Helaba Volkswirtschaft/Research
September 2009
Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Herausgeber: Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirt/Leitung Research Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale Volkswirtschaft/Research Redaktion: Dr. Stefan Mitropoulos MAIN TOWER Neue Mainzer Straße 52-58, 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24, Telefax: 0 69/91 32-22 44 Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. 2
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Editorial Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt / Leitung Research
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im vergangenen Winterhalbjahr haben zahlreiche Experten und Medienvertreter „das Ende der Globalisierung“ ausgerufen. Je nach politischer Grundhaltung war dies entweder mit einem Ausdruck von Freude oder gar Häme, oder mit Bedauern und Sorge verbunden. Tatsächlich hatte es zunächst den Anschein, als würden der kollabierende Welthandel und die Berichte über immer neue protektionistische Maßnahmen sowie national ausgerichtete Subventionsprogramme den Pessimisten Recht zu geben. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist der internationale Warenaustausch nicht mehr so stark zurückgegangen wie zum Ende des vergangenen Jahres. Die Doha-Runde der WTO zur Liberalisierung des Welthandels war im Sommer 2008 gescheitert. Zeitweise schienen sich die Regierungen gegenseitig überbieten zu wollen im Ankündigen von neuen Handelshemmnissen und von Hilfspaketen, die ausdrücklich nicht die internationale sondern die heimische Wirtschaft stützen sollten. Nur wenige Monate später haben sich – um mit Mark Twain zu sprechen – die Berichte über das Ableben der Globalisierung jedoch als stark übertrieben erwiesen. Angeführt von den asiatischen Schwellenländern legt der Welthandel derzeit ein Comeback hin. So wie nach der schweren Rezession der Weltwirtschaft die hohe Dynamik des zyklischen Aufschwungs überrascht, zeichnet sich auch im Welthandel eine kräftige Gegenbewegung ab. Die in den vergangenen Monaten diskutierten Handelshemmnisse stellen für die Globalisierung und die mit ihr verbundenen Wohlstandsgewinne wohl keine ernsthafte Gefahr dar. Im Gegensatz zur Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren werden die wichtigsten Länder diesmal keinen Handelskrieg führen oder sich auf einen Abwertungswettlauf der Währungen einlassen. Höhere Handelsbarrieren und die großzügige Vergabe von Subventionen erkaufen jedoch zweifelhafte kurzfristige Vorteile auf Kosten der Zukunft. Langfristig verschenken wir so Wachstum und Effizienzgewinne – und damit reale Ressourcen, die fehlen werden, um die Herausforderungen der nächsten Jahre, vom Klimawandel bis zur Alterung der Gesellschaft, zu lösen.
Ihre
Dr. Gertrud R. Traud
3
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Inhalt
Seite Editorial
3
Zusammenfassung
5
1
Internationaler Handel im Wandel
6
1.1
Trends der Globalisierung
6
1.2
Bedeutungsverschiebung in der Triade
8
2
3
Auswirkungen der Krise
10
2.1
Globale Rezession 2008/2009: Der Welthandel bricht ein
10
2.2
Welche Rolle spielt der Protektionismus?
12
2.3
Temporärer Dämpfer – keine Zeitenwende
13
Ausblick: Welthandel wieder auf Expansionskurs
Redaktionsschluss: 16. September 2009
4
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16
Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Zusammenfassung Autoren: Patrick Franke Ulrike Bischoff Telefon: 0 69/91 32-20 24
Der Welthandel wird in diesem Jahr den stärksten Rückgang der Nachkriegszeit verzeichnen (-10 % gg. Vj.). Damit nahm die lange Phase hoher Dynamik ein abruptes Ende. Sind die goldenen Zeiten im weltweiten Handel nun vorbei oder wurde sogar eine Zäsur eingeläutet?
[email protected]
Als Treiber des Welthandels seit Mitte der neunziger Jahre lassen sich folgende Faktoren identifizieren: Im Zuge der Globalisierung hat sich die Internationalisierung der Produktionsprozesse erhöht. Eine führende Rolle spielte dabei die zunehmende Integration der überdurchschnittlich wachsenden asiatischen Schwellenländer in die Weltwirtschaft. Schließlich hat auch der weltweite Trend zur Handelsliberalisierung maßgeblich zur hohen Dynamik des globalen Handelsvolumens beigetragen. Mit der Verschärfung der Finanzkrise im Herbst 2008 wurde deutlich, dass sich die Emerging Markets nicht von der „Konjunkturlokomotive USA“ abkoppeln konnten. Die Weltwirtschaft insgesamt geriet in eine Rezession, und binnen kurzer Zeit fielen auch die Handelsvolumen mit zweistelligen Vorjahresraten. Derselbe Multiplikator, der zuvor den Welthandel gegenüber dem Wirtschaftswachstum überproportional hatte steigen lassen, brachte nun eine Beschleunigung nach unten. Gegen eine Zäsur in der Entwicklung des Welthandels spricht, dass dessen wesentliche Treiber grundsätzlich auch nach der Krise gültig sind. So wird die Tendenz zur Internationalisierung von Produktionsprozessen aufgrund der vielfältigen Vorteile der weltweiten Arbeitsteilung anhalten. Für global agierende Unternehmen gibt es keinen triftigen Grund von der stärkeren Zusammenarbeit mit internationalen Zulieferern abzusehen. Eine Sättigung ist in dieser Hinsicht nicht erreicht, so dass weiterhin Spielraum besteht, effizienter zu produzieren, indem die globale Arbeitsteilung ausgeweitet wird. Dabei bleibt die fortgesetzte Integration der asiatischen Schwellenländer in die Weltwirtschaft eine wichtige Stütze. Das zuletzt vermehrte Auftreten protektionistischer Maßnahmen sollte mit dem Abklingen der Finanz- und Wirtschaftskrise allmählich wieder nachlassen. Angesichts eines erwarteten Weltwirtschaftswachstums von rund 3 % ist für das kommende Jahr eine zweistellige Zuwachsrate beim Welthandel realistisch. Dies reflektiert hauptsächlich eine temporäre Gegenbewegung zu dem vorherigen Einbruch. Mittelfristig ist mit einem Anstieg des globalen BIP zu rechnen, der etwa dem langjährigen Durchschnitt entspricht. Dies liegt merklich unter der Dynamik der Boomjahre vor der Krise. Die jüngsten protektionistischen Maßnahmen könnten noch einige Zeit nachwirken und die Verhandlungen für eine weitere Handelsliberalisierung belasten. Wir erwarten, dass der Welthandel in den kommenden Jahren im Schnitt um etwa 6 % bis 7 % pro Jahr zulegen kann. Der Trend zur Globalisierung ist damit auch nach der Krise intakt. Die in den vergangenen Monaten zunehmenden Handelshemmnisse stellen für die Globalisierung keine ernsthafte Gefahr dar. Im Gegensatz zur Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren werden die wichtigsten Länder diesmal keinen Handelskrieg führen oder sich auf einen Abwertungswettlauf der Währungen einlassen. Höhere Handelsbarrieren und großzügige Subventionen erkaufen jedoch zweifelhafte kurzfristige Vorteile auf Kosten der Zukunft. Langfristig werden so Wachstum und Effizienzgewinne verschenkt.
5
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
1
Internationaler Handel im Wandel
Der Welthandel wird in diesem Jahr mit -10 % den stärksten Rückgang der Nachkriegszeit verzeichnen. Damit wird eine lange Phase hoher Dynamik abrupt beendet - der Durchschnitt seit 1995 lag bei 7 %. Inwieweit stellt dies eine Zäsur dar, und ist mittelfristig eine geringere Dynamik als bislang zu erwarten? Zur perspektivischen Einschätzung des Welthandels ist eine rückblickende Betrachtung seiner Entwicklung und wesentlicher Determinanten sinnvoll. Globales Handelsvolumen dynamisch entwickelt % gg. Vj., real
Quellen: Ecowin, Weltbank, Helaba Volkswirtschaft/Research Schattierte Flächen: Globale Rezessionen laut IWF-Definition
Dynamisch seit Mitte der 90er
Seit Mitte der neunziger Jahre hat der globale Waren- und Dienstleistungsaustausch deutlich an Fahrt gewonnen, die realen Wachstumsraten erreichten temporär sogar immer wieder den zweistelligen Bereich. Durch die Asienkrise 1997/1998 wurde die Handelsdynamik lediglich gedämpft. Demgegenüber führte die für viele Länder weltweit schwierige Konjunkturphase 2001 fast zur Stagnation des Austausches von Gütern und Dienstleistungen, und das bei recht niedrigen Ölpreisen (unter 30 $ je Barrel). In den Folgejahren kehrte der Welthandel zu seinen hohen Zuwachsraten zurück, ohne dass sich das Tempo allerdings weiter beschleunigte. Dies ist vor dem Hintergrund der drastisch gestiegenen Energie- und Transportkosten zu sehen. Was waren die maßgeblichen Triebkräfte der Handelsdynamik seit Mitte der 90er Jahre?
1.1 Internationalisierung von Produktionsprozessen durch Preis- und Produktdifferenzen
Globalisierte Wertschöpfung, Wachstum handelsintensiver
6
Trends der Globalisierung
Im Zuge der Globalisierung hat sich die Internationalisierung der Produktionsprozesse fortgesetzt. In zunehmendem Ausmaß wurden die Vorzüge der weltweiten Arbeitsteilung genutzt, die auf Unterschieden zwischen einzelnen Ländern basieren: Bei Gütern vergleichbarer Qualität und Ausstattung ist der Außenhandel durch Preisunterschiede motiviert, die sich aufgrund divergierender Kosten- und Nachfragestrukturen ergeben. Kommen Qualitätsunterschiede oder besondere Ausstattungsmerkmale hinzu, fördert dies ebenfalls entscheidend den internationalen Warenaustausch. In den letzten Jahren wurden nicht nur immer mehr Endprodukte über die Ländergrenzen hinweg ausgetauscht, sondern gerade auch Halbfabrikate zur Weiterverarbeitung im eigenen Land importiert. Die globalisierten Wertschöpfungsketten (inklusive der Errichtung ausländischer Produktionsstätten) sind zu einem bedeutenden Teil des Welthandels geworden. Das weltweite Wirtschaftswachstum ist seit Mitte der 90er Jahre spürbar handelsintensiver geworden. Im Übrigen wurden angesichts des fortgeschrittenen Stadiums der Globalisierung auch die Nachfragepräferenzen immer vielschichtiger, da zunehmender Wohlstand der Konsumenten eine größere Produktvielfalt erlaubt. Hierbei kommt auch die wachsende Mittelschicht in einigen bevölkerungsreichen Schwellenländern zum Tragen: „Jeder will alles jederzeit haben“, sei es eine Uhr aus der Schweiz oder marokkanische Erdbeeren im Winter.
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Kein nachhaltiger Effekt des vorübergehenden Ölpreisanstiegs
Der kräftige Anstieg der Ölpreise 2007/2008 hat die Dynamik des Welthandels nicht grundsätzlich verändert, er könnte allerdings strukturelle Anpassungen ausgelöst haben. Höhere Transportkosten beeinflussen die Standortwahl von Unternehmen, ohne jedoch die Vorteile der Güterherstellung im Ausland generell in Frage zu stellen. In Abhängigkeit vom Wert des hergestellten Gutes und von der individuellen Unternehmensstrategie kommt es teils zu Verlagerungen und teils zur Beibehaltung sowie Neueröffnung ausländischer Produktionsstätten. Zudem dürften international agierende Unternehmen bei stark steigenden Transportkosten vermehrt auf Maßnahmen zur Kosteneinsparung bzw. Effizienzsteigerung setzen. Insbesondere dürfte bei langfristig hohen Transportkosten der grenzüberschreitende Austausch geringwertiger, schwerer und homogener Güter abnehmen und sich die Verwendung leichterer Materialien im Transportwesen und bei der Warenherstellung immer mehr durchsetzen. Angesichts des nur vorübergehend sehr hohen Ölpreisniveaus im vergangenen Jahr waren die entsprechenden Auswirkungen allerdings überschaubar. Immer mehr regionale Handelsabkommen abgeschlossen Anzahl seit WTO-Gründung (notifiziert und aktuell in Kraft; Güter und Dienstleistungen) 40
200
kumulativ (rechte Skala)
30 20
150 100
absolut (linke Skala)
10
50
0
0 1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
Quellen: WTO, Helaba Volkswirtschaft/Research
Liberalisierungstrend : Viele Handelsbarrieren abgebaut
Protektionismus: Zyklisch, aber Risiko gesunken
7
Der weltweite Trend zur Handelsliberalisierung hat maßgeblich zur hohen Dynamik des globalen Handelsvolumens seit Mitte der neunziger Jahre beigetragen: Die nach siebenjähriger Verhandlungszeit 1994 abgeschlossene GATT-Runde in Uruguay mündete nicht nur in deutlichen Zollsenkungen, sondern auch 1995 in der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO). In der Folge wurden zahlreiche regionale Abkommen getroffen, die den Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse spürbar voranbrachten. Die Anzahl derartiger Abkommen war bereits rund zehn Jahre nach der WTO-Gründung doppelt so hoch wie in der gesamten fast 50-jährigen GATTHistorie. Neben der Welthandelsorganisation brachte z.B. auch die 1994 gegründete regionale Freihandelszone NAFTA (USA, Mexiko, Kanada) Stabilität ins Handelsgefüge, nicht zuletzt durch die vereinbarten Sanktionsmöglichkeiten. Die 2001 in Doha begonnene und zuletzt im Sommer 2008 ergebnislos tagende WTO-Runde konnte dagegen dem Welthandel keine zusätzlichen Impulse geben. Doch war damit auch keine Verschlechterung der globalen Rahmenbedingungen verbunden, sondern die positiven Effekte der bis dahin erreichten internationalen Marktintegration in Form weltweit niedriger Handelsbarrieren (Ausnahme Agrar- und Textilsektor) wirkten weiterhin. Da sich die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Volkswirtschaften weltweit durch den erhöhten Handel mit Zwischenprodukten und die vermehrten Handelsabkommen intensiviert haben, ist das globale Protektionismusrisiko geringer geworden. Gleichwohl besteht weiterhin eine negative Korrelation zwischen Wachstum und handelshemmenden Maßnahmen, wie empirische Studien z.B. der WTO belegen. Protektionismus weist also eine deutliche Zyklik auf – begrenzt in Boomphasen, ausgeprägt in Krisenzeiten. So nehmen mit nachlassender Nachfrage die Bestrebungen zu, die inländische Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplatzsicherheit zu steigern.
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Zölle deutlich gesunken Ungewichtete Durchschnittswerte in %
Zyklische Entwicklung von Anti-Dumping Anzahl
8
6
40
400
400
30
300
20
200
200
10
100
100
Untersuchungen
eingeleitete Maßnahmen
Deutschland USA
4
300
Japan 2
China (rechte Skala)
0 1995
1997
1999
2001
2003
0
0
2005
Quellen: UNCTAD, Helaba Volkswirtschaft/Research China-Daten für 2002 nicht verfügbar
Bedeutung nicht-tarifärer Maßnahmen gestiegen durch größeren Spielraum
0 1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
Quellen: WTO, Helaba Volkswirtschaft/Research
Mit der Internationalisierung des Handels und der Verbesserung seiner rechtlichen Rahmenbedingungen hat der Protektionismus sein Gesicht verändert: Zollerhöhungen haben an Bedeutung verloren. Denn der Welthandel verläuft mittlerweile größtenteils innerhalb von Zollunionen bzw. Freihandelszonen, und der Zwischenprodukthandel ist so wichtig geworden, dass Zollanpassungen auch inländische Produzenten mit ihren importierten Vorprodukten betreffen. Daher wurde verstärkt auf nicht-tarifäre Handelshemmnisse zum Schutz der inländischen Unternehmen zurückgegriffen. So ist z.B. die Anzahl der Anti-Dumping-Untersuchungen und -Maßnahmen Ende der neunziger Jahre deutlich gestiegen, und viele Länder machten davon gerade in der wirtschaftlichen Schwächephase 2001 Gebrauch. Mit dem Anziehen der globalen Aufschwungkräfte wurde dieses Mittel dann weniger genutzt. Durch den Wandel des Protektionismus im Laufe der letzten Jahrzehnte sind sein Ausmaß und seine potenziellen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft intransparenter geworden.
1.2
Bedeutungsverschiebung in der Triade
Zum Wachstum des Welthandels haben die aufstrebenden Schwellenländer maßgeblich beigetragen, gerade die asiatischen Volkswirtschaften spielten hierbei eine immer größere Rolle: Asiens Bedeutung im Welthandel deutlich gewachsen Anteile der Regionen an globaler nominaler Ex- und Importsumme in % 50
50
EU
40 30 20 10 0
Asien insgesamt
40 30 20
USA
Asien ohne Japan
10 0
1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Quellen: IWF, Helaba Volkswirtschaft/Research
Asien im Warenaustausch wichtiger als USA geworden
8
Im Laufe der letzten Dekaden ist der Einfluss Asiens auf die globalen Warenströme spürbar gestiegen und gleichzeitig derjenige der USA zurückgegangen. Bereits Anfang der neunziger Jahre überstieg der Anteil von „Emerging Asia“ an der weltweiten Ex- und Importsumme den der USA. Seitdem konnte diese dynamische Region ihre Stellung im Welthandel kontinuierlich weiter ausbauen und sich zusehends von den USA absetzen (abgesehen von der Asienkrise 1997/1998). In den Jahren 2001 bis 2007 ist der Warenhandel der asiatischen Schwellenländer mit einem Plus von
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
170 % überdurchschnittlich stark gewachsen (Gesamtasien 150 %), während der Anstieg weltweit 125 % betrug (EU 120 %, USA 70 %). So machte Asien ohne Japan 2007 ansehnliche 22 % des Welthandels aus (inklusive 27 %), während der EU mit 38 % weiterhin die größte Bedeutung zukam und der Anteil der USA auf 11 % sank.1 Wachstum der Handelsströme* zwischen Regionen 2001-2007
+ 160 % EU
Asien**
+ 100 %
+ 50 %
USA
Quellen: IWF, Helaba Volkswirtschaft/Research; *Summe aus Ex- und Importen in $; **ohne Japan
Besonders schwungvoll entwickelten sich im Zeitraum 2001-2007 die Handelsbeziehungen zwischen „Emerging Asia“ und der EU mit einem Plus von 160 %. Demgegenüber stieg die nominale Ex- und Importsumme zwischen Asien ohne Japan und den USA zeitgleich nur um 100 % und der EU-US-Warenaustausch gerade einmal um 50 %. Dies führte zu deutlichen Verschiebungen im Güterhandel der Triade: Die aufstrebende Rolle Asiens in Weltwirtschaft und -handel ging einher mit zunehmenden Verflechtungen mit der EU. Die USA partizipierten hingegen weniger am Zuwachs der asiatischen Güterströme. Zudem entwickelte sich der US-Warenaustausch mit der EU als ebenfalls wichtigem US-Handelspartner in den letzten Jahren verhalten. So hat die größte Volkswirtschaft der Welt einen Bedeutungsverlust im Welthandel hinnehmen müssen, während Asien seine Position zunehmend ausbauen und die EU ihre weitgehend behaupten konnte.
Verschiebungen in der Triade
Zunehmende Exportausrichtung asiatischer Länder
Aufwärtstrend des innerasiatischen Handels
Nominale Export-BIP-Quoten in %
Anteile am Handel Asiens* in %
180 %
50
150
50
150 Asien*
40
100
40
100 30
2007 50
50
1997
Indien
Japan
Indonesien
Südkorea
China
Thailand
Taiwan*
Malaysia
Hongkong
0 Singapur
0
Quellen: IWF, Ecowin, EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research; * nat. Daten
30
Japan USA
20
20
EU
10
10
0
0 1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
Quellen: IWF, Helaba Volkswirtschaft/Research; * ohne Japan
Mit den wachsenden Verflechtungen Asiens im internationalen Wirtschafts- und Handelsgeschehen schritt die regionale Integration voran: Der intraregionale Warentransfer hat sich unterstützt von zahlreichen Handelsabkommen derart intensiviert, dass Asien inzwischen zum weitaus größten Ex- und Importeur der eigenen Waren geworden ist und rund die Hälfte seiner Güter abnimmt
1
Dass die EU im weltweiten Güteraustausch mit Abstand an der Spitze liegt, ist auch vor dem Hintergrund des intensiven
Warenaustausches innerhalb der Region zu sehen, welcher 2007 zwei Drittel des gesamten EU-Handelsvolumens betrug.
9
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Asien: Regionale Integration und Öffnungsprozess
bzw. anliefert. Der Ausbau des intraregionalen Handels wurde entscheidend von einer vertikalen Spezialisierung getrieben. Dies erfolgte unter Ausnutzung komparativer Kostenvorteile und entsprechend der unterschiedlichen Entwicklungsstadien der einzelnen Volkswirtschaften. So wurden Fließbandarbeiten in Niedriglohnländer verlagert und höherwertige Komponenten in weiter entwickelten Ländern hergestellt. Angesichts dieser geographischen Aufteilung des Produktionsprozesses intensivierte sich der innerasiatische Austausch vor allem von intermediären Gütern deutlich. Rund 70 % des intraregionalen Handels entfallen laut Asian Development Bank (ADB) auf Halbfabrikate zur Herstellung von Gütern, die letztlich zur Hälfte in anderen Teilen der Welt Abnehmer finden. Von den in der Region produzierten Endkonsumgütern geht insofern ein Großteil in Industrieländer außerhalb der Region, ADB-Schätzungen zufolge allein 60 % in die G3-Staaten. Für die Entwicklung vieler asiatischer Volkswirtschaften hat die Bedeutung der Warenausfuhr deutlich zugenommen, die nominale Export-BIP-Quote lag 2007 erheblich höher als 1997. Mit zunehmendem Öffnungsprozess war in „Emerging Asia“ allerdings nicht nur eine erhöhte Exportabhängigkeit zu beobachten, sondern auch eine zunehmende Diversifikation der Handelspartner. Die dynamische und bevölkerungsreiche Region Asien sollte auch eine zentrale Rolle für die weitere Entwicklung des Welthandels nach Überwindung der jüngsten Krise spielen.
2
Auswirkungen der Krise
Ob die Finanzkrise und die dadurch ausgelöste weltweite Rezession das Ende der Globalisierung markieren oder nur eine kurze Unterbrechung bevor sich der alte Trend mittel- bis langfristig fortsetzt, hängt davon ab, was die genauen Ursachen des Einbruchs waren. Auch die kurzfristig zu erwartende Dynamik der Erholung wird davon beeinflusst, ob es eine zügige Rückkehr zu den Verhältnissen vor der Krise geben wird oder ob sich das Umfeld durch die Krise nachhaltig verändert hat. Was also bedeutet die Krise für den Welthandel?
Synchroner Wachstumseinbruch in allen Regionen
Welthandel Ende 2008 im freien Fall
Reales Bruttoinlandsprodukt, Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Welthandelsvolumen, Veränderung gegenüber Vorjahr in %
2007
8 6
2008
4
8
20
20
6
15
15
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10
5
5
0
0
-5
-5
4
2009
2
2
0
0
-2
-2
-10
-10
-4
-4
-15
-15
-6
-6
-20
-20
Nordamerika West-Europa Ost-Europa
Asien
Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research 2009: Helaba-Schätzung
2.1 Finanzkrise führt zum Rückgang des globalen Wachstums
10
Latein Amerika
-25 1995
-25 1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
Quellen: CPB, Helaba Volkswirtschaft/Research
Globale Rezession 2008/2009: Der Welthandel bricht ein
Die Jahre kräftigen Wachstums der Weltwirtschaft und des globalen Warenaustauschs kamen im zweiten Halbjahr 2008 zu einem abrupten Ende. Zwar befand sich mit den USA die größte Volkswirtschaft bereits seit Dezember 2007 in einer Rezession. Das zunächst noch solide Wachstum in anderen Teilen der Welt – vor allem in Asien – hatte dies aber teilweise übertüncht. Bis in den Sommer 2008 hinein wurde deshalb das „Abkoppeln“ der Emerging Markets von der „Konjunkturlokomotive“ USA diskutiert. Doch nachdem sich die Finanzkrise im Spätsommer letzten Jahres noch einmal plötzlich verschärfte, brach weltweit in beispielloser Weise die Nachfrage ein. Das globale Wachstum verlangsamte sich von 4,6 % im Jahr 2007 auf 2,4 % in 2008. Im laufenden Jahr wird die Weltwirtschaft sogar um geschätzte 1,5 % schrumpfen, vor allem wegen des kräfti-
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
gen Rückgangs der Aktivität im Winterhalbjahr 2008/2009. Dies ist der erste jährliche Rückgang der globalen Wirtschaftstätigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg. Einbruch des Welthandels im Herbst 2008
Gleichzeitig brach der Welthandel ein. Auch hier begann die Aufwärtsdynamik Anfang 2008 abzuebben. Doch der Absturz begann erst im Oktober/November 2008. Binnen kurzer Zeit fielen die Handelsvolumen mit zweistelligen Vorjahresraten (vgl. Schaubild, S. 10). Wir erwarten für das laufende Jahr ein Schrumpfen des Welthandelsvolumens um rund 10 %, nach einem Plus von fast 4 % im Vorjahr. Zunächst scheint eindeutig die geringere Nachfrage die Ursache und das kollabierende Welthandelsvolumen die Folge gewesen zu sein und nicht umgekehrt. Es waren also nicht plötzlich errichtete Handelsbarrieren, die den globalen Produktionsprozess ausgebremst haben. Was an zusätzlichem Protektionismus zu beobachten war, dürfte wohl eher eine politische Reaktion auf die mit der Rezession verbundene (oder zunächst befürchtete) Zunahme der Arbeitslosigkeit gewesen sein. In der Folge der Insolvenz von Lehman Brothers im September 2008 drohte ein Kollaps des internationalen Finanzsystems. Die Risikoaversion nahm zu, Planungshorizonte verkürzten sich und die Zukunftserwartungen trübten sich ein. Auch diese Rezession folgte dem üblichen psychologischen Muster: Die im Boom übertrieben optimistischen Erwartungen kehrten sich nun ins Gegenteil. Rationale Erwägungen wurden von Panik und Pessimismus abgelöst. Das Resultat der globalen Schwarzseherei war, dass die Unternehmen synchron begannen, Lager abzubauen (d.h. die Produktion herunterzufahren oder im Extremfall einzustellen) und die Investitionspläne zusammen zu streichen.
Multiplikator gilt in beide Richtungen
Warenströme reagieren stärker als Dienste
Derselbe Multiplikator, der vorher den Handel vis-à-vis dem Wirtschaftswachstum überproportional hatte steigen lassen, brachte nun eine Beschleunigung nach unten. Wenn durch transnationale Wertschöpfungsketten jede Einheit eines Endproduktes nun mit mehr grenzüberschreitenden Lieferungen von Vorleistungen verbunden ist, kann es nicht überraschen, dass die Handelsströme Ende 2008/Anfang 2009 überproportional abnahmen. Die sogenannte Einkommenselastizität des Welthandels lag seit Mitte der neunziger Jahre bei über drei2, d.h. ein Anstieg des globalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1 % war mit einem Plus im Welthandel von mehr als 3 % verbunden. Bei einem erwarteten Schrumpfen der globalen Wirtschaft um 1,5 % wäre demnach ein Rückgang des Welthandels um 5 % bis 6 % zu erwarten. Tatsächlich zeichnet sich aber ein fast doppelt so starker Rückgang ab. Caroline Freund von der Weltbank hat sich mit diesem Thema beschäftigt.3 Sie stellt fest, dass der Welthandel in Rezessionen grundsätzlich stärker auf Änderungen der Einkommen reagiert als in normalen Zeiten und dass diese Sensitivität im Zeitablauf zunimmt. Laut ihrem Modell wäre angesichts der Schwere dieser Rezession sogar ein Schrumpfen des Welthandels um 15 % noch „normal“. Hier dürfte die langfristige Tendenz zur „just-in-time“-Lagerhaltung eine Rolle spielen: Wegen der knappen Lagerhaltung reagiert die Produktion unmittelbarer auf Veränderungen der Nachfrage. Diese schlagen sich daher sofort in der Handelsstatistik nieder, statt zunächst durch Änderungen in den Lagerbeständen abgefedert zu werden. Hinzu kommt, dass der Welthandel von Waren dominiert wird, während in den entwickelten Volkswirtschaften die Dienstleistungen den größten (und steigenden) Anteil am BIP ausmachen. Da die Dienstleistungsnachfrage in Rezessionen weniger nachgibt als die nach Waren, reagieren die Handelsströme stärker als das BIP.
2
Ein einfaches Modell liefert eine Elastizität von 3,5. Douglas Irwin vom Dartmouth College hat in einer Studie eine
Elastizität von 3,4 ermittelt – verglichen mit einem Wert von nur 2 in den sechziger und siebziger Jahren. Caroline Freund (siehe nächste Fußnote) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. 3
11
Freund, C., The trade response to global downturns: historical evidence, WPS5015, August 2009.
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Die Kausalität „schrumpfende Nachfrage – geringerer Handel“ dürfte also den Löwenanteil des Einbruchs im Welthandel erklären, vor allem, wenn man die Argumente für eine stärkere Reagibilität in der Rezession berücksichtigt. Doch darüber hinaus gibt es weitere Faktoren, die in dieselbe Richtung gewirkt haben, auch wenn sie schwer zu quantifizieren sind. Probleme bei Exportfinanzierung eher Nebenschauplatz
Ein Thema, das in den vergangenen Monaten häufiger diskutiert wurde, ist die Exportfinanzierung. Die Finanzkrise hat sich sicher negativ auf die Bereitschaft von Banken und anderen privaten Finanzinstitutionen ausgewirkt, mit möglicherweise höheren Risiken behaftete Auslandsgeschäfte zu finanzieren. Allerdings ist die Datenlage zur Exportfinanzierung mehr als dürftig. Selbst Experten vom IWF und der Weltbank können nicht genau sagen, wie stark die verfügbaren Mittel zurückgegangen sind und wie sich das konkret auf den Handel ausgewirkt hat. Für den Einbruch im Welthandel ist dies aber wohl eher ein Nebenschauplatz. Laut einem „best guess“ der Weltbank ist das „Austrocknen“ der Handelsfinanzierung nur für rund 10 % bis 15 % des Rückgangs der Handelsströme verantwortlich. Es war also wohl nicht eine Kreditklemme, die den Welthandel Ende 2008 einbrechen ließ.
Leichte Zunahme protektionistischer Maßnahmen
Sprung auf dem Höhepunkt der Krise
Zahl der angestrebten neuen Handelshemmnisse
Zahl der angestrebten Anti-Dumping-Maßnahmen
40
40
80
80
35
70
70
30
60
60
25
25
50
50
20
20
40
40
15
15
30
30
10
10
20
20
5
5
10
10
0
0
0
Entwicklungsländer
35 30
Industrieländer
Mrz 07
Mrz 08
Mrz 09
Quellen: Bown (2009), Helaba Volkswirtschaft/Research
2.2
0 Mrz 07
Mrz 08
Mrz 09
Quellen: Bown (2009), Helaba Volkswirtschaft/Research
Welche Rolle spielt der Protektionismus?
In der öffentlichen Diskussion um die Ursachen des schrumpfenden Welthandels steht häufig ein weiterer Verdächtiger im Mittelpunkt: der Protektionismus. Das politische Umfeld war für den Freihandel in den vergangenen zwei Jahren eher ungünstig. Die Vertreter der Regierungen scheiterten Mitte 2008 bei ihrem Versuch, die 2001 in Doha begonnene WTO-Runde zur Liberalisierung des Welthandels zum Abschluss zu bringen. Obwohl hier letztlich Differenzen zwischen den Industrie- und Schwellenländern im Vordergrund standen, förderte das schwieriger werdende konjunkturelle Umfeld sicher nicht die Kompromissbereitschaft. Zahl protektionistischer Maßnahmen zuletzt gestiegen
Gemessen an der Aufmerksamkeit in den Medien, die diesem Thema zukommt, wurden in den vergangenen Monaten spürbar mehr Anläufe unternommen, heimische Märkte abzuschotten. Zumindest in der Tendenz bestätigt die Zahl der neuen protektionistischen Maßnahmen dies. Chad Bown von der Brandeis University hat in einer „Global Antidumping Database“ zusammengetragen, in welchen Ländern wann welche Vorstöße unternommen wurden, die Importe von bestimmten Gütern einzudämmen. Seine Auswertung4 zeigt, dass die Zahl der angestoßenen AntiDumping-Verfahren ausgerechnet in dem Quartal einen Sprung nach oben machte, als die Krise 4
Bown, C. (2009), The Global Resort to Antidumping, Safeguard and other Trade Remedies Amidst the Economic Crisis,
working paper.
12
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
ihren Höhepunkt erreichte. Allerdings wirken Handelshemmnisse in der Regel nicht so schnell. Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein Anti-Dumping-Verfahren eröffnet wird und dem Punkt, an dem tatsächliche Maßnahmen verhängt werden, vergeht im Schnitt ein Jahr. Als Ursache für den massiven Einbruch des Handels kommen die Importbeschränkungen daher nicht in Frage. Sie sind wohl mehr ein Anzeichen dafür, dass die politisch Verantwortlichen in Krisenzeiten den stets vorhandenen populistischen Tendenzen zu mehr Protektionismus weniger Widerstand leisten als sonst. Insofern sind die diskutierten Schutzmaßnahmen Folge und nicht Ursache der Krise. Dafür spricht auch ihre Größenordnung: Chad Bowns Studie kommt z.B. zu dem Ergebnis, dass die durch die neuen Maßnahmen effektiv oder potenziell betroffenen Güter vor der Krise im Schnitt nur 0,2 bis 0,8 Prozent der Importströme in den jeweiligen Ländern ausmachten. Dies ist offensichtlich ein viel zu geringer Anteil, als dass er einen Rückgang der Handelsströme um bis zu 20 % erklären könnte. Protektionismus insgesamt keine akute Gefahr für Welthandel
Die in vielen Ländern, nicht zuletzt in den USA, geschnürten Konjunkturpakete sollten vor allem der heimischen Wirtschaft über die Krise hinweghelfen. Allerdings stellte es sich als sehr schwierig heraus, diese Absicht in Gesetzesform zu gießen, ohne die vertraglichen Verpflichtungen in der WTO zu verletzen. In der Praxis scheint die Diskriminierung ausländischer Anbieter jedoch nicht das prägende Merkmal der Pakete zu sein. In den Medien wurden protektionistische Aspekte wie die „Buy American“-Klausel des amerikanischen Konjunkturpakets hervorgehoben – dass die entsprechenden Bestimmungen nach internationaler Kritik entschärft wurden, fand hingegen weniger Aufmerksamkeit. Politische Absichtserklärungen, die Konjunkturpakete seien für die einheimische Wirtschaft gedacht, sollen wohl hauptsächlich innenpolitische Kritik entkräften, dass sie auch ausländischen Firmen zu Gute kommen. Problematischer ist der im Zuge der Krise deutlich ausgeweitete Einsatz von direkten Subventionen in vielen Branchen. So zeichnet sich der Automobilsektor nach Einschätzung von Branchenexperten durch eine globale Überkapazität aus. Öffentliche Beihilfen könnten hier letztlich darauf abzielen, die erforderlichen Anpassungsprozesse auf andere Länder „abzuwälzen“. Diese Maßnahmen stellen zwar keine akute Gefahr für den Welthandel oder die Weltkonjunktur dar. Sie bringen aber langfristige strukturelle Probleme (wie dauerhafte Überkapazitäten und Ineffizienzen) mit sich. Es ist deshalb durchaus berechtigt, sie kritisch zu hinterfragen.
2.3
Temporärer Dämpfer – keine Zeitenwende
Wichtig ist schließlich, dass der Rückgang der Handelsströme nicht darauf zurückzuführen ist, dass die Unternehmen im Zuge der Krise plötzlich grenzüberschreitende Lieferungen als riskanter ansehen. Dies wäre der Fall gewesen, wenn ein katastrophales Ereignis die globale Zulieferungskette unterbrochen hätte. In einem solchen Szenario wäre denkbar, dass eine Mehrheit der global tätigen Unternehmen die Risiken ausländischer Absatzmärkte oder Zulieferer neu eingeschätzt hätten und sich vielleicht auf Jahre hinaus von der Strategie der globalen Vernetzung abwenden würden. Davon kann jedoch unseres Erachtens keine Rede sein. Im Gegenteil machen die im Vergleich zum vergangenen Jahr gefallenen Energie- und Transportkosten eine grenzüberschreitende Zuliefererpolitik eher wieder attraktiver. Keine Wiederholung der Depression der dreißiger Jahre
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Insgesamt sind die Unterschiede zwischen der aktuellen Episode und den Ereignissen in der Weltwirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts groß genug, um eine Wiederholung der damaligen jahrelangen parallelen Abwärtsspirale von Output und Handel unwahrscheinlich zu machen (siehe Kasten, S. 14).
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Handel in der Weltwirtschaftskrise: Mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zu heute
In vielen Ländern sind Produktion und Nachfrage seit Herbst 2008 so stark eingebrochen wie noch nie seit der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren. Auch das Welthandelsvolumen ist zuletzt so kräftig gefallen wie mindestens seit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Dies ist die zweite beunruhigende Parallele zur Weltwirtschaftskrise, als der Welthandel von 1929 bis 1934 um rund zwei Drittel schrumpfte. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich die Katastrophe von damals wiederholen könnte? Selbst historisch Interessierte haben als Ursache der Weltwirtschaftskrise vor allem den Aktienmarktcrash von 1929 vor Augen. Daneben gilt der Protektionismus, mit dem viele Regierungen auf die Krise reagierten, als ein wichtiger Faktor. In der Forschung ist jedoch selbst nach rund 80 Jahren noch immer umstritten, was genau aus einer normalen Rezession die „Great Depression“ machte. Weitgehender Konsens besteht darin, dass der Crash an den Weltbörsen, der am „Schwarzen Freitag“ (29. Oktober 1929) in New York begann, bestenfalls ein Auslöser des Prozesses war, der letztlich in die Krise führte. Manche argumentieren sogar, er sei nur ein Symptom der eigentlich verantwortlichen Faktoren gewesen. Offen bleibt zudem, in welchem Maße der Rückgang des Welthandels Ursache oder Folge der Wirtschaftskrise war. Was war damals passiert? Bereits 1929 fielen die nominalen Handelsströme um 10 %. In den nächsten beiden Jahren beschleunigte sich dieser Rückgang auf jeweils etwa 30 %. 1932 folgte noch einmal ein Minus von 17 %. Dieser Einbruch des Handels war teilweise Folge des Preisverfalls. Die Weltwirtschaft durchlief damals eine Deflationsphase, in der die Export- und Importpreise ebenso fielen wie die Verbraucherpreise. Das Handelsvolumen (preisbereinigt) ist von 1929 bis 1932 immerhin noch um etwa 30 % gefallen. Über denselben Zeitraum schrumpfte die weltweite Produktion (approximiert durch zwölf europäische Industriestaaten sowie die USA, Kanada, Australien und Neuseeland) um rund 17 %. Grundsätzlich gilt eine „Einkommenselastizität der Importnachfrage“ von zwei (d.h. ein Rückgang des BIP um 1 % zieht eine Abnahme der Importe um 2 % nach sich) nicht als ungewöhnlich. Das Schrumpfen des Handelsvolumens ist daher im Rahmen dessen, was angesichts der rückläufigen Nachfrage zu erwarten wäre. In welcher Richtung die Kausalität aber letztlich ging – ob der Rückgang der Nachfrage zu geringeren Handelsvolumen führte oder die Abschottung der heimischen Märkte zu schrumpfender Produktion – bleibt unklar. Schnellerer Einbruch – zügige Erholung? Welthandelsvolumen, Monate nach Krisenbeginn, indexiert 110
110
100
100
Weltwirtschaftskrise (Juni 1929 = 100) 90
90
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aktuell (April 2008 = 100)
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70 60
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6
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Quellen: CPB, Eichengreen/O’Rourke, Helaba Volkswirtschaft/Research
Allerdings ist wohl davon auszugehen, dass die Runden von Zollerhöhungen und Währungsabwertungen einen erheblichen negativen Effekt auf die Handelsströme und letztlich auch auf die wirtschaftliche Aktivität hatten. Studien schätzen, dass etwa die Hälfte des Rückgangs im Handelsvolumen eine Folge der Handelshemmnisse war.
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Vergleicht man die heutige mit der damaligen Situation, stechen eher die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten ins Auge. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das internationale Währungssystem. Anfang der dreißiger Jahre nahmen die meisten wichtigen Länder am so genannten „goldexchange-standard“ Teil. Dieser unterschied sich vom klassischen Goldstandard (1871-1913) dadurch, dass Notenbankreserven nicht nur in Gold, sondern auch in der Form von Reservewährungen (hauptsächlich britisches Pfund und US-Dollar) gehalten werden konnten. Die Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren ging primär von den USA aus. Aus heutiger Sicht gilt eine zu restriktive Geldpolitik der Fed ab 1928 als eine der Hauptursachen. Die Nachfrage in den USA brach ein. Hohe Zinsen in Amerika und geringere US-Importe führten zu einem Abfluss von Gold aus anderen Ländern. Damit exportierten die USA quasi ihre kontraktive Geldpolitik. Der Rest der Welt hatte nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Eine expansive Fiskalpolitik galt damals allgemein als kontraproduktiv – Regierungen wollten selbst in Rezessionen ausgeglichene Haushalte vorlegen. Eine eigenständige Reflationspolitik (d.h. expansivere Geldpolitik) war wegen des Goldstandards ausgeschlossen. Somit blieben nur drei Optionen: die Wiederherstellung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts durch eine inländische Deflation; die Einführung von Handels- und Kapitalverkehrskontrollen, um den Goldabfluss zu stoppen; oder sich vom Goldstandard zu verabschieden und die Währung abzuwerten. Die beste Reaktion wäre eine global koordinierte Lockerung der Geldpolitik gewesen. Aber wegen ideologischer Differenzen und politischer Gründe (der Erste Weltkrieg und der Vertrag von Versailles belasteten noch immer die internationalen Beziehungen) kam dies damals nicht in Frage. Stattdessen entschieden sich einzelne Länder für eine der drei Optionen. Jeder Schritt eines Landes erhöhte den Anpassungsdruck bei denen, die am Goldstandard und den alten Paritäten festhielten. Als eigentlicher Ausgangspunkt für den Protektionswettlauf gilt heute die Finanzkrise in Deutschland und Österreich im Sommer 1931. Das Deutsche Reich konnte wegen Inflationsängsten – die Hyperinflation lag nur acht Jahre zurück – nicht den Weg der Abwertung wählen, zumal seine Reparationszahlungen in Devisen fixiert waren. Eine Abwertung hätte daher einen Staatsbankrott nach sich gezogen. Stattdessen führte Deutschland Kapitalverkehrskontrollen ein, welche die Finanzindustrie in der City of London in erhebliche Schwierigkeiten brachten. Großbritannien sah sich gezwungen, den Goldstandard zu verlassen und das Pfund abzuwerten. Zahlreiche Länder folgten dem britischen Vorbild. Andere reagierten mit der Einführung von Handelshemmnissen. In der zweiten Jahreshälfte 1932 erreichte der Welthandel dann mit nur rund 70 % des Volumens von Mitte 1929 seinen Tiefpunkt. Zum gleichen Zeitpunkt verzeichneten auch die globale Industrieproduktion und die Aktienmärkte ihre Tiefs. Die Unterschiede zu heute liegen klar auf der Hand: Fast alle Regierungen haben diesmal in historisch einmaligem Ausmaß auf eine expansive Finanzpolitik gesetzt. Gleichzeitig ist die Geldpolitik in den meisten Ländern so locker wie noch nie. Es besteht daher keinerlei Notwendigkeit, auf Handelsrestriktionen auszuweichen. Das System freier Wechselkurse, die verbesserte internationale Zusammenarbeit und die Tatsache, dass die Verantwortlichen aus den Fehlern ihrer Vorgänger in der Weltwirtschaftskrise gelernt haben, machen es unwahrscheinlich, dass das Welthandelssystem kollabiert wie in den dreißiger Jahren. Quellen: Bernanke, B. (2004), Money, Gold and the Great Depression, 2. März 2004 http://www.federalreserve.gov/boarddocs/speeches/2004/200403022/default.htm Eichengreen, B./ Irwin, D. (2009), The Slide to Protectionism in the Great Depression: Who succumbed and why?, NBER Working Paper 15142. Eichengreen, B./O’Rourke, K. (2009), A Tale of Two Depressions, http://www.voxeu.org/index.php?q=node/3421 Kindleberger, C. (1973), The World in Depression 1929-1939. Madsen, J. (2001), Trade Barriers and the Collapse of World Trade during the Great Depression, in: Southern Economic Journal, April 2001.
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
3 Weltwirtschaft hat Tiefpunkt überwunden
Keine schnelle Rückkehr der Boomzeiten
Ausblick: Welthandel wieder auf Expansionskurs
Im Sommer 2009 hat die wirtschaftliche Aktivität in den USA und im Euroraum aufgehört zu schrumpfen. Japan und die asiatischen Schwellenländer sind schon im Frühjahr auf einen Erholungskurs eingeschwenkt. Der Rückgang der Exportvolumen ist in den ersten Monaten des Jahres ausgelaufen, wobei sich das Timing von Land zu Land unterscheidet. Die Exporte der großen Welthandelsblöcke bewegen sich seitdem entweder seitwärts oder steigen schon wieder. Für das zweite Halbjahr zeichnet sich eine kräftige Erholung der Weltwirtschaft ab. Darauf deutet auch der OECD-Frühindikator hin. Seine Sechsmonatsdynamik – in dieser Krise zeitweise so tief wie noch nie seit Anfang der sechziger Jahre – ist im Juni wieder in den positiven Bereich gesprungen. Allerdings dürften die Nachwirkungen der Krise verhindern, dass der Zyklus in der Summe so kräftig ausfällt, wie dies nach einem so beispiellosen Einbruch der Nachfrage zu erwarten wäre. Im Jahresdurchschnitt sollte die Weltwirtschaft 2010 um rund 3 % wachsen. Damit kehrt sie auf einen nachhaltigen Expansionspfad zurück, ohne jedoch an die Wachstumsraten der Boomphase vor der Krise (Durchschnitt 2004-2007: 4,3 %) anknüpfen zu können.
Auf den Einbruch folgt Bodenbildung und teilweise Erholung
Kurzfristig liefert der Zyklus kräftige Impulse
Reale Exporte, indexiert, Januar 2008 = 100
OECD-Frühindikator, annualisierte Sechsmonatsrate in %
110
110
100
100
Emerging Asia
90
90
USA 80
80
Eurozone 70
70
Japan 60
60 Jan 08
Apr 08
Jul 08
Okt 08
Jan 09
Quellen: CPB, Helaba Volkswirtschaft/Research
Protektionismus setzt sich nicht durch
Globalisierung wird weiter voranschreiten
16
Apr 09
15
15
10
10
5
5
0
0
-5
-5
-10
-10 -15
-15 1990
1993
1996
1999
2002
2005
2008
Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research
Wir gehen nicht davon aus, dass sich durch die Krise das Verhältnis von BIP-Wachstum zu Handelswachstum in größerem Umfang verschoben hat. Die protektionistischen Tendenzen der vergangenen Monate markieren keine fundamentale Abwendung der führenden Handelsnationen vom freien Warenaustausch, auch wenn die erhofften Wohlstandsgewinne aus einem erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde auf absehbare Zeit nicht realisiert werden dürften. Die Popularität von Handelsbeschränkungen unterliegt deutlichen zyklischen Schwankungen, was dafür spricht, dass die Attraktivität des Protektionismus nach seinem „Boom“ während der Krise in der Erholung merklich nachlassen wird. Dies wird vor allem dann offensichtlich werden, wenn die Welle von zeitverzögert wirksam werdenden Anti-Dumping-Maßnahmen wieder abklingt. Auf die Zuwachsraten des globalen Handels in den kommenden Jahren wird der Protektionismus wohl einen dämpfenden aber vergleichsweise geringen Einfluss haben, selbst wenn die Lage an den Arbeitsmärkten der großen Industriestaaten noch längere Zeit angespannt bleiben sollte. Für global agierende Unternehmen gibt es keinen triftigen Grund von der stärkeren Zusammenarbeit mit internationalen Zulieferern abzusehen. Eine Sättigung ist in dieser Hinsicht wohl noch nicht erreicht, so dass weiterhin Spielraum besteht, effizienter zu produzieren, indem die globale Arbeitsteilung ausgeweitet wird. Es wäre purer Zufall, wenn ein solcher Wendepunkt ausgerechnet in der Krise erreicht worden wäre. Angesichts des erwarteten Weltwirtschaftswachstums von rund 3 % ist für das kommende Jahr eine zweistellige Zuwachsrate beim Welthandel durchaus realistisch. Dies reflektiert hauptsächlich eine temporäre Gegenbewegung zu dem vorhergegangenen Einbruch. Wie sieht es aber auf mittlere Sicht jenseits dieser Korrektur aus?
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
Asien auf dem Vormarsch Eine zentrale Triebkraft des Welthandels bleiben in den kommenden Jahren die Schwellenländer, insbesondere Asien mit seiner prominenten Stellung im weltweiten Güteraustausch. Innerhalb der Erholung der Weltwirtschaft rangiert „Emerging Asia“ vorne mit den höchsten Wachstumsraten, und auch mittelfristig ist ein dynamischer Expansionspfad zu erwarten. Allerdings dürften die BIPSpitzenraten aus der Vorkrisenzeit nicht mehr erreicht werden, da ein etwas niedrigeres Potenzialwachstum in führenden Industrieländern die ausländischen Absatzmöglichkeiten für das exportabhängige Asien begrenzt.
Dynamisches Asien als wichtige Triebkraft
„Emerging Asia“: Hohes Wirtschaftswachstum
Aufwärtstrend des Einkommensniveaus
% gg. Vj., real
Pro-Kopf-BIP in Asien ohne Japan
10
10
BIP
8
8
7.000
7.000
6.000
6.000
EIUPrognose
5.000 6
6
4
4
3.000
2
2.000
privater Konsum
2
4.000
4.000
2.000
$
1.000
0
0 1987 1990 1993 1996 1999
Quellen: EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research; * Prognose
2002 2005 2008 2011
Quellen: EIU, Helaba Volkswirtschaft/Research; * Kaufkraftparitäten
Die Weiterentwicklung der Emerging Markets verändert ihre Rolle in der Weltwirtschaft: Sukzessiv zunehmende Löhne und Gesetzesauflagen werden die internationalen Möglichkeiten der Lohnkostenarbitrage reduzieren. Ebenso wie intensivere Kosten-Nutzen-Abwägungen angesichts immer noch signifikanter Transportkosten mindert dies den Anreiz zur Güterherstellung im Ausland. Doch gleichzeitig wird mit höherem Lohn- bzw. Einkommensniveau die Konsumnachfrage der asiatischen Schwellenländer steigen, auch nach Qualitäts- und Luxusgütern. Je mehr der Aufholprozess dieser bevölkerungsreichen Region voranschreitet, umso mehr wird die Gesamtnachfrage sowie die Vorliebe zur Produktvielfalt zunehmen. Die wachsende Attraktivität der Emerging Markets als Absatzmärkte erhöht wiederum ihre Bedeutung als Unternehmensstandort und Handelspartner.
Neben Produktionsstandort vermehrt auch Absatzmarkt
China in dynamischem Aufholprozess …
… z.B. aufgrund sich wandelnder Güterstruktur
Anteil an nominalen Weltexporten in %
Anteil an nominalen Exporten Chinas in %
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12
China**
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8
Japan*
4
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2
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0 8
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Maschinen 40
40
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2012*
2011*
2010*
2008
2009*
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
0 1999
0
PPP*-$
22
29
36
43
50
57
Quellen: Ecowin, IWF, Helaba Volkswirtschaft/Research; Zeitachse seit Beginn des wirtschaftlichen Aufholprozesses ab *1948 bzw. **1979
Zunehmende Bedeutung Asiens im Welthandel
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Textilien 0
0 1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
Quellen: Ecowin, Helaba Volkswirtschaft/Research
Dies dürfte den Welthandel weiterhin stimulieren und den Anteil Asiens von derzeit rund einem Viertel der globalen Ex- und Importsumme weiter erhöhen. Die Bedeutung Asiens im Welthandel wird auch durch die erhöhte Diversifikation der Handelspartner und die steigende regionale Integ-
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
ration zunehmen. Dafür ist der 2015 geplante Abschluss von Asean+6 als dann weltweit größter Freihandelszone5 beispielhaft. Dreh- und Angelpunkt des asiatischen Handels wird China bleiben, das sich allerdings von der reinen „Werkbank der Welt“ immer mehr zum höherwertigen Produktionsstandort (z.B. Industriemaschinen) und zum Abnehmer asiatischer Endkonsumgüter entwickelt. Dadurch dürfte sich der globale Marktanteil chinesischer Ex- und Importe weiter erhöhen. Nicht zuletzt dank seiner aktiven Handelspolitik wird China in der Riege der weltweit größten Handelsnationen weiter aufsteigen.
Mittelfristige Perspektive: Welthandel bleibt auf Expansionskurs Anziehende Nachfrage kräftigerer Anstieg des Welthandels
Mittelfristig keine Rückkehr zu Vorkrisenraten
Die Tendenz zur Internationalisierung von Produktionsprozessen wird aufgrund der vielfältigen Vorteile der weltweiten Arbeitsteilung anhalten. Da die globalisierten Wertschöpfungsketten den Welthandel mitbestimmen bzw. von ihm abhängig sind, ist auch künftig von der Gültigkeit des beschriebenen Multiplikatoreffekts auszugehen: Ebenso wie der markante Nachfragerückgang weltweit im laufenden Jahr einen noch kräftigeren Einbruch der Handelstätigkeit ausgelöst hat, besteht bei der sich nun manifestierenden Erholung der Weltwirtschaft die Chance, dass die wieder anziehende Nachfrage 2010 einen deutlicheren Anstieg des Welthandels auslöst. Schließlich intensiviert sich sowohl der grenzüberschreitende Austausch von Zwischengütern als auch von Endprodukten. Mittelfristig, d.h. auf Sicht der nächsten fünf Jahre, ist mit einem Anstieg des globalen BIP zu rechnen, der in etwa dem langjährigen Durchschnitt entspricht. Dies liegt merklich unter der Dynamik der Jahre unmittelbar vor der Krise. Da diese Boomphase aber letztlich auch durch eine globale Kreditblase geprägt war, wäre eine Rückkehr zu diesen nicht nachhaltigen Wachstumsraten weder normal noch wünschenswert. Stattdessen dürften das niedrigere Potenzialwachstum, vor allem in den großen Industriestaaten, und die in den kommenden Jahren zu erwartende weltweite Straffung von Geld- und Fiskalpolitik das globale Wirtschaftswachstum auf rund 3 % bis 3,5 % beschränken. Dabei bleibt die andauernde Integration der asiatischen Schwellenländer in die Weltwirtschaft auf absehbare Zeit eine wichtige Stütze. Wachstum von Weltwirtschaft und globalem Handel nicht mehr ganz so kräftig wie vor der Krise Veränderung gegenüber Vorjahr in % 8
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Welthandelsvolumen (rechte Skala)
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2 0
0
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Welt-BIP (linke Skala)
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-4 -10
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-15 2000
2001
2002
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2008
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2010
2011
2012
2013
Quellen: EcoWin, Weltbank, Helaba Volkswirtschaft/Research; ab 2009 Helaba-Prognose
Damit wären auf der Basis eines Multiplikators von knapp drei6 für den Welthandel Zuwachsraten im hohen einstelligen Bereich zu erwarten. Die jüngsten protektionistischen Maßnahmen könnten noch einige Zeit nachwirken und die Verhandlungen für eine weitere Handelsliberalisierung be5
Neben den zehn ASEAN-Staaten: China, Japan, Südkorea, Indien, Australien und Neuseeland.
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Der durchschnittliche Multiplikator liegt derzeit wohl über drei. Aber da – wie oben gezeigt – der Handel in der Rezessi-
on deutlich überproportional auf Änderungen im Einkommen reagiert, ist in der Expansion im Durchschnitt eine geringere Elastizität zu erwarten.
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
lasten. Hinzu kommen noch im Trend wohl wieder zunehmende Energie- und Transportpreise. Wir rechnen daher insgesamt damit, dass der Welthandel in den kommenden Jahren im Schnitt um etwa 6 % bis 7 % pro Jahr zulegen wird. Dies wäre weniger als in den Boomjahren 2004 bis 2007 (Durchschnitt 9 % p.a.), würde aber nach wie vor eine robuste Expansionsrate darstellen. Der Trend zur Globalisierung ist auch nach der Krise intakt. ■
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Welthandel: Keine Zäsur durch die Krise
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