33 - Leber

  • May 2020
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33 33

Leber Dieter Häussinger, Georg Löffler

33.1

Die zellulären Bestandteile der Leber und ihre anatomischen Beziehungen – 1084

33.1.1 33.1.2

Zusammensetzung der Leber – 1084 Funktion und Aufbau der Leber – 1084

33.2

Funktionen der Leberparenchymzellen – 1086

33.2.1 33.2.2 33.2.3 33.2.4

Funktionen im Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsel – 1086 Funktionen im Protein- und Aminosäurestoffwechsel – 1087 Synthese spezifischer Proteine in der Leber – 1088 Die Leber als Speicherorgan – 1089

33.3

Biotransformation – 1090

33.3.1 33.3.2

Die Phasen der Biotransformation – 1090 Die metabolische Aktivierung durch das Biotransformationssystem – 1093

33.4

Die Leber als Ausscheidungsorgan – 1096

33.4.1 33.4.2

Die Bedeutung der Hepatozyten bei der Gallebildung – 1096 Die Funktion der Cholangiozyten bei der Gallebildung – 1098

33.5

Funktionen der Nichtparenchymzellen der Leber – 1098

33.6

Pathobiochemie – 1099

33.6.1 33.6.2

Leberzellschädigung – 1099 Gallensteine – 1101

Literatur

– 1102

1084

Kapitel 33 · Leber

> > Einleitung Die Leber ist eines der größten Organe des Organismus. Etwa 70% ihrer Zellmasse besteht aus Parenchymzellen, den verbleibenden Anteil bilden Gallengangsepithelien, Zellen des reticuloendothelialen Systems (Kupfferzellen), Sternzellen und Endothelzellen. In der Leber laufen die meisten der heute bekannten Reaktionen des Intermediärstoffwechsels ab. Die Kapazität der Leber zur Erfüllung ihrer vielfältigen Funktionen im Stoffwechsel ist außerordentlich groß. Dies geht allein aus der Tatsache hervor, dass erst ein Zustand, in dem mehr als 80% der Parenchymzellen zerstört sind, mit dem Leben nicht mehr vereinbar ist. Da die Leber über eine besondere Regenerationsfähigkeit verfügt, können akute und chronische Schädigungen von ihr relativ gut bewältigt werden.

33

33.1

Die zellulären Bestandteile der Leber und ihre anatomischen Beziehungen

33.1.1

Zusammensetzung der Leber

Nur etwa 60–70% der Zellmasse der Leber bestehen aus den eigentlichen Leberparenchymzellen oder Hepatozyten. Eine weitere Gruppe epithelialer Zellen sind die als Cholangiozyten bezeichneten Zellen der Gallengangsepithelien. Neben diesen enthält die Leber eine Reihe von nichtepithelialen Zelltypen. Diese befinden sich bevorzugt entlang der Sinusoide und stehen sowohl anatomisch als auch funktionell in enger Beziehung zu den Parenchymzellen (. Abb. 33.1). Im Einzelnen handelt es sich um: 4 Sinusoidale Endothelzellen. Sie sind ein erheblicher Teil der nichtepithelialen Zellen und bilden ein gefenstertes Endothel, wobei der Durchmesser der Fenster durch endogene oder exogene Substanzen, wahrscheinlich über die Beteiligung von Elementen des Cytoskeletts, beeinflusst werden kann 4 Kupfferzellen. Diese gehören zum reticuloendothelialen System, adhärieren an die Wand der Sinusoide, sind aber sehr wahrscheinlich beweglich 4 Sternzellen (Synonym Fettspeicherzellen, Ito-Zellen). Sie finden sich in engerer Assoziation an die Hepatozyten und entwickeln cytoplasmatische Extensionen, die ähnlich wie Perizyten um das Endothel der Sinusoide gewickelt sind 4 Pit-Zellen. So werden in der Leber große granuläre Lymphozyten bezeichnet, die zur Gruppe der KillerZellen gehören 4 Progenitor- oder Ovalzellen. Es handelt sich um Leberstammzellen, die im Bereich der Heringschen Kanäle lokalisiert sind und sich sowohl zu Hepatozyten als auch Cholangiozyten differenzieren können. Schwere Leberschädigungen stimulieren die Proliferation von Progenitorzellen, die dann zur Leberregeneration beitragen Ferner ist die Leber sympathisch und parasympathisch innerviert, wobei die meisten Nervenendigungen an Lebersternzellen zu finden sind. Efferente Lebernerven sind nicht nur an der Regulation des Leberstoffwechsels und des Blut-

flusses durch die Leber beteiligt, sondern auch an der Leberregeneration nach Schädigungen. Darüber hinaus existieren in der Leber afferente Nerven, welche Signale von Volumen- und Osmosensoren an das Zentralnervensystem weitergeben.

33.1.2

Funktion und Aufbau der Leber

Die Funktionen der Leber sind vielfältig: 4 Verwertung aufgenommener Nährstoffe 4 Aufrechterhaltung der Glucose-, Aminosäuren-, Ammoniak- und Hydrogencarbonathomöostase 4 Synthese der meisten Plasmaproteine 4 Gallensäurensynthese und Gallebildung 4 Bildung, Speicherung und Prozessierung von Signalmolekülen 4 Mitwirkung bei der Immunabwehr 4 Metabolisierung von Endobiotica und Xenobiotica 4 Blutspeicherung ! Durch ihre Stoffwechselleistungen ist die Leber für die Aufrechterhaltung des konstanten inneren Milieus der extrahepatischen Organe und Gewebe verantwortlich.

Die besondere Funktion der Leber im Intermediärstoffwechsel erklärt sich aus ihrer anatomischen Lage: 4 Sie nimmt während der Resorptionsphase die über den Intestinaltrakt resorbierten Nahrungsstoffe, Vitamine und Elektrolyte auf. Eine Ausnahme hiervon machen die Nahrungslipide, die über die Lymphbahnen des Intestinaltrakts gesammelt und über den Ductus thoracicus in den großen Kreislauf verteilt werden. Dementsprechend ist die Leber als einziges Organ daran angepasst, ein sowohl von der Quantität als auch von der Qualität her sehr variables Stoffangebot zu bewältigen. Die während der Resorptionsphase angefluteten Substrate werden von ihr zu einem beträchtlichen Teil gespeichert 4 In der postresorptiven oder Hungerphase ist sie dann imstande, die gespeicherten Substrate in den Blutkreislauf abzugeben und den anderen Organen und Geweben des Körpers zur Deckung des Energiebedarfes zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne trägt die Leber entscheidend zur Aufrechterhaltung eines konstanten

1085 33.1 · Die zellulären Bestandteile der Leber und ihre anatomischen Beziehungen

. Abb. 33.1. Hepatozyten und ihre anatomischen Beziehungen zu Nichtparenchymzellen und dem Dissé-Raum. A = Aktinfilamente; C = Gallecanaliculus; D = Dissé‘scher Raum; De = Desmosom; E = Endothelzelle, G = Golgi-Apparat; GER = glattes endoplasmatisches Retikulum; H = Hepatozyt; K = Kupffer-Zelle; Ly = Lysosomen; M = Mitochon-

drien; Mt = Mikrotubuli; Mv = Mikrovilli; N = Zellkern; Ne = Nexus; Nu = Nucleolus; P = Peroxisomen; R = Ribosomen; RER = raues endoplasmatisches Retikulum; S = Sternzellen; T = Tonofilamente; V = pericanaliculäre Vesikel; Za = Zona adhärens; Zo = Zonula occludens (tight junction)

inneren Milieus und damit zur Funktionsfähigkeit aller extrahepatischen Organe und Gewebe bei

tät des Glycogenabbaus, der Gluconeogenese, der Fettsäureoxidation, der Harnstoffbildung aus Aminosäurestickstoff sowie der Gallensäuren- und Bilirubinausscheidung aus. Dagegen stellen perivenöse (an der acinären Ausflussbahn gelegene) Hepatozyten den bevorzugten Ort der Glycogensynthese, der Glycolyse, Lipogenese, der Harnstoffbildung aus Ammoniak und der Biotransformation körpereigener und körperfremder Stoffe dar. Unmittelbar am perivenösen Ende des Leberacinus findet sich eine besonders spezialisierte, kleine Hepatozytenpopulation (Scavenger- oder Fängerzellen), welche als einzige Leberparenchymzellen das Enzym Glutaminsynthetase enthält. Ihre Aufgabe ist es u.a. mit hoher Affinität Ammoniak, aber auch viele innerhalb des Acinus freigesetzte und der interzellulären Kommunikation dienende Signalstoffe zu entfernen, bevor das sinusoidale Blut in die Lebervene und damit in die systemische Zirkulation gelangt.

! Die Leberparenchymzellen sind funktionell heterogen.

Der Leberacinus ist die funktionelle Grundeinheit der Leber. Er erstreckt sich vom terminalen Pfortaderast entlang des Sinusoids bis zum terminalen Lebervenenast; zu ihm gehören die das Sinusoid begrenzenden Parenchymund Nichtparenchymzellen der Leber. Während einer acinären Passage strömt das Blut an etwa 20–30 Parenchymzellen vorbei, die funktionell heterogen sind, d.h. unterschiedliche Genexpressionsmuster aufweisen. Eine Ursache für diese funktionelle Leberzellheterogenität sind Metabolit-, Sauerstoff- und Hormongradienten entlang des Leberacinus. Periportale (an der acinären Einflussbahn gelegene) Hepatozyten zeichnen sich durch höhere Aktivi-

33

1086

Kapitel 33 · Leber

In Kürze Die Leber enthält als unterschiedliche Zelltypen: 4 Leberparenchymzellen oder Hepatozyten (60–70% der Leberzellen), daneben 4 Cholangiozyten 4 Endothelzellen 4 Kupfferzellen 4 Sternzellen 4 Pit-Zellen 4 Leberstammzellen (Progenitor- oder Ovalzellen)

33.2

Funktionen der Leberparenchymzellen

33.2.1

Funktionen im Kohlenhydratund Lipidstoffwechsel

! Die Leber ist das zentrale Organ der Glucosehomöostase des Organismus.

Resorptionsphase. Das Pfortaderblut enthält in Abhängig-

keit vom Kohlenhydratgehalt der jeweiligen Nahrungsstoffe erhebliche Mengen an Glucose, aber auch Fructose und Galactose. Ein großer Teil dieser Monosaccharide wird entsprechend der bereits geschilderten Reaktionen (7 Kap. 11.2.1) nach Umwandlung zu Glycogen gespeichert.

33

Postresorptions-/Hungerphase. Die Leber ist für die Aufrechterhaltung der Blutglucosekonzentration verantwortlich: 4 Durch Glycogenolyse wird Glycogen mobilisiert und wegen der für die Leber typischen hohen Glucose-6Phosphatase-Aktivität (7 Kap. 11.4.2) zu Glucose abgebaut, die in die Lebervene abgegeben wird 4 Bei länger dauerndem Hunger genügen die in der Leber gespeicherten Glycogenvorräte nicht zur Deckung des Energiebedarfs der obligaten Glucoseverwerter, nämlich des zentralen Nervensystems, des Nierenmarks und der Erythrozyten. Unter diesen Bedingungen wird die Gluconeogenese aus Nichtkohlenhydraten aktiviert, auf welche die Leber dank ihrer enzymatischen Ausstattung besonders spezialisiert ist (7 Kap. 11.3). So müssen nach 24-stündigem Hunger etwa 180 g Glucose/Tag, nach mehrwöchigem Hungern immerhin noch 60 bis 90 g Glucose/Tag synthetisiert werden. Substrate für die Gluconeogenese, deren Reaktionssequenz in 7 Kap. 11.3 geschildert ist, sind durch Proteolyse in den extrahepatischen Geweben freigesetzte glucogene Aminosäuren (7 Kap. 13.4.3), im Fettgewebe durch Lipolyse freigesetztes Glycerin (7 Kap. 16.1.2, 21.3.3) sowie durch

Die funktionelle Grundeinheit der Leber ist der Acinus. Die ihm zugehörigen Hepatozyten sind funktionell heterogen, was durch die Gradienten von Metabolit-, Sauerstoffund Hormonkonzentrationen entlang des Acinus verursacht wird. Die wichtigsten Aufgaben der Leber sind: 4 Aufnahme und Speicherung von Nahrungsstoffen sowie deren Verarbeitung und Freisetzung 4 Synthese von Gallensäuren und Sekretion von Galle 4 Metabolisierung von Endo- und Xenobiotica 4 Synthese von Plasmaproteinen 4 Synthese von Signalmolekülen

Glycolyse entstandenes Lactat (7 Kap. 16.1.1, 21.3.3). Jede länger dauernde Hungerphase geht mit einer spezifischen Änderung der enzymatischen Ausstattung der Leberparenchymzellen einher. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die für die Glycolyse benötigten Enzymaktivitäten reprimiert und diejenigen der Gluconeogenese und des Aminosäurestoffwechsels induziert werden. Für diese Umstellung sind neben den Katecholaminen v.a. die Glucocorticoide, beim Menschen also hauptsächlich das Cortisol, verantwortlich (7 Kap. 27.3.7). Zur Gluconeogenese befähigt sind außer der Leber auch die Nieren, die jedoch allein schon wegen ihrer geringeren Größe einen wesentlich kleineren Anteil übernehmen ! Die Leber ist das wichtigste Organ für den Ab-, Umund Aufbau der verschiedensten Lipide.

Resorptionsphase: Die wesentlichste Funktion der Leber

im Lipidstoffwechsel besteht in der Biosynthese von Triacylglycerinen, Phosphoglyceriden und Sphingolipiden aus den aufgenommenen Kohlenhydraten und Lipiden (7 Kap. 12.1.4, 18.1.1, 18.2.1) sowie der Biosynthese und Sekretion von VLDL-Lipoproteinen (7 Kap. 18.5.2). Die Leber ist schließlich für die Bereitstellung eines großen Teils des vom Organismus benötigten Cholesterins (7 Kap. 18.3.1) verantwortlich, wobei ihre Cholesterinbiosynthese u.a. vom Nahrungsangebot an Cholesterin abhängt. Postresorptions-/Hungerphase: Die Leber deckt ihren

Energiebedarf nahezu vollständig durch die Fettsäureoxidation. Sie nimmt in diesem Zustand jedoch mehr Fettsäuren auf als hierzu notwendig sind und wandelt diese in Acetacetat und β-Hydroxybutyrat, die sog. Ketonkörper, (7 Kap. 12.2.2) um. Diese werden von der Leber nicht verwertet, sondern vollständig zur Deckung des Substratbedarfs extrahepatischer Gewebe abgegeben. Außer Fettsäuren werden von der Leber LDL- und v.a. HDL-Lipoproteine und die in ihnen enthaltenen Lipide abgebaut (7 Kap. 18.5.2).

1087 33.2 · Funktionen der Leberparenchymzellen

. Abb. 33.2. Hepatische Glutaminsynthetase und Ammoniakeliminierung. CPS I = Carbamylphosphat-Synthetase I. (Weitere Einzelheiten 7 Text)

33.2.2

Funktionen im Protein- und Aminosäurestoffwechsel

Leber über die Pfortader Aminosäuren in Abhängigkeit von dem Proteingehalt der Nahrung angeboten und durch ein breites Spektrum an Transportern aufgenommen. Sie dienen v.a. als Substrate der Proteinbiosynthese.

dann reduziert wird, wenn der pH und/oder die HCO3–Konzentration im extrazellulären Raum abfallen. Das dabei nicht fixierte Hydrogencarbonat dient dazu, die bestehende Azidose zu korrigieren. Natürlich führt jede Reduktion der Geschwindigkeit der Harnstoffbiosynthese relativ zur Geschwindigkeit des Proteinabbaus zu einem Anstieg der Ammoniakkonzentration. Dieser wird dadurch aufgefangen, dass in einer ATP-abhängigen Reaktion Ammoniak als Glutamin fixiert werden kann (. Abb. 33.2). Die hierfür notwendige Glutaminsynthetase ist ausschließlich in einer kleinen perive-

Postresorptions/Hungerphase: Die postresorptive und v.a. die Hungerphase ist durch eine gesteigerte Proteolyse in extrahepatischen Geweben gekennzeichnet. Die Leber nimmt die vermehrt freigesetzten Aminosäuren auf. Nach Transaminierung wird der Kohlenstoffanteil der ketogenen Aminosäuren in den Energiestoffwechsel eingeschleust, derjenige der glucogenen Aminosäuren jedoch für die in dieser Situation notwendige Gluconeogenese verwendet. Dabei frei werdende Aminogruppen werden ebenso wie der durch die verschiedenen Stoffwechselprozesse entstehende Ammoniak (7 Kap. 13.5.2) durch Umwandlung in Harnstoff entgiftet und danach über die Nieren ausgeschieden. Der ausschließlich in den Leberparenchymzellen lokalisierte Harnstoffzyklus dient nicht nur der Eliminierung von Ammoniak, sondern fixiert auch HCO3–. Damit spielt er eine wichtige Rolle für den Säurebasenhaushalt. Dass die Leber durch Regulation der Geschwindigkeit der Harnstoffbiosynthese in diesen eingreifen kann, geht aus der Beobachtung hervor, dass die Harnstoffbildung immer

. Abb. 33.3. Lokalisation der Glutaminsynthetase der Leber. Wie aus der immunhistochemischen Anfärbung hervorgeht, ist das schwarz angefärbte Enzym ausschließlich in einer kleinen Hepatozytenpopulation (sog. Scavenger-Zellen) um die Zentralvene lokalisiert

! Die Leber nimmt Aminosäuren sowohl in der Resorptions- als auch in der Hungerphase auf.

Resorptionsphase: In der Resorptionsphase werden der

33

1088

Kapitel 33 · Leber

nösen Zellpopulation des Leberacinus lokalisiert, die kaum mehr als zwei Zelllagen dick ist und auch als »ScavengerZellen« bezeichnet werden (. Abb. 33.3). Diese Zonierung des Glutaminstoffwechsels ermöglicht es, nur diejenige Menge von Ammoniak als Glutamin zu fixieren, die nicht in den weiter oberhalb gelegenen Teilen des Leberacinus durch Harnstoffbiosynthese gebunden worden ist. ! Die Leber besitzt eine sehr hohe Kapazität für den Proteinabbau.

Neben dem Proteinabbau im Proteasom spielt die autophagische Proteolyse in der Leber eine besondere Rolle, da durch diese ein vollständiger Proteinabbau auf die Stufe von Aminosäuren gewährleistet ist. Ihre Regulation ist komplex und hängt u.a. vom Hydratationszustand, d.h. dem Wassergehalt der Leberzelle ab. Dieser ist eine dynamische Größe, die von der Aktivität von Metabolit- und Ionentransportsystemen in der Plasmamembran mit entsprechendem Auf- oder Abbau osmotisch wirksamer Gradienten abhängt. Zur Zunahme der Leberzellhydratation kommt es z.B. durch die kumulative Aufnahme von Aminosäuren mittels sekundär aktiver, Na+-abhängiger Transportsysteme. Hierdurch werden sog. Osmosignalketten aktiviert, an denen die mitogenaktivierten Proteinkinasen (7 Kap. 25.4.3) beteiligt sind. Sie lösen eine Hemmung des Proteinabbaus auf der Ebene der Autophagosomenbildung, der Glycogenolyse und eine Aktivierung der Glycogensynthese aus (. Abb. 33.4). Einen ähnlichen Effekt hat Insulin durch

33

. Abb. 33.4. Regulation von autophagischer Proteolyse und Proteinbiosynthese. Die Na+-abhängige Aufnahme von Aminosäuren geht mit einer zellulären Hydratationsteigerung einher, die zusammen mit den Aminosäuren die autophagische Proteolyse hemmt und die Proteinbiosynthese stimuliert

zelluläre Akkumulation von K+, Na+ und Cl–, während Glucagon durch Export dieser Ionen entgegengesetzt wirkt.

33.2.3

Synthese spezifischer Proteine in der Leber

! Die Leber synthetisiert den größten Teil der Plasmaproteine.

Die Leber hat eine besonders hohe Kapazität zur Biosynthese der verschiedensten Proteine. So werden eine große Zahl von im Blutplasma vorkommenden Proteinen mit unterschiedlichsten Funktionen, unter ihnen auch Hormone, Prohormone und Lipoproteine, in den Parenchymzellen der Leber synthetisiert (. Tabelle 33.1). Hierzu gehören der größte Teil der Blutgerinnungsfaktoren, die Proteine der Fibrinolyse sowie Proteinaseinhibitoren wie das α1-Antitrypsin und das α2-Makroglobulin. Die Leber synthetisiert außerdem Transportproteine wie Transferrin, Transcortin oder Caeruloplasmin. Von besonderer Bedeutung ist die Biosynthese von Prohormonen wie des Angiotensinogens (7 Kap. 28.1.10) oder des Kininogens.

. Tabelle 33.1. Produktion für den Organismus wichtiger Verbindungen durch die Leber (Auswahl) Proteine

siehe

Albumin

Kap. 29.6.3

Angiotensinogen

Kap. 28.1.10

D-Fetoprotein

Kap. 35.10

Orosomucoid

Kap. 29.6.3

D1-Antitrypsin

Kap. 29.6.3

D1-Antichymotrypsin

Kap. 29.6.3

D2-Makroglobulin

Kap. 29.6.3

Antithrombin III

Kap. 29.5.3

Caeruloplasmin

Kap. 22.2.1

Gerinnungsfaktoren I, II, V, VII, VIII, IX, X, XI, XII

Kap. 29.5.2

IGF-1; IGF-2

Kap. 27.7.2

Kininogen

Kap. 33.2.3

Komplementsystem

Kap. 34.4

C-reaktives Protein

Kap. 29.3.1, 29.6.4

Fibrinogen

Kap. 29.5.3

Plasminogen

Kap. 29.5.3

Transcortin

Kap. 27.3.4

Transferrin

Kap. 22.2.1

VLDL

Kap. 18.5.1

Nascierende HDL

Kap. 18.5.1

1089 33.2 · Funktionen der Leberparenchymzellen

. Tabelle 33.2. Akutphase-Proteine (Auswahl) Gruppe

Protein

Funktion

Gerinnungsfaktoren

Prothrombin Fibrinogen

Blutgerinnung, Hemmung der Ausbreitung der Entzündung, Reparatur

Komplementsystem

Komponenten C1–C9

Opsonierung

Kallikrein-Kinin-System

Präkallikrein

Vasodilatation, Gefäßpermeabilität

Proteinaseinhibitoren

D1-Antitrypsin D1-Antichymotrypsin

Antiproteolyse

Opsonine

C-reaktives Protein

Opsonierung

Transportproteine

Caeruloplasmin

Kupfertransport

Eine weitere wichtige Funktion der Hepatozyten beruht darauf, dass sie die sog. Akutphase-Proteine (. Tabelle 33.2) synthetisieren und ans Blut abgeben können (7 Kap. 29.6.4). Den genannten Proteinen ist gemeinsam, dass ihre Konzentration innerhalb von 6–48 Stunden nach dem Auftreten einer lokalen Entzündungsreaktion im Organismus um das zwei- bis 1000-fache zunimmt. Sinn dieser Reaktion ist, die Entzündung zu lokalisieren, ihre Ausbreitung zu verhindern. So erleichtert natürlich ein Anstieg der Fibrinogenkonzentration die Thrombusbildung und erschwert so die Ausbreitung eines Infektes. Die Proteinaseinhibitoren der akuten Phase, z.B. α1-Antitrypsin und α1-Antichymotrypsin, vermindern die durch freigesetzte Proteasen ausgelösten Gewebsschädigungen. Für andere Proteine des Akutphase-Systems ist die Funktion noch nicht so gut charakterisiert. Man nimmt beispielsweise an, dass das C-reaktive Protein an die Oberfläche von Fremdkörpern bindet und auf diese Weise ihre Aufnahme durch Phagozyten ermöglicht. Alle bekannten Akutphase-Proteine werden von den Parenchymzellen der Leber synthetisiert (. Abb. 33.5). Der adäquate Reiz hierfür sind die Interleukine IL-6 und IL-1, die von Makrophagen, Endothelzellen und Fibroblasten in

den durch die Entzündung geschädigten Gewebsteilen freigesetzt werden. Sie gelangen auf dem Blutweg zur Leber, werden dort durch entsprechende Rezeptoren (7 Kap. 25) gebunden und lösen danach die Biosynthese und Sekretion der Akutphase-Proteine aus. Im Allgemeinen ist dazu jedoch zusätzlich die Anwesenheit von Glucocorticoiden erforderlich. Die Leber nimmt aber auch Proteine aus dem Blutplasma auf und führt sie dem lysosomalen Abbau zu. Dies trifft besonders auf Glycoproteine zu, die über den Asialoglycoprotein-Rezeptor (7 Kap. 17.3.4) gebunden und internalisiert werden.

33.2.4

Die Leber als Speicherorgan

! Leberparenchymzellen speichern Substrate, Vitamine und Metalle und sind an der Prozessierung von Hormonen beteiligt.

In der Leber werden nicht nur Kohlenhydrate in Form von Glycogen und in beschränktem Umfang Lipide als Triacylglycerine gespeichert, sondern auch einige Vitamine und Spurenelemente. Neben Retinoiden, die ausschließlich in den Sternzellen gespeichert werden (7 u.), enthält die Leber beträchtliche Mengen wasserlöslicher Vitamine (. Tabelle 33.3), beson-

. Tabelle 33.3. Speicherung von wasserlöslichen Vitaminen in der Leber Vitamin

Gehalt der Leber (mg/Leber

Thiamin

1,5

4,4

Riboflavin

1,5

32,0

Nicotinsäure

. Abb. 33.5. Auslösung der Sekretion von Akutphase-Proteinen

Empfohlene Zufuhr (mg/Tag)

17,0

120,0

Pyridoxin

1,8

5,5

B12

0,002

Folsäure

0,2

1,0 20,0

Biotin

0,1

1,4

Pantothensäure

7,0

90,0

60,0

250,0

Ascorbat

33

1090

Kapitel 33 · Leber

ders Folsäure und Vitamin B12. Diese Tatsache ist für die Pathophysiologie von Vitaminmangelzuständen von großer Bedeutung. So deckt beispielsweise das in der menschlichen Leber gespeicherte Vitamin B12 den Bedarf für mehrere hundert Tage. Vitamin D wird in der Leber in Position 25, in der Niere dagegen in Position 1 hydroxyliert. Damit ist die Leber an der Umwandlung von Vitamin D in das biologisch aktive

1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol) beteiligt. Auch die Umwandlung von Thyroxin (T4) in das biologisch weit aktivere Trijodthyronin (T3) erfolgt hauptsächlich in der Leber. Etwa 30% des Körperbestands an T3 und T4 sind in der Leber gespeichert. Die Leber speichert darüber hinaus das etwa 10–15fache der täglichen Kupferzufuhr und 10% des im Organismus vorhandenen Eisens (7 Kap. 22.2.1).

In Kürze Die metabolischen Aktivitäten der Leber sind überwiegend in den Hepatozyten lokalisiert: 4 Kohlenhydratstoffwechsel: Die Leber ist das wichtigste Glycogenspeicherorgan des Organismus. Da sie darüber hinaus über die Fähigkeit zur Gluconeogenese verfügt, spielt sie eine zentrale Rolle im Rahmen der Glucosehomöostase 4 Lipidstoffwechsel: Die Leber synthetisiert aus Lipiden und Kohlenhydraten Triacylglycerin-reiche Lipoproteine, die VLDL. Diese werden von ihr sezerniert und in den extrahepatischen Geweben metabolisiert. In der postresorptiven und erst recht der Hungerphase nimmt die Leber aus dem Blut große Mengen an Fettsäuren auf, die jedoch nur z.T. zur Deckung des

33.3

Biotransformation

! Die Biotransformation dient der Ausscheidung lipophiler Verbindungen.

33

Die Funktion der Biotransformationsreaktionen besteht darin, apolare, lipophile und damit nicht oder nur außerordentlich langsam ausscheidungsfähige Verbindungen in polare, wasserlösliche Substanzen umzuwandeln, die dann leicht über den Harn oder die Gallenflüssigkeit ausgeschieden werden können. Derartige Verbindungen können körpereigene, endogen entstandene Stoffe, sog. Endobiotica oder auch körperfremde Substanzen, die sog. Xenobiotica sein. Zu den ersteren gehören beispielsweise die schlecht wasserlöslichen Steroidhormone oder Stoffwechselendprodukte wie das Bilirubin. Die Zahl der Xenobiotica nimmt mit der ständigen Entwicklung chemisch-technischer Verfahren rasant zu. Zu ihnen gehören beispielsweise Pharmaka, aber auch Konservierungsmittel, Geschmacksmittel und eine Vielzahl synthetischer organischer Verbindungen, die z.T. als Abfallprodukte in die Umwelt gelangen und diese erheblich belasten. Biotransformationsreaktionen finden in beschränktem Umfang in nahezu allen Geweben statt. Die Leber ist jedoch nicht nur wegen ihrer Masse von ca. 1.5 kg beim Menschen, sondern auch wegen ihrer besonders reichen Ausstattung mit den Enzymen der Biotransformationsreaktionen das wichtigste Organ für diese Funktion. Der

Energiebedarfes herangezogen werden, z.T. dagegen in Acetacetat und β-Hydroxybutyrat umgewandelt und wieder von der Leber abgegeben werden 4 Proteinbiosynthese und Aminosäurestoffwechsel: Eine große Zahl von Proteinen des Blutplasmas werden in der Leber synthetisiert und von ihr sezerniert. Für die Eliminierung von Ammoniak und Aminogruppen spielt die Leber infolge ihrer Fähigkeit zur Harnstoff- und Glutaminbiosynthese eine besondere Rolle 4 Neben diesen metabolischen Funktionen ist die Leber ein wichtiges Speicherorgan für Vitamine und Spurenelemente

größte Teil der für die Biotransformation benötigten Enzymaktivitäten ist im glatten endoplasmatischen Retikulum lokalisiert.

33.3.1

Die Phasen der Biotransformation

Üblicherweise wird die Biotransformation in zwei oder drei Phasen eingeteilt (. Abb. 33.6): 4 Phase 1: Modifikation der infrage kommenden Verbindungen durch oxidative, seltener durch reduktive Reaktionen sodass reaktive Gruppen entstehen 4 Phase 2: Bildung von Konjugaten durch Reaktion dieser reaktiven Gruppen mit polaren oder stark geladenen Verbindungen, sodass die dabei entstehenden gut wasserlöslichen Produkte ausgeschieden werden können. Hierfür steht hauptsächlich die Gallenflüssigkeit zur Verfügung, in der tatsächlich ein großer Teil der durch die Biotransformation entstandenen Verbindungen erscheint. Eine Alternative ist die Abgabe ans Blut und die daran anschließende Ausscheidung über die Nieren 4 Phase 3: Transport der auszuscheidenden Verbindungen durch die Plasmamembran der Hepatozyten. Die hierfür benötigten Transportproteine bilden eine eigene Familie, die durch sie katalysierten Transportvorgänge werden gelegentlich auch als Phase3 der Biotransformation bezeichnet

1091 33.3 · Biotransformation

. Abb. 33.6. Mehrstufige Metabolisierung hydrophober, apolarer Verbindungen in der Leber. (Einzelheiten 7 Text)

. Abb. 33.7. Durch Cytochrom P450-Monooxigenasen katalysierte Reaktionen. a Hydroxylierung, b Dealkylierung, c N-Dealkylierung hydrophober Verbindungen

! In der Phase 1 der Biotransformation erfolgen oxidative bzw. reduktive Umwandlungen.

Den größten Beitrag zur Phase 1 der Biotransformation leisten Enzyme aus der Familie der Monooxygenasen, die molekularen Sauerstoff und NADPH als Cosubstrate benutzen. Die Aktivierung des Sauerstoffs erfolgt durch Anlagerung an das Cytochrom P450. Ein Sauerstoffatom wird dabei in das Substratmolekül eingebaut, das andere zu Wasser reduziert (7 Kap. 15.2.2). Auf diese Weise wird hydroxyliert oder O- bzw. N-dealkyliert (. Abb. 33.7). Weitere wichtige oxidative Reaktionen stellen die oxidative Desaminierung (7 Kap. 13.3.3) unter Bildung einer Ketogruppe und Freisetzung von Ammoniak sowie die oxidative Abspaltung der Seitenkette des Cholesterins unter Bildung der Carboxylgruppe der Gallensäuren dar (7 Kap. 32.1.4). Seltener sind reduktive Modifikationen wie z.B. die Umwandlung einer NO2-Gruppe in eine NH2-Gruppe. Unspezifische Hydrolasen spalten Ester- bzw. SäureamidBindungen und setzen die entsprechenden Alkohole, Amino- und Carbonsäuren frei. Durch die geschilderten chemischen Modifikationen der betreffenden Verbindungen werden also reaktive Gruppen wie OH-, NH2-, SH- bzw. COOH-Gruppen gebildet.

4 Durch Kopplung mit Glucuronsäure entstehen so die Glucuronide (7 Kap. 17.1.2). Die Konjugation mit UDPGlucuronat kann dabei mit OH-Gruppen, primären und sekundären Aminen sowie mit Carboxylgruppen erfolgen. Ein wichtiges Beispiel für diesen Reaktionstyp ist die Glucuronidierung von Bilirubin zu Bilirubindiglucuronid (7 Kap. 20.3.1) 4 Sulfatiert werden i. Allg. OH-Gruppen sowie Aminogruppen. Substrat hierfür ist das aktivierte Sulfat oder 3c-Phosphoadenosin-5c-Phosphosulfat (PAPS, 7 Kap. 4.2.1). Östrogene werden beispielsweise meist erst nach Sulfatierung als Sulfate ausgeschieden 4 Neben der Sulfatierung kommt auch die Acetylierung mit Acetyl-CoA vor. Eine weitere Möglichkeit ist die Kopplung von Carboxylgruppen an die Aminosäuren Glycin, Taurin bzw. Glutamin, wobei eine Säureamidgruppierung entsteht. Die die Kopplung eingehende Carboxylgruppe muss dafür allerdings zunächst in das entsprechende Coenzym-A-Derivat umgewandelt werden. Beispiele hierfür sind die verschiedenen Derivate von Gallensäuren (7 Kap. 32.1.4) 4 Weitere Konjugationsreaktionen sind Methylierung, die Deacetylierung sowie die Ausbildung von Thioethern, wobei meist Glutathion-S-Derivate entstehen

! Die Produkte der Phase1 der Biotransformation werden in Phase 2 mit polaren Substanzen konjugiert.

! Viele Verbindungen induzieren das Biotransformationssystem.

Die Phase 2 der Biotransformation wird auch als Konjugationsphase bezeichnet. In ihr werden die in der Phase1 der Biotransformation entstandenen Verbindungen über ihre reaktiven Gruppen an polare Substanzen gekoppelt, wodurch sie sich in ausreichend hydrophile Verbindungen umwandeln (. Abb. 33.8).

Es ist schon lange bekannt, dass Verbindungen, die im Biotransformationssystem modifiziert werden, die einzelnen Enzymaktivitäten der Phasen 1 und 2 induzieren können. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind allerdings erst in den letzten Jahren aufgeklärt worden (. Abb. 33.9). Endobiotica und v.a. Xenobiotica sind nämlich Liganden einer

33

1092

Kapitel 33 · Leber

COO–

COO– O

R

OH

+

O

OH

UDP

HO

O

OH

R

NH

+ UDP

OH

UDP

HO

HO

OH

OH

COO–

COO– O

COO– +

UDP

COO– O

R

+ OH

COO– NH2 +

R

HO

OH

R

O

OH

O O

OH

O C

R + UDP

OH

UDP

HO

HO

OH

OH

a

R

OH + PAPS

R

O SO–3 + PAMP

R

NH2 + PAPS

R

NH

R

COO– + ATP + CoA

SO–3 + PAMP

b O

R

SH

C S

O

c

R

C SCoA + H3N

CoA + AMP + PPi O

+

CH2 COO



R

C NH CH2 COO– + CoA

SH

. Abb. 33.8. Die wichtigsten Konjugationsreaktionen. a Glucuronidierung von Hydroxylgruppen, primären Aminen und Carboxylgruppen. b Sulfatierung von Hydroxylgruppen oder primären Aminen mit PAPS (3`-Phospho-adenosin-5`-phosphosulfat); Kopplung von

Carboxylgruppen an Aminosäuren. Für die Knüpfung der Amidbindung muss die Carboxylgruppe ATP-abhängig in den CoA-Thioester umgewandelt werden. c Konjugation mit Glycin

Familie von Transkriptionsfaktoren, die strukturell große Ähnlichkeit mit den Steroidhormonrezeptoren haben: 4 Der konstitutive Androstanrezeptor CAR sowie der Pregnan-X-Rezeptor PXR binden eine Vielzahl verschiedenster Xenobiotica und wirken dann als ligandenaktivierte Transkriptionsfaktoren der entsprechenden Gene. Eine Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist allerdings die Heterodimerisierung mit dem RetinoatX-Rezeptor 4 Für die karzinogene Wirkung von polyzyklischen Kohlenwasserstoffen ist der Arylhydrocarbonrezeptor AHR verantwortlich, ebenfalls ein ligandenaktivierter Transkriptionsfaktor. Dieser ist nur als Heterodimer aktiv, allerdings benötigt er den Transkriptionsfaktor ARNT (ARH nuclear translocator), der auch für den Hypoxie-induzierten Faktor HIF (7 Kap. 28.1.10) eine wichtige Rolle spielt

Zur Konkurrenz um die Enzyme des Biotransformationssystems kann es kommen, wenn mehrere Arzneimittel gleichzeitig gegeben werden. Als Folge zeigen sich dann gegebenenfalls Überdosierungen. Bei Neugeborenen sind die betreffenden Enzymaktivitäten i. Allg. außerordentlich niedrig. Dies betrifft v.a. die Konjugationsreaktionen und hier die Glucuronyltransferasen. So beruht der bei ihnen gelegentlich zu beobachtende schwere Icterus Neonatorum auf einer noch ungenügenden Glucuronidierung des durch den physiologischerweise gesteigerten Erythrozytenabbau entstehenden Bilirubins (7 Kap. 20.4.2). Außerdem reagieren Neugeborene gegen eine Reihe von Arzneimitteln ganz besonders empfindlich.

33

1093 33.3 · Biotransformation

. Abb. 33.9. Induktion der Metabolisierungsenzyme durch Xenobiotica. Hydrophobe Xenobiotica oder andere Aktivatoren binden entweder direkt im Zellkern an den PXR oder im Cytosol an den CAR, der anschließend mit Hilfe von weiteren Proteinfaktoren in den Zellkern verlagert wird. Dort erfolgt in beiden Fällen die Heterodimerisierung mit RXR und die Transkriptionsaktivierung.

33.3.2

Die metabolische Aktivierung durch das Biotransformationssystem

! Durch metabolische Aktivierung können toxische Produkte entstehen.

Gelegentlich entstehen erst durch die Biotransformationsreaktionen Verbindungen mit biologischer Wirkung. Dies kann bei Arzneimitteln ein gewünschter Effekt sein, häufiger treten jedoch toxische, oft karzinogene Verbindungen auf. Derartige reaktive Metabolite können auf jeder Stufe der Biotransformation entstehen. Dieser auch als Giftung bezeichnete Prozess benötigt gelegentlich auch mehrere Umwandlungsschritte. Tierexperimentelle Untersuchungen über den Stoffwechsel eines Arzneimittels lassen häufig nur eine beschränkte Aussage über die entsprechende Umwandlung beim Menschen zu, da große Speziesunterschiede im Metabolisierungsmuster bestehen. Darüber hinaus können bei wiederholter Applikation durch Induktion weiterer biotransformierender Enzyme innerhalb derselben Spezies andere Metabolite entstehen und zahlreiche genetisch determinierte Polymorphismen von arzneimittelmetabolisierenden Enzymen sind bekannt. Dies begründet interindividuelle Unterschiede hinsichtlich Arzneimittel-

Für polyzyklische Kohlenwasserstoffe wird der Transkriptionsfaktor AHR verwendet, der allerdings mit ARNT heterodimerisieren muss. PXR = Pregnan-X-Rezeptor; CAR = konstitutiver Androstanrezeptor; RXR = Retinoat-X-Rezeptor; AHR = Aryl-Hydrocarbon Rezeptor; ARNT = AHR nuclear translocator

verträglichkeit und -wirksamkeit und bildet die Grundlage für das Forschungsgebiet Pharmakogenetik. Es ist auch wahrscheinlich, dass Polymorphismen in fremdstoffabbauenden Enzymen an der genetischen Veranlagung zur Tumorentstehung beteiligt sind. Von besonderem Interesse sind metabolische Aktivierungen bei Arzneimitteln, was im Folgenden an zwei Beispielen dargestellt werden soll. Paracetamol ist ein Acetanilid, das als mildes Analgetikum wirkt. Der größte Teil dieser Verbindung wird nach Glucuronidierung bzw. Sulfatierung wasserlöslich und damit ausscheidungsfähig. Ein Teil des Paracetamols wird jedoch oxidiert, sodass das in . Abb. 33.10 dargestellte Zwischenprodukt entsteht. Dieses wird als Glutathion-S-Konjugat ausgeschieden. Es kommt jedoch gelegentlich zu Zuständen, bei denen durch konkurrierende Reaktionen die für diese Reaktion benötigte Glutathionmenge nicht zur Verfügung steht. In diesem Fall reagiert das Produkt mit SH-Gruppen auf Hepatozytenproteinen, die damit inaktiviert werden. Bei Überdosierung von Paracetamol lässt sich auf diese Weise eine lebensbedrohliche Lebernekrose auslösen. Häufig werden im Verlauf von Biotransformationsreaktionen Arzneimittel acetyliert. Bei Menschen können als genetische Varianten ein langsamer und ein schneller

33

1094

Kapitel 33 · Leber

. Abb. 33.10. Der Paracetamolstoffwechsel. Der zu toxischen Nebenprodukten führende Abbauweg des Paracetamol ist (rot) hervorgehoben. (Weitere Einzelheiten 7 Text)

33

Acetylierungstyp unterschieden werden. Diese Tatsache ist für den Stoffwechsel einer Reihe von Medikamenten von großer Bedeutung. Schnelle Acetylierer zeigen häufig gegenüber langsamen Acetylierern unterschiedliche Metabolisierungsmuster. Bei einer Reihe von Arzneimitteln hat dies wesentliche Konsequenzen. Procainamid (. Abb. 33.11) ist ein zur Therapie von Herzrhythmusstörungen benutztes Arzneimittel. Der normale Abbau der Verbindung beginnt durch eine N-Acetylierung, wobei das entstehende Produkt die gleichen pharmakologischen Wirkungen wie die Ausgangsverbindung zeigt. Bei Personen mit langsamem Acetylierungstyp findet dagegen bevorzugt eine N-Hydroxylierung statt. N-Hydroxyprocainamid bildet jedoch eine Reihe weiterer reaktionsfähiger Zwischenprodukte, die mit zellulären Makromolekülen, z.B. mit Nukleinsäuren, covalente Verbindungen eingehen können. Diese wirken offensichtlich als Antigene. Jedenfalls erkranken Personen vom langsamen Acetylierungstyp nach Behandlung mit Procainamid in statistisch signifikant höherem Maß an systemischem Lupus erythematodes, einem mit Autoantikörpern gegen DNA einhergehenden Krankheitsbild. Das in . Abb. 33.12 dargestellte Aflatoxin ist ein Sekundärmetabolit verschiedener Schimmelpilze. Es wird nach

. Abb. 33.11. Metabolisierungsprodukte von Procainamid. (Einzelheiten 7 Text)

Aufnahme in die Hepatozyten oxidativ in ein sehr reaktionsfähiges Epoxid umgewandelt, anschließend als Gluthation-S-Konjugat löslich gemacht und durch entsprechende Transportsysteme ausgeschieden. Wegen seiner hohen Reaktionsfähigkeit ist das Epoxid imstande, mit DNA Addukte zu bilden, die mutagen und damit karzinogen sind.

1095 33.3 · Biotransformation

. Abb. 33.12. Eliminierungsreaktionen von Aflatoxin. Die reaktive Gruppe des Zwischenprodukts ist rot hervorgehoben. (Einzel-

heiten 7 Text) MRP2 = multidrug resistance related protein (organischer Anionentransporter, grün)

In Kürze Die Leber ist das Hauptorgan des in drei Phasen ablaufenden Biotransformationssystems: 4 In Phase 1 werden meist hydrophobe Endo- bzw. Xenobiotica hydroxyliert, alternativ oxidativ oder seltener reduktiv modifiziert 4 In Phase 2 unterliegen die durch die Reaktionen der Phase 1 entstandenen funktionellen Gruppen der Kopplung an hydrophile Verbindungen, häufig Glucuronat

4 In Phase 3 werden die so entstandenen Verbindungen durch spezifische Transportsysteme in die Galle oder die Blutbahn exportiert Gelegentlich entstehen durch die Reaktionen des Biotransformationssystems biologisch aktive Verbindungen, was für den Stoffwechsel von Arzneimitteln oder Umweltgiften von Bedeutung ist.

33

1096

Kapitel 33 · Leber

33.4

Die Leber als Ausscheidungsorgan

Durch Gallebildung ist die Leber ein wichtiges Ausscheidungsorgan. Diese erfolgt durch gerichtete Sekretion gallenpflichtiger Substanzen in die Gallencanaliculi, welche von benachbarten Hepatozyten gebildet werden und durch tight junctions abgedichtet sind. Die Gallencanaliculi vereinigen sich zu immer größeren Gallengängen bis letztendlich die Galle über den Ductus choledochus in den Darm abfließt. Während der Gallenwegspassage wird die Zusammensetzung der von den Hepatozyten gebildeten Primär- oder Lebergalle durch Gallengangsepithelzellen (Cholangiozyten) weiter modifiziert. Beim Menschen werden täglich 600–700 ml Galle in den Darm sezerniert, deren Hauptbestandteile Gallensäuren, Phospholipide und Cholesterin sind (7 Kap. 32.1.4). Daneben enthält die Galle Proteine, Elektrolyte, und Konjugate von Xenobiotica sowie von endogen gebildeten Abfallstoffen (z.B. Bilirubinglucuronide). Die mit der Galle in den Darm ausgeschiedenen und für Fettverdauung und -resorption wichtigen Gallensäuren werden im unteren Dünndarm großteils rückresorbiert und gelangen über das Pfortaderblut wieder zur Leber, um erneut in die Galle ausgeschieden zu werden (sog. enterohepatischer Kreislauf).

33.4.1

Die Bedeutung der Hepatozyten bei der Gallebildung

! Die Gallebildung ist ein osmotischer, durch transzellulären Transport getriebener Prozess.

33

Gallebildung. Der Hepatozyt ist eine polarisierte epithelia-

le Zelle, bei der die basolaterale (sinusoidale, der Blutseite zugewandte) Zellmembran von der apicalen (canaliculären) Membran, die den Gallecanaliculus begrenzt, zu unterscheiden ist. Beide Membranabschnitte sind an der Gallebildung beteiligt, indem Fremdstoffe, aber auch endogene Metabolite über die sinusoidale Membran des Hepatozyten aufgenommen und nach Prozessierung im Zellinnern (z.B. durch Konjugationsreaktionen) über die canaliculäre Membran in den Gallecanaliculus ausgeschieden werden. Auf diese Weise entsteht ein transzellulärer, vom Sinusoidallumen in den Gallecanaliculus gerichteter Transport (. Abb. 33.13). Da viele der beteiligten Carrier einen primär oder sekundär aktiven Transport katalysieren, kommt es zu einer Substratkonzentrierung in der Gallenkapillare mit Aufbau eines osmotisch wirksamen Gradienten. Dieser ist für das passive Nachströmen von Wasser und Elektrolyten aus dem Parazellulärraum verantwortlich. Gallensäuren haben einen großen Anteil an diesem Substratgradienten, weswegen man auch von einer gallen-

säureabhängigen Gallesekretion spricht. Sie macht 30– 60% der basalen Sekretion aus, kann aber bei Nahrungsresorption aufgrund des damit verbundenen enterohepatischen Kreislaufs von Gallensäuren erheblich zunehmen. Die gallensäureunabhängige Gallesekretion wird teils durch den Transport von Glucuronsäure- und Glutathionkonjugaten, teils auch durch eine Sekretion von HCO3– angetrieben, das durch die Carboanhydrase gebildet wird. Ladungs- und Ionenausgleich besorgen in der sinusoidalen Membran gelegene Na+/H+- und Na+/HCO3–-Antiporter sowie die Na+/K+-ATPase. Transportsysteme der Sinusoidalmembran. Folgende

Transportsysteme der sinusoidalen Membran (. Abb. 33.13) sind von besonderer Bedeutung bei der Gallebildung: 4 Na+/K+-ATPase, die durch Ausbildung eines elektrochemischen Na+-Gradienten die Triebkraft für Na+gekoppelten, sekundär aktiven Transport darstellt 4 Ntcp, ein Na+-abhängiges Gallensalztransportsystem, welches vorwiegend die Gallensäureaufnahme in die Leberzelle vermittelt 4 Transporter der Oatp-Familie, die Na+-unabhängig die Aufnahme von organischen Anionen (z.B. Bilirubin, Digitalis, unkonjugierte Gallensäuren) vermitteln. Bei Oatp1 erfolgt diese Aufnahme im Gegentausch mit intrazellulärem Glutathion (GSH), welches einen hohen intra-/extrazellulären Konzentrationsgradienten aufweist 4 Transport-ATPasen der multidrug-related Proteinfamilie (MRP3 und 4), welche konjugierte Gallensäuren und Bilirubin, aber auch Glutathionkonjugate aus der Leberzelle in das Blut transportieren können. Normalerweise ist die Expression dieser Transporter sehr gering; sie werden aber hochreguliert bei Cholestase und verhindern auf diese Weise eine Überladung der Leberzelle mit gallenpflichtigen Substanzen Transportsysteme der canaliculären Membran. Die Aus-

scheidung gallepflichtiger Substanzen über die canaliculäre Membran erfolgt vorwiegend durch ATP-abhängige Transportsysteme, wie: 4 BSEP (bile salt export protein) für die Ausscheidung von Gallensäuren 4 Multidrug-related protein 2 (MRP 2), welches unterschiedliche organische Anionen transportiert, wie Glucuronsäurekonjugate (z.B. Bilirubinglucuronide) oder Glutathionkonjugate. Letztere werden mit Hilfe von Glutathion-S-Transferasen aus Glutathion (GSH) und verschiedenen lipophilen Verbindungen, auch Arzneimitteln gebildet:

4 Multidrug Resistenz Transporter (MDR-Transporter), von denen MDR1 an der Ausscheidung von organischen

1097 33.4 · Die Leber als Ausscheidungsorgan

. Abb. 33.13. An der Gallenbildung beteiligte hepatozelluläre Transportsysteme. ABC G5/G8 = Cholesterintransporter; BDG = Bilirubindiglucuronid; BSEP = Gallensäuretransporter; CA = Carboanhydrase; GS = Gallensäuren; GSH = Glutathion; MDR = multidrug resistance transporter; MRP2 = multidrug resistance related protein;

NK = Na+/K+-ATPase; Ntcp = Na+-abhängiger Gallensäuretransporter; Oatp = Transporter für organische Anionen; T = tight junctions; geschlossene Symbole geben ATP-abhängige, offene sekundär aktive oder passive Transportsysteme wieder. (Weitere Einzelheiten 7 Text)

Kationen und Xenobiotica beteiligt ist, während das humane MDR3 Phospholipide transportiert 4 FIC 1 (engl.: familiar intrahepatic cholestasis) für die Ausscheidung von Aminophospholipiden 4 ABCG5/G8, ein Heterodimer aus zwei Halbtransportern, welches den Cholesterintransport in die Galle ermöglicht

in die canaliculäre Membran. Es besteht ein Gleichgewicht zwischen aktuell in die canaliculäre Membran eingebauten Transportern und solchen die intrazellulär in subcanaliculären Vesikeln gespeichert sind. Letztere können bei Bedarf rasch zur canaliculären Membran rekrutiert werden, sodass innerhalb von Minuten eine Steigerung der Exkretionskapazität möglich wird. Die choleretische Wirkung der therapeutisch eingesetzten Ursodesoxycholsäure beruht u.a. auf einer Stimulation des Einbaus von intrazellulär gelagertem MRP2 und BSEP in die canaliculäre Membran. Der Farnesoid X Rezeptor (FXR) ist als Transkriptionsfaktor ein besonders wichtiger Regulator der Genexpression vieler Gallensäuretransportsysteme. FXR wird durch Gallensäuren aktiviert, mit der Folge, dass canaliculäre Transporter, wie BSEP und MRP2 vermehrt, der sinusoidale Ntcp dagegen vermindert exprimiert werden. Dadurch wird nicht nur das Gallebildungsvermögen an die intrazelluläre Gallensäurekonzentration angepasst, sondern auch eine Überladung der Leberzelle mit Gallensäuren bei Cholestase vermieden. Dies ist von Bedeutung, da hohe Konzentrationen von Gallensäuren die Leberzelle schädigen und zum Zelltod durch Apoptose führen können.

Außer den genannten Transport-ATPasen finden sich in der canaliculären Membran noch Transportsysteme für Pyrimidine, Purine und Aminosäuren. HCO3–/Cl–- und SO42–/OH–-Antiporter sind für die Aufrechterhaltung einer hohen Hydrogencarbonat- und Sulfatkonzentration der Gallenflüssigkeit verantwortlich. Typisch für die canaliculäre Membran ist schließlich die Ausstattung mit verschiedenen Enzymen. Zu ihnen gehören die γ-Glutamyltranspeptidase, die Leucinaminopeptidase, weitere Peptidasen sowie eine CalciumATPase. ! Die Aktivität der für die Gallebildung verantwortlichen Transportsysteme wird langfristig durch Änderung ihrer Genexpression, kurzfristig durch reversiblen Einbau in die canaliculäre Membran reguliert.

Die funktionelle Aktivität der genannten Transportsysteme unterliegt dabei nicht nur einer Langzeitregulation auf Genexpressionsebene, sondern auch einer Kurzzeitregulation durch raschen Ein- und Ausbau von Transportermolekülen

33

1098

Kapitel 33 · Leber

33.4.2

Die Funktion der Cholangiozyten bei der Gallebildung

Gallengangsepithelzellen (Cholangiozyten) können die Zusammensetzung der Galleflüssigkeit modifizieren. Unter dem Einfluss von Sekretin kommt es rezeptorvermittelt zur Erhöhung der intrazellulären cAMP-Konzentration

mit nachfolgend gesteigerter Wasser- und HCO3–-Sekretion. An den beteiligten Wasserverschiebungen sind Aquaporine beteiligt. Außerdem sind Cholangiozyten imstande, mit Hilfe Na+-abhängiger Transportsysteme Glucose, aber auch Gallensäuren rückzuresorbieren. Letzteres tritt insbesondere bei Abflussbehinderungen der Gallenwege auf (obstruktive Cholestase).

In Kürze Die sekretorische Funktion der Leber beruht auf ihrer Fähigkeit zur Bildung und Ausscheidung von Galle. Diese enthält als Hauptbestandteile 4 Gallensäuren 4 Phospholipide 4 Cholesterin 4 andere Konjugate sowie 4 anorganische Salze

33.5

Funktionen der Nichtparenchymzellen der Leber

! Die hepatischen Endothelzellen sind für die Eliminierung von Makromolekülen aus dem Blut verantwortlich.

33

Die Aufnahme und Eliminierung von Makromolekülen aus dem Blut ist eine der Hauptfunktionen der hepatischen Endothelzellen. Sie verfügen jedenfalls im Vergleich zu den anderen zellulären Elementen der Leber über die beste Ausstattung mit Rezeptoren für 4 Asialoglycoproteine (7 Kap. 17.3.4) 4 Fc-Teile von Immunkomplexen (7 Kap. 34.3.4) sowie 4 LDL-Apolipoproteine (7 Kap. 18.5.2) Darüber hinaus können sie in beträchtlichem Umfang Kollagen sowie Proteoglykane durch Endozytose aufnehmen und auf diese Weise zum Abbau von Bindegewebskomponenten beitragen. Sinusendothelzellen besitzen Fenestrationen (Siebplatten) über welche der Sinusoidalraum mit dem Disséschen Raum in Verbindung steht (. Abb. 33.1) ! Kupfferzellen werden für Phagozytose und Abwehr benötigt.

Die Kupfferzellen leiten sich von den Knochenmarksstammzellen ab und gehören in die Reihe der mononucleären Phagozyten (7 Kap. 34). Sie sind zur Phagozytose von Viren, Bakterien, Zelltrümmern, Immunkomplexen und Endotoxinen imstande. Gleichzeitig mit diesem Prozess kommt es zu einer gesteigerten H2O2-Produktion, zur Prostaglandinsynthese sowie zur Sekretion von Kollagenase. Diese für die Abtötung fremder Zellen benötigten Mechanismen dienen auch der Eliminierung von Tumor-

Die Gallebildung beruht mechanistisch auf der Kooperation einer Reihe von z.T. ATP-abhängigen Transportern, die sowohl in der basolateralen als auch der canaliculären Membran der Hepatozyten lokalisiert sind. In den Cholangiozyten erfolgt außerdem die Sekretion von Hydrogencarbonat und Wasser in die Gallenflüssigkeit

zellen. Daneben geben Kupfferzellen bei Endotoxinkontakt Cytokine wie TNFα (7 Kap. 25.8.2) und Interleukin-6 (7 Kap. 25.8.3) ab. Letzteres bewirkt an der Leberparenchymzelle eine Akutphase-Antwort. Kupfferzellen sind aber auch an der Beendigung von Immunantworten beteiligt, indem sie die Apoptose von Lymphozyten einleiten. Dies liegt auch der hepatischen Immuntoleranz zugrunde. ! Sternzellen sind auf die Speicherung von Retinol und auf die Produktion von extrazellulärer Matrix spezialisiert.

Lebersternzellen (Synonyme: Ito-Zellen, perisinudoidale Zellen, Lipidspeicherzellen) können sich in »ruhendem« und »aktiviertem« Zustand befinden: 4 Im Ruhezustand speichern sie Vitamin A (Retinol und Retinolester), können dies aber auch wieder freisetzen und sind zur Bildung extrazellulärer Matrix (Kollagen I, III, IV und VI, Proteoglykane) befähigt. Vergleicht man die Kapazität der verschiedenen Leberzelltypen zur Biosynthese von Kollagen und Proteoglykanen, so zeigt sich, dass etwa 80% dieser wichtigen Bestandteile der extrazellulären Matrix in den Sternzellen synthetisiert werden 4 Die Aktivierung der Sternzellen erfolgt im Rahmen von Leberschäden durch Cytokine, wie TGFβ, TNFα und PDGF. Sie führt zur Transformation der ruhenden Sternzelle in rasch proliferierende, myofibroblastenähnliche Zellen, die keine Vitamin A-haltigen Tröpfchen mehr aufweisen, jedoch α-Aktin, wie es in der glatten Muskulatur vorliegt, exprimieren. Diese aktivierten Sternzellen sind zur Kontraktion und zur Kollagenbildung befähigt und spielen eine herausragende Rolle bei der Entstehung von Leberfibrose und -cirrhose (7 Kap. 33.6.1)

1099 33.6 · Pathobiochemie

In Kürze Die Nichtparenchymzellen der Leber sind für jeweils spezifische Funktionen zuständig: 4 Die hepatischen Endothelzellen für die Aufnahme von Makromolekülen, z.B. Glycoproteinen, Immunkomplexen oder Lipoproteinen,

33.6

Pathobiochemie

33.6.1

Leberzellschädigung

Aufgrund ihrer besonderen anatomischen Positionierung und ihrer vielfältigen Funktionen kann die Leber von einer großen Zahl unterschiedlichster Noxen getroffen werden. Diese können zum mehr oder weniger umfänglichen Leberzelluntergang mit nachfolgender Wundheilungsantwort und Regeneration führen. Sistiert die zugrunde liegende Noxe, ist eine restitutio ad integrum möglich, da die Leber über eine sehr hohe Regenerationsfähigkeit verfügt. Bei Noxenpersistenz führt der kontinuierliche Leberzelluntergang zu Bindegewebsablagerungen, die sich zunächst ohne (Leberfibrose), später aber mit Störung der Leberarchitektur und Regeneratknotenbildung (Lebercirrhose) manifestiert. Grundsätzlich ist diese Bindegewebseinlagerung als Wundheilungsantwort zu verstehen, deren fehlende Beendigung aber zu Fibrose und Cirrhose führen kann. Dann kommt es zu Funktionseinschränkungen der Leber sowie zu Störungen der Leberhämodynamik, die auch auf die Funktion anderer Organe zurückwirken kann. Im Folgenden werden drei pathobiochemisch wichtige Störungen angesprochen: 4 Der akute Leberzelluntergang 4 Die chronische Leberschädigung 4 Die Cholestase ! Viele Gifte lösen einen akuten Leberzelluntergang aus.

Auslösende Ursache für eine akute Zellnekrose der Leber können Sauerstoffmangel, Vergiftung mit bakteriellen Endotoxinen, Leberzellgifte (z.B. Tetrachlorkohlenstoff, Knollenblätterpilzgift u.a.) oder akute, schwer verlaufende Infekte sein. Der direkte Auslöser für die Zellnekrose ist häufig eine schwere Beeinträchtigung des Energiestoffwechsels mit Aktivierung von Lysosomen, Schädigung des Cytoskeletts sowie der Zellmembranen. Dabei kommt es zum Austritt zellulärer Bestandteile in das Blut. Aufgrund der besonders günstigen Messtechnik dient die Bestimmung hepatozellulärer Enzymaktivitäten im Serum (z.B. die Alaninaminotransferase und/oder die Aspartataminotransferase) neben der Bestimmung der hepatischen Syntheseleistung als Maß für die Schwere der Leberschädigung. Wegen der kurzen Halbwertszeit von Blutgerinnungsfaktoren sind plasmatische Gerinnungstests (z.B. Prothrom-

4 die Kupfferzellen für Phagozytose und Abwehr, 4 die Sternzellen für die Speicherung von Retinol und besonders nach Aktivierung für die Produktion von extrazellulärer Matrix, v.a. die Kollagene I, III, IV und VI sowie verschiedene Proteoglykane, Laminin und Fibronectin.

binzeit nach Quick oder Faktor V Bestimmung) besonders gut geeignet um Schwere und Dynamik der Leberschädigung bei akutem Leberversagen zu erfassen. Während starke Gifteinwirkung den nekrotischen Zelltod auslöst, führen subkritische Schädigungen zum apoptotischen Zelluntergang. Die Übergänge zwischen Apoptose (7 Kap. 7.1.5) und Nekrose sind dabei fließend. Eine immunologisch vermittelte Apoptose ist von besonderer Bedeutung beim Leberzelluntergang im Rahmen einer Virushepatitis. Auch Alkohol, toxische Gallensäuren und manche Medikamente können zur Apoptose von Leberzellen über eine teilweise ligandenunabhängige Aktivierung von Todesrezeptoren (z.B. Fas/CD95) führen. Die Prognose eines akuten Leberzelluntergangs hängt von seinem Ausmaß ab; bisweilen ist er so stark, dass eine rasche Lebertransplantation erforderlich ist. ! Alkoholgenuss ist eine häufige Ursache der chronischen Leberschädigung.

Akuter Alkoholkonsum. Die Leber ist der Hauptort des

Alkoholabbaus, der hauptsächlich über die Alkoholdehydrogenase (ADH) erfolgt (. Abb. 33.14). Die dabei anfallenden Reduktionsäquivalente in Form von NADH und Acetat führen zur Hemmung der Gluconeogenese und der Fettsäureoxidation, und zu einer Steigerung der Ketonkörper-, α-Glycerophosphat- und Fettsäuresynthese. Daraus synthetisierte Triacylglycerine akkumulieren intrazellulär, da ihre Ausschleusung aus der Leberzelle u.a. durch eine Acetaldehyd-bedingte Beeinträchtigung mikrotubulärer Transportvorgänge (7 Kap. 6.3.1) gestört ist. Auch die autophagische Proteolyse wird durch Alkohol gehemmt (Hydratationszunahme der Leberzelle!) mit der Folge einer intrazellulären Proteinakkumulation. Die so entstehende Fettleber ist durch Fett- und Proteinanhäufung und Lebervergrößerung (Hepatomegalie) charakterisiert. Weitere Folgen des akuten Alkoholkonsums sind Neigung zu Hypoglykämie, Lactat- und Ketoazidose (Neigung zu Gichtanfällen!) und Interferenzen mit dem Arzneimittelabbau. Diese akuten alkoholbedingten Stoffwechselveränderungen sind bei Alkoholkarenz in der Regel reversibel. Chronischer Alkoholkonsum. Chronische Zufuhr von Alko-

hol kann zu dauerhaften Leberschäden bis hin zur Lebercirrhose führen. Folgende Mechanismen sind daran beteiligt (. Abb. 33.14):

33

1100

Kapitel 33 · Leber

. Abb. 33.14. Der Stoffwechsel des Ethanols in der Leber. Für die erste Oxidation zu Acetaldehyd stehen zwei Enzyme zur Verfügung. Die cytosolische Alkohol-Dehydrogenase, die den Hauptanteil an der Ethanoloxidation katalysiert, liefert NADH. Das im endoplasmatischen Retikulum lokalisierte mikrosomale Ethanol oxidierende System (MEOS) beruht auf der Aktivität einer Cytochrom P450-abhängigen Monooxigenase, die durch Ethanol induziert wird. In Nebenreaktionen

33

4 Durch chronische Alkoholzufuhr kommt es zur Induktion der im endoplasmatischen Retikulum lokalisierten Cytochrom P450-abhängige Monooxigenase CYP 2E1 (7 Kap. 15.2.1). Dieses Enzym hat ein breites Substratspektrum für die Metabolisierung von Endo- bzw. Xenobiotica, katalysiert aber auch die Ethanoloxidation zu Acetaldehyd. Aus diesem Grund wird es auch als ethanoloxidierendes System (MEOS engl. microsomal ethanol oxidizing system) bezeichnet 4 Die Induktion von MEOS führt zu einer Zunahme dieses normalerweise nur in geringem Umfang beschrittenen Wegs des Alkoholabbaus, allerdings unter Verbrauch von Sauerstoff und Reduktionsäquivalenten ohne ATP-Gewinnung. Dies ist u.a. für hypoxische Leberzellschäden im perivenösen Bereich des Leberacinus verantwortlich 4 Die gesteigerte Metabolisierung von Ethanol, aber auch der anderen Substrate von CYP 2E1 begünstigt die Bildung von Sauerstoffradikalen (oxidativer Stress), führen so zur Lipidperoxidation mit entsprechenden Membranschädigungen und begünstigen die Apoptose von Leberzellen 4 Der Alkoholabbau sowohl über ADH als auch über MEOS führt zur Bildung von Acetaldehyd. Dieses wird zum größten Teil über die mitochondriale Aldehydehydrogenase zu Acetat abgebaut. Acetaldehyd kann durch Proteinadduktbildung neue antigene Determinanten schaffen und so Immunreaktionen in Gang set-

dieses Enzyms entstehen reaktive Sauerstoffspezies, die für viele Folgeschäden des chronischen Alkoholabusus verantwortlich sind. Das Reaktionsprodukt Acetaldehyd bildet Proteinaddukte und löst Immunreaktionen und eine Fibrosierung aus. Durch die mitochondriale Aldehyddehydrogenase wird es in Acetat umgewandelt. (Weitere Einzelheiten 7 Text)

4

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zen, insbesondere aber Kupfferzellen zur Bildung von Cytokinen, wie PDGF, TNFα und TGFβ veranlassen Diese Cytokine führen zur Aktivierung ruhender Sternzellen, deren Proliferation und Umwandlung in myofibroblastenartige Zellen. Diese transformierten Sternzellen sind kontraktil, synthetisieren große Mengen extrazellulärer Matrix und fördern so die Fibrosierung. Dies führt zur Erhöhung des sinusoidalen Durchströmungswiderstands Aktivierte Sternzellen produzieren ihrerseits weitere Signalstoffe, wie PDGF, welches autokrin proliferationssteigernd wirkt und so zur Propagierung der Fibrosierung führt Im Rahmen all dieser Prozesse kommt es zum progredienten Leberzelluntergang, aber auch zum Einsetzen von Regenerationsvorgängen. Diese werden aber durch die Fibrosierung der Leber behindert: es kommt zum Umbau der Läppchenarchitektur mit Regeneratknotenbildung und gestörter Leberdurchblutung. In diesem Zustand spricht man von Lebercirrhose Es sind eine Reihe von Genpolymorphismen für oxidative und antioxidative Enzymsysteme (z.B. manganabhängige Superoxiddismutase, Cytochrom P450-Subspezies) sowie Promotoren in Cytokingenen (z.B. TNFα, Interleukin 10) bekannt, welche die Suszeptibilität für alkoholische Leberschäden beeinflussen. Dies erklärt weshalb viele, jedoch nicht alle Alkoholiker einen schweren Leberschaden entwickeln

1101 33.6 · Pathobiochemie

Auch andere Formen der chronischen Leberzellschädigung (z.B. chronische Virushepatitis, nichtalkoholische Steatohepatitis, Eisenspeicherkrankheit) können durch Auslösung dieser Reaktionsmuster zur Lebercirrhose führen, deren klinische Symptomatik durch den Leberfunktionsverlust (z.B. Blutgerinnungsstörungen, verminderte Albuminsynthese), die Störung der Leberdurchblutung (portale Hypertension, Ösophagusvarizen und andere Umgehungskreisläufe, Aszites, Milzvergrößerung) und die Rückwirkung auf die Funktion anderer Organe (z.B. Gehirn: hepatische Enzephalopathie durch unzureichende Ammoniakentgiftung der erkrankten Leber) geprägt ist. Infobox Hepatische Enzephalopathie bei Lebercirrhose »I’m a great eater of beef, but believe it does harm to my wit« sagt Sir Andrew Aguecheek in Shakespeares »Was ihr wollt«. Aguecheek, der sehr dem Alkohol zusprach und daher wahrscheinlich an Lebercirrhose litt, berichtet hier die Auslösung einer Enzephalopathieepisode durch Fleischgenuss. Die hepatische Enzephalopathie ist eine in der Regel reversible Hirnfunktionsstörung mit Verlangsamung, Konzentrationsstörung bis hin zum Koma, die u.a. durch Hyperammoniämie ausgelöst wird. Fleischgenuss führt zu einer vermehrten Produktion von Ammoniak, welcher normalerweise von der Leber wirksam und rasch entgiftet wird. Bei Lebercirrhose dagegen gelangt Ammoniak aufgrund einer metabolischen Leberinsuffizienz und aufgrund von Umgehungskreisläufen vermehrt zum Gehirn und entfaltet dort seine toxische Wirkung.

! Cholestase ist Folge einer Störung hepatobiliärer Transportsysteme oder eines gestörten Galleabflusses.

Störungen der Gallebildung können auf mechanischer Verlegung abführender Gallenwege (z.B. Tumoren, Gallensteine) beruhen (»obstruktive Cholestase«), aber auch primär auf hepatozellulärer Ebene durch Störungen der hepatobiliären Sekretion (»hepatozelluläre Cholestase«) zustande kommen. Letztere tritt meist auch sekundär bei obstruktiver Cholestase hinzu. Ursache des hepatozellulären Sekretionsdefekts sind Infektionen, Toxine, aber auch angeborene Defekte der hepatobiliären Transportsysteme. So führen TNFα und andere inflammatorisch wirkende Cytokine zu verminderter Expression von Ntcp, MRP2 und BSEP, und damit zur gestörten Ausscheidung von Gallensäuren und organischen Anionen. Diese reichern sich im Blut an und führen zu Juckreiz (Gallensäuren) und Gelbsucht (Ikterus durch unzureichende Bilirubinausscheidung). Auch medikamentös und hormonell bedingte Cholestasen beruhen auf einer verminderten Expression solcher Transportsysteme. Im Falle der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase lässt sich bei der Hälfte der Patientinnen eine

Mutation im MDR3 Gen nachweisen. Demgegenüber führen schwere Defekte im MDR3 Gen zur familiären progressiven intrahepatischen Cholestase Typ 3 (PFIC 3), welche ebenso wie PFIC Typ 1 (Defekt des FIC 1 Gens) und PFIC Typ 2 (Defekt des BSEP Gens) bereits im Kindesalter eine Lebertransplantation erfordern. Andere Mutationen von BSEP und FIC 1 können klinisch unter dem Bild der benignen rekurrenten intrahepatischen Cholestase (BRIC) in Erscheinung treten. Unterschiedliche Mutationen in ein und demselben Transporter haben offensichtlich unterschiedliche funktionelle Auswirkungen und können daher zu klinisch unterschiedlichen Krankheitsbildern führen. Dem Ikterus beim Dubin-Johnson-Syndrom liegt ein isolierter genetischer Defekt von MRP2 und damit eine Bilirubinausscheidungsstörung zugrunde, während die Sekretion von Gallensäuren über BSEP nicht beeinträchtigt ist. Über die Pathogenese der verschiedenen Formen des Ikterus 7 Kap. 20.4. Alle Formen der Cholestase können die Leber schädigen, da Gallensäuren in der Leberzelle akkumulieren und so Apoptose auslösen können.

33.6.2

Gallensteine

Eine der häufigsten Erkrankungen in Westeuropa ist das Gallensteinleiden. Allein in Deutschland wird die Zahl der Steinträger auf über 5 Mio. geschätzt, wobei Frauen mehr als doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Gallensteine enthalten in wechselndem Verhältnis als wichtigste Bestandteile Cholesterin, Gallenfarbstoffe sowie Calciumsalze. Je nachdem, welche dieser Verbindungen überwiegend vorkommt, spricht man von Cholesterinbzw. Pigmentsteinen: 4 Cholesterinsteine machen etwa 90% aller Gallensteine aus und haben einen Cholesteringehalt von etwa 70%. Sie entstehen durch Auskristallisation von Cholesterin in der Gallenblase und sind Folge einer übermäßigen Cholesterinausscheidung oder einer Störung des Verhältnisses von Cholesterin und seinen Lösungsvermittlern, den Gallensäuren und Phospholipiden. Solche Missverhältnisse an sezernierten Gallensäuren, Phospholipiden und Cholesterin können erworben (z.B. bei intestinalen Gallensäureverlustsyndromen oder verminderter Synthese bei Lebercirrhose), aber auch genetisch bedingt sein. So wurden sog. Lith-Gene identifiziert, deren Polymorphismen die Cholesterinsteinbildung begünstigen. Zu ihnen zählen BSEP, MDR3 sowie die Cholesterinhalbtransporter ABCG5/8 4 Pigmentsteine bestehen überwiegend aus den Calciumsalzen des Bilirubins sowie Calciumphosphat und -carbonat. Zu ihrer Entstehung tragen eine gesteigerte Ausscheidung von nicht an Glucuronsäure konjugiertem Bilirubin bei, wie sie bei hämolytischen Krankheitsbildern (Sichelzellanämie, Thalassämie, fetale

33

1102

Kapitel 33 · Leber

Erythroblastose, 7 Kap. 29.2.4, 29.2.3) oder Defekten der Glucuronidierung der Leber auftreten. Ein wichtiger Auslöser der Pigmentsteinbildung ist darüber hinaus die Dekonjugierung von Bilirubinglucuronid in der Gallenblase. Sie tritt bei bakterieller Besiedelung der

Gallenwege, besonders mit E. coli auf. Diese setzen große Mengen der β-Glucuronidase frei und sind so für die gesteigerte Dekonjugierung und die dramatische Verschlechterung der Löslichkeit von Gallenfarbstoffen verantwortlich

In Kürze Die Leber kann von einer großen Zahl unterschiedlichster Noxen getroffen werden. Diese können zum mehr oder weniger umfänglichen Leberzelluntergang mit nachfolgender Wundheilungsantwort und Regeneration führen. Man unterscheidet 4 toxische Leberschädigung, z.B. durch Gifte, Endotoxine oder schwere Infekte, die zum akuten Zelluntergang führen 4 chronische Leberschädigungen, die neben der Schädigung der Hepatozyten einen v.a. durch die akti-

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33

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vierten Sternzellen ausgelösten fibrotischen Umbau der Leber mit der Entwicklung einer Lebercirrhose nach sich ziehen, und 4 Schädigungen durch Cholestase, die durch Verlegung der abführenden Gallenwege oder durch Störungen der Gallebildung in den Hepatozyten einhergehen 4 Sehr häufig sind Konkremente in den ableitenden Gallenwegen. Nach ihrer Zusammensetzung unterscheidet man zwischen Cholesterin- und Pigmentsteinen

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