denke zuf�llig zuerst an die Situation, in der ich jemanden, kurz nachdem er gestorben ist, auf suche, dann erkenne ich sofort, da� es falsch w�re, das eine oder das andere zu sagen. Deshalb k�nnen wir in unserem Fall nichts anderes tun, als uns alle m�glichen Arten; von seltsamen Situationen vorzu stellen oder zu erleben und uns dann pl�tzlich gegen uns selbst zu wenden und zu fragen: W�rde ich auch jetzt behaupten, da� es Ge stalt haben mu�, da es ausgedehnt ist? Es k�nnte sein, da� in seltsa men F�llen ein neues Idiom zu fordern ist. 79 (Stellen Sie sich die Fragen in einem anderen Stil vor, zum Beispiel in dem Stil Heideggers: Was ist ein seltsamer Fall (odd case)? Was ist ein Idiom, eine Sprache*? Wer wird dar�ber sprechen und wie, wenn nicht die Sprache selbst*? Aber was geschieht, wenn �(sich) die Sprache verspricht�*? Was wollen Sie mit all diesen Worten und Namen sagen? (What do you mean by all these words and names.) Ist der Tod ein �seltsamer Fall� ("odd case"), und bin ich nicht immer im Begriff, jemanden zu rufen, "nachdem er gestorben ist�, und ihn nochmals ins Ged�chtnis zu rufen? Ist das ein �gew�hnlicher Fall� ("ordinary case") oder ein �au�ergew�hnlicher Fall� ("extraordinary case")? Ich schlie�e
die Parenthese.) Austin f�hrt etwas weiter unten fort: Mit dieser Aufgabe besch�ftigen sich die Philosophen sehr off nur dann, wenn sie anscheinend Worte pervertiert in einer Weise verwenden, die in Anbetracht des "gew�hnlichen Sprachgebrauchs" nicht sinnvoll ist. Sogar im Hinblick auf unsere allt�gliche Erfahrung mag es au�ergew�hnliche Tatsachen geben, die von einfachen Menschen und von der einfachen Sprache au�er acht gelassen werden. 2. Zweite Erinnerung. �Die Bedeutung eines Wortes� ("The meaning of a word ") beweist uns - und die Beweisf�hrung ist gleichfalls eine Erinnerung - die Irreduzibilit�t der Struktur des Versprechens in jeder Sprache, darin eingeschlossen die Sprache, die das Wahre �ber das Versprechen oder �ber die besonderen Unterarten der Sprechakte (speech acts), welche explizite Versprechen sind, aussagen m�chte. Wir haben soeben auch erkannt, warum dieses UrVersprechen, das alles in allem das Wahre und die Bedeutung verspricht, im Augenblick seiner Eigentlichkeit oder Urspr�nglichkeit weder wahr noch bedeutungsvoll ist: es ist der Augenblick des Namens oder des Sprechens allein, des Titels, der aus seiner Insignifikanz oder seinem Wenigen an Bedeutung heraus verspricht. Es ist der Augenblick des gegebenen Wortes, gegeben vor jedem anderen (Wort). Dieser Augenblick ruft nach neuen Konventionen, er schl�gt sie selbst vor oder verspricht sie selbst, aber ohne da� er sich dadurch im selben Augenblick, in dem er ruft, in dem er nach neuen Gesetzen ruft, unverstellt (sans subterfuge) zur Geltung bringen oder zur Autorit�t erheben kann. Und jedes �ber Sprechakte (speech acts), zum Beispiel �ber eine Unterscheidung zwischen Konstativum und Performativum, und ins
besondere �ber das Versprechen aufgestellte Theorem bringt sich selbst bereits als ein Versprechen ein, als ein Versprechen der Wahrheit, mit allen Paradoxien und Aporien, die ein solches Unterfangen erwarten l��t. Diese ethisch-juridische oder historisch-politische Dimension ist der Bedeutung eines Wortes nicht abwesend; geht es dabei doch um die Frage �gef�hrlicher� S�tze, um Erteilung oder Verweigerung einer �Erlaubnis� und um Konventionen, die geschaffen werden m�ssen. Wir selbst befinden uns genau an dem Ort, an dem die M�glichkeit der politischen, der ethischen, der juridischen und der historischen Sprache sich kundtut. Zahlreicher Gr�nde wegen habe ich mich daf�r entschieden, diesen Text von Austin zumindest kurz anzur�hren. Ich m�chte zwei von diesen Gr�nden angeben. Man kann sich keine Problematik und keine Rhetorik vorstellen, die von denen Heideggers weiter entfernt sind. Das Idiom von Paul de Man, sein �dekonstruktorischer� Stil, ist weder heideggerianisch noch austinianisch, selbst dann nicht, wenn er beide Traditionen zu gleicher Zeit in Bewegung setzt und vor allem verschiebt, �berkreuzt und dezentriert. Es kann sein, da� irgendwelche Leute die Neuheit dieses Vorgangs auf ein Minimum zur�ckschrauben wollen und behaupten, er habe die zwei Traditionen ineinander �bersetzt; und da beide Traditionen in Amerika ihre jeweiligen Erbengemeinschaften und Institutionen haben, so w�re das eine au�ergew�hnliche und n�tzliche T�tigkeit. Doch eine derartige �bersetzung ist viel mehr als eine �bersetzung; sie bringt jede der beiden Axiomatiken, die sie zu �bersetzen oder zu �bertragen scheint, in Unordnung; sie bringt andere Axiomatiken ins Spiel, geh�rt aber selbst keiner an und schreibt einen neuen
Text, der folglich zun�chst beiden Seiten als unlesbar und unannehmbar erscheint, wenigstens in dem, was er an Neuem bietet. Sie bringt alle aus der Fassung. Vielleicht spreche ich in bezug auf das Sujet von Austin und Heidegger zu Unrecht von einer Axiomatik. Alle beide halten einen Diskurs, der Versprechen von der Art zum Sujet hat, wie die Axiomatiken welche sind. Wir behaupten, da� diese Diskurse selbst Versprechen sind; und der Diskurs von Paul de Man bildet ein weiteres Versprechen mit dem Versprechen als Sujet. Der weitere Grund besteht darin, da� man m�glicherweise eine bessere und weniger aufwendige Einf�hrung in das Idiom der de Manschen Dekonstruktion erh�lt, wenn man sich fragt, was sie in actu aus der Austinschen Theorie der Sprechakte gemacht hat. Rodolphe Gasch� hat dazu wesentliche und unbestreitbare Aussagen gemacht, desgleichen unter einem anderen Gesichtspunkt Suzanne Gearhart. Ich wei� nicht, ob das, was ich dazu vorschlagen m�chte, sehr verschieden sein wird, aber auf jeden Fall wird es, glaube ich, ihren Ausf�hrungen nicht widersprechen. Angenommen, wir h�tten die Berechtigung, von einer zweiten Periode des de Manschen Denkens zu sprechen, so k�nnte man auf den ersten Blick eine gewisse Annahme und Aneignung der �De konstruktion� konstatieren: Motiv und Wort tauchen immer h�ufiger auf; man m��te eine Auflistung und Analyse all ihrer Bedeutungswerte durchf�hren, denn ich denke, da� es mehrere gibt. Und ganz und gar zeitgleich w�rde ein erster Blick die neu in Erscheinung tretende Nachdr�cklichkeit einer gro�angelegten Auseinandersetzung* mit der Austinschen
Opposition zwischen Konstativum und Performativum wahrnehmen; eine Opposition, die best�tigt, entwickelt, �ber das Feld ihrer Herkunft hinausgehend fruchtbar gemacht - und sogleich in ihrem Prinzip ruiniert und ihrer Fruchtbarkeit benommen wird. Es ist in erster Linie nicht eine Dekonstruktion des Austinschen Textes, sondern eine, die der Axiomatik und der Theoreme der Sprechakttheorie gilt: was nicht hei�en soll, da� man auf diese verzichten k�nnte oder sollte. Aber man mu� aus der aporetischen und allegorischen Struktur des Aktes in einem Sprechakt einen Akt machen, man mu� von ihr Notiz nehmen (prendre acte). Ich sagte gerade: �Angenommen, wir h�tten die Berechtigung, von einer zweiten Periode... zu sprechen. � Eine klassische, nicht zu umgehende Frage, die im vorliegenden Fall - genausowenig wie in allen anderen F�llen - keine zufriedenstellende Antwort bekommen wird. In dieser Frage haben wiederum alle beide, Rodolphe Gasch� und Suzanne Gearhart, unzweifelhaft recht, auch wenn er von Diskontinuit�t und sie von Kontinuit�t spricht. Paul de Man hat des �fteren alle �Periodenbildungen� kritisiert oder bestenfalls als Fiktio nen gelten lassen. Das sagt er bereits in The Rhetoric of Blindness: Der Diskurs �ber die �Perioden� - es mag sich dabei um das individuelle Werk oder um die abendl�ndische Metaphysik handeln - hat stets den Wert einer Fiktion oder einer Geschichte, die erz�hlt wird, um ein nicht-historisches Argument historisch und teleologisch zu dramatisieren. Mu� man es sich von daher untersagen, das Werk von Paul de Man zu �periodisieren�? Er selbst sagt nicht, da� man dazu nicht das Recht habe; aber man mu� wissen, da� man damit eine figurative und narrative Auslegung
vornimmt. Ich m�chte dieses Risiko nicht allzu lange auf mich nehmen, allein f�r die Zeit einer am Sujet des Motivs der Dekonstruktion im unterbrochenen Werk von Paul de Man aufgespannten Frage. Selbst wenn diese Frage seinem Werk nicht alles abgewinnt, so ist sie doch nicht zu trennen von der Frage nach der �Dekonstruktion in Amerika�: alle m�glichen Gesichtspunkte ber�cksichtigt (ich werde ein anderes Mal versuchen, sie aufz�hlen), w�re die �Dekonstruktion in Amerika� ohne Paul de Man nicht das, was sie ist. Aber was ereignet sich inmitten seines Werk zwischen 1. den Augenblicken, in denen er nicht von der Dekonstruktion spricht, 2. den Augenblicken, in denen er von ihr als einer Operation spricht, die in anderen Texten abl�uft, und 3. dem Augenblick, in dem er seine eigene Arbeit als eine Dekonstruktion pr�sentiert (sofern es �berhaupt m�glich ist, diese Augenblicke zu isolieren)? Sie wissen, da� er das in den Allegories of Reading macht und da� er einen Diskurs �ber seinen eigenen, in Perioden unterteilten Weg h�lt: ein erstes Mal macht er das im Vorwort (Preface) zu den Allegories of Reading und ein zweites Mal im Foreword to the Revised, Second Edition von Blindness and Insight. Ich weise Sie hin auf diese zwei Texte, die eine wertvolle periodisierende Selbstauslegung beinhalten, die sich auch als "m�moires" oder theoretische Autobiographie lesen lassen - mitsamt der fiktiven, ironischen oder allegorischen Dimension, die der Unterzeichnende, de Man, allen seinen Schriften aufpr�gt. Ich �berlasse es Ihnen, diese "memoires� in Gestalt eines Vorworts (preface) aufs Neue zu lesen, und begn�ge mich damit, daran einige Teilungslinien aufzuzeigen. Im zweiten Vorwort zu Blindness and Insight erkl�rt
sich Paul de Man in dem gleichen Augenblick f�r amnesisch, in dem er schreibt: Ich verf�ge nicht �ber die Gabe, r�ckblickend mit mir selbst ins Reine zu kommen und gn�dig das, was ich geschrieben habe, mit gleicher Bereitwilligkeit zu vergessen, so wie ich schlechte Filme vergesse - obgleich es mir damit genauso ergeht wie mit schlechten Filmen, bestimmte Szenen oder S�tze kommen von Zeit zu Zeit wieder, um mich wie ein schlechtes Gewissen zu behindern und zu verfolgen.22 Abermals die R�ckkehr des Phantoms als Text oder des Textes als Phantom - erinnern Sie sich an das, was wir vorgestern dazu gesagt haben. An eine weitere Teilungslinie erinnert das erste Vorwort zu Blindness and Insight. Der Autor stellt sich dar als jemand, "dessen Lehre mehr oder weniger gleichm�Big zwischen den Vereinigten Staaten und Europa aufgeteilt gewesen ist". Bei der letzten Teilung schlie�lich, deren Linie die Geschichte der Allegories of Reading durchzieht und die vom Autor selbst periodisiert wird, handelt es sich genau um den Begriff "Dekonstruktion�, der so schnell zu einem Etikett wie auch zu einer Zielscheibe geraten ist. Die gr��ten Teile des Buches sind geschrieben worden, bevor "Dekonstruktion" zu einem Zankapfel wurde, und der Ausdruck wird hier mehr in einem technischen als in einem polemischen Sinne gebraucht - was nicht impliziert, da� er deswegen zu einem neutralen oder ideologisch unschuldigen Ausdruck wird. Aber ich habe keinen Grund gesehen, diesen Ausdruck zu streichen.24 Warum diese Szene der Ausstreichung im "Ich habe keinen Grund gesehen, diesen Ausdruck zu streichen�; "ich werde ihn nicht streichen� (weiter unten im Text findet sich ein "I do not wish to erase", und auch die Widmung des Buches an mich spricht
von einem �Unausstreichbaren�)? Warum diese Gefahr der Ausstreichung und diese Zusicherung in Gestalt einer Signatur, eines Versprechens und einer Verpflichtung ("ich werde nicht (aus-) streichen�)? Stehen sie - jenseits der Biographien und durch die Autobiographien hindurch - in einem wesentlichen Bezug zum Text der Dekonstruktion? Ich m�chte auf dieses Problem nicht l�nger in so allgemeinen Begriffen eingehen. Geben wir ihm seinen Ort auf dem eigenen Weg, den Paul de Man gegangen ist. Was man nicht ausstreichen kann, kann man nicht schreiben; man kann ein Versprechen nur geben im Hinblick auf etwas, zu dessen M�glichkeit es stets geh�rt, ausgestrichen zu werden. Anders g�be es weder Ged�chtnis noch Versprechen. Nun, das Wort �Dekonstruktion� h�tte auf tausenderlei Weise ausgestrichen werden k�nnen. Ich m�chte nicht �ber meine komplizierten Beziehungen zur Einschreibung und Ausstreichung dieses Wortes sprechen. Sehen wir uns stattdessen Paul de Man an: er beginnt mit der summarischen Behauptung, da� "man Rousseau nicht zu dekonstruieren braucht�, denn dieser w�rde das bereits von selbst tun. Das war eine weitere Version der Behauptung, da� es die Dekonstruktion immer schon gibt, da� sie immer schon in den Werken, vornehmlich in den literarischen Werken, am Werk ist. Die Dekonstruktion wird nicht nachtr�glich und von au�en, als ein technisches Instrument der Moderne, appliziert. Die Texte dekonstruieren sich (selbst) aus sich selbst heraus; es reicht aus, den Text oder die Texte an "sich (selbst)� zu erinnern. Bis zu einem bestimmten Punkt empfand ich mich weitgehend in �bereinstimmung mit dieser Auslegung, die ich sogar �ber die sogenannten literarischen Texte hinaus
ausdehne - unter der Bedingung, da� man sich �ber das � sich (selbst)� aus "dekonstruieren sich (selbst)� und �ber das "(an) sich (selbst) erinnern� verst�ndigt. Es ist m�glicherweise die Lekt�re dieses kleinen Wortes "sich (selbst)� ("se"), welche die gesamte RousseauLekt�re tr�gt und im �bergang von den ersten zu den letzten Texten, von Blindness and Insight zu den Allegories of Reading, verschiebt. Zu dem Punkt der Ausdehnung �ber den literarischen Text hinaus habe ich mich des �fteren erkl�rt; das ist jedoch nicht der gewinnversprechende Punkt an dieser Frage. Sondern: was ereignet sich alsdann im Werk von Paul de Man, wenn das Wort "Dekonstruktion�, das sich aus sich selbst heraus h�tte ausstreichen k�nnen oder m�ssen, denn es bezeichnet allein die Explikation einer Selbstbeziehung des Werkes, anstatt sich auszustreichen sich mehr und mehr einschreibt gleichg�ltig, ob es an der H�ufigkeit des Auftretens, an der Vielfalt oder an der Pr�gnanz der S�tze gemessen wird, die ihm Bedeutung geben? Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Immer schon (toujours d�j�) gibt es die Dekonstruktion - am Werk im Werk von Rousseau, wie Paul de Man es behauptet, auch wenn Rousseau sich so wenig daraus gemacht hat, da� er nicht ein Wort - und auch nicht dieses Wort - dar�ber verloren hat. Immer schon gibt es die Dekonstruktion - am Werk im Werk von Paul de Man, sogar in der Epoche, in der er selbst noch nicht davon sprach, oder in der Epoche, in der er davon sprach, um mitzuteilen, da� es dazu nichts Neues zu sagen g�be. Aber was hat es mit diesem "immer schon� auf sich; wann erachtet man seine Aussage f�r m�glich und notwendig, wo doch behauptet wurde, da� es auch
geschieht, ohne da� man es sagt? Immer schon, sagt man, gab es die Dekonstruktion - am Werk in der Geschichte, in der Kultur, in der Literatur, in der Philosophie, kurz gesagt: im abendl�ndischen Ged�chtnis auf seinen beiden Kontinenten. Und ich denke, da� das wahr ist; man kann es an jedem Diskurs, an jedem Werk, an jedem System, in jedem Augenblick zeigen. Aber was hat es mit diesem "immer schon� auf sich, sobald die Dekonstruktion diesen Namen annimmt, so ungeeignet er auch immer sein mag? Und was, wenn sie - in einem bestimmten Augenblick an irgendeinem Ort - nicht nur zu einem Thema wird, sondern sogar zu einem "Topos�, von dem man nicht wei�, ob er der Ausbildung eines Systems, einer Lehre, von Methoden und Institutionen usw. einen Ort einr�umen mu� oder nicht, und der auf jeden Fall zu Konflikten Anla� gibt? Und wenn es sich dabei nicht nur um theoretische Konflikte, sondern auch um leidenschaftlich, symbolisch, politisch und anderweitig ausgetragene Konflikte handelt? Man mu� eindeutig anerkennen, da� es sich ereignet*: im Fall von Paul de Man als auch in dem der "Dekonstruktion in Amerika� streicht sich das "immer schon�, das danach strebt, die Singularit�t des Ereignisses auszustreichen, im Angesicht der Signatur dieses Wortes seinerseits selbst aus. So ungewi� diese Signatur auch immer sein mag, so dr�ngt sie sich in dem Ma�e als Geschichte auf, in dem der Ursprung ihres "Stattfindens� unauffindbar wird. Ich habe keine in eine Form zu bringende Antwort auf diese Frage. Aber diese Frage wird uns von der Geschichte der Dekonstruktion und von der Geschichte als Dekonstruktion gestellt. Rousseau: das ist kein Eigenname unter anderen in der de Manschen Dekonstruktion. Weshalb ich ihn
hier ins Ged�chtnis zur�ckrufe. Der erste Augenblick einer Auseinandersetzung* mit dem Wort und dem Motiv der Dekonstruktion durchzieht, wie Sie wissen, eine von Paul de Man betriebene Lekt�re Rousseaus. Es ist jener wichtige Aufsatz mit dem Titel The rhetoric of blindness, der eine origin�re und neuartige Lekt�re Rousseaus vorschl�gt, den Begriff einer die gesamte Arbeit des Buches organisierenden "Rhetorik der Blindheit� ("rhetoric of blindness") definiert und eine Lekt�re Rousseaus diskutiert, an die ich mich in einem kurz zuvor erschienenen Buch gewagt hatte. Ich werde mich hier aus mehr als einem Grund - auf diese Debatte nicht einlassen. Zuvorderst, weil sie mir immer ein wenig r�tselhaft geblieben ist. Dann, weil andere, unter ihnen Paul de Man, selbst darauf zur�ckgekommen sind, und das besser gemacht haben, als ich es hier k�nnte. Ich denke da noch an Rodolphe Gasch�, Suzanne Gearhart, Richard Klein, David Carroll. Abschlie�end und als wichtigster Grund: sollte es in dieser Debatte ein letztes Wort zu sagen geben, so m�chte ich, da� es am heutigen Tag Paul de Man zukommt. Allein aus dem Wunsch heraus, zu ihm zu sprechen, mit ihm zu sprechen und schlie�lich ihm das Wort zu lassen, kann ich fortan �ber ihn sprechen. Hierin �berkreuzen sich unsere Ged�chtnisse, unsere Ged�chtnisAufzeichnungen (nos memoires se croisant ici); ich werde an diese �ffentliche Debatte nicht r�hren, sondern mich darauf beschr�nken, mich in der K�rze der Zeit, die ich f�r einige private Anmerkungen brauche, in ihrem Umfeld umzutun. Die erste Anmerkung. In Europa und in Amerika habe ich, ob es dabei um Dekonstruktion ging oder nicht, das Gl�ck oder auch das Ungl�ck ge habt, ebenso wie Paul de Man und oft in Verbindung
mit ihm, heftige und zahlreiche Reaktionen hervorzurufen: sogenannte "Kritiken�. Nun, niemals ist mir eine Kritik so gener�s in ihrer gleichzeitigen Strenge, so frei von jeder zwanghaften Reaktion, so voller Achtung f�r die Zukunft, ohne jemals ins Anbiederische abzugleiten, erschienen; und niemals ist mir das Akzeptieren einer Kritik leichter erschienen als bei der von Paul de Man in The rhetoric of blindness. Keine andere hat mir so viel zu denken gegeben; und selbst wenn ich mich nicht damit einverstanden f�hlte, so war ich doch auch nicht einfach uneins mit ihr. Ich erinnere mich nicht mehr - und es ist auch nicht sehr wichtig, was ich Paul de Man zur Antwort geschrieben habe, um mich bei ihm zu bedanken, und zweifellos auch, um mich ein wenig zu verteidigen, in einem Brief, von dem ich heute nur noch das eine im Ged�chtnis habe, da� ich ihn von Oxford aus schrieb. Doch um Paul de Man das Wort zu lassen, werde ich mir erlauben - wenn das nicht zu indiskret ist, aber aus dem einen Mal wird keine Gewohnheit werden -, ein Fragment des Briefes zu zitieren, den ich zur Antwort erhielt. Das wird weitaus interessanter sein als das, was ich dazu h�tte oder w�rde sagen k�nnen. Glauben Sie mir, ich habe lange gez�gert, und ich z�gere auch jetzt noch: ist es nicht mi�br�uchlich, verletzend oder indiskret, aus solchen Briefen zu zitieren, und auch dann, wenn man nur fragmentarisch zitiert? Reicht es aus, da� man f�r eine Weile alles das beiseite l��t, was dem Ged�chtnis einer - seiner oder meiner Person zugeh�rt, und sich strikt, sofern das m�glich ist, auf das beschr�nkt, was einen �ffentlichen Austausch, hier: �ber eine bestimmte Lekt�re Rousseaus, betrifft? F�r meine Entscheidung, das Risiko eines Schnittes, einer Entscheidung auf mich zu nehmen, hat den Ausschlag gegeben, was sich
am 25. Februar dieses Jahres ereignet hat genau in dem Augenblick, als ich mit der Vorbereitung dieser Vorlesungen an eben diesem Punkt angelangt war. Ich werde Ihnen die kleine Geschichte erz�hlen. Damit besch�ftigt, Unmengen von Erinnerungen aufzur�hren, habe ich mir an diesem Tag gesagt, da� Rousseau f�r Paul de Man und f�r mich eine ganz besondere Rolle gespielt haben wird. Und das vom ersten Tag unserer Begegnung an, 1966 in Baltimore, wo wir damit begonnen haben: mit der Wiedererweckung des Essai sur l'Origine des Langues, eines damals wenig gelesenen Textes, �ber den wir beide gerade arbeiteten. Von dieser Erinnerung aus, von der ich hier nur den Namen Rousseau festhalte, m�chte ich zu folgender Anmerkung �bergehen: die gesamte - unterbrochene Geschichte der de Manschen Dekonstruktion l�uft �ber Rousseau. Das lie�e sich von dem ersten Essay �ber The Rhetoric of Blindness bis zu den sechs Texten des letzten Teils der Allegories of Reading, in denen eine dekonstruktive Inanspruchnahme der Sprechakttheorie entfaltet wird, verfolgen. Aber nein, habe ich daraufhin zu mir gesagt, denn, wenn das wahr ist, und ich denke, es ist wahr, so mu� man auch den Namen Nietzsche anf�hren, dessen Gestalt und dessen Denken in der gleichen unausstreichbarer Weise daran mitgewirkt, darin beharrt und wiederkehrend eingegriffen haben werden. Das hei�t: Rousseau mit Nietzsche, und der zuletzt genannte gibt eine sehr verl��liche Referenz ab f�r eine Analyse des autobiographisch-politischen Versprechens im Contrat Social: �Alle Gesetze sind auf die Zukunft ausgerichtet und vorausschauend; ihr illokution�rer Modus ist der des Versprechens.21� (Fu�note 21: �In der Genealogie der Moral leitet auch Nietzsche den Begriff eines transzendentalen
Referenten (und die Besonderheit des 'Menschen') von der M�glichkeit ab, Versprechen zu geben. �)27 Rousseau-und Nietzsche also, und ich sage mir, es ist doch seltsam, da� genau dieses Paar mich verfolgt hat, auch mich, und das bereits, bevor ich in der Lage war, mich darauf in Form von Ver�ffentlichungen zu beziehen. Eben erst in der Adoleszenz (Sie sehen, wir streifen doch noch das Genre der �Memoiren� in ihrer schlechtesten Form), las ich sie zu gleicher Zeit und vertraute meine Verzweiflung einer Art intimen Tagebuch an: wie sollte es mir gelingen, in mir diese Bewunderung f�r beide und diese Identifizierung mit beiden miteinander zu vereinen, wo doch der eine so viel schlechtes �ber den anderen sagt? Schlu� mit den �Memoiren� f�r heute! Und auf Paul de Man zur�ckkommend, sagte ich mir dann: ja, auch f�r ihn gab es Rousseau und Nietzsche, ganz allgemein gesagt sind sie die zwei Verk�rperungen oder die zwei Teile der Allegories of Reading. Das ist nicht zu �bersehen. Doch da wurde ich von einer weiteren Evidenz �berrascht: es gibt dabei noch einen dritten, es gibt eine dritte Identifikation: H�lderlin. Dieses Mal ist es die seine und nicht die meine. Aus Gr�nden, die hier nicht von Bedeutung sind, ist meine Vertrautheit (familiarit�) mit H�lderlin ein wenig abstrakt geblieben oder l�uft genau �ber die Verwandtschaft (famille) von Heidegger oder �ber die Verwandtschaft von Paul de Man. Halt, sage ich daraufhin zu mir: H�lderlin zwischen Rousseau und Nietzsche. Was f�r eine Dreieinigkeit! Aber das sind doch die drei Verr�ckten der Moderne des Abendlandes! Die drei Vermesser des Ma�losen, an denen die Moderne des Abendlandes gemessen wird.28 Somit h�tte Paul de Man sein Leben lang �ber das Gesetz und das Geschick des
Abendlandes (den Logos, die Rhetorik, das Versprechen, die Philosophie, die Literatur, die Politik) gemeinsam mit den drei Verr�ckten des Abendlandes (Austin h�tte wahrscheinlich von �au�ergew�hnlichen F�llen� gesprochen) nachgedacht, h�tte aus einer Art amerikanischem Exil, wo ihm einer seiner Freunde den zus�tzlichen Namen �H�lderlin in Amerika� gab, ihrem Wahnsinn gelauscht, und so weiter! Wie in einem Tagtraum lie� ich meine Gedanken an diesem Thema des Wahnsinns entlang schweifen - die Gestalt des de Manschen Denkens als ein Denken des Wahnsinns, als denkendes Ged�chtnis oder als Geschichte des Wahnsinns in Abendland und Moderne, eines zu Amerika geh�renden Wahnsinns, nicht in dem Sinne, da� Amerika wahnsinnig w�re, sondern als das Gebot, Amerika von der Scharfsinnigkeit des Wahnsinns her, im Lichte eines Verr�cktseins zu denken. Tagtr�umend bewegte ich mich in diesen Gefilden, ohne zu wissen, wohin ich ging, und ohne zu wissen, ob ich jene Brieffragmente ver�ffentlichen sollte; zumindest f�r die Freunde, die Leser und die Studenten von Paul de Man k�nnten sie von Interesse sein und an die um Rousseau gef�hrte Diskussion mit einem �ffentlichen Beitrag ankn�pfen. Daraufhin sagte ich mir, da� ich alle diese Briefe ein weiteres Mal lesen mu�, bevor ich dar�ber eine Entscheidung treffen kann. Und weil ich darin dieses wiedergelesen habe, was genau an den Wahnsinn r�hrt, habe ich - zu Recht oder zu Unrecht angenommen, da� ich mich �ber jedes Verbot, aus dieser privaten Korrespondenz zu zitieren, hinwegsetzen kann. Ich wiederhole, ich entnehme nur das, was alles in allem sich nicht auf mich bezieht. Hier also ein erstes Fragment, ein Brief vom 9. Juli 1970 aus Zumikon in der Schweiz, noch vor
der Ver�ffentlichung von The Rhetoric of Blindness. Ich hatte davon das Manuskript erhalten und mich bei Paul de Man daf�r bedankt, woraufhin er mir in folgender Weise antwortete: Es war weder die rechte Zeit noch der rechte Ort, um anderentags aufs Neue �ber Rousseau zu sprechen, und ich wei� auch nicht, ob Sie den mindesten Grund haben, auf diese Frage zur�ckzukommen. Ihre Zusicherung eines "Einverst�ndnisses� (ich hatte mich gen�tigt gesehen, dieses Wort in meinem Brief zu schreiben - J. D.) kann nur aus H�flichkeit erfolgt sein, denn, wenn Sie Einw�nde haben gegen das, was ich �ber die Metapher behaupte, so m�ssen Sie zwangsl�ufig gegen alles Einw�nde haben. Mein Essay gleitet aus Gr�nden der �konomie �ber eine ganze Reihe von Fragen und Komplikationen hinweg, die indessen, so wie ich das sehe, die zen trale These nicht entkr�ften. Ich wei� noch immer nicht, warum Sie daran festhalten, Rousseau einen Wert an Radikalit�t zu verweigern, den Sie Mallarm� und ohne jeden Zweifel Nietzsche zubilligen; ich denke, da� es hermeneutischer und nicht historischer Gr�nde wegen geschieht, aber ich t�usche mich sicherlich. Der Text wird im Oktober in Po�tique erscheinen in einer �bersetzung, die mir getreu zu sein scheint. F�r den in Po�tique erschienenen Text mu� ich wohl Paul de Man aufs Neue gedankt haben, denn ein Brief aus Z�rich, einige Monate sp�ter, vom 4. Januar 1971, sagt seinerseits in Gestalt einer Danksagung folgendes (es ist nach wie vor ein Auszug; ich habe es nicht vermocht, darin auch noch inmitten bestimmter S�tze und zwar unter dem Vorwand, da� sie an mich adressiert seien -, alle Gesten einer gro�z�gigen H�flichkeit, auszustreichen): Ihre Kommentierungen sind f�r mich um so wertvoller, als ich noch immer dabei bin, �ber Rousseau (und
Nietzsche) zu arbeiten. Es gibt keine Uneinigkeit zwischen uns �ber die Grundlage Ihres Gedankengangs, aber eine bestimmte Divergenz in unserer Weise der Nuancierung und Situierung Rousseaus. Diese Divergenz ist f�r mich wichtig, denn die Begriffe, mit deren Hilfe ich zur Frage nach der Schrift hatte gelangen k�nnen, bevor ich von Ihrem Denken profitieren konnte, hatten mich vor allem von Nietzsche (und von H�lderlin) her erreicht. (Eine zweite Parenthese: �Rousseau (und Nietzsche)� vier Zeilen weiter oben, und hier nun: "Rousseau (und H�lderlin)� - J. D.) Der Wunsch, Rousseau um jeden Preis (wie Sie sagen) vom Vorwurf der Blindheit auszunehmen, ist f�r mich also eine Geste der Treue gegen�ber meinem eigenen Denkweg. Rousseau hatte mich zu einem bestimmten Verstehen gef�hrt, das mir - sofern man alle Proportionen wahrt - dem sehr nahe schien, worin Sie die Kraft zu Ihrem Anfang gefunden haben. Und so wie der Essai sur l'Origine des langues einer der Texte ist, auf den ich mich seit langer Zeit gest�tzt habe, so habe ich mich gen�tigt gesehen, eine gewisse Beharrlichkeit darauf zu verwenden, seinen relativen Scharfsinn, dem ich viel abgewannen hatte, zu verteidigen. Das hei�t, ich habe Rousseau nicht von der Blindheit befreien, sondern allein aufzeigen wollen, da� er f�r die spezifische Frage nach der Rhetorizit�t der Schrift nicht blind war. Das gibt seinem Text den besonderen Status, �ber den wir uns, denke ich, einig sein werden, ihn einen "literarischen" zu nennen. Da� dieser Scharfsinn durch eine vielleicht viel verheerendere Blindheit verdoppelt wird - und die zum Beispiel der Wahnsinn w�re, habe ich in diesem Text zu sagen nicht f�r notwendig befunden, aber ich werde dar�ber bez�glich der Dialoge und vor allem bez�glich des mile, der mir einer der verr�cktesten Texte zu sein scheint, die es gibt, sprechen.29 Der weitere Fortgang des Briefes betrifft � spezielle Punkte�: Es ist manchmal, sagt
Paul de Man, einfach nur eine Frage der Formulierung. Ich habe zum Beispiel nicht behaupten wollen, da� der "Ton" der "Referent" f�r die Musik sei, sondern da� - in Paraphrase Rousseaus - das Schweigen als Verneinung des Tones es sein kann. Was die grunds�tzliche Frage angeht, die nach der Bedeutung als Entleerung, als Scheitern oder Verweigerung von Sinn, denke ich nicht, da� wir dar�ber uneins sind. Ich gebe gern zu, da� ich in der polemischen Form, die ich in meinem Essay angenommen habe, zu wenig dialektisiert habe, aber das hat damit zu tun, da� Ihre Version von Rousseau in der Tat den Gegenpol besetzt hielt. Ich komme darauf immer wieder zur�ck bei meinen augenblicklichen Bem�hungen bez�glich Rousseau und Nietzsche, und wir werden vielleicht sp�ter wieder dar�ber sprechen k�nnen. Das war 1971, und ich glaube, da� wir niemals wieder dar�ber gesprochen haben, zumindest nicht in der Weise eines Gespr�chs, einer direkten Diskussion oder auch eines Briefwechsels. Und diese Verschwiegenheiten geh�ren zu den schwindelerregenden Abgr�nden des UnGesagten, �ber denen das Ged�chtnis einer Freundschaft als die erneuerte Treue eines Versprechens sich h�lt - ich behaupte nicht, da� es sich darauf gr�ndet. Dieses Un-Gesagte ist nicht immer das, was, ohne da� es gesagt wird, im Spiel ist; sondern es ist auch das in der unaufh�rlichen Bewegung einer Schrift, die alsdann zu entziffern aufgegeben bleibt, Ausgestrichene. Denn in gewisser Weise haben wir �ber das, wovon Paul de Man sagte, �da� wir vielleicht sp�ter wieder dar�ber sprechen (werden) k�nnen�, und wozu ich gerade sagte, da� wir niemals wieder dar�ber gesprochen haben, in Wirklichkeit niemals zu schreiben aufgeh�rt seit damals, so als wollten wir uns darauf vorbereiten, um eines Tages, um an einem Tag, an dem wir schon sehr alt sein werden, wieder
dar�ber zu sprechen. Alles in allem ein Versprechen. Als wenn wir uns "verabredet�, �das Wort gegeben� h�tten ("donne le mot"). "Sich verabreden� ("se donner le mot"), sich �ber den geheimen Code eines Zusammentreffens verst�ndigen, zum Beispiel, und "sein Wort geben� (�donner sa parole") sind nicht genau dasselbe, aber kann man beides voneinander trennen? Was ist ein "gegebenes Wort�? Und was ist die Bedeutung eines "gegebenen Wortes�? Wir sollten vielleicht sp�ter wieder dar�ber sprechen. Ich habe bereits zu sehr �ber Ihre Zeit verf�gt. Ich mu� jetzt zur Schlu�folgerung voraneilen und Ihnen knapper denn je mitteilen, was ich h�tte umrei�en wollen, wenn wir mehr Zeit gehabt h�tten. Ich h�tte gern zu Ihnen �ber das Denken von Paul de Man und �ber die "Dekonstruktion in Amerika� unter dem dreifachen Gesichtspunkt der Geschichte, der Literatur und der Politik gespro chen. Ein nicht gehaltenes Versprechen, aber Sie verstehen, warum ich Rousseau ersucht habe, mich zu diesen Fragen hinzuf�hren, ich meine den von Paul de Man ausgelegten Rousseau des Contrat Social. Das, was Paul de Man eine "textuelle Allegorie� nennt, r�ckt mit Macht die "Literarizit�t� oder "Fiktionalit�t� des politischen Diskurses oder mehr noch des bez�glich der "Politizit�t� des Politischen niedergeschriebenen Versprechens ins Licht. Und diese Struktur textueller, Geschichte machender Allegorien (" . . . textual allegories . . . generate history ") stellt sich desgleichen als eine "Allegorie der Unlesbarkeit� in einer sehr strikten Bedeutung des Ausdrucks, das hei�t auch als etwas Aporetisches, dar: Wahnsinn des Versprechens und Wahnsinn des Ged�chtnisses. Aporetisches und Wahnsinn. Das Wort (der) Aporie taucht in den letzten
Texten von Paul de Man immer wieder auf. Ich denke, da� man es falsch verstehen w�rde, wenn man sich allein an die seiner Buchst�blichkeit n�chste Bedeutung hielte: Abwesenheit des Weges, L�hmung angesichts des fehlenden Durchgangs, Erstarrung des Denkens, Unm�glichkeit des Vorankommens, Absperrung vor der Zukunft. Es scheint mir im Gegenteil so zu sein, da� die Erfahrung der Aporie, so wie de Man sie entziffert, das Denken des Weges gibt oder verspricht und sogar die M�glichkeit dessen zu denken provoziert, was noch an Undenkbarem oder Ungedachtem, ja, an Unm�glichem verbleibt. Im Wahnsinn des Aporetischen gewinnen die Figuren der Rationalit�t Profil und schneidende Sch�rfe. Doch das Aporetische macht uns stets im zugleich un�berschreitbaren und unzureichenden System einer Opposition, ja eines Widerspruchs bewegungsunf�hig. Die Aporie ist als Schein, in ihrer negativen Erscheinung, genau die negative Zusammenziehung einer Dialektik, sie ist eine Dialektik, die ihren Weg oder ihre Methode, ihren gro�en methodischen Zirkel nicht findet. Hier nun einige Beispiele f�r diese Oppositionen, bei denen Paul de Man verweilt haben wird, um an ihnen die irreduzible Aporie zu beschreiben: die Allegorie und die Ironie, das Performativum und das Konstativum. Besonders am Sujet der zweiten Opposition hat sich ihm das Wort (der) Aporie aufgedr�ngt. Aber jedes Mal f�hrt die Aporie einen Ged�chtnissprung und eine Denkverschiebung ein, die nicht auf eine gegen�ber der Opposition "�ltere� Einheit zur�ck-, sondern zu einem neuartigen Denken der Disjunktion hinf�hrt, einer Disjunktion, deren Struktur eine ganz andere, eine vergessene oder zuk�nftige, eine zuk�nftige, weil vergessene, und stets von einer Opposition
vorausgesetzte ist. Wir haben durch The Rhetoric of Temporality in Anbetracht des Paares Allegorie/Ironie einen ersten Eindruck davon erhalten. Am Sujet des Paares Performativum/ Konstativum wird das in den neueren Texten noch deutlicher. Und die Aporizit�t verk�ndet es eher noch, als da� sie es untersagt, genauer: sie verspricht durch ihre Untersagung hindurch ein anderes Denken, einen anderen Text, die Zukunft eines anderen Versprechens. Auf einen Schlag wird die Sackgasse (dead-end) zum "vertrauensw�rdigsten�, zum "verl��lichsten� Ort oder Augenblick, um eine Frage wiederzubeleben, die letzten Endes auf H�he dessen oder dem angemessen ist, was an Schwierigem zu denken bleibt. Die strenge Beweisf�hrung der Rhetorik der Persuasion (Nietzsche)30 l�uft mit Bestimmtheit auf eine Aporie hinaus, und zwar genau am Sujet des Paares Konstativum/Performativum, aber diese Aporie beruft sich auf (fait appel) und bestimmt gewisserma�en den Ort, auf den ein Ged�chtnisakt sich berufen kann. Auf diese Weise werden wir an einen Ort zur�ckgerufen, der den Oppositionen (Performativum/Konstativum, aber auch Literatur und Philosophie, und demzufolge vielen anderen) "voraus�liegt; er verschafft oder verspricht also einen "etwas verl��licheren ,Referenz'punkt, von dem her die Frage zu stellen ist�. Die "Verl��lichkeit� wird zweifellos ungewi� und bedroht sein durch das, was jedes Versprechen zu etwas Notwendigem und zu etwas Wahnsinnigem macht; aber sie wird deshalb nicht weniger versprochen werden. Und dieser Akt des Ged�chtnisses verspricht ein Denken des Aktes, den die Theoretiker des Sprechaktes niemals gedacht und nicht einmal vermutet haben, obgleich sie doch
selbst das Performativum als ein agierendes, als ein handelndes Sprechen definierten. Nachdem er die rhetorische Struktur der "Dekonstruktion von Denken als Akt�, Nietzsche folgend, analysiert hat,32 streicht Paul de Man an diesen Begriffen die Fiktionalit�t und Unentscheidbarkeit (eine andere Form der Aporizit�t) heraus: Der erste Passus (Abschnitt 516) �ber Identit�t zeigte, da� konstative Sprache tats�chlich ("in fact" - ich hebe abermals das Eigent�mliche dieses "in fact" hervor, damit davon Notiz genommen wird) performativ ist, aber der zweite Passus (Abschnitt 477) behauptet, da� die M�glichkeit f�r Sprache, etwas auszuf�hren, ebenso fiktional ist wie die M�glichkeit f�r Sprache, etwas zu behaupten. Da die Analyse an Passagen vorgenommen wurde, die f�r Nietzsches Dekonstruktionsverfahren auf dessen vorger�cktester Stufe repr�sentativ sind, k�nnte gefolgert werden, da� bei Nietzsche die Kritik der Metaphysik als die Dekonstruktion der Illusion beschrieben werden kann, da� die Sprache der Wahrheit (episteme) durch eine Sprache der Persuasion (doxa) ersetzt werden k�nnte. Was zu einer gesicherten Priorit�t von "Setzen" �ber "Erkennen", von Sprache als Aktion �ber Sprache als Wahrheit zu f�hren scheint, erreicht nie ganz sein Ziel. Es geht �ber es hinaus oder bleibt davor zur�ck, und w�hrend es das tut, enth�llt es, da� das Ziel der Kritik, von dem man seit langem annahm, es sei aus dem Weg ger�umt, blo� verschoben wurde. Der episteme ist schwerlich ihre fr�here Pracht ungeschm�lert zur�ckzugeben, aber sie ist auch noch nicht v�llig aus dem Spiel gebracht. Die Differenzierung zwischen performativer und konstativer Sprache (die Nietzsche vorwegnimmt) ist unentscheidbar; die Dekonstruktion, die von einem Modell zum anderen f�hrt, ist unumkehrbar, aber sie bleibt stets in der Schwebe, wie oft sie auch wiederholt werden mag. Eine derartige
Unentscheidbarkeit ist die Bedingung einer jeden Dekonstruktion: zugleich im Sinne der Bedingung der M�glichkeit und sogar der Wirksamkeit, und im Sinne von Gegebenheit oder Geschick. Zur Dekonstruktion kommt es unter dieser Bedingung (a cette condition) und unter diesen Umst�nden (dans cette condition). Es gibt darin ein Verm�gen (eine M�glichkeit) und eine Grenze. Aber diese Grenze, diese Endlichkeit, gibt das Verm�gen und die Veranlassung zum Schreiben, sie verpflichtet gewisserma�en die Dekonstruktion dazu, zu schreiben, sich ihren Weg zu bahnen, indem sie ihren "Akt�, der immer Akt des Ged�cht nisses ist, an die versprochene Zukunft eines zu signierenden Textes bindet. Das Hin- und Herfahren der Unentscheidbarkeit spielt die Rolle des Weberschiffchens und webt einen Text; es erzeugt einen Weg der Schrift durch die Aporie hindurch, sofern das m�glich ist. Es ist unm�glich, aber niemand hat je behauptet, da� die Dekonstruktion, da� eine derartige Technik oder Methode m�glich sei; sie wird allein gemessen am Unm�glichen und dem, was noch als undenkbar verk�ndet wird, gedacht. Der Passus, den ich gleich zitieren m�chte, ist - genau wie der Schlu� des Kapitels Promises (Social Contract) - unter anderem wegen der strengen Bestimmung der Textualit�t des Textes von Interesse. Paul de Man ist darin zu einer Definition der Rhetorik als Text gelangt im Durchgang durch ein Denken der Dekonstruktion, das hei�t notwendigerweise einer AutoDekonstruktion, in der das autos oder das self, das Selbst, sich weder reflektieren noch totalisieren, sondern allein sich schreiben und in der Falle des Versprechens verfangen k�nnte. Kommen wir also zu dem angek�ndigten Passus: Als Persuasion aufgefa�t ist Rhetorik performativ, doch als ein System von Tropen betrachtet, dekonstruiert sie ihre eigene Performanz. Rhetorik ist darin ein Text, da� sie zwei miteinander unvertr�gliche, wechselseitig selbst-zerst�rerische Blickpunkte erm�glicht und deshalb jedem Lesen oder Verstehen ein un�berwindliches Hindernis in den Weg legt. Die Aporie zwischen performativer und konstativer Sprache ist blo� eine Version der Aporie zwischen Trope und Persuasion, die die Rhetorik sowohl hervorbringt wie auch paralysiert und ihr so den Anschein einer
Geschichte verleiht. Man ist folglich verpflichtet, die Rhetorik und die Geschichte als diesen Text zu denken, ausgehend von einer Aporie, die aufgrund ihrer l�hmenden Wirkung sch�pferisch ist, in Bewegung setzt, zu schreiben veranla�t und zu denken gibt, so wie sie die Grenzen zwischen den Regionen des Textes verwischt: Wenn die Kritik der Metaphysik als eine Aporie zwischen performativer und konstativer Sprache strukturiert ist, so ist dies dasselbe wie wenn man sagt, da� sie als Rhetorik strukturiert ist. Und da, wenn man den Ausdruck �Literatur� beizubehalten w�nscht, man kaum z�gern sollte, sie mit Rhetorik zusammenzubringen, so w�rde daraus folgen, da� die Dekonstruktion der Metaphysik oder Philosophie eine Unm�glichkeit ist in dem Ma�, wie sie "literarisch" ist. Dies l�st keineswegs das Problem der Beziehung zwischen Literatur und Philosophie bei Nietzsche, aber setzt wenigstens einen etwas verl��licheren "Referenz"punkt, von dem her die Frage zu stellen ist.35 Die Formulierung h�lt sich vorsichtig zur�ck (�einen etwas verl��licheren...�), ist eher ironisch, das Wort �Referenz" steht in Anf�hrungszeichen und ist selbst Gegenstand im Fortgang einer Lekt�re Nietzsches. Nichtsdestoweniger handelt es sich dabei um eine kr�ftige erneute Anregung dessen, was die Dekonstruktion in ihrer Strategie und eben auch in ihrer Politik sein kann und zu sein verm�gen wird. Man k�nnte die Kontinuit�t und die Diskontinuit�t des de Manschen Anliegens, von Blindness and Insight an, nachweisen, insbesondere, was die Beziehungen zwischen Dekonstruktion, Rhetorik, Literatur und Geschichte angeht. Jedenfalls macht die notwendige Umwandlung des Textbegriffs den Durchgang durch textuelle Ereignisse
von der Art wie diejenigen, deren Ged�chtnis und Geschichte wir zum Beispiel unter den Namen von Rousseau oder von Nietzsche akkumulieren, zu etwas Unumg�nglichen. Sie geh�ren zur Geschichte oder zum Weg dieser eigenartigen Aporie, die man �Dekonstruktion" hei�t. Es gibt kein Jenseits des Unentscheidbaren, und doch bleibt dieses Jenseits ein zu Denkendes, ausgehend von diesem �etwas verl��licheren ,Referenz'punkt"; und man kann nicht anders als sich in einem Versprechen auf diese Sache (sujet) verpflichten, zu dieser Sache sein Wort geben, selbst wenn man es in einer ironischen Signatur verleugnet; es bleibt dabei, da� eine andere Unentscheidbarkeit zu denken ist, eine Unentscheidbarkeit, die nicht mehr an die Ordnung des Kalk�ls zwischen den zwei Polen einer Opposition gebunden ist, sondern an das Unkalkulierbare eines ganz anderen: das Kommen oder der Ruf des anderen. Etwas notwendig Unvorhersehbares, Aleatorisches jenseits jeglichen Kalk�ls. Es gibt kein Diesseits des Unentscheidbaren, gewi�; aber ein anderes Ged�chtnis ruft uns auf, erinnert uns, einen �Akt" oder ein �Sprechen" oder einen �Sprechakt" zu denken, der der Opposition Performativum/Konstativum widersteht und in einem die Aporie und die Bewegung, den Bezug des einen auf das andere, das hei�t die Geschichte und den Text, hervorruft. Aber wir wissen auch - und gestern haben wir es uns ins Ged�chtnis zu r�ckgerufen, da� dieses eigent�mliche Ged�chtnis uns nicht in eine zeitliche Vorg�ngigkeit zur�ckf�hrt. Es wird keinen �lteren oder urspr�nglicheren �dritten Term� geben, an den wir uns zu erinnern h�tten, auf den hin wir unter der aporetischen Disjunktion aufgerufen w�ren, uns
zu erinnern. Deshalb wird das der nicht-dialektisierbaren Opposition Widerstehende, das ihr gewisserma�en �Vorangehende�, noch den Namen von einem der Terme tragen und einen rhetorischen Bezug auf die Opposition bewahren. Es wird der Bezug einer Figur, ein durch eine Figur darstellbarer Bezug sein. Er wird die Figur der Opposition haben und stets ihre parasit�re Einnistung dulden. Man wird zum Beispiel den Akt (es kann, mu� aber nicht, der des Sprechens sein), der der Opposition einer Sprache des Aktes und einer Sprache der Wahrheit, der Opposition von Performativum und Konstativum, vorausgeht, einen �Akt� hei�en. Man k�nnte dergleichen �ber die Position(Setzung*, sogar �bersetzung*)behaupten: selbst wenn diese eine metaphysische Bestimmung des Seins (wie das Heidegger behauptet) bleibt, so wird sie ihren Namen doch f�r eine Bewegung hergeben, die sich nicht darauf reduziert. Das Eingehen (mise) des Versprechens ist eine in die Pflicht nehmende Setzung. Man k�nnte desgleichen f�r Worte wie �Dekonstruktion� oder �Ged�chtnis� behaupten: das Ged�chtnis ohne zeitliche Vorg�ngigkeit, das Ged�chtnis einer Vergangenheit, die niemals gegenw�rtig gewesen ist, ein Ged�chtnis ohne Ursprung, ein Ged�chtnis der Zukunft, das ist ohne einen �ber Konvention oder Entsprechung geregelten Bezug zu dem, was wir gew�hnlich Ged�chtnis nennen. Und doch wird man diesen Namen beibehalten, der unter bestimmten von der Schrift abh�ngigen Bedingungen etwas von dem zu denken zu geben vermag, zu dem er ohne Bezug zu sein scheint. Von daher die Irreduzibilit�t der Allegorie, der Rhetorik und jener wesentlichen �Unlesbarkeit� des Textes: zum Beispiel der Bewegung, durch die das Dekonstruktionsschema eines Textes sich genau von dem, was es dekonstruiert,
kontaminieren, parasit�r �bernehmen lassen mu�, so da� es dahinein �zur�ckf�llt�. Dieser Struktur hat Paul de Man den Namen einer "Allegorie der Unlesbarkeit" gegeben.36 Wenn diese Allegorie eine �metafigurale� ist, so nicht, um der Figuralit�t zu entgehen, sondern, weil sie im Gegenteil eine Figur der Figur bleibt: Eine derartige Allegorie ist metafigural: sie ist die Allegorie einer Figur (zum Beispiel die Metapher), die in die von ihr dekonstruierte Figur zur�ckh�llt. Der Gesellschaftsvertrag (Social Contract) f�llt in dem Ma�e unter diesen Titel, in dem er in der Tat wie eine Aporie strukturiert ist: er beharrt auf der Ausf�hrung dessen, von dem er gezeigt hat, da� es unm�glich getan werden kann.37 Die Rhetorik bezeichnet nicht nur eine konstituierte Disziplin, ein System von Techniken oder diskursiven Gesetzen; in jedem Fall ist sie das, aber sie ist auch anderes in dem Ma�e, in dem sie sich schreibt, indem sie ein Versprechen, eine Signatur, einen Text zugleich einbringt und entwendet: � Rhetorik ist ein Text...� Wir m�ssen jetzt ganz schnell weitergehen, noch schneller als bisher - und sicher viel zu schnell. Legen wir also drei Punkte fest, nicht Punkte eines Diskurses, sondern einer Auseinandersetzung* zwischen der Dekonstruktion und einer bestimmten Stimme des Heideggerschen Textes (weniger denn je werde ich hier die Summe der Stimmen und den vollst�ndigen Text Heideggers vortragen). Aber die fragliche Stimme scheint oft dominant zu sein. 1. Genau wie er behauptet: �Die Wissenschaft denkt nicht� oder: �Das Wesen der Technik ist selber nichts Technisches�, w�rde Heidegger in derselben �Logik� behaupten: Die Rhetorik ist nur eine abgeleitete, sp�te und selbst technische Disziplin oder
Region, sie betrifft nur eine Modalit�t des Sprechens: das denkende Sprechen, das Denken der Rhetorizit�t ist selbst nichts Rhetorisches. Dasselbe hat er �ber die Sprachwissenschaft und �ber die Zeichentheorie behauptet. Doch die Dekonstruktion ist zumindest in der Sache nicht mehr �heideggerianisch�: aber ja doch, die Wissenschaft kann denken, das Wesen der Technik und das Denken dieses Wesens bewahren etwas vom Technischen; das Denken der Rhetorizit�t ist weder der Rhetorik �berlegen noch hat es dieser etwas voraus und hat ihren Ort auch nicht anderswo als diese; das Denken der Rhetorizit�t ist der Rhetorik nicht fremd. Und genau diese durch Heidegger in Anspruch genommene Hierarchie, Grenzziehung, Reinheit dekonstruiert sich selbst, �dekonstruiert�, wie Paul de Man es in einem anderen Kontext sagt, �den hehren Begriff des Selbst�.38 Seitdem konstituiert jedes dekonstruktive Denken einen Text, der seine rhetorische Singularit�t, die Figur seiner Signatur, sein Pathos, seine Anordnung, seinen Stil im Eingehen von Versprechen usw. ausf�hrt. Auch der Text Heideggers ist eine Rhetorik, eine textuelle Rhetorik; man mu� sie nur als solche analysieren k�nnen. Keine �Dekonstruktion in Amerika� ohne diesen Bezug auf Heidegger. Nicht einmal auf tausend verschiedene Weisen wird man mit Gewi�heit die Notwendigkeit von allen Wegen, die Heidegger eingeschlagen hat, umrei�en k�nnen; man kann diesem Denken nicht �n�her� sein, aber auch nicht ferner, heterogener zu ihm (was nicht das Gegenteil besagt), als wenn man eine Behauptung folgenden Typs riskiert: das Wesen von jenem ist jenes, das Wesen von Technik ist (immer noch) Technik; zwischen dem denkenden Denken oder dem denkenden Ged�chtnis * zum einen und der
Wissenschaft, der Technik, der (mnemotechnischen) Schrift zum anderen gibt es keinen Sprung und auch keinen Abgrund; oder besser noch: die Aufrechterhaltung - in Heideggerscher Manier einer Heterogenit�t zwischen dem Wesen der Technik und der Technik (im �brigen eine der ganz traditionellen Gesten), zwischen dem denkenden Ged�chtnis und der Wissenschaft, dem denkenden Ged�chtnis und der technizistischen Schrift, ist eine Schutzma�nahme gegen eine andere abgr�ndige Gefahr, und zwar die einer parasit�ren Kontamination, einer nichtoppositionellen diff�rance usw. Man kann unm�glich die Gefahr und das Gewicht dieses kurzen Satzes �Das Wesen der Technik ist der Technik selbst nicht fremd�, zum Beispiel, �bersch�tzen. Dem Augenschein nach ein ganz trivialer Satz, kann er in der F�lle seiner Konsequenzen die Bedeutung der grundlegendsten philosophischen Geste aufs Neue in Frage stellen. 2. Kann das Ged�chtnis ohne zeitliche Vorg�ngigkeit, das hei�t ohne Ursprung, zu einem Heideggerschen Thema werden? Ich glaube es nicht. Auch mit allen hier zu beachtenden Vorsichtsma�regeln k�nnen wir im Heideggerschen Text eine nicht weg zu denkende Bezugnahme auf die Urspr�nglichkeit, auch wenn man mit dieser keinen etymologischen Anspruch erhebt, nicht ausstreichen. Man k�nnte daf�r viele Beispiele angeben; begn�gen wir uns mit diesem einen, denn es ber�hrt das Ged�chtnis: Das anf�ngliche Wort* der "Gedanc� sagt: das gesammelte, alles versammelnde Gedenken*. "Der Gedanc�* sagt soviel wie das Gem�t*, der muot, das Herz. Das Denken im Sinne des anf�nglich sagenden Wortes* "der Gedanc� ist fast noch urspr�nglicher* als jenes Denken des Herzens, das Pascal in sp�teren Jahrhunderten und bereits im Gegenzug gegen das
mathematische Denken zur�ckzugewinnen versuchte.... Im anf�nglichen Wort "der Gedanc" waltet das urspr�ngliche Wesen des Ged�chtnisses *. . . Indem Paul de Man die Auto-Dekonstruktion des Hegelschen �Ecksteins� sichtbar werden l��t, stellt er das Ursprungsdenken in Frage, welches das Ged�chtnis au�erhalb der Technik, der Wissenschaft und der Schrift und gesch�tzt vor ihnen situieren w�rde. Das diesseits der Oppositionen (und seien es auch dialektische), von Allegorie und Ironie, von Performativum und Konstativum usw., den kende Ged�chtnis stellt nicht irgendeinen besonders geheimen Ursprung blo�. Es schreibt und schreibt und verspricht die Rhetorik eines anderen Textes. 3. Vor allem denkt es sich nicht als Versammlung; es reduziert niemals die disjunktive Differenz. Wir haben hinreichend auf dem de Manschen Motiv der Disjunktion beharrt; ich m�chte darauf nicht mehr zur�ckkommen. Wie kann man hingegen bestreiten, da� f�r Heidegger das Wesen des Ged�chtnisses zuvorderst und urspr�nglich in der Versammlung* beruht, selbst wenn man dieses von jeder Synthese, Syntax oder Komposition unterscheidet? Einige bereits zitierte Beispiele (von denen es viele weitere gibt): �,Ged�chtnis'* bedeutet anf�nglich* durchaus nicht das Erinnerungsverm�gen*. Das Wort nennt das ganze Gem�t im Sinne der steten innigen Versammlung*. . . �40 Ich hebe daran besonders �Gem�t� und �innig� hervor. Weiter unten: �Das Ged�chtnis bestimmten wir als die Versammlung des Andenkens*. � Die Abwertung dieser urspr�nglichen Bedeutung, ihre �Verk�mmerung�, ihre �Verengung� und ihre �Verarmung� werden der Schulphilosophie angelastet als auch den technischwissenschaftlichen Definitionen.42
Diese Auslegung - und diese Rhetorik - sind auch f�r eine Politik bestimmend: nicht nur im Hinblick auf Geschichte, Technik und Wissenschaft, sondern auch im Hinblick auf Rhetorik und Politik, auf Schrift und literarische Schrift. Wir haben soeben erfahren, wie Heidegger deren Zuge h�rigkeit bestimmt hat: au�erhalb von Denken und Dichtung, an ihrem �Ausgang� und abgeschlossen von ihnen. An diesem Punkt h�tte ich gern - wenn wir die Zeit daf�r gehabt h�tten zu Ihnen �ber die Politik der �Dekonstruktion in Amerika� sprechen wollen, insbesondere �ber die de Mansche Dekonstruktion. Sie kann nur, so scheint es mir, von der N�he und von der Abweichung aus, deren R�tselhaftigkeit wir gerade wahrgenommen haben, entziffert werden. Innerhalb und au�erhalb der akademischen Institutionen. Alle von Paul de Man vorgelegten Lekt�ren sagen etwas aus - und das in einer zunehmend expliziten Weise - �ber institutionelle Strukturen und die politischen Eins�tze, die bei hermeneutischen Auseinandersetzungen im Spiel sind. Deren Kennmarken sind zumeist zur�ckhaltend gesetzt, aber stets deutlich und einschneidend, und stets nicht gegen die Profession oder die Institution, sondern gegen die Akademismen von rechts und von links, gegen einen den unpolitischen Traditionalisten und den Aktivisten gemeinsamen Konservativismus gerichtet. Die Einleitung zu Hegel on the sublime beschreibt diese � symmetrischen Gesten". Die �Reaktion�re� und die �politischen Aktivisten" verleugnen f�rwahr, aus einem Schutzbed�rfnis heraus, den politischen Einsatz und die politische Struktur des Textes, die politische Allegorie des literarischen Textes nicht weniger als die allegorische und literarische Struktur des politischen Textes. Mit zunehmender Tendenz hat Paul
de Man in den politisch-institutionellen Auseinanderset zungen um die Dekonstruktion �ffentlich Stellung bezogen. Diese Stellungnahmen konnten nicht die codierte Einfachheit wohlbekannter Oppositionen und vorhersehbarer, unverzeihlich langweiliger Kathederpredigten haben. Die �Politik" von Paul de Man l��t sich weder in ihren Akten noch in dem, was sie zu entziffern aufgibt, von jenem Denken des Politischen und des Gesetzes abtrennen, das sein ganzes Werk durchzieht. Noch hierin m��te man der Lekt�re von Rousseau und nicht minder der von Nietzsche als einem roten Faden folgen. Das Wort �Politik� greift hier m�glicherweise nicht mehr. Es ist gleichfalls allegorisch. Political Allegory war der erste Titel von Promises, und dieser Essay beginnt mit der Demonstration der Unm�glichkeit, den � referentiellen Status� solcher Termini wie �politisch�, �religi�s�, �ethisch", �theoretisch� usw. zu retten. Jede dieser �thematischen Kategorien� �wird durch die sie konstituierende Aporie auseinandergerissen�.44 Aber das, was (beispielsweise) eben jener Text zum Sujet des Gesetzes, des Aktes und des Versprechens signiert, ank�ndigt, verspricht, bildet meines Erachtens die beste Einf�hrung in das, was die Beziehung Paul de Man's zur �Politik�, zu dem, was wir sorglos und allt�glich �die Politik� hei�en, sein k�nnte, die beste Einf�hrung in seine �Erfahrung� der Sache. Gehen wir weiter und zwar - aus Mangel an Zeit noch schneller: die in Promises in expliziter und nachdr�cklicher Weise formulierte �Definition� des Textes, wobei das Wort �Definition" durchge hend in Anf�hrungszeichen belassen wird (�Wir hei�en Text eine Entit�t, die... Die ,Definition' des Textes...�,45 angek�ndigt durch ein �Wir haben uns der
,Definition' des Textes St�ck und St�ck angen�hert�,46 steht in einem privilegierten Bezug zur Politik. Der Gesetzestext oder der politische Text macht die Struktur des Textes im allgemeinen st�rker explizit und sorgt besser f�r die Offenlegung dieser Struktur. Er �definiert� den allgemeinen Text besser als ein anderer. Und es gibt keine �Politik� ohne diesen Text. Die Dinge auf eine andere Weise, die genauso falsch ist wie ihre Umkehrung, verzerrend, haben bestimmte Leute behauptet, da� es durch die Dekonstruktion nicht zu einer Entpolitisierung, sondern vielmehr zu einer ma�losen �Politisierung� kommt. Paul de Man zum Beispiel schreibt: �Die Struktur der von uns untersuchten Entit�t (sei es das Eigentum, der Nationalstaat oder irgendeine andere politische Institution) wird aufs Deutlichste enth�llt, wenn sie als allgemeine Form, welche alle die partikularen Versionen subsumiert, n�mlich als Gesetzestext, betrachtet wird.� (Hervorhebung des Wortes �Text� von de Man, die andere Hervorhebung von mir - J. D.)47 Von diesem Gesichtspunkt aus gibt es keinen Widerspruch zwischen �Revolution und Legalit�t�: der Gesetzestext untersteht �per Definition der Bedingung unvorhersagbarer Ver�nderung. Seine Existenzweise ist notwendig eine zeitliche und historische, jedoch in einer strikt nichtteleologischen Bedeutung.�48 (Ein derartiger Satz pr�zisiert eine bestimmte Strategie der letzten Texte von de Man, was die Geschichtlichkeit betrifft: sie wird im Hinblick auf eine neue �Definition� des Textes �definiert� und vom vorherrschenden philosophischen, das hei�t teleologischen Begriff der Geschichte abgewendet. Bekanntlich beherrscht dieser Begriff der Geschichte weitgehend noch die �modernsten" politischen Diskurse, ob sie als revolution�r durchgehen
oder nicht. ) Weiter unten hei�t es: Es kann keinen Text geben ohne Grammatik: die Logik der Grammatik erzeugt Texte allein in der Abwesenheit referentieller Bedeutung; aber jeder Text erzeugt einen Referenten, der das grammatikalische Prinzip unterl�uft, dem er seine Konstitution verdankt. Was im allt�glichen Sprachgebrauch verborgen bleibt, die grunds�tzliche Unvereinbarkeit zwischen Grammatik und Bedeutung, wird explizit, wenn die Sprachstrukturen, wie es hier der Fall ist, in politischen Begriffen behauptet werden. 49 (Hervorhebung von mir - J. D. Ich hebe auch das Wort �erzeugt" hervor, um die Aufmerksamkeit auf eine vielleicht weniger offensichtliche, aber gleichfalls wesentliche Dimension der Dekonstruktion zu lenken, mag es sich um die Effekte der Referenz oder um die Effekte der Geschichte handeln. Derselbe Essay endet wie erinnerlich mit den Worten: �textuelle Allegorien... erzeugen Geschichte".) Keine Politik ohne �Aktion" oder ohne �aktiven" Text. Und wir sto�en hiermit erneut auf ein und dasselbe Gebot: Ged�chtnis oder Versprechen, Ged�chtnis als Versprechen eines Aktes, der, obgleich er nicht der Opposition Akt/Nicht-Akt, Aktion/ Theorie, Performativum/Konstativum unterliegt, ihnen doch nicht zeitlich vorausliegt, weder in der Weise einer Vorvergangenheit (passe anterieur) noch in der einer vollendeten Zukunft (futur anterieur). Ein weiteres Mal ist es die Definition des Textes, die diesen Akt jenseits des Aktes aussagt. Ich habe bereits einen Teil dieses Passus zitiert, gehen wir also ein St�ck weiter: Ein Text wird durch die Notwendigkeit definiert, eine Behauptung zu gleicher Zeit ("at the same time" - und es ist die Zeit dieses �same time", die nach einem
anderen Denken dessen, was hier in actu vorgefunden wird, ruft - J. D.) als performativ und konstativ zu betrachten, und die logische Spannung zwischen Figur und Grammatik wird in der Unm�glichkeit wiederholt, zwischen zwei sprachlichen Funktionen zu unterscheiden, die nicht notwendig kompatibel sind. Es hat den Anschein, da� ein Text, sobald er wei�, was er behauptet, nur irref�hrend agieren kann, wie der stehlende Gesetzgeber im Gesellschaftsvertrag, und wenn ein Text nicht agiert, so kann er nicht behaupten, was er wei�. Die Unterscheidung zwischen einem Text als Erz�hlung und einem Text als Theorie geh�rt ebenfalls in dieses Spannungsfeld. (Hervorhebung von mir J. D.)50 Diese gleiche Zeit ist niemals gegenw�rtig, wird niemals gegenw�rtig gewesen sein und wird auch niemals gegenw�rtig sein. De Man spricht weiter unten von jener �Abwesenheit eines gegenw�rtigen Zustandes" in der Rousseauschen Aporie des Versprechens und in der Hochstapelei des Gesetzgebers. Es gibt nur das Versprechen und das Ged�chtnis, das Ged�chtnis als Versprechen, ohne eine m�gliche Versammlung in Form der Gegenwart. Diese Disjunktion ist das Gesetz, der Text des Gesetzes und das Gesetz des Textes. Das Versprechen untersagt die Versammlung des Seins in der Gegenw�rtigkeit, das ist geradezu seine Bedingung. Die Bedingung der M�glichkeit und der Unm�glich keit der Eschatologie, die ironische Allegorie des Messianismus.5 1 Seit Wegbeginn, seit der um H�lderlin herum gef�hrten Auseinandersetzung mit dem Gesetz und der Versammlung des Seins als Sujet, haben wir uns noch nirgends so weit von Heidegger entfernt. Und doch, Paul de Man hat es selbst gesagt, eine Opposition schlie�t auch die verwirrendsten Affinit�ten nicht aus im Gegenteil. Denn das Denken Heideggers ist nicht
einfach ein Denken der Versammlung. Das Ende von Was hei�t Denken? beispielsweise, worin wir der Spur des Ged�chtnisses* als urspr�nglicher Versammlung* nachgegangen sind, bildet eine �ffnung hin auf den chorismos der chora, auf die Disjunktion des Ortes*, der Verschiedenheit* der Ortung* zwischen dem (gegenw�rtigen) Seienden und dem Sein, auf die Zwiefalt*, auf den Unterschied* usw. Zweifellos ist das denkende Ged�chtnis die Versammlung dieser Differenz, und das k�nnte es f�r jede Disjunktion als solche sein. Aber diese Versammlung versammelt nicht in einen �gegenw�rtigen Zustand�. Sie versammelt nicht das Sein, sie hei,dt uns und gibt uns (zu) denken. An diesem Punkt angelangt und doch noch zu schematisch, w�re notwendigerweise daran zu erinnern, daB auch f�r Heidegger das Ged�chtnis wie das Versprechen - und ich m�chte die Worte von Paul de Man wiederaufnehmen - �auf die Zukunft gerichtet und vorausschauend� ist: das Ged�chtnis versammelt auch nahe bei dem, was �kommen kann�*, es erstreckt sich auch auf das �Kommende�.52 Es denkt nur, indem es (zu) denken gibt, oder indem es das denkt, was (zu) denken hei�t und gibt. Was hei�t Denken.2, das ist nicht allein eine Betrachtung �ber das Ged�chtnis, das ist, im selben Schritt, auf demselben Weg, diese eigent�mliche Entgrenzung der Frage nach dem Sein durch die Frage nach der Gabe (der Gabe* des es gibt Sein*). �Was uns denken hei�t, gibt uns zu denken. � *53 Und wie sp�ter in Zeit und Sein * entfaltet die Betrachtung �ber die Gabe*, Gabe des Seins und Gabe der Zeit, die Frage nach dem Sein und dem Gehei� des Seins als die Frage nach der Gabe. Es gibt das Sein, aber dieses "es gibt"*, das nichts gibt, das ein Gegenw�rtiges sein oder sich in ein Gegenw�rtiges versammeln k�nnte, es (ver-)hei�t wie
ein Versprechen, es hei�t Versprechen, Verpflichtung, Einladung (il appelle comme une promesse, il s'appelle une promesse, un engagement, une invitation). Heidegger nennt das Versprechen im gleichen Zug, und im Grunde sind wir dem "die Sprache verspricht (sich) "* von Paul de Man niemals n�her gewesen. Heidegger hat es niemals signiert, aber wer signiert ein Versprechen? Er hat dieses geschrieben, was kurz gesagt von der Bedeutung eines gegebenen Wortes handelt: �Hei�en�* bedeutet kurz gesagt: �befehlen�, vorausgesetzt, da� wir auch dieses Wort in seinem angestammten Sagen h�ren. Denn �befehlen� meint im Grunde nicht: kommandieren und verordnen, sondern: anbefehlen, anvertrauen, einer Geborgenheit anheimgeben, bergen*. Hei�en ist das anbefehlende Anrufen, das verweisende Gelangenlassen. Verhei�ung* besagt: einen Zuruf zusprechen, so zwar, da� das hier Gesprochene ein Zugesagtes, ein Versprochenes* ist. (Der franz�sische �bersetzer setzt das Wort "parole" in Anf�hrungszeichen, um "ein Versprochenes" zu �bersetzen: ein gegebenes Wort, das durch ein Versprechen Versprochene; Hervorhebung von mir J. D.)s Es gibt keinen m�glichen Weg ohne die Aporie der Gabe, die nicht ohne die Aporie des Versprechens auftritt. Ich habe das andernorts zu zeigen versucht - in einem Seminar �ber die Gabe (gegeben in Yale auf Einladung von Paul de Man), da� es die Gabe nur unter dieser aporetischen Bedingung gibt, da� sie nichts gibt, das gegenw�rtig sei und sich als solches vergegenw�rtigt. Die Gabe ist allein Versprechen und versprochenes Ged�chtnis, und genau hierin ist sie die Zukunft von Mnemosyne, ich meine, die Zukunft von Mnemosyne von H�lderlin von Heidegger von Paul de Man in Amerika. Denn nachdem wir die Gabe ins Ged�chtnis zur�ckgerufen haben, und zwar in der Frage nach der Gabe, in der Frage nach dem, was uns am meisten zu denken gibt,
geben wir zur Antwort:55 "das Bedenklichste f�r unsere bedenkliche Zeit ist, da� wir noch nicht denken. �56 Auch Heidegger zitiert Mnemosyne: Wenn der Mensch auf dem Zug in das Sichentziehende* ist, zeigt* er in das Sichentziehende. Auf dem Zug dahin sind wir ein Zeichen. * Aber wir zeigen dabei ein Solches, was nicht, was noch nicht in die Sprache unseres Sprechens �bersetzt* ist. Es bleibt ohne Deutung. * Wir sind ein deutungsloses Zeichen *. H�lderlin sagt in dem mit dem Namen �Mnemosyne� (Ged�chtnis) �berschriebenen Hymnenentwurf: "Ein Zeichen sind wir, deutungslos, Schmerzlos sind wir, und haben fast die Sprache in der Fremde verloren. "*57
Seine Sprache in der Fremde zu verlieren, das war mit Sicherheit kein Schicksal, das allein die Dekonstruktion in Amerika traf, und es war auch keine allein H�lderlin, Heidegger oder Paul de Man au�erhalb ihrer Muttersprache vorbehaltene Bestimmung. Diese Erfahrung ist - nehmen wir das Risiko auf uns, das vielleicht auch gegen die Intention von Heidegger zu behaupten - die schreckliche Chance des Versprechens, des gegebenen Wortes im Sich Versprechen * der Sprache *. Ich wei� nicht mehr, was ich versprochen habe, und auch nicht mehr, wem, als ich hierher kam, in den �u�ersten Okzident Amerikas, um zu Ihnen �ber "Ged�chtnis" zu sprechen, im Gedenken an Paul de Man, einem Gedenken, in dem ich immer sein werde. Es ist immer wieder notwendig, sich dessen zu entschuldigen, da� man sich die Trauerarbeit zu eigen macht. Es ist immer wieder notwendig, sich des Gebens zu
entschuldigen, denn eine Gabe darf niemals in einem Gegenw�rtigen, in einem Geschenk (dans un present), erscheinen, weil sie dann Gefahr l�uft, in der Anerkennung, im Symbolischen, im Austausch oder in der �konomie, mehr noch: im Gewinn annulliert zu werden. Es ist notwendig, da� einem, der als Gebender in Erscheinung tritt, vergeben wird. Aber wenn es keine Gabe gibt, sondern allein das Versprechen, so ist es immer auch notwendig, sich des Versprechens zu entschuldigen. Denn ein Versprechen ist nicht m�glich und ist nicht einzuhalten. Wir haben das letzte Kapitel der Allegories of Reading nicht gelesen. Wie das gesamte Werk von Paul de Man wartet es noch auf uns, wartet es vor uns. Das vorletzte Ka pitel trug den Titel Promises (Social Contract), das letzte Excuses (Confessions). Was hei�t Liebe, Freundschaft, Ged�chtnis, sobald darin ohne die M�glichkeit eines Austausches, in Differenz und Dissymmetrie, im Inkommensurablen, in der Weise des Erhabenen, zwei unm�gliche Versprechen eingeflochten sind? Wo sind wir, wer sind wir, f�r was und f�r wen sind wir, und f�r was und f�r wen sind wir bestimmt in der Erfahrung dieses unm�glichen Versprechens? Von daher: was hei�t Erfahrung? Diese Fragen k�nnen nur ausgehend vom Tod des Freundes gestellt werden, und sie beschr�nken sich nicht auf die Frage nach der Trauer. Wie sollen wir alles das: die Liebe, das Ged�chtnis, das Versprechen, die Bestimmung, die Erfahrung denken, wenn uns ein Versprechen, vom ersten Augenblick an, in dem es in Erscheinung tritt, und in der ganzen Unm�glichkeit seines Erscheinens, �ber den Tod hinaus, �ber das hinaus, was wir, ohne zu wissen, von was und von wem
wir sprechen, den Tod hei�en, verpflichtet? Dieses Versprechen verpflichtet gegen�ber dem anderen, in uns Gestorbenen, vom ersten Augenblick an, auch wenn niemand mehr da ist, um auf das Versprechen zu antworten oder f�r das Versprechen zu b�rgen. Was hei�t "in uns�, wenn ein so unm�gliches Versprechen denkbar, das hei�t in seiner Unm�glichkeit m�glich ist? Vielleicht ist es das, was das Denken zu denken gibt, und es (auf)gibt, das Denken zu denken. Ein Versprechen kann nicht gehalten, es kann - in v�lliger Reinheit - nicht einmal gegeben werden. Als ob es immer schon an den toten anderen gebunden, als ob es also nicht gebunden w�re. Das hei�t aber, da� es demzufolge immer nur gegen�ber einem Sterblichen verpflichtet. Es hat Bedeutung und W�rde nur unter der Bedingung des Todes, wenn der Lebende eines Tages allein ist mit seinem Versprechen. Es hat Bedeutung und W�rde nur mit dem Tod des anderen. Wenn der Freund nicht mehr da ist, dann ist es immer unm�glich, das Versprechen einzuhalten, es wird nicht einmal m�glich gewesen sein, das Versprechen zu geben, aber als eine Spur aus der Zukunft kann es noch immer erneuert werden. Sie k�nnen das einen Akt des Ged�chtnisses oder ein gegebenes Wort, sogar einen Akt des Glaubens nennen; ich ziehe das Risiko eines einsameren und zwiesp�ltigeren Wortes vor. Ich werde es einen Akt, schlicht einen Akt, ganz einfach einen Akt nennen. Ein unm�glicher Akt, der einzige also, der seines Namens w�rdig ist, oder mehr noch: der, um seines Namens w�rdig zu sein, dem Namen des anderen, im Namen des anderen w�rdig sein mu�. Versucht zu �bersetzen - in der ganzen Zwiesp�ltigkeit seiner Syntax - ein solches Syntagma wie " donner au nom de l 'autre " oder " une parole donnee au nom de l 'autre". In einem einzigen Satz kann es im
Franz�sischen sowohl "dem Namen des anderen geben� als auch �im Namen des anderen geben�, sowohl ein "dem Namen des anderen gegebenes Wort" als auch ein "im Namen des anderen gegebenes Wort� bedeuten. Wer wei�, was wir tun, wenn wir donnons au nom de l 'autre? (*)
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